Where the arrow hits von Flordelis ================================================================================ Ending the Quest: Heaven Won't Hold It Against You -------------------------------------------------- Es schien Murphy eine Ewigkeit zu vergehen, in der er nur in dieser undurchdringlichen Dunkelheit stand, darauf wartend, dass er einen Hinweis bekam, wie er weiter vorgehen sollte. Zuerst kehrten die Geräusche zurück. Er hörte das Glucksen von Wasser, kein Meer, aber mindestens ein See. Wellen schwappten gegen Holz, das leicht knarrte. Dann spürte er, dass er lag, statt aufrecht zu stehen. Alles, was zuvor geschmerzt hatte, schien nun vollständig verheilt zu sein, jedenfalls war es nicht mehr spürbar. Zuletzt war da Licht. Er sah es hinter seinen geschlossenen Augenlidern, spürte, wie es direkt auf ihn fiel und dennoch gedämpft war, als käme es von hinter einer Wolkendecke. Als er die Augen öffnete, war er nicht überrascht, den stahlgrauen Himmel von Silent Hill über sich zu sehen. Er wunderte sich auch nicht darüber, dass er auf dem Bootssteg lag, von dem aus er zuvor ins Wasser gesprungen war, um dieses kleine Abenteuer zu erleben. Die Abwesenheit seiner Axt war das einzige Zeichen, dass die Geschehnisse kein Traum gewesen waren. Diese Stadt besaß ihre ganz eigenen Gesetze, wie er nun zum wiederholten Mal feststellen musste. Inzwischen hatte er sich widerwillig daran gewöhnt, aber sein Verlangen, von hier fortzukommen, war noch immer ungebrochen. „Es gibt da aber eine Sache, die ich noch tun muss“, murmelte er und setzte sich in Bewegung, um das Haus wieder zu betreten, in dem er Fletcher getroffen hatte. Das Gefühl war immer noch genau dasselbe wie zuvor, es fühlte sich nicht so an, als befände sich außer ihm niemand in diesem Haus. Murphy hatte sogar das Gefühl, dass es verlassen war und das schon seit Monaten. Weswegen hielt Fletcher sich dann darin auf? Vielleicht hat er sich nach dem Verschwinden der richtigen Bewohner hier nur eingenistet. So ähnlich wie ich, als ich mich hier ausruhen wollte. Ohne seine Axt fühlte er sich wesentlich schutzloser, was ihn sich wünschen ließ, dass er ein anderes Haus gewählt hätte, um sich auszuruhen, dann besäße er sie immerhin noch. Diesmal war das obere Zimmer nicht leer, Fletcher saß auf einem abgewetzten Sofa – das zuvor nicht dagewesen war – und blickte lächelnd auf, als die Tür beim Öffnen knarrte. Auch wenn er versuchte freundlich zu lächeln, fuhr es Murphy eiskalt über den Rücken, das zu betrachten. Deswegen wollte er es lieber schnell hinter sich bringen: „Es gab keinen Preis.“ Das Monster hatte sich einfach aufgelöst, aber nichts hinterlassen und er war auch zu keinem anderen Ort mehr gekommen, an dem er einen solchen hätte bekommen können. Aber Fletcher ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Sind Sie sich da so sicher, Mr. Pendleton?“ Murphy runzelte die Stirn, sein Gegenüber deutete auf seine Tasche. „Schauen Sie genau nach.“ Wenngleich immer noch misstrauisch, griff Murphy in seine Hosentasche – und zog zu seinem eigenen Erstaunen einen Schlüsselbund heraus, an dem nur ein rohrförmiger Anhänger befestigt war. Er sah aus, als könne man ihn aufschrauben. Da Fletcher bereits die Hand danach ausgestreckt hatte, reichte Murphy ihm dieses Röhrchen. Der andere musterte diesen Gegenstand eine Weile, immer noch ein furchtbar unheimliches Lächeln auf den Lippen. „Ist das nicht wundervoll, Mr. Pendleton?“ „Das liegt im Auge des Betrachters.“ Für Murphy war es immerhin einfach nur irgendein wertloser Gegenstand, der kaum irgendetwas Gutes beinhalten konnte, selbst wenn er auf diese mysteriöse Weise in seine Tasche gekommen war. Fletchers Lächeln schien sich noch ein wenig zu vergrößern, was es noch unheimlicher machte, er schraubte den Deckel des Röhrchens ab und zog einen kleinen, abgegriffenen Zettel heraus. „Das hier ist natürlich der eigentliche Schatz.“ Murphys Blick streifte den nun wertlos gewordenen Stadtplan auf dem Tisch. „Noch eine Schatzkarte?“ War das etwa Fletchers Hobby? Karte um Karte suchen, um irgendwann an einen wirklich großen Schatz zu kommen, mit dem er sich niederlassen konnte? Er lachte leise, was einen hohlen Ton erzeugte, Murphy wieder Schauer über den Rücken jagte. „Mr. Pendleton, Sie missverstehen das. Das hier ist der Schatz. Ja, schauen Sie nicht so, ich meine es vollkommen ernst.“ Fletcher wedelte mit dem Zettel, der so aussah, als zerbrösele er jeden Moment, ohne es wirklich zu tun. „Das hier ist eine Anleitung, um glücklich zu sein.“ Murphy schnaubte. „Eine Glückskeksweisheit, vermutlich.“ „Sie glauben wohl nicht an das Glück.“ Fletchers graue Augen blitzten belustigt. „Sind Sie nicht gegangen, um etwas zurückzubekommen, das Sie verloren haben? Warum wollten Sie es denn zurück, wenn Sie nicht glücklich sein wollten?“ Darauf konnte er nichts erwidern, denn es stimmte. Er hatte Charlie wiederhaben wollen, um glücklich zu sein, dann war es Carol gewesen, die er sich wieder an seine Seite gewünscht hatte. Aber … „Das bedeutet nicht, dass ich an eine Anleitung dafür glaube.“ „Das ist auch sicher das Beste, normalerweise. Aber das hier ist die ultimative Wahrheit. Glauben Sie mir ruhig, Mr. Pendleton.“ Doch Murphy zuckte betont gleichgültig mit den Schultern. „Selbst wenn, ich wüsste nicht, warum mich das interessieren sollte. Es ist Ihr Schatz, so war die Abmachung.“ Fletcher hob einen Zeigefinger und wackelte damit vor seinem Gesicht. „Das mag sein, aber da es mein ist, kann ich damit tun, was ich will – und ich hatte Ihnen außerdem auch einen Preis versprochen, nicht wahr?“ Er reichte Murphy den Zettel. „Ich habe das Geheimnis nun gelesen, also sollten Sie den Zettel bekommen, damit ich Ihnen nichts mehr schuldig bin.“ Die Versuchung, ihn wirklich an sich zu nehmen, war groß, aber dieses unheimliche Lächeln, das Glitzern in den Augen und auch Fletcher an sich, waren derart irritierend, dass Murphy es vorzog, nichts von diesem Mann anzunehmen. „Vergessen Sie's. Ich gehe einfach weiter und-“ „Nehmen Sie ihn endlich!“ Der finstere Unterton in Fletchers Stimme unterstrich den plötzlich ernsten Gesichtsausdruck, der nicht weniger beunruhigend war als sein Lächeln. Statt zurückzuweichen, zog Murphy die Brauen zusammen. Er wollte erneut ablehnen, aber er glaubte nicht, dass Fletcher das gut aufnähme, also streckte er die Hand aus und nahm den Zettel an sich, wobei er nur einen flüchtigen Blick auf diesen warf. „Danke. Ich lese ihn draußen.“ Er wollte keine weitere Sekunde mit diesem Mann im selben Haus verbringen und war deswegen erleichtert, als Fletcher dem mit einem Nicken zustimmte. „In Ordnung. Viel Erfolg auf Ihrer weiteren Reise. Mögen Sie finden, was Sie suchen.“ Murphy wandte sich bereits ab, um erst das Zimmer und dann das Haus zu verlassen, hielt aber doch noch einmal inne. Was er auf diesem Zettel gesehen hatte, irritierte ihn doch derart, dass er nachhaken musste. „Wer sind Sie eigentlich, Fletcher?“ Wieder dieses unheimliche Lächeln, die Lippen eine Fratze, die fast bis an die Ohren zu reichen schienen. „Ich denke, diese Antwort wollen Sie eigentlich gar nicht erfahren, Mr. Pendleton. Vermutlich können Sie es sich ohnehin bereits denken.“ Mehr musste Murphy nicht wissen. Er fuhr herum und verließ das Haus nun wirklich. Kaum stand er vor der Tür, spürte wieder die schwere, feuchte Luft und die Elektrizität eines nahenden Gewitters, fühlte er sich wesentlich sicherer als im Inneren. Von diesem Mann weg zu sein, über den er lieber nicht mehr nachdenken wollte, war eine Erleichterung, als wäre er bereits längst aus der Stadt draußen. Er hielt den Zettel noch immer in seiner Hand, war sich nicht sicher, ob er ihn wegstecken oder wegwerfen sollte. Wenn er wirklich das Rezept für Glück war, gab es eigentlich nur noch eine Sache, die ihm blieb, um es umzusetzen. Sofern er daran glaubte. „Ich muss aus dieser Stadt raus.“ Sein Blick ging die Straße hinunter, der er nur folgen müsste, um endlich zum Hafen und Ricks' Boot zu kommen. Sobald er wieder in Freiheit war, könnte er überlegen, wie er weiter vorgehen sollte und was er alles brauchen könnte, um das zu erfüllen. Während er sich in Bewegung setzte, verstaute er den Zettel in seiner Tasche; den Zettel aus dem Röhrchen, auf dem Carols neue Adresse stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)