Doors of my Mind von Karo_del_Green (Der Freund meiner Schwester) ================================================================================ Kapitel 15: Die molekulare Struktur von Ketchup ----------------------------------------------- Kapitel 15 Die molekulare Struktur von Ketchup Als ich aufwache, ist es bereits dunkel draußen. Ich habe geträumt, dass sich Sharis Vater in den indischen Gott Ganesha verwandelt hat. Mit Turban und dem bösen Blick, den er mir immer zu wirft. Dann hat er mich verspeist und genauso fühle ich mich. Zerkaut und wieder ausgespuckt. Langsam setze ich mich auf und schaue einen Moment aus dem Fenster und lausche in meine Umgebung hinein. Es ist still im Haus. Ich weiß nicht, was Raphael meinen Eltern erzählt hat, aber sie sind kein einziges Mal in mein Zimmer gekommen um mich mit Vorwürfen zu nerven oder mit anderen elterntypischen Dingen. Nicht einmal nach dem Auto haben sie gefragt und das, obwohl es noch immer an der Schule steht. Die Schmerzen in meinem Kopf haben nachgelassen und ich bewege ihn probeweise langsam im Kreis, so dass mein Nacken leise knackt. Ich ziehe mir eigene Klamotten an und gehe runter in die Küche. Richtigen Hunger habe ich keinen, aber ich weiß, dass ich eine Kleinigkeit zu mir nehmen sollte. Ich belege mir ein Brot mit Wurst, Käse, Gurken und haue mir eine Ladung Ketchup drauf. Mein Hamburger für Arme. Gut, man kann auch Sandwich sagen. Nach einem langen Kampf mit der Zähflüssigkeit der roten Soße in der Flasche, lehne ich mich zufrieden an die Arbeitsfläche. Beim Abbeißen läuft mit der Ketchup ungehindert über die Finger und ich lecke sie genüsslich ab. Ich tropfe Ketchup auf den Boden, doch das ist mit im Moment reichlich egal. Nun habe ich doch Hunger und vor allem Appetit. Ich schnappe mir einen Teller, belege eine weitere Scheibe mit allem und nehme Alles mit ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher anschalte und mich eine Weile berieseln lasse. Es läuft bereits das Nachtprogramm und während im Hintergrund die Nummern verschiedener Erotik-Hotlines durchlaufen, denke ich an den kuriosen Moment in der Umkleidekabine zurück. Noch immer spüre ich das Kribbeln. Die Aufregung und die Ungewissheit. Raphaels warmer Körper, der sich dicht an meinen presste. Sein heißer Atmen in meinem Nacken und ich hätte schwören können, dass ich mehr gespürt habe, als ich hätte spüren dürfen. Habe ich es mir nur eingebildet? In Gedanken versunken, bemerke ich nicht, wie mir pausenlos Ketchup über die Finger und in die Hand läuft. Warum ist er mir so nah gekommen? Es war sicher nur die Reaktion auf den Schreck, dass er mich stürzen sah. Natürlich hatte Raphael mit allem Recht. Es war unverantwortlich und dämlich. Allein der Verlauf des bisherigen Tages hätte mir eine Warnung sein sollen, aber ich habe gar nicht nachgedacht. Es hätte Schlimmeres passieren können. Dann würde ich jetzt nicht auf der Couch, sondern auf der Intensivstation sitzen und sabbern wie ein Hund. Nichts weiter als Galgenhumor. Ich versuche damit zu überdecken, dass auch ich mich erschrocken habe und dankbar bin, dass nicht mehr passiert ist. Ich lasse den Teller mit dem Rest meines zweiten Sandwichs auf meinem Bauch stehen und lehne mich zurück. All das erklärt dennoch Raphaels Reaktion nicht. Seine übertrieben Sorge. Seine Worte. Weder die Situation in der Dusche, noch die andere in der Umkleide erklärt sich mir dadurch. Mit meinem inneren Wahnsinn könnte ich das als Anmache deklarieren. In meinem Magen beginnt es zu Kribbeln. Allerdings hat Raphael eine Freundin und ist definitiv nicht schwul. „Anmache", murmele ich. Allein der Gedanke daran lässt mich ungläubig Lachen. Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare und schmiere mir unabsichtlich den Ketchup hinein. „Mist." Angewidert sehe ich auf meine eingesauten Hände. Ich lecke mir etwas des Tomatenbreis von den Fingern und komme nicht umher weiter zu kichern. „Anmache", wiederhole ich und wische mir den Handballen entlang. Ich weiß nicht, was ich daran eigentlich witzig finde. Wahrscheinlich die Absurdität, doch da ist der Wunsch, dass ich es mir nicht eingebildet habe. Und er ist stark. „Findest du es normal allein im Wohnzimmer zu sitzen und zu lachen?" Erschrocken wende ich mich zu Maya um, die im Nachthemd im Türrahmen steht. In ihrer Hand hält sie ein Glas Wasser und ihr Blick spricht Bände. Sie zweifelt an meinem Verstand, doch da ist noch etwas anderes. Ich kann es nicht definieren. „Solltest du mal probieren, vielleicht wirst du dann lockerer", antworte ich und schiebe den Teller zurück auf den Tisch, nachdem ich den Rest Ketchup an meiner Hand darauf abgestrichen habe. Sie sieht bereits jetzt beleidigt aus, dabei habe ich noch nichts Gemeines gesagt. Ich erinnere mich an Raphaels Bitte und an die Verpflichtung mich bei ihr zu entschuldigen. Ich weigere mich eine Entschuldigung auszusprechen. Aber die weiteren Provokationen, die mich auf der Zunge kitzelt, schlucke ich runter. Ich frage mich, wie lange sie schon dort steht. „Du hältst dich für sehr witzig, oder?", sagt sie und nimmt einen Schluck aus dem Glas. Im Fernseher läuft eine Ankündigung für eine Kochsendung. Meine linke Augenbraue zuckt nach oben und meinen Kopf neigt sich abwiegend zur Seite. Doch, ich finde mich witzig und was andere denken, ist mir oft egal. „Ich bin der Jamie Oliver unter den Komikern. Finde dich damit ab." Ich schalte eine Erotikwerbung weg und stecke mir den letzten Bissen meines Brotes in den Mund. „Eher ein Ralf Zachl", sagt Maya und verdreht die Augen. Nun ist auch sie mal witzig. Ich muss grinsen. „Rapha hat mir erzählt, das du gestürzt bist. Geht es dir gut?" Ich blicke sie verwundert an und verfluche Raphael, weil er den Mund doch nicht halten konnte. Wenn sie es weiß, dann wissen es meine Eltern auch. Wenn nicht bereits, dann bald. Trotzdem schwingt in ihrer Stimme Fürsorge, die mich seltsam überrascht. „Ich bin hart im Nehmen. Allerdings sitze ich allein im Wohnzimmer und lache. Ich bin mir noch nicht sicher, ob wirklich alles okay ist", sage ich scherzhaft. „Mark! Kannst du einmal ernst sein?", sagt sie scharf. Ich zucke abwehrend mit den Schultern. „Es ist alles okay. Gib das auch an Raphael weiter, damit er mich nicht auch noch nervt. Schlimm genug, dass er es dir erzählt hat." „Du bist echt ein Idiot." Ich weiß. „Hat er es Mama und Papa erzählt?", frage ich nun doch. „Nicht, dass ich wüsste." Ich nicke erleichtert. Sie schüttelt den Kopf und geht zurück in die Küche. Ich mache den Fernseher aus und folge ihr nach oben. Sie bleibt an ihrer Zimmertür stehen und sieht mich an. Sie möchte etwas sagen. Sie ringt mit sich. Ich sehe, wie es in ihr arbeitet Doch dann wendet sie den Blick ab. Ich sehe ihren Fuß, der in der Tür verschwindet, gehe noch einmal ins Bad und wasche mir den Ketchup von den Händen und dem Großteil meiner Haare. Danach gehe ich schlafen. Diesmal traumlos. Die Traumlosigkeit hält bis zum Morgen an, jedenfalls kann ich mich an keine weitere Szenerie mit monströsen indischen Gottheiten erinnern. Sobald ich die Augen aufschlage, spüre ich das leichte Pochen in meinem Kopf und ein dumpfes Ziehen in meinem Oberkörper, wenn ich mich bewege. Ich fahre mir über das Gesicht und über die Brust, ziehe mein T-Shirt nach oben und begutachte die rote Stelle. Ich erkenne kleine Blutergüsse und die Haut ist an den markierten Stellen empfindlich. Seufzend drehe ich mich auf die Seite und rolle mich, wie ein Bisquitkuchen in die Decke ein, so dass nur noch mein Kopf rausguckt. Ich angele mein Handy unter dem Kissen hervor und rufe bei Shari an. Es klingelt lange und für einen kurzen Moment befürchte ich, dass sie nicht rangeht. Doch dann höre ich ein verschlafenes Hallo. Eigentlich dringt nur noch das Lo zu mir durch. „Guete Tog", krächze ich ihr in schweizerischer Manier entgegen und hoffe, dass sie es lustig findet. Ich höre ein undefinierbares Geräusch und fahre fort. Ich nutze ihre Müdigkeit sofort aus und lasse sie gar nicht weiter zu Wort kommen. „Hey, tut mir leid, dass ich dich gestern vollgelappt habe. Ich war nur selbst so wütend auf mich und enttäuscht. Aber ich hätte es nicht an dir auslassen dürfen. Das war falsch. Es tut mir echt Leid." „Schon gut. Mir tut es leid, dass ich auch noch auf dir rumgehackt habe. Das war etwas unsensibel von mir", murmelt sie und gähnt. Ich nicke und nehme ihre Entschuldigung still an. „Außerdem habe ich geträumt, dass dich mein Vater auffrisst und das fand ich so belustigend, dass ich nicht mehr sauer bin." Sie kichert und ich setze mich aufrecht hin. Nicht ihr ernst? Hat sie wirklich das gleiche geträumt, wie ich? Kann das sein? Ich kann es gerade kaum fassen. Ich atme tief ein und versuche mich zu sammeln. „Das erklärt meinen Albtraum und die Bissspuren auf meinem Arm", kommentiere ich trocken. Ihr Kichern wird zu einem Lachen. Ich lächele. Ich mag es, wenn sie lacht. „Komiker." Sie nimmt die Anspielung natürlich nicht ernst und ich kläre sie nicht über meinen gleichartigen Traum auf. „Das sollte dir eine Lehre sein, mich noch mal zu ärgern." „Ich bin, aber gut darin zu ärgern." „Dann verabschiede dich von deinen Gliedmaßen." Nun lache auch ich. Schnell werde ich wieder ernst. „Gestern war ein Scheißtag", flüstere ich und schließe die Augen. „Erzähl mir davon." „Eigentlich war das gestern der perfekte Freitag der 13. Ich hab so viele Menschen enttäuscht, Shari", gebe ich fast schon deprimiert von mir und drehe mich auf den Rücken. Ich werfe einen kurzen Blick an meine marode Decke und schließe die Augen. Eine schlechte Idee, denn sofort sehe ich wieder Raphaels wasserbenetzten Körper. Mein Seufzen wird noch ein Stück lauter. „Ach Mark, mach dich nicht so fertig.", versucht mich meine Freundin zu beruhigen. „Ich habe nicht nur Maria enttäuscht, sondern auch Herr Ralf und dich. Dazu kamen noch Tests in Kunst und Mathe. Beide habe ich total versaut. In Mathe musste ich die halbe Stunde an die Tafel stehen und ich hatte keinen Plan. Und du warst den ganzen Tag auf mich sauer. Wirklich grausam. Und dann...", setze ich an und stoppe jedoch. Ich denke darüber nach, ob ich Shari von dem Sturz erzählen sollte. Ich entscheide mich dafür. „Dann bin ich beim Aufräumen des Sportplatzes von dem blöden Container gefallen, weil ich versucht habe die Stoßkugel, die Tim dort raufgestoßen hat, wieder runterzuholen." „Oh, hast du dich verletzt?", kommt es sofort besorgt von Shari. „Nein, nur ein bisschen Kopfweh. Ansonsten ist alles gut. Das war eindeutig nicht mein Tag." Die Situation mit Raphael in der Umkleidekabine lasse ich aus. Auch Raphael habe ich in gewisser Weise enttäuscht. „So einen Tag hat, doch jeder Mal. Na ja, außer das mit dem Container. Das mit den Tests ist sicher nicht so schlimm, denn du hast ja sonst gute Noten und die gleichen das aus und ich bin auch nicht mehr sauer." Ganz pragmatisch. Sie hat Recht. „Ja, aber mit Maria habe ich es versaut und auch die Bionote wird lange nicht so gut werden, wie sie hätte sein können", seufze ich ins Telefon. „Das werden wir sehen. Ein schlechter Tag macht nicht, dass du durchfällst." Ihren Pragmatismus in allen Ehren, aber ich habe es trotzdem vollversaut. Ich seufze theatralisch und will gar nicht, dass mich Shari beruhigt oder mir Zuspruch gibt. Ich habe Mist gebaut und egal was sie sagt, es würde nichts daran ändern. „So fühlt es sich im Moment, aber an." „Quatsch! Du musst dich nur die letzten Wochen mehr zusammenreißen." Manchmal frage ich mich, ob mich Shari wirklich kennt. Ich und mich zusammenreißen? Ich bin einfach zu faul. „Jetzt klingst du, wie meine Mutter. Gruselig!", sage ich missmutig und Shari beginnt zu lachen. „Was ist eigentlich los?", fragt sie und ich weiß, dass sie nicht nur gestern meint. Doch ich weiß nicht, wie ich ihr alles erklären soll. „Ich habe verschlafen und bin nicht rechtzeitig wach geworden. Mehr nicht. Na ja, das hat schon gereicht um es zu verbocken." „Mark, das habe ich nicht gemeint." Shari seufzt. „Ich weiß", murmele ich und zu meinem Glück hakt sie nicht nach. „Das Schuljahr ist noch nicht vorbei und du kannst es noch rausreißen. Und Maria wird sich wieder beruhigen. Ganz bestimmt." Ich höre, wie sich bei ihr die Tür öffnet. Dann höre ich etwas in Hindi. Shari antwortet und ich nehme Empörung in ihrer Stimme wahr. Ich höre, wie die andere Stimme meinen Namen sagt, dann spricht Shari wieder zu mir. „Ich muss aufhören. Meine Mutter möchte, dass ich mit ihr einkaufen komme. Als ob wir die Woche noch nicht genug gegessen haben. Ich passe bald nicht mehr in meine Saris." Ich erinnere mich an das Festmahl von dem sie gesprochen hatte. Anscheinend plagt sie sich noch immer mit den Nachwirkungen umher. „Ich verspreche dir, dass ich dich jeder Zeit zur Schule rolle." Ich höre erneute Empörung und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Mein Zorn war gerade verflogen! Jetzt ist er wieder da", gibt sie mahnend aber belustigt von sich. Ich stelle mir vor, wie sie ihre langen, schönen schwarzen Haare schüttelt. „Okay, soweit wird es nie kommen. Ich muss mich jetzt fertig machen, sonst ziehen wir den Zorn meiner Eltern auf uns." „Wieso wir?", frage ich erschrocken. „Mein Papa glaubt, dass du daran schuld bist, dass ich so vorlaut geworden bin", erklärt sie. Ich höre sie beim Sprechen grinsen. „Oha, ich bin mir keiner Schuld bewusst. Husch, husch! Sonst verarbeiten mich deine Eltern beim nächsten Treffen zu Chicken Tikka und mir steht Curry nicht besonders." Ich schüttele mich bei dem Gedanken, denn sofort habe ich die Bilder meines Albtraums im Kopf. Darin hat ihr Vater sogar auf Gewürze verzichtet. „Das sollte dringend überprüft werden." Shari lacht. „Okay, wir sehen uns Montag in der Schule. Fir milenge" „Uf Wiederluege", verabschiede ich sie und lasse mich noch einmal ins Kissen fallen. Ich schließe die Augen und nehme das unterschwellige Pochen in meinem Kopf wahr. Es ist unangenehm, aber auszuhalten. Ich mache mich auf den Weg ins Badezimmer, öffne gedankenversunken die Tür und stehe plötzlich vor Raphael. „Oh, entschuldige.", entflieht mir erschrocken, bleibe, aber stehen. Er mustert mich. „Morgen", murmelt er und streckt seine Hand nach meinen Haaren aus. Er zieht mir, mit gerunzelter Stirn etwas eingetrockneten Ketchup heraus und betrachtet mich kritisch. Wahrscheinlich denkt er an Blut. „Ketchup. Es formt die Haare so natürlich", kommentiere ich. Ich sehe sein beruhigtes Lächeln. Meine Fingerkuppen beginnen zu kribbeln und weiß, dass ich mit ihm über den Vorfall reden muss. Ich möchte wissen warum. Unbedingt. „Haargel liegt im Trend. Vielleicht probierst du das mal", sagt er und zerreibt die getrocknete Tomate zwischen seinen Fingern. „Wie geht es deinem Kopf?", fast sanft tippt er mir gegen die Stirn. Ich sehe echte Sorge in seinem Blick. Ein ausweichender Spruch liegt mir auf den Lippen, doch ich entscheide mich für die Wahrheit. „Hm, na ja, einen Marathon schaffe ich damit nicht, aber es ist okay." Ich bestärke mein 'Okay' mit einem Lächeln und auch Raphaels Mundwinkel ziehen sich leicht nach oben. Seine Hand ist noch immer ausgestreckt und er lässt seinen Blick über meine Haare wandern. Mein Puls geht unwillkürlich nach oben. Maya kommt aus ihrem Zimmer und Raphael zieht seine Hand zurück. Etwas in seinem Blick verändert sich. Plötzlich sehe ich Unsicherheit und denselben Ausdruck, den er auch gestern im Auto hatte. Sein Lächeln erstirbt. Er schiebt sich an mir vorbei und geht zusammen mit meiner Schwester nach unten. Zum Glück hat Maya mein Gesicht nicht gesehen. Ich blicke ihnen nach und habe mit einem Mal seinen Geschmack auf meinen Lippen. Ich lechze danach, spüre wie mein Körper regelrecht danach giert. Ich will ihn noch mal schmecken. Ich will ihn noch mehr schmecken. Alles an ihm. Ich stelle mich unter die Dusche und lasse eine Weile das warmen Wasser über meinen Körper fließen. Genauso wie gestern. Ich wünsche mir Raphaels warmen, trainierten Körper an meine Seite und spüre Enttäuschung als ich mir eingestehe, dass das womöglich nicht wieder passieren wird. Beim Frühstück bittet mich meine Mutter sie in die Stadt zu begleiten. Ich zögere, horche nach meinen Kopfschmerzen und stimme zu, als sie keine konkreten Aussagen machen. Sie möchte ein paar Einkäufe erledigen und meint damit eine komplett neue Garderobe. Hingegen jeglicher Meinung bin ich sehr geduldig und meine Mutter schätzt meine ehrliche Meinung. Selbst Shari hat meine Einkaufsbegleitqualitäten bereits entdeckt und zieht mich des Öfteren durch das Einkaufscenter. Mama denkt, es ist eine weitere Bestrafung für meine Sünden, doch ich bin froh aus dem Haus herauszukommen. Normalerweise enden solche Unternehmungen immer in einem Kaufrausch. Dem ist auch heute so. Nach einer endlosen Menge an Kostümen fällt eine Entscheidung. Eine Erste von vielen. Irgendwann schleppe ich einen Haufen Tüten hinter meiner Mama her und ergattere selbst das ein oder andere neue Outfit. Als wir nach Hause kommen ist es längst Abend. Mir fallen langsam die Arme ab und zufrieden lasse ich im Flur die Tüten fallen. „Viele Dank, mein Sohn", sagt meine Mutter ebenfalls geschafft seufzend und drückt mich glücklich an sich. Sie lächelt und ich bin mir sicher, dass sie heute mal die Probleme bei der Arbeit vergessen konnte. „Gern, aber jetzt brauche ich meine Ruhe. Familienüberschuss", gebe ich gespielt angeekelt von mir und lächele. Zuviel Familie ist nicht gut für mich, aber sie schadet auch nicht. „Deine Ehrlichkeit ist erschütternd", kommentiert sie weniger entsetzt, als sie es eigentlich müsste. Sie drückt mir die Tüten mit meinen neuen Klamotten in die Hand und schüttelt den Kopf. Ich bin oben, bevor mein Vater aus dem Wohnzimmer kommt. Er gibt einen verzweifeltes Geräusch von sich gibt als er die ganzen Tüten sieht und weiß zum Glück nicht, dass ich auch was bekommen habe. Ich werfe die Tüten zum Kleiderschrank und falle ermattet aufs Bett. Einkaufen ist anstrengend und jetzt melden sich meine Kopfschmerzen zurück. Ich denke daran eine Tablette zu nehmen, doch entscheide mich dagegen. Medikamente habe ich noch nie gemocht. Ich setze mich vor den Computer und starre eine Weile auf die Offline-angezeigten Internetseiten. Klicke eine nach der anderen an, doch das Bild ändert sich nicht. Meine Eltern ziehen das wirklich durch. Ich bin schockiert und deprimiert. Ich mache mich daran die Tüten auszupacken und nehme mir dann ein Buch zur Hand. Nach 200 Seiten und einem kleinen Nickerchen sind meine Kopfschmerzen verschwunden und ich habe das dringende Bedürfnis zu duschen. Ich öffne dir Tür und gehe noch einmal zurück um mir frische Unterwäsche zu holen. Seit Raphael in diesem Haus ein- und ausgeht, vermeide ich es nur mit Handtuch durch das Haus zu laufen. An der Tür stocke ich. Sie kommen gemeinsam aus dem Badezimmer. Maya trägt nur ihr Nachthemd und Raphael eine lange Schlafhose. Er greift beim Laufen nach ihrer Hand und bevor sie bei ihrem Zimmer ankommen, drückt er sie sachte gegen die Wand. Ich schlucke und bin drauf und dran die Tür zu schließen um das Ganze nicht mit ansehen zu müssen. Ich schaffe es nicht und linse weiter durch den Spalt. Sie küssen sich und Maya erwidert es. Er leidenschaftlich und fordernd. Sie zurückhaltend und wenig begeistert. Sie zu beobachten spaltet mich. In meinem Herzen wird es schwer. Es ist wie ein Schlag, der meine Glieder lähmt. Ich starre atemlos. Erst als Raphael mit der Hand über ihren Oberschenkel fährt, beginnt sie sich richtig zu zieren. Sie zieht seine Hand weg, doch er versucht es weiter. Seine Hand legt sich an ihrer Hüfte. Sie wandert zärtlich streichelnd nach oben. Maya drückt ihn energisch weg. „Hör auf. Ich möchte jetzt nicht", zickt sie ihn an. Sie drückt sich an ihm vorbei und ich sehe, wie Raphael mit der Stirn gegen die Wand kippt. Er schlägt seinen Kopf kurz dagegen und seufzt. Ich kann seine Frustration und seine Enttäuschung deutlich sehen. Meine Schwester ist eine blöde Kuh. Sie lässt nicht mal diese harmlosen Berührungen zu. Ich habe keine Ahnung, wie energisch Raphael wirklich ist, wie sehr er sie versucht zu verführen. Aber so oder so, ich würde Raphael nicht mehr aus meinem Bett lassen, wenn ich die Chance dazu hätte. Ich würde ihm jeden Wunsch erfüllen und ihn in den Himmel der Ekstase treiben. Oh, wie ich das würde. Tag und Nacht. Unwillkürlich schüttele ich den Kopf und komme nicht umher selbst frustriert grinsen. Ich gebe ein deutliches Schnauben von mir und schlage mir so gleich die Hand vor den Mund. Raphael dreht sich um und ich ziehe erschrocken die Tür ran. Wenig unauffällig. Er hat es sicher mitbekommen. „Verdammt", flüstere ich. Steif bleibe ich hinter meiner Tür stehen und traue mich nicht erneut raus. Wie peinlich. Gut, er weiß nicht wie viel ich wirklich gesehen habe, aber trotz alledem wird es nicht besser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)