Hos von teta (Wishes) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Bunnys schnelle Schritte hallten in den leeren Straßen wider. Leise war auch immer wieder ein Gemurmel zu hören, ebenso wie ein verächtliches Schnauben. Wenn sie Wut im Bauch hatte, begann Bunny grundsätzlich leise vor sich hin zu fluchen. Besonders wenn sie, wie jetzt, vom Nachsitzen kam und der absoluten Überzeugung war, dass die Strafe diesmal ganz bestimmt und defiitiv nicht ihre Schuld war. Frau Haruna hatte sie einfach auf dem Kieker, da war sie sich sicher. Es konnte gar nicht anders sein. Um diese Uhrzeit noch ein armes hilfloses Mädchen wie sie heimzuschicken war ja wohl oberdreist. Bunny konnte einfach nicht aufhören zu schnauben und zu keuchen. Ok, das Keuchen kam wahrscheinlich daher, weil sie die halbe Strecke gerannt war. Das forderte jetzt seinen Tribut. Stöhnend blieb sie stehen und stützte ihre Hände auf die Knie, holte mehrmals tief Luft. Irgendwann war das Brennen in ihrer Lunge und auch das Klingeln in ihren Ohren verschwunden und sie schaute wieder auf. Und stutzte. Sie erkannte eine großgewachsene dunkle Gestalt, die schnell die Stufen zum nahegelegenen Tempel erklomm. Im Schein der angrenzenden Straßenlaternen erkannte sie eine fliederfarbene Hose und ein grünes Sakko. Bunny legte den Kopf schief. Sie kannte nur eine Person, die ein derart furchtbares Farbempfinden besaß, dass man diese Kombination auch nur annähernd chick, geschweige denn modern finden konnte. In ihrem Gesicht erschien ein Grinsen. Mamoru war jetzt genau der Richtige, an dem sie ihre schlechte Laune auslassen konnte und so folgte sie ihm unauffällig, aber zügig die Treppe hinauf. In der Dunkelheit konnte sie kaum etwas erkennen, aber sie wusste, wo sie war, als sie das große Eingangstor passierte. Sie selbst war auch schon mehr als einmal hier gewesen. Dieser Tempel war berühmt bei jungen Schülern, gab es doch die Sage, dass man hier seine geheimsten Wünsche erfüllt bekam. Und die waren bei den meisten recht einfach zu erraten : eine Veabredung mit dem aktuellen Scharm. Bunny hatte irgendwann nicht mehr mitgezählt, wie oft sie schon die Namen von jungen Männern auf einen Zettel geschrieben und in eine Schale unter der heiligen Glocke geworfen hatte. Und nun konnte sie also ihren persönlichen Erzfeind bei genau dieser Tätigkeit beobachten. Er machte das mit einer fast unnatürlichen Konzentration, als o er tatsächlich an diesen Unsinn glaubte. Bunny musste unbewusst lächeln bei dem Gedanken, dass Mamoru flüsternd bei den Geistern um seinen Wunsch bat. Sie hätte nie und nimmer angenommen, dass der immer konservative und von de Wissenschaft überzeugte Mamoru auch irgendwo ein normaler Mensch mit ganz alltäglichen Sehnsüchten war. Das machte ihn irgendwie sympathisch. Bunny schüttelte mit dem Kopf. Nein. Dieser Lackaffe war ganz sicher nicht sympathisch. Wahrscheinlich hatte er sich totalen Blödsinn gewünscht. Den Weltfrieden oder gute Noten. Sie hätte gerne gewusst, was er auf den Zettel geschrieben hatte. Bunny stockte. Es war nur ein kurzer Gedankenblitz, aber er lies sie einfach nicht mehr los. Sie überzeugte sich mehrfach davon, dass Mamoru das Tempelgelände wieder verlassen hatte. Und machte sich dann auf kleinen leisen Schritten auf zum Schrein. Ja, sie wusste, dass man so etwas eigentlich nicht machte und ihr schlechtes Gewissen meldete sich bei jedem Zentimeter, dem sie sich der Schale mit den Zetteln näherte. Aber wann hatte sie sonst nochmal die Gelegenheit, die perfekte Waffe gegen diesen Wiederling zu finden? Wenn sie wusste, in wen er verliebt ist, könnte sie ihm endlich den ultimatien Ggenschlag verpassen und er würde es nie wieder wagen, sie zu beleidigen. Dieser Moment war quasi ein Wink des Schicksals. Genauso wie die Tatsache, dass nur ein einziger Zettel in der goldenen Schale lag. Die Mönche hatten sie wahrscheinlich zum Abend geleert, weil normalerweise so spät nach Einbruch der Dunkelheit niemand mehr hier her kam. Bunny grinste schelmisch, als sie das kleine Stück Papier zwischen die Finger nahm. Noch einmal überlegte sie, ob sie wirklich die Worte darauf lesen sollte. Immerhin war das Mamorus Privatleben. Sie schnaubte verächtlich, als sie sich an all seine Gemeinheiten erinnerte. Er nahm auch nie Rücksicht auf ihre Gefühle, warum sollte sie dann also freundlicher sein. Neugierig öffnete sie das zusammengefaltete Papierstück. Merkwürdig. Statt eines Namens standen dort vier Sätze untereinander geschrieben. Scheinbar konnte er sich mal wieder nicht mit einem Wunsch zufrieden geben, dachte Bunny stirnrunzelnd und las die Worte leise vor. »Ein Spaziergang im Sommerregen. Ein Kuss im Mondschein. Sich wie ein Kind benehmen. Ihr meine Liebe gestehen.« Was soll das sein? Wirklich brauchbar ist nur das Letzte, aber da kein Name da steht, hilft es auch nicht richtig weiter. Bunny starrte noch immer auf die Worte, versuchte daraus irgendwie schlau zu werden, als sie das Tempelgelände verlies. Auf dem Weg nach Hause konnte sie an nichts anderes denken. Warum hatte Mamoru diese Sätze aufgeschrieben? Wünschte er sich das? Warum? Diese Sachen waren relativ banal, nicht Besonderes. Warum sollte man sich ausgerechnet so etwas alltägliches in einem Schrein wünschen? Bunny hielt inne. An einer der Ampeln der großen Kreuzung direkt vor ihr stand Mamoru. Weit gekommen war er ja nicht. Sollte sie ihn mit seinem Wunschzettel aufziehen? Wirklich nützlich war er ja eh nicht. Bunny war gerade dabei auf ihren Lieblingsfeind zuzurennen, als sie überrascht zurück zuckte. Mamoru hatte den Kopf gegen den Ampelmast gelehnt, wischte sich immer wieder mit dem Unterarm über das Gesicht. Weinte er etwa? Bunnys Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Damit konnte sie nicht umgehen. Mamoru war doch immer so stark. Er war der ewige Angeber mit der großen Klappe. Dass auch er Gefühle wie Trauer empfand, war ihr nie in den Sinn gekommen. Was sollte sie tun? Am liebsten würde sie zu ihm gehen. Ihn fragen, was mit ihm los ist. Ihre Füße bewegte sich wie von selbst. Schritt für Schritt kam sie ihm näher. Das Vibrieren ihres Handys lies sie aufschrecken. Ehe Mamoru sie entdecken konnte, sprang sie förmlich in die angerenzenden Büsche. Sie klaubte ihr Mobiltelefon aus ihrer Rocktasche und blickte auf das Display. »Mama.« Bunny wusste jetzt schon, dass sie gleich ein Donnerwetter erwarten würde. Also ging sie erst gar nicht ran und wartete bis das Klingeln nach schier endlosen Sekunden endlich verstummte. Erst dann kam sie aus ihrem Versteck wieder heraus, ihr erster Blick fiel sofort auf die Kreuzung. Doch Mamoru war nicht mehr da. Nachdenklich und auch irgendwie geknickt, trat sie den Heimweg an. ****************************************** Der Tag zog sich wie Kaugummi. Alles war trist und grau. Und das lag nicht nur am Wetter. Der so oft beschriebene goldene Oktober lies auf sich warten, auch wenn die Temperaturen relativ angenehm waren. Bunny hatte sich die ganze letzte Nacht und auch den Schultag über den Kopf zerbrochen. Über Mamoru, seinen Zettel und ob sie sich nicht getäuscht hatte, als sie glaubte ihn weinen gesehen zu haben. Stirnrunzelnd trat sie in ihr Stammcafé. Vielleicht würde ein Schokoshake ihr beim Grübeln helfen. »Hallo Bunny. So früh schon hier?«, wurde sie herzlich von Motoki, dem jungen Besitzer, begrüßt. Sie hob automatisch lächelnd den Kopf. Und erstarrte. Da saß er. Und er sah genauso aus wie immer. Genauso arrogant grinsend. Und ohne einen Hauch von Trauer. Er war das genaue Gegenteil von dem Mamoru, den sie gestern erlebt hatte. Zum ersten Mal frgte sie sich, ob diese Art von ihm nur eine Maske war. Wie sah der echte Mamoru aus? »Sag bloß, du musstest heute mal nicht nachsitzen? Wundert mich bei deiner weichen Birne.«, grinste er süffisant. Bunny starrte ihn nur verblüfft an. Er benahm sich vollkommen normal. »Gar keine Wiederworte? Hast du deine Dummheit endlich eingesehen?«, stocherte er weiter nach. Bunny verstand die Worte nur wie durch einen Schleier. Vor ihrem inneren Auge sah sie immer wieder die Szene gestern an der Kreuzung. Er hatte so herzzerreissend traurig und verzweifelt gewirkt. »Sei nicht so hart mit ihr.«, mischte Motoki sich ein. »Wie war eigentlich deine Lerngruppe?«, wandte er sich an Mamoru. »Ich war nicht dort.«, gab der die knappe Antwort. »Und die wichtige Klausur nächste Woche?« Mamoru zuckte nur mit den Schultern. »Deine Einstellung neuerdings gefällt mir gar nicht. So kenne ich dich überhaupt nicht.«, seufzte Motoki. »Vielleicht hat ja der Charakter der Weichbirne auf mich abgefärbt.«, antwortete Mamoru grinsend und wie zur Bestätigung klopfte er Bunny auf die Schulter. Diese Berührung lies sie endlich aus ihrer Lethargie aufschrecken und sie antwortete mit einem empörten »Hey!« Doch Mamoru hatte sich bereits zum Gehen verabschiedet. »Man sieht sich.«, er hob die Hand, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Er ist verrückt geworden, eindeutig.« Bunny schaute fragend zu Motoki: »Was meinst du?« »Seit ein paar Wochen ist er schon so.«, erklärte dieser. »Kümmert sich kaum noch um sein Studium, geht nicht mehr zu den Treffen seiner Lerngruppe und hat auch so fast gar kein Interesse mehr an seinem bisherigen Leben. Er spricht immer nur von verlorenen Chancen und Ereignissen, die er verpasst hat und nicht nachholen kann.« »Verpasste Ereignisse?«, wiederholte Bunny leise und ihre Hand glitt automatisch in ihre Rocktasche, wo sich noch immer der zerknitterte Zettel von gestern Abend befand. »Wenn er nicht erst Anfang 20 wäre, könnte man fast von einer Midlife-Crisis sprechen.«, sprach Motoki nachdenklich weiter. Bunny hörte ihm kaum noch zu. Ihr Kopf schien wie leer gefegt. Mamoru dachte über seine verpassten Chancen nach. War das der Grund für seinen Wunschzettel? Waren die Sätze darauf etwa die Ereignisse, die er nie erlebt hatte? Und die er jetzt nachholen wollte? »Ich glaube... «, begann sie. »Ich muss nochmal weg. Entschuldige Motoki.«, sagte sie und rannte aus dem Laden. Wo war Mamoru hingelaufen? In welche Richtung? Als sie ihn endlich entdeckt hatte, wusste sie eigentlich gar nicht, was sie genau vor hatte. Das Einzige, was sie wusste, sie wollte ihm helfen. Gut, er war ein Idiot. Und gemein zu ihr. Aber niemand sollte traurig sein. Auch nicht er. Wie er da stand. An einen Baum geleht und mit fast sehnsüchtigem Blick auf einen großen Spielplatz. »Sich wie ein Kind fühlen...«, flüsterte Bunny. Es war wie gestern. Ihre Beine schienen ein Eigenleben zu entwickeln. Sie konnte nichts dagegen tun, als ihre Füße sie Stück für Stück auf Mamoru zutrugen. Er schien sie gar nicht zu bemerken, so vertieft war er in seine Beobachtung. »Ziemlich wenig los hier, oder?«, versuchte sie leise seine Aufmerksamkeit zu erregen. »Was?«, Mamoru blickte sie überrascht an, schien dann aber den Kopf zu schütteln und sprach normal weiter: »Die meisten Kinder werden schon zu Hause sein.« Bunny blickte ihn aus den Augenwinkeln an. Tief in ihrem Inneren machte der Ausdruck in seinem Gesicht sie so unendlich traurig. »Das muss man ausnutzen.«, zwinkerte sie ihm zu und zupfte an seinem Ärmel. »Was soll das werden?«, fragte Mamoru sie überrascht. »Komm schon. Das Wetter ist heute ausnahmsweise mal angenehm und lädt quasi ein zum Schaukeln und Rutschen.« »Das ist doch albern.«, beschwerte Mamoru sich und zog seinen Arm zurück. »Wir sind beide erwachsen. Naja, ich zumindest.« Bunny verschränkte die Arme und schob schmollend ihre Unterlippe nach vorne. Doch dann huschte ein Grinsen über ihr Gesicht und sie gab Mamoru unverhofft einen stärkeren Schubs gegen seine Brust, dass er sein Gleichgewicht verlor und nach hinten kippte. Genau in einen großen bunten Laubhaufen. »Bist du verrückt geworden?«, seine Stimme kippte förmlich über vor Schreck. »Räch dich doch.«, Bunny streckte ihm die Zunge raus, ehe sie die Beine in die Hand nahm und lachend vor ihm durch die bunten Blätter flüchtete. Erst dachte sie, er wäre wirklich sauer und würde ihr den Kopf abreissen, wenn er sie erst einmal in die Finger bekam. Aber mit jedem Spielgerät, auf das sie ihn lockte und er so automatisch benutzen musste, wurde das Grinsen in seinem Gesicht breiter. Im Sandkasten schließlich schaffte er es doch, sie am Arm festzuhalten und brachte sie zu Fall. »Ok ok, ich gebe auf.«, schnappte sie lachend nach Luft, als Mamoru sie fixierte, indem er sich auf sie setzte und ihre Handgelenke festhielt. »Ich dachte, ich soll mich noch rächen?«, grinste Mamoru sie herausfordernd an. Da war er wieder. Dieser sonderbare Ausdruck in seinen Augen, den Bunny nie deuten konnte. Der ihr aber immer wieder einen Schauer über den Rücken jagte, sie wusste nur nicht warum. Es war komisch ihn so nah vor sich zu haben, die Wärme seines Körpers zu spüren. Aber trotzdem fühlte es sich nicht schlimm an. Gefiel es ihr etwa? »Autsch!« Bunny starrte ihn überrascht an. Erst nach wenigen Sekunden begriff sie, dass Mamoru eben das Opfer eines gemeinen Angriffs durch eine kleine blaue Schaufel geworden war. Ein gefährliches Werkzeug in den Händen eines Kleinkindes. Automatisch musste sie grinsen. Das Lachen gefror ihr allerdings, als sie die umstehenden kopfschüttelnden Mütter sah, die sie böse anfunkelten. »Vielleicht sollten wir besser gehen.«, lächelte Mamoru und half ihr auf. Nachdem sie sich mit hochrotem Kopf den Sand aus der Uniform geklopft hatte, folgte sie dem Schwarzhaarigen schnell in eine der nächsten Seitenstraßen. »Machst du sowas häufiger?«, lachte der und schüttelte sich ebenfalls Sand aus seinen Sachen. Sein Lächeln machte sie glücklich. »Vielleicht?«, gab sie lächelnd zurück. Plötzlich wure sein Blick nachdenklich. »Wahrscheinlich ist das der Grund, warum dich keiner ernst nimmt.«, sagte er und drehte sich zum Gehen um. Bunny wusste nicht, ob sie lachen oder heulen sollte. Doch, eigentlich wusste sie, was sie für Gefühle entwickeln sollte. Puren Hass. »Willst du mich ...«, statt den Satz zu beenden, ergriff sie den nächstbesten Gegenstand, den sie finden konnte und warf ihn in hohem Bogen in Mamorus Richtung. Dieser drehte sich blitzschnell um und fing das kleine blaue Ding, was Bunny mit offenem Mund dastehen lies. »So langsam hab ich Übung darin.«, grinste er und erinnerte Bunny so an die vielen Male, als sie ihm, eigentlich aus Versehen, den ein oder anderen Gegenstand an den Kopf geworfen hatte. Als Mamoru allerdings das Plastikteil in seiner Hand besah, stutzte er und blickte Bunny überrascht an: »Hast du die mitgehen lassen?«, er zeigte auf die kleine blaue Schaufel. Bunny wurde erneut rot im Gesicht. »Aus Versehen.«, stammelte sie. Im Eifer des Gefechts hatte sie alles mögliche um sich herum eingesammelt, was aus ihrer Schultasche gefallen war. Doch statt einem Vorwurf, zuckte Mamoru nur mit den Schultern und steckte das Schäufelchen in seine Hosentasche. Bunny starrte ihn fragend an. »Erinnerung.«, sagte dieser. »Machs gut, Weichbirne.« »Ich werde nicht schlau aus ihm.«, sagte sie. ************************************ Die letzten warmen Tage schienen endgültig Geschichte. Hatte sich sonst noch, wenn auch nur kurz, ab und an die Sonne hinter den tiefhängenden Wolken gezeigt, lag nun über der Welt eine neblige Kuppel. Wenn es nicht gerade in Strömen regnete, so ie jetzt. Bunny lugte unter ihrem pinken Regenschirm hervor in den dunkelgrauen Himmel. Sie mochte keinen Regen. Er war nass, kalt und lies ihre Haare kringeln. Ausserdem kamen die Güsse immer so überraschend, dass sie nie wirklich passend gekleidet war. Seufzend sah sie an sich herunter. Ihre Sandalen waren nicht wasserdicht und ihre weißen Socken somit ruiniert, obwohl sie versucht hatte, den großen Pfützen auszuweichen. Ausserdem war ihr kalt. Und sie hatte Hunger. Und war müde. Bunny stöhnte laut auf. Der Weg nach Hause war noch so weit. Suchend schaute sie sich um. Warum war nie ein Bus in der Nähe, wenn man ihn mal brauchte? Als ihr Blick auf die Fußgängerbrücke fiel, stutzte sie. Am höchsten Punkt stand eine große Gestalt im Regen. Einfach so, ohne sich zu bewegen. Wer ist so verrückt und stellt sich bei diesem Wetter auf eine Brücke um den langweiligen Verkehr zu beobachten? Bunnys Neugier war geweckt. Sie ging auf die dunkel gekleidete Person zu, deren schwarze Haare bereits so nass waren, dass sie am Kopf förmlich festgeklebt schienen. Vielleicht erkannte sie ihn deshalb sofort. An seinen markanten Gesichtszügen, den breiten Schultern oder einfach intuitiv. Sie hatte ihn immer erkannt, immer sofort gespürt, wenn er in der Nähe war. So wie jetzt. Ihr Magen krampfte sich zusammen, nicht einmal schmerzhaft, und ihr Herz schien für den Bruchteil einer Sekunde auszusetzen. Bunny hörte das Geräusch eines Motors hinter sich und drehte sich um. Ein Bus. Und er fuhr sogar in die Richtung, in die sie wollte. Ihre Gebete schienen erhört worden zu sein und sie lief schnell in Richtung der Haltestelle. Doch kurz vor ihrem Ziel hielt sie inne. Sollte sie wirklich mitfahren? Nachdenklich drehte sie ihren Kopf in Mamorus Richtung, der noch immer auf der Brücke stand und einfach nur auf einen imaginären Punkt am Horizont starrte. Sie seufzte. Und verfluchte wieder einmal ihr gutes Herz. Wenn das ein Test des Universums war, hatte sie ihn hoffentlich endlich mal bestanden, dachte sie, als sie vorsichtig auf Mamoru zuging. »Was tust du hier?«, fragte sie leise. »Stehen.«, kam die Antwort, ohne dass Mamoru sie ansah. Entnervt verdrehte sie die Augen: »Das sehe ich. Warum?« Er zuckte nur mit den Schultern. Toll, jetzt hatte sie extra ihren Bus sausen lassen und dann wollte dieser Typ nicht mal mit ihr reden. »Du hast keinen Schirm.«, sagte sie stattdessen. Warum sollte sie ihm auch erzählen, dass ihre Füsse mittlerweile so durchnässt waren, dass sie wahrscheinlich schon kurz vor der Mutation zu Flossen standen? »Ist der Ausblick nicht schön?«, sagte Mamoru plötzlich. Bunny starrte auf dieselbe Stelle, die er meinte. Allerdings erkannte sie die Schönheit in der verregneten hell erleuchteten Skyline von Tokio nicht wirklich. Gut, es leuchtete überall hübsch. Aber das erinnerte sie eher daran, dass hinter jedem der hellen Fenster wohl eine Heizung vorhanden wäre, an der sie ihre Eisfüße wärmen konnte. Und doch schien Mamoru der Anblick zu faszinieren. Er wirkte, als stünde er schon Stunden hier, auch weil er so durchnässt war. Aber irgendwie sah er glücklich aus. Bunny dachte an den Zettel. "Ein Spaziergang im Sommerregen". Sie sah zum düsteren Himmel hinauf. Ok, es war schon längst nicht mehr Sommer. Aber hey! Es regnete wenigstens. Und das Letztere schien Mamoru ja scheinbar eh nichts auszumachen. Dann wurde eben ein typischer Herbstspaziergang daraus. Typisch mit Regen, Kälte und Erkältungspotential, stöhnte sie lautlos. Über ihre eigenen Gedankengänge den Kopf schüttelnd schloss sie ihren Schirm, den letzten Schutzschild im Kapf gegen die eisige Naturgewalt. Es wurde ihr gedankt mit einem kalten Windzug, der ihr eine nasse Dusche direkt ins Gesicht bescherrte, inklusive einer Gänsehaut. »Du wirst nass.«, sagte Mamoru, als er sah, was Bunny getan hatte. War da ein sorgenvoller Unterton in seiner Stimme? »Bin ich nicht die Einzige.«, antwortete sie mit zuckenden Schultern. »Und was soll das werden?« »Eigentlich ist das doch ganz lustig.«, nein, eigentlich war es nur kalt und eklig nass, aber Bunny versuchte trotzdem ihr freundlichstes Grinsen aufzusetzen. »Los, wir laufen ein bisschen.« »Hör auf, dein Helfersyndrom an mir auszuleben.«, sagte er. Es klang nicht einmal besonders böse oder genervt. Eher traurig, müde. Bunnys Magen krampfte sich erneut zusammen, diesmal allerdings spürte sie einen leichten Schmerz. Mamorus Gesihtsausdruck berührte etwas in ihr. »Ich hab kein...«, versuchte sie, sich zu rechtfertigen. »Ok, vielleicht ein bisschen. Aber nimm doch einfach mal was hin. Diese ständige Nummer mit dem Hinterfragen und Kalkulieren nervt. Leb den Moment.« Wie zum Beweis und aus Trotz ergriff sie seine Hand bei ihrer Ansprache, was Mamoru mit einem fragenden Blick quittierte. »Wir gehen jetzt spazieren und wehe, du weigerst dich.«, sagte Bunny mit fester Stimme und noch festerem Blick. »Und gib mir meine Hand wieder.« »Aber..«, wollte Mamoru protestieren, doch Bunny hielt ihren Zeigefinger vor die Lieben: »Nur laufen und schweigen.« »Das kannst du?« Sie bedachte ihn mit einem wütenden Blick, der ihn augenblicklich verstummen lies, ehe sie ausdrucksstark weiter schritt. Dabei spürte sie kaum noch ihre Füße. Sie musste sich unbedingt von der Kälte ablenken. »Warum willst du dein Studium aufgeben?« »Ich dachte, wir schweigen?« Bunny starrte ihn fragend an, bis Mamoru seufzend antwortete: »Was sind deine Ziele im Leben?« »Was?«, jetzt starrte sie nur noch fragender. »Deine Träume. Wie soll deine Zukunft aussehen?« »Ich möchte heiraten.«, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. »Das ist alles?«, Mamoru schien ernsthaft verblüfft. »Das ist ein relativ klischeehafter Wunsch.« »Du machst dich lustig über mich.«, sagte sie schmollend, zuckte dann allerdings mit den Schultern. »Irgendwann treffe ich den Mann, der mich liebt wie ich bin. Und dann wird mein Herz nur ihm gehören.« Als sie sein sanftes und wirklich freundliches Lächeln erblickte, legte sie den Kopf schief :»Was?« »Dir ist kalt.«, sagte er mit leiser Stimme, noch immer lächelnd. »Bisschen.«, Bunny freute sich über diese Geste, und doch war sie ihr fast unangenehm, war sie ihm doch das erste Mal wirklich so nahe. »Na los, komm mit. Ich wohne da vorne. Wenn du noch länger in den nassen Klamotten bleibst, wirst du nur krank.« »Du machst dir Sorgen um mich.«, stellte Bunny grinsend fest. »Nur der Arzt in mir.«, kam die Antwort zurück. »Ich dachte, du willst dein Studium beenden?« Als sie Mamorus Blick erkannte wusste sie, dass dieses Gespräch nun beendet war. Und dieses Thema auch nicht mehr zur Sprache gebracht werden dürfte. **************************************************** »Wohnst du hier allein?«, fragte Bunny, als sie neben ihren nassen Schuhe auch gleich ihre vollkommen durchnässten Socken auszog, ehe sie den kleinen Flur betrat. »Ja.« »Und deine Eltern?«, fragte sie weiter und schaute sich neugierig um. Alles wirkte sehr aufgeräumt, fast schon steril. »Hab ich nicht.« Bunny stutzte, »Oh. Wenn du darüber reden willst...« »Will ich nicht.«, unterbrach Mamoru sie kühl. Kurzzeitig herrschte Stille. Ausser dem Ticken einer Uhr und der gleichmäßigen Atmung der Beiden war nichts zu hören. »Wenn du duschen willst..«, begann Mamoru. »Will ich nicht.«, unterbrach nun Bunny ihn und versuchte genauso zu klingen wie er gerade. Doch bei Mamorus nachdenklichem Blick entscheid sie sich zu einer Ergänzung: »Ein Föhn reicht vollkommen.«, sie wollte keinen neuen Streit vom Zaun brechen. Irgendwie war dieser beinahe freundschaftliche Umgang mit ihm ja sogar nett, beinahe harmonisch. Ob das wohl auch anhalten würde nachdem sie all die Punkte von seiner Liste erfüllt hatte? Sie folgte Mamorus Fingerzeig in Richtung Bad und schloss die Tür hinter sich. Ein Blick in den Spiegel verriet ihr, dass sie genauso aussah, wie sie sich fühlte. Zerrupft und unterkühlt. Vielleicht hätte sie das Angebot mit der Dusche doch annehmen sollen. Nachdenklich kramte sie den Zettel aus ihrer Tasche hervor. Und musste zum Entsetzen feststellen, dass die Schrift darauf komplett verschmiert war. »Oh nein!«, fluchte sie lautstark. »Alles ok?«, kam eine besorgte Stimme von draussen. »Ja ja, alles prima.«, beschwichtigte sie und besah sich die letzten nassen Fetzen in ihrer Hand. Aber sie wusste zum Glück ja noch die letzten beiden Sätze darauf auswendig. Zögernd nahm sie den Föhn, der auf einem Hocker neben der Dusche lag. Mamoru hatte sie einfach mit zu sich genommen, obwohl er sie nicht einmal kannte. Und dann lies er sie einfach so in seinem Bad allein. Dabei könnte sie wahnsinnig neugierig sein und in seine Schränke gucken. Ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Ja, sie war definitiv neugierig. Zur Tarnung schaltete sie den Föhn ein und begann tatsächlich ihr Haar zu trocknen. Alelrdings hatte der kleine Spiegelschrank vor ihr ihr Interesse geweckt. Nur ein kleiner Blick, dachte sie und öffnete ihn vorsichtig. Der Inhalt war eher ernüchternd. Gut, jetzt wusste sie, welches Parfüm er benutzte und dass er dutzende von Medikamenten hortete. Aber für einen angehenden Arzt war das wohl normal. Schulterzuckend scloss sie den Schrank wieder und versuchte nun doch ihr pitschnasses Haar wieder irgendwie in Form zu bekommen. Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit endlich fertig war, schlüpfte sie aus der Tür und folgte den klirrenden Geräuschen in die angrenzende Küche. Mamoru hatte sie noch nicht entdeckt und so hatte sie Gelegenheit ihn ein wenig zu beobachten. Mit fliessenden Bewegungen agierte er in dem kleinen Raum mit zwei Tassen und mehreren Porzellangefäßen, wahrscheinlich Teedosen. Er sah dabei hochkonzentriert aus und irgendwie... attraktiv. Bunny war vorher nie aufgefallen, wie gut er eigentlich aussah. Wie ihm sein schwarzes Haar in die meerblauen Augen fiel, wenn er den Kopf nach vorn beugte. Und wie sich die Muskeln seines Oberkörpers unter dem schwarzen Shirt abzeichneten. »Ein Kuss..«, flüsterte Bunny und dachte wieder an den jetzt zerstörten Zettel.» »Oh.«, Mamoru drehte sich überrascht um, was Bunny hochschrecken lies. Hatte er gehört, was sie gesagt hatte? Scheinbar nicht. Zumindest lies er sich nichts anmerken, als er ihr eine dampfende Tasse herrlich duftenden Tee vor die Nase hielt. »Danke.«, sie nahm vorsichtig einen Schluck. »Ziemlich aufgeräumt hier.« »Ich mag es gerne geordnet.« »Oder räumt deine Freundin auf?«, fragte Bunny grinsend. Mamoru schaute sie stirnrunzelnd an: »Ich hab keine Freundin.« »Aber du magst bestimmt wen, oder?«, sie musste einfach ein paar Anhaltspunkte wissen. »Baggerst du mich gerade an?«, Mamoru zog verblüfft die Augenbrauen nach oben. »Was?«, Bunnys Stimme überschlug sich fast. »Nein.«, wie kam er auf diese komplett verrücke Idee. Ok, sie hatten ein bisschen Zeit miteinander verbracht, aber wer würde denn da auf die Schlussfolgerung kommen, dass... Nein, das war einfach zu unglaubwürdig. »Was soll dann das Verhör?«, hakte Mamoru nach. »Ich wundere mich nur, dass ich dich nie mit einem Mädchen gesehen habe. Du magst doch sicherlich welche?« »Ich bin nicht schwul, wenn du das meinst.«, antworte er ernst. Bunny wusste nicht mehr weiter. Sie hatte das Gefühl, egal was sie auch sagte, es kam falsch an. »Ich habe die Angewohnheit meine Gefühle zu verbergen.«, begann Mamoru. »In der Hinsicht bewundere ich dich sogar ein Stück weit. Du sagst einfach, was dir in den Sinn kommt, und sei es noch so dumm.« Bunny wusste, dass das keine wirkliche Beleidigung war. Es war nur ungünstig ausgedrückt. »Du solltest ihr sagen, was du fühlst.«, sagte sie in die Stille hinein. Mamoru blickte sie unschlüssig an, ehe er nachdenklich an seiner Tasse nippte. »Ja, vermutlich sollte ich das wirklich.« Während er trank, beobachtete er sie. Seine Augen schienen tief in sie hinein zu blicken, etwas ganz weit unten zu berühren. Normalerweise war ihr so ein Blick unangenehm. Aber jetzt in diesem Moment schien er sie fast zu wärmen, sie zu beruhigen. »Sie kann sich wirklich glücklich schätzen, dass du sie so magst.«, sagte sie plötzlich. »Achso?« Sie nickte: »Auch wenn du ein arroganter Blödmann bist.« »Bin ich das, ja?« »Ein bisschen?«, lächelte Bunny und nahm nun auch einen Schluck aus ihrer Tasse, allerdings nur, um nichts mehr sagen zu müssen. ****************************************************** Sie starrte aus dem Fenster. Es regnete schon wieder. Erneut fragte sie sich, wo der ach so tolle goldene Oktober geblieben war, von dem immer alle sprachen. Wie vor drei Tagen, als sie Mamoru traf. Und nach einem Spaziergang bei ihm Tee trank. Sie hatten sich vollkommen normal unterhalten und nicht einmal gestritten. Es war wiklich verrückt. Seitdem sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Wünsche seiner Liste zu erfüllen, hatte sie ihn zum ersten Mal richtig kennengelernt. Und merkwürdigerweise schienen sie sogar so etwas wie eine ähnliche Wellenlänge zu haben. Ob er seinem Schwarm schon seine Liebe gestanden hatte,wie sie es ihm geraten hatte? Sie fragte sich, wie das Mädchen wohl sein würde. Ob sie hübsch ist? Sicher ist sie wahnsinnig klug. Vielleicht geht sie ja ebenfalls auf Mamorus Universität. Und vielleicht haben sie dort zusammen Mittag gegessen. Und zum Abschied hat er sie mit Sicherheit umarmt. Oder geküsst. Bunny konnte es sich richtig bildlich vorstellen. Wie Mamoru eine hübsche schlanke Brünette umarmt, ihr Kinn umfasst, es sanft an sich zieht und seine Lippen ihre berühren. Ein sanfter endlos scheinender Kuss. Bunny schloss träumend die Augen. Ein romantischer zärtlicher Kuss unter einem Regenschirm. Mamorus Schwarm seufzte ebenso verträumt. Ihre Haare schienen zu wachsen. Wurden blond. Ihre Vorstellung veränderte sich merkwürdigerweise. Aus der geheimnisvollen Studentin wurde eine tollpatschige Mittelschülerin mit markanter goldblonder Frisur. »Nein!« Bunny wusste nicht, ob sie erschrockener war über ihre Fantasi oder ihren lautstarken Gefühlsausbruch. »Nun, auch wenn Bunny etwas dagegen hat, wird Japan 1947 zu einer parlamentarischen Monarchie.«, sprach Frau Haruna, die Lehrerin und besah ihre Schülerin mit einem strafenden Blick. Diese stotterte nur unverwandt: »Was? Ich meine... ok?«, und lächelte dabei unbeholfen. »Was ist nur los mit dir?«, Frau Haruna schüttelte den Kopf. »Man könnte fast meinen, du bist verliebt.« Bunny zuckte zusammen. »Nein. Bloß nicht.«, wiegelte sie schnell ab. »Bloß nicht.« Das war doch total verrückt. Warum sollte sie sich verliebt haben? Und dann noch ausgerechnet in Mamoru? Bestimmt nicht. Den ganzen Tag hatte sie über diese abstruse Behauptung ihrer Lehrerin nachgedacht. Gut, ihre geistige Abwesenhei hatte sie letztendlich davor bewahrt irgendwelchen Unsinn anzustellen und sich dadurch wieder eine Runde Nachsitzen einzufangen. Aber was war wohl besser? Den Nachmittag mit Lernen zu verbringen oder damit, durch die Straßen zu schlürfen und sich den Kopf über einen schwarzhaarigen Angeber zu zerbrechen? Dabei war der noch nicht einmal ihr Typ. Ok, sie hatte nicht mal wirklich einen Typ und so hässlich war Mamoru nun auch nicht. Aber sie war ganz bestimmt nicht verliebt. Immerhin war er andauernd gemein zu ihr. Bis auf die letzten Tage. Da war er sogar ziemlich nett gewesen. Aber vielleicht würde sich das ja auch wieder ändern. »Aua!« Sie war, mal wieder, in jemanden gestolpert. So langsam wurde das zur Routine und wohl deshalb konnte sie einigermaßen die Balance behalten und war nicht, wie so oft, auf ihre Nase gefallen. »Bunny.« Sie hob erstaunt den Kopf. Natürlich. Von allen Bewohnern dieser Megametropole musste es jetzt ausgerechnet er sein. Genau jetzt. Wo sie sich doch ihrer Gefühle für ihn so unsicher war. »Alles ok?«, fragte Mamoru sichtlich besorgt. Warum musste er so nett sein? Warum konnte er sie nicht einfach beleidigen und sie stritten sich danach lautstark, so wie immer? Warum konnte er nicht der gleiche Blödmann sein? Warum lies er ihr Herz so schnell schlagen? »Mamoru...«, sie musste etwas sagen, irgendwas. Und sie musste ihm ihre Gefühle erklären. Ihn fragen, ob es ihm ähnlich ging und er sich ebenfalls solche verworrenenen Gedanken machte. »Alles ok bei euch?« Bunny stutzte. Eine junge Fru schob sich in ihr Sichtfeld. Sie stand direkt neben Mamoru. Und sie war hübsch. Und bestimmt auch klug. Und brünett. »Ich bin Saorie, hallo. Du musst Bunny sein.«, sagte sie und hielt ihr die Hand zum Gruß hin. Bunny war unfähig sich zu rühren. Einzig ihr Blick wechselte immer wieder zwischen Mamoru und ieser Saorie hin und her. Das war sie lso. Bunnys Inneres krampfte sich schmerzhaft zusammen. »Glückwunsch.«, sagte sie tonlos an Mamoru gewand. Dann drehte sie sich um. Und ging einfach. Erst ganz langsam, doch dann immer schneller, bis sie schließlich rannte. Wie dumm sie doch gewesen war. Ihr hätte klar sein müssen, dass jemand wie Mamoru niemals auch nur im Ansatz etwas für jemanden wie sie empfinden könnte. Sie hatte sich einfach nur zum Narren gemacht. »Warte.« Jemand ergriff ihre Hand, hielt sie fest, doch als Bunny sich umdrehte, konnte sie die Person nur verschwommen erkennen. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie weinte und wischte sich schnell mit dem Arm über das Gesicht. Er sollte ihre Trnen nicht sehen.Sie wollte doch stark sein. Aber als sie ihn vor sich stehen sah, erneut mit diesem traurigen Ausdruck in den Augen... »Du Dummerchen.«, lächelte er sanft. Was sollte das jetzt? Wollte er sh auch noch über sie lustig machen? »Geh zurück zu Saorie.«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Sie wollte nicht weinen, nicht vor ihm. »Warum sollte ich?« Na toll, jetzt stellte er sich auch noch dumm. Das war eindeutig zuviel für Bunny: »Erst versuche ich, dich wieder aufzumuntern und glücklich zu sehen, indem ich dir deine sehnlichsten Wünsche erfülle und dann... «, sie musste schlucken. »Es freut mich, dass du Saorie endlich deine Liebe gestanden hast, aber...« »Saorie?«, in Mamorus Kopf arbeitete es, das onnte sie genau erkennen. »Du bist echt eine Weichbirne. Ich bin nicht in Saorie verliebt.«, erklärte er und musste sich ein Lachen verkneifen. Bunny wiche einen Schritt zurück: »Nicht?« Der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf und verstärkte den Griff um ihre Hand. Es war nicht wirklich schmerzhaft, aber sie musste unweigerlich auf die Stelle schauen. »Du bist es.«, flüsterte er. »Was?«, verwirrt hob sie den Blick. »Du bist die, in die ich verliebt bin. Schon lange.«, Mamorus Augen ruhten sanft auf ihr. »Aber.. ich meine.. «, Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Konnte das wirklich stimmen? Ohne, dass sie etwas dagegen unternehmen konnte, stahl sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. »Du Idiot.«, grinste sie. Mamoru hob seine freie Hand, strich damit über ihr Gesicht. »Ich weiß.«, lächelte er. Und doch war irgendwie etwas komisch, stellte Bunny verwirrt fest. Mamorus Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich, sein Blick wurde glasig und ehe sie sich versah, sackte er vor ihr zusammen. »Mamoru!« Bunny lies sich auf die Knie fallen, umfasste sein kreideweißes Gesicht und wusste doch überhaupt nicht, was sie tun sollte. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen und immer wieder rief sie verzweifelt seinen Namen. *************************************** Bunny hatte nicht gezählt, wie viele Ärzte und Schwestern schon an ihr vorbeigeeilt waren. Es war ihr auch egal. Selbst die Herbstdekoration in den Gängen war für sie blanker Hohn. Die letzten Stunden schienen wie in einem Zeitraffer vergangen zu sein. Ihre Gedanken drehten sich einzig und allein um Mamoru. Er war einfach zusammen gebrochen, direkt vor ihr. Und das, nachdem er ihr seine Liebe gestanden hatte. Saorie hatte die beiden schließlich entdeckt und einen Krankenwagen gerufen. Warum war sie nicht selbst darauf gekommen? Sie machte sich solche Vorwürfe. Auch, dass sie Saorie so feindselig gegenüber getreten war. Dabei konnte diese doch gar nichts daür. Im Gegenteil, war sie es doch, die schon so lange von Mamorus Gefühlen wusste und ihn letztendlich ermutigt hatte, Bunny alles zu erzählen. Und auch Saorie war es, die als Einzige von seiner Krankheit wusste. Ein Tumor, im Endstadium. Jetzt machte so vieles erst Sinn. Das viele Nachdenken von Mamoru über sein bisheriges Leben. Die vielen Medikamente in seinem Bad. Und die Wunschliste. Bunny musste erneut ihre Tränen unterdrücken, als sie daran dachte. Dass sie den Zettel nur gestohlen hatte, um ihm eins auszuwischen. Und dass sie doch so unendlich viel Spaß mit Mamoru gehabt hatte. Hätte sie doch viel eher das Kriegsbeil begraben. Sie wäre sich eher ihrer wahren Gefühle bewusst geworden. Und sie hätten viel eher glücklich werden können. Die Tür des Krankenzimmers öffnete sich. Bunny starrte angespannt auf die Ärzte, die heraus kamen, doch bei keinem konnte sie die Mimik deuten. Erst als Saorie endlich den Raum verließ sprang Bunny auf. Und erstarrte. Sie konnte es im Gesicht der jungen Frau erkennen. »Nein.«, flüsterte Bunny geschockt, fast lautlos. Sie konnte es nicht glauben, wollte es nicht wahrhaben. Nicht er, nicht jetzt. Sie ließ ihren Tränen freien Lauf, ergab sich dem Zittern und ließ sich in Saories Arme fallen, die sie tröstend festhielt. »Es ist meine Schuld.«, schluchzte Bunny. »Wenn ich eher Hilfe geholt hätte...« »Das stimmt nicht.«, flüsterte Saorie sanft. »Das hätte auch nichts geändert. Mamoru war schon weit über den errechneten Termin.«, sie schob Bunny vorsichtig von sich, um ihr in die Augen zu blicken. »Es war, als hätte sein Körper noch einmal alle Reserven zusammen genommen, um ihn dazu zu bewegen, sich dir endlich zu offenbaren.« Bunny schaute sie verwirrt an. »Du warst der Grund, dass er nicht einfach aufgab.«, erzählte die Brünette weiter. »Du warst sein Licht in der Dunkelheit. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte er nie so lange durchgehalten.« War das wirklich wahr? Hatte sie ihm unbewusst einen Grund zum Kämpfen gegeben? Vielleicht war es doch Schicksal, dass sie ihn an dem Abend im Tempel gesehen hatte. Dass sie den Zettel an sich genommen hatte. Seine persönliche Wunschliste. Und sie hatte jeden dieser Wünsche erfüllt. Sie hob erschrocken die Augenbrauen. »Saorie.«, sie ergriff die Hände der jungen Frau. »Bitte. Darf ich ihn ein letztes Mal sehen?« »Was? Nein, eigentlich...«, doch bei Bunnys flehendem Gesichtsausdruck konnte sie einfach nicht ablehnen. »Zwei Minuten.«, antwortete sie sanft, aber bestimmt. »Mehr brauche ich nicht.«, erwiederte Bunny nickend und flehte zum Universum, dass es ihr ein letztes Mal helfen möge. Mit klopfendem Herzen betrat sie den dunklen Raum. Ihr erster Blick galt dem Fenster und sie stellte glücklich fest, dass ihre Bitte erhört wurde. Die dunklen Regenwolken waren verschwunden und der dunkle Nachthimmel wurde vom hellen Licht des silber schimmernden Mondes erleuchtet. Als sie den Kopf zur Seite drehte, erstarrte sie. Da lag er. Es sah aus, als würde er schlafen, aber Bunny wusste, dass es nicht so war, was ihr Herz schmerzen lies. Langsam trat sie auf das Krankenbett zu. Seine Augen waren geschlossen, doch er hatte noch immer diesen sanften und irgendwie glücklichen Ausdruck auf seinem makellosen Gesicht. »Es tut mir leid, dass es nicht früher ging.«, flüsterte sie und strich mit den Fingerspitzen über seine Lippen. Sie zuckte kurz zurück, weil sie kalt waren. Natürlich, dachte Bunny traurig. Vorsichtig beugte sie sich nach vorne, warf einen letzten Blick auf den hellen Mond und legte ihre Lippen auf die von Mamoru. Sie hatte all seine Wünsche erfüllt. Diesen Herbst würde sie niemal vergessen. Denn ihr Herbst war auch der von Mamoru. Und sein letzter Herbst war der erste in ihrem Leben, der so voller Wärme war, wie es nie wieder ein anderer sein würde. Wenn das Universum ein Einsehen mit uns hat, werden wir uns wieder sehen. Und dann wird uns niemand mehr trennen können, dachte Bunny traurig, doch mit einem Funken Hoffnung. Der Mond ist unser Zeuge. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)