Nacht der Gespräche von -Eisregen- (Silver and Gray) ================================================================================ Kapitel 1: Father and Son ------------------------- ~Nicht Fleisch und Blut, das Herz macht uns zu Vätern und Söhnen. Liebt Ihr ihn nicht mehr, so ist diese Abart auch Euer Sohn nicht mehr.~ (Friedrich von Schiller) Father and Son - Silver and Gray Asche und Staub, von leichtem Windzug aufgewirbelt, tanzten durch die Luft, bis sie in sanften Wogen wieder zurück auf den Boden rieselten. Überall lagen Felsen und ganze Granitblöcke herum. Kein Stein lag mehr auf dem Anderen. Ein Bild völliger Zerstörung. Doch nicht nur die Umgebung wurde in Mitleidenschaft gezogen, auch den beiden Männern, die sich gegenüber standen, ist einiges abverlangt worden. Mit ihrer Magie haben sie sich bis an das Limit ihrer magischen Kräfte verausgabt. Keuchend musterten sie sich, keiner rührte sich. Nur das unregelmäßige Beben ihrer Körper unterschied sie von Statuen. Gray atmete schwer. Jedes Mal, wenn er versuchte Sauerstoff in seine Lungen zu bekommen, kratzten die kleinen Partikel aus der Luft in seinem Rachen. Hustend sackte er auf die Knie, ließ seinen Kontrahenten jedoch keine Sekunde aus den Augen. „Du bist…“, keuchte er und starrte seinen Gegner an. Obwohl dieser auch sehr mitgenommen aussah, wirkte seine Haltung immer noch überheblich, nahezu arrogant. „Du kannst nicht Deliora sein. Ul hat ihn vernichtet…“ Ein dunkles Lachen überrollte den Fairy Tail Magier wie eine Donnerwalze. Bis ins Mark vibrierten seine Glieder und ließen ihn gefrieren. „Du bist gar nicht so dumm wie du aussiehst, Balg“ Silver spuckte ihm die Worte regelrecht vor die Knie. Immer dichter trat er an den Eismagier heran, doch dieser machte keine Anstalten sich aufzuraffen und davon zu bewegen. Die nahende Bedrohung ignorierend, sah Gray seinem Widersacher direkt in die Augen. Tränen sammelten sich hinter seinen Lidern und drückten schmerzhaft dagegen. „Wieso bist du hier? Ich habe gesehen…“, immer wieder musste er sich selbst unterbrechen, um nicht die Beherrschung zu verlieren „… ich habe gesehen wie du getötet wurdest.“ Die Worte verließen nur schwer seine Lippen. Es war für ihn eine Überwindung, sich seine Vergangenheit ins Gedächtnis zu rufen. Es war einfach zu schmerzlich. Silver verzog keine Miene, jedoch erstarrte er in seinem Tun. Regungslos musterte er den schwarzhaarigen, jungen Mann, der zu seinen Füßen kniete. Diese Hoffnungslosigkeit, die trotz allem von einer Charakterstärke, die er niemals erwartet hätte, begleitet wurde, brannte sich in sein Herz, seine Lunge, in jede Faser seines Körpers. Sie bewegte etwas in ihm. „Mein Sohn…“, mit erstickter Stimme begann er nun endlich, Licht ins Dunkle zu bringen. Nach Stunden der Ungewissheit, Stunden der völligen Verausgabung, offenbarte er sich dem Menschen, den er mit Recht als seinen Sohn bezeichnen konnte. Die Last, die er all die Jahre mit sich herumgetragen hatte, löste sich in einem gewaltigen Wortschwall auf. Ein befreiendes Gefühl. Gray hörte ihm stumm zu. Immer wieder ballte er die Fäuste, krallte sich in den staubigen Untergrund und zerquetschte kleine Lehmbröckchen zu rot meliertem Sand. Irgendwann begann er zu weinen. Die Tränen perlten in kleinen Tropfen zu Boden und hinterließen eine dunkle Spur auf diesem. Auch auf seine Hände rannen die einzelnen, salzigen Wasserperlen und hinterließen feuchte Rinnsale auf seiner Haut. Der Sand, die Asche begannen an ihm zu kleben. Immer wieder versuchte er sich davon zu befreien. Vergebens. Unaufhörlich schluchzte er, während er der Geschichte eines Mannes folgte, den er hatte sterben sehen. „… du musst mich töten“, beendete Silver seinen Vortrag. Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Gray das erste Mal wieder zu ihm herauf. Der Ältere verstummte, erkannte er doch die Zerrissenheit, die unendliche Qual in den Augen seines Sohnes. Und er erkannte darin seine Frau, die er stets geliebt hatte und die ihm diesen wunderbaren Jungen schenkte. Er hatte ihre Augen. Eine ihm unbekannte Kraft schnürte ihm die Kehle zu. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, er fühlte sich hilflos und schwach. Musste er das wirklich das aufgeben? Er wusste, dass er keine andere Wahl hatte, dennoch breitete sich eine Taubheit in ihm aus, die ihn lähmte. Gray sprang auf. Wild protestierend versuchte er seinem Vater klar zu machen, dass er ihn nicht töten würde, dass er nicht gehen lassen würde, denn endlich hatte er das, wonach er sich so sehr gesehnt hatte. Er hatte mitansehen müssen, wie dieser Mann, sein Vater, starb und jetzt stand er vor ihm - Lebendig und in voller Lebensgröße. Niemals würde er ihn töten können. Um ihn zu beruhigen schloss Silver Gray in eine feste Umarmung. Vorsichtig strich er ihm über den Rücken. Er fühlte sich hilflos, immerhin war er eine Marionette, eine Puppe in einem menschlichen Körper, die niemals eine solche Situation durchleben musste. Er hatte keinerlei Erfahrungen damit, einen in Tränen aufgelösten, jungen Mann zu beruhigen. Sein ganzes vergangenes Leben spulte sich im Zeitraffer vor seinem inneren Auge ab. Seine Frau, die Hochzeit, das Glück, welches die jungen Eheleute in diesem Moment verspürten. Die herannahende Geburt seines Sohnes und die Namenssuche. Wie lange hatten sie sich damit Zeit gelassen? Er konnte es nicht sagen. Er wollte nur, dass sein Sohn für immer ein Teil von ihm bleiben würde. Selbst im Namen sollte er eine Verbindung zu ihm erhalten. Gray… ähnlich wie grau… ...fast schon silbern. Silver war schon damals sehr stolz auf ihn gewesen. Zögernd und mit bedachten Worten versuchte er seinen Sohn in ein Gespräch zu verwickeln. Doch er wusste, dass die Zeit drängte. Per Telepathie sendete er eine Nachricht an die blauhaarige, junge Frau, die er zuletzt bei seinem Sohn gesehen hatte. „Töte ihn, töte Ki-Su, dann hat der Spuk ein Ende. Tu es für Gray…“ Er hoffte so die Aufmerksamkeit der Wassermagierin zu bekommen und die Priorität dieses Auftrags klarzustellen. Er hatte genau bemerkt, wie sie ihn angesehen hatte. „Wer war dieses Mädchen?“, fragte er nach Minuten des Schweigens und versuchte beiläufig und beruhigend zu klingen. Es war eigentlich nicht die passendste Zeit, für ein Vater-Sohn Gespräch, doch wenn er es jetzt versäumte, würde er wohl nie wieder die Chance dazu bekommen. Das Beben des Körpers, den er immer noch fest in seinen Armen hielt, ließ nur langsam nach. „Meinst du Juvia?“ Gray war sichtlich verwirrt. Er hatte nicht wirklich Lust seinem Vater von der Wassermagierin zu erzählen. „Ist sie dein Mädchen?“ Der Jüngere fing an zu husten. Vor Schreck hatte er sich an seinem eigenen Speichel verschluckt. "Wie kommst du denn darauf“, stieß er aus, nachdem das Kratzen in seinem Hals nachließ. Silver unterdrückte ein leises Lachen. So eine eindeutige Reaktion hatte er gar nicht erwartet. „Gray, vergiss niemals, wie wichtig eine Familie ist.“ Der Ältere seufzte tief und begann von der Vergangenheit zu berichten. Aufmerksam lauschte der Fairy Tail Magier jedem Wort. „Bevor Deliora zu uns kam, war ich der glücklichste Mensch auf Erden. An meiner Seite wusste ich die schönste Frau, die es je geben wird. Ihre langen Haare, ihre großen Augen und ihre Stimme brachten mein Herz mit jeder Sekunde dazu, schneller zu schlagen. Du kanntest sie nicht, also lass mich dir von ihr erzählen.“ Sein Blick richtete sich in die Ferne, während er sich an seine geliebte Ehefrau zurückerinnerte. „Sie war immer ein wenig merkwürdig, komisch, schon fast eigenartig. Doch genau das hat sie zu etwas Besonderem gemacht. Niemals hat sie meine Seite verlassen, selbst wenn ich sie nicht sehen konnte, wusste ich, dass sie da war. Ich hatte immer den Eindruck, sie wartet hinter dem nächsten Baum auf mich. Sie hat sich aufgeopfert für mich, hat mich immer unterstützt. Sie bekochte und sie bewirtete mich als sei ich ein König. Wenn es kalt wurde, dann strickte sie mir Kleidung die mich wärmen sollte, wenn es heiß war, dann hatte sie immer ein kühles Getränk bereitgehalten. Bei Rangeleien mit Freunden hatte ich dank ihr, immer das schlagfesteste Argument oder ein Hilfsmittel um meinem Gegenüber eins überzubraten. Bis heute frage ich mich, womit ich sie verdient hatte und wahrscheinlich fragen sich das auch alle anderen…“ Ein Auflachen holte Gray aus seinen Gedanken. Mit jedem Wort seines Vaters rief sein innerstes Situationen und Erlebnisse auf, immer klarer wurde das Bild einer lächelnden, blauhaarigen Magierin. Wie sie ihm ein Schal strickte, obwohl er doch nie fror. Und obwohl er das Geschenk zunächst ablehnte, ließ sie sich nicht beirren, bis er zuletzt den Schal umlegte. Wie sie ihm Kekse backte und sich um alle Aufgaben kümmerte, auf die er keine Lust hatte. Wie plötzlich Kissen auftauchten, wenn er und Natsu sich in einer Kissenschlacht befanden oder Wasserwellen die Flammen des hitzköpfigen Magiers löschten, wenn diese für ihn zu einer Gefahr wurden. Als letztes blieb ihm ein einziges Bild. Damals stand sie vor ihm. Widersetzte sich Cana, ja sogar ganz Fairy Tail, hielt zu ihm, obwohl er derjenige war, der Mist gebaut hatte. Blindes Vertrauen und völlige Selbstaufgabe. Das alles schenkte sie ihm und hörte nicht auf an ihn zu glauben. Niemals, egal wie oft er sie abwies. Ihr Vertrauen war unerschütterlich. „… du solltest sie heiraten“, beendete Silver seinen Monolog, ohne zu wissen, dass sein Sohn ihm gar nicht mehr zuhört hatte. „Ich soll was?“ entsetzt kam Gray wieder in der Realität an und bemerkte, wie sehr ihn diese Erinnerungen eingenommen hatten. „Du musst nichts überstürzen Gray, aber denk genau darüber nach, was du tust. Wir sind uns gar nicht so unähnlich. Ich war früher so wie du, bis ich endlich verstanden hab, wie wichtig Liebe sein kann. Bitte pass auf dich auf. Nicht dass du irgendwann ganz alleine dastehst und dein Leben nicht so geworden ist, wie du es dir wünschst.“ Er beobachtete seinen Sohn. Seine anfangs ernste Miene wich weicheren Zügen und er tätschelte behutsam den Kopf des jungen Mannes. „Ich hatte ein erfülltes Leben und auch wenn ich das Glück mit dir nur kurz genießen konnte, bereue ich keine einzige Sekunde. Ich habe alles erreicht und jetzt sehe ich einen Mann vor mir, der so groß und stark ist, dass man nur stolz auf ihn sein kann. Ich bin glücklich. Soetwas darfst du nicht verpassen.“ Mit diesen Worten endete der Ältere und schaute seinem Sohn tief in die Augen. Langsam begann seine Sicht zu verschwimmen und er fiel in die Tiefe der Dunkelheit. Er ahnte, dass seine Zeit gekommen war und freute sich, dass das blauhaarige Mädchen, Juvia, scheinbar richtig gehandelt hatte. Ki-Su war besiegt und somit sein Leben zu Ende. Er ergab sich seinem Schicksal. Gray wusste nicht wie ihm geschah. Der Druck um seine Schultern wurde von Sekunde zu Sekunde weniger, bis er sich völlig auflöste. Das Gesicht des Mannes verlor an Farbe, seine Augen verloren an Glanz und wichen einem matten Grau. Nur das Lächeln auf seinen Lippen blieb. Während Silver, der sich am Ende tatsächlich als sein Vater entpuppte, sich langsam in kleinen Eiskristallen auflöste, durchströmte sein Körper eine ungeahnte, niemals dagewesene Kraft. „…Demon Slayer Ice Magic“, konnte er noch aus der Ferne wahrnehmen, bevor er sich alleine auf dem zerstörten Schlachtfeld wiederfand. Er war froh, seinen Vater noch einmal gesehen zu haben und auch, wenn er es nicht zugeben wollte, bedeutete ihm das letzte Gespräch sehr viel. „Danke Vater…“ mit diesen Worten riss er sich aus seiner Schockstarre und machte sich auf den Weg, seine Freunde, seine Familie, zu unterstützen. „Halte durch Juvia!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)