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Shattered

Broken suddenly and violently into pieces
von

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Prolog

~~ + ~~ Prolog ~~ + ~~
 

Nur langsam löste sich die Dunkelheit von ihr. Nur langsam drangen die Geräusche der Umgebung an ihre Ohren. Rauschende Wellen, knisterndes Feuer, Stahlklirren und Stimmen, die aufgebracht durcheinander schrien. Namis Gedanken setzten sich nur schwerfällig in Bewegung. Was war passiert? Warum hatte sie das Bewusstsein verloren?
 

„Nami!“
 

„Lysop, hilf ihr!“
 

„Die Küche brennt! Löscht das Feuer! Löscht das Feuer!“
 

Nami griff sich an den Kopf und fühlte frisches Blut an ihrer Schläfe. Benommen wälzte sie sich auf die Seite, öffnete die Augen und sah die Thousand Sunny im Chaos versinken. Der Hauptmast war zerbrochen wie ein übergroßer Zweig und auf ihre geliebten Orangenbäume gestürzt. Pfeile, Speere, Kanonenkugeln und Schwerter steckten in den zersplitterten Planken des Decks. Die Flammen wüteten brüllend in Sanjis Küche. Und überall kämpften Namis Freunde gegen Trauben von Marines um ihr Überleben. Was war…?
 

„Wir sind angegriffen worden“, murmelte Nami, als sich die Erinnerung wie ein Schmerz durch ihren Schädel bohrte. Sie griff sich erneut an den Kopf, doch der Schmerz wurde nur stärker und ließ sie zusammenzucken. Sie war so müde. Am liebsten wäre sie liegengeblieben wo sie war. Ruffy und die Anderen würden das Kämpfen schon übernehmen… Diese Verrückten hatten schon schlimmere Situationen in den Griff bekommen.
 

„Feuer frei!“
 

„Für die Marine! Für Gerechtigkeit!“
 

„Robin! Achtung! Hinter dir!“
 

Eine Explosion brachte das Schiff zum Beben und trieb Nami eine Welle aus heißer Luft ins Gesicht. Gleichzeitig schloss sich eine Hand um ihren Arm und zerrte sie grob auf die Beine. „Lauf, Nami“, brüllte Lysops Stimme ihr ins Ohr. „Was denkst du dir dabei einfach auf dem Schlachtfeld ein Nickerchen einzulegen…?“
 

„Mein… Kopf… Ich…“
 

Lysop stieß sie hinter ein paar Fässer in Deckung und folgte ihr, während er aus einer seiner zahllosen Taschen bereits ein paar Verbandsrollen hervorkramte. Seine Hände zitterten sichtbar. Nami fühlte sich noch immer benommen, doch dieses kleine Detail ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen.
 

„Es sieht nicht gut aus, Nami…“, flüsterte Lysop und zog dabei geräuschvoll die Nase hoch. Wieder warf eine schwere Erschütterung das Schiff hin und her. Dann folgte ein wütender Schrei, der Nami die Haare zu Berge stehen ließ. Sie wehrte Lysops pflegende Hände ungeduldig ab und blickte vorsichtig über den Rand der Fässer hinweg.
 

Ruffy stand mit dem Rücken zur Reling, eingekreist von Commandore Smoker und etwa einem Dutzend ähnlich hochrangiger Marines. Zorro, Sanji, Chopper, Franky, Robin, Brook… Sie alle waren in verschiedenen Abschnitten des Schiffes mit dem gleichen Problem beschäftigt. Enterhaken hingen kreuz und quer in der Thousand Sunny wie ein übergroßes Spinnennetz.
 

„Nami, duck dich verdammt nochmal!“, zischte Lysop panisch. Doch Nami konnte sich nicht bewegen. Ihr ganzer Körper fühlte sich taub an. Sie konnte nur Ruffy anstarren, der energisch die gegen ihn gerichteten Waffen aus Seestein abwehrte, der Schläge und Tritte in alle Richtungen verteilte und dabei trotzdem immer noch Zeit fand sich nach seiner Crew umzusehen. Schließlich bemerkte er auch sie.
 

Als sich ihre Blicke trafen, grinste er sein dummes Grinsen. Jegliche Benommenheit, jegliche Verwirrung, jegliche Ruhe fiel in diesem Moment von ihr ab und machte Platz für die nackte Angst, die sich schon die ganze Zeit in ihr Herz zu krallen versuchte. Mit grausamer Gewissheit wusste sie bereits was geschehen würde, noch bevor Smoker wie in Zeitlupe mit seinem gegabelten Speer ausholte. Für einen Moment schien die ganze Welt für sie stehen zu bleiben…
 

„Ruffy!“
 

Der Speer stieß ihrem Kapitän mit brutaler Gewalt ins Gesicht, brachte ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn nach hinten kippen. Nami sah noch Ruffys verdutzt aufgerissene Augen, bevor er den Halt verlor und über Bord ging. „Ruffy!“ Lysop versuchte sie am Ärmel wieder in Deckung zu zerren, während Kugeln und Pfeile um ihren Kopf zischten, doch sie war wie von Sinnen.
 

Und als Ruffys Körper auf dem Wasser des Meeres aufschlug und von den Fluten verschluckt wurde, entfuhr ihrer Kehle ein unmenschlicher Schrei aus Angst und Verzweiflung.
 

„RUFFY!“
 

Das Leben, wie sie es kannte, brach in diesem Augenblick für immer zusammen.

1. Scherbe [Nami] - Mourning

~~ + ~~ 1. Scherbe [Nami] - Mourning ~~ + ~~
 

Mourning: "the experience or expression of deep sorrow for someone who has died"
 

~~ + ~~
 

“Ruffy! Ruffy!”
 

“Nami, Stopp!”
 

“Ruffy!”
 

“Haltet sie fest, bevor sie über die Reling springt! Haltet sie fest!“
 

„Lasst mich los! Ich muss zu Ruffy! Wir müssen ihm doch helfen!“
 

„Zorro und Sanji tauchen schon! Aber du bist verletzt, Nami. Du bringst dich nur selbst in Gefahr!“
 

„Ruffy!“
 

„Das hat keinen Sinn. Sie steht unter Schock. Lysop, Robin, haltet sie fest, ich gebe ihr was zur Beruhigung, sonst kann ich ihren Kopf nicht behandeln.“
 

„Lasst mich los verdammt! Ruffy!“
 

~ + ~ Arbana, Hauptstadt von Alabasta ~ + ~
 

Nami stand schweigend auf der niedrigen Sanddüne unweit der Stadtmauern. Vor ihr steckte ein einfaches Holzkreuz in der Erde, die einzige Erinnerung an ihren Kapitän und ein besseres Leben. Selbst jetzt, nach über zwei Jahren, fiel es ihr jedes Mal schwer zu glauben, dass Ruffy tatsächlich von ihnen gegangen war.
 

Wie konnte es nur so weit kommen?
 

Es war nur ein einfacher Angriff der Marine gewesen, so wie sie schon tausende zuvor überstanden hatten. Um genau zu sein hatten sie schon so viele Gefahren überlebt, dass Nami gedacht hatte ihre Crew wäre unbesiegbar und würde bis ans Ende aller Zeiten auf der Grandline segeln und Abenteuer bestehen können… Eine einzelne Träne rann ihr die Wange hinunter. Bevor sie sie wegwischen konnte, hatte die unbarmherzige Sonne Alabastas sie bereits verdunsten lassen.
 

Wie konnte ich mich nur so täuschen lassen?
 

Nami fühlte sich, als hätte Ruffy einen Teil von ihr mitgenommen und nur eine schwere Leere in ihrer Brust zurückgelassen. Er war tot. Ins Meer gestürzt und nie wieder aufgetaucht. Nachdem sie Smoker und sein Gefolge vertrieben hatten, waren sie stundenlang getaucht, waren tagelang von einer naheliegenden Insel zur nächsten gereist, hatten Wochen und Monate damit verbracht ihren Kapitän zu suchen. Doch Ruffy war nie wieder aus dem Meer aufgetaucht… Trotzdem gab es Tage, an denen sie auf das hölzerne Kreuz vor ihr starrte und nicht glauben konnte, dass er von ihnen gegangen war…
 

Nami kniete sich in den heißen Sand und goss aus einem Tonkrug Wasser auf die Erde. Es war Alabastas Art die Toten zu ehren, denn Blumen verwelkten unter der brennenden Sonne innerhalb von Minuten. Manchmal wünschte sich Nami, sie könnte etwas Passenderes finden um Ruffy zu gedenken. Doch eigentlich gab es nichts, was ihrem Schmerz auch nur annähernd Ausdruck verleihen könnte…
 

Wieso nur musstest du sterben?
 

Nami erhob sich, das glitzernde Salz von Tränen auf den Wangen, und stapfte langsam den Hügel hinab zum Osttor von Arbana. Das Treiben der Stadt verschluckte sie, sobald sie die Treppen hinaufgestiegen war. Händler brüllten durcheinander, Karren wurden durch die Straßen gezerrt, der exotische Duft von Gewürzen und Parfüm füllte Namis Nase. Der Lärm machte sie ganz benommen und schien die Leere in ihrem Inneren nur noch mehr zu betonen. Unbewusst beschleunigte sie ihre Schritte, um dem Gewusel der Stadt so schnell wie möglich zu entkommen. Eigentlich hasste sie Arbana, doch nach Ruffys Tod und dem Bruch der Strohhutbande hatte Vivi ihnen in ihrem Land Asyl geboten um sie vor der Marine zu schützen.
 

Ein paar Wachen und Diener grüßten sie, als sie den Palast betrat und durch die prächtigen Flure und Hallen zu ihren Gemächern ging. Vivi hatte ihre Räume im Gästeflügel hergerichtet, in denen sie seitdem lebte. Sie verdiente sich sogar etwas Geld als königliche Landschaftsvermesserin. Nami war dankbar dafür eine so gute Freundin zu haben…
 

Als sie das mit wertvollen Teppichen und farbenprächtigen Sofas geschmückte Wohnzimmer betrat, wurde sie von einem lächelnden Chopper erwartet. Der kleine Elch saß an einem niedrigen Tisch und stellte aus Kräutern seine heilenden Pasten her. Auch er hatte unter Vivis Obhut einen Platz im Palast gefunden und war inzwischen der hochangesehene Leibarzt der königlichen Familie.
 

„Hallo Chopper“, grüßte Nami müde, bevor sie sich in eine Couch fallen ließ.
 

„Hallo“, erwiderte der Heiler. Er hatte in seiner Konzentration die Zunge zwischen die Lippen geklemmt und zerstieß ein paar getrocknete Blätter in einer Mörserschale. Als er ihren Gesichtsausdruck sah, ließ er seine Werkzeuge liegen und musterte sie besorgt. „Warst du wieder bei Ruffy?“
 

„Ja…“
 

„Wie geht es dir?“, erkundigte er sich unsicher. „Sicher hast du Hunger. Sanji hat ein paar Fleischpasteten gebacken und in dein Zimmer gebracht.“ Sanji war der dritte und letzte ihrer alten Crew, der sich noch in Alabasta befand. Er hatte die Position als Chefkoch angenommen und schien mit seiner Aufgabe mehr als zufrieden zu sein… Nami bedankte sich bei Chopper, griff nach dem erstbesten Buch, das ihr in die Hände fiel, und versuchte vergeblich sich darin zu verlieren. Nach ihren Besuchen an Ruffys Grab fühlte sie sich immer zu niedergeschlagen um irgendetwas Sinnvolles zu tun…
 

„Soll ich dir einen Tee machen?“, fragte Chopper, die runden Knopfaugen besorgt auf sie gerichtet. Nami schüttelte den Kopf. Sie versuchte nicht zu geschafft auszusehen, doch der Elch kannte sie zu gut und wusste, wie sehr die Erinnerungen an Ruffy sie von innen auffraßen. Ihm ging es sicher nicht anders. Keiner von ihnen hatte diesen verhängnisvollen Tag bisher vollkommen überwinden können… „Ich habe dir ein paar von den Badeölen gemacht, die du so gern hast…“
 

„Du bist süß, Chopper…“ Nami legte das Buch weg. Ein Kloß steckte in ihrem Hals. Plötzlich musste sie gegen Tränen ankämpfen, die sich in ihren Augen zu sammeln drohten. Erinnerungen von Ruffy spukten in ihrem Kopf und je mehr sie versuchte sie zu verdrängen, desto mehr schienen sie auf sie eindrängen zu wollen.
 

Sie war dankbar für die Ablenkung, als sich die Tür öffnete und Vivi und Sanji eintraten. Vivi war in traumhafte Roben aus weißblauem Stoff gekleidet, Sanji trug eine mehlbestäubte Schürze über seinem üblichen schwarzen Anzug. Beide strahlten bis über beide Ohren. „Du kommst nie darauf, wer hier ist, Nami-Mausi!“
 

Ruffy, schoss es ihr sofort durch den Kopf, doch sie verwarf den lächerlichen Gedanken schnell um ihren Freunden nichts von ihrer Trauer zeigen zu müssen. Sanji trat einen Schritt zur Seite und eine schwarzhaarige Schönheit und ein junges Mädchen kamen ins Zimmer. Im ersten Moment erkannte Nami sie nicht, doch dann sah sie kleine Flügel auf den Schultern der Besucher und verstand.
 

„Laki! Und Aisa!“ Freude übermalte für einen Moment die Leere in Namis Herzen, als sie vom Sofa aufsprang und beiden Mädchen um den Hals fiel. Ihre beiden Freunde aus Skypia, die zusammen mit ihnen gegen den grausamen Enel gekämpft hatten, waren ein willkommenes Stück aus den alten Tagen. „Was macht ihr denn hier?“
 

Laki löste sich anmutig aus dem Griff Namis, während sich Aisa noch ein wenig knuddeln ließ und dabei herzlich lachte. „Wir betreiben seit einiger Zeit Handel mit den Bewohnern von Sky-Island“, erklärte Vivi. „Es gibt viele Dinge im Himmel, die wir nicht kennen, und dafür gibt es dort viele Sachen nicht, die wir hier haben…“
 

„Ich habe eure Stimmen mit meinem Mantra gehört…“, sagte Aisa aufgeregt. „Schon als wir am Stadttor waren! Ich hatte so gehofft euch zu treffen!“
 

„Warum setzen wir uns nicht, ihr Lieben?“, schlug Sanji galant vor. „Ich hole ein paar Knabbereien, Chopper macht uns Tee und dann können wir in Ruhe reden.“ Der Koch verschwand sofort in Richtung Küche. Chopper nickte eifrig und machte sich wieder über seine Kräutersammlung her, während Nami ein paar Bücher von den Sofas wischte und Platz für die beiden Shandorianer machte. Vivi setzte sich daneben in einen kleinen Sessel und legte die mit Ringen und Armreifen geschmückten Hände in den Schoß. Schon eine Sekunde später schoss Sanji mit Tellern voller feinstem Gebäck durch die Tür und servierte alles mit großen Gesten.
 

„Wo sind denn die anderen?“, fragte Aisa, sobald auch Chopper wieder bei ihnen war. Sie sah sich um, als erwarte sie den Rest der Crew jeden Moment aus den Ecken springen zu kommen und bemerkte so nicht, wie die Stimmung im Raum umschlug. „Ich meine Zorro und Robin und…“ Laki schien eher zu ahnen was vor sich ging und stieß Aisa mit dem Ellenbogen in die Rippen.
 

„Au! Laki! Was soll das?“
 

„Rede nicht so unbedacht…“
 

„Aber ich wollte doch alle wiedersehen! Wo sind sie denn alle? Wo ist Ruffy?“
 

Nami zuckte zusammen und ließ die Teetasse aus ihrer Hand fallen. Das Porzellan landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Teppich und vergoss seinen Inhalt. Alle starrten wortlos auf die auslaufende Flüssigkeit, als wäre es ein seltsames Phänomen. „Es ist viel passiert, seit wir bei euch im Himmel waren“, sagte Sanji schließlich ruhig, während er eine Serviette zur Hand nahm und den Boden professionell aufwischte. Nami fühlte sich, als hätte sie Eis in ihrem Schädel. Allein der Name ihres Kapitäns reichte nach zwei Jahren noch aus um sie aus der Fassung zu bringen.
 

„Was ist denn passiert?“, fragte Aisa unwissend. „Aua! Laki, jetzt hör doch endlich auf!“
 

„Hör du auf!“
 

„Aber…“
 

„Schon gut, Laki, Aisa“, hörte sich Nami selber sagen. Ihre Stimme klang monoton und so gar nicht nach ihr. „Unsere Bande hat sich aufgelöst… Wir sind getrennte Wege gegangen… Und Ruffy… Ruffy ist gestorben…“
 

„Was? Aber…“, stammelte Aisa.
 

„Es war ein Angriff der Marine. Ruffy ist dabei ins Wasser gestürzt.“ Chopper wählte seine Worte bedacht und warf Nami dabei immer wieder flüchtige Blicke zu. Sie nickte ihm fast unmerklich zu. „Wir haben ewig gesucht, aber er ist auf den Grund des Meeres gesunken. Es war unmöglich ihn da wieder rauszuholen…“
 

„Vivi hat uns Unterschlupf gewährt“, fuhr Sanji fort und lächelte der Prinzessin des Landes dabei flüchtig zu. „Sie regiert hier und hat alle Kräfte aufgebracht um uns vor der Marine zu verstecken. Natürlich wissen fast alle, dass wir hier sind, doch unsere Kopfgelder sind nicht hoch genug um sich deswegen gegen ein ganzes Land zu stellen…“
 

„Vivi hat sogar eine Grabstätte für Ruffy gefunden. Natürlich muss es anonym und inoffiziell bleiben, denn es wäre ein schweres Vergehen einem Piraten zu gedenken…“
 

„Ruffy… tot? Das ist unmöglich…“, flüsterte Aisa. Laki trat ihr diesmal kräftig auf den Fuß. „Jetzt halt endlich den Mund und denke nach, bevor du redest!“ An die Ex-Strohhüte gewandt meinte sie ernst: „Mein Beileid für euren Verlust.“
 

„Danke.“
 

„Vielen Dank.“
 

„Er ist nicht tot!“, rief Aisa aufgebracht.
 

Namis Sicht fing an zu verschwimmen. Waren es Tränen? Ihr Kopf schmerzte, so wie häufig seit der schweren Verletzung, die sie bei ihrem letzten Gefecht gegen die Marine davongetragen hatte. Chopper, Sanji und Vivi warfen ihr besorgte Blicke zu. Sie wollte sie beruhigen, doch ihre Kehle war wie zugeschnürt.
 

„Aisa, jetzt benimm dich. Siehst du nicht, dass du sie aufregst?“, fluchte Laki.
 

„Ruffy kann unmöglich tot sein!“
 

„Aisa, bitte…“
 

Nami fing an zu weinen. Sie fluchte und vergrub das Gesicht in den Händen um die Tränen zu verstecken, doch schwere Schluchzer pressten sich zwischen ihren bebenden Lippen hervor. Um sie herum wurden die Stimmen immer lauter. Sanji saß plötzlich an ihrer Seite und drückte ihr einen frischen Tee in die Hand, von dessen Aroma ihr ganz schwindlig wurde. Aisa schrie immer mehr, um die auf sie einredenden Stimmen zu übertönen. „Nein, das kann nicht sein! Ruffy kann nicht tot sein!“
 

Bitte… Bitte… Ich kann nicht mehr…
 

„Aisa, genug!“
 

„Ihr versteht einfach nicht! Er kann nicht tot sein!“, beharrte das Mädchen aus Skypia wütend. „Ich höre seine Stimme doch ganz deutlich! Mein Mantra lügt nie! Ich erkenne jede Stimme wieder und seine ist irgendwo hier in Alabasta!“

2. Scherbe [Sanji] - Denial

Denial: “a condition in which someone will not admit that something sad, painful, etc., is true or real”
 

~~ + ~~
 

„Sanji! Beruhige dich!“
 

„Wie zum Teufel soll ich mich beruhigen, Lysop? Habt ihr nicht gehört, was dieser Schwertheini gesagt hat? Aufgeben? Die Suche einstellen? Verdammt, sobald wir aufhören, akzeptieren wir, dass Ruffy tot ist! Das kann nicht sein verdammter Ernst sein!“
 

„Sanji!“
 

„ Verdammte Scheiße, Zorro, ich sollte dir ordentlich in den Arsch treten!“
 

„Da Ruffy nicht mehr da ist, bin ich als Vize der neue Chef! Und ich sage, dass wir die Suche einstellen. Wir haben uns lange genug gequält und sollten den Tatsachen endlich ins Augen sehen!“
 

„Als ob ich jemals von dir Befehle entgegennehmen würde!“
 

~ + ~ Spiders Cafe, Wüste nahe Rainbase ~ + ~
 

Sanji stand vor einem rustikalen Holzhaus mitten in der Wüste und beobachtete nachdenklich, wie das Ladenschild träge im heißen Wind schaukelte. Eine grob gezimmerte Veranda umgab das Gebäude auf allen Seiten. Durch die geschlossenen Fenster drang der dumpfe Klang von Klaviermusik. „Das ist es also?“, fragte Sanji, während er an seiner Zigarette zog und den blauen Dunst in die flimmernde Wüstenluft pustete.
 

„Ja, von hier kommt seine Stimme!“, plapperte Aisa aufgeregt. Das Mädchen aus Skypia deutete wild auf die schräg in den Angeln hängende Tür des Cafes, während Laki ihr eine Hand auf die Schulter legte und sie so zur Ruhe mahnte. Sanji bemerkte, dass die Skypianerinnen besorgte Blicke über ihre Schultern warfen und Nami betrachteten. Chopper war bei ihr und half ihr vom Rücken der Expresskrabbe zu steigen, die sie zu diesem Ort gebracht hatte. Vivi hatte eine wichtige Versammlung mit ihrem Kronrat zu führen und konnte sie deswegen nicht begleiten, doch sie hatte es sich nicht nehmen lassen ihnen zumindest eine schnelle Reise zu garantieren. Auch Peruh, einer ihrer Leibwächter, war ihnen zur Seite gestellt worden.
 

„Danke, Peruh“, sagte Sanji und reichte ihm seine Hand. „Wir übernehmen von hier ab.“
 

„Ich warte draußen.“
 

„Und kannst du auf die Frauen achtgeben?“, bat Sanji. „Das ist einfach eine Sache, die nur unsere Crew etwas angeht. Auch wenn es verrückt ist, wir müssen einfach-“
 

„Ich verstehe“, erwiderte Peruh lächelnd. Er nahm sein Stirnband vom Kopf, fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und sah mehr denn je wie der Falke aus, zu dem ihm seine Kräfte bei Bedarf werden ließen. „Ich hoffe, ihr findet wonach ihr sucht. Königin Vivi war am Boden zerstört, als sie von Ruffys Tod hörte. Ich kann nur erahnen, wie schwer es für euch gewesen sein muss.“
 

Sanji nickte grimmig. Es hatte sie zerstört und in Stücke gerissen. Die Zeit hatte einige der Wunden vielleicht notdürftig zusammenflicken können, doch nichts würde alle Narben jemals heilen. Jeder versuchte auf seine Weise damit fertig zu werden, weinte, verfluchte das Schicksal, verdrängte, versuchte nach vorne zu sehen. An manchen Tagen hatte Sanji fast das Gefühl mit seinem Job als Chefkoch an Vivis Hof zufrieden sein zu können, doch dann sah er jedes Mal aufs Neue wie sehr Nami litt und dachte an seinen eigenen verlorenen Traum.
 

All Blue.
 

Unbewusst ballte Sanji die Hände zu Fäusten.
 

Ruffy, du Bastard! Warum musstest du dich nur töten lassen?
 

„Lasst uns das hier hinter uns bringen“, brummte Sanji endlich, bevor er seinen Zigarettenstummel unter dem Schuhabsatz zertrat und seine Krawatte zurechtrückte. Als er die Veranda betrat und die Tür zum Spider Cafe aufstieß, schlug ihm sofort eine heftige Wolke aus Alkohol, Rauch und Gewürzen entgegen. Eine Weile lang blieb er reglos an der Türschwelle stehen und scannte den Raum, nur um in ausschließlich fremde Gesichter zu blicken. „Zeitverschwendung“, fluchte er leise. „Wir müssen verrückt sein. Es ist zwei Jahre her. Wieso sollte Ruffy hier sein, mitten in Alabasta und einfach am Leben? Wir sind-“
 

„Setzen wir uns doch wenigstens kurz“, bat Nami wispernd. Chopper trat in seiner Gestalt, die einem Menschen am ähnlichsten war, an einen der freien Tische und warf seinen Beutel neben den Stuhl, auf den er sich setzte. Nami folgte ihm und ließ ihren Blick dabei immer wieder suchend durch den Raum schweifen. Sanji seufzte, steckte sich eine neue Zigarette an und gesellte sich zu ihnen. Sie waren wohl wirklich verrückt…
 

Ein junger Kellner brachte ihnen wortlos die Speisekarten und verzog sich sofort wieder. Erbärmlicher Service. Sanji schüttelte den Kopf, überflog flüchtig die überteuerten Gerichte und kam schnell zu dem Schluss, dass sich die kulinarische Kreativität des Koches in Grenzen hielt. Als der Kellner wieder zu ihnen kam, bestellte er nur einen Kaffee. Nami und Chopper hatten seine Reaktion gesehen und hielten sich deswegen still an einen Krug mit kalter Limonade.
 

Nami hörte nicht auf sich umzusehen wie ein aufgeschrecktes Reh. Sanji liebte seine Navigatorin, doch in Momenten wie diesem verspürte er manchmal den brennenden Wunsch sie zu schütteln, wachzurütteln und die alte Nami aus ihr herauszuholen.
 

Wach auf, Mädchen! Ruffy ist tot, er kommt nicht zurück! Erwartest du, dass er grinsend aus der Küche kommt und uns begrüßt als wäre nichts passiert?
 

Dass Sanji bei Aisas Offenbarung selbst für einen winzigen Moment Hoffnung geschöpft hatte, versperrte er hartnäckig in den dunkelsten Winkeln seines Bewusstseins. Er hatte diesen Kräften, die manche Mantra, manche Haki nannten eh nie ganz getraut. Wie sollte jemand eine für andere unsichtbare Stimme hören und bestimmen können?
 

„Nami, alles in Ordnung?“, murmelte Chopper besorgt.
 

Ihre Navigatorin hielt sich ihre Stirn und kniff die Augen zusammen. „Kopfschmerzen…“
 

Chopper kramte kurz in seinem Beutel, holte ein zusammengefaltetes Papierchen hervor und öffnete es vorsichtig. Das grüne Pulver, das er schon seit einer Weile immer parat hatte falls Namis zu sehr von ihren Schmerzen gequält wurde, kam zum Vorschein. Der Kellner kam und stellte ihre Getränke auf dem zerkratzten Holztisch ab. Chopper füllte ein Glas mit Limonade, schüttete das Pulver dazu und schob es Nami vor die Nase. „Hier.“
 

Doch Nami beachtete sie gar nicht.
 

Sie starrte mit weit aufgerissenen, ungläubigen Augen auf einen Punkt hinter Sanji. Der Koch hatte das Gefühl, ihm bliebe das Herz kurz stehen. Er riss seinen Kopf herum, erwartete tatsächlich für einen verfluchten Wimpernschlag Ruffy zu sehen und starrte stattdessen nur in das vernarbte Gesicht des Kellners und hinter ihm auf die Barfrau.
 

„Du…“, keuchte Nami.
 

Sanji brauchte mehrere Sekunden bis er sah was sie sah, denn die Barfrau trug ihre Haare in einem Zopf und hatte eine große Brille auf der Nase. Erst als Sanji ganz genau hinschaute, erkannte er, dass sie eine der Agentinnen war, die sie vor so langer Zeit bekämpft hatten, um Vivis Königreich vor Crocodiles Machenschaften zu retten. „Miss Doublefinger“, zischte Sanji und stand dabei so heftig auf, dass er seinen Stuhl umwarf. Die Frau, die Nami damals übel zugerichtet hatte, erkannte sie fast gleichzeitig. Ein Moment unerträglicher Anspannung hing in der Luft, nur durchzogen von der gedämpften Klaviermusik und dickem Zigarettenqualm. Dann warf Miss Doublefinger instinktiv ein Glas nach ihm. Sanji trat es mühelos zur Seite, doch dabei wäre ihm um ein Haar entgangen, dass seine Gegnerin ihren Arm bereits in eine riesige tödliche Nadel verwandelt hatte und damit bewaffnet über die Theke hüpfte und auf ihn losging.
 

„Verdammte Hexe!“, knurrte Sanji, während er nach dem Limokrug griff und ihn ihr seitlich gegen den Kopf schmetterte. Miss Doublefinger krachte in den nächsten Tisch. Tonscherben und sprudelnde Zitronenlimonade spritzten in alle Richtungen. Sanji nahm erschüttert war, dass er Nahrung verschwendet hatte, doch bevor ihn sein Gewissen weiter plagen konnte, war die ehemalige Baroque schon wieder auf den Beinen. „Verdammte Penner!“, fauchte sie.
 

„Du bist der Penner!“, schnauzte Sanji und entging knapp einem ihrer Nadelangriff, der daumenbreite Löcher ins Möbiliar stanzte. Chopper und Nami saßen da wie vom Donner gerührt. „Ihr könntet mir ruhig etwas helfen, Leute!“
 

„Sanji… Da ist…“, stotterte Chopper. „Da ist…“
 

„Miss Doublefinger, schon klar!“, brüllte Sanji angepisst.
 

„Nein… Da ist…“
 

Plötzlich wurde Sanji von den Füßen gerissen und mit einer Wucht gegen die Wand geschleudert, die ihm die Luft aus den Lungen presste. Der Qualm im Raum war so dicht, dass er nicht erkennen konnte wer oder was ihn angegriffen hatte, doch der Angriff war von einer Kraft gewesen, die unmöglich von Miss Doublefinger stammen konnte.
 

Warte. Qualm…? Scheiße…
 

Langsam löste sich der Rauch wieder auf, verdichtete und verknotete sich genau vor Sanji und nahm nach und nach menschliche Konturen an. Ein gerade noch nur aus grauem Nebel bestehender Arm hielt ihn an der Gurgel gepackt und gegen die Wand gepresst. „Smoker!“
 

„Strohhut-Ratte!“
 

Links und Rechts sahen die übrigen Gäste zu, dass sie sich aus dem Staub machten, bevor die Situation auch sie in Gefahr bringen konnte. Miss Doublefinger erhob sich bemüht würdevoll, klopfte sich Staub von den Klamotten und fischte ihre verbogene Brille unter einem umgekippten Stuhl hervor. „Toll. Vielen Dank auch, Smoker. Jedes Mal wenn du auftauchst vertreibst du die komplette Kundschaft.“
 

„Sah eher so aus, als ob ihr das ganz alleine hinbekommen hättet. Und fang nicht an frech zu werden, sonst mach ich den Laden sofort dicht und steck dich in den Knast“, brummte Smoker in einem Ton, der verriet, dass er diese Drohung schon ein paar Mal ausgesprochen hatte. „Nur weil die Marine die schützende Hand über euch hält, weil ihr als Spitzel arbeitet, dürft ihr euch nicht alles erlauben.“
 

„Spitzel?“, wiederholte Chopper leise.
 

Miss Doublefinger hob gleichgültig die Schultern. „Besser als Gefängnis.“
 

„Was zum Teufel willst du von uns, Smoker?“, brüllte Sanji außer sich. „Hat es dir nicht gereicht uns unseren Kapitän zu nehmen? Wenn du uns versuchst festzunehmen, gehe ich nicht ohne einen Kampf unter. Ich bring dich um!“
 

„Sanji…“, flüsterte Nami zitternd.
 

„Lieber verrecke ich als mich von diesem Sack einsperren zu lassen! Und jetzt lass mich los, damit wir kämpfen können, du Arsch! Mann gegen Mann! Oder bist du dazu zu feige? Kannst du die Leute nur vom Schiff schubsen und ersaufen lassen?“
 

„Sanji…“
 

Eine Weile lang starrten sich Beide einfach nur feindselig an. Etwas schien Smoker in Sanjis Blick zu suchen, doch was auch immer es war, er fand es nicht. Mit einem angewiderten Schnauben ließ er ihn plötzlich los und wandte sich ab. „Ich habe kein Interesse mit dir zu kämpfen. Selbst wenn ich wollte, ich dürfte es gar nicht. Eure Kopfgelder sind schon vor langer Zeit annulliert worden. Befehl von ganz oben.“
 

„Wie meinst du das?“, hakte Sanji misstrauisch nach.
 

Smoker musterte ihn kalt. „Wollt ihr sagen, das wisst ihr nicht? Glaubt ihr nicht, dass ihr sonst schon längst hinter Gittern sitzen würdet?“
 

„Vivi beschützt uns“, erwiderte Sanji mit einem besorgten Seitenblick auf Nami, die wie angefroren dastand und aschfahl im Gesicht war. Smoker lachte ihn für seine Worte gehässig aus. „Ein kleines Land wie Alabasta und eine unbedeutende Königin wie eure kleine Freundin könnten die Weltregierung und die Marine nicht davon abhalten euch zu holen…“
 

Sanji runzelte verwundert die Stirn. Als Smoker ihm einen Moment lang den Rücken zukehrte, nutzte er die Gelegenheit um sich schnell seine Krawatte zurechtzurücken, die der Marine ihm bei seinem Angriff fast vom Hals gerissen hatte. „Woher kommt dann die Annullierung?“
 

„Woher soll ich wissen, was in der verdammten Regierung vorgeht?“, knurrte Smoker heiser. Die Spitzen der zwei Zigarren, die zwischen seinen Lippen steckten, glommen auf als er wütend daran zog. „Ich bin nur ein beschissener Soldat, der tut was ihm gesagt wird.“
 

„Tu doch nicht so, Smoker“, schaltete sich Miss Doublefinger schmunzelnd ein. „Den Jungen hast du auch am Leben gelassen, obwohl du ihn heimlich töten solltest. Du bist so ein Softie.“
 

Smoker schlug ihr seinen Speer so schnell seitlich gegen die Schläfe, dass niemand wusste was passiert war bis sie schon am Boden lag. „Du solltest wissen, wann du besser den Mund hältst! Sonst buchte ich dich ein! Scheiß Piratenpack!“
 

„Ruffy…“, murmelte Nami leise. Sanji schloss gequält die Augen. Diese Begegnung riss alte Wunden wieder auf und würde die Navigatorin für die nächsten Wochen wahrscheinlich wie so oft in eine tiefe Depression stürzen. Er ging vorsichtig auf sie zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter, doch sie schien es gar nicht wahrzunehmen. Auch Chopper wirkte wie weggetreten.
 

„Ihr seid nicht zufällig hier“, bemerkte Smoker. Ein dunkles Lächeln erschien auf seinem Gesicht, während er seine Waffe in die Schlaufen an seinem Rücken schob und Richtung Tür marschierte. „Nehmt den Jungen mit. Ohne sein Gedächtnis stellt er keine Bedrohung mehr da. Außerdem schuldete ich ihm was für Alabasta.“
 

Und erst jetzt begriff Sanji.
 

Nami und Chopper waren nicht wegen Smoker so schockiert.
 

Sanji… Da ist…
 

Der Kellner, der sie bedient hatte.
 

Ruffy!

3. Scherbe [Robin] - Gilded Cage

Dieses Update habe ich bereits mit besonderer Spannung erwartet und hoffe daher, dass es euch auch so gut gefällt. Zwei meiner Lieblingsfiguren haben ihren ersten Auftritt, dazu kommt etwas mehr Licht ins Dunkel der Geschichte. Ich möchte mich außerdem bei allen Lesern bedanken, die Freude an der Geschichte haben und mir mit ihren Nachrichten Zuspruch zukommen lassen. Wenn ihr Shattered gern lest, würde ich mich über weiteres Feedback sehr freuen, also ran an die Tastaturen und favorisieren, kommentieren und kritisieren!
 

~~ + ~~ 3. Scherbe [Robin] – Gilded Cage ~~ + ~~
 

Gilded Cage: “to live in luxury but without freedom“
 

~~ + ~~
 

„Robin? Bist du wach?“
 

„Ja…“
 

„Ich muss gehen, Robin… Ich habe es lange genug vor mir hergeschoben, aber jetzt muss ich wirklich gehen…“
 

„Zorro, ich…“
 

„Pssst! Weck nicht die Anderen auf. Sie würden es nicht verstehen. Vielleicht wirst du es auch nicht verstehen. Aber ich muss gehen und ich muss etwas tun… Robin, es ist meine Pflicht als Vize…“
 

„Zorro… Warum klingst du so entsetzlich traurig?“
 

~ + ~ Insel Marine Ford, Marinehauptquartier ~ + ~
 

Die Empfangshalle des Marinehauptquartiers befand sich in heller Aufregung. Überall rannten Soldaten in ihren weißblauen Uniformen hin und her, während die Ranghöchsten ihnen wild gestikulierend Befehle zubrüllten. Ein dicker roter Teppich wurde hektisch vom Eingangstor aus über die dunklen Holzdielen ausgerollt. Links und rechts davon nahmen die ersten Soldaten Haltung an. Jüngere Marines, die sich noch in der Ausbildung befanden und aussahen als hätten sie noch keinen echten Kampf in ihrem Leben erlebt, wurden dazu verdonnert den Boden zu schrubben, die Wände zu putzen und jedes noch so kleine Staubkorn von wertvollen Gemälden zu wischen. Alles musste perfekt sein, wenn hoher Besuch in Marine Ford eintraf.
 

Nico Robin beobachtete das Treiben mit einem leichten Schmunzeln. Für das ungeübte Auge mochte das Durcheinander wie Chaos aussehen, doch sie befand sich lange genug auf der Basis um die aufeinander abgestimmten und strukturierten Abläufe zu begreifen. Marine Ford war ein perfekt funktionierendes Getriebe und jeder hatte darin seine Aufgabe.
 

Wäre sie nicht eine Gefangene auf dieser Insel, hätte sie den Anblick fast genießen können…
 

Robin selbst stand am Geländer des Balkonganges, der sich in luftigen Höhen einmal komplett innen um die Wände der Empfangshalle wand. Von dort konnte sie problemlos auf den großen Saal hinabsehen und alles beobachten. Weitere Soldaten huschten an ihr vorbei ohne ihr Aufmerksamkeit zu schenken und zündeten kunstvolle Laternen an, die vom Hochgang hinabhingen und die Halle erleuchteten.
 

Sie hielt einen der Soldaten mit einer leichten Berührung an der Schulter an. Ein Junge nicht älter als vierzehn Jahre mit einem durchschnittlichen Gesicht. Seinen Augen mieden es sie direkt anzusehen. „Ja, Miss?“
 

„Wer kommt zu Besuch?“, fragte sie und unterdrückte dabei ihr Lächeln. Der Junge fühlte sich in ihrer Gegenwart unwohl, doch sie konnte nicht sagen ob es daran lag, dass sie ein Teufel von Ohara war oder einfach nur eine gut aussehende Frau.
 

„Ein Shichibukai, einer der Sieben Samurai“, antwortete er. „Mehr weiß ich nicht.“
 

„Danke dir“, sagte Robin und drückte noch einmal seine Schulter. Der Marine lief rot an.
 

Also liegt es nicht daran, dass ich ein Teufel bin… Süß…
 

„Hey, Bransin!“, brüllte ein Offizier von unten zu ihnen hoch. „Zünde gefälligst die Lampen an und rede nicht mit dieser…“
 

Vorsicht, Mister Offizier…
 

„…dieser Dame!“
 

Der junge Marine warf ihr noch einen schnellen Blick zu. Seine Augen verharrten dabei für einen Moment auf dem blauen Kristallarmband, das ihr Handgelenk umklammerte. Eine Handschelle aus Seestein, gut dosiert, so dass sie ihr keine Schmerzen bereitete und sie nicht schwächte. Nur ihre Kräfte wurden vollständig unterdrückt. Das Zeichen, dass sie eine Gefangene war. Dann machte er, dass er davon kam.
 

Robin sah ihm noch eine Weile hinterher und ihr Lächeln verschwand. Niemand war gewillt ein längeres Gespräch mit ihr zu führen. Sie wurde geduldet, doch mehr auch nicht.
 

Was für ein trübsinniges Leben…
 

Ein Horn ertönte in der Empfangshalle und zerschnitt das Durcheinander der Stimmen. Mit einem Schlag wurde alles ruhig. Marines bildeten inzwischen eine lange Gasse um den roten Teppich herum. Die Putzkolonne zog sich zurück. Kaum war der letzte von ihnen in einem der zahlreichen angrenzenden Räume verschwunden, als sich das gewaltige Eingangstor auch schon knarrend öffnete.
 

„Willkommen, Shichibukai!“, riefen hundert Kehlen gleichzeitig.
 

Im Eingangstor erschien ein Mann. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes Shirt gesprenkelt mit Blut. Die grünen Haare waren kurz geschoren und die drei Schwerter an seiner Hüfte blitzten frisch poliert. Dem Samurai fehlte ein Arm, doch mit seiner verbliebenen Hand zerrte er seine Beute, einen um sich schlagenden Piraten, hinter sich her.
 

„Willkommen, Piratenjäger Roronoa Zorro!“
 

Hinter seinem Rücken, wenn er es nicht hören konnte, gaben sie ihm unschönere Namen. Zorro schritt gemächlich über den roten Teppich, sein Gesicht eine Maske aus Stein. Der Pirat brüllte und trat wild in die Luft, doch wie sehr er sich auch anstrengte, er konnte sich nicht befreien. Etwa auf der Hälfte des Weges trat Zorro ein Vize-Admiral entgegen um ihn förmlich zu begrüßen: „Marine Ford fühlt sich geehrt Euch begrüßen zu dürfen. Wie ich sehe war Eure Mission erfolgreich. Ich darf annehmen, das hier ist Anarim Stahlfaust?“
 

Als Antwort schnaubte Zorro nur und warf ihm den schwer mitgenommenen Piraten vor die Füße wie ein Sack Mehl. Sofort hatten ihm drei Soldaten Handschellen angelegt und zerrten ihn davon. Zorro wandte seinen Blick angewidert ab und ließ ihn durch den Saal schweifen. Dabei sah er Robin an der Balustrade stehen.
 

Sie lächelte ihm zu. Er sah weg.
 

Ach Zorro, wie verbittert und traurig du bist…
 

Ohne ein weiteres Wort verließ Zorro unter den verdutzten Blicken der Soldaten die Halle. Robin blieb noch eine Weile stehen, beobachtete wie die Prozedur unter ihr sich ebenso routiniert auflöste, wie sie sich gebildet hatte. Dann verließ sie die Halle durch eine Tür gleich hinter ihr, die sie auf die Außenmauer von Marine Ford führte. Zorro stand bereits nicht weit von ihr entfernt und starrte gedankenverloren in die Ferne, so wie sie wusste dass er es tun würde. Seine Hand strich dabei abwesend über seine drei Klingen.
 

„Dein Lieblingsplatz hier, oder?“, fragte Robin, während sie langsam auf ihn zuschritt. Ihre Absatzschuhe klackten dabei leise auf dem steinernen Untergrund. „Kann ich verstehen. Hier auf der Mauer, vor Einem der Ozean, hinter Einem der Friedensgarten.“
 

„Du bist auch oft hier, wird mir gesagt“, erwiderte Zorro leise.
 

Und wer genau sagt dir so etwas?
 

„Hier ist es ruhig“, erklärte Robin. Ein kühler Wind strich ihr über die Haut und durch die Haare. „Manchmal stehe ich auf der Mauer und schaue in die dunklen Fluten, die sich unter mir an dem Wall brechen. Und dann denke ich, dass es ganz einfach wäre…“
 

„Was?“
 

„Zu springen.“
 

„Red keinen Unsinn. Du würdest von hier nicht weit kommen. Selbst wenn du schwimmen könntest, würde die Strömung-“
 

„Nicht um zu fliehen“, flüsterte Robin.
 

Zum ersten Mal sah er sich zu ihr um. In seinen dunklen Augen lag die schwere Last, die er sich selbst auf die Schultern geladen hatte. Dazu die unendliche Trauer. Und Wut. „Robin…“, fing er an, brach jedoch gleich wieder ab. Wann hatten sie bloß verlernt miteinander reden zu können? Was war schief gelaufen?
 

Ruffy… Es war grausam von dir fortzugehen, an diesen Ort, zu dem ich dir nicht folgen kann. Du hast mir den Willen zu leben zurückgegeben und dann einfach wieder genommen…
 

„Haben sie dich gut behandelt, während ich weg war?“, fragte Zorro irgendwann nach Minuten der Stille, in denen nichts zu hören war als das Rauschen der Wellen.
 

„Sie sind höflich, falls du das meinst. Machen mein Bett, geben mir zu lesen. Seit du den letzten Soldaten, der mich schlecht behandelt hat, halb tot geprügelt hast, sind sie vorsichtig geworden.“
 

„Er wollte dir die Kleidung vom Leib reißen! Und ganz Marine Ford hätte dabei zugesehen und nichts unternommen!“, knurrte Zorro wütend.
 

„Ich bin eben eine Gefangene und dazu ein Teufel von Ohara. Am liebsten würden sie mich einfach töten.“
 

„Das lasse ich nicht zu“, versprach Zorro, was Robin ein bitteres Lächeln entlockte.
 

Ich weiß, Zorro… Das ist ja das Problem… Wenn du nicht wärst, wenn ich nicht wüsste, dass du dir meinen Tod nicht auch noch auf die Schultern laden würdest… Ich wäre längst gesprungen…
 

Zorros Kiefer war vor Wut angespannt. Es fiel Robin schwer ihn so zu sehen. Er war nie jemand gewesen, der viel lächelte, doch seit Ruffys Tod hatte sie ihn nicht ein Mal lächeln sehen. Vorsichtig legte sie ihre Hand an seine Wange. Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. „Warum quälst du dich so?“
 

„Ich muss“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
 

„Du bist ein Hund der Regierung geworden. Auf der ganzen Welt nennen sie dich den Schwarzen Vize. Crewbrecher. Sie glauben, du hast die Strohhüte verraten…“
 

„Denkst du, das weiß ich nicht?“, flüsterte Zorro verzweifelt. „Aber es war der einzige Weg. Es ging nicht anders. Nach Ruffys Tod ist die Mannschaft zusammengebrochen. Du hast es selbst gesehen, du warst dabei. Niemand hatte noch den Willen zu kämpfen. Es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bevor die Marine oder andere Piraten sich auf die Kopfgelder gestürzt hätten. Nami, Lysop, der dumme Koch, Franky und Brooke… Man hätte sie gefangen genommen oder getötet… Ich als Vize hatte die Aufgabe sie zu beschützen. Das bin ich Ruffy schuldig.“
 

„Ruffy hätte nicht gewollt, dass du ein Hund der Regierung wirst…“
 

Zorro lachte, doch es klang freudlos und hässlich. Es stach ihr ins Herz wie eines seiner Schwerter. „Ruffy wusste nie wann man aufhören musste zu träumen. Ich bin da weniger naiv. Ich weiß, was getan werden muss. Shichibukai sein, Piraten jagen. Dafür haben sie die Kopfgelder der anderen gelöscht und deswegen bist du noch am Leben.“
 

„Ich bin eine Gefangene…“
 

„Aber dir fehlt es an nichts!“, sagte Zorro, doch es klang so, als müsste er sich selbst mit seinen Worten überzeugen. „Du hast Bücher so viele du willst. Du verrottest nicht in Impel Down.“
 

„Ein goldener Käfig… Mehr ist es nicht.“
 

Robin wusste nicht warum sie so gemein zu ihm war. Schließlich hatte er Recht. Auf Kosten seines Elends konnten Nami und die anderen unbeschwert leben und sie selbst hatte ihre Bücher, jeden Tag etwas Ordentliches zu essen, manchmal sogar neue Kleidung. Doch dafür musste sie sehen wie sehr Zorro litt. Die anderen aus ihrer Crew hielten ihn für einen Verräter, wussten bis heute nicht warum er ein Shichibukai war. Denn wenn sie es wüssten, würden sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen um ihn aus Marine Ford zurückzuholen und somit alles zunichtemachen, wofür er jeden Tag kämpfte. „Tut mir leid, Zorro…“
 

„Mir tut es leid, Robin.“ Er kniff die Augen zusammen, klammerte sich haltsuchend an den Griff seines Schwerts. „Wirklich.“
 

Der starke Zorro Crewbrecher so verletzlich…
 

Fast hätte sie wieder gelächelt. „Du solltest schlafen, Zorro… Du siehst müde aus…“ Sie strich ihm noch einmal über die Wange und diesmal zuckte er nicht zurück. Für einen Moment glaubte sie fast, er würde sich in ihre Berührung lehnen. Sein Blick blieb in ihrem hängen und im Hintergrund brachen sich weiter unermüdlich die Wellen. Der Moment war so zerbrechlich…
 

„Gute Nacht, Robin.“ Der Moment zerbrach und er ging davon.
 

Gute Nacht, Zorro…
 

Sie glaubte eine kühle Träne auf ihrer Wange zu fühlen, doch sie machte sich nicht die Umstände sie wegzuwischen. Stumm blickte sie in den endlosen Himmel. Früher einmal hatte er für sie Freiheit bedeutet. Jetzt schien er sie nur noch zu verhöhnen.
 

Schließlich, als sie schon fast ins Fort zurückgehen wollte, erschien ein kleiner gelber Vogel aus dem Nichts und setzte sich ihr tappsig auf die Schulter. Ein kleines Röllchen Papier war an seinen Fuß gebunden.
 

„Eine Nachricht?“, murmelte Robin. Während sie dem Vogel das Kinn kraulte, löste sie geschickt das Papier und rollte es auf. Fast zwei Jahre lang hatte sie die Handschrift der Navigatorin nicht mehr gesehen… Es waren nur vier Worte, krakelig auf das Papier geschmiert als wäre sie in großer Eile gewesen.
 

Ruffy ist am Leben!

4. Scherbe [Brooke] - Blues

~~ + ~~ 4. Scherbe [Brooke] - Blues ~~ + ~~
 

Blues: “a state of depression or melancholy“
 

~~ + ~~
 

„Robin? Robin! Wo bist du? Wo bist du? Hast du mich jetzt auch noch verlassen? Bist du einfach ohne ein Wort des Abschieds gegangen? Was ist nur passiert? Wir waren doch alle so glücklich! Und jetzt sind alle weg und ich bin allein! Ich bin allein…
 

~ + ~ Irgendwo auf der Grandline ~ + ~
 

Musik füllte die Luft. Bittersüße Töne, die sich durch die Dunkelheit der Nacht wanden. Melodien, die Steine zum Weinen bringen konnten, die jedes noch so kalte Herz erweichten und wie Tränen ins Nichts plätscherten. Diese Musik war alles, was Brooke noch geblieben war. Sie verließ ihn nicht so wie ihn sonst alles auf dieser Welt verlassen hatte.
 

Ich bin allein…
 

Er war es selbst, der diese Musik summte. Sie entschlüpfte ihm aus dem Mund, fast ohne dass er darüber nachdachte. Sie schien ein Eigenleben entwickelt zu haben und ihn nur noch als Medium zu benutzen. Musik, die lebendiger war als er selbst. Musik, die sich in seine Seele fraß.
 

Ich bin allein…
 

Andere Geräusche gesellten sich zu seinem Todeslied. Denn nichts anderes war es als ein Lied von Tod, von Verlust und Leid und Tränen. Daneben leises Stimmengewirr. Das Klimpern von Gitarrensaiten. Flüstern in der dunklen Musik. Feuerzeuge, die sich mit einem leisen Zischen entzündeten.
 

Ich bin allein, allein, allein!
 

Brooke öffnete seine Augen – wenn er denn welche hätte! Ein müder Witz, kein Gelächter. Es war ja auch niemand da, der darüber lachen könnte. Lysop und Chopper hatten immer gelacht…
 

Er saß in der Mitte eines gewaltigen Käfigs aus massiven Stahlgittern. Rundherum reihten sich dutzende Stühle, auf denen die verrücktesten Leute saßen. Sie lauschten der düsteren Musik, die Brooke von sich gab während er gleichzeitig auf einer zerschlissenen Gitarre spielte. Er selbst spielte die Gitarre? Er hatte es vorher gar nicht gemerkt, war das nicht verrückt?
 

War er verrückt?
 

Ihm war immer bewusst gewesen, dass ein kleiner Teil seines Verstandes verloren gegangen war als er diese verfluchten fünfzig Jahre allein auf dem Wrack im Florian Triangle herumirrte. Doch Ruffy und seine Freunde hatten all dies verändert, hatten ihn wieder in eine sonnendurchflutete und schöne Welt zurückgeführt.
 

Und dann sind sie gegangen und ich war wieder allein…
 

Brooke beendete sein Todeslied und erntete stürmischen Applaus von den Zuhörern. Er verstand nicht, wie sie bei einem solchen Lied klatschen konnten. Konnten sie nicht hören wie viel Schmerz in den Tönen lag?
 

Nacheinander sind sie alle gegangen… So wie die Rumba-Piraten einer nach dem anderen am Gift der Pfeile starb, gingen die Strohhüte auch einer nach dem anderen, aufgrund des Gifts das Trauer heißt…
 

Die Menschen zogen sich langsam zurück, nachdem sie alle ein paar Geldscheine in eine verzinkte Box geworfen hatten. Der Pfand einer guten Show. Brooke war vor einer Weile Sklavenhändlern ins Netz gegangen, die seine Talente jetzt ausnutzten um ihn in einem Wanderzoo zur Schau zu stellen. Es machte ihm nichts aus. Es war doch egal wo er allein war.
 

Zorro war der Erste, der ging. Heimlich in der Nacht verschwand er um Samurai zu werden und mit denjenigen zusammen zu arbeiten, die Ruffy getötet hatten. Dann Lysop, der seine eigene Crew aufbauen wollte. Als nächstes Franky, warum auch immer.
 

Plötzlich, von siedend heißer Wut gepackt, griff Brooke seine Gitarre und schlug sie auf den Boden, einmal, zweimal, dreimal. Lackierte Holzsplitter flogen in alle Richtungen.
 

Sie sind einfach alle weggegangen! Die anderen blieben, doch waren trotzdem irgendwie nicht mehr da! Schließlich entschied ich mich La Boum zu besuchen. Robin begleitete mich, weil sie nicht nach Alabasta wollte. Mit der Königin Vivi teilte sie wohl eine nicht allzu erfreuliche Vergangenheit.
 

„Doch auch sie ist gegangen!“, rief Brooke und schlug immer noch mit der Gitarre auf den Boden ein, obwohl kaum mehr davon übrig war als der Stiel. „Sie war einfach plötzlich weg! In der Nacht verschwunden wie Zorro damals und ich war allein, allein, allein, allein!“
 

„Halt den Mund!“, schrie jemand. Vielleicht war es einer der Sklavenhändler, vielleicht aber auch nur die eigene Stimme in seinem Kopf. Brooke ließ die Überreste seines Instruments fallen und setzte sich auf den kalten Boden. „Ich habe doch gar keinen Mund“, murmelte er leise. Die Stille war ohne Gelächter und klang trotzdem entsetzlich laut.
 

Scheinbar habe ich es verdient alleine zu sein...
 

Er hörte das Rauschen der Flügel, bevor er den kleinen Vogel sah. Die weichen Töne von Federn in der Luft, ein Summen im Nichts der Nacht. Dann das schwache Stakkato eines winzigen Schnabels, der gegen seinen knöchernen Schädel pickte. „Geh weg“, murmelte Brooke. „Du wirst mich doch auch nur wieder verlassen.“
 

In diesem Moment sah er, wie seine Wärter einen neuen Käfig neben seinen rollten. Offensichtlich hatten sie einen weiteren Freak gefunden um ihn ihrer Sammlung hinzuzufügen. Auch diese arme Seele würde die Massen belustigen und selbst in der Dunkelheit der Einsamkeit leben.
 

Der kleine Vogel flatterte inzwischen ungeduldig vor seinem Gesicht herum, so dass er ihn mit der Hand davon scheuchen musste um den Neuen richtig zu erkennen. Es war ein wahrer Hüne mit breiten Armen und Beinen. Das flackernde Licht eines entfernten Feuers spiegelte sich auf der matt glänzenden Haut, als wäre sie aus Metall.
 

Wie bei Franky...
 

Der Neue drehte sich langsam zu ihm um. Er musste seine Gedanken wohl unbemerkt laut ausgesprochen haben, so wie er unbewusst sang und langsam in den Wahnsinn abdriftete.
 

„Brooke?“, keuchte der Ankömmling ungläubig. Es war Monate her, dass eine bekannte Stimme seinen Namen ausgesprochen hatte.
 

„Du bist es!“, hauchte Brooke fassungslos. „Franky! Du bist es!“
 

Ich bin nicht mehr allein!

5. Scherbe [Zorro] - Sacrifice

~~ + ~~ 5. Scherbe [Zorro] - Sacrifice ~~ + ~~
 

Sacrifice: “the act of giving up something that you want to keep especially in order to get or do something else or to help someone“
 

~~ + ~~
 

„Zorro… Warum klingst du so entsetzlich traurig?“
 

„Weil ich so viel bereue, Robin... Und ich bereue, was ich tun werde. Aber ich werde so zumindest dafür sorgen, dass niemand von uns mehr weglaufen muss. Dass die Anderen Zeit finden ihre Trauer zu verarbeiten.“
 

„Was ist mit deiner Trauer, Zorro?“
 

„Ich sagte einmal zu Ruffy, dass er als Kapitän schwere Entscheidungen fällen muss. Dass er nicht zögern darf um seine Crew zu führen. Jetzt ist es meine Aufgabe die Crew zu beschützen...“
 

„Das beantwortet meine Frage nicht...“
 

„Leb wohl, Robin...“
 

~ + ~ Insel Marine Ford, Marinehauptquartier ~ + ~
 

Zorro fand keinen Schlaf in dieser Nacht. Das Gespräch mit Nico Robin geisterte noch durch seinen Kopf wie die Erinnerungen an einen unliebsamen Traum. Gleichzeitig schmerzte sein Arm, den er in seinem Kampf mit Falkenauge verloren hatte um seinen Platz bei den Shichibukai einzunehmen. Die Ärzte nannten es Phantomschmerzen.
 

Wie passend. Die letzten zwei Jahre sind wie ein einziger großer Phantomschmerz. Wie kann etwas jemanden derartig quälen, wenn es gar nicht mehr da ist?
 

Mit starrem Blick betrachtete er die Decke über sich. Einige Fackeln warfen ihren Schein durch das Fenster ins Innere seiner luxuriösen Behausung, die er während seiner Aufenthalte im Marine Ford gestellt bekam. Das unruhige Dämmerlicht ließ in der Nacht die Konturen einer schmuckvollen Kommode, eines gewaltigen Schreibtischs und der schweren Samtvorhänge erkennen. Dazu kam der Geruch getrockneter Blütenblätter, die in einem Glas auf dem Tisch standen und die Luft mit einer unangenehmen Süße tränkten.
 

Robin hat Recht. Es ist ein verdammter Goldener Käfig. Für sie... und auch für mich...
 

Neben ihm regte sich Tashigi kaum spürbar zwischen den zerwühlten Laken seines Bettes. Ihr blauschwarzes Haar schimmerte in der Nacht wie die dunklen Fluten, die Ruffy verschluckt hatten, und verteilte sich in üppigen Strähnen auf den blütenweißen Kissen. Ihr nackter Körper hob und senkte sich im Schlaf regelmäßig zum Takt ihres Atems. Zorro betrachtete die Schönheit neben sich, beobachtete ihr friedliches Gesicht und die elegant geschwungenen Schultern.
 

Wann hatte es angefangen, dass sie zu ihm ins Bett kam? Er konnte sich nicht mehr richtig erinnern. Umso deutlicher erinnerte er sich dafür an den Tag, an dem Robin das erste Mal entdeckte, wie sie beide umschlungen in seine Kabine stolperten. In ihren Augen lag Missbilligung und Überraschung und noch etwas Anderes über das er nicht zu genau nachdenken wollte.
 

Es ist zu spät... In einem anderen Leben vielleicht, in einer Welt in der Ruffy noch am Leben ist und wir weiterhin gemeinsam über die Meere gereist wären...
 

Zorro suchte doch nur Erlösung. Er suchte nach Möglichkeiten die Vergangenheit zu vergessen. Er hatte getan was nötig war, auch wenn ihn Robin und die anderen dafür verachteten und die Piratenwelt seinen Namen mit Abscheu aussprach. Tashigi blieb einer der wenigen Menschen, der seinen Seitenwechsel nicht als Verrat sah, sondern es als Anlass nahm ihn mit anderen Augen zu betrachten. Anschließend hatte Eins zum Anderen geführt.
 

Vergessen... Die alten Zeiten vergessen... Piraten jagen, Shichibukai sein, Alkohol trinken, mit einer Marinefrau schlafen... Hauptsache ich muss nicht an Robins Blick denken... Oder an den Ausdruck der Anderen, als ich sagte wir müssen die Suche nach Ruffy beenden...
 

Etwas tippte leise gegen das Fensterglas. Ein leises Murren entfuhr Tashigis Lippen, während sie sich auf die Seite rollte und ihre Finger seinen verbliebenen Arm streiften. Zorro schlüpfte lautlos unter den Decken hervor, lief über den weichen Teppichboden und öffnete das Fenster. Kühle Seeluft überzog seinen Körper mit einer angenehmen Gänsehaut. Gleichzeitig hüpfte ein kleiner gelber Nachrichtenvogel in sein Zimmer.
 

Mit gerunzelter Stirn rupfte Zorro die Papierrolle vom Bein des Tieres und las die kurze Nachricht, die ihn mit Namis vertrauter Schrift regelrecht anzuschreien schien.
 

Ruffy ist am Leben!
 

Eine Sekunde lang blieb die ganze Welt stehen. In seiner Brust brach etwas mit der Gewalt einer Taifunwelle über ihn herein. Er verstand nicht wie wahr sein konnte was er las, wie es auch nur irgendwie möglich sein konnte, dass Ruffy noch am Leben war. Doch er glaubte es trotzdem sofort, erlaubte nicht einen einzigen Zweifel in seinem Hirn.
 

Ich muss einfach daran glauben...
 

„Was ist los?“, hörte er Tashigi leise murmeln. Ihre Stimme war mit Müdigkeit getränkt und wehte nur ganz schwach zu ihm herüber. „Drücken sie dir jetzt schon mitten in der Nacht neue Piratenjagden auf?“
 

Zorro antwortete nicht. In seinem Kopf flackerten Erinnerungen auf wie kleine Blitze, Erinnerungen an bessere Zeiten, an spritzende Gischt an der Reling der Thousand Sunny, an endlose Partys im Mondlicht fremder Inseln, an Kämpfe, die noch Bedeutung hatten weil sie im Angesicht seiner Träume ausgefochten worden waren. An Ruffys breites, sorgloses Grinsen.
 

„Leg dich wieder zu mir“, sagte Tashigi abwesend. „Die Admiräle können bis zum Morgen warten um dich über die Blues zu scheuchen.“
 

„Ich muss gehen“, erwiderte er nur. Hektisch sammelte er seine Sachen vom Fußboden, streifte sich Shirt und Hose über. Danach riss er die Schranktüren beim Öffnen mit einer solchen Wucht auf, dass sie aus den Angeln sprangen. Seine Schwerter schnürte er sich an die Hüfte, den Seebeutel mit den spärlichen Habseligkeiten warf er sich über die Schulter. Aus den Augenwinkeln sah er dabei, wie sich Tashigi irritiert aus dem Bett wühlte. Ihre Haut schien im Licht der Fackeln zu leuchten wie makelloses Alabaster.
 

Etwas Schönes wie sie hatte eh nie etwas so Verdorbenes wie mich verdient... Ihre Seele ist noch rein und unbefleckt, so sehr, dass sie nicht einmal den Dreck an meinen Händen sieht...
 

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt. Ihre Finger legten sich warm auf seine Schulter, doch er schüttelte sie ab. „Was war das für eine Nachricht?“
 

„Nichts...“
 

„Zorro, rede mit mir! Was ist passiert?“ Tashigis Stimme wurde zunehmend lauter und schriller. Sie versuchte seine Wange zu berühren, doch er wandte sich von ihr ab. Immer wenn sie versuchte ihn zu umarmen oder anzufassen, schien sie ihm nur ein Katana in das schlechte Gewissen zu stechen. Daher wehrte er jeden ihrer Annäherungsversuche ab, obwohl er sehen konnte, wie sehr er sie damit quälte.
 

„Ich muss los“, murmelte er.
 

„Zorro! Was zum Teufel ist los?“
 

Doch er war bereits zur Tür hinaus. So schnell er konnte schritt er durch die breiten Gänge und Hallen des Marinehauptquartiers, passierte die Bilder vergangener Admiräle, ließ die teuren Verzierungen aus Gold und Marmor hinter sich und hörte dabei Tashigis Rufe im Rücken. Einige junge Kadetten, die zu später Stunde das undankbare Los der Nachtschicht aufgebrummt bekommen hatten, sprangen ihm eilig aus dem Weg als er vorbeirauschte. Drei Gänge weiter sah er ein bekanntes Gesicht und schrie ihn an ohne sein Tempo zu verringern: „Corby! Bei Fuß!“
 

Der junge Marine, der schon einige Male die Wege seiner alten Crew gekreuzt hatte, folgte seinem Befehl ohne Nachzufragen. Seit Jahren lernten sie den Ranghöheren zu gehorchen ohne einen Gedanken darauf zu verschwenden. Und als einer der Sieben Samurai hatte er einen gewissen Status, der ihm nun endlich einmal wirklich nützlich werden würde. „Shichibukai Roronoa Zorro!“
 

„Ich will, dass du mein Boot klarmachst! In zehn Minuten treffe ich dich an den Landungsstegen. Bis dahin muss alles fertig sein!“
 

„Aber ich muss erst die Zollförmlichkeiten erledigen“, stotterte der Junge zögerlich hervor. Er stolperte fast bei dem Versuch Schritt zu halten. „Der Hafenmeister muss informiert werden!“
 

Zorro würdigte ihm keines Blickes. „Du tust was ich dir sage! Keine Fragen, keine Formalitäten. Ich will einfach nur mein Schiff in zehn Minuten benutzen! Und jetzt ab mit dir!“
 

Eingeschüchtert rannte Corby mit einem Nicken davon. Nur kurze Zeit später stieß Zorro die Tür in ein anliegendes Zimmer auf und trat ein. Keine Zeit für angebrachte Etikette. Das Zimmer war fast identisch mit seinem eigenen, bis auf ein hohes Regal, das bis zur Decke aus endlosen Reihen von Büchern bestand. An einem kleinen Tisch saß Nico Robin im Schein einer Öllampe, vertieft in einen dicken Folianten aus Leder. Trotz seines unwirschen Eindringens war Zorro innerlich froh, dass die Archäologin um diese Zeit noch wach war und nicht leicht bekleidet in ihrem Bett lag. Das machte alles nur leichter, in doppelter Hinsicht.
 

Als sie von ihrem Buch aufsah, ließ ihr Blick nicht erkennen ob sie überrascht war ihn zu sehen. Er hatte nie richtig in ihrem beherrschten Gesicht lesen können oder verstand, was in ihrem Kopf vorging. „Ich wusste nicht ob du kommen würdest, Samurai. Hast du die Nachricht auch erhalten?“
 

„Ich bin kein Samurai mehr“, knurrte Zorro. „Nie mehr. Es wird Zeit zu gehen.“
 

Ein trauriges Lächeln stahl sich auf ihre feinen Züge. Mit einer resignierenden Bewegung hielt sie ihr Handgelenk in die Höhe und präsentierte so den blau schimmernden Seestein-Armreif. In zwei Schritten war Zorro bei ihr, so dass er nach ihren Fingern greifen konnte. Die plötzliche Berührung ließ Robin erstarren. Ein Blick in das klare Blau ihrer Augen machte ihm sehr deutlich bewusst wie viele unausgesprochene Dinge zwischen ihnen standen.
 

„Halt still.“
 

Ich habe Fleisch, Stein und Eisen zerschnitten. Was ist da schon Seestein?
 

Ihre Hand gab er frei, doch mit seinem Starren hielt er sie weiter gefangen. Ohne hinzusehen zog er dabei Wado-Ichi-Monji ein Stück aus der Scheide. Das Gefühl des weichen Ledergriffs in seiner Hand besänftigte sein Herz auf eine Weise, wie es sonst kaum möglich war. In ihm entfaltete sich ein kurzer Moment der inneren Ruhe. Dann zog er das Schwert mit einer Geschwindigkeit, die die Waffe in einen verwaschenen Schemen verwandelte, über den Armreif. Das Schmuckstück aus Seestein fiel wie in Zeitlupe zu Boden und befreite Robin von den Fesseln, die sie an das Marinehauptquartier banden.
 

In der ganzen Zeit hatte sie den Blick nicht von ihm abgewandt. Sie hatte nicht einmal gezuckt oder geblinzelt, so als hätte sie nicht für einen Moment an seiner Aktion gezweifelt. „Du vertraust mir noch?“, brummte Zorro. „Nach Allem was passiert ist? Obwohl du mich hasst?“
 

„Wieso denkst du, dass ich dich hasse?“
 

Weil ich selbst hasse, was aus mir geworden ist...
 

„Ich hasse dich nicht, Zorro“, versicherte Robin als er nicht antwortete. Es breitete sich sogar ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen aus. „Und nun lass uns gehen.“
 

Sie ließen den Wohnbereich des Marine Fords hinter sich und mit ihm auch ihren Käfig. Durch jeden Schritt, den er auf den dicken Teppich setzte, hatte er das Gefühl, dass sich seine Schultern mehr strafften. Mit jeder Biegung schien eine Last von seinen Schultern zu schrumpfen. Seit Jahren hatte er sich nicht mehr so leicht gefühlt wie in diesem Augenblick mit der wortlosen Robin neben sich und einem echten Ziel klar vor Augen.
 

Glücklicherweise begegneten sie zu dieser Stunde keiner Wache auf den Fluren. Der erste Marine, den sie sahen, war Corby, der auf den Ladungsstegen der Einsatzboote Zorros Schiff von seinen Verankerungen befreite. „Bleib nicht stehen, egal was er sagt oder tut“, raunte Zorro Robin aus dem Mundwinkel zu. Sie steuerten im Gleichschritt unbeirrt weiter auf ihr Boot zu. Corby hielt verdutzt in seiner Arbeit inne. „Was zum-?“
 

„Ich bringe den Teufel von Ohara zu einer Befragung in unsere Zweigstelle des Northblue“, log Zorro ohne mit der Wimper zu zucken. Während Robin mit einer beneidenswerten Gelassenheit auf das Boot stieg, lief Zorro eine feine Schweißerle am Hals entlang. „Der Auftrag hat Priorität Grün und muss daher so schnell und unauffällig wie möglich erfolgen. Alles ist abgesegnet mit Admiral-“ Mitten in seinen haltlosen Behauptungen hielt Zorro inne, denn Corby hörte ihm gar nicht mehr zu.
 

Der junge Marine glotzte nur mit offenem Mund auf Robins zartes Handgelenk, das keine Fessel mehr trug. „Oh fuck!“
 

Zorro ließ sich von seinem Instinkt führen anstatt nachzudenken. Sein Schwert sprang ihm in die Hand wie ein lebendiges Raubtier, das nur auf Blut gewartet hatte. Gleichzeitig drehte er sich in einer fließenden Bewegung einmal um sich selbst und brachte seinen Körper somit wie einen Schild zwischen Corby und Robin. Doch der Marine trainierte nicht umsonst im wichtigsten Gebäude der Marine. Fast genauso schnell hatte er eine Pistole aus dem Halfter gezogen. Der Lauf richtete sich genau auf den Punkt seiner Stirn zwischen den Augen.
 

„Mach jetzt keinen Scheiß, Corby“, knurrte Zorro beängstigend ruhig. Sein Puls schlug lang und schwer in seinen Ohren wie die Festtrommeln auf Skypia. „Du weißt, dass du in einem Kampf keine Chance gegen mich hast. Wirf dein Leben nicht weg.“
 

Ich soll keinen Scheiß machen?“, brüllte der Marine so heftig, dass die Pistole in seiner Hand anfing zu zittern. „Was machst du dann? Was soll das?“
 

„Zorro!“, schrie eine neue Stimme vom Ansatz des Stegs zu ihnen herüber. Zorro kniff frustriert die Augen zusammen, als Tashigis Absätze über das Holz knirschten. „Das ist nicht dein Ernst! Ich habe die Nachricht gefunden! Ich habe mir Sorgen gemacht und dabei willst du nur wieder zurück wegen einer Lüge!“
 

„Das ist kein Lüge!“, schrie Zorro zurück ohne sie anzusehen. „Wenn einer von uns sagt, dass Ruffy noch lebt, dann lebt er auch noch! Und damit sind unsere Träume und Hoffnungen auch immer noch am Leben!“
 

„Ruffy lebt...?“, flüsterte Corby schwach. Die Pistole senkte sich minimal, doch Zorros geschärfte Sinne nahmen es trotzdem zur Kenntnis.
 

Tashigis Gesicht war eine Maske aus kalter Wut. In ihrer Hektik schien sie gerade genug Zeit gehabt zu haben ein einfaches Top überzuwerfen und ihr Schwert zu schnappen. „Du bist ein Verräter!“, brüllte sie voll Zorn. „Erst verrätst du deine Crew und dann verrätst du die Marine! Du verrätst mich!“
 

„Du verstehst das einfach nicht...“
 

Corbys Stimme war nur Schall und Rauch in der Luft: „Zorro... Noch kannst du diesen Wahnsinn beenden und umkehren... Du bist einer der Sieben Samurai. Dir geht es doch gut...“
 

„Nein... Geht es nicht...“
 

„Ich dachte, du bist keiner von diesen scheiß Piraten!“, rief Tashigi. „Ich habe dir mein Vertrauen gegeben, meine Freundschaft, mein Herz! Ich habe dir mein beschissenes Herz gegeben!“ Tränen liefen ihr über die Wangen, doch sie biss sich auf die Lippen um kein Schluchzen von sich zu geben. Ihre Zähne ließen dabei ein dünnes Blutrinnsal an ihrem Kinn erblühen.
 

Zorro starrte sie an. Seine nächste Lüge entkam kaum seiner Kehle, doch er schluckte und zwang sich trotzdem die Worte zu sprechen und seine Stimme dabei wie Eis klingen zu lassen: „Mein Herz hattest du nie, Tashigi.“
 

Ihr folgender Schrei war nicht der Schrei einer stolzen Marinefrau, sondern der eines verwundeten Tieres, so voller Schmerz dass er ihn körperlich zu spüren glaubte. Blind vor Tränen und mit erhobenem Schwert stürzte sie ohne jegliche Deckung auf ihn zu. „Ich hasse dich, Roronoa Zorro!“
 

Stell dich hinten an...
 

Zorro schloss die Augen.
 

Es tut mir leid...
 

Er biss die Zähne zusammen und ließ die Energie aus seinem Körper entweichen, ein Flimmern in der Luft, der Impuls seiner Kraft und Seele konzentriert wie eine unsichtbare Waffe. Manche nannten es Mantra. Manche kannten es als Haki. Was auch immer es war, es ließ beide Marines an Ort und Stelle zusammenbrechen wie Marionetten, deren Schnüre gekappt wurden.
 

Tashigi lag einfach nur da, so stark und gleichzeitig doch so zerbrechlich.
 

In der folgenden Stille betrat Zorro langsam das Boot. Robins stechender Blick folgte jeder seiner Bewegungen, als er den Motor startete und sich in den Bug fallen ließ. Doch er wagte es nicht ihn zu erwidern, da er wusste, dass seine eigenen Gefühle nur zu deutlich in seinen Augen brodelten.
 

„Bist du in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig.
 

Als Antwort bedeckte er sein Gesicht mit der verbliebenen Hand um alles auszublenden. „Lass mich einfach kurz... Es geht gleich wieder...“
 

Ruffy, sobald ich dich wiedersehe, hau ich dir so dermaßen Eine rein für alles was ich opfern musste... Und dann setzen wir die Segel. Und ich schwöre nie wieder etwas opfern zu müssen...

6. Scherbe [Franky] - Broken

~~ + ~~ 6. Scherbe [Franky] - Broken ~~ + ~~
 

Broken: “not functioning; out of order“
 

~~ + ~~
 

„Die Rohrleitungen der Dusche sind geplatzt. Wir müssen das Leck stopfen, sonst steht hier alles bald unter Wasser! Wo ist der Werkzeugkasten?“
 

„Franky, den hatte Lysop... Und Lysop ist gegangen...“
 

„Aber wir hatten doch einen Ersatzkasten! Bringt mir eben den!“
 

„Den hat Zorro mitgenommen, als er abgehauen ist. Wahrscheinlich flickt er damit inzwischen die Rohrleitungen der Marine...“
 

„Verdammt, Leute, reißt euch zusammen! Gebt mir irgendetwas! Steht auf! Sanji, die Küche ist als Erstes fällig, wenn das Leck nicht repariert wird!“
 

„Was spielt das für eine Rolle, Franky? Es gibt Nichts mehr zu reparieren...“
 

~ + ~ Irgendwo auf der Grandline ~ + ~
 

„Brooke!“
 

Franky traute seinen Augen nicht, als er das lebende Skelett in seinem Nachbarkäfig entdeckte. Mit einem breiten Grinsen und einer fast vergessenen Freude in der metallenen Brust sprang er an die Grenzen seines Gefängnisses um einen Arm zwischen zwei dicke Gitterstangen zu stecken. Sein alter Gefährte imitierte die Bewegung mindestens genauso schwungvoll, so dass sich ihre Hände im dunklen Nichts zwischen ihren Käfigen trafen.
 

Gelblich weiße Knochen berührten matten Stahl.
 

„Was beim Klabauter machst du denn hier?“, rief Franky.
 

Brooke zuckte abwesend mit den dünnen Schultern. „Nicht viel. Meistens singen. Sie lassen mich auch tanzen, wenn den Zuschauern danach ist.“ Während der ehemalige Rumba-Pirat redete, wanderte Frankys Blick langsam über den Boden in Brookes Käfig. Hölzerne Splitter, die einmal eine Gitarre gewesen sein mussten, lagen überall zwischen seinen spindeldürren Beinen verstreut.
 

Ein kaputtes Werkzeug... Wie ich... Ein Klavier ohne Tasten...
 

Ihre Anordnung und Vielzahl ließen darauf schließen, dass das Instrument nicht zufällig zerbrochen war. Was musste geschehen sein, dass ein Musiker ein Musikinstrument zerstörte? Und warum wirkte es so, als wären die Augenlöcher in seinem Schädel leerer und finsterer als früher? Franky hatte nie das Gefühl gehabt, dass der liebenswürdige Brooke trotz seines gewöhnungsbedürftigen Aussehens unheimlich wirkte, doch diesmal lag etwas wahrhaft Gruseliges in seinen knöchernen Gesichtszügen. „Geht es dir gut?“
 

„Oh, mir geht es blendend!“, verkündete der Musiker fröhlich. Zur Unterstützung zog er seinen zerschlissenen Zylinder vom Afro und vollführte eine anmutige Verbeugung. „Jetzt, wo ich nicht mehr allein bin. Und wenn ich bemerken darf, du siehst auch, ähem... du siehst gut aus.“
 

„Danke, Brooke“, erwiderte Franky, nicht ohne einen bitteren Stich, der sein Grinsen etwas weniger ehrlich werden ließ. „Du bist immer noch ganz der Gentleman. Auch wenn wir beide wissen, dass du lügst wie gedruckt.“
 

Ich bin inzwischen weniger ein Cyborg als eine Blechdose... Eine Säge mit stumpfen Zähnen... Ein zerbrochenes Spielzeug...
 

Vergangene Woche erst hatte er eine niederschmetternde Bestandsaufnahme seines eigenen Körpers gemacht. Dabei war die Liste der nötigen Reparaturen so lang wie der Hauptmast der Thousand Sunny. Seine dreifach legierte Stahlpanzerung war zu 34 Prozent der Oberfläche bis auf eine Schicht weggerostet. Bei jedem Schritt knackte und bockte das Rotationsgelenk seines linken Knies. Die Audiozelle im linken Ohr konnte kaum noch Töne aufnehmen. Bewegungssensoren in beiden Schultern, Hüfte und der Oberschenkelhydraulik nicht zu retten. Waffensysteme 2 bis 7 ausgefallen, das Back-Up-System lief auf Notstrom. Und das war längst nicht Alles.
 

Seine Gedanken mussten ihm offen ins Gesicht geschrieben sein, denn Brooks Miene wurde weicher und erinnerte an alte Zeiten. „Das wird schon wieder...“
 

Ein Gewehr mit verstopftem Lauf... Ein Schraubenschlüssel, nicht Kreuz oder Schlitz, unfähig auch nur eine Schraube aus ihrer Halterung zu lösen...
 

„Lass uns abhauen!“, wisperte Brooke plötzlich energisch und grinsend. „Lass uns gehen! Irgendwo hin wo die Sonne scheint und das Meer rauscht!“
 

Alles in Franky sehnte sich nach dieser Vorstellung, nach den alten Tagen in denen sie als Crew durch solche Szenerien gesegelt waren. Fast hätte er sich zu einer süßlich entzückenden Grimasse hinreißen lassen. Doch die letzten zwei Jahre hatten die Sonne verglühen und das Meer für immer verstummen lassen. „Willst du nicht zurück zu Ruffy?“, fragte er nach einer Weile leise. Die Frage schmerzte auf seiner Zunge.
 

Brookes Kinnlade klappte bei seinen Worten sofort herunter wie der einer Bauchrednerpuppe. „Wovon redest du?“
 

„Von der Nachricht, die Nami geschickt hat. Ich habe sie schon vor Tagen bekommen, mit einem dieser gelben Vögel. Ist sie nicht bei dir angekommen? Nami hat gesagt, dass sie einen Vogel an jeden von uns geschickt haben, selbst an Zorro.“
 

Nami hat gesagt...?“, wiederholte Brooke fassungslos, während er die Arme über den Kopf riss und anfing wie ein wild gewordenes Huhn durch seinen Käfig zu flattern. „Oh verdammt, ich wusste es. Ich fantasiere nur. Du bist gar nicht hier. Mein Verstand hat mir ja schon fiese Streiche gespielt, aber diesmal wirkte alles so echt!“
 

Ungläubig beobachtete Franky seinen Freund in seiner Schimpftirade. Schnatternd sprach er mit sich selbst und lief dabei auf und ab, wild gestikulierend und große Büschel schwarzer Afrohaare ausrupfend. „Ich bin doch allein!“
 

„Brooke, beruhige dich! Du fantasierst nicht, ich stehe doch vor dir! Und Ruffy ist am Leben!“
 

„Nein, nein, nein“, zeterte er mit erhobenem Zeigefinger. „Das kann nicht sein. Das sind nur wieder heimtückische Hoffnungen, die sich anschleichen und dich für einen Moment glauben lassen, dass alles besser wird. Das kenne ich noch aus dem Florian Triangle.“
 

„Brooke, reg dich ab! Nami hat mir alles erzählt. Ich habe eine Telefonschnecke in mich eingebaut, eins der letzten Teile, die noch funktionieren. Sie sammeln sich alle in Alabasta.“
 

„Ich bin allein!“, schrie der Musiker plötzlich schluchzend. Gleichzeitig stieß er seine Stirn so heftig gegen einen der Gefängnisstäbe, dass es das Metall mit einem dumpfen Wummmmm zum Vibrieren brachte. „Ruffy ist tot!“ Noch eine Kopfnuss. Wummmmm.
 

„Reiß dich verdammt nochmal zusammen, Brooke!“
 

„Und die anderen sind gegangen!“ Wummmmm.
 

„Was ist denn los mit dir? Schau mich an, du dummer Fiedler. Ich bin doch hier und ich bin echt! Ich stehe vor dir! Und ich lüge nicht, Ruffy lebt! Er hat nur sein Gedächtnis verloren! Die Marine hat ihn aus dem Wasser gefischt und wollte, dass Smoker ihn tötet. Doch der hat sich geweigert und ihn stattdessen versteckt!“ Franky hielt ihm noch einmal die Hand hin, indem er den Arm nach ihm ausstreckte. Zwei seiner Finger fehlten. Aus einem gebrochenem Gelenk ragte noch das Schraubgewinde heraus wie ein offen gelegter Knochen aus Rost.
 

Nur ein kaputtes Gerät... Ein Toaster, der jedes Brot schwärzen würde...
 

„Warum bist du dann noch hier?“, brüllte Brooke mit so viel Entsetzen und Trauer in seiner Stimme, dass der bloße Ton Franky zurückweichen ließ. Die sonst so wohlklingende Stimme des Skeletts zerriss unter seinen Worten in kleine und verschieden hohe Klangschnipsel. „Wenn Ruffy noch leben würde, dann wäre es unmöglich, dass einer unserer Bande davon wüsste und in Gefangenschaft bliebe! Wenn du es seit Tagen wüsstest, dann könnte kein Käfig der Welt dich halten!“
 

„Schau mich an!“, brüllte Franky wütend zurück. Inzwischen griff er nach Brooke nicht mehr zum Trost spenden, sondern weil er ihn am liebsten am Kragen seines feinen Saums gepackt und grob geschüttelt hätte. „Ich bin kaputt! Ich bin verdammter Schrottmüll!“
 

Zerrissen von eigenem Übermut und dem Tiefseedruck... Ich bin ein Tisch mit drei Beinen...
 

„Was macht das für einen Unterschied?“
 

„Für mich gibt es keine Verwendung mehr, weder als Waffe noch als super-cooler Cyborg. So gut wie jedes Teil in meinem Körper funktioniert entweder nur notdürftig oder gar nicht mehr. Selbst wenn Ruffy sein Gedächtnis wiederfindet, stände ich ihm nur im Weg!“
 

„Dann repariere dich doch!“, hielt Brooke dagegen. „Es gibt doch Nichts, was du nicht wieder zusammenschrauben kannst. Was sind da schon ein paar Kratzer?“
 

Franky grinste, obwohl ihm gar nicht nach Grinsen zumute war. Eigentlich hätte er lieber geheult wie ein kleines Baby, denn wenn er daran dachte, wie sehr er zurück zu Ruffy und den anderen wollte, drehte es ihm den Magen zu. „Es gibt Nichts mehr zu reparieren“, flüsterte er als quälende Imitation auf Sanjis damalige Worte. „Als die Crew zerbrach, uns verließ oder trauerte, baute ich ein Unterwasserboot um Ruffy endlich zu bergen. Ich wollte Frieden. Doch der Tiefseedruck war viel stärker als ich dachte, ließ das Schiff zerplatzen, riss mich fast in Stücke und spuckte mich irgendwo in dieser gottverdammten Welt aus. Zwei Jahre rostete ich gebrochen vor mich hin. Selbst ich kann diesen Schaden nicht mehr ausbeulen.“
 

„Schwachsinn!“, fuhr Brooke ihn an. „Du kannst es wenn du nur willst!“
 

„Ich sage dir auch nicht, wie du deine verdammten Instrumente zu spielen hast, oder?“, fauchte Franky zurück. Inzwischen war die Wut in ihm so stark, dass einige seiner Schaltkreise funken durch seine Adern zu jagen schienen. „Denkst du, ich möchte das? Denkst du, ich würde nicht gerne zurück und weitermachen wo wir damals aufhörten? Aber es geht nicht! Wenn ein Schiff nicht mehr von Insel zu Insel reisen kann, dann ist es kein Schiff mehr! Und wenn ein Schiffszimmermann weder kämpfen noch seinen Kapitän unterstützten kann, dann ist er kein Crewmitglied mehr. Sondern nur ein Trümmerteil!“
 

Brookes folgende Worte waren auf einen Schlag nur noch ein honigsüßes und betrübtes Flüstern in der Nacht: „Das war Ruffy doch nie wichtig.“
 

Franky schnaufte. „Was dann?“
 

„Ruffy wollte immer nur Freundschaft und Mut. Willst du ihm nicht beweisen, dass du noch immer sein Freund bist? Dass du den Mut hast unseren Träumen eine zweite Chance zu geben?“
 

Jede Silbe traf ihn wie ein Fausthieb. Schwindelig von tobenden Gefühlen wandte er sich ab und versuchte seine bebenden Lippen unter Kontrolle zu bekommen. Er würde nicht heulen, das war einfach zu unmännlich. Doch Brookes Ansichten rührten ihn, so wie es die ganze verlauste Bande schon immer irgendwie geschafft hatte.
 

„Ich kann nicht...“
 

Ich bin nur ein gesplittertes Fenster, das weder Regen noch Wind abhält... Eine Scherbe...
 

Brooke begann zu singen. Die Stimme des Skeletts schlich sich über eine sanfte Böe an sein Ohr, kitzelte an seinen Erinnerungen und berührte sein Herz.
 

„Ich bin nur Metall und lose Drähte...“, wisperte Franky.
 

Käpt'n Brinks will einen Rum“, summte sein Gefährte ruhig. „Ich bringe ihm die Flasche drum

und der Wind weht übers Meer, das lieben wir so sehr.
 

„Das ist nicht fair, Brooke. Hör auf damit.“
 

Die Sonne gleich im Meer versinkt, von fern der Ruf der Vögel klingt. Hoch am Himmel kreisen sie und singen uns ein Lied. Abschied nehmen heißt es jetzt, die Segel werden gleich gesetzt, das weite Meer ist unser Glück, wir blicken nicht zurück.
 

„Bitte...“
 

Wir segeln einmal um die Welt, machen nur was uns gefällt, Gold und Silber glänzt das Meer, das lieben wir so sehr.
 

Als Brooke verstummte, klang Franky das Lied noch lange in den Ohren. Die Tränen liefen ihm nun doch wie Sturzbäche über die Wangen ohne dass es ihn störte, denn sie spülten etwas aus ihm heraus, das ihn von innen heraus zäh und klebrig vergiftet hatte. „Komm Franky. Lass uns gehen. Lass uns zu Ruffy und den anderen gehen. Was macht es schon, dass du kaputt bist und ich verrückt? Verrückt waren wir schon immer alle. Und auch ein wenig kaputt. Aber genau das hat uns doch zu Strohhüten werden lassen, oder nicht?“
 

Franky lachte und heulte gleichzeitig, während er sich geräuschvoll den Rotz hochzog. Wer hätte gedacht, dass es keinen Hammer brauchte um ihn zu reparieren?
 

„Okay.“

7. Scherbe [Lysop] - Scaredy-Cat

Diesmal hat es ein wenig gedauert das neue Kapitel hochzuladen. Dafür möchte ich mich gern entschuldigen und für eure Geduld danken. Es ist dafür auch ein wenig länger geworden als geplant. Enjoy!
 

~~ + ~~ 7. Scherbe [Lysop] - Scaredy-Cat ~~ + ~~
 

Scaredy-Cat: “someone frightened by almost everything“
 

~~ + ~~
 

„Lysop?“
 

„Zorro hatte recht...“
 

„Was?“
 

„Zorro hatte recht, Leute... Ich bin es leid. Ich will auch endlich wieder nach vorne sehen. Lasst uns etwas Neues aufbauen... Chopper? Nami...? Niemand? Kommt denn niemand mit?“
 

„Setz dich wieder, Lysop...“
 

„Ich meine es ernst, verdammt! Kommt ihr mit mir? Nein? Na schön! Dann gründe ich eben meine eigene Crew und ich werde ein Käpt'n, der niemals stirbt!“
 

~ + ~ East Blue, Gecko Islands, Syrup Village ~ + ~
 

Zwei weiße Möwen segelten in einem weiten Bogen friedlich über den blauen Himmel und verschwanden anschließend in der Ferne. Dazu lachte eine volle Sonne herab. Das Meer glitzerte türkis und ließ kleine feine Wellen mit weißen Schaumkronen an den Strand rollen.
 

Ein Tag wie aus einem Bilderbuch.
 

„Schiff in Sicht! Schiff in Sicht!“ Lysop brummte genervt, als der scharfe Ruf ihn aus seinem Mittagsschläfchen riss. Jeder in seiner Crew wusste, dass er es genoss während eines so idyllischen Tages in seiner Hängematte am Heck der Swimming Lamb zu lümmeln und die Augen ein wenig zu schonen. Schließlich handelte es sich bei den Augen um das wichtigste Instrument eines Fünf-Sterne-Schützen, welches kontinuierliche Pflege erforderte.
 

„Schiff in Sicht!“
 

„Was denn für ein Schiff?“, rief Lysop genervt, in Gedanken bei den letzten Überresten eines Traumes, der sich langsam verflüchtigte. Es war ein guter Traum gewesen, doch wie alle guten Träume verging er, je mehr man versuchte ihn festzuhalten.
 

„Ein kleines für einen einzelnen Mann und ohne Flagge“, berichtete Möhre von seiner Position weit oben im Krähennest. „Aber das Modell ist Marine.“
 

Sofort wurde Lysop hellwach. Mit einem Fluch auf den Lippen sprang er aus der Hängematte, huschte über die Planken des Schiffsdecks und kletterte routiniert am Hauptmast empor. Als er im Ausguck ankam, nahm er Möhre wortlos das Fernglas ab und blinzelte hindurch. Seine Finger drehten und justierten wie von selbst die Schärfeeinstellungen des Geräts, bis er das Schiff am Horizont klar im Blick hatte. Sein Herz hüpfte schmerzhaft in seiner Brust. Es dauerte nicht lange, bis er den Mann, der auf sie zusteuerte, erkannte. Das Gesicht des einarmigen Ankömmlings mit den grünen Haaren war ihm fast so vertraut wie sein eigenes. „Fuck! Das ist Zorro!“
 

„Der von den Sieben Samurai?“, keuchte Möhre geschockt. „Der Schwarze Vize?“
 

Doch Lysop antwortete ihm nicht, sondern drückte ihm nur das Fernglas zurück in die Hände und rutschte wieder eilig am Hauptmast herunter. Seine Stiefel knallten geräuschvoll auf das Holz der Swimming Merry. Genauso knallte es in seinem Kopf und in seinem Magen, ein Knall aus Wut und Besorgnis.
 

Du machst mir keine Angst mehr, alter Gefährte. Crewbrecher.
 

„Alle Mann auf Gefächtsstation!“, brüllte Lysop über Deck. „Möhre, bleib oben im Ausguck und sieh nach ob er noch Unterstützung bekommt. Paprika und Zwiebel, ich will euch bewaffnet und einsatzbereit bevor er unser Schiff erreicht. Johnny, bring mir meine Ausrüstung. Yosaku, du sorgst im Fall der Fälle für Munitionsvorräte an strategischen Punkten unter und über Deck. Gimon... bleib einfach in deiner Kiste und warte auf weitere Befehle.“
 

„Ai ai, Käpt'n!“, brüllte ihm die Antwort seiner Mannschaft entgegen. Anschließend verwandelte sich das Schiff in einen summenden, geschäftigen Bienenstock. Stiefelschritte, Klirren, Ächzen, Türschlagen, Rufe, Gepolter und das lautlose Geräusch einer anstehenden Bedrohung. Obwohl Zorro inzwischen so nahe war, dass er auch ohne Fernglas zu erkennen war, nahm sich Lysop die Zeit zu lächeln und seinen Freunden bei ihrer Arbeit zuzusehen.
 

Meine Crew. Ein bunter, aber ehrlicher Haufen. Von ihnen würde niemand je zu der Marine überlaufen. Von ihnen würde niemand mich im Stich lassen...
 

Selbst die Swimming Merry schien sich bereit zu machen, denn sie lag angespannt und bewegungslos in den schaukelnden Wellen. Lämmchen hatte dieses Zwillingsschiff der Flying Lamb, mit der er vor Jahren als Teil der Strohhüte durch die Meere gesegelt war, aufgestöbert und überlassen. Sie besaß sogar den identischen Aufbau und unterschied sich nur durch den individuellen Touch, den sie ihr mit anderer Einrichtung verliehen hatten. So lehnte zum Beispiel der Schwerthalter von Johnny und Yosaku in einer Ecke nahe der Reling, während Lysops Fahndungsfoto mit einem Messer stolz an der Tür zur Küche befestigt war. Außerdem besaßen sie eine kleine Werkstätte, eine Sammlung aus Tischen und kleinen Schränkchen, in der Lysop seine neuesten Erfindungen bastelte.
 

Zu seiner Überraschung saß Kaya jedoch in diesem Moment an einem dieser Tisch, Federhalter in der Hand, einen Stapel von Medizinbüchern vor sich. „Warum bist du denn hier?“, fragte Lysop erschrocken. „Mach dass du wegkommst. Hier könnte es gleich ungemütlich werden.“
 

„Ich bin doch oft hier“, erwiderte Kaya entrüstet. Der Wind blies ihr ein paar blonde Haarsträhnen ins beleidigte Gesicht und erzeugten eines dieser Bilder von ihr, das Lysop jedes Mal kurz den Atem stocken ließen. Manchmal fragte er sich, wieso sich ein so schönes und cleveres Mädchen mit ihm abgab. Ihr Medizinstudium hatte sie inzwischen als Klassenbeste abgeschlossen, doch sie hörte trotzdem nie auf zu lernen, während sie die Familien in Syrup Village betreute. Scharen von Verehrern schwirrten täglich um sie herum.
 

Lysop schüttelte wild den Kopf um sich aus seiner Starre zu reißen. „Ja und du weißt, dass ich mich jedes Mal darüber freue, aber du musst hier weg. Sieh zu, dass du Land gewinnst.“
 

„Es ist Zorro, Lysop. Ihr ward doch mal Freunde.“
 

„Er ist ein verdammter Shichibukai, der Piraten jagt. Und ich bin ein Pirat. Also bitte bring dich in der Stadt in Sicherheit und warte, bis sich der Sturm gelegt hat.“
 

„Ich glaube kaum, dass er hier ist um dich festzunehmen“, murmelte Kaya.
 

„Ich habe auch nie geglaubt, dass er zur Marine überlaufen würde! Aber er hat es getan, okay? Also warum sollte er es dabei belassen? Erklärst du mir das?“ Lysops Stimme war strenger als er gewollt hatte, so dass er seine Worte beinahe sofort wieder bereute. Doch Kayas Miene wurde nicht noch beleidigter, sondern erweichte stattdessen mitfühlend. „Lysop...“
 

„Hallo, Lysop“, hörte er eine neue Stimme hinter sich sagen. Er fluchte wieder, drehte sich auf dem Absatz um und sah Zorro gerade in die Auge. Innerlich wütete er darüber, dass er Kaya nicht einfach von Bord gezerrt hatte um sie rechtzeitig aus dieser Situation zu schleifen. Er wollte nicht, dass sie es mitansehen würde. Er wollte, dass sie ihn nur von seiner wagemutigen und lustigen Seite kannte und nicht zu viel von den Rissen sah, die sein Innerstes noch immer durchzogen.
 

„Hallo, Crewbrecher“, gab Lysop bissig zurück. Aus den Augenwinkeln nahm er zufrieden zur Kenntnis wie sein Team in Position verharrte und mit Schwert und Pistole darauf wartete im Notfall einzugreifen.
 

Doch Zorro wirkte ganz entspannt und nicht sonderlich beeindruckt. Nur in seinen Augen brannte dieses Feuer, das zeigte, dass in ihm immer noch ein Wolf lauerte und bereit war Blut zu reißen wenn es sein musste. „Nenn mich nicht so. Ich bin hier um dich abzuholen. Du hast nicht auf den Nachrichtenvogel reagiert, also bin ich persönlich vorbeigekommen. Scheinbar wünscht sich der Herr ja eine Extraeinladung.“
 

„Ich habe nicht auf den Vogel reagiert, weil ich nicht reagieren wollte. Selbst wenn Ruffy wieder am Leben ist, komme ich nicht zurück. Ich habe jetzt meine eigene Crew und bin mein eigener Chef.“
 

Zum ersten Mal sah sich Zorro richtig um. Während sein Blick über alle Beteiligten wanderte, stahl sich ein spöttisches Grinsen auf seine Züge. Es machte Lysop wahnsinnig. „Red keinen Stuss“, sagte der Schwertkämpfer nur. „Steig in das Boot und lass uns zu den Anderen fahren. Sie sind alle schon da. Du bummelst als Letzter noch durch die Weltgeschichte.“
 

„Ich meine es Ernst!“, rief Lysop.
 

„Du meinst es Ernst?“, wiederholte Zorro amüsiert. „Was ich hier sehe, ist, dass du vor deiner alten friedlichen Heimat ankerst, auf einem Imitat unseres alten Schiffs und dabei eine Truppe von Kindern und Halbstarken um dich gescharrt hast.“
 

„Das ist mein Schiff! Das ist meine Crew!“, brüllte Lysop zurück, während er eine Pistole aus seinem Gürtel zog und auf seinen Gegenüber richtete. „Vielleicht haben sie keine gottverdammten Superkräfte wie Sanji oder du, aber das erlaubt dir nicht so zu reden! Gerade du nicht, verdammter Verräter! Was erlaubt dir über eine Crew zu urteilen, während du deine verlassen hast als sie dich am meisten brauchte?“
 

„Ich war mehr für euch da als du dir vorstellen kannst, du undankbarer Idiot!“
 

„Soll ich jetzt auch noch dankbar dafür sein, dass du ein Samurai geworden bist? Sieh dir doch mein Fahndungsplakat an! Sieh es dir ruhig gut an!“ Lysop deutete unwirsch mit seiner Waffe auf das zur Schau gestellte Foto an der Wand. „40.000.000 Berry für Lysop den Sogeking! Hier ist es friedlich, weil wir es friedlich halten. Wir haben Piraten vertrieben und die Marine bekämpft und ich stehe immer noch auf diesem Schiff! Ich kann gut auf mich alleine aufpassen!“
 

Zorro seufzte und fuhr sich mit den Fingern frustriert durch die Haare. „Hör zu, ich habe keine Lust zu diskutieren. Ich habe zu viel Scheiße durchgemacht um noch geduldig zu sein. Steig jetzt in das Boot. Wenn nicht, stopfe ich dich in einen Sack und schleif dich nach Alabasta!“
 

„So hast du es in den letzten Jahren wohl mit allen Piraten gemacht, oder?“
 

„Du hast keine Ahnung davon, was ich in den letzten Jahren getan habe. Was ich geopfert und aufgegeben habe. Also pass auf was du sagst!“
 

„Ich habe keine Angst davor die Wahrheit auszusprechen!“ Der Zorn in Lysop hatte sich über viele Monate angestaut und drohte an die Oberfläche zu blubbern wie eine durchgeschüttelte Sektflasche, der jeden Moment der Korken wegfliegen konnte. Er spürte, dass er seine Worte kaum noch unter Kontrolle hatte und die Pistole mit beiden Händen halten musste. „Du kommst hierher als Hund der Regierung, bellst los und erwartest, dass ich es hinnehme? Hebst das Bein und pinkelst auf mein Deck und denkst, ich lasse alles stehen und liegen?“
 

„Halt die Klappe, Lysop!“
 

„Ich komme nicht mit zurück!“
 

Zorros Blick verfinsterte sich. Ein Schatten fiel auf sein Gesicht, obwohl die Sonne weiter an einem wolkenlosen Himmel schien. „Wovor hast du Angst, Langnase?“ Die Frage traf einen wunden Nerv.
 

Ich verstecke mich nie wieder...
 

„Ich – habe – keine – Angst!“ Ein Schuss löste sich. Im Nachhinein wusste Lysop nicht mehr ob er den Abzug hatte betätigen wollen oder nicht, aber egal ob als Versehen oder Absicht, er schoss und riss ein blutendes Loch in Zorros Schulter. Die Wucht riss den Schwertkämpfer nach hinten. Während Lysop noch mit dem Schock rang, fing sein alter Kamerad den Fall ab, zog ein Katana und sprang auf ihn los.
 

„Oh Gott, tut das nicht!“, flehte Kaya im Hintergrund. Ihre Worte fanden keinen Anklang.

Als Zorro schon fast bei ihm war, warf Yosaku Lysop eine seiner eigenen Klingen zu, so dass er sie fangen und den folgenden Schwerthieb im letzten Moment parieren konnte. Funken sprühten, als Stahl auf Stahl traf. „Seit wann kannst du fechten?“, fragte Zorro milde überrascht.
 

„Seit mein alter Vize zum Schwarzen Vize geworden ist.“
 

Zorro knirschte mit den Zähnen und nutzte die Pattsituation ihrer gekreuzten Klingen, um Lysop einen Tritt in den Magen zu verpassen. Er flog nach hinten, prallte mit dem Rücken gegen den Mast und spürte die Luft aus seinen Lungen weichen.
 

Ich verstecke mich nie wieder... Nicht vor dir Zorro...
 

Lysop rappelte sich sofort wieder unter dem Johlen seiner Crew auf und ging selbst zum Angriff über. Das offensive Verhalten schien Zorro zu verblüffen, denn er ließ seine Deckung weit genug offen um einen schweren Faustschlag gegen das Kinn zu kassieren.
 

Ich habe keine Angst zu kämpfen!
 

Zorro ließ seinen Schädel dafür mit einer Wucht gegen seine Nase krachen, dass er etwas knacken hörte. Im Gegenzug stieß Lysop ihm den Knauf seiner Waffe gegen die verwundete Schulter. Für eine Weile kämpften sie auf gleicher Höhe, Schlag um Schlag, Tritt um Tritt, und Lysop spürte, dass der Schwertkämpfer davon verwundert war.
 

Ich habe keine Angst vor Schmerzen!
 

Blut besprenkelte die Holzplanken wie rote Regentropfen. Kaya schrie weiter auf sie ein, die Worte gedämpft durch ihre zarten Hände, die sie entsetzt vor den Mund geschlagen hatte. Aus ihrer Crew wagte es niemand sich in dieses Duell einzumischen. Lysop war ihnen dankbar dafür.
 

Ich verstecke mich hinter niemandes Rücken... Früher habe ich mich hinter dem von Ruffy versteckt. Und dem von Zorro. Selbst dem von Nami manchmal. Nie wieder!
 

„Ich gebe zu, dass ich beeindruckt bin“, flüsterte Zorro, als sich ihre Schwerter ein weiteres Mal kreuzten. „Aber du weiß, dass du diesen Kampf trotzdem nicht gewinnen kannst.“
 

Lysops Mund war ein dünner Strich zwischen dicken Lippen. Sein Gesicht war blutüberströmt und sein Körper brannte wie Feuer, doch er achtete nicht auf die Zeichen der Müdigkeit. „Das ist mir scheißegal, verdammter Verräter!“
 

„Ich bin kein Verräter! Dank mir seid ihr alle noch am Leben! Es war meine Verantwortung als Vize! Ich hatte eine Entscheidung zu treffen, sonst wären wir alle an Ruffys Tod zu Grund gegangen. Ich habe alles getan um dich und die Anderen am Leben zu halten!“ Zorros nächster Schlag durchbrach seine Verteidigung und explodierte in seiner Wange wie eine von Mr. 5s Poppelbomben.
 

Der Schlag war so stark, dass Lysop mit einer Drehung durch die Luft wirbelte und gegen die Reling knallte. Für ein paar Sekunden sah er nur bunte Sterne vor seinen Augen tanzen. Als seine Sicht wieder aufklarte, starrte er in Zorros wütende Augen. Auch dessen Körper wirkte lädiert. Schwer atmend blieben sie Beide wo sie waren und funkelten sich an.
 

„Jetzt hör mir zu, Lysop“, schnaufte der Schwertkämpfer. „Ich war Shichibukai. Ich besiegte Falkenauge um mir dessen Position zu schnappen und das nur, damit ihr Frieden habt. Für meine Loyalität ließen sie euch in Ruhe, lösten die Kopfgelder auf und erlaubten Robin weiterzuleben. Du bist keine Ausnahme! Ab und zu schicken sie ein Schiff, um dich bei Laune zu halten, doch dein Fahndungsfoto ist Nichts wert!“
 

„Halt dein Maul...“
 

„Komm schon mit. Ruffy wartet.“
 

„Zwei Jahre lang habe ich auf Ruffy gewartet!“, schrie Lysop zurück. „Doch er hat sich einfach von Bord werfen lassen. Er ist einfach gegangen und hat uns im Stich gelassen! Billig hat er sich aus der Angelegenheit gezogen und wir waren auf uns gestellt! Ruffy kann mich mal!“
 

Der Wolf in Zorro erwachte. Lysop sah genau, dass er eine gefährliche Grenze überschritten hatte. Mit einem gewaltigen Satz sprang der beste Schwertkämpfer der Welt auf ihn zu, das Katana zum Schlag über den Kopf erhoben. Der Moment zog sich endlos in die Länge und war doch zu schnell für ihn. Er konnte seinen Arm nicht heben, obwohl er es verzweifelt versuchte. Er wusste, wenn er sich nicht irgendwie schützen würde, dann würde Zorro ihn töten.
 

„Hört auf!“
 

Ein leichter Windzug. Der Flug blonder Haare und eines weißen Sommerkleides. Die kühle Berührung einer besorgten Person an seiner erhitzten, vom Kampf gezeichneten Haut. Kaya.
 

Zorros Klinge kam nur wenige Zentimeter vor ihrem lieblichem Gesicht zitternd zum Stehen.
 

Mehrere Herzschläge lang war Lysop wie gelähmt. Kaya hatte sich völlig ohne Rücksicht auf ihr eigenes Wohl vor ihn geworfen und mit beiden Armen bedeckt. Dabei blickte sie Zorro trotzig an. „Das reicht jetzt!“, verlangte sie mit Tränen in den Augen. „Kannst du nicht sehen, dass er genug hat? Ich lasse nicht zu, dass du ihm weiter wehtust.“ Nach und nach trat jetzt auch seine Mannschaft zwischen sie, erst seine Jungs – Möhre, Zwiebel und Paprika -, dann Gimon, dann Johnny und Yosaku. Möhre ging sogar so weit Zorros Katana dabei zur Seite zu drücken.
 

„Wenn du an unseren Käpt'n willst“, zischte der Junge mit den karottenfarbenen Haaren in einem erwachsenen Ton, der so gar nicht zu seiner kindlich schlaksigen Statur passen wollte. „Dann musst du erst an jedem Einzelnen von uns vorbei!“
 

„Genau!“
 

„Wir verteidigen ihn mit unserem Leben, wenn es sein muss!“
 

Die unzähligen Wunden auf Lysops Körper brannten wie Hölle, doch was noch mehr brannte waren die stechenden Tränen in seinen Augen. Es kostete ihn unendliche Überwindung sich nicht in dieser heldenhaften Geste auszuruhen, sondern Kayas Hände sanft von sich zu lösen und sich aufzurichten. Er wusste, dass sie gegen Zorro keine Chance haben würden, wenn es zum Äußersten käme. „Danke, Leute. Aber ist schon gut. Ich habe das im Griff.“
 

Ich verstecke mich nicht. Ich habe keine Angst.
 

„Kein Hasenfuß mehr, Lysop?“, fragte Zorro mit einer hochgezogenen Augenbraue. Als Antwort ließ Lysop das Schwert in seiner Hand kreisen. „Komm schon. Bringen wir es zu ende.“
 

„Hört doch endlich auf!“, schrie Kaya ein weiteres Mal, während sie abermals zwischen sie sprang. Ihre Finger und ihr schönes Kleid, das Lysop so gern an ihr sah, waren von seinem Blut besudelt. „Jeder kann doch sehen, dass ihr beide leidet! Warum könnt ihr das nicht zugeben?“
 

„Kaya... Geh bitte aus dem Weg...“
 

„Nein! Ich werde mich nicht rühren, bevor ihr miteinander redet wie zwei normale Menschen. Habt ihr vergessen wie es ist Probleme nicht mit der Faust oder dem Schwert zu lösen?“ In ihrem Blick lag die Verzweiflung, als sie erst Zorro und dann ihn betrachtete. „Zorro, warum ist in dir soviel Wut, dass du bereit bist einen alten Freund niederzustrecken? Und Lysop, ich weiß genau wie schlecht es dir geht. Ich kann es in deinen Augen sehen, schon seit du hier aufgetaucht bist. Es bricht mir das Herz.“
 

„Hör auf deine Freundin, Langnase“, grinste der Schwertkämpfer spöttisch.
 

Lysop knurrte. „Schnauze, Zorro!“
 

Langsam trat Kaya auf ihn zu und umarmte ihn so sanft wie ein zerbrechliches Ei. „Ich liebe dich, Lysop, aber ich kann nicht länger dabei zusehen, wie du dich quälst. Zorro war grob und forsch, aber mit Einem hatte er recht.“ Ihre Worte wehten leise im Wind. „Wovor hast du solche Angst?“
 

„Ich habe keine Angst“, war seine automatische Antwort. Doch die Lüge überzeugte weder Kaya noch ihn selbst. Sein Blick verschwamm, als die warme Berührung seiner Angebeteten ihn erweichen und den Panzer aus Eis um sein Herz schmelzen ließ.
 

„Lysop... Bitte...“
 

„Ich habe Angst ihn zu enttäuschen“, flüsterte Lysop schließlich zitternd, auch wenn alles in ihm danach schrie die Klappe zu halten. „Nicht noch einmal. Wenn Ruffy wirklich noch am Leben ist, wenn wir weiter um die Welt reisen, dann enttäusche ich ihn vielleicht wieder. Dann lasse ich ihn im Stich.“
 

„Du hast Ruffy nie enttäuscht, Langnase“, warf Zorro ein. Während er sich mit einem Shirt-Zipfel beiläufig das Blut von der Stirn wischte, schien er damit auch den Frust wegzuwischen. So war es schon immer gewesen in ihrer Bande. Man kämpfte und stritt, ließ Dampf ab und lag sich im nächsten Moment doch wieder in den Armen.
 

„Doch hab ich!“ Alles drohte wieder an die Oberfläche zu gelangen. Alles was Lysop so fein säuberlich in eine Ecke seines Gedächtnisses gesperrt hatte um sich nicht erinnern zu müssen. Der Druck in seiner Brust lag unendlich schwer auf ihm. „Am Tag als er von Bord gestoßen wurde. Du hast gekämpft, Zorro, und Sanji und Robin und alle anderen. Nur ich... ich hab mich hinter ein paar Fässern versteckt und nur ab und zu meine Schleuder raus geholt. Doch ich hätte mehr tun sollen. Wenn ich nicht so ein verdammter Schisser gewesen wäre, hätte alles anders sein können!“ Die letzten Worte schrie er in den Himmel, dass es seine Kehle zu zerreißen schien.
 

„Lysop... Tu das nicht...“, flehte Kaya.
 

„Es ist aber die Wahrheit. Wenigstens einmal in meinem Leben spreche ich die Wahrheit! Ich hab mich immer nur versteckt, hinter Lügen, hinter Ruffy und den Anderen. Hinter ein paar verfluchten Fässern!“
 

„Mach dich nicht fertig wegen etwas, das in der Vergangenheit liegt“, sagte Zorro ruhig. „Wir alle haben schon Dinge getan, auf die wir nicht stolz sind. Es geht nur darum seine Lektion zu lernen und sich zusammenzureißen.“
 

„Du bist kein Schisser, Lysop, das warst du noch nie“, ergänzte Kaya. „Mut hat nichts damit zu tun keine Angst zu empfinden. Mut bedeutet viel mehr, dass man für etwas einsteht obwohl man Angst hat. Und das hast du an Ruffys Seite getan. Ich kenne die ganzen Geschichten. Ich weiß, dass sie keine von deinen Flunkereien sind. Mit Ruffy hast du dich Beauregard in den Weg gestellt, als er unser Dorf angreifen wollte. Du hast einen Offizier der Fischmenschen besiegt. Du hast die Flagge der Weltregierung verbrannt!“ Während sie sprach, nahm sie seinen Kopf in ihre warmen Hände und zwang ihn so dazu in ihre braunen Augen zu blicken.
 

Dann, ganz langsam, lehnte sie sich nach vorne und berührte seine Lippen mit ihren. Der Kuss war zart und leicht wie Schmetterlingsflügel. Lysop schloss die Augen, so dass er sich ganz in diesem Gefühl verlieren konnte. Nie hatte er mehr Geborgenheit empfunden. Nie hatte ihn jemand so mit seinen Worten bewegt wie in diesem Augenblick.
 

Als Kaya wieder von ihm abließ, lächelte sie mit geröteten Wangen. „Du musst gehen.“
 

Er wusste, dass sie Recht hatte. Egal wie oft er gesagt hatte, dass er keine Angst mehr hatte, so hatte er sich doch in den letzten Tagen von seiner größten Angst leiten lassen. Das musste aufhören. Wenn es auch nur die geringste Möglichkeit gab wieder als Strohhutbande in haarsträubende Abenteuer zu segeln, dann musste er den Mut aufbringen sich dieser Angst zu stellen. Den Mut aufbringen dafür einzustehen obwohl er sich fürchtete. „Ja, ich muss gehen.“
 

„Na bitte. Warum nicht gleich so?“, grunzte Zorro. Während ihres intimen Moments hatte er sich im Hintergrund gehalten und mit den Füßen auf dem Boden gescharrt, doch nun sprang er voller Tatendrang zurück auf sein kleines Boot, das neben der Swimming Merry ankerte. „Los geht’s!“
 

Schuldbewusst wandte sich Lysop seiner Crew zu. Sie beobachteten ihn alle mit großen Augen. Als er dazu ansetzte ein paar entschuldigende Worte zu sprechen, trat Möhre nach vorne und nahm ihm das Reden ab. „Du musst Nichts sagen, Lysop. Geh einfach. Wir haben immer gewusst, dass du nicht ewig hier im East Blue rumdümpeln würdest, und wir schworen uns dich zu unterstützen, wenn der Tag kommen würde.“ Möhre ballte die Hand zur Faust und streckte sie in die Luft. „Lysop Piraten für immer!“
 

„Lysop Piraten für immer!“
 

„Lysop Piraten für immer!“
 

Lysop selbst spürte, dass er über beide Ohren grinste. Mit Zeige- und Mittelfinger spannte er eine imaginäre Pistole und hielt sie in ihre Richtung, drückte ab und kehrte ihnen anschließend wie gewünscht ohne ein weiteres Wort den Rücken zu. Es gab so oder so Nichts, das deutlicher sprechen würde als das stille Verständnis zwischen seiner Bande, ihm und Kaya.
 

Ein Abschied, der eines Kapitäns würdig war.
 

Als ihr Boot einige Minuten später weit genug von den Gecko Islands entfernt war, dass sie nur noch als Punkt am Horizont erkennbar blieben, brach Zorro erstmals wieder das Schweigen. „Du hast gute Freunde, Lysop. Und ein klasse Mädchen.“
 

„Ich weiß...“ Lysop berührte flüchtig seine Lippen, immer noch ein wenig verdattert über seinen ersten Kuss mit Kaya. In seinem Kopf formte sich ein Gedanke, den er eigentlich schon immer irgendwie in sich getragen hatte. „Wenn Ruffy Piratenkönig geworden ist, werde ich sich heiraten.“
 

„Dann sollten wir uns beeilen“, grinste Zorro. Mit seiner Hand zog er eine Telefonschnecke aus seinem Seebeutel hervor und drückte den Verbindungsknopf. „Ich sage den Anderen bescheid, dass wir uns auf dem Weg befinden.“
 

Die Schnecke schrillte zweimal mit offenem Mund, bevor ihr träges Schmatzen die hergestellte Verbindung signalisierte. „Zorro! Endlich!“ Es war immer wieder ein seltsames Erlebnis eine Schnecke mit der Stimme einer bekannten Person sprechen zu hören. In diesem Fall hatte das grell rote Tier den Ton von Nami angenommen. „Ist Lysop bei dir?“
 

„Ja, wir sind-“
 

„Ihr müsst so schnell es geht nach Alabasta zurückkommen!“ Lysop hatte sich erhofft ein wenig mehr Begeisterung in der Stimme der Navigatorin wahrnehmen zu können. Stattdessen klang sie abgehackt und hektisch. „Beeilt euch! Die Marine muss bemerkt haben, dass wir uns wieder sammeln. Mehrere Kriegsschiffe stehen an den Küsten Alabastas bereit! Es riecht nach Ärger!“

8. Scherbe [Chopper] - Healing

~~ + ~~ 8. Scherbe [Chopper] - Healing ~~ + ~~
 

Healing: “1.) to restore to health or soundness; 2.) to set right; repair; 3.) to restore (a person) to spiritual wholeness“
 

~~ + ~~
 

Liebe Kuleha,

ich schreibe dir weiterhin aus Alabasta, das Land von Vivi, die uns nach dem Zusammenbruch unser Crew Unterschlupf gewährt hat. Ich versuche für die Anderen ein guter Arzt zu sein, doch auch wenn ich behaupte, dass ich alle Krankheiten besiegen möchte, scheine ich an meine Grenzen zu stoßen. Denn Trauer ist auch eine Krankheit. Ich sehe, dass sie jeden von uns infiziert hat. Doch es gibt kein einfaches Mittel sie zu heilen. Tränen können sie vielleicht für eine Weile ertränken, Wut kann sie ausblenden und verdrängen, aber dabei handelt es sich nicht um echte Heilung, sondern nur um Betäubungen, Schmerzmittel, Anästhetika.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Wie soll ich denn Nami, Sanji und den Rest heilen, wenn ich selbst erkrankt bin?
 

~ + ~ Grandline, Arbana, Hauptstadt von Alabasta ~ + ~
 

Chopper rieb sich mit dem Huf über die müden Augen und gähnte ein langgezogenes Gähnen, das seinen Kiefer zum Knacken brachte. Vor ihm auf dem Schreibtisch waren die letzten Seiten eines Buches aufgeschlagen. Die halbe Nacht hatte er erfolglos darin gelesen. Inzwischen verschwommen die geschriebenen Worte über Therapien, Heilpflanzen und Krankheitsbilder in seinem Kopf bereits zu einem wirren Brei, der keinen Sinn ergab und besonders keine Antworten auf die Frage lieferte, die ihn seit Wochen beschäftigte.
 

Wie konnte er Ruffys Gedächtnis wiederherstellen?
 

Für eine Weile betrachtete er das Problem zum wahrscheinlich tausendsten Mal, während er seine kurzen Beine, die nicht einmal vom Stuhl bis auf den Boden reichten, baumeln ließ. Es war inzwischen bereits drei Monate her, dass sie Ruffy im Spiders Cafe gefunden und mit in Vivis Palast gebracht hatten. Doch von ihrem einst so lebensfrohen, unzähmbaren Kapitän war nicht viel übrig geblieben. Um genau zu sein hatte er fast alle seine Erinnerungen an sein früheres Leben verloren. Er wusste nichts über seine Teufelskräfte, über seine Zeit als Pirat, nicht einmal etwas über Ace. Selbst seinen sonst so geliebten Strohhut wendete er nur teilnahmslos in seinen Händen, bevor er ihn mit einem Schulterzucken auf dem nächstbesten Tisch liegen ließ.
 

Dieser Anblick allein ließ Choppers kleines Herz jedes Mal schmerzhaft zusammen schrumpeln.
 

Hinzu kam, dass sein Kurzzeitgedächtnis mindestens ebenso stark beschädigt zu sein schien, so dass sie ihm etwa einmal pro Woche aufs Neue erklären mussten wo er war und in welcher Beziehung sie zu ihm standen. Dann würde er sie nur mit großen Augen anstarren wie ein ungläubiges Kind, dem man gerade versuchte weiß zu machen, dass es eigentlich fliegen konnte.
 

Chopper seufzte schließlich und schlug das Buch frustriert zu. Der alte Foliant spuckte dabei eine Ladung Staub aus, der noch lange nachdem er den Raum verlassen hatte wie kleine Schneepartikel in der Luft hing. Im Wohnbereich angekommen tapste er auf einen niedrigen Tisch neben den mit bunten Kissen dekorierten Sofas zu. Immer wenn er so lange recherchierte, dass die anderen bereits ins Bett gegangen waren, ließ es sich Sanji nicht nehmen ihm eine Karaffe mit frischem Quellwasser bereitzustellen. Als kleinen Bonus hatte er diesmal Zitronenstücke zu kunstvollen Seerosen geschnitzt und mit in die Karaffe gegeben. Das silberne Mondlicht von draußen leuchtete auf sie und ließ sie beinahe wie echte Pflanzen aussehen.
 

Es ist lange her, dass Sanji so etwas getan hat... Klar, er kocht und backt noch immer fantastisch, aber er hat lange nicht mehr etwas auf diese Weise dekoriert, nur der Schönheit willen...
 

Chopper nahm es als ein gutes Zeichen.
 

Das Glas, das er mit Zitronenwasser füllte, war groß genug um es mit beiden Hufen nehmen zu müssen. Mehrmals kleckerte er fast etwas auf den kostbaren Teppich, während er sich bemühte das Gefäß zu seinem privaten Zimmer zu balancieren. Vivi hatte ihnen einen ganzen Flügel ihres Palastes bereitgestellt, so dass sie neben dem Wohnbereich mit separatem Arbeitszimmer, Küche und Bädern auch jeder seinen eigenen Rückzugsort bekamen. Es fühlte sich immer noch merkwürdig an nicht mehr das ohrenbetäubende Schnarchkonzert der anderen männlichen Crewmitglieder direkt neben sich zu wissen. Stattdessen ertappte er sich manchmal in der Stille seines Einzelzimmers sogar dabei, wie er überlegte zu einem der Anderen in den Raum zu schleichen und sich vor dem Bett zusammenzurollen.
 

Doch ich traue mich nicht und verstehe nicht warum... Früher lag ich doch auch manchmal bei Robin oder Lysop mit im Bett...
 

Als er über den Flur ging, sah er, dass in Ruffys Zimmer zu dieser späten Uhrzeit noch Licht brannte und die Tür geöffnet war. Neugierig steuerte er darauf zu, leerte im Gehen das Glas mit riesigen Schlucken bis sein Bauch ganz dick wurde und stellte sich an die Türschwelle.
 

Ruffy schlief, das erkannte Chopper sofort an der riesigen Blase an seiner Nase, die sich im Takt seiner Atmung aufblies und wieder in sich zusammensackte. Ihr Kapitän schien so tief im Reich der Träume zu reisen, dass er nicht einmal merkte wie Nami auf einem einfachen Holzstuhl neben ihm saß und sanft durch seine Haare strich.
 

Es gab ein seltsames Bild ab, das Chopper so in dieser Form noch nie bei ihnen gesehen hatte. Es lag eine derart starke Zuneigung in dieser einfachen Geste, dass er das Gefühl hatte verbotenerweise in diesen Moment eingedrungen zu sein. Hektisch versuchte er sich daher auf seine ganz eigene Methode hinter dem Türrahmen zu verstecken, doch noch während er wie ein aufgeschrecktes Huhn herum wuselte, wandte sich Nami ihm zu.
 

Sie lächelte friedlich. „Guten Abend, Chopper.“
 

„Ich wollte nicht-“, begann er, doch ließ den Satz am Ende doch unvollständig. Es gab so Vieles, das er nicht wollte. So Vieles, das nicht so ablief wie er es sich wünschte. Mit dem Blick auf Ruffy gerichtet trat er vorsichtig ein Stück näher. „Wie geht es ihm?“
 

„Keine Veränderung“, antwortete Nami. „Er schläft ziemlich viel, noch mehr als früher. Und wenn er wach wird, dann muss man ihm erst mal wieder erklären was überhaupt los ist. Er erinnert sich an fast Nichts. Nicht an das Pirat-Sein, nicht an die ganzen Abenteuer, die wir schon überlebt haben, nicht mal an mich...“ Sie wandte sich schnell ab und verbarg ihr Gesicht hinter einem Schleier orangefarbener Haare. Für einen Moment befürchtete Chopper sie würde wieder zu weinen anfangen. Stattdessen rieb sie sich die Stirn und murrte in einem genervten Ton: „Er könnte sich wirklich langsam wieder aufraffen. Jeder Scheiß heilt bei ihm doch sonst so schnell wie er die nächste Fleischkeule verputzt.“
 

Auch das ist lange nicht mehr passiert. Nami, wie sie leibt und lebt...
 

Chopper konnte sich ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. „Das stimmt.“
 

Die Navigatorin erhob sich anmutig, warf noch einen letzten sehnsüchtigen Blick auf Ruffys schlafendes Gesicht und unterdrückte ein leises Gähnen. Dunkle Augenringe zeugten von ihrer Rastlosigkeit. „Du bekommst das hin, Chopper, oder? Du machst ihn wieder gesund.“
 

„Ich gebe mein Bestes“, erwiderte er. Im nächsten Moment biss er sich für diese Worte wütend auf die Zunge, denn er wusste, dass es nicht das war, was Nami hören wollte. Doch sie schmunzelte nur und tätschelte ihm im Vorbeigehen zärtlich das weiche Fell in seinem Nacken. „Ich weiß.“
 

„Soll ich dir noch einen Tee machen?“, fragte er hastig.
 

Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nicht nötig. Aber danke, Chopper. Schlaf gut.“
 

Während Nami in ihrem Zimmer verschwand, breitete sich eine wohltuende Wärme in seinem Körper aus. Lange Zeit hatte er große Angst um die Navigatorin gehabt. Nicht die Art von Angst, die einen befällt wenn ein starker Gegner vor einem steht, sondern eine viel größere, existentielle Angst, die ihm den Magen umdrehte als hätte er eine Lebensmittelvergiftung. Die Angst, dass sie ihre Trauer nicht überwinden würde. Doch seit Ruffy wieder aufgetaucht war, seit sie an seinem Bett wachte und er fieberhaft nach einer Lösung für den Gedächtnisverlust ihres Kapitäns suchte, war ein verloren gegangenes Leuchten in ihre Augen zurückgekehrt.
 

Es war ein Anfang. Der Rest lag in Choppers Händen.
 

~+~
 

Liebe Kuleha,

auch wenn ich keine Fortschritte bei Ruffys Genesung erziele, lerne ich jeden Tag etwas dazu. Die Crew scheint vor meinen Augen einen Teil ihrer alten Kraft wiedergefunden zu haben und damit die schwerwiegendsten Wunden in den Griff zu bekommen – wenn auch nur langsam. Nami ist vielleicht das beste Beispiel dafür, dass Emotionen sowohl verletzen als auch kurieren können. Wie ich dir häufig berichtete litt sie nach Ruffys vermeintlichem Tod unter schwerer Migräne, die nur mit stark lindernden Tees und Medikamenten halbwegs erträglich wurden. Doch seit Ruffy wieder unter uns ist, wenn auch nur als Schatten seiner selbst, hat sie nicht einmal über Kopfschmerzen geklagt. Das Pulver für ihre Tees liegt unbenutzt in meinem Schrank.
 

Ich denke, die Heilung für Trauer ist Hoffnung.
 

~+~
 

„Lysop!“ Der Schütze stand so plötzlich gemeinsam mit Zorro in der Tür des Wohnzimmers, dass alle Anwesenden eine Weile brauchten um den Anblick verarbeiten zu können. Dann jedoch gab es kein Halten mehr, zumindest nicht für Chopper. Mit einem gewaltigen Sprung warf er sich lachend in die Arme seines Freundes, der ihn mindestens genauso begeistert auffing, herumwirbelte und in die Höhe hob. „Chopper!“
 

Auch die anderen stimmten in die herzliche Begrüßung ein, klopften Schultern, tauschten Umarmungen und kräftige Handschläge aus, während alle wild durcheinander redeten bis Chopper sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Doch es war ihm auch egal. Das warme Gefühl, das er schon neulich bei Nami im Bauch gespürt hatte, schwoll an und ließ ihn mehr als tausend Worte wissen was dieses Wiedersehen für sie alle bedeutete.
 

Schon lange war er nicht mehr so glücklich gewesen.
 

Mit einem nicht zu bremsenden Grinsen im Gesicht beobachtete er wie Nami Lysop und ihn an sich drückte und dabei ganz aufgedreht auf und ab sprang. Neben ihnen hauchte Robin Zorro zur Begrüßung wortlos einen leichten Kuss auf die Wange, was Sanji so in fassungslose Rage stürzte, dass ihm Dampf aus den Ohren zu schießen schien. Schon im nächsten Moment blafften sich der Koch und Zorro in alter Manier an als hätten sie ihre Hahnenkämpfe nie eingestellt.
 

„Was hast du mit Robin-chan gemacht als ihr alleine ward, du Spinatschädel-Lüstling??“
 

„Lüstling? Spinnst du? Ausgerechnet du Weichbirne bezeichnest mich als Lüstling?“
 

„Siehst du hier vielleicht noch einen Spinatschädel?“
 

„Du willst wohl kämpfen!“
 

„Ich kloppe mich nicht mit Einarmigen!“
 

„Lieber Arm ab als Hirn weg!“
 

Robin kicherte hinter hervor gehaltener Hand und brachte schließlich Frieden zwischen die beiden Streithähne indem sie auch Sanji einen versöhnlichen Kuss auf die Wange gab. Der Koch schmolz augenblicklich zu Boden wie warm gewordener Pudding. „Rooobin...“
 

„Ich würde mich auch über einen Kuss freuen. Ich habe so lange keinen Kuss mehr auf meiner Haut gespürt!“, sagte Brooke mit einer vielsagenden Pause, die sie alle füllten, indem sie riefen: „Aber du hast doch gar keine Haut mehr!“
 

Brooke strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Dann will ich wenigstens ein paar Unterhosen sehen!“
 

„Ich bin gerade so gut drauf“, lachte Nami über alle hinweg, bevor sie das Skelett in ihre Gruppenumarmung einschloss und an sich presste. „Dass ich dich für diesen Kommentar nicht einmal schlagen werde, du altes Klappergestell!“
 

Es ist wie früher...
 

„Stimmt es, dass du eine eigene Bande hast, Lysop?“, fragte Chopper atemlos in die ungefähre Richtung, in der er zwischen all den Gliedmaßen und Körpern den Schützen vermutete.
 

„Und ob das stimmt. Sie wollten unbedingt, dass ich bleibe, doch ich hab ihnen gesagt: 'Jungs, es ist Zeit zu gehen. Jeder gute Sidekick verdient irgendwann sein eigenes Spin-Off. Und die Lysop Piraten sind eures!'“
 

„Du erzählst ja doch wieder Quatsch, Langnase“, brummte Zorro mit dem Anflug eines schiefen Lächelns. Lysop grummelte: „Ist doch nur Spaß.“
 

Ich glaube... Ich glaube mein Herz platzt von so viel Freude...
 

Sie waren alle wieder vereint. Robin war die Erste gewesen, die mit Zorros Hilfe zu ihnen gestoßen war. Dann Franky und Brooke. Und jetzt, mit Lysop und Zorro leibhaftig vor ihnen, hatte die Crew wieder zueinander gefunden.
 

„Wie seid ihr überhaupt an der Marine vorbeigekommen?“, fragte Nami schließlich in die Runde. „Die ganze Küste ist voll mit ihren Schlachtschiffen und es werden jeden Tag mehr.“
 

„Gar kein Problem für uns“, erwiderte Lysop mit einem hoch gestreckten Daumen. Zorro löste sich aus der Gruppe und ließ sich auf eines der Sofas fallen, während er erklärte: „Wir sind wie damals über Nanohana gekommen. Mit meinem Marineschiff, das sie mir als Shichibukai gestellt haben, und im Schutz der Nacht waren wir unauffällig genug.“
 

„Trotzdem stellt diese Belagerung ein Problem dar“, sagte Robin ruhig. „Wir sollten Alabasta möglichst schnell hinter uns lassen, jetzt wo wir wieder vereint sind.“
 

Choppers Herz begann unangenehm zu klopfen. Er wollte nicht derjenige sein, der diesen schönen Moment als erster ruinierte, doch er war der Arzt und es war seine Pflicht. „Wir können nicht gehen, solange Ruffy nicht geheilt ist“, sagte er. „Hier habe ich Zugriff auf die königlichen Landesbibliotheken, auf medizinische Instrumente und Arzneien. Wenn ich Ruffys Gedächtnis wieder in Ordnung bringen kann, dann hier.“
 

„Du schaffst das, Chopper“, antworteten sie alle wie aus einem Mund. „Wir glauben an dich.“
 

~+~
 

Liebe Kuleha,

ich danke dir für deine Vorschläge aus dem letzten Brief. Leider haben auch diese zu keinem Erfolg geführt. Langsam gehen mir wirklich die Ideen aus. Gleichzeitig ist unsere Crew wieder beisammen und so ausgelassen wie schon ewig nicht mehr. In Ihnen erkenne ich eine weitere, eigentlich ganz einfache Wahrheit: Die Heilung für Einsamkeit ist Freundschaft.

Doch ich spüre auch den unausgesprochenen Druck auf meinen Schultern und ich weiß nicht, was ich tun soll. Langsam bekomme ich Angst. Was ist, wenn mein Bestes nicht gut genug ist? Was ist, wenn es für Ruffy keine Heilung gibt und seine Erinnerungen unwiderruflich verloren sind? Mit jedem Tag ankern mehr Marineschiffe an den Grenzen dieses Landes. Sie sind wegen uns hier. Vivi gibt uns weiter Deckung, doch wir alle wissen, dass wir mit unserer Anwesenheit eine neue Unruhe in ihrem Land provozieren. Niemand möchte das. Doch uns läuft die Zeit davon.
 

Zeit ist wie eine Rolle Verbandszeug, die wir versehentlich fallen gelassen haben. Wir versuchen sie noch zu fangen und aufzuhalten, doch sie ist bereits am Boden angekommen und rollt unaufhaltsam davon.
 

~+~
 

Chopper ging zunächst sicher, dass ihm niemand im Wohnzimmer Beachtung schenkte, bevor er es sich gestattete frustriert die kleinen Augen zusammenzukneifen. Ein weiteres Buch über Medizin hatte ihn enttäuscht und keinen neuen Hinweis geliefert. Während er es zuklappte und seine Kehle mit einem Schluck von Sanjis Zitronenwasser benetzte, seufzte er ganz leise. In einer Ecke spielte Brooke ein sanftes Lied auf einer Violine, so dass kein Nakama Chopper hören konnte. Lysop und Franky diskutierten angeregt über neue Waffensysteme, während sie an dem Körper des Cyborg herumschraubten. Zorro saß auf einem Sofa, den Kopf in den Nacken gelegt und laut schnarchend. Rechts neben ihm hatte Robin sich ausgestreckt und ihren eigenen Kopf in seinen Schoß gebetet, während sie ein Buch las. Die Beiden ging anders miteinander um als früher. Vorsichtiger, wortkarger und doch vertrauter. Es hatte Sanji in den ersten Tagen beinahe in die Raserei getrieben. Inzwischen akzeptierte er es aber mit einem Grummeln und schenkte Nami und Vivi seine volle Aufmerksamkeit. Die beiden Mädchen hockten über einem traditionellen Brettspiel von Alabasta, bei dem es darauf ankam mit unterschiedlichen Figuren und Strategie den gegnerischen Pharao zu stürzen.
 

So zogen sich die meisten Tage dahin. Friedlich und ruhig und für Chopper ein bisschen wie die Ruhe vor dem Sturm.
 

Als er sich aufrichtete und das Buch in einem Regal verstaute, drehten sich alle Köpfe nach ihm um. Nami war die Erste, die vorsichtig fragte: „Und?“
 

Chopper kam nicht dazu ihr zu antworten, denn in diesem Augenblick hörte er Lärm und aufgeregte Stimmen aus dem Flur zu ihm vordringen. „Sie können nicht einfach hier hereinplatzen! Der Palast darf ohne Zustimmung der Königsfamilie nicht betreten werden!“
 

„Ich habe die Erlaubnis der Weltregierung!“, knurrte jemand, den sie alle nur zu gut kannten.
 

Chopper erstarrte. Sein Nackenfell stellte sich auf. Im nächsten Moment sprangen alle auf die Beine, Zorro zog sein Schwert, Lysop riss eine Pistole aus seinem Gürtel, Nami ließ ihren Klimataktstock wirbeln. Als Smoker schließlich mit seiner Partnerin Tashigi an der Türschwelle erschien, erwarteten sie ihn bereits kampfbereit. Der Weiße Jäger zeigte sich jedoch weder überrascht noch beunruhigt. Vollkommen gelassen steckte er sich zwei Zigarren in den Mund und betrachtete sie der Reihe nach mit funkelnden Augen.
 

„Tut mir leid, ich konnte ihn nicht aufhalten“, keuchte ein Wächter, der ihnen dicht auf den Fersen war. Feine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Die Anspannung hing stickig im Raum wie der Qualm von Smokers Zigarren.
 

„Alle fein beisammen“, sagte der Marine wütend. „Schön, schön. Ihr seid alle festgenommen!“
 

„Nur über meine Leiche“, brüllte Sanji.
 

„Von mir aus auch das“, erklärte Smoker, während er seinen Seesteinspeer zog und den freien Arm zu Rauch werden ließ. „Es steht nicht umsonst auf den Fahndungspapieren Wanted – Dead or Alive.“
 

Bevor die Situation weiter eskalieren konnte, trat plötzlich Vivi mit ausgestreckten Armen zwischen die beiden Parteien. „Stopp! Bei meiner Autorität der königlichen Familie, ich verbiete einen Kampf in meinen Hallen!“
 

„Aus dem Weg, Nefeltari Vivi“, raunte Smoker. „Sie beherbergen eine gesuchte Piratenbande und machen sich damit mitschuldig. Ihre Gesetze gelten nicht mehr.“ Tashigi hatte ebenfalls ihre Waffe gezückt und trat einen Schritt vor. Ihr Blick zeugte von blankem Hass und war starr auf Zorro gerichtet. Chopper glaubte auch bei ihr eine emotionale Verletzung zu sehen. Ein frisch gebrochenes Herz, schwerer zu flicken als jeder Knochen.
 

„Ich beherberge den von der Regierung legitimierten Samurai Zorro, sowie ein paar Freunde, auf die keinerlei Kopfgeld ausgesetzt ist. Vor einigen Monaten haben Sie das selbst bestätigt.“
 

„Das ist ja lächerlich!“, schrie Tashigi. Sie ging noch näher an Zorro heran und spuckte ihm zum Schock aller direkt vor die Füße. „Dieser Mann ist schon lange kein Shichibukai mehr!“
 

„Was hast du Tashigi angetan, Zorro?“, kreischte Sanji. Chopper erwartete einen bissigen Kommentar zurück, doch das Gesicht des Schwertkämpfers war eine Maske aus Stein. Auch bei ihm glaubte er etwas zu sehen, doch seine Gefühle lagen nicht so offen wie die der Marinefrau.
 

Vivi drückte sich zwischen die Beiden. „Es gab weder eine öffentliche Bekanntmachung, noch eine marine-interne Nachricht darüber. Sie können mir viel erzählen.“
 

„Spielen Sie nicht die Dumme!“ Smoker knirschte mit den Zähnen. „Wir alle wissen sehr gut, dass Zorro mit Nico Robin vor einigen Monaten aus dem Marine-HQ geflohen ist und seinen Rang als Samurai damit verwirkt hat. Die Annullierungen der restlichen Strohhutbande sind somit ebenfalls aufgehoben. Ich habe doch Augen im Kopf! Ich habe euch den Strohhut nicht überlassen, damit ihr euch hier wieder sammelt und fröhlich weitermacht wo ihr aufgehört habt.“
 

„Ich weiß nicht, wovon du redest, Smoker“, stimmte Sanji jetzt ebenfalls mit einem frechen Grinsen ein. „Wir treffen uns hier nur zum Tee und auf ein Pläuschchen.“
 

„Vorsichtig, Freundchen...“, zischte Smoker. „Glaube bloß nicht, dass ihr mir so davonkommt!“ Der Marine holte zum Schlag mit seinem Speer aus, doch Vivi sprang ein weiteres Mal dazwischen. Kurz bevor die Waffe ihr Gesicht traf, brach Smoker ab. Die Adern an seinem Hals pochten sichtbar.
 

„Ohne eine Bestätigung der Regierung glaube ich kein Wort und lasse die Festnahme Unschuldiger in meinem Hause nicht zu!“, wiederholte Vivi. „Gehen Sie!“
 

„Ich bin die verdammte Regierung!“
 

„Sie sind ein Marine. Das ist ein Unterschied!“
 

Vivi und Smoker funkelten sich wütend an. Dann holte der Marine mit der Faust aus. Chopper glaubte, er würde Vivi schlagen, doch im letzten Moment drehte er ab und rammte seinen Schlag wütend in die Wand. Tashigi stand ungläubig da. „Das ist ein Witz...“
 

„In 24 Stunden bin ich mit der Bestätigung zurück“, sagte Smoker mit knirschenden Zähnen. „Aber seid gewarnt, ihr spielt mit dem Feuer. Wenn die Übergabe der Piraten dann immer noch verweigert wird, bin ich befugt militärische Maßnahmen zu ergreifen. 40 Schlachtschiffe stehen bereit.“ Er wandte sich direkt an die Strohhüte. „Ich bin mir sicher, dass ihr dieses Land nicht vor Crocodile gerettet habt, damit es später wegen euch erneut einen Krieg durchleben muss!“
 

Damit verschwand der Marine, Tashigi hinter sich her schleifend. Alle standen kurz da wie betäubt. „Das... war große Klasse, Vivi...“, sagte Franky schließlich.
 

„Es hat uns nur etwas Zeit verschafft.“
 

Chopper hörte kaum zu. Schon die Hälfte der ganzen Auseinandersetzung war an ihm vorbeigerauscht, ohne dass er sie wirklich wahrgenommen hätte. Vor seinem Auge setzten sich bisher unzusammenhängende Puzzleteile zu einem Bild zusammen. Es war so offensichtlich gewesen.
 

„Ich weiß, wie ich Ruffy heilen kann“, flüsterte er.
 

~+~
 

Liebe Kuleha,

die Antwort ist simpel und gleichzeitig schwierig. Erst als ich Smoker direkt vor mir stehen sah, wurde mir klar, warum Ruffy unter Erinnerungsverlust leidet. Ein Stück seiner Speerspitze war uneben, ich konnte es genau sehen! Außerdem hat Ruffy eine Narbe am Kopf von damals, als Smoker ihn von Bord stieß. Eigentlich keine Wunde, die bei ihm sonst Spuren hinterlassen würde. Die Antwort also: Seestein. Ein kleiner Splitter des Speers muss in der Kopfwunde zurückgeblieben sein und somit ihn als Teufelskraftträger weiterhin schädigen. Wenn ich diesen Splitter also entfernen kann, dann müsste es Ruffy besser gehen. Doch damit kommen wir zum schweren Teil: eine Kopf-Operation. Ein falscher Schnitt und ich durchtrenne Nerven, Gefäße oder beschädige das Gehirn dauerhaft. Außerdem läuft mir die Zeit davon...
 

~+~
 

Unter seiner Anleitung richteten sie hektisch das Zimmer her. Sanji, Robin und Lysop entfernten alle Möbel bis auf den Tisch, auf den sie Ruffy legten. Franky und Zorro rissen den Teppichboden heraus. Nami und Vivi besorgten seine chirurgischen Instrumente und Brooke, an dessen Skelettkörper kaum ein Keim zu finden war, desinfizierte anschließend alles mit Chemikalien, bis ein steriler Raum entstand.
 

„Du schaffst das, Chopper“, sagte Lysop.
 

Zorro und Sanji klopften ihm auf die Schulter.
 

„Brauchst du wirklich keine Hilfe?“, fragte Franky. Chopper schüttelte den Kopf.
 

„Alles wird gut“, sagte Robin.
 

„Viel Erfolg“, sagte Brooke.
 

„Ich glaube an dich“, flüsterte Nami.
 

Dann ließen sie ihn allein mit Ruffy, der mit einer Betäubungsladung für einen ausgewachsenen Seekönig lahmgelegt war. Chopper atmete tief durch, nahm die Stille in sich auf. Versuchte sich zu beruhigen, als er nach dem Skalpell griff. Seine Hand begann zu zittern.
 

Was ist, wenn mein Bestes nicht gut genug ist?
 

Vor seinem geistigen Auge sah er Nami hinter sich stehen und sich auf seine Schultern stützen. Er spürte ihr Gewicht trotz ihrer schlanken Figur wie Blei auf seinem Körper ruhen. Und nicht nur ihr Gewicht, sondern auch das vom Rest der Crew: Zorros verbliebene Hand, die tausend Arme von Robins Teufelskräften, Brookes und Frankys kalte Finger, Lysop, Sanji, ihre Hoffnungen, ihre Wünsche, ihre Träume. Die Last ließ sein imaginäres Selbst einknicken, doch es biss unerbittlich die Zähne zusammen und ertrug das Gewicht, trug sie alle auf seinen Schultern. Wenn sein Bestes nicht gut genug war, dann musste er eben noch mehr leisten. Er war Pirat und er war Schiffsarzt und wenn es sein musste, war er auch ein Monster. Dies war sein Moment. Wenn er jetzt versagte, war er es nicht wert Ruffys Nakama zu sein. Double-Armstrength! Er stemmte sie und er stemmte noch mehr, stemmte die Entbehrungen und Opfer, die sie alle gebracht hatten, stemmte die Menschen, die durch sie hatten leiden müssen oder ihre Leben gekreuzt hatten, stemmte die Marine-Offizierin Tashigi, stemmte Lysops Crew und die Baroque-Agenten, die Ruffy im Spiderscafe begleitet hatten, stemmte Vivi und Alabasta, stemmte das ganze riesige Land und den Wunsch nach Frieden ohne sich zu beklagen.
 

Als Chopper schließlich den ersten Schnitt setzte, waren seine Hände so ruhig wie der stille Winter in seiner Heimat Drumm.
 

~~ + ~~
 

Dieses Kapitel hat diesmal etwas länger gedauert und das tut mir leid. Aber Chopper und sein Part waren mir mit das Liebste der bisherigen Geschichte und verdienten besondere Aufmerksamkeit, da es schwierig war die einzelnen Fäden zusammenzuführen. Hoffentlich ist es mir gelungen. Bis zum nächsten und letzten Kapitel! - Perro



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Kommentare zu dieser Fanfic (20)
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Von:  Levisto
2015-08-27T13:29:43+00:00 27.08.2015 15:29
Salut!
Hab gerade deine FF durch gesuchtet und bin völlig buff. Diese Anspielungen, präzise gesetzt. Rückblicke an den richtigen Stellen, Gedanken die nicht ausgesprochen werden. Einfach wow...
Ich bin wirklich beeindruckt von deinem Schreibstil.
Namis Gefühle für Ruffy und ihre Verletzlichkeit (Wetterinsel - ihr Ausbruch war der Hammer, du hast dort gut angeknüpft). Choppers Einsatz trotz der großen Last und das er es als Monster schaffen kann (bester Seitenhieb zur Serie). Zorros Übernahme der Verantwortung als "Vize".

Auch das du jedem ein Auszug gewidmet hast war klasse. Fehlt eigentlich nur noch Ruffy selbst :-)

Fazit: geile Fanfic, Favo vorprogrammiert und ich hoffe es kommt noch das letzte Kapitel.
Bis dahin
Levisto
Von:  fahnm
2014-12-04T19:36:00+00:00 04.12.2014 20:36
Spitzen Kapitel
Von:  DasHasi
2014-12-03T21:23:42+00:00 03.12.2014 22:23
Oh Mann,sooo spannend!!!
Chopper wird das schaffen! :)
Schreib bitte gaannz schnell weiter ^.^
Von:  hanuta
2014-12-03T21:06:40+00:00 03.12.2014 22:06
ich liebe deine Geschichte .Ich habe bis jetzt noch nichts besseres gelesen als das .
Es ist einfach unglaublich wie du die handlungsstränge zusammenführst,
wie du deine emotionen beschreibst ist einfach genial
und ich muss ehrlich zugeben normalerweise bin ich schwarzleser ,
aber bei dir konnte ich gar nicht anders und musste jedes kapitel kommentieren.
Ich finde es nur schade das es schon bald vorbei sein soll
und hoffe es kommt bald nochmal so eine tolle geschichte .
Eine treue leserin hast du auf jeden fall gewonnen
lg hanuta
Antwort von:  Perro
15.12.2014 16:52
Wow, ich glaube, dass ist eines der größten Lobe, welches man innerhalb eines Kommentars aussprechen kann. Vielen Dank dafür! Wenn du dich auch für Naruto interessierst (Achtung: Schleichwerbung!), dann würde ich dir eine meine anderen Geschichten empfehlen oder die dazugehörige One-Shot-Sammlung "Shinobi". Aber auch wenn das nichts für dich ist: Ich habe vor nach dieser Geschichte auch eine Sammlung für One Piece namens "Pirates" zu machen ;)
Antwort von:  hanuta
15.12.2014 21:09
also über die sammlung von one piece freu ich mich auf jeden fall
Von:  hanuta
2014-11-18T21:34:41+00:00 18.11.2014 22:34
hey ich mal wieder ach was war doch nicht lang auserdem steigert sowas die vorfreude.
Das kapitel war mal wieder absolut genial und ich hänge an deinen wörtern wie eine süchtige.
Freue mich schon auf das nächste kapitel
lg hanuta
Von:  hanuta
2014-11-05T21:15:28+00:00 05.11.2014 22:15
wow ich glaub du hast die strohhüte in dir aufgesaugt, denn genau so stelle ich mir ihre Gedanken und Gefühle und ihre Worte die sie sprechen vor wie du sie schreibst.
inzwischen fiebere ich jedem kapitel entgegen das du schreibst.
freu mich auf jeden fall schon aufs nächste
lg hanuta
Von:  hanuta
2014-10-30T22:07:06+00:00 30.10.2014 23:07
Ich liebe deine Geschichte einfach wie du die Gefühle ausdrückst einfach phänomenal.Hab mich ja schon die ganze zeit gefragt was mit Falkenauge passiert ist danke das du es endlich aufgelöst hast
freu mich auf jeden fall immer wider wenn von dir ein neues kapitel kommt
bis zum nächsten mal
lg hanuta
Von:  DasHasi
2014-10-30T16:20:42+00:00 30.10.2014 17:20
Wow,einfach super gut! *_*
Schreib schnell weiter :)

Von:  fahnm
2014-10-25T20:24:39+00:00 25.10.2014 22:24
Spitzen Kapi^^
Antwort von:  Perro
27.10.2014 07:42
Danke! Ich habe deinen Namen gleich wiedererkannt. Verrückt, dass auch du noch immer hier dein Unwesen treibst und erneut auf eine meiner Geschichten gestoßen bist!
Von:  FockingFreak
2014-10-24T21:36:11+00:00 24.10.2014 23:36
Mal wieder ein super Kapitel! Ich bin ja so gespannt wie alles weitergeht und wie die Crew langsam wieder zusammen findet, ob alle wieder zusammen kommen?! Wenn Lysop wirklich eine eigene Mannschaft auf die Beine gestellt hat? Freu mich auf das nächste Kapitel.
LG Kat
Antwort von:  Perro
24.10.2014 23:50
Hey Kat, dir auch ein dickes Dankeschön dafür, dass du dir die Zeit nimmst fleißig zu kommentieren. Ein Schreiber braucht seine Leser und besonders ihre Meinung um sich zu verbessern und zu motivieren. So thanks!


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