Mondsüchtig von Kekune ================================================================================ Kapitel 1: Neumond ------------------ Kapitel 1 // Neumond Zuerst die Tageszeit, dann das Licht. Das erste Mal als er ihn sah, war es Abend. Kein später Abend, aber auch kein Nachmittag mehr. So, dass die Sonnenstrahlen noch durch das Herbstlaub und die Baumkronen in den Wald hindurchdringen konnten. Wenn es Sommer gewesen wäre, hätten sie die Lichtung in helles Gold getaucht, so vertrieben sie lediglich die Dunkelheit, die mit dem Dickicht einherging. Es hätte auch später Nachmittag sein können, wenn Stiles sich nicht sicher gewesen wäre, dass er und Scott nun schon einige Zeit nach dem Inhalator suchten, den sein Freund am vorigen Abend verloren hatte. Gefunden hatten sie diesen noch immer nicht. Zuerst die Umgebung, dann die Beteiligten. Das erste Mal, als er ihn sah, erschreckte er sich. Nicht aus Schock, eher aus Verwunderung klopfte er Scott aufmerksamkeitssuchend auf die Schulter, während Derek Hale zwischen mehreren Bäumen stand und sie misstrauisch beäugte. Stiles hatte nur einen Blick riskiert und wusste bereits, wen er vor sich hatte. Sein Mund stand offen, seine Hand wanderte zu seinem Kopf, um nervös über seine Haare zu streichen. Scott neben ihm verhielt sich ruhig, hatte die Gestalt vor ihm vielleicht noch gar nicht realisiert. Er selbst stand gar nicht regungslos. Gut, zugegeben, wann tat Stiles Stilinski das schon? Zuerst die Person, dann die Emotionen. Das erste Mal, als er ihn sah, lehnte Derek sie ab. Sein Blick war starr, das Gesicht zu einer kalten Maske verzogen. Die Hände hatte er in den Taschen seiner schwarzen Lederjacke vergraben. Eine Jacke, die geheimnisvolle, mysteriöse Kerle mit zu vielen Muskeln trugen. An Stiles hätte sie lächerlich ausgesehen. Aus irgendeinem Grund mochte er sie trotzdem. Lydia hätte sie gefallen. Männer wie Derek würden Lydia gefallen. Nun - Stiles gefiel Lydia. Ihre langen rotblonden Locken, die bemalten vollen Lippen und das Selbstbewusstsein, mit welchem sie ihre Hüften umherwirbelte und ihr Gang die Schulflure füllte. Gerade daran hatte er denken müssen, als er Derek auf der Lichtung betrachtete. Vielleicht nicht gerade an die Hüften, während sie sich in der rhythmischen Melodie eines Clubs umherdrehten, aber an den Stolz. Lydias Stolz. Dereks Stolz. Die Selbstachtung, mit der sie und Derek sich schmückten und die den Wald neben ihnen mit dessen Aura durchdrang. Ganz in Gedanken bekam er nicht mit, dass Derek das Wort an sie gerichtet hatte. Aber Stiles kannte die Geschichte des Mannes schon, weil es kaum etwas gab, was sich vor seinen neugierigen Augen verschließen konnte. Weil es kaum etwas gab, mit dem er sich nicht beschäftigte, was ihn nicht interessierte. Und Derek Hale interessierte ihn unaussprechlich. "Das hier ist Privatgelände!" Der in dunklen Farben gekleidete Mann näherte sich ihnen, stand nur noch einen Meter von Stiles entfernt und zog seine Augenbrauen genervt in die Höhe. Anscheinend hatte er keine große Lust auf ein Aufeinandertreffen mit nur irgendeinem anderen menschlichen Wesen, hatte aber wohl damit gerechnet. Zumindest konnte Stiles dies seinem Gesichtsausdruck deutlich entnehmen. "Sorry, Mann, das wussten wir nicht. Kommt nicht wieder vor." Natürlich war es Stiles, der zuerst seine Sprache wiedergefunden hatte. Es brauchte schon einiges mehr, um einer Plaudertasche wie ihm den Redeschwall zu unterbrechen. Während Scott sich noch sammelte, übergoss er Derek bereits mit seinen Worten. Und der Himmel wusste, dass Stiles sicher nicht gestoppt hätte, wenn Derek nicht den Inhalator aus seiner Jackentasche gezogen und ihnen zugeworfen hätte. Ein stilles Zeichen dafür, dass seine Selbstbeherrschung sich dem Ende zuneigte und Stiles seine Expressionen lieber für sich behalten sollte. Um sein Verhalten zu verstärken, drehte der Hale sich herum und verschwand zwischen den Bäumen, ohne zurückzuschauen oder sie noch eines letzten Blickes zu würdigen. Die Ansage war überdeutlich und Stiles ärgerte sich darüber, dass man ihn einfach abgebrochen hatte und man ihm wieder einmal nicht zuhörte. Etwas, das er von Scott durchaus schon kannte. Eigentlich konnte er das seinem besten Freund ja nicht verübeln. Seine Hyperaktivität ging sogar ihm selbst auf die Nerven, wenn er länger als eine halbe Stunde auf sich alleine gestellt war. Wie sein Vater das aushielt, blieb ihm manchmal selbst ein Rätsel, jedoch würde er nur deshalb seinen Charakter sicher nicht überdenken. Sobald er sich wieder gefangen hatte, stieß er "Derek Hale" hervor. Nur seinen Namen, eine kleine Phrase lediglich und für Scott in diesem Moment komplett zusammenhangslos. "Das ist Derek Hale. Da bin ich mir ganz sicher, er ist nur ein paar Jahre älter als wir.", erläuterte er diesem. Sein Mund stand immer noch offen, als er Derek hinterherstarrte und nur ein verwirrter Seitenblick Scotts brachte ihn dazu, diesen wieder zu schließen. Ein wenig hatte diese Begegnung sein langweiliges Leben doch aus der Bahn geworfen. Das konnte durchaus interessant werden. Zumindest wenn er die Möglichkeit hatte, der ganzen Sache ein bisschen nachzugehen und diese wollte er sich sicher nicht nehmen lassen. * Zuerst die Tageszeit, dann das Licht. Das zweite Mal als er ihn sah, war es Nachmittag. Kein Mittag mehr, aber auch noch nicht Abend. Die Sonnenstrahlen hatten sich zwischen den Blättern versteckt und wollten nicht wirklich auf die Lichtung dringen, auf der das Polizeiauto des Sheriffs, Stiles Vater, geparkt hatte. Und wieder war es Derek Hale, der ihn an diesen Ort gerufen oder vielmehr gelockt hatte. Stiles wollte unbedingt mit ihm reden, nachdem dieser nun auf den Rücksitz des Wagens hinter das Gitterfenster verbannt worden war. Eine bessere Gelegenheit konnte sich ihm dafür gar nicht bieten. Derek wurde festgehalten und konnte seine Fragen dieses Mal nicht durch bloßes weggehen oder ignorieren abhalten. Gerade nach dem letzten Abend hatten sich seine Wissenslücken zugespitzt und nun, da er sich der Existenz der Werwölfe sicher war, musste er seine neuen Informationen direkt aus der Quelle beziehen. Zumindest wenn er konnte. Da Stiles Neugierde sowieso Antworten finden wollte, hatte er sich dieser Mission angenommen. Und die Gelegenheit am Arbeitsplatz seines Vaters vorbeizusehen, war sehr günstig gekommen. Besonders da er Scott als Freund zur Seite stehen und dieser sich selbst mit dem Thema nicht wirklich auseinander setzen wollte. Zuerst die Umgebung, dann die Beteiligten. Das zweite Mal als er ihn sah, war er vorbereitet. Nicht aus Angst, eher aus dem Willen heraus, sein Ziel zu erreichen, setze er sich auf den Rücksitz des Autos, statt das offene Gespräch mit Derek zu suchen. "Hör zu: ich habe keine Angst vor dir! Nur damit du das weißt." Der Blick des Angeklagten war böse, er traktierte ihn mit einer solchen Intensität, dass es ihn schauderte und sich kalter Schweiß auf seinem Rücken bildete. "Okay, vielleicht habe ich ein bisschen Angst. Allerdings tut das hier gar nichts zur Sache. Ich bin wegen etwas anderem hier. Der Frauenleiche, die Scott und ich gefunden haben. Ich bin mir sehr sicher, du weißt, worum es geht. Warum hast du sie getötet?" Stiles meinte es ernst, trotz Dereks drohender Körperhaltung zog er sich nicht zurück, sondern beharrte auf eine Antwort. Er bekam jedoch keine. Keine, die seine Frage auch nur im Geringsten beantwortet hätte. "Warum interessierst du dich für mich? Dein Freund ist das eigentliche Problem. Und weißt du was, ich selbst kann ihn jetzt nicht mehr aufhalten, aber vertraue mir, du solltest es tun." Stiles vertraute Derek. Wieso wusste er nicht genau. Etwas in seiner Stimme vermittelte ihm die Ernsthaftigkeit der Situation, jedoch war das nicht der eigentliche Grund. Da war noch etwas anderes, etwas, das ihn davon überzogen wollte, Dereks Worten Glauben zu schenken. Etwas, das er nicht zuordnen konnte. Noch nicht, wie sich bald herausstellen würde. Zuerst die Person, dann die Emotionen. Das zweite Mal als er ihn sah, war er besorgt. Stiles nahm diesen Hauch von Sorge wahr, als er ging. Die Autotür hinter sich schließen wollte und sich noch einmal umdrehte, Derek ins Gesicht blickte. Auch dieser hatte ihn angesehen. Ihre Augen hätten sich genau getroffen, wenn Sheriff Stilinski seinen Sohn nicht am Arm gepackt und anschließend an der Kapuze auf die Lichtung gezogen hätte. Kapitel 2: Halbmond ------------------- Kapitel 2 // Halbmond Danach hatte Stiles aufgehört ihre Begegnungen zu zählen. Derek begleitete seine Gedanken seit ihrem letzten Zusammentreffen so oft, dass er sich nicht mehr sicher war, wie oft er ihn nun wirklich gesehen hatte. Er war einfach immer da. Genau wie Lydia. Viel zu oft erwischte sich Stiles dabei, dass sich die frech lächelnden roten Lippen in seinem Kopf durch Dereks heruntergezogene Mundwinkel ersetzten und beide Bilder ineinander verschmolzen. Dennoch wünschte er sich mehr als zuvor, dass die erdbeerblonde Schönheit ihn beachtete. Jedes Mal, wenn sie im Schulflur an ihm vorbeischaute und ihr Gesicht auf Jacksons drückte, spürte er die Eifersucht in sich aufkeimen. Er konnte es nicht verstehen. Wieso hatte er nicht die geringste Chance bei ihr? Wahrscheinlich war dies der Auslöser dafür gewesen, dass er eines Tages Danny Mahealani ansprach. Er mochte Danny, weil jeder Danny mochte und er sich sicher war, dass er ihm die Frage stellen konnte, die er sich zurechtgelegt hatte. Und dies ganz ohne dabei ausgelacht zu werden, so hoffte er. "Danny?" "Hm?" "Darf ich dich was fragen?" "Nein." "Egal, ich mach es trotzdem. Sag mal: bin ich attraktiv für Schwule?" Stiles war nicht ausgelacht worden, eine Antwort hatte er allerdings auch nicht bekommen und das half ihm nicht gerade dabei, seine wirren Gedanken zu ordnen. Natürlich hätte er seine Konzentration gebrauchen können, gerade jetzt, wo Scott voller Probleme steckte und ihn den ganzen Tag um Rat bat. Aber stattdessen rieselten die Ausführungen seines besten Freundes wie Regen an ihm vorbei, als sie nach dem Unterricht nebeneinander erneut durch die Schule schlenderten. Stiles hätte zwar schwören können, dass Scott ihn gerade irgendetwas gefragt hatte, aber er war zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um irgendetwas zu entgegen, was nicht gänzlich dem Zusammenhang entrissen war. Seine nächste Frage war dies allerdings auch, obgleich er erst gar nicht merkte, dass er sie laut ausgesprochen hatte. "Bin ich etwa nicht attraktiv für Schwule?" Sein bester Freund drehte sich um, um ihn verwirrt anzustarren, seine Frage jedoch zu ignorieren. Alles, was danach folgte, war "Allison". Etwas, das Stiles die letzten Tage wirklich oft gehört hatte. "Allison war das, was Lydia für ihn war. Und Derek war... ja, was war Derek eigentlich?", dachte er schulterzuckend. * Nach ein paar Tagen hatte Stiles aufgehört seine Gedanken zu zählen. Derek begleitete sein Leben nun so oft, dass er sich nicht mehr sicher war, wie oft dieser überhaupt schon in seinem alten Jeep gesessen hatte. Allerdings war es genau wie immer, nur ein wenig bedrohlicher. Derek steckte in Schwierigkeiten und Stiles sollte ihm, eher mehr als weniger, aus der Klemme helfen, was sich in den meisten Situationen als sehr erfolgreich herausstellte. Stiles lachte sarkastisch, während Derek seine Mimik vor Schmerzen verzog. Und um ehrlich zu sein, war dieser auch mehr in sein Auto hineingefallen, als dass er gestiegen wäre. Sein Gesicht war bleich, die Augen schwarz umrandet und die Wunde an seinem Arm ekelte ihn sogar leicht an. Zu tief, zu schlimm, zu heiligungsresistent, zu blutig, wenn man ihn fragte. Und er spielte schließlich auch Shooter, in denen unrealistische Mengen an viel zu rotem Blut aus sämtlichen Körperteilen flossen. Derek war einfach immer überall, wenn man ihn gerade nicht gebrauchen konnte. Gut, zugegeben, wenn Derek nicht gerade von ihm aus der Patsche gezogen wurde, füllte er Stiles Gedanken bis an den Rande des Mathematikunterrichts. Aber - das musste er ja zu seiner Verteidigung hervorbringen dürfen - dachte er mindestens genauso viel an Lydia, oder? Immerhin versuchte Derek, der ja nun wirklich nicht für seine Gesprächigkeit bekannt war, eine Unterhaltung mit ihm anzufangen. Stiles war sich sicher, dass er nur seine Schmerzen betäuben wollte, aber da er ja sowieso schon dabei war, rastlos über die lebende Fast-Leiche neben ihm nachzudenken, konnte er genauso gut mit ihr reden. "Also, Stiles, fahr schneller!", äußerte Derek zuerst natürlich wieder einen Befehl. Weil er selbstverständlich ein Werwolf war und Stiles nur ein Mensch und er ja sowieso keine Wahl hatte. Er dazu noch der Laufbursche für alle zu sein schien, Derek verletzt war und Scott sich natürlich nicht selbst darum kümmerte. Stiles konnte gar nicht genug Gründe aufzählen, warum Derek natürlich wieder ihn gewählt hatte, um seine Probleme auf ihm abzuladen. "Also, Stiles, ich glaube, dass du mir helfen kannst, wenn ich mir selbst schon keine Hilfe bin." Derek starrte auf seine Wunde, während er die Worte sagte, die für ihn doch ein wenig zu freundlich klangen. "Wie habe ich das denn verdient?", wollte Stiles gerade entgegnen, als ihm ein "Und beeil dich jetzt, ich will gerne bei Bewusstsein sein, wenn wir an der Tierarztpraxis ankommen." entgegengeworfen wurde. Da hatte er es. Wie konnte er auch nur glauben, dass der Griesgramwolf auch nur ein gutes Wort für ein übrig hätte. Den Rest der Fahrt war es still. Und Stiles war unglaublich erleichtert, als sie endlich vor der Tierarztpraxis hielten und er Derek mehr schlecht als recht ins Innere des Gebäudes hieven konnte. Die Kugel musste so schnell wie möglich entfernt werden, ehe Derek das Bewusstsein verlor, denn Stiles alleine wäre mit der Situation restlos überfordert gewesen. Wie ein Tiger schlich er durch den Raum und wartete darauf, dass Derek eine Lösung finden würde. An ein Stillstehen war gar nicht zu denken. Und je länger Derek brauchte, umso unruhiger wurde er. Dennoch hatte er sich gerade auf Derek zubewegt, als dieser sich übergeben musste und den ganzen Behandlungsbereich mit spitzer schwarzer Flüssigkeit überflutete, die Stiles wirklich Angst machte. Eine Mischung aus Pech und Schwefel, die sich bewegte, Formen bildete und nicht gerade gesund aussah. Nicht einmal für einen Werwolf konnte so etwas normal sein. Er fluchte, schimpfte und verteufelte seine Hilflosigkeit. "Stiles, schneid mir den Arm ab!", befahl Derek wie aus dem Nichts. "Was?", stieß er geschockt hervor und wäre am liebsten in Panik aus der Tierarztpraxis gerannt. "Schneid mir den Arm ab! Der Eisenhut wird sich sonst weiter verbreiten." "Ich kann nicht, ehrlich, ich kann nicht.", widerholte Stiles wie ein Mantra immer wieder, während sich Fieberschweiß auf Dereks Stirn bildete. Die langen schwarzen Adern auf seinen Armen traten immer weiter hervor und zeigten, wie das Gift durch seine Venen schoss. "Das ist egal, tu es, Stiles, tu es einfach." Der Werwolf schrie ihn förmlich an und wenn er nicht vor Sorge angefangen hätte wie ein kleines Mädchen zu weinen - was er natürlich nicht tat - folgte er dem Befehl. Der Stahl der Knochensäge fühlte sich furchtbar fehl auf seiner Haut an und während Derek seine Zähne fest aufeinander presste, hätte er diese vor Zittern fast wieder fallen ließen, als er sie auf der Haut ablegte. Und wie oft er sich auch vorgestellt hatte, wie seine gemeinsame Zeit mit Derek Hale weiter verlaufen würde, so war ihm dieses Bild niemals in den Kopf geschossen. Es ging ihm nicht nur darum, Derek nicht weh zu tun oder sich für den Rest seines Lebens den Alptraum eines amputierten Armes zu ersparen, sondern vielmehr darum, dass irgendetwas an dieser Situation sein Herz nicht nur vor Angst schneller schlagen ließ. Stiles war noch nie in seinem Leben so heilfroh gewesen, Scott zu sehen. Als dessen Gesicht im Türrahmen auftauchte, hätte er Derek vor Erleichterung abknutschen können. * Danach hatte Stiles aufgehört, seine Begegnungen mit Derek zu registrieren. Derek begleitete seine Welt seit dem letzten Vorfall so oft, dass er sich nicht mehr sicher war, wie oft er ihn nun wirklich schon gerettet hatte. Trotz dieser Gedanken blieb ihm der Schulalltag nicht erspart. Stiles wusste, dass das Gruppenprojekt schon länger anstand, aber heute Morgen überrumpelte es ihn ein wenig, dass sie es schon diese Stunde beginnen würden. Er hätte gerne mit Scott zusammengearbeitet, so wie Allison ihr Projekt mit Lydia bearbeitete, aber stattdessen durfte er das Projekt zusammen mit Danny machen. Er mochte Danny zwar, aber natürlich hätte er lieber mit seinem besten Freund herumgealbert und auch Jackson sah nach der Aufteilung nicht besonders glücklich aus. Ihr Chemielehrer hasste ihn einfach viel zu sehr. Aber da Stiles diesem die Genugtuung nicht geben wollte, schwang er sich lachend neben Danny, der bereits seine Materialen auf dem Tisch ausgebreitet hatte. Obwohl er gut in der Schule war, verspürte er eher geringe Lust darauf, etwas dafür zu tun. Und er war ohnehin mit den Gedanken ganz woanders und packte nicht einmal einen Kugelschreiber aus. Danny kritzelte währenddessen chemische Formeln auf das Papier vor ihm und schien ganz in seine Arbeit vertieft zu sein, während Stiles derweil, nun ja, die Wand anstarrte. "Stilinski, ist das so richtig? Du bist doch richtig gut in sowas, oder?", fragte Danny und blickte kurz von den Unterlagen auf. Stiles reagierte jedoch nicht. Seine größte Reaktion war wohl noch das Kauen auf seiner Unterlippe, was dem Referat natürlich keinen Fortschritt bescherte. "Stilinski?", wiederholte Danny erneut "Hast du mich gehört?" Die Antwort war ob Stiles fehlender Reaktion eindeutig. Tatsächlich musste sein Mitschüler erst mit einer Hand vor seinem Gesicht hin und her wedeln, bis er etwas bemerkte. "Schläfst du, oder was?", fragte die Stimme erneut. "Äh nein, ich war nur in Gedanken. Was meintest du noch gleich?" Er sammelte sich ein wenig und sah Danny an. "Also eigentlich, ob du Chemie kannst, aber du scheinst heute ja echt verwirrt zu sein. Du weißt, dass du bei Lydia keine Chance hast, Stiles? Jackson ist eben eine gute Partie." Danny verzog den Mundwinkel und wandte den Drehstuhl nach hinten, um einen kurzen Seitenblick auf Lydia zu riskieren. Sozusagen um seine Aussage verstärken zu können. Und Stiles hätte liebend gerne gesagt, dass Lydia der Grund für seine Verwirrung war. Schließlich wusste nahezu die ganze Schule, dass er ihr schon seit Jahren hinterher schaute und sie ihn bisher noch nie eines zweiten Blickes gewürdigt hatte. "Auch, wenn du mir vielleicht nicht glauben magst, Lydia ist nicht die Schuldige.", antwortete Stiles nebensächlich. Er musste sich wirklich konzentrieren und seine Schulsachen aus dem Rucksack zu holen, erschien ihm schon mal ein Anfang zu sein. "Dir ist klar, dass es uns nichts bringt, wenn du ausweichst und trotzdem mit dem Kopf ganz woanders bist, selbst wenn du dein Zeug auspackst. Ich wollte eigentlich schon eine gute Note haben und Mr. Harris kann dich eh schon nicht leiden. Das ist ja kein Geheimnis." Als hätte dieser Dannys Worte gehört, warf der Chemielehrer Stiles einen bösartigen Blick zu, was dieser nur mit einem ahnungslosen Schulterzucken kommentierte. "Das letzte Mal habe ich so reagiert, als ich bei einem Kerl abgeblitzt bin. Sieht gewaltig nach Liebeskummer aus." Vielleicht war Danny nicht der einfühlsamste junge Mann der Welt, aber dieses Mal lag er genau richtig. Stiles seufzte resigniert. "Kann ich nicht einfach mal etwas abstreiten, ohne dass man sofort nachbohrt?" "Nein, Stilinski, wenn du die Klappe hältst, ist das schon echt suspekt.", konterte sein Arbeitspartner und schob das Papier neben ihm an die Tischkante. Ein Zeichen, dass das Ende ihrer Arbeitsphase ankündigte. Stiles musste reden, sonst würde er sich heute nicht mehr in Sicherheit bringen können. Und so gerne er seinen besten Freund, der seine Rastlosigkeit natürlich auch bemerkt hatte, auch mochte, in diesen Gefühlsdingen wollte er lieber nicht mit Scott sprechen. Der hatte selbst schon genug mit Allison zu tun und Gott bewahre, den Namen Derek würde er auch nicht mehr benutzen können, ohne dass Scott direkt an die Decke ging. "Es geht nicht um ein Mädchen. Zufrieden?" Er schnaubte. "Warte, warte, was?" Danny wirkte schlicht irritiert. "Wie? Es geht um kein Mädchen? Aber was ist mit Lydia? Stilinski, ich blicke da nicht durch. Erkläre dich!" Stiles verdrehte die Augen. Es war ja nicht so, dass er quasi das erste Mal angedeutet hatte, dass er sich in Derek Hale verknallt hatte. Noch dazu machte Danny Mahealani eine riesige Szene daraus, die er beim besten Willen vermeiden wollte. "Pscht, nicht so laut.", zischte er und hielt sich einen Finger an die Lippe. "Es wäre möglich, also es bestünde die Möglichkeit, dass ich eventuell, ganz vielleicht oder sogar womöglich bisexuell sein könnte und mich in einen Kerl verknallt habe." Stiles Stilinski wurde rot. Er hatte an diesem Schultag mit vielem gerechnet: Einem wildgewordenen Werwolfrudel, einem liebestollen Scott oder auch einem Gespräch mit dem Schuldirektor wegen seiner vielen Nachsitzstunden, dem Klau seines uralten Jeeps und selbst das Ausrutschen in einer nicht vorhandenen Matschpfütze wäre ihm wahrscheinlicher erschienen. Aber beim besten Willen hatte er sich nicht vorstellen können, dass er heute zugab, sich in Derek Hale verschossen zu haben. Natürlich war Danny vielleicht nicht der schlechteste Gesprächspartner für diese Art der Konversation gewesen, schließlich stand dieser ja nur auf Männer und hatte das alles sicher auch durchmachen müssen. Peinlich war es ihm trotzdem. "Ehrlich jetzt? Du hast dich in einen Kerl verknallt? Also, warte, kenne ich ihn?" Dannys Augen weiteten sich und Stiles war riesig froh, dass wenigstens die anderen Mitschüler und Mr. Harris nichts von ihrem Gespräch mitbekommen hatten. Das hätte seinem vorschnellen Geständnis noch die Krone aufgesetzt. "Stiles, ich rede mit dir!" Und auf einmal war ihr Gruppenprojekt fast komplett vergessen und Danny selbst ließ seiner Neugier freien Lauf, anstatt nur einen Gedanken an ihre Aufgaben zu richten. Anscheinend hatte Stiles Liebesleben Chemie den ersten Rang abgelaufen. "Nein, ich denke nicht, es würde mich wundern, wenn du ihn kennen würdest." "Schade.", war das einzige, was Danny hervorbrachte. "Kannst du ihn mir mal vorstellen oder so?" "Eher nicht, also ich möchte nicht unbedingt, dass er davon erfährt. Er würde mich wohl nie wieder anschauen oder hassen. Wahrscheinlich sogar beides." Bei dem Gedanken an Dereks Reaktion wurde ihm wirklich unwohl, bisher hatte er sich kaum Gedanken darüber gemacht, was passieren würde. Eine Beziehung zwischen ihm und Derek hatte er vom Anfang an ausgeschlossen. Wieso sollte dieser auch auf jemanden wie ihn stehen? Und überhaupt auf Männer? Und selbst wenn... - das Chaos in seinem Kopf wollte sich nicht recht ordnen ...ja, selbst dann würde er wahrscheinlich als allerletztes Wesen auf diesem Planeten Stiles in Erwägung ziehen. "Stiles, sowas kannst du nicht machen. Du kannst sowas nicht einfach erzählen und mich dann auf meiner Neugier sitzen lassen." Zwar war Dannys Argument mehr zynisch gemeint, allerdings schwang auch ein Funke Wahrheit darin mit. Und natürlich, das musste er sich selbst eingestehen, war er das Danny nach dieser versauten Chemiestunde schuldig. Bevor er etwas entgegnen konnte, ergriff sein Projektpartner bereits das Wort: "Du könntest ihn mir das nächste Mal ja einfach zeigen, wenn wir ihn sehen. Du kannst ja irgendwas sagen, was damit gar nicht in Verbindung gebracht wird." Er brach kurz ab, um zu überlegen. "Erzähl mir einfach, dass er dein... dein... Cousin ist... Cousin Miguel... aus Spanien... Irgendwas in der Art." "Wie zur Hölle kommst du darauf?", fragte Stiles ihn verwirrt. Eine Antwort bekam er allerdings nicht mehr, da es bereits klingelte, um die Pause einzuläuten. Sie hatten über ihr Gespräch ganz vergessen, das Projekt überhaupt nur wirklich anzufangen. Mr. Harris würde es ihn spüren lassen, dessen war sich Stiles sicher. * Danach hatte Stiles aufgehört, seine Gefühle zu verleugnen. Sein Gespräch mit Danny begleitete ihn seit der letzten Chemiestunde so oft, dass er sich nicht mehr sicher war, ob er sich eine platonische Denkweise einreden konnte. Und er war immer heilfroh, wenn er aus der Schule nach Hause kam, um sich der Realität nicht stellen zu müssen. Dies war auch heute der Fall. Stiles hatte vor ein paar Minuten den Raum betreten und sich auf seinem Schreibtischstuhl niedergelassen. Er starrte auf die weiße Word-Seite vor ihm. Vielleicht hätte er Hausaufgaben machen oder lernen sollen, aber er konnte sich einfach nicht dazu motivieren. In den letzten Tagen war einfach so viel passiert, dass er sich wahrlich nicht auf die Schule konzentrieren konnte und wollte. Angefangen hatte das schon bei seinem Chemiereferat mit Danny. Dann würde er seine Freizeit eben sinnvoll nutzen. Als er gerade den Internetbrowser öffnete, um sich die neuste Seite seines Lieblingscomics anzuschauen, hörte er eine Stimme in einem Winkel hinter seiner Zimmertür. "Hey Stiles!" "Yo, Derek." Er fuhr herum, ehe er realisierte, was er da gerade gesagt hatte. Stiles erblickte Derek Hale in seinem Zimmer, den Finger auf den Mund gepresst, um ihm das Zeichen zum Schweigen zu erteilen. Er brachte nur noch ein weiteres verblüfftest "Derek!" hervor, ehe dieser ihm zu verstehen gab, die Zimmertür zu öffnen. Mist, sein Vater musste schon zuhause sein, kam ihm in den Sinn, als dieser Stiles Namen rief. Er reagierte schnell, sprang so flink von seinem Drehstuhl auf, dass dieser in einer anderen Richtung davonfuhr, als er die Tür parierte und sich abwehrend in dieser positionierte. Beide Hände hatte er an den Rahmen gelehnt, damit sein Vater weder in den Raum hineinschauen noch diesen betreten konnte. Warum zur Hölle wollte er Derek Hale auch noch schützen? "Was hast du gesagt?", fragte der Sheriff ihn, als Stiles nun hektisch vor ihm lehnte. Obgleich er selbst nichts gesagt hatte, musste sein Vater das Gespräch in ihrem Zimmer mitbekommen oder zumindest die Stimme seines Sohnes gehört haben. "Ich sagte: Yo, Dad!", versuchte Stiles das Fettnäpfchen zu retten, indem er auf lockere Art und Weise eine Augenbraue in die Höhe zog. "Dein Spiel heute Abend. Ich bin extra früher heimgekommen, um dich spielen zu sehen. Schließlich darfst du heute das erste Mal aufs Feld.", erklärte Sheriff Stilinski stolz. "Ich bin auch froh und stolz... auf mich.", versuchte Stiles auf die Konversation einzugehen und den Werwolf in seinem Zimmer unbeachtet zu lassen. "Schön, dass du vorbeikommst, Dad." "Aber natürlich, ich sehe dich dann dort." Als Stiles Vater sich lächelnd entfernte, konnte er nur aufseufzen. In seiner Erleichterung ließ er sich den Türrahmen hinabgleiten und atmete die vor Anspannung angehaltene Luft aus. Zeit zum Verschnaufen blieb Stiles aber nicht, weshalb er sich schnell durch die Tür zwängte. Er hatte den Raum noch nicht einmal ganz betreten und gerade die Tür hinter sich geschlossen, als Derek ihn am Kragen packte und gegen die Wand drückte. "Ein Wort und du ...", setzte Derek an, kam jedoch nicht weiter. "...holst deinen Vater und erzählst ihm, dass Derek Hale in deinem Zimmer ist und er die Schrotflinte mitbringen soll?" Bei Stiles Worten zuckte Derek kurz zusammen. "Das siehst du genau richtig. Das hier ist mein Haus und das hier sind meine Regeln, Buddy." Zwar schnaufte Stiles noch ein wenig, jedoch hatte er sich ob seiner Worte wieder ein wenig entspannt. Aber wie er Derek Hale kannte, musste dieser natürlich einen weiteren Akt der Einschüchterung ausspielen und zog Stiles Jacke mit einem unerbitterlich Ruck zurecht. Dieser hatte allerdings Mut gefasst, grinste nur schelmisch und tat es Derek gleich. Dennoch zuckte Stiles zusammen, als Derek ihn kurz darauf fast attackierte. Auch wenn ihr Gespräch noch nicht beendet war, hätte Scott, wenn er dieser Auseinandersetzung beigewohnt hätte, Derek Hale das erste Mal in seinem Leben lächeln sehen. Der Grund dafür war Stiles Stilinski. * Danach hatte Stiles aufgehört, Dereks Befehle abzulehnen. Dieser füllte seine Freizeit nun so oft, dass Stiles sich nicht mehr sicher war, wann er wieder Dereks Dreck wegmachen durfte. Und genau dieser Moment war nun wieder gekommen. Natürlich brauchten sie die Hilfe von Danny Mahealani und natürlich war er die Person, die ihn darum bitten durfte. Und natürlich musste er schon wieder Befehle von Derek entgegennehmen. Wie schön, dass für Stiles alles beim Alten geblieben war, außer natürlich, dass nicht er das Genie war, dass ihre Gruppe nun brauchte. Auch wenn Stiles wirklich intelligent war, ein E-Mail-Konto zu hacken, war dann doch eine Nummer zu groß für ihn. Und genau deshalb brauchten sie Danny und hatten sich nicht für ihn entscheiden. Stiles erinnerte sich noch allzu gut daran, dass Danny bereits als 13-jähriger eine Anzeige wegen Hackens kassiert hatte. Dass er jedem erzählte, diese sei fallen gelassen worden, hatte dem Computergenie sowieso keiner geglaubt. Und da Stiles ja sowieso mit Danny befreundet war, musste er ihn doch irgendwie dazu kriegen, dieses verdammte Konto für ihn zu knacken. So schwierig konnte das doch wohl nicht werden, oder? Die Realität sah ganz anders aus. Eines Nachmittags hatte er Danny bei sich eingeladen, um seine Aufgabe endlich erledigen zu können. In einer Ecke seines Zimmers saß Derek und schien ganz in ein Buch vertieft zu sein, als Stiles Danny hereinbat und ihm erklärte, was er von ihm wollte. "Ich soll was?" "Ach, bitte Danny. Ich weiß, dass du das kannst. Ich habe gehört.." "... dass ich deshalb eine Anzeige am Hals habe. Stiles, verdammt, ich war dreizehn und die Anklage wurde fallen gelassen." Stiles zuckte nur mit den Schultern. "Nein, Stilinski.", sagte Danny, legte seinen Rucksack neben Stiles Schreibtisch ab und ließ sich auf einen Stuhl gleiten. "Wer ist das noch gleich?", fragte Danny auf einmal und zeigte auf Derek, den er nun bemerkt zu haben schien. Er deutete mit dem Daumen auf ihn. "Das ist... mein Cousin... Cousin Miguel...", antworte er langsam. Natürlich würde Danny seine Anspielung verstehen und dieser wandte sich noch einmal um, um Derek genau anschauen zu können. Seinem Blick nach zu urteilen, konnte er Stiles Interesse an Derek durchaus nachvollziehen. Genau so viel wie Danny verstand, verstand Derek nicht. Irritiert löste er den Blick aus den Seiten des Buches und starrte Stiles verwirrt an. Dereks typische Mischung aus Verpeiltheit, Grauen und einem unglaublichen Unverständnis. Ehe Stiles die Mimik weiter analysieren konnte, wurde die Stille erneut durch eine Frage durchschnitten. "Stiles, ist das Blut auf seinem Shirt?" So sehr Stiles auch versuchte eine Antwort zu finden, so sehr hatte er auch vergessen, dass Derek nicht nur sein heimlicher Schwarm, sondern auch noch ein blutrünstiger Werwolf war. "Hm, ja. Er... er leidet oft an schrecklichem Nasenbluten.", erfand er schnell eine Ausrede, die in Glaubwürdigkeit kaum zu untertreffen war. Danny runzelte die Stirn. "Hey Miguel!" Stiles wünschte sich, er hätte die Worte niemals ausgesprochen, denn Dereks Blick sprach Bände. Irgendetwas zwischen "Ich ermorde dich im Schlaf" und "Du wirst definitiv noch heute sterben". Aus irgendeinem Grund war Stiles nach wenigen Sekunden nicht mehr beunruhigt. "Ich habe dir doch gesagt, du sollst dir eins meiner Shirts leihen.", ergänzte er. Mit einem lauten Rascheln klappte Derek das Buch zu und begann sein Shirt abzustreifen. Zwar wollte Stiles diesen Moment eigentlich nutzen, um das leidige Thema des E-Mail-Kontos anzusprechen, aber stattdessen kam er nicht weit. Sowohl er als auch Danny hatten sich umgewandt und starrten Dereks muskulösen Oberkörper an, während ihnen buchstäblich der Mund offen stand. Für Außenstehende wäre diese Situation wohl äußerst befremdlich gewesen. Zwei Männer in einem Raum, die den durchtrainierten Rücken eines weiteren anstarrten, ohne auch nur irgendeine Intention zu zeigen. Stiles bemerkte, dass Derek ein Tattoo auf dem Rücken hatte, welches ihm bisher nie aufgefallen war. Eine dreifache Spirale, die genau die Mitte seines Rückgrats zierte. Zieren traf es für Stiles ganz gut, denn obwohl er Derek eine Tätowierung nicht zugetraut hätte, fand er sie recht ansehnlich. Danny schien ähnliches zu denken und unwillkürlich schluckte Stiles und wünschte sich, Derek würde doch schnell ein T-Shirt anziehen. Und manchmal - besonders in diesem Moment - war Stiles wirklich froh, dass Werwölfe keine Gedanken lesen konnten. Langsam machte Derek kehrt und hielt ein schwarz-gestreiftes Oberteil vor sich, das er mit beiden Händen auseinanderzog. Danny lächelte bei diesem Anblick leicht. "Das ist zu klein.", sagte Derek und demonstrierte seine vergeblichen Versuche, dass Shirt zu dehnen. "Dann probier eben was anderes!" Und Stiles wunderte sich selbst, dass Derek seinen Befehl beherzigte. Nun gut, sie hatten auch ein gemeinsames Ziel. "Er sieht gut aus, nicht wahr?", wandte er sich an Danny, während Derek sich in ein furchtbar enges Shirt mit grauen und orangenes Streifen zwängte. "Die Farben stehen ihm nicht.", sagte Danny und Dereks Blick hätte in diesem Moment nicht tödlicher sein können. "Du schwingst die Keule fürs andere Team, aber doch spielst du noch Ball, Danny-Boy.", sagte er provokativ. "Stiles, du bist ein schrecklicher Mensch." "Ich weiß, deshalb schlafe ich nachts auch schlecht." Und ein bisschen entsprach das sogar der Wahrheit. Das und die ewigen Gedanken an Derek Hale. Kapitel 3: Vollmond ------------------- Kapitel 3 // Vollmond "Das ist also Cousin Miguel. Wenn der mal nicht eine Nummer zu groß für dich ist.", hatte Danny gesagt. "Halt die Klappe!", hatte Stiles selbst darauf entgegnet. Direkt danach war der Vorschlag mit dem "Jungle" gekommen. Niemals hätte Stiles nur einen Gedanken an eine Schwulenbar verschwendet, aber Danny hatte recht. Wenn er Derek überzeugen wollte, dann sollte er sich vielleicht wirklich ein bisschen mehr mit seinem Mitschüler herumtreiben. Mahealani hatte Ahnung, so viel stand fest. Und ein bisschen Erfahrung würde ihm sicher auch nicht schaden. Und so hatte es sich zugetragen, dass Stiles Stilinski, bekleidet mit Jeans, Sneakers und einem Hoodie, vor einem der bekanntesten Schwulenclubs der Nachbarschaft stand und auf Danny wartete. Ein bisschen surreal und abstrakt war das ganze ja schon. Außerdem hatte er mal wieder außerordentliches Glück gehabt, Danny hatte sich verspätet und in der Zwischenzeit war er bestimmt schon von drei Kerlen angesprochen worden. Er stand vor dem verdammten Gebäude, wenigstens da konnte man ihn wohl in Ruhe lassen. Stiles schnaufte. Er mochte keinen der Männer, die ihm plump zu verstehen gaben, wie attraktiv sie ihn doch fanden. Und Stiles selbst war nie froher gewesen, dass er eine riesige Plaudertasche und gut im Ausreden suchen und Abwimmeln von Leuten war. Wenn Danny sich auch noch fünf weitere Minuten verspätet hätte, dann wäre er wohl gegangen. Er machte sich doch hier nicht zum Affen, besonders dann nicht, wenn er wusste, dass sein Vater heute für den Streifendienst eingesetzt war. Der könnte ja jede Minute vor dem Club vorbeischneien. "Hey, Stilinski! Sorry für die Verspätung. Ich hoffe, du musstest nicht allzu lange warten.", hörte er auf einmal Dannys vertraute Stimme. "Du brauchst übrigens nichts zahlen, die kennen mich hier. Ich sag einfach, du bist ein Freund oder so." Danny lächelte. "Und hier ist dein Ausweis. Muss ja keiner wissen, dass du noch nicht volljährig bist." Mit diesen Worten reichte ihm das Technikgenie ein gut ausgefeiltes Papierchen, dass ihm ein Alter von einundzwanzig bestätigte. "Danke, Mann.", sagte er. "Und jetzt komm mit, ist ja echt frisch hier." Stiles trottete zusammen mit Danny an der Schlange der wartenden Männer vorbei und betrat die Diskothek, die in ein Meer aus Discokugeln und Schwarzlicht gehüllt war. Die anderen am Eingang stehenden warfen ihnen zwar verwirrte Blicke zu, aber der Türsteher hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sein Begleiter an der Schlange vorbeigelaufen war. Anscheinend kannte Danny hier wirklich viele. "Amüsiere dich mal gut, Stiles. Ich schwinge mich mal auf die Tanzfläche." Danny war schneller verschwunden, als Stiles hätte "Derek" denken können. Und darin war er wahrlich geübt, bestätigte er sich selbst. Irgendwie gefiel ihm die Atmosphäre nicht sonderlich und er konnte sich nicht vorstellen, sich zu den oberkörperfreien tanzenden Männern zu gesellen, die ihren Körper zu schnellen Rhythmen schwangen. Stattdessen steuerte er lieber die Bar an und bestellte sich ein Getränk. Natürlich hoffte er, wie er da so saß, dass ihn niemand ansprechen würde. Vor allen Dingen, da er Danny in der tanzenden Masse nicht mehr entdecken konnte. Wie sollte ihm dieser also zu Hilfe eilen? Die Cola schmeckte bitter und konnte das mulmige Gefühl in seiner Magengegend auch nicht vertreiben, weshalb er sich einen Wodka bestellte. Zu irgendetwas musste dieser gefälschte Ausweis doch gut sein, wenn er sich hier schon anderweitig nicht amüsieren konnte. Und zehn Minuten später war es auch nicht bei nur einem alkoholischen Getränk geblieben. So als hätte Danny geahnt, dass Stiles sich gerade über dessen Verbleib gewundert hatte, tauchte dieser direkt vor ihm auf. Er hatte wie viele der anderen Männer hier sein Shirt ausgezogen und Schweiß glänzte auf seinen Bauchmuskeln. "Du brauchst hier ja nicht so rumsitzen. Komm, tanz doch eine Runde mit mir." Stiles wollte das Angebot wirklich ablehnen, aber da hatte Danny seine Hand schon gepackt und die Erniedrigung, ihn jetzt noch wegzustoßen, wollte er weder sich noch ihm geben. Sowohl für ihn als auch für Stiles war klar, dass es nur ein freundschaftlicher Tanz sein würde, deshalb störte sie es nicht, als die Musik etwas langsamer wurde. Sie tanzten ja nicht eng umschlangen. Das wäre Stiles wahrscheinlich unangenehm gewesen, aber gegen ungeschicktes Hin- und Hertrampeln auf der Tanzfläche fand auch er keine Einwände. Er genoss auch, dass Danny ihm kein Gespräch aufzwängte und er sich einfach ein wenig gehen lassen konnte. Zumindest dachte er das, als eines seiner Lieblingslieder angespielt wurde und er sich sanft in der Musik wog. "Was zur Hölle tust du hier?", hörte er eine bekannte Stimme. Eine Stimme, die er in dieser Nacht an jedem Ort erwartet hätte, der nicht dieser Nachtclub war. Stiles blinzelte. Er war es gewohnt, dass seine Gedanken an Derek öfters mal zwischen andere Dinge funkten, aber dieser Satz erschien ihm doch zu realistisch, um für eine Einbildung gehalten zu werden. Er riss die Augen auf. "Das... das könnte ich dich genauso gut fragen.", kenterte Stiles und bemerkte, dass die Tanzenden um ihn herum das Gespräch belauschten. "Und wer ist das denn?" Derek zeigte auf Danny und seine Miene verriet, dass seine Absichten nicht gerade freundlich waren. "Ein Freund." "Ein Freund also, ach ja. Soweit ich mich entsinne, dürftest du hier nicht mal sein. Du bist verdammte siebzehn Jahre alt." Wütend vergrub er die Hände in seinen Jackentaschen. "Ich bin doch reingekommen und es ist nicht dein Problem. Ich frage mich sowieso, was du hier machst. " Stiles wusste, dass Derek Recht hatte, allerdings würde er sich doch nicht einfach von einem dahergelaufenen rausschmeißen lassen. "Ich bin nicht siebzehn, Stiles, ich darf sein, wo und wann ich will." Derek verdrehte die Augen, als Stiles wieder den Mund aufmachte. Man konnte ihm förmlich ansehen, wie große Lust er auf eine Diskussion hatte. "Das beantwortet meine Frage trotzdem nicht.", sagte Stiles und versuchte möglichst wenig genervt zu klingen. "Ich bin dir zwar keine Rechenschaft schuldig, aber ich habe deinen Wagen gesehen und beschlossen, ich weise dich mal zurecht, bevor es jemand anderes tut." "Das geht dich gar nichts ein, Derek." Das war der Satz mit dem ihre Konversation beendet sein sollte. Ein großer muskulöser Kerl löste sich aus der Masse und fokussierte Derek. "Lass den Kleinen in Ruhe. Was bist du denn, sein fester Freund, oder was?" Wenn Danny nicht schon die ganze Zeit geschwiegen hätte, wäre ihm nun endgültig die Kinnlade hinunter geklappt. Beide, Derek und Stiles schauten sich verblüfft an und keiner sagte mehr nur ein Wort. "Du kommst jetzt mit!", fing sich Derek wieder und zog Stiles an der Kapuze seines Hoodies bis vor den Eingang der Bar. Danny folgte ihnen verwirrt. Wenn Stiles hätte Gedankenlesen können, dann hätte er Dannys Verwirrung besser verstehen können. Denn diesem ging nur ein Satz durch den Kopf: "Wenn ich es nicht besser wüsste, dann würde ich sagen, dass dieser Cousin Miguel richtig verknallt in Stilinski ist." Aber da er das nicht tat, hatte sich Stiles den Abend ganz anders vorgestellt. Die Bestätigung dafür bekam er allerdings erst, als er in die geschockten Augen seines Vaters blickte, der wie versteinert vor ihnen stand. * "Das ist also dein Vater. Wenn der mal nicht richtig sauer ist.", hatte Danny gesagt. "Halt die Klappe!", hatte Stiles selbst darauf entgegnet. Er hätte innerlich seufzen können, als dasselbe Spiel von vorne beginnen sollte. "Was machst du hier? Warum bist du nicht im Bett? Wieso ist Derek Hale bei dir und natürlich das elendige - du bist noch nicht einundzwanzig."-Gesprächsthema. Allerdings sagte sein Vater gar nichts, sondern starrte ihn nur weiterhin mit geweiteten Pupillen an. "Also, es ist ein Club, wir sind ausgegangen, du weißt schon.", versuchte er seinen Vater zu besänftigen, ehe sich dieser wieder gefangen hatte. Der erwartete Ärger blieb jedoch aus. "Aber es ist nicht deine Art von Club.", antwortete der Sheriff. "Also, Dad, da gibt es dieses Gespräch, das ich noch mit dir führen wollte..." Stiles kam gar nicht dazu, seinen Satz zu beenden, da sein Vater ihm das Wort abschnitt. "Du bist nicht schwul." Sheriff Stilinski wirkte bei seiner Aussage so überzeugt, dass Stiles unwillkürlich mit dem Kopf zuckte. "Aber ich könnte es sein!" Stiles gestikulierte. "Nicht in diesen Klamotten.", ergänzte sein Vater. Stiles hatte erwartet, Ärger zu bekommen, Hausarrest zu erhalten oder sonstige Streitigkeiten loszutreten, aber die Einstellung seines Vaters irritierte ihn ein wenig. "Was?" Obwohl seine Frage nicht auf Derek bezogen war, mischte sich dieser ein. "Stiles, du hast getrunken und du gehst jetzt nach Hause. Auf keinen Fall fährst du selbst.", sagte Derek, ein wenig Sorge schwang in seiner Stimme. Etwas, das Stiles noch nie bei ihm gesehen hatte. Er ignorierte es einfach und tat so, als hätte er es sich nur eingebildet. Schließlich war dies die logischste aller Erklärungen. "Und du..", begann Stiles Vater an Derek gewandt "... du verschwindest jetzt sofort von hier, bevor ich dich festnehme. Verstanden?" Derek machte ohne ein weiteres Wort kehrt, stieg in seinen Wagen und war verschwunden. Stiles sah ihm nach und er war sich ganz sicher, dass er sich den Blick, den Derek ihm zugeworfen hatte, genauso einbildete, wie die Sorge, die zuvor in seiner Stimme mitgeschwungen hatte. * "Da bist du also reingeraten. Wenn sich Derek nicht mal übel geärgert hat.", hatte Scott gesagt. "Halt die Klappe!", hatte Stiles selbst darauf entgegnet. Er drückte auf den roten Hörer seines Smartphones und stopfte eben dieses in seine Hosentasche. Er musste sich nicht auch noch vor Scott rechtfertigen. "Geht es immer noch um diese Nachtclub-Sache. Scott kann da ja mehr nachhaken, als ich dir hätte Hausarrest geben können." Sheriff Stilinski nahm den Topf vom Herd und stellte ihn in die Mitte der Tischplatte. "Wenigstens bekommst du da deine Strafe." "Super, danke, Dad.", antwortete Stiles und schob sich mehre Kartoffeln auf den Teller vor ihm. Heute war ein gemeinsames Abendessen mit ihm und seinem Vater angesagt. Das war das Mindeste, das er tun konnte, um diesen nach der gestrigen Nacht zu besänftigen. Bevor er sich jedoch die Gabel in den Mund schieben konnte, vibrierte sein Handy in seiner Hose. Genervt griff er danach und zog es heraus. "Dereks Ex macht Probleme." Er las die SMS von Scott leise murmelnd vor sich hin. "Stiles, es wäre mir schon ganz recht, wenn du dich während dem Essen mit mir unterhalten würdest." Der Sheriff warf einen mahnenden Blick auf das Handy in der Hand seines Sohnes, machte aber keine Anstalten, ihm dieses wegzunehmen. "Es scheint ziemlich wichtig. Sorry, Dad." Auch wenn Stiles wusste, dass sich sein Vater einen ruhigen Abend gewünscht hatte, war ihm bewusst, dass der Sheriff ihn dennoch weitertippen ließ. "Dereks Ex? Wen meinst du?" Er war sichtlich verwirrt. Er konnte sich nicht wirklich daran erinnern, dass Derek über eine Ex-Freundin gesprochen hätte. "Dann muss das in dem ganzen Chaos der letzten Tage wohl untergegangen sein. Kate Argent, die Tante meiner Freundin. Sie ist nicht gut auf Derek oder Werwölfe im Allgemeinen zu sprechen. Ganz wie der Rest der Familie." Das Handy bewegte sich abermals in Stiles Hand, als eine erneute Nachricht seines besten Freundes eintrudelte. Dunkel erinnerte sich Stiles daran, dass Scott ihn tatsächlich auf Kate und die Familie Argent als Jäger angesprochen hatte, er in dem ganzen Stress und seinem Treffen mit Danny aber gar nicht richtig zugehört hatte. Verdammt, und jetzt ärgerte er sich über sich selbst. Wenn er doch einmal ein wenig aufmerksamer gewesen wäre, dann hätten sich die meisten seiner Probleme auf andere Art und Weise gelöst. Zum Beispiel die Sache mit Dereks Ex-Freundin sagte ihm, dass er bei dem Werwolf schon einmal gar keine Chance hatte. Es war ja klar, dass Derek auf Frauen stand. Er schalt sich selbst für den Gedanken, sich überhaupt eine Chance eingeredet zu haben. Derek stand bestimmt ähnlich wie er selbst auf hübsche Mädchen wie Lydia, lange Haare, modische Klamotten und volle, weiche Lippen. Er fluchte. Trotz dieser Gedanken, hatte er immer noch Angst um Derek. Im Prinzip spielte es für ihn keine Rolle, wie weit Derek Hale von ihm entfernt zu sein schien, das Gefühl ging nur durch eine simple Enttäuschung auch nicht fort. "Stiles!", rief sein Vater. "Was...?" "Dein Handy klingelt. Bestimmt schon seit einer Minute. Du solltest rangehen." Der Sheriff deutete mit erhobener Gabel auf das Smartphone und Stiles bemerkte, dass er in seinem Gedankenwirrwarr nicht einmal das penetrante Klingeln hörte, das er für Scotts Anrufe eingestellt hatte. Er nahm ab. "Sorry, Scott, dass ich erst so spät abhebe, ich..." Weiter sollte er nicht kommen. "...Du solltest sofort herkommen. Derek und ich sind in Gefahr. Kate ist hier. In der Schule." Stiles wollte sich erkundigen, was passiert war, stattdessen ertönte das Signal, welches ihm das Auflegen des Anrufes einläutete. "Fuck!", rief er aus und sprang von seinem Stuhl. "Stiles, wo willst du-" "Sorry, Dad!" Sheriff Stilinski erkannte nur noch, wie die Küchentür mit einem lauten Geräusch zugeschlagen wurde und Stiles den Flur hinabrannte. Immer wieder murmelte dieser "Verdammt, Derek!" vor sich hin und sein Vater wünschte sich, dass Beacon Hills einfach von Derek Hale verschont geblieben wäre. Es ging so schnell, dass er nicht umherkam, verwundert den Kopf zu schütteln. Dieses Kind würde ihn noch ins Grab bringen. * "Da bist du also. Danke, dass du so schnell herkommen konntest, Mann.", hatte Scott gesagt. "Halt die Klappe!", hatte Stiles selbst darauf entgegnet. Eigentlich hatte er "Kein Problem" sagen wollen, aber er war sich ziemlich sicher, dass Kate Argent in ihrer Nähe war. Und um ehrlich zu sein, wollte er nichts riskieren. Nicht in diesem Moment und nicht wegen einer unnötigen Unterhaltungsfloskel. Zuvor war er im Dunkeln auf dem Schulhof hin und her geirrt und er hatte sich gewünscht, er hätte an eine Taschenlampe gedacht. Allerdings hatte er in der Eile, mit der er das Haus verlassen hatte, nicht einmal eine Jacke mitgenommen und da war eine Taschenlampe definitiv zu viel verlangt gewesen. Nicht zu sagen, dass er den ganzen Weg zur Schule gerannt war, da er mit seinem rostigen Jeep nicht auch noch mehr Aufsehen erregen wollte, als nötig gewesen wäre. Aber als Stiles dann letztendlich vor der Beacon Hills Highschool angekommen war, völlig außer Atem, die Hände auf die Knie gestützt, lag die Schule in leiser nächtlicher Stille. Er konnte weder etwas erkennen, noch irgendein Geräusch vernehmen. Was wenn er zu spät gekommen war? Und nun, als er Scott gefunden hatte, war ihm klar, dass die Schule von außen friedlich aussah. Es sich bei dieser Jagd eher um ein Versteckspiel handelte als über eine öffentliche Hinrichtung. Die Argents schlichen mit Waffen durch die Schule und die Werwölfe, sein Freund Scott und Derek, versuchten möglichst ihrem Schussfeld zu entkommen. Leider war das nur schwer möglich, wenn man bedachte, dass vor jeder Tür und jedem noch so großen Fenster ein Jäger positioniert stand, der sie eingekesselt hatte. Stiles konnte von Glück sagen, dass er vorhin noch in den Seiteneingang einsteigen konnte, ohne, dass die Argents ihn aus Versehen angeschossen, ihn als Werwolf-Mittäter entlarvt oder schlimmeres mit ihm angestellt hätten. Um genau zu sein, hatte er, nachdem er blitzschnell um eine Ecke gebogen war, sogar noch Kates Locke hinter einer Wand verschwinden sehen. Das hätte er schwören können. Es war auch reiner Zufall gewesen, dass er Scott gefunden hatte, der sich hinter einer Tür zu einem der Chemieräume versteckt hatte und den er rückwarts beinah umgerannt hätte. Sie hatten beide aufgeschrien, ehe sie sich erinnerten, dass laute Schreigeräusche in einer Situation wie dieser eher unangebracht zu sein schienen. Und der Rest der Konversation war, nun ja, bekannt. "Was ist mit Derek, Scott?", war das erste, was Stiles in den Kopf schoss und ja, er hatte Angst, dass die Argents - besonders Kate - ihn vor ihm selbst finden konnten. "Vorhin war er in der Kantine, aber wir haben uns getrennt, als die plötzlich aus allen Richtungen kamen. Wirklich alle Argents, alle bis auf Allison, versteht sich. Chris, ihre Mutter, es waren ehrlich zu viele. Ich habe auch nur noch gesehen, wie er einen anderen Weg genommen hat." "Ja. Und jetzt?", fragte er. "Angenommen wir würden hier einen Ausweg finden, wir können Derek hier nicht einfach zurücklassen." "Ist mir schon klar." "Na dann, komm, hier rumsitzen bringt uns auch nichts." Stiles zupfte an Scotts Kapuzenpulli und versuchte ihn hinter sich herzuschleifen. "Jetzt?", fragte dieser schockiert. "Die können hier hinter jeder Ecke lauern." "Was haben wir denn bitte für eine Wahl? Und jetzt komm!" Stiles war eine Plaudertasche und Stiles war abenteuerlustig und Stiles war für jeden Mist zu haben, allerdings wusste Scott bisher noch nicht, wann dieser so mutig und vielleicht auch so lebensmüde geworden war. "Nur wegen Derek. Jetzt ernsthaft?" Sein Blick war unerbitterlich. "Der würde uns hier auch ganz einfach zurücklassen." "Nein, würde er nicht." "Huch?" Scott sah verblüfft aus. "Würde er nicht, okay. Dessen bin ich mir sicher." Stiles schlich weiter über den Boden, während er sich versuchte hinter Stühlen, Tischen und sämtlichen anderen Materialen zu verstecken. Zwar hörte er bisher noch niemanden, aber den Tod wollte er trotzdem nicht riskieren. Vor allen Dingen wenn es sich vermeiden ließ. "Okay, die Mensa grenzt an die Kantine und unsere Mensa ist groß. Da steht viel Kram rum. Getränkeautomaten, viel zu viele Tische, dutzende von unnötigen Sachen, eine Tischtennisplatte... du weißt das ja. Aber für mich klingt das nach einem Ort für ein gutes Versteck, wenn man nicht besonders weit von der Kantine weg kann. Ich zweifle jetzt einfach mal an, dass Derek blind durch das ganze Gebäude geschossen ist, nur um seine Werwolfkräfte vor den Argents zu demonstrieren." Obwohl Scott normalerweise derjenige der beiden war, der sie mit Plänen versorgte, nickte dieser nur. Stiles lehnte sich langsam um den Türrahmen, um zu testen, ob die Luft für sie frei war. Da das der Fall war, gab er Scott ein Zeichen, dass sie schnell dem Flur folgen konnten. Trotz der offenkundigen Leere, schlugen ihre Herzen so schnell, dass Stiles hätte schwören können, dass Kate von dem Geräusch angelockt werden würde. Stiles spürte die Paranoia direkt hinter ihm, als er schleunigst den Flur, dicht gefolgt von Scott, hinabrannte und die Tür zur Mensa zum Glück leiser wieder zugeworfen hatte, als es ihm selbst vorkam. Und Stiles hatte recht. Derek winkte ihnen hinter einem Tisch zu und zischte auch irgendetwas, dass sie nicht verstehen konnten. "Gut, dass ihr da seid.", war der Satz, als der sich das Knurren erwies, als sie sich ihm näherten. "Also, eben ist hier einer von denen vorbeigelaufen und wenn wir Glück haben, kommen wir zum Hinterausgang raus, wenn da nur Mrs. Argent steht. Das vermute ich zumindest." Dereks Stimme klang kalt, aber im Gegensatz zu ihm und Scott hatte er wenigstens einen Plan. "Wird gemacht.", antwortete Stiles. "Wie jetzt, Stiles? Das war's. Derek pfeift und wir folgen ihm." Scott wirkte gar nicht begeistert. "Irgendwas müssen wir machen und wenn du keine bessere Idee hast..." Sein bester Freund schnaubte, war jedoch der erste, der aufstand und durch die Glasscheibe der Cafeteria auf den Flur spähte. "Gut, dann kommt aber jetzt, solange sie nicht wieder hier vorbeikommen." Da es keine Einwände gab, folgten alle Scott, schleichend und halb versteckt hinter Kisten und Türrahmen, um sie ein wenig von Schatten bedecken zu können. "Und jetzt...", warf Derek ein "...rennt." "Was?" "Rennt einfach!" Er stürzte den Flur entlang und ihrem Mangel an anderen Überlegungen, folgten Scott und Stiles ihm, bis sie auf einmal in das Gesicht von Victoria Argent blickten. Und Stiles hätte schwören können, dass die verhasste Mutter von Allison ihre Waffe ganz genau auf Dereks Gesicht richtete, der sich zu verwandeln versuchte. Er fluchte. "Lassen Sie ihn in Ruhe!", schrie er sie an und trat einige Schritte auf sie zu, sodass die beiden nur noch durch einen Meter getrennt wurden. "Stiles." Sie hob beschwichtigend die freie Hand "Wir wollen dir nichts tun, wenn du uns diese Kreaturen-" Weiter kam sie nicht, kurz bevor Derek sie mit einer Klaue verletzen und sie den Abzug der Pistole drücken konnte, war Stiles schon bei ihr und verpasste ihr einen Schlag, der sie zu Boden gehen ließ. "Wow!", brachte er nur verwirrt hinzu, während er sarkastisch seinen eher unmuskulösen Arm hochhielt. Aber dafür müsste ihre Zeit eben noch genügen. Sowohl Derek als auch Scott starrten ihn mit offenem Mund an, Derek halb verwandelt, mit glühenden Augen und spitzen Krallen. "Und jetzt kommt. Ich bin nicht gerne länger in diesem Gebäude als es unbedingt sein müsste. Alleine dass ich morgen Chemie habe, da graut es mir schon vor." "Ganz der Alte.", stießen Scott und Derek gleichzeitig hervor. Dann rannten sie. * "Und daraufhin tauchte Stiles wie der schillernde Ritter auf und beschützte uns vor dem Bösen", hatte Scott gesagt. "Halt die Klappe!", hatte Stiles selbst darauf entgegnet. "Ich meine ernsthaft, ihr habt euch jetzt genug darüber ausgekaut, dass ich dieser furchtbaren Frau eine verpasst habe. Und, Jungs, seit ehrlich, das war schon lange überfällig." Scott lachte, während Derek, anscheinend immer noch nicht zum Lachen fähig, nur einen Mundwinkel in die Höhe zog. Mehr konnte man von dem einfach nicht erwarten. Sie saßen mitten in der Nacht in Scotts hellbeleuchtetem Wohnzimmer, froh der Gefahr entgangen zu sein und jeder von ihnen mit einem heißen Kakao in der Hand, obgleich Derek natürlich auf den viel männlicheren Kaffee bestanden hatte. Derek saß direkt neben ihm und hatte ein Bein auf seinem Oberschenkel abgelegt, während er ziemlich zufrieden zu sein schien. Stiles gefiel die ungewohnt lockere Atmosphäre und die anscheinend gute Laune seines selbst ernannten Lieblingswerwolfes. Gerade hatte er sich umgedreht, um seinen Kopf auf eines der weichen Sofakissen zu betten, da hörten die anderen beiden schon ein leises Schnarchen neben sich. "Das hat ihn echt verausgabt.", sagte Scott. "Ich bringe mal das dreckige Geschirr weg, bevor meine Mutter mich morgen früh einen Kopf kürzer macht." Als Scott den beiden den Rücken zugedreht hatte und etwas Stille im Haus der McCalls eingekehrt war, bemerkte Derek, dass der kleine Menschenjunge neben ihm im Schlaf zu frösteln begonnen hatte. Auch wenn seine nächste Tat zugegebenermaßen sein viel zu großes Ego ankratze, nahm er eine Decke vom Sessel neben ihn und breitete sie fürsorglich über Stiles Stilinski aus. Anscheinend war dies der letzte Kraftakt gewesen, den Derek Hale an diesem Abend noch zustande brachte, denn als Scott sein Wohnzimmer wieder betrat, erblickte er zwei schlafende junge Männer, die ihre Köpfe gegeneinander gelegt hatten. Ein kleines Lachen konnte er nicht zurückhalten, als Derek, scheinbar im Schlaf, seinen Arm um Stiles Schultern gelegt hatte. Und obwohl Scott sich vorgenommen hatte, die beiden in ihrer trauten Zweisamkeit nicht zu stören, schlug Stiles die Augen auf. Überrascht observierte er den Arm um seine Schulter und als er diesen sanft berührte, schauten ihn zwei große graue Augen an, die wirklich zu lächeln schienen. Scott schaffte es nicht mehr, sich rechtzeitig umzudrehen, seine Augen zu schließen oder eine Hand vor sein Gesicht zu schlagen, als sich der Werwolf vorbeugte, um die Lippen seines besten Freundes mit einem Kuss zu versiegeln, ohne dass dieser wieder ungestüm losplappern konnte. Was Stiles aber nach dem Kuss sagte, ließ den ganzen Raum auflachen, obwohl Derek, ganz der mürrische Wolf, seine Amüsement zu verstecken versuchte. "Sieht ganz so aus, als ob ich dem Griesgramwolf doch noch eine Leine angelegt hätte." ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)