Kaizoku no Kokoro von Rajani (Das Herz des Piraten) ================================================================================ Kapitel 16: Nani ka iu ----------------------   Die Wochen waren vergangen, doch noch immer herrschte Trübsal auf der Burg des Fürsten von Shikoku. Die Leute im Dorf fingen bereits an sich Sorgen zu machen, da sie Fürst Chosokabe schon so lange nicht mehr gesehen hatten. Katsuragi verstand sie nur allzu gut, doch er wusste um die persönliche Lage des Fürsten. Tagelang, war es kritisch gewesen und seit Wochen stagnierte sein Zustand. Er konnte sich noch sehr genau an diesen schicksalhaften Tag vor zwei Monaten erinnern...   Rückblick... Völlig außer Atem und mit schmerzenden Gliedmaßen erreichte Katsuragi mit Motochika das Burginnere. Als Kisho sie entdeckte, wirkte für eine Sekunde geschockt, zögerte dann jedoch keinen Augenblick und zerrte sie in das Zelt. Katsuragis Harnisch war bereits mit Blut verschmiert und das Haar des Fürsten klebte schon fast an und in der Wunde. Kisho nahm ein Leintuch, dass er hastig in einen Eimer Wasser tauchte, während Katsuragi den Fürsten auf einem aus Heuballen und einem Leinentuch abgedeckten Lager legte. Kisho neigte eilig den Kopf des Fürsten nach links und wusch das Blut aus dem Gesicht. Ein Blick genügte und beiden Männern war klar, dass Kisho nichts mehr tun konnte. „Das Auge ist nicht mehr zu retten. Wir können nur noch versuchen, ihm das Leben zu retten. Er kann von Glück reden, dass er bewusstlos ist.“, sagte Kisho und schnappte sich die Flasche Arrak aus seinem Korb. Ohne lange nachzudenken goss er den scheußlich stark riechenden Alkohol in die Wunde und spülte sie aus. „Was machst du da?“, fragte Katsuragi, dem der Geruch unangenehm in die Nase stieg. „Ich reinige die Wunde.“ „Mit diesem Zeug?“ „Natürlich oder hast du eine bessere Idee?“ Katsuragi schüttelte den Kopf, während Kisho noch einmal einen Schwall Wasser, dann noch einmal Arrak und noch einmal Wasser über die Wunde goss. „Na also. Immerhin hat das auch bei diesem Nobuchika geholfen. Diese Europäer sind gar nicht so dumm, zumindest wenn es um Medizin geht. Sie sagen, dass der Alkohol sämtliche Keime oder so abtötet, die sonst in die Wunde kämen und dafür sorgen, dass man an Wundbrand stirbt. Offenbar funktioniert es.“, erklärte Kisho. Dann wickelte er ein sauberes, trockenes Leintuch zu einem kleinen Knäuel zusammen, dass er mit einem gelben Sud tränkte. „Und was ist das? Noch so ein komisches Zeug?“, fragte Katsuragi. „Das ist Kamillensud. Hab ich auch von den Europäern gelernt. Prinzipiell hat es dieselbe Wirkung, aber der Alkohol ist um Längen besser. Gib mir mal die Leinrolle aus dem Korb und dann halte seinen Kopf hoch.“ Katsuragi gehorchte und sah zu, wie Kisho die gelb verfärbte feuchte Leinkugel in die leere Höhle legte und dann einen Verband darum wickelte. „Lass ihn hier liegen. Wenn das gröbste erledigt ist, dann bringen wir ihn in die Burg und ich schaue mir nochmal die Wunde an. Wir müssen es jetzt ständig beobachten und wechseln.“, sagte Kisho und erhob sich. Katsuragi nickte, den Kopf gesenkt und den Blick auf den Fürsten gerichtet. Diese kleine Bewegung wirkte auf Kisho wenig zuversichtlich. Er legte eine Hand auf Katsuragis Schulter, der ihn ansah, bemüht seine Verzweiflung und die Angst zu verbergen. „Katsu... Er schafft das. Ich lasse unseren Fürsten nicht sterben!“ Der junge General mit dem rabenschwarzen langen Haaren, die sich aus seinem Zopf lösten sah seufzend aber etwas zuversichtlicher auf den bewusstlosen Fürsten herab. „Ich hoffe, du hast Recht...“ Rückblick Ende...   Kisho hatte letztlich Recht behalten, auch wenn es zeitweise kritisch gewesen war, so hatte der Fürst diese Verletzung überlebt. Als die Wunde verheilt gewesen war, hätte er eigentlich anfangen sollen, sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Schließlich musste er sich jetzt daran gewöhnen nur auf der rechten Seite zu sehen. Doch seitdem hatte sich Chosokabe zurückgezogen. Er sprach kein Wort, aß wenig und wollte niemanden sehen. Selbst Katsuragi hatte jeden Tag aufs Neue alle Mühe, ihn zum Essen und Trinken zu bewegen. Es gelang ihm zwar, aber es dauerte immer sehr lange. Jeden Tag, wenn er bei ihm war, erzählte Katsuragi ihm von allem, was auf der Burg und im Dorf geschah. Jetzt war das alles bereits zwei Monate her und der Fürst war noch immer so apathisch. Katsuragi verlor immer mehr den Mut und es machte ihn auch traurig. Er wusste, was diese Apathie auslöste. Es war nicht der Verlust des linken Auges sondern der Verlust seines geliebten Nobuchika, dessen wahre Identität Mori Motonari war. Fürst Mori Motonari, wie er jetzt genannt wurde. Denn Okimoto hatte man nach der gewonnenen Schlacht auf einer Lichtung am Waldrand entdeckt. Offenbar hatte es einen so heftigen Streit zwischen den Brüdern gegeben, dass es Okimoto im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf gekostet hatte. Doch dies hatte nicht zur Einsicht des neuen jungen Fürsten von Aki geführt. Im Gegenteil, er hatte die Insel verlassen und seither keinen einzigen Boten geschickt. Weder für Verhandlungen noch um eine Entschuldigung oder sonst irgendwelche Worte an Chosokabe zu überbringen. Katsuragi seufzte. Wenn er, wie die letzten Tage schon, über all das nachdachte, war es an der Zeit, endlich ernsthaft mit Chosokabe zu reden, statt immer nur über das allgemeine Geschehen in und um die Burg. Er klopfte leise an die Shoji und trat dann ein. Daran, dass keine Antwort kam, hatte er sich bereits gewöhnt und klopfte nur noch, damit Chosokabe wusste, dass er kam. Außer ihm und anfänglich noch Kisho kam niemand. Katsuragi hatte dies so angeordnet, denn anfänglich hatte der Fürst nicht einmal ihn sehen wollen und er wollte ihn nicht noch zusätzlich nerven, wenn ständig Diener um ihn herumwuselten. Chosokabe saß an die Shoji zur Terrasse gelehnt, sah jedoch nicht nach draußen. Katsuragi hingegen wagte den Blick auf den Garten. Das Gras wuchs zwischen den hellen Kieselsteinen hindurch, auf dem ungestutzten Rasen lagen bereits verwelkte Blätter und Blüten. Seit fast zwei Monaten wurde der kleine Garten nicht mehr gepflegt. Katsuragi schüttelte den Kopf. Wenn es in ihm genauso aussieht, wie in seinem Garten, dann ist hoffentlich noch nicht alles verloren... Er trat still an seine Seite und ließ sich ihm gegenüber nieder. „Aniki... Wir müssen unbedingt reden, bitte. Es kann so nicht weitergehen...“, sagte Katsuragi nach einer Weile. Doch der Fürst reagierte nicht. Er sah ihn nicht einmal an, stattdessen schaute er nun in den Garten. Katsuragi seufzte enttäuscht und betrachtete ihn dann einen Moment. Dann stand er auf und holte aus einer kleinen Kommode eine Haarbürste. Das Haar des Fürsten war zerzaust und Katsuragi mochte es nicht mehr sehen, wie er sich gehen ließ. Er kniete sich hinter Chosokabe und begann, ohne zu fragen, vorsichtig die hellen Haare zu kämmen. „Du kannst dich nicht so gehen lassen, Aniki...“, sagte er leise. Er entlockte dem Fürsten damit lediglich ein hörbares Ausatmen, was ihn jedoch endlich hoffen ließ, denn bisher hatte er überhaupt keine Reaktion erhalten. „Aniki... Was passiert ist, ist... schlimm genug. Ich weiß genau, wie sehr es dich schmerzt, aber mir tut das auch weh, wenn du dich so gehen lässt. Wenn ich dich jeden Tag dazu zwingen muss, zu essen, zu trinken... zu leben...“ Chosokabe senkte den Kopf. Eine weitere Reaktion, die bisher nicht vorgekommen war. „Auch wenn du dich so hängen lässt und es mir schwer fällt immer weiter zu machen... Ich werde nicht aufhören, jeden Tag zu dir zu kommen und dir alles zu erzählen und dich dazu zu bringen, zu essen und zu trinken. Wir sind schon seit Kindertagen gute Freunde, egal ob du Fürst bist oder nicht... Nie hat einer von uns den anderen hängen lassen.“ Katsuragi ließ die Bürste sinken. Es fiel ihm schwer, über seine Gefühle zu reden, die er die ganzen letzten Wochen mit keinem Wort erwähnt hatte. Er hatte trotz seiner Sorgen immer wieder den Alltag auf der Burg und im Dorf wiedergegeben, ohne den Fürsten mit seinen Gefühlen und Gedanken zu belasten. Doch es war kein Platz mehr für weitere Sorgen. Er musste endlich mit ihm darüber reden, statt es weiter totzuschweigen. Offenbar war es auch für Chosokabe an der Zeit, andere Worte zu hören. Er neigte den Kopf in die Richtung seines Freundes. Katsuragi hingegen war es inzwischen völlig egal, ob das, was er gleich tun würde, angebracht war oder nicht. Er legte die Arme um Chosokabes Schultern herum über dessen Brust und lehnte sich sanft an ihn. „Ich ertrage es nicht länger, dich so leiden zu sehen... Und ich ertrage dein Schweigen nicht länger... Bitte...“ Chosokabe seufzte und es war das erste Mal seit dem Ende der Schlacht, dass Katsuragi seine Stimme wieder hörte. Sie klang ein wenig heiser, aber das war ihm egal. Er schloss seine Arme ein wenig fester um ihn. „Hast du mir wieder den Jasmintee mitgebracht?“, fragte Chosokabe heiser. Katsuragi spürte, wie ihm brennende Tränen in die Augen stiegen. „Nein...“, schluchzte er. „Aber ich kann welchen bringen lassen.“ Chosokabe rührte sich endlich. Seine Hand legte sich kühl auf Katsuragis Arm und brachte ihn dazu, sich neben ihn zu setzen. Dann wischte er ihm die Tränen aus dem Gesicht. „Dann lass mir Papier, Pinsel und Tinte mitbringen.“ Katsuragi nickte, erhob sich und bat einen Diener, all das zu bringen. Dann setzte er sich sofort wieder zu Chosokabe, der ihm erneut die Tränen aus dem Gesicht wischte. „Warum weinst du?“, fragte er. „Weil ich wochenlang darauf gewartet habe... Ich bin wirklich erleichtert, dass du endlich mit mir sprichst...“ Chosokabe warf einen weiteren Blick in den Garten. „Weißt du... Es tut weh. Du bist der einzige der jeden Tag zu mir kommt und ich bin froh, dass du das machst. Und ich bin froh, dass du nicht ständig fragst, wie es mir geht und mit mich mitleidig betrachtest. Ich hatte befürchtet, dass so etwas passiert und das hätte ich absolut nicht ertragen. Aber... vielleicht hast du ja genau deshalb alle anderen von mir abgeschottet. Du hast gewusst, dass sie mich wohl mitleidig ansehen würden.“ Katsuragi brachte ein Lachen zustande. „Ja... so etwas habe ich schon geahnt. Vor allem aber war mir klar, dass du sowieso niemanden sehen wolltest also habe ich dem vorgebeugt. Aber du wirst nicht darum herumkommen, Aniki. Sobald du dich wieder den Leuten zeigst, werden sie dich mitleidig ansehen.“ „Ich will das nicht. Ich leide schon genug, findest du nicht? Da brauch ich nicht noch das Mitleid anderer...“ Katsuragi senkte den Blick, doch Chosokabe hob seinen Kopf am Kinn wieder in Blickhöhe. „Dich meine ich damit nicht. Bei dir war es kein Mitleid mit mir. Du hast doch eben selbst gesagt, du hast unter meinem Schweigen gelitten. Ich verspreche dir, das ist jetzt wieder vorbei...“ „Ich hoffe doch. Weißt du wie schwer es inzwischen geworden ist, immer zu dir zu kommen und jeden Tag mit Gleichgültigkeit gestraft zu werden?“ „Gestraft? Das wollte ich nicht...“ Es klopfte leise und Katsuragi stand auf um den Tee sowie das Schreibzeug entgegen zu nehmen. Beides stellte er zwischen sich und Chosokabe ab. „Ich weiß, dass du es nicht wolltest.“ „Du bist wohl der einzige, der mich versteht... Es wird schwer werden, ihn loszulassen...“ „Das wird es wohl, aber...“ Chosokabe sah ihn fragend an. „Aber? Willst du mir etwas sagen?“ Wie gerne würde ich das... „Ich bezweifle, dass es angebracht ist. Du wolltest etwas schreiben?“, wich Katsuragi aus. „Ja, ich wollte einen Brief schreiben... An Motonari. Ich konnte ihm nicht alles sagen, was ich wollte... Aber du wolltest etwas sagen, oder täusche ich mich?“, sagte Chosokabe. „Es ist nicht angebracht... Du solltest den Brief schreiben und deinen Tee trinken...“ Der Fürst legte eine Hand an Katsuragis Wange. „Katsu... es ist mir egal, ob es angebracht wäre oder nicht... Sag schon, was du sagen wolltest.“ „Bitte... Ich bin froh, dass du wieder mit mir sprichst, aber bitte tu das nicht.“, sagte Katsuragi und schob seine Hand weg. „Verlang das nicht von mir...“, fügte er bittend hinzu, als er den fordernden Blick sah. „Ich möchte es wissen. Sag es mir oder muss ich es dir befehlen?“ „Das kannst du nicht...“ „Oh doch. Sag mir jetzt, was du sagen wolltest. Zwischen uns gibt es nichts, was unangebracht wäre, schließlich kennen wir uns seit wir Kinder sind.“, forderte Chosokabe und seit Wochen war endlich wieder Nachdruck in seiner Stimme zu hören. Katsuragi seufzte ergeben. Aus dieser Nummer würde er nicht mehr herauskommen, also konnte er ihm auch sagen, was er fühlte. „Weißt du... mit Nobuchika... Motonari... ist es mir erst wirklich klar geworden...“, begann er. „Und was?“ „Es war auch schon vorher so, aber... egal wie sehr du ihn noch liebst, wie oft du an ihn denkst und den letzten Monaten nachtrauerst... es... ändert nichts an meinen Gefühlen...“, sagte Katsuragi und wurde immer leiser. „Katsu... Willst du mir gerade sagen, dass...-“ „Ich dich liebe... Ja... So wie du Nobuchika liebst. Ich weiß, dass du es immer noch tust, aber ich will es auch gar nicht ändern. Ich möchte nicht, dass du dich verbiegst, nur weil du es jetzt weißt...“ „Du... sagst mir sowas und es ist dir egal, dass ich einen anderen liebe?“, fragte Chosokabe leicht verwirrt. „Ja, weil ich nicht erwarte, dass es uns zusammen führt. Solange dein Herz an Motonari hängt, wird das nicht passieren und ich verlange das auch gar nicht. Selbst wenn du ihn liebst und trotzdem zu mir kommst...“, sagte Katsuragi und stand auf. „W-Wo willst du denn jetzt hin?“ „Ich brauche frische Luft... Schreib deinen Brief an Motonari und vergiss den Tee nicht... sonst schmeckt er nicht mehr...“, erwiderte Katsuragi und verließ das Zimmer. „Ja aber du kannst doch jetzt nicht einfach gehen...“, widersprach Chosokabe. „Ich muss... Ich hab außerdem Kisho versprochen, ihn zu informieren, wenn sich etwas an deinem Zustand ändert. Er macht sich nämlich auch Sorgen um dich.“, sagte Katsuragi und ging. Chosokabe saß da und starrte auf die geschlossenen Shoji. Er ist wirklich der beste Freund, den ich haben kann... Ich kann es fast nicht glauben, dass es ihm egal wäre, wenn ich zu ihm käme aber niemals ihn sähe, sondern immer nur Motonari...   Katsuragi hastete den Gang hinunter und blieb am Ende des Gangs stehen. Erst jetzt ließ er es zu, dass wieder glühend heiße Tränen über seine Wangen rannen. Er hatte gesagt, dass es ihm egal sei, wenn Chosokabe zwar bei ihm wäre aber nur an Motonari denken würde. Aber wie lange er es aushalten konnte, das wusste er nicht. Wenn es dazu kommen sollte... hoffe ich doch eigentlich nur darauf, dass er irgendwann für sich damit abschließt und sich doch mir zuwendet...   Chosokabe wartete noch einen Augenblick, doch Katsuragi kehrte nicht zurück. Noch verwirrt trank er den Tee und tauchte dann den Pinsel in die Tinte. Es war an der Zeit, dass er Motonari davon überzeugte, dass sie beide von Okimoto belogen wurden und alles, wie es passiert ist, wahr gewesen ist. Kein Schauspiel, weder von ihm noch von Motonari. Und er musste ihm noch einmal sagen, dass sich an seiner Liebe zu ihm, nichts ändern würde. Auch wenn Katsuragi ihm gerade seine Gefühle offenbart hatte, er würde Motonari trotzdem nicht weniger lieben, als vorher...   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)