Dancing under the Full Moon von hikabella ================================================================================ Prolog: -------- Seit dem Kampf mit dem Nogitsune waren inzwischen 4 Wochen vergangen. 4 Wochen, die sie in relativer Ereignislosigkeit verbracht hatten. Eine nette Abwechslung, wie Scott fand. Die ihn aber auch zutiefst misstrauisch machte, was sich wohl in der Zwischenzeit über ihnen zusammenbrauen mochte. Der Nogitsune war jedenfalls weg. Und weg war auch Allisons Vater. Er müsse etwas Dringendes erledigen, hatte er gesagt und war dann in Richtung Frankreich abgereist. Isaac war zu aller Überraschung mitgegangen. Scott konnte es ihm nicht verübeln. Manchmal wünschte er sich auch, dem ganzen Irrsinn hier entfliehen zu können, aber sein Pflichtgefühl (und auch seine Mutter: "Du wirst es nicht wagen jetzt die Schule zu schmeißen, Scott!") hielten ihn hier fest. Außerdem hatte er Freunde, die er nicht verlassen wollte und die seine Hilfe brauchten. Und er hatte eine Aufgabe als Lehrer übernommen. Mehr oder weniger, da er ja selber noch kein Experte war, aber lieber er machte das, als jemand wie Peter. Stiles hatte Malia zu ihm gebracht, damit er ihr die Grundlagen im Wersein beibrachte. Überraschender Weise machte das Scott sogar richtig Spaß. Die anderen Jung-Werwölfe bekamen ihre Einführungslektionen ja durchweg von Derek verpasst. Aber es anderen zu zeigen und sich über ihre kleinen Erfolge zu freuen, das war tatsächlich sehr befriedigend für ihn. Die größte Überraschung allerdings hatte Stiles selber geliefert. Um den Nogitsune zu besiegen, hatte Scott sich an den Text der Schriftrolle gehalten und den Nogi-Stiles gebissen, da die Verwandlung des Wirtes den "Geist" austreiben konnte. Und es hatte auch tatsächlich funktioniert. Der "Dark-Stiles" hatte sich letztlich in schwarzen Rauch aufgelöst. Sie konnten die Feuerfliege einfangen und den damit den Geist des Nogi wegsperren. Womit keiner gerechnet hatte (naja, vielleicht Stiles selber irgendwie schon, immerhin hatte er seine Situation mit Kirk in der Folge "Kirk:2=?" verglichen...), beim nächsten Vollmond zeigte Stiles gewisse... Nebenwirkungen. Kapitel 1: A New Beginning -------------------------- Stiles litt unter Alpträumen. Wer konnte ihm das verdenken, nach allem was passiert war? Manchmal konnte er sogar noch die Stimme des Anderen in seinem Kopf hören. Diese Stimme erinnerte ihn daran, dass ihnen der Sieg nicht geschenkt worden war. Er wurde teuer erkauft. Es hatte Allison das Leben gekostet. Stiles fühlte sich deswegen unsäglich schuldig. Er war es vielleicht nicht direkt selber  gewesen, der das Messer geführt hatte, aber weil er zu schwach gewesen war, den Nogitsune aufzuhalten, konnte es soweit kommen. Scott wurde nicht müde ihm zu sagen, dass es nicht sein Fehler gewesen war. Eher noch machte er sich selber dafür verantwortlich. Aber das führte letztlich nur dazu, dass sich beide elendig fühlten. Stiles fühlte sich seit dem Kampf in der Schule überhaupt merkwürdig. Manchmal war er voller Energie, nur um im nächsten Moment wieder von Schwäche übermannt zu werden. Vielleicht war er doch krank und das Ganze war nicht nur eine Finte des Nogitsunes gewesen, um ihn an seinem schwächsten Punkt zu erwischen. In der ersten Woche nach dem Kampf erholte er sich langsam, aber stetig. Jedenfalls körperlich. Er sah nicht mehr aus wie der Tod auf Latschen und sein Appetit kam auch allmählich zurück. In der zweiten Woche… Stiles wusste auch nicht genau was es war, aber er fühlte sich... komisch, anders. Sein ADHS hatte ihn schon immer viel zu viel von dem mitbekommen lassen, was um ihn herum geschah, mehr als bei einem normalen Menschen. Aber Tag für Tag wurde ihm das unheimlicher. Er konnte seinen Vater zum Beispiel in der Küche auf leisen Sohlen laufen hören, wo er ihn vor einem Monat nicht mal im Bad Duschen gehört hätte. Aber umgekehrt, vor einem Monat war er auch noch völlig fertig mit sich und der Welt. Er konnte nicht schlafen, er konnte nicht lesen… und alles nur weil Allison, Scott und er ihre Eltern vor Jennifer und dem Nemeton hatten Retten wollen. Nun kam seine Energie langsam wieder zurück, besser noch als je. Er erinnerte sich nicht, wann er jemals so viele Klimmzüge am Stück geschafft hätte wie tags zuvor. Auch die Beziehung zu seinem Vater war wieder besser geworden, nachdem nun endlich alles wieder normal schien (so normal es jedenfalls sein konnte, wenn man mit Werwölfen, Banshees, Kitsunes und Jägern befreundet war). An diesem Abend hatten sie gemeinsam gekocht. Nun saßen sie zusammen in der Küche und unterhielten sich über die Schule und Gott und die Welt. Sein Vater hatte noch Spätdienst und war schon in Uniform. Die Waffe lag in der Schublade, aber die steckte er immer als letztes ein. Stiles räumte gerade den Tisch ab, als das Zittern anfing. Ungläubig schaute er auf seine blutende Hand, mit der er gerade ein Glas zerdrückt hatte. 'Was zum Henker…' Sein Vater kam schnell angelaufen und ergriff seine Hand. Er wickelte um die Scherben und das Blut ein Geschirrhandtuch und dirigierte seinen Sohn zur Spüle, um die Wunden sauber zu waschen. Aber… da war nichts. Als Stiles die Hand aufmachte, waren da Splitter und Blut, aber keine Schnitte. Beide sahen sich mit großen Augen an. „Stiles?“ Sein Vater legte besorgt die Stirn in Falten. „Was bedeutet das?“ Stiles beugte sich plötzlich vor und verkrampfte. Er keuchte und sank dann auf die Knie. „Stiles, du machst mir Angst, was ist los?“ Stiles keuchte. „Dad…“ Der Sheriff beugte sich vor und zog den Kopf seines Sohnes hoch. Vor Schreck zuckte er kurz zurück. „Oh nein…“ „Was… was… ist… Dad?“ „Stiles, das tut mir jetzt unglaublich Leid. Ich würde gerne sagen das mir das mehr weh tun wird als dir, aber ich fürchte das wäre gelogen.“ Stilles zitterte und zuckte. Schweiß brach ihm aus. „Was…“ Plötzlich bäumte er sich auf, krampfte unter den Stromstößen eines Taser auf und sank dann steif in sich zusammen. Seine Augen waren in Horror aufgerissen. Warum hatte sein Dad das getan? Dann spürte er, wie seine Hände auf dem Rücken in Handschellen gelegt wurden. „Ich bring dich besser nach oben. Und ich sollte wohl Scott anrufen.“ Stiles verstand überhaupt nichts mehr. Was machte sein Dad da mit ihm? Und was hatte Scott mit alldem zu tun? Aber als sein Vater ihn die Treppe rauf trug und er durch das Flurfenster den Aufgang des Vollmondes sah… da wurde ihm einiges klar… ‚Heilige Scheiße…‘ **** Scott machte sich gerade fertig für die Vollmond-Party, wie Malia es getauft hatte. Er, Derek und Malia trafen sich lenkten sich gegenseitig vom Vollmond ab. Für heute hatte Derek einen Pokerabend bei sich im Loft geplant. Scott wollte auf dem Weg noch Knabberzeugs besorgen. Er war schon fast aus der Tür, da klingelte sein Handy. Als er den Anrufer sah, machte er große Augen und begann beinahe sofort sich die schlimmsten Szenarien auszudenken, was passiert sein könnte. Denn der Anruf kam von der letzten Person, von der er erwartet hätte, dass sie ihn um diese Zeit anrufen würde: Sheriff Stilinski. „Scott“, rief dieser in den Hörer kaum dass er abgehoben hatte, „schieb sofort deinen pelzigen Hintern hier her, wir haben ein Problem!“ Scott fragte gar nicht weiter, war schon aus dem Haus bevor er aufgelegt hatte und rannte sofort los. Noch bevor er das Haus betrat, in dem Stiles und sein Vater lebten, konnte er es fühlen. Und riechen. Nur konnte er es kaum glauben. **** Der Sheriff erwartete ihn bereits in der offenen Haustür. "Scott, Gott sei Dank. Beeil dich, ich weiß nicht wie lange die Handschellen noch halten." Er zeigte mit dem Daumen in Richtung Treppen und Stiles Zimmer. Scott hielt sich gar nicht lange auf und stand nur wenige Sekunden später vor Stiles Bett. In dem er lag. Auf dem Bauch, die Hände und Beine auf dem Rücken mit Handschellen gefesselt. Stiles wandte sich hin- und her, wehrte sich und... fauchte und knurrte... mit leuchtend blauen Augen. "Oh", war alles was Scott dazu sagte. Dann drückte er Stiles Schultern auch schon aufs Bett und brüllte ihn mit seinem Alpha-Ruf an. Stiles winselte und wurde ruhig. Der Sheriff erschien in der Zimmertür. "Sag mir bitte dass das nicht schon wieder der Nogitsune ist..." Scott drehte sich halb zu ihm um, lies aber eine Hand zwischen Stiles Schulterblättern. "Keine Sorge, das ist er nicht." Er sah wieder auf Stiles hinunter, aber ob das besser war… Der Sheriff seufzte und fuhr sich mit der Hand einmal durch die Haare. "Ich hab die leuchtenden Augen gesehen, Scott. Und eine Wunde hat sich sofort wieder geschlossen. Heißt das er ist jetzt wie... wie... du?" Scott zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ich fürchte ja." "Ich hab nur drauf gewartet", kam Dereks trockener Kommentar vom Fenster. Er saß auf dem Brett und zog gerade Malia hinter sich hoch. Interessiert blickte sie am Fensterrahmen vorbei Richtung Stiles. "Haben wir Familienzuwachs?" Sie wirkte als einzige im Raum begeistert darüber. "Scott?" Derek klang leicht vorwurfsvoll. Er und Scott hatten einen kurzen non-verbalen Austausch, bevor Scott sagte "Nicht hilfreich, Derek." Stilinski runzelte die Stirn. „Was macht ihr beide denn jetzt hier? Derek? Und… Malia? Woher wisst ihr…“ Malia grinste. „Scott hat uns doch gerufen. War nicht zu überhören, oder Derek?“ Der sah sie finster von der Seite an. „Was?“ fragte sie unschuldig. Derek seufzte. Zum Sheriff gewandt sagte er „Scott hat doch eben geheult, oder? Das ist für Wölfe ein Signal. Es sagt ‚ich bin hier‘. Und wenn der Ruf vom Alpha stammt, dann kommen alle Rudelmitglieder, die in der Nähe sind zu ihm“, erklärte er. Der Sheriff machte mit den Händen eine abwehrende Geste. „Derek, ich will das alles gar nicht so genau wissen, ok?“ „Aber es wird von jetzt ab wichtig für die Zukunft von Stiles sein. Und damit letztlich auch für sie. Sie müssen verstehen, warum er in Zukunft manchmal Sachen tun wird, die sie nicht erwarten und die gegen jede Logik gehen werden.“ Der Sheriff lachte trocken auf. „Noch mehr als bisher? Da bin ich ja mal gespannt.“ Derek stand vom Fensterbrett auf und ging ein paar Schritte auf Stiles Dad zu. Er steckte seine Hände in die Taschen seiner Lederjacke und beobachtete einen Moment schweigend Scott, der seinerseits versuchte Stiles zu beruhigen. Der erste Vollmond war immer hart. Wenn er so an Isaac, Boyd und Erica... Derek atmete seufzend aus. Voller Trauer schloss er die Augen. Scott hatte Recht, jetzt an die zu denken, die nicht mehr hier waren, war für keinen von ihnen hilfreich. Scott richtete sich auf. „Wir bringen ihn besser weg für heute Nacht.“ Er warf sich Stiles einfach über die Schulter und sah den Sheriff mit einem schiefen Grinsen entschuldigend an. "Ist zwar kein echter Trost, aber immerhin ist es kein Dämon." Er zuckte mit den Schultern und tätschelte Stiles Bein, das ihm vor der Brust hing. "Damit können wir wenigstens umgehen." Er trug sein Paket Richtung Fenster und machte Anstalten, durchzuklettern. "Moment noch", hielt ihn Stilinski auf. 'Was haben die nur alle gegen Türen, dass die immer durchs Fenster klettern müssen...', dachte er während er in die Hosentasche griff und einen kleinen Schlüssel herauszog, den er Scott hinhielt. "Ich brauche die Handschellen noch, also falls ihr..." Scott lachte auf. Mit einer Kopfbewegung deutete er auf Derek, winkte Malia kurz, dass sie Platz machen sollte und war aus dem Fenster verschwunden. Malia quiekte vor Überraschung auf und lies sich zurück fallen. Derek seufzte und nahm den Schlüssel in Verwahrung. Wenn das die Einzige Sorge vom Sheriff war... "Passt... passt auf euch auf, ok?" sagte der Sheriff. Er zögerte erst einen Moment, drückte dann aber doch voller väterlicher Sorge Derek den Oberarm. Er blickte ihm sekundenlang ernst ins Gesicht und legte die Stirn in Falten. Derek schluckte. Es war ein ungewohntes Gefühl, das der Sheriff ihm offenbar das Leben seines Sohnes anvertraute. Und ihm  dabei auch wirklich... vertraute. Linkisch drückte er einmal die Hand des Älteren auf seinem Arm und nickte. "Haben wir vor." Ein leichtes Grinsen umspielte seinen Mund, als er schließlich auch aus dem Fenster sprang und der Spur der anderen in den Wald folgte. Kapitel 2: Alpha und Beta ------------------------- Wie von unsichtbaren Fäden gezogen landeten sie am alten Hale Haus. Derek lenkte Scotts Aufmerksamkeit auf sich und deutete auf den alten Keller. "Da können wir ihn besser unter Kontrolle halten." Stiles lag noch gefesselt über Scotts Schulter, aber er konnte einfach nicht ruhig bleiben. 'Konnte er ja noch nie', dachte Derek. Aber jetzt gepaart mit der Stärke eines Werwolfes konnte er sich und die anderen ernsthaft verletzen, wenn sie ihn nicht schnellstens anketten würden. Ihm entging dabei nicht die Ironie, wer es diesmal war, der angekettet den Mond anheulen würde. Wenn man bedachte, dass anfangs es Stiles gewesen war, der Scott an die Heizung gekettet hatte... "Karma ist 'ne Bitch, Stiles", flüsterte er grinsend vor sich hin. "Früher oder später fällt alles auf dich zurück." Er öffnete das neue Vorhängeschloss an der Gittertür und lies die anderen hinein, bevor er sie hinter ihnen wieder abschloss. Kurz horchte er in den Wald hinein, ob ihnen vielleicht Jäger gefolgt waren, aber alles blieb still. 'Gut', dachte Derek. 'Ein Problem ist auch wahrlich genug für heute Nacht.' Scott ging als Erster in die Katakomben, wie er die Keller mal genannt hatte, und schaute sich um. Durch die Gitterfenster kam genug Licht herein, das er mit seinem Werwolf Blick gut sehen konnte. Das letzte Mal war er hier gewesen, als er Derek aus den Klauen der Jäger befreit hatte. Da war er selber noch recht frisch als Werwolf unterwegs gewesen und er erinnerte sich mit leichtem Schrecken an den Anblick von Derek, wie er angekettet da stand, Stromkabel auf seinen Körper geklebt. Aber Derek hatte sicher Recht, für einen "Frisch gewandelten" wie Stiles gab es nichts Besseres als diesen Keller hier. Ihn frei im Wald rumlaufen zu lassen wäre jedenfalls keine so gute Idee. Das "Paket" auf seiner Schulter wurde immer ungestümer. Offenbar mochte Stiles es selbst im Mondrausch überhaupt nicht, wenn man ihn ignorierte. Scott fürchtete er würde sich noch ernstlich verletzten, falls sie nichts unternahmen. Die erste Verwandlung bei Vollmond war traditionell die schlimmste. Der Körper bäumte sich unter der Energie des Mondes auf und die Instinkte übernahmen die Führung. Seine erste Nacht im Wald... wow, hätte Derek ihm damals nicht geholfen und vor den Jägern gerettet, er wäre sicher nicht hier. Er musste damals mehr oder weniger alleine klar kommen. Peter, der ihn gebissen hatte war intellektuell nicht in der Lage gewesen ihm irgendetwas zu erklären (nicht, dass er es später groß je gemacht hätte, wenn er nicht etwas dafür bekam, toller Alpha...) und Derek hatte er nicht vertraut. Also mussten er und Stiles die meiste Zeit improvisieren. Scott nahm das strampelnde Paket Stiles von seiner Schulter und drückte ihn gegen die Eisenstangen. "Tut mir Leid Stiles, ist alles nur zu deinem eigenen Besten." Er drehte sich halb mit dem Kopf zu Malia um. Derek war noch nicht im Raum, also musste sie aushelfen. "Malia, hol bitte die Ketten von da hinten und hilf mir Stiles damit festzumachen." Sofort wurden ihm die Ketten gereicht. Zusammen mit Derek, der soeben dazu kam, wickelte Malia die Ketten um Stiles Brust, Arme und Beine, während Scott ihn weiterhin festhielt. 'Ein handliches Paket Stiles' dachte Scott und schüttelte innerlich grinsend den Kopf. 'Wie du mir, so ich dir.' **** Stiles mochte überhaupt nicht, was die anderen mit ihm vorhatten. Ein kleiner Teil von ihm wusste, dass es vernünftiger war, wenn man ihn ankettete. Himmel, er hatte das damals selber mit Scott gemacht bei den ersten ein-zwei Vollmonden, bis der das unter Kontrolle bekam. Dieser kleine vernünftige Teil war aber nur eine sehr einsame und leise Stimme im Ozean seiner aufbrausenden Werwolfs Instinkte, die von ihm verlangten sich zu wehren, sich zu befreien und zu jagen. "Scott", brachte er in einem tiefen gutturalen Ton hervor, der irgendwie nicht so ganz seine Stimme zu sein schien und doch aus seinem Munde kam. "Du musst mich losmachen. Lass mich raus. Du weißt doch, das ist der Vollmond... ich kann nichts dafür... lass mich raus..." Stiles fühlte sich fiebrig. Er bäumte sich unter einer Welle von Schmerz auf, als seine Wolfsnatur hervorzubrechen drohte. Alle Knochen taten ihm weh. Es war als wollten sie sich gewaltsam anders zusammensetzen... Was sie ja im Grunde auch irgendwie taten. Der Schmerz war so überwältigend, dass Stiles nicht mehr klar denken konnte. Es war ihm eigentlich auch im Moment völlig egal. Er konnte nur noch keuchend nach Atem ringen und hoffen, dass es bald vorbei war. Dann ebbte der Anfall ab und er konnte wieder etwas leichter atmen, auch wenn er vor Schmerzen die Augen zukniff. "S-Scott?", raunte er mit leiser Stimme. "Bist du da?" Sofort fühlte er die warmen Hände seines besten Freundes, der ihm die Haare aus der schweißnassen Stirn strich und dann die Hand auf seine Schulter legte. "Hey, Kumpel. Ich bin da, keine Sorge. Derek und Malia sind auch da. Wir kümmern uns um dich. Mach dir keine Sorgen. Ich passe auf dich auf. Weißt du noch? Damals hast du auf mich aufgepasst. Diesmal bin ich für dich da." Stiles nickte schwach. "S... sitzen?", fragte leise und sah Scott aus verkniffenen Augen flehend an. Ihm war klar, dass er die ganze Nacht hier zubringen würde, bis schließlich der Mond untergegangen war, aber er war bereits jetzt so fertig, er wusste nicht, ob das stehend aushalten konnte. Sofort wurde Scotts Blick besorgt. "Natürlich, versuch ganz ruhig und locker zu bleiben. Ich helfe dir." Stück für Stück zog Scott die Ketten tiefer an den Stangen herunter, bis Stiles schließlich sitzen konnte. Die Hände blieben aber weiter hinter seinem Rücken gefesselt. Er lehnte sich mit dem Kopf rücklings an die Stangen an und schloss kurz die Augen. Scott ließ sich neben ihm zu Boden sinken. "Danke", sagte Stiles schlicht und blickte seinem Freund in die Augen. In die rot-leuchtenden Augen seines Alphas. Er lachte bitter auf und schloss seufzend die Augen. "Also heißt das ich bin jetzt auch ein... ein Werwolf?" Scott zuckte mit den Schultern. "Sieht wohl so aus." Er schnaubte belustigt. "Aber sieh es doch mal positiv, stell dir mal vor, aus dir wär so was Ekliges wie aus Jackson damals geworden." "Ja, das wär extrem uncool... Nicht dass ich es mitbekommen hätte..." In Stiles Gesicht fing es an zu arbeiten. "Dann bin ich also dein... dein Beta?" "Wenn du es möchtest", antwortete Scott und legte den Kopf schräg. "Ich bin zwar der einzige Alpha hier in der Gegend, aber du kannst dich auch gerne anderweitig orientieren. Oder Solo bleiben so wie ich damals." Stiles schüttelte heftig mit dem Kopf. Die Ketten klirrten bei dieser Bewegung. "Scott, nein, Scott, du...", er fing wieder heftiger an zu atmen und zu krampfen, weil ihn die nächste Welle traf. "Ssssschhhhh...", machte Scott und drückte Stiles seinen Zeigefinger auf die Lippen. "Darum kümmern wir uns, wenn es dir besser geht und du wieder ganz bei Sinnen bist." Stiles reagierte ganz instinktiv und legte seinen Kopf in den Nacken und entblößte damit für Scott seine Kehle. Er ordnete sich ihm unter, erkannte ihn als einen Höhergestellten an. Und Scott seinerseits reagierte, in dem er sich vorbeugte, die Nase an Stiles Hals hielt und tief seinen veränderten Geruch einsog. Seine Augen leuchteten tiefrot. 'Mein Beta', sagte die Alpha-Stimme in ihm. Er fuhr mit seinem rechten Zeigerfinger mit ausgefahrener Kralle die Kontur von Stiles Halsbeuge nach, vom Ohrläppchen bis zudem Punkt wo dicht unter der Oberfläche sein Blut heftig pulsierend floss.  Dort hielt er inne. 'Meins'. Dann richtete er sich wieder etwas auf und zog Stiles Gesicht näher zu sich heran und lies ihn umgekehrt an seiner Kehle schnuppern. 'Meins'. Derek stand etwas abseits und beobachtete diese Bezeugung eines Alphas gegenüber einem neuen Beta mit gemischten Gefühlen. Er hatte seine Arme vor der Brust gekreuzt und versuchte mit den Erinnerungen, die dieser Anblick in ihm wachrief klar zu kommen. Er massierte sich die Nasenwurzel und seufzte. Jetzt könnte er wirklich ein Bier gebrauchen. Eines von denen, die schön gekühlt in seinem Kühlschrank daheim im Loft auf ihn warteten. Er überlegte schon, ob Scott lieber mit Stiles alleine sein wollte, da drehte sich der junge Alpha zu ihm um und bedachte auch ihn mit demselben intensiven Blick. Und genauso instinktiv wie Stiles reagierte auch er darauf und deutete seine Unterwerfung an. Scott nickte und hielt ihm eine Hand entgegen. Derek kniete sich auf die andere Seite neben Stiles und legte seine Hand auf die von Scott, so dass beide den Unterarm des anderen drückten. Derek konnte spüren, wie sich ihrer beider Puls anglich. Zittrig atmete er ein. Wann hatte er das letzte Mal so ein intensives, beinahe überwältigendes Gefühl der Gemeinschaft erlebt? Nicht mehr, seit er Laura verloren hatte. Nicht einmal mit seinem eigenem Rudel. Und dann war der Moment vorbei. Beide ließen den Arm des anderen los, aber Derek konnte fühlen, dass zwischen ihnen ein Band entstanden war. Auch wenn er jetzt die Augen, Nase und Ohren verschloss, er würde Scotts Nähe sofort spüren. Er würde spüren, wenn etwas nicht stimmte. Und umgekehrt würde auch Scott spüren wie es ihm ging. Wo er war. Auch ohne heulen würden sie zueinander finden. Ein bisschen machte ihm das Angst, weil er nach dem Verlust seiner Familie nie wieder so ein intensives Gefühl hatte spüren wollen, der durch den Tod von Rudelmitgliedern ausgelöst wurde. Wenn man sich so nah stand, war es als würde ein Teil deiner selbst mit dem Rudelmitglied sterben. Aber der einsame Wolf in seinem Inneren sehnte sich danach die Leere wieder auszufüllen, die erst durch den Tod seiner Familie und dann den Verlust seines eigenen kleinen Rudels entstanden war. Derek atmete einmal tief ein, nickte Scott mit ernstem Gesicht zu und legte ihm die Hand auf die Schulter, bevor er auf stand. Er ging einige Schritte beiseite. Musste sich erst mal wieder sammeln. Er trat an eines der vergitterten Fensterchen. Die kalte Nachtluft wehte ihm ins Gesicht und brachte den Duft von Regenwolken und feuchtem Laub mit sich. Derek genoss das weiße Licht des Vollmondes auf seinem Gesicht. Er spürte wie immer den sanften Lockruf. Doch heute und in dieser Gesellschaft hatte sich sein innerer Wolf gemütlich zusammengerollt. Er genoss es einfach nur nicht mehr alleine zu sein. 'Laura', dachte er traurig. 'Ich wünschte du hättest Scott noch kennengelernt. Er ist unserer Mutter so ähnlich, ihr hättet euch sicher gut verstanden...' Aber andererseits hätte Scott dann nie zu einem wahren Alpha werden können, wäre er damals nicht von dem unbekannten Alpha gebissen worden. Derek lauschte in sich hinein. Er fand nur leise Trauer in sich. Keinerlei Vorwurf für Scott. Nicht einmal mehr für seinen Onkel Peter. Was geschehen war, war geschehen. Und sowohl er als auch Peter hatten für ihren Verrat an der Familie, an ihrem Rudel, schwer büßen müssen. Nicht dass Derek wirklich auch nur einen Moment bereuen würde, dass er seinen Alpha-Status für das Leben seiner kleinen Schwester Cora eingetauscht hatte. Manche Werwölfe waren einfach nicht dafür geboren, ein Rudel anzuführen. Er war es nicht und sein Onkel ganz sicher auch nicht. Aber Scott war es. Und er war nun Dereks Alpha. 'Mein Alpha...'   Malia interessierte Dereks Gefühlsleben im Augenblick eher weniger. Sie kniete sich vor Stiles hin und beobachtete ihn eine Weile, wie er gegen die Ketten ankämpfte, wenn ihn wieder eine Welle traf und ihn hinterher keuchend und nassgeschwitzt zurücklies. Scott blieb die ganze Zeit an seiner Seite. Irgendwann wurde ihr das aber zu langweilig und sie drehte sich zu Scott und Derek um. "Das hat unsere Pläne ja nun über den Haufen geworfen für heute Abend..." Sie zog einen Schmollmund. "Du wolltest uns doch Pokern beibringen, Derek." Sie ging zu ihm hinüber und hängte sich bei ihm ein und schaute ihn von unten herauf mit großen Hunde- oder eher Coyoten Augen an. Derek sah Malia irritiert an. Er zog die Stirn kraus. "Meinst du nicht wir haben gerade andere Sorgen?" Er deutete auf Stiles. "Hör mal, du magst nach so langer Zeit vielleicht den Vollmond und seinen Einfluss auf uns gewohnt sein und damit umgehen können, aber ER kann das noch nicht. Erinnere dich mal an deinen ersten Vollmond. War das vielleicht witzig?" Über Malias Gesicht glitt ein Schatten und Derek verfluchte sich innerlich für diese Taktlosigkeit. Auch Malia hatte ihr Päckchen zu tragen. Und wer war er, dass er ihr sagen konnte, wie sie mit ihrer Vergangenheit umgehen sollte? Darin war er ja selber nicht gerade ein Experte.  "Wessen war das schon?", fragte sie leise. "Wenn die erste Verwandlung zuschlägt... sterben wäre vermutlich leichter zu ertragen." "Sorry", sagte er. "War nicht so gemeint." Er drückte sie tröstend und legte ihr eine Hand auf den Kopf. "Wenn es dir so wichtig ist, dann pokern wir halt. Wir haben nur ein Problem", er sah von Malia zu Scott. "Hat einer von euch vielleicht Spielkarten dabei?" Kapitel 3: Beziehungen ---------------------- "Pokern? Echt jetzt?" Scott konnte sich im ersten Moment ein Grinsen nicht verkneifen, auch wenn er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen, dass Malia und Derek das gerade gesagt hatten. Stiles tat ihm wirklich leid, wie er vor Schmerzen winselte und doch seine Freiheit haben wollte. Scott konnte das gut nachvollziehen. Für jeden von ihnen war der Vollmond eine Verlockung. Einfach mal den Wolf von der Leine lassen und durch den Wald jagen. Das wäre bestimmt so was von befreiend. Aber es ging einfach nicht. Sie waren eine Gefahr für andere, wenn sie nicht aufpassten. Und sie waren dann auch selber in Gefahr vor den Jägern. Die tolerierten keine Ausrutscher. Ok, in seiner ersten Nacht hatte er dem Drang (unfreiwillig) nachgegeben und war durch den Wald gerannt, aber er wäre fast gekillt worden dafür. Derzeit schienen sich keine unbekannten Jäger in BH aufzuhalten, insofern war die Gefahr derzeit eher gering. Trotzdem, erst recht nach der Sache mit dem Nogitsune mussten sie besonders vorsichtig mit Stiles sein. Er würde es ihnen nie verzeihen, wenn in seiner ersten Nacht irgendwer zu Schaden kommen würde. Scott lächelte bei den Gedanken daran, wie Stiles ihn einmal mit Handschellen an der Heizung festgemacht hatte... und das nur weil Lydia... 'Hey genau, Lydia', dachte Scott. 'Die fehlte hier noch zum lustigen Stelldichein der Merkwürdigkeiten.' Er schüttelte mit dem Kopf. Stiles hatte sich im Augenblick wieder im Griff. Und vielleicht würde Lydias Anwesenheit eine beruhigende Wirkung auf ihn haben. So wie... Allison damals bei ihm. Stiles würde definitiv einen Anker brauchen und Lyds war immerhin seine große Liebe seit der 3. Klasse... "Na gut, ok, wir pokern. Ich kann ja Lydia anrufen, sie hat bestimmt Spielkarten im Haus. Wir sind eh zu wenige für eine ordentliche Spielrunde, oder Derek? Und je mehr wir sind, desto lustiger wirds. Dann können wir uns auch besser gegenseitig wach halten. Das wird schließlich ne lange Nacht." Mit einem Seitenblick auf Stiles ergänzte er "für uns alle". "Und was ist mit Kira?" fragte Malia. Sie legte den Kopf schief. "Ihr verbringt nicht mehr so viel Zeit miteinander, seit..." Scott schaute unangenehm berührt zu Boden. "Naja ich, ich weiß nicht, ob ihre Mom sie um die Zeit noch raus lässt." Er kratzte sich am Hinterkopf. "Ihre Mutter hält nicht viel von Werwölfen." Derek lächelte milde. "Solltest du sie das nicht lieber selber entscheiden lassen?" Er betrachtete aufmerksam Scotts Reaktion. "Oder geht es hier um etwas anderes?" Scott zuckte mit den Schultern und drehte sich halb weg. Derek nickte wissend. "Du bist wegen dem was mit Allison passiert ist unsicher, ob du mit Kira überhaupt eine Beziehung eingehen solltest? Ich verrate dir mal was, Scott. Das Leben läuft nie so wie man es plant. Und du kannst nicht für alle Eventualitäten vorsorgen im Leben. Dann hast du auch kein Leben mehr, weil du es nur im Schneckenhaus verbringst. Ich bin sicher, keiner von uns hat vor zu sterben. Und schon gar nicht durch Jäger oder durch Wesen wie diesen Nogitsune. Aber bestrafe Kira nicht für etwas, was noch gar nicht passiert ist. Ruf sie an, rede mit ihr. Lad sie zur Vollmondparty ein, wenn sie möchte. Lass sie selber entscheiden, ob sie in die Sache reingezogen werden möchte, oder nicht. Und ob sie eine Beziehung mit dir eingehen möchte. Aber hör auf damit dir ständig Gedanken über etwas zu machen, worauf du gar keinen Einfluss hast. Und bedenke, Kira ist ein Kitsune, kein einfaches High-School Püppchen. Also auch nicht gerade das Durchschnittsmädel von Nebenan. Und sie hat bereits eindrucksvoll bewiesen, dass sie auf sich selber aufpassen kann." Er ging neben Scott in die Hocke und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Freu dich doch, dass sich mit euch zwei übernatürliche Teenager gefunden haben, die tatsächlich in gewisser Weise ebenbürtig sind. Und du musst nicht riskieren, sie durch einen Biss zu verlieren, den der... Körper vielleicht... nicht annimmt..." Seine Stimme wurde leiser und brach. Derek schloss die Augen und massierte sich die Schläfen. Dass ihm das immer noch so nahe ging... Er war ja so ein Held. Eigentlich hatte er Scott aufmuntern wollen und nun... trauerte er selber wieder seiner verflossenen Jungendliebe nach. Malia schaute auf die Jungs herab und konnte nur noch ungläubig mit dem Kopf schütteln. "Himmel, ihr Trauerklöße..." Genervt warf sie die Hände in die Luft. "Heute ist Vollmond. Eigentlich eine Nacht für Leute wie uns, um die Sau rauszulassen. Und was macht ihr beide?" Vorwurfsvoll zeigte sie mit dem Finger auf Derek und Scott. "Ihr sitzt heulend neben unserem winselnden Welpen. Tolle Vorbilder seid ihr doch." Sie hatte genug davon. Malia ging zum Angriff über. Sie griff in Scotts Jackentasche und angelte sein Handy heraus. Er versuchte es ihr wieder abzunehmen, aber sie war zu schnell. Fix wählte sie Kiras Nummer, wartete auf das Freizeichen und hielt es dann Scott mit einem breiten Grinsen im Gesicht hin. "Bitte sehr, viel Spaß." **** Seit die Sache mit dem Nogitsune vorbei war, hatten Kira und Scott sich nicht mehr außerhalb der Schule gesehen. Sie wusste, dass er den Tod seiner ersten Liebe erst mal verarbeiten musste. Und so fest war ihre Beziehung zu dem Zeitpunkt ja auch noch nicht gewesen. Aber sie vermisste ihn. Sie vermisste die kleinen schüchternen Blicke, die sie in der Schule austauschten, wenn ihr Vater im Unterricht nicht hinsah. Die gemeinsamen Mittagspausen mit der ganzen Clique. Sogar die Krisentreffen, bei denen sie ihren nächsten Schachzug planten. Natürlich nicht wegen der Krise, aber da hatten sie wenigstens einen Grund gehabt, sich regelmäßig nach der Schule zu sehen. Und jetzt? Wie sollt sie sich nun verhalten? Seit der Beerdigung hatten sie kaum drei Worte miteinander gewechselt. Kira konnte sehen, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war, und sie war auch bereit ihm die Zeit zum Trauern zu lassen. Es war für sie alle nicht einfach gewesen Allison zu verlieren. Doch Scott traf es besonders. Kira wollte sich nicht aufdrängen, aber sie hatte Angst Scott zu verlieren, bevor es überhaupt richtig begonnen hatte zwischen ihnen. Und was war denn auch schon groß passiert, dass zu ihren Gunsten sprechen konnte? Ein zarter Kuss, mehr nicht. Andererseits waren sie ein tolles Team im Kampf gegen den Nogitsune gewesen. Sie war keine Jungfer in Nöten, die beschützt werden musste. Sie konnte sich verteidigen, sie konnte angreifen, sie war ein Kitsune. Sie war selber ein übernatürliches Wesen. Dass ihre Mom hier und da abfällige Sprüche gegen Wölfe machte bestärkte sie höchstens noch in ihrem Entschluss, sich nicht von alten Vorurteilen abhalten zu lassen. Es war schon relativ spät und sie wollte sich gerade fertig machen fürs Bett, als ihr Handy anfing zu klingeln. Kira wunderte sich wer das wohl sein mochte. So viele Freunde hatte sie als Lehrerkind schließlich nicht. Dann sah sie das Anrufer-Foto. Es war Scott! Ihr Herz schlug vor Freude etwas schneller. Sie nahm den Anruf an und meldete sich mit einem leicht atemlosen "Hallo?" **** Scott blinzelte Malia böse an, nahm aber das Telefon. Er hörte wie Kira abnahm und ihr fragendes Hallo. Er drehte sich leicht verlegen von den anderen weg beim Telefonieren und ging ein paar Schritte beiseite. "Ähh Kira? Hi, Scott hier. Ich weiß es ist spät und es kommt ein bisschen plötzlich, aber... hast du Lust dich unserer... Vollmondparty anzuschließen? Bislang sind wir zu viert. Derek, Malia, ich und... und Stiles... (Er wollte lieber nicht zu sehr ins Detail gehen, es würde reichen wenn sie die Bescherung vor Ort sah...) Lydia rufe ich auch gleich noch an. Was... was meinst du, magst du kommen? Wir wollen Karten spielen. Derek hat versprochen uns Pokern beizubringen. Wäre toll, wenn du auch könntest..." "Eine Vollmondparty? Mit Pokern?" Kira schaute aus dem Fenster. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass heute Nacht Vollmond war. Dann überlegte sie. Wenn die ganze Scooby Doo-Gang zusammenkam, dann musste das vermutlich so eine Werwolfs-Sache sein, von der sie bisher nichts mitbekommen hatte. Aber er hatte gefragt, ob sie auch kommen würde. Er wollte sie gerne dabei haben. Sie biss sich leicht auf die Unterlippe. Würden ihre Eltern sie so spät noch rauslassen? Immerhin war morgen Schule... 'Ach zum Teufel', dachte sie, 'Ich riskiere es einfach.' "Ich würde sehr gerne kommen." "Gro... Großartig", Scott war total perplex, dass sie wirklich Ja gesagt hatte. Er strahlte übers ganze Gesicht und grinste Malia an, die ihm den 'Daumen hoch' zeigte. "Wo findet die Party denn statt?", wollte Kira wissen. "Ich würde mich gleich fertigmachen und könnte so in 10 -15 Minuten losgehen." Scott zögerte "Ähm, der Weg ist etwas schwer zu beschreiben. Ich hol dich am besten am Parkplatz beim Reservat ab, ok? Ach, und zieh bequeme Stiefel an, wir müssen ein Stückchen durch den Wald laufen." Er lächelte. "Oder hast du Angst nachts im Wald mit einem Wolf alleine zu sein?" "Ich und Angst? Ich hab bestimmt keine Angst davor, im Wald mit einem Wolf unterwegs zu sein. Solange du keine Angst vor einen Fuchs hast", sagte Kira und grinste vor sich hin. "Ok, dann treffen wir uns dort." "Super, dann so... in einer halben Stunde? Schaffst du das?" Kira blickte auf ihre Uhr und rechnete im Geiste die Zeit durch, die sie brauchen würde. "Ja, sollte gehen. Gut dann mach ich mich fertig. Bis gleich, Scott." "Bis gleich. Ich freu mich." Kira legte auf und öffnete die Tür ihres Kleiderschrankes. Was sollte sie anziehen? Wenn Scott von bequemen Schuhwerk sprach hieß das vielleicht, dass sie länger draußen unterwegs waren. Also sollte sie vielleicht auch wärmere Klamotten anziehen. Sie griff nach einem dunkelblauen Strickpulli, den sie über eine dünne Bluse ziehen konnte. Dazu eine dunkle Jeans und die schwarzen Stiefel. Dann zögerte sie kurz, grinste und griff einem Impuls folgend doch lieber nach dem roten Hoodie und legte den blauen Pulli zurück. Sie machte sich kurz im Bad frisch, schnappte sich ihren kleinen Rucksack, steckte ihr Handy ein und schrieb eine kurze Nachricht an ihre Eltern. Die legte Kira auf das Kopfkissen, bevor sie vorsichtig und geräuschlos das Fenster aufmachte und hinauskletterte. Ein bisschen unheimlich war ihr schon zumute, als sie im Dunkeln alleine die Straßen entlang marschierte. 'Ich bin ein Fuchs', sagte sie sich immer wieder. 'Regeln sind da um umgangen zu werden, hat Mom selbst gesagt. Wird schon schief gehen...' **** Scott grinste leicht dämlich und seufzte verträumt auf. Kira würde kommen. Vielleicht hatte Derek Recht und er musste die Entscheidung einfach auch mal jemand anderem überlassen. Wenn Kira bereit war es zu riskieren, dann war er es auch. Er ging wieder zu Stiles, der ihn aus dunklen Augenhöhlen finster anblickte. So wie er ihn anschaute, hätte man meinen können, der Nogitsune war wieder in Stiles gefahren. "Das ist wohl nicht euer ernst, oder?", knurrte er. "Vollmondparty? Und ich bin hier angekettet?" Wütend zerrte er an seinen Ketten. Sein Herzschlag beschleunigte und seine Augen leuchteten auf. Er verkrampfte und seine Reißzähne brachen hervor. Er brüllte seinen Protest in Scotts Richtung. Das war alles einfach nicht fair. Warum immer er? Warum immer auf seine Kosten? Wollten sie hier eine Freak-Show abziehen? Der kleinen vernünftigen Stimme in ihm war klar, dass keiner der anderen etwas Derartiges im Sinn hatte. Alleine schon, weil sie selber alle keine normalen Menschen waren. Doch der wilden Stimme war das völlig egal. Diese Stimme hasste die drei Personen im Raum, weil sie ihm nicht seine Freiheit ließen, weil sie ihn in Ketten gelegt hatten. Angeleint wie einen Hund. "Das ist so gemein von euch“, knurrte er. "Ich hasse euch..." Stiles drehte den Kopf so weit weg von Scott, wie die Ketten es zuließen. Tränen der Wut glitzerten in seinen Augen. Stiles Anschuldigungen versetzten Scott einen Stich. Er fühlte sich ein wenig schuldig, dass Stiles das so sah. Aber was sollte er machen? Die Party war das, was Malia ruhig hielt. Und die Ketten dass, was Stiles jetzt brauchte. Er kniete sich zu Stiles hin und blickte ihn mit ernsten Augen an. "Hör zu, ich weiß das ist verwirrend für dich. Ich hab das alles schließlich auch durchgemacht, wie du dich vielleicht erinnerst. Ich weiß also genau wie du dich fühlst. Wir haben zwar nie wirklich darüber gesprochen, aber hättest du auch ein Werwolf werden wollen, bin ich sicher hättest du es mir gesagt. Dass es so gelaufen ist für dich tut mir wirklich leid. Und glaub mir, ich würde dich gerne losmachen, aber du kannst dich noch nicht kontrollieren." Stiles wandte ihm wieder den Blick zu. Sein mörderischer Gesichtsausdruck beeindruckte Scott kein bisschen, aber er musste hier offenbar noch mal die Rangfolge klar stellen. Das war der ungestüme Jungwolf, dem er in die Augen sah, nicht sein bester Kumpel Stiles. Scotts Augen leuchteten rot auf und er ließ sein Wolfs-Ich an die Oberfläche kommen. Er griff nach Stiles Gesicht, hielt ihn fest und brachte ihre beiden Gesichter einander so nahe, dass sich die Nasen fast berührten. "Wenn du mich dafür hasst, dass ich dich in Sicherheit wissen will, dann ist es eben so. Es gibt noch andere Jäger in dieser Gegend, als nur Chris Argent. Und die werden keine Gnade walten lassen. Und weißt du wieso? Nein, wie denn auch, du hast wohl kaum in den Spiegel gesehen. Du hast blaue Augen, Stiles. Du warst am Tod Unschuldiger beteiligt. Es war der Nogitsune, der dahinter steckte, aber es war immer noch dein Körper. Also bist du mit blauen Augen gestraft worden. Das heißt für dich 'Kill-On-Sight', ist dir das klar?" Scott verwandelte sich wieder zurück. Er lehnte sich etwas hinten und ließ Stiles Gesicht los. "Hab ich dir je von meiner ersten Nacht erzählt? Wirklich erzählt? Als der Mond aufging spürte ich die Energie in mir aufsteigen, denn Drang nach Freiheit, den Drang im Wald Amok zu laufen." Er setze sich neben Stiles und lehnte sich gegen ihn. "Ich habe damals nicht verstanden, was vor sich ging. Dann traf ich auf Derek, der sich mir in den Weg stellte. Er versuchte mich aufzuhalten. Er wollte mich vor den Jägern warnen, aber erst als ich einen Pfeil im Arm hatte und an einen Baum... genagelt war, kam ich wieder zu Sinnen." Er sah seinen Freund an. "Nur Schmerz lässt dich Mensch bleiben, Stiles. Wenn ich die Wahl habe zwischen dich in Ketten legen, bis der Mond untergegangen ist oder dich zu verletzen, damit nichts weiter passiert. Was glaubst du, welche Option ich immer wählen würde?" Scott sah Derek und Malia zu, die in der entfernten Ecke den Tisch aufbauten und Sitzgelegenheiten zusammen suchten. Er blickte wieder Stiles an und wies mit einem Kopfnicken auf die beiden. "Sei uns nicht böse, die Party war schon lange geplant, bevor... bevor es so aus dem Ruder gelaufen ist. Für Malia ist das auch erst der zweite Vollmond in ihrer menschlichen Form. Und sie braucht uns, ihr Rudel, um sie herum, damit sie die Kontrolle behält. Sie war so viele Jahre alleine. Und nun möchte sie das nicht mehr sein. Gesellschaft zu haben ist ihr Anker. Derek, er war auch meistens allein, aber aus einem anderen Grund. Sein Anker ist die Wut. Die Wut auf die Jäger, die Wut über den Verlust seiner Familie. Wut ist keine gute Gesellschaft auf Dauer. Aber sie macht dich unabhängig. Mein Anker... du weißt wer es war. Ich habe sie schon vorher verloren, als sie sich von mir getrennt hatte. Ich wäre fast meinem Vater an die Gurgel gegangen, weil ich die Wut kaum zügeln konnte. Meine Mutter half mir. Sie sagte ich solle mein eigener Anker sein, bis ich wieder jemanden gefunden habe, der diese Position einnehmen könnte. Vielleicht wird es Kira, vielleicht bleibe ich auch mein eigener Anker, wer weiß. Wie ist es bei dir, Stiles? Hast du einen Anker? Vielleicht wird es auch deine Wut sein, die Wut über die Ungerechtigkeit was dir alles passiert ist. Vielleicht ist es Lydia, in die du seit der dritten Klasse heimlich verknallt warst. Oder vielleicht ist es der Gedanke an eine Familie, die dich Mensch bleiben lässt. Das kannst nur du selber für dich herausfinden. Wir sind jetzt eine Familie. Deine Familie, Stiles. Nicht durch Geburt, aber durch Blut verbunden. Derek hat uns erzählt, gemeinsam mit der Familie den Vollmond zu feiern hatte bei den Hales Tradition. Und mit Malias... Rückkehr in die Welt der Menschen haben wir beschlossen diese Tradition wieder aufzunehmen. Auch deshalb bleiben wir bei dir. Du bist jetzt ebenfalls ein Teil dieser Welt, nicht mehr nur ein 'bloßer Eingeweihter', sondern ein richtiges Vollmitglied im Club der übernatürlichen Wesen. Deshalb machen wir trotzdem diese", er malte kleine Hochkommatas in die Luft, "diese 'Vollmondparty'. Es mag dir vielleicht im Moment grausam erscheinen, aber wir wollten diese Nacht von vorneherein zusammen verbringen. Und wir wollen dich nicht alleine lassen. Also wird die Feier eben hierher verlegt. Oder glaubst du ernsthaft wir hatten von Anfang an die Absicht in den Katakomben die Nacht zu verbringen? Nein, eigentlich sollten wir jetzt gemütlich bei Derek im Loft zusammen sitzen und Karten spielen." Stiles schien über seine Worte nachzudenken. Zumindest war der hasserfüllte Ausdruck aus seinen Augen verschwunden. Langsam kehrte wieder der übliche Stiles an die Oberfläche zurück. "Familie?" fragte er leise. Und dann noch einmal, als wollte er das Wort auskosten, "Familie..." Seine Augen glitzerten vor Freude. Er hatte eine Familie, war nicht alleine. Doch dann fiel ihm etwas ein und sein Gesichtsausdruck wurde wieder gestresst. "Dad?" Scott lächelte sanft. "Alles ok mit ihm. Er hat rechtzeitig gemerkt, was los war und dich ruhiggestellt. Er ist ein Cop, er kann mit so was umgehen." Stiles nickte und seufzte. Er blickte unsicher Scott an und änderte seine Sitzposition, so dass die Ketten klirrten. Er zuckte bei dem Geräusch zusammen. "Muss ich jetzt jeden Vollmond...?" Scott schüttelte verneinend den Kopf "Ich denke nicht, dass das nötig ist. Nächstes Mal gibt es keine Ketten für dich, dann regeln wir das anders, versprochen. Aber solange du deinen Anker nicht gefunden hast und gelernt hast dich zu beherrschen, bist du eine Gefahr für dich selber. Und letztlich für uns alle." Stiles starrte auf seine Füße. Er seufzte. "Das weiß ich doch Scott, ich kann es aber nicht ändern. Genauso wenig wie du damals." Stiles lehnte sich zurück. "Was hat dir damals geholfen? Abgesehen von Schmerzen? Ich war noch nie groß der Schmerztyp, weißt du? Nicht mein Ding." Er grübelte. "Du hast dich doch unbewusst immer zu Allison geschlichen, oder? Du wolltest sie beschützen..." Scott nickte leicht betrübt. "Und jetzt sieh wo uns das alles hingeführt hat..." Er holte einmal tief Luft und fuhr sich mit der Hand durch das Haar, als wollte er den Gedanken aus seinem Kopf vertreiben. "Hast du jemanden, den du beschützen möchtest? Fühlst du dich zu jemandem besonders hingezogen, Stiles?" Stiles sah Scott mit einem Ausdruck an, der besagte 'Du meintest die Frage jetzt nicht ernst, oder? Hallooo? Ich bin‘s, dein bester Kumpel Stiles seit Kindertagen. Was fragst du eigentlich noch so blöd?' Scott lachte auf. "Erdbeerblond?" fragte er. "Erdbeerblond", nickte Stiles. Scott hatte noch immer das Telefon in der anderen Hand und wählte nun die Nummer von Lydia. "Na gut, vielleicht hilft dir das ja."  Er wartete auf ein Freizeichen, dann hörte er Lydias Stimme am anderen Ende. "Hi Lyds, Scott hier. Hast du heute Abend schon was vor? Hier ist nämlich ein einsamer unglücklicher Wolf, der dringend deine Gesellschaft und etwas Trost brauchen könnte..." Kapitel 4: Missverständnisse und Gedankenspiele ----------------------------------------------- Auch für Lydia Martin, ihres Zeichens Erdbeerblonde High-School-Queen und Mathegenie (und Sprachgenie und... eigentlich in allem weit weit über dem Durchschnitt, aber sie wollte ja nicht mit ihrem Wahnsinns IQ angeben) war es ein ruhiger Abend. Sie saß ausgestreckt auf ihrem Bett. Auf dem Fernseher lief Discovery Channel, eine Doku über die Bronzezeit. Anschließend kam was über die Bernsteinstraße. Lydia lackierte sich währenddessen die Fingernägel und hörte nur mit einem halben Ohr zu. Also ein Abend wie jeder andere seit ihre Beste Freundin nicht mehr da war. Ein Abend voller Langeweile. Sie überlegte gerade, ob sie ihre Zehennägel auch in der gleichen Farbe anmalen sollte, obwohl derzeit Peeptoe-Schuhe nicht so angesagt waren bei den Temperaturen. Da wurde ihre Routine unterbrochen von einem Wolfsheulen. Irritiert schaut sie sich um und entdeckt halb verborgen unter ihrem Bademantel ihr Handy. Sie zog die sauber gezupfte Augenbraue in einem erstaunten Bogen hoch. Wann hatte Scott sie je schon mal angerufen? Hoffentlich gab es nicht schon wieder irgendwelche Katastrophen. Sie hatte eigentlich in letzter Zeit kein gesteigertes Bedürfnis gespürt Schreien zu müssen... ‚Das findest du nur auf eine Art raus, Süße‘, sagte sie zu sich selber und drückte auf ‚Annehmen‘. „Hi Scott“, meldete sie sich. „Was gibt’s?“   Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen, als er was von ‚einem einsamen unglücklichen Wolf‘ quatschte. „Noch mal von vorne, Scott. WAS ist los? Wenn du einsam bist solltest du doch wohl eher bei Kira anrufen statt bei mir, oder? Was hab ich damit zu tun?“ Diesmal war es Scott, der irritiert dreinschaute und Stiles von der Seite ansah. Der zog die Augenbrauen hoch und hob die Schultern in einer ‚Ich weiß auch nicht wovon sie redet‘-Geste. Dachte Lydia etwa Scott bräuchte Gesellschaft? „Ähh Lyds, es geht nicht um mich. Ich rufe sozusagen im Auftrag an...“ Lydia schnaubte wütend auf. „Echt? Dann kannst du Peter sagen, dass er mich mal kann. Ich leg jetzt auf.“ „Halt, nein, warte!“ Scott verstand manchmal die Gedankengänge dieser Frau einfach nicht. Wie kam sie jetzt auf Peter? „Lyds nein, es geht weder um mich, noch um Peter.“ Das brachte Lydia zum Nachdenken. Wer bliebe dann noch übrig? Doch nur Derek... Und der würde garantiert nicht bei ihr anrufen, wenn er irgendwas wollte. Derek... hmmm, das könnte natürlich ein interessanterer Abend werden, als ihn mit Dokus zu verbringen. Damit hatte er nun wirklich Lydias Aufmerksamkeit. „Und was möchtest du nun von mir?“ fragte sie geradeheraus. „Na ja“, begann Scott unsicher (er würde es nie zugeben, aber Lydias Intelligenz schüchterte ihn manchmal ein), „wie du vielleicht bemerkt hast ist heute Nacht Vollmond, und da wollten wir uns alle für einem netten Abend zusammensetzen. Quasi eine Vollmondparty. Derek wollte uns pokern beibringen...“ Lydia quittierte das mit einem amüsierten Schnauben. „Dabei geht es um Zahlen und Wahrscheinlichkeiten, ist wohl eher mein Spezialgebiet, als Dereks. Fehlt euch der vierte Mann oder warum fragst du mich deswegen? Ich sag’s gleich Kartengeber mach ich nicht. Ist mir zu langweilig.“ Scott musste grinsen. War klar, dass Lydia gleich wieder damit anfing ihre Bedingungen zu diktieren. „Nein, Kartengeber musst du nicht machen, keine Sorge. Ich frage dich deshalb, weil du zu unserer kleinen Bande übernatürlicher Teenager gehörst und wir mal ausnahmsweise einen netten gemeinsamen Abend verbringen wollten.“ Von gemütlich konnte er kaum sprechen, so kuschelig war es in den Katakomben schließlich nicht. Er schaute noch mal kurz zu Stiles, der ihn mit großen Augen flehentlich wie ein kleiner Welpe ansah. Scott seufzte. Ok, wenn Stiles ihn so ansah konnte er ihm kaum was abschlagen. "Lyds, komm bitte einfach. Du wirst hier sehnsüchtig erwartet und es hat definitiv nichts mit Peter zu tun." Zumindest nicht unmittelbar... aber wobei hatte Dereks Onkel nicht schon seine Finger im Spiel gehabt. „Hier wartet auch eine kleine Überraschung auf dich.“ Lydia verzog den Mund. "Ich hasse Überraschungen." Jedes Mal wenn es bisher eine Überraschung gegeben hatte, stand am Ende ein durchgeknallter Werwolf oder ein anderer Spinner vor ihr. Aber Scott hatte sie bisher noch nie belogen. Wenn man sich bei ihm auf eines verlassen konnte, dann auf seine Treue seinen Freunden gegenüber. Wenn er also sagte, es sei ok, dann würde sie ihm glauben... vorerst. Sie seufzte. "Ok wo seid ihr?" Entsprechend musste sie schließlich ihr Outfit zusammenstellen. Sie erhob sich von ihrem Bett und ging zu ihrem Kleiderschrank hinüber. Dort öffnete die Tür und ging nebenbei schon mal die Möglichkeiten durch. Scott konnte am anderen Ende das Klappern von Kleiderbügeln hören. "Ok, der Ort ist vielleicht nicht so dein Favorit, aber es hat seine Gründe, glaub mir. Wir sind in den Katakomben im Wald beim alten Haus. Warst du schon mal da?" Wieder verzog Lydia das Gesicht. Sie hatte keine guten Erfahrungen mit diesem Haus gemacht. "Natürlich kenne ich das verdammte Haus. Ich hab ja auch nur unfreiwillig Dereks verrückten und toten Onkel dort wiederbelebt, Scott. Als wenn ich DAS so leicht vergessen könnte." "Ok ok", wiegelte Scott ab. "Schon gut. Also du weißt wo das Haus ist. Habs verstanden. Ich hole Kira zwar so in 20 Minuten am Parkplatz vor dem Reservat ab, aber die anderen warten hier auf dich. Meld dich einfach, wenn du da bist, in Ordnung? Ach und... eins noch." "Was?", langsam hatte sie das Gefühl, dass es doch eine blöde Idee war, sich mit den anderen zu treffen. Scott kratzte sich am Kopf. "Ihr habt nicht zufällig Spielkarten für Poker im Haus, oder? Wir haben alles bei Derek im Loft, können die Sachen aber nicht holen. Wir sind alle... zu Fuß hierher gekommen..." "Ihr rennt freiwillig mitten in der Nacht bei Vollmond, wo ihr euch eigentlich besser in irgendein fensterloses Loch verkriechen solltet, durch den Wald? Und ich soll mir keine Sorgen machen?" Sie atmete einmal tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Definitiv, eine ganz blöde Idee von ihr gewesen ja zu sagen. "Ok, fein, ich bringe die Karten mit. Sonst noch was? Pizza und Bier?" Scott stutzte kurz. "Klingt super", sagte er, "Coole Idee von dir. Aber Cola und Chips dürften auch reichen. Bis später dann." Er legte auf. "Ich..." Klick Lydia starrte ihr Handy an. Einfach aufgelegt. Hatte Scott noch nie was von Sarkasmus gehört? Sie musste ihn sich wirklich dringend mal vornehmen und ihm was über Grammatik beibringen. Sie warf ihr Handy aufs Bett und suchte sich Klamotten zusammen, die zu ihrem frisch lackierten Nägeln passen würden. **** Scott beendete das Telefonat und steckte sein Handy weg. "Ok, Stiles, deine Erdbeerblonde Göttin ist auf dem Weg hierher." Er tätschelte seinem besten Freund beruhigend das Bein. "Ich dachte ich erzähle ihr erst mal nichts genaues darüber was mit dir los ist. War doch in deinem Sinne, oder?" Stiles nickte heftig. "Total. Du bist der beste Freund der Welt Scott, der beste Alpha. Es werden Lieder über dich gesungen werden, die deine Großartigkeit..." Scott buffte ihm mit den Faust an die Schulter. "Halt die Klappe Stiles." Aber immerhin klang er schon wieder mehr nach sich selbst. Zu den anderen rief er "Lydia ist unterwegs... mehr oder weniger. Ich muss dann gleich los Kira abholen. Bleibt bitte so lange einer von euch bei Stiles sitzen?" Er stand auf und klopfte sich die Hose ab. "Derek, lässt du mich dann eben raus? Ich möchte unbedingt, dass die Tür verschlossen bleibt, aber du hast sicher keinen Zweitschlüssel hier, oder?" **** Nachdem Scott die Katakomben verlassen hatte setzte sich Malia neben Stiles. Sie unterhielt ihn mit Geschichten aus ihrer Zeit als Coyote im Wald. Er nickte zu ihren Geschichten, aber seine Gedanken wanderten immer wieder ab. Die großen Schmerzwellen waren inzwischen abgeebbt. Das mochte mit Scotts Gegenwart zu tun gehabt haben. Mit diesem... diesem Bonding, er fand kein besseres Wort dafür. Auch die große Wut war inzwischen einigermaßen verraucht. Jetzt war ihm klar, dass Scott und die anderen ihm nur helfen wollten. Er hatte in der Tat nie ernsthaft ebenfalls ein Werwolf sein wollen. Ok, er hatte durchaus mal mit dem Gedanken gespielt, wie es wäre, wenn er auch so schnell und stark wie Scott und Derek sein könnte. Aber dann musste er immer wieder an die Jäger denken. Und daran, dass Scott anfangs so gelitten hatte. Die ganzen Geräusche, die er plötzlich hören konnte. Und die ganzen Gerüche. Und auch das ständig große Dinge von ihm erwartet wurden. Und wenn Werwolf sein in Beacon Hills ansonsten nur bedeutete, dass man so was wie die Polizei für übernatürliche Dinge wurde, das konnte er auch als normaler Mensch und Sohn des Sheriffs haben. Da brauchte er die Nebenwirkungen nicht unbedingt. Obwohl es natürlich auch durchaus Vorteile haben konnte. Er wäre nun genau wie Scott und Derek fast unkaputtbar. Keine Krankheit würde ihn mehr befallen. Ein kalter Schauer lief Stiles über den Rücken, als er an das Krankenhaus dachte. An den Moment wo er mit Scott vor dem MRT gewartet hatte. Und Scott ihn mit seinen dunklen Augen angesehen hatte. Dieser Schmerz darin, der Schmerz ihn vielleicht zu verlieren. Einander zu verlieren. Stiles musste schlucken. Er selber hatte in Moment auch furchtbare Angst gehabt. Er wollte nicht gehen und Scott alleine lassen. Beide waren ein Team, untrennbar verbunden. Es hatte ihm selber fast das Herz zerrissen, als Scott in dem Hotel damals sich beinahe umgebracht hätte. Und umgekehrt würde es auch Scott so gehen, falls Stiles weg wäre. Keiner von beiden vermochte es, vernünftig ohne den anderen weiterzuleben. Sie waren zwei Hälften von einem Ganzen. Vor dem MRT hatte Scott versprochen, er würde etwas tun, um ihn zu retten, falls die Diagnose sich bestätigte. Und Stiles selber hatte dazu nur genickt. Er wusste, Scott würde auf jeden Fall einen Weg finden. Und wie Stiles durchaus bewusst gewesen war, die einzige Heilung die Scott tatsächlich anbieten konnte, war der Biss. Im Grunde hatte er sich also damals doch schon dafür entschieden, auch ein Werwolf zu werden. Nur ein Werwolf konnte diese Krankheit überwinden. Gerard hatte es sogar von seinem Krebs im Endstadium geheilt. Und es hatte letztlich Stiles auch vor dem Nogitsune gerettet. Und nun konnte er eh nichts mehr daran ändern. Er war ein Werwolf. Mit blauen Augen. Das machte ihm Angst. Er kannte die Jäger. Er hatte "nette" wie Chris kennen gelernt, aber auch durchgeknallte wie Kate. Chris würde es verstehen und ihn in Ruhe lassen. Doch andere, wie diese komischen Typen, die Derek und Peter entführt hatten... die wären nicht zimperlich. Aber im Rudel wären sie stärker. Alpha, Beta, Omega. Scott sagte zwar er hätte die Entscheidungsfreiheit, aber die brauchte er gar nicht. Wollte sie gar nicht. Bei dem Bonding... Scott als der Alpha hatte ihn als seinen Beta akzeptiert und er wiederum hatte ihn als seinen Alpha angenommen. Und zu Stiles unendlichem Glück, war Scott ein vernünftiger Alpha. Er verlangte kein Initiations- Ritual wo er jemanden aus seinem Freundeskreis killen sollte. Stiles runzelte die Stirn. Wenn er genau darüber nachdachte würde das auch überhaupt nichts bringen, da sein Freundeskreis komplett aus Werwölfen, Banshees und Kitsunes bestand. Er war schon immer Teil des Rudels gewesen. Und aus unerklärlichem Grund machte ihn das Stolz. Er grinste dämlich vor sich hin... Sein Rudel. Er genoss Klang dieser Worte, schwelgte darin... Bis ihm klar wurde, was er da eigentlich machte. Verdammt, blöde Rudeldynamik. Er konnte gar nicht anders. Er ließ den Kopf wieder nach hinten an die Metallstangen sinken. Scott war sein bester Freund seit so unendlich langer Zeit. Sie waren mehr wie Brüder aufgewachsen. Er wusste mehr über Scott, als er vermutlich selber über sich wusste. Sie waren ein Team. Und jetzt waren sie ein Rudel. Ein richtiges Rudel. Kein Stiles mehr nur an der Seitenlinie, weil er bloß ein Mensch war. Kein 'Stiles, das ist zu gefährlich' und kein ‚Stiles, du bist nur ein Mensch, halt dich besser da raus’. Nein, Stiles konnte jetzt auf sich selber aufpassen (na ja, zumindest sobald er gelernt hatte mit dem Shifting umzugehen). Stiles war ein Werwolf, genau wie Scott und Derek. Stiles war ein Kämpfer. Stiles war stark, tapfer und mutig... und Stiles war eindeutig hirnamputiert.   Und seit wann redete Stiles eigentlich von sich selber in der dritten Person?   "Uhh Malia, tut mir Leid, wenn ich dich unterbreche, aber haben wir hier vielleicht was zum Trinken? Einen Schluck Wasser?" Sein Hals fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an... Kapitel 5: Rotfüchschen und der liebe Wolf ------------------------------------------ Scott war unterwegs zum Treffpunkt. Derek hatte ihn rausgelassen und hinter ihm wieder abgeschlossen. Solange es quer durch den Wald ging lief Scott mit voller Wolfsgeschwindigkeit. Er wollte noch einen kurzen Abstecher zur nahegelegenen Tankstelle machen und was zu Essen besorgen. Sobald er jedoch in der Nähe der Straße war, wurde er etwas langsamer. Er hielt sich halb im Schatten, damit ihn keine vorbeifahrenden Autos bemerkten. Seine Gedanken wanderten unterdessen immer wieder zu Stiles. Wie war es bloß dazu gekommen, dass er jetzt auch ein Werwolf war? Hätte sich das nicht nur auf die dunkle Hälfte beschränken sollen? Er musste unbedingt und so schnell wie möglich mit Deaton darüber reden. An der Tankstelle war nicht viel los. Scott ging die Verkaufs-Regale ab und packte Salzstangen und Nachos in einen Einkaufskorb. Zwei Flaschen Cola wanderten ebenfalls hinein. Als er am Kühlregal vorbei ging fiel sein Blick auf eine Packung Sushi. Kira schien die zu mögen, als er sie vor einiger Zeit zu Hause besucht hatte. Also nahm er die ebenfalls mit. Und noch zwei verschiedene Dips für die Nachos, Käse und Salsa. Keine Guacamole, vielen Dank. Die Einkaufstüten in den Händen marschierte er ein paar Minuten später weiter zum Parkplatz. Er kam kurz nach Kira an. Was bedeutete, dass nach seiner Uhr beide viel zu früh dran waren. Die ganze Situation einschließlich der Tatsache, dass eben Vollmond war und er ein Werwolf, sorgte dafür, dass Scott zu viel Energie hatte und er noch schneller gerannt war, als sonst. Was wohl Kiras 'Entschuldigung' war? Er lächelte in sich hinein. Sie hatten sich so lange nicht wirklich mehr gesehen, ob sie ebenfalls gerannt war, um ihn endlich wieder zu treffen? "Hi", sagte er lächelnd, als er auf Kira zutrat. "Du bist aber früh dran." Er ging näher an sie heran. Scott wusste nicht so recht, ob er sie in die Arme nehmen sollte oder nicht. Die Einkaufstüten bildeten da eine gute Ausrede erst Mal Kiras Reaktion abzuwarten. Ihre Beziehung war für ihn noch so neu und fragil, er wollte Kira nicht verschrecken und hatte gleichzeitig Angst seine Gefühle nicht deutlich genug rüber zu bringen. Mit Allison war das damals anders gewesen. Beide flogen mehr oder weniger vom ersten Moment an total aufeinander. Und Allison war auch die treibende Kraft in der Beziehung gewesen. Er war damals ja noch so unerfahren und naiv gewesen... Und Kira war genau so schüchtern und zurückhaltend wie Scott. Im Kampf konnte sie mit dem Katana gnadenlos und mit unglaublicher Geschwindigkeit agieren, sobald sie aber mit Scott alleine war fühlte sie sich wieder wie eine ungeschickte 14-Jährige. "Hi", antwortete sie und lächelte ebenfalls. "Ich bin nicht zu früh, du bist spät dran." Sie zwinkerte ihm zu, um zu zeigen, dass sie bloß einen Witz machte. Dann deutete sie auf die Tüten. "Last Minute Shopping?" Scott hüstelte verlegen. "Naja, ich dachte wir sollten vielleicht auch was zu knabbern und zu trinken da haben, wenn wir uns einen netten Abend machen wollen. Ich hab sogar extra für dich Sushi besorgt." Kira riss vor Überraschung die Augen auf. "Wirklich? Oh das ist echt lieb von dir." Sie beugte sich auf Zehenspitzen vor, legte ihm die Arme um den Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Doch statt sich danach wieder zurückzulehnen blieben sie einander so nahe, verharrten in der Bewegung. Ihre Augen waren groß und fragend. Der überraschte Ausdruck in Scotts Augen verschwand und machte einem sanften Leuchten Platz. Vorsichtig ging er ein Stück in die Knie runter und setzte die Tüten ab. Dann richtete er sich wieder auf und legte sanft seine Arme um Kiras Körpermitte. Er blickte ihr tief in die Augen. Sie hatte das Gefühl, als würde er ihr bis auf den Grund ihrer Seele schauen und als würde ihm gefallen, was er dort sah. Etwas leiser sagte Scott "Ich freue mich wirklich sehr, dass du gekommen bist. Du hast mir gefehlt." Dann gab ihr einen zarten Kuss. "Du hast mir auch gefehlt, Scott", antwortete sie und lehnte ihren Kopf an seine Brust. Ihre Linke war von seinem Hals bis zu seiner Brust hinuntergewandert und malte kleine Kreise auf seinen muskulösen Oberkörper. Er er griff mit seiner Rechten vorsichtig ihre Hand. Sie verschränkten ihre Finger und er gab ihr einen Kuss auf ihre Fingerspitzen. "Sehr gefehlt", flüsterte sie. Einen endlosen Moment lang standen sie da, als würden sie auf einem Ball einen langsamen Tanz miteinander tanzen. Sich in einem für andere unhörbaren Rhytmus gemeinsam zur Musik wiegend. Dann kam ein Auto vorbeigefahren, erfasste sie im Scheinwerferlicht, hupte kurz auf und der Moment war vorbei. Beide wandten von dem grellen Licht geblendet den Blick ab. Scott lies Kiras Rücken los, hielt aber weiterhin ihre Hand fest. "Wir sollten wohl besser weiter. Ist noch ein Stück, bis wir bei den Katakomben sind." Er hob die Tüte mit den Getränken auf, aber Kira ergriff die andere, bevor er sie nehmen konnte. Er hielt ihr seine Linke hin und deutete, dass sie ihm die Tüte geben sollte. Aber Kira schüttelte den Kopf. "Ist schon ok, bin ja keine Prinzessin." Er grinste. "Nein du bis ein Fuchs, der Nachts im Wald mit einem Wolf unterwegs ist." Scott deutete auf den roten Kapuzenpulli, den Kira trug. "Willst du damit eigentlich was bestimmtes sagen?" Kira kicherte. "Ja, der Wolf wird falsch dargestellt. Er bringt das Rotkäppchen schließlich immer sicher zum Haus der Oma." Scott lachte. "Dann bist du heute also 'Rotfüchschen'?" "Wenn du als der 'liebe Wolf' mitspielst, ja", neckte ihn Kira. Er legte den Kopf schief und schaute sie aus tiefrot leuchtenden Augen neckisch von der Seite an. "Och, ich denke ich komme damit klar. Dann lass uns mal zum einsamen Haus im Wald gehen, um der Oma Cola und Nachos zu bringen." Kira versuchte ernsthaft dreinzublicken, als sie hinzufügte, "und Sushi, nicht zu vergessen." "Oh, wie könnte ich das je vergessen..." Dann fingen beide an zu lachen.  Nach wenigen Schritten verfielen sie bereits in einen leichten Trab. Keiner von beiden hatte Probleme mit der Dunkelheit und so kamen sie gut voran. "Ich bin neugrierig", fragte Kira ein paar Minuten später. "Warum in den.. wie nennst du sie? In den 'Katabomben'? Ist das eine Umschreibung für einen geheimen Partykeller?" Scott räusperte sich verlegen. "Nein, die Katakomben sind genau das, was der Name vermuten lässt, tiefe feuchte Keller." Kira schaute irritiert. "Aber warum..." "Na ja, der Ort hat sich eigentlich erst sehr kurzfristig ergeben. Wir brauchten etwas, das ein wenig... sicherer und abgelegener ist, als Dereks Loft. Denn... es ist Vollmond und wir sind alle etwas... wie soll ich sagen.... mondsüchtig?" Er machte eine wage Geste in Richtung der strahlenden weißen Scheibe. Er sah sie von der Seite an. "Und manche von uns mehr als andere. Übersetzt heißt das ‚es ist so'n Wolfsding’, würde Stiles sagen." Er schnaubte belustigt. Und bestimmt hätte Stiles nicht gedacht, dass er sich auf diese Weise der Party anschließen würde... "Weißt du, Derek hat erzählt, dass sich früher zum Vollmond immer die Familie versammelt hat, um gemeinsam diese Nacht zu feiern. Und jetzt, wo Malia da ist und der Nogi endlich..." Scott zögerte kurz und räusperte sich dann. "Er wollte die Tradition jedenfalls wieder aufnehmen. Nur, das wir halt einen lustigen Abend machen wollten, statt irgendwelcher Rituale. Mit Pokern und so. Im engsten Kreis... Ich weiß ja nicht, was Füchse von Vollmondnächten halten, Wölfe finden sie sehr... anregend." Er lächelte und seine Augen leuchteten wieder leicht auf. Er hielt ihre verbundenen Hände hoch und drückte sanft seine Lippen auf ihre Finger, mit dem Daumen streichelte er über den Handrücken. Aber Kira lies nicht locker. "Was ist denn so kurzfristiges dazwischen gekommen? Sind wieder irgendwelche Jäger oder finstere Wesen in der Stadt?" Das musste sie schließlich wissen. Sie gehörte ja inzwischen ebenfalls zu Scotts 'schneller Eingreiftruppe'. "Nein nein, keine Sorge", beruhigte er sie. "Nichts dergleichen. Etwas unerwartetes ist eingetreten, aber nichts derartiges, keine Angst." "Ich hab keine Angst", schnaubte Kira belustigt. "Immerhin bin ich ein Fuchs." "Und ein wunderschöner noch dazu", flüsterte Scott mit leicht rauher Stimme. Kiras Wangen wurden heiß bei dem Kompliment. "Ich mag es übrigens wenn deine Augen leuchten", flüsterte sie auf einmal leise. "Rot kann ein kalter Ton sein, aber deine Augen leuchten in einem wunderschönen warmen Rot..." Scott wurde langsamer und blieb dann stehen. Er sah sie an und schien dabei von innen heraus zu strahlen. Dann beugte er sich zu ihr vor.  "Ich mag es auch wenn deine Augen leuchten", flüsterte er ihr ins Ohr. Er sah ihr einen Moment fragend in die Augen, wartete ob sie zurückweichen würde oder nicht und berührte dann ihre Lippen sanft mit den seinen... Kiras Herz begann wild zu klopfen. Irgendwie war er heute anders. Ob das mit dem Vollmond zu tun hatte? Oder einfach nur weil er ein Alpha war, nachts im Wald, in seinem Herrschaftsgebiet? Seine Ausstrahlung war beinahe überwältigend. Ihr beider Atem beschleunigte sich. Scott lies die Tüte fallen. Das Laub raschelte und dämpfte den Fall. Mit der nun freien Hand strich er Kira eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht. Wie er so breitschultrig vor ihr stand... Ein Beschützer, ein Kämpfer. Dabei aber auch sanft und mitfühlend. Ein echter Anführer. Kira dachte, sie hätte noch nie in ihrem Leben so einen schönen Mann gesehen. Und ganz offensichtlich interessierte er sich für sie. Für sie, die kleine unscheinbare Lehrerstochter, die in sich einen Blitz-Kitsune trug, der eigentlich ein Feind der Wölfe war. Doch nichts davon interessierte den Wolf oder den Fuchs. Nichts außer die Gegenwart des anderen zu genießen, diesen Moment den Ungestörtheit, der Zweisamkeit. Auch sie lies die Tüte los und beide umarmten einander. Kira legte ihren Kopf an seine Brust und hörte den starken, festen Schlag von Scotts Herz. Er legte seinen Kopf auf ihren und streichelte ihr mit einer Hand den Rücken entlang. Immer wieder auf und ab. Und wieder war es der unhörbare Rhytmus ihres gemeinsamen Herzschlages, zu dem sie im hellen Mondlicht, statt im hellen Glitzerlicht einer Spiegelkugel tanzten. Wenn es für Wesen wie sie so etwas wie Frieden gab, dachte Scott, dann war es dieser Moment. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie da standen, aber irgendwann ertönte in der Ferne ein Wolfsruf. Scott trennte sich mit einem traurigen Lächeln von Kira und nahm wieder ihre Hand. "Das ist unser Stichwort schätze ich." Sie sammelten die Einkäufe wieder ein und liefen los. "Da vermisst offenbar jemand seinen Alpha..." **** "Sag mal hast du einen Knall, Stiles? Warum heulst du denn hier plötzlich rum?" Derek hatte die Hände über den Ohren. Es klingelte noch leicht. Selbst Malia war aufgesprungen und hatte Derek als Schutzschild benutzt. Der so gescholtene war scheinbar zu perplex, um die Frage sofort zu beantworten. Stiles blinzelte ein paar mal. "Ich dachte nicht, dass ich das kann?" Derek stöhnte und hielt sich die Stirn. "Hast du es noch immer nicht kapiert Stiles? Ich dachte du bist wieder einigermaßen bei Sinnen. Oder soll ich dir den Arm brechen, damit du auf jeden Fall wieder zu dir kommst?" Stiles zuckte zurück. "Armbrechen ist böse." Derek zog eine Augenbraue hoch. "Echt jetzt? Willst du tatsächlich diese Karte ziehen?" Stiles machte große Augen, als ihm klar wurde, was er hier machte. Er hatte tatsächlich eine unausgesprochene Drohung in der Stimme gehabt. 'Ich sags meinem Alpha, wenn du böse zu mir bist'. Wie ein Kleinkind, das den großen Bruder vorschiebt, wenn die anderen Kinder ihn nicht mitspielen lassen würden. Er hüstelte. "Der... der Boden ist übrigens saukalt. Nicht dass ich mir hier noch was wichtiges verkühle..." "Stiles?" Er duckte sich noch tiefer unter Dereks Blick. "Jaaa?" "Mach so weiter und du hast bald nichts mehr was sich verkühlen könnte da, kapiert?" "Sei nicht so grummelig, Derek", mischte sich Malia an der Stelle ein. Sie kam hinter seinem Rücken hervor und krabbelte wieder zum Platz neben Stiles. "Ich fänds besser, wenn er in einem Stück bliebe." "Danke, das mich hier wenigstens einer verteidigt." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich fänds nur schade drum. Du hast dich einigermaßen geschickt damit angestellt im Eichen Haus." Sie grinste breit und zeigte Stiles ihre perlweißen Zähne. Wie aus einem Mund aber aus unterschiedlichen Gründen stöhnten Derek und Stiles auf. "Malia!" Kapitel 6: Unverhofft kommt oft ------------------------------- Kurze Zeit später war das abgebrannte Hale-Haus in Sicht. Scott führte Kira einen kleinen Seitenweg entlang zum Eingang der Tunnel. Dort klopfte er zweimal an die Gittertür. Er drehte sich halb zu Kira um, bevor einer der anderen kam, um die Tür zu öffnen. "Ich wollte dich übrigens noch vorwarnen, heute Abend sind keine Menschen anwesend..." Kira runzelte die Stirn bei dieser Ankündigung. "Wie meinst du das 'keine Menschen'? Ich dachte Stiles..." In dem Augenblick öffnete Derek die Tür und die beiden konnten eintreten. "Hi Derek", begrüßte sie dann den anderen Werwolf schüchtern. Sie folgte Scott den dunklen Tunnel entlang, bis er vor einer Tür stehen blieb. Derek schloss währenddessen die Gittertür wieder ab. Scott sah sie an. "Du wolltest doch wissen, warum wir kurzfristig umdisponieren mussten. Nun, hier ist der Grund." Mit den Worten öffnete er die Tür und gab den Blick auf einen angeketteten Stiles frei. "Hi Kira", rief der gutgelaunt der jungen Füchsin entgegen. Wären seine Hände frei gewesen, Stiles hätte sicher begeistert gewunken. Aber auch so klimperten seine Ketten, als er aufgeregt zappelte. Kira starrte ihn völlig entgeistert an. Fast hätte sie vor Überraschung die Tüte fallen lassen, aber Derek griff rechtzeitig danach und fing sie auf. "Wollt ihr die ganze Zeit hier rumstehen? Los, rein mit dir Kira, er beißt nicht." Derek stupste sie an, damit sie die Tür frei gab und wieder Bewegung in ihre erstarrten Glieder kam. "Ansonsten bekommt er einen Maulkorb verpasst." "Wie ist denn das passiert?", fragte sie perplex. "Also die Theorie besagt, dass der Biss eines Werwolfes mystische Fähigkeiten besitzt und..." "Stiles!" Irritiert blickte Stiles zu Derek, der eben seine Abhandlung unterbrochen hatte. Der Ältere stellte gerade die Tüte auf den Tisch und sah ihn dann mit einem genervten Ausdruck im Gesicht an. "Das weiß sie doch, Stiles. Sie will wissen warum du hier angekettet auf dem Boden eines feuchten Kellers sitzt." Stiles sah von Derek zu Kira und runzelte die Stirn. "Damit ich niemanden anfalle? War das nicht der Gedanke dahinter?" "Stiles!" "Was denn Derek?" Scott kratzte sich am Hinterkopf. "Lasst gut sein, Jungs. Ich mach das." Er wandte sich zu Kira um. "So genau wissen wir das auch noch nicht. Muss wohl damit zu tun haben, dass ich den 'Dark-Stiles' gebissen habe um den Nogitsune auszutreiben. Irgendwie scheint sich das schleichend übertragen zu haben, als der Andere verschwand und aus Stiles durch zwei wieder eine Person wurde. Anders kann ich mir das auch nicht erklären... Ich wollte Deaton um Rat fragen, hoffentlich weiß er mehr." "Also ist er jetzt auch ein Werwolf?" "Habt ihr das nicht schon von draußen hören können? Mir klingeln immer noch die Ohren." Scott kniete sich wieder neben Stiles und legte ihm kurz die Hand auf die Schulter und legte dann prüfend die andere auf seine Stirn, also ob er Fieber messen wollte. "Alles klar Kumpel?" Dann hielt er Malia, die noch immer neben Stiles saß die Tüte mit den Getränken hin. "Würdest du die bitte auf den Tisch stellen?" Malia nickte, nahm die Tüte und stand auf. An Scott vorbei hüpfte sie zu Kira und umarmte sie kurz zur Begrüßung. "Hallo Fuchs", sagte sie gut gelaunt. "Hallo Coyote", antwortete Kira. Sie lächelte das andere Mädchen an. "Bei euch geht’s ja ziemlich lustig zu, wie es scheint..." Malia griff ihre Hand und zog sie hinter sich her in Richtung Tisch. Dort stellte sie die Cola-Flaschen ab und Derek nahm sich gleich mal eine. Sein Hals war plötzlich so trocken. "Hat Scott dir vom Pokerspiel erzählt? Ich hab noch nie gepokert, aber es klingt lustig. Ich hab was von Stripp-Poker gehört, ich dachte wir versuchen es mal damit." Derek spuckte den Schluck Cola, den er gerade aus der Flasche genommen hatte in hohem Bogen wieder aus. Er hustete und klopfte sich auf die Brust, um den Rest Flüssigkeit rauszubekommen, der ihm noch in der falschen Kehle hing. "Bitte WAS?" Malia guckte ihn aus ganz unschuldigen Augen an. "Stripp-Poker, ein paar der Jungs an der High-School haben neulich beim Lunch was davon gemurmelt. Ich fand das klang interessant." "Malia", Derek hatte noch immer einen leichten Hustenreiz. "Erstens, man belauscht nicht einfach die Gespräche anderer Leute. Und zweitens, war DAS etwa der Grund warum du Pokern lernen wolltest?" Malia zuckte mit den Schultern und fing an das Essen aus der zweiten Tüte auszupacken und auf dem Tisch zu verteilen. "Wie soll ich denn sonst erfahren, was heute bei Teenies so angesagt ist? War schließlich ne Weile weg vom Fenster, wie du dich sicher erinnerst Derek." Sie schraubte das Glas mit dem Käse-Dip auf und roch daran. Hmm, nicht ihr Geschmack. Sie stellte es beiseite und nahm den Salsa-Dip. Ja, der sagte ihr schon mehr zu. Sie öffnete die Tüte mit den Nachos, nahm sich ein paar heraus und stippte sie in den Dip, bevor sie dran knabberte. Begeistert nickte sie. "Hey Scott, das ist gut. Bei meinem Dad bekomme ich sowas nicht..." Sie setzte sich an den Tisch und riss als nächstes die Packung Salzstangen auf. Kira und Derek sahen sich an. Beide zuckten gleichzeitig mit den Schultern. Das Essen war wohl interessanter als ihr Gespräch. Scott saß immer noch bei Stiles. "Du siehst inzwischen schon wieder besser aus. Wie fühlst du dich?" Stiles zuckte mit den Schulter. "Mir fangen die Arme an einzuschlafen. Der Hintern pennt bereits. Aber ansonsten alles Schick. Ähhh, Scott?" er beugte sich fragend etwas vor und wurde leiser. "Sag mal, könntest du mich vielleicht nicht doch vorzeitig von den Ketten erlösen? Das Gitter am Eingang ist doch fest verschlossen und mit euch um mich herum komme ich eh nicht weit. Bitte? Bitte bitte bitte?" Scott dachte nach. Stiles schien sich tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Er blickte über die Schulter zu Derek. "Was meinst du dazu?" Derek kam zu ihnen rüber und bedachte Stiles mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht. Irritiert zuckte Stiles zurück und blickte hilfesuchend seinen Alpha an. "Scott, der sieht aus als wolle er mich fressen..." Der Ältere beugte sich weiter vor und starrte Stiles mit Blau-leuchtenden Augen kalt an. "Derek?" Scott fragte sich, worauf der eigentlich mit seiner verhaltenen Drohgebärde hinaus wollte. Stiles rutschte immer tiefer, wurde kleiner und versuchte dem Blick des Älteren auszuweichen. "Scott, warum sieht der so böse aus? Hab ich was falsch gemacht?" Derek richtete sich wieder auf und fing an breit zu grinsen. "Nur minimal, aber die Nacht ist ja noch jung." Er sah Scott an und nickte einmal kurz. "Ich denke wir können die Ketten weglassen." "Jaaaa", Stiles jubelte auf. "Wie auch immer", fuhr Derek mit fester Stimme fort und hielt Scott den Schüssel hin, "Die Handschellen lassen wir trotzdem besser erst mal noch dran. Nur zur Sicherheit. Und damit er selber nicht vergisst, dass er jetzt auch für andere gefährlich werden kann." "Och menno..." Stiles seufzte. Na immerhin konnte er dann wenigstens von diesem scheiß kalten Fußboden aufstehen. **** 'Dieser blöde Wald und dieses blöde Haus...', fluchte Lydia innerlich, als sie die Abfahrt zum zu gewucherten Waldweg nahm. 'Warum gerade hier? Ich hoffe die haben eine verdammt gute Entschuldigung dafür...' Die Lichter der Scheinwerfer malten kleine helle Inseln in den ansonsten finsteren Wald, der sich links und rechts um sie herum erstreckte. Sie seufzte tatsächlich erleichtert auf als schließlich das alte Haus in ihrem Blickfeld auftauchte. a"Endlich", murmelte sie und parkte den Wagen vor der ehemaligen Veranda. Sie zog die Handbremse an, schaltete den Motor aus und schnappte sich ihre Handtasche bevor sie ausstieg. Das Auto fiepte kurz auf und war abgeschlossen. Sie ging die letzten Meter zur Haustür und blieb auf der Veranda davor stehen. Von hier aus hatte sie eine erhöhte Aussicht und hoffte irgendwo Licht zu entdecken, damit sie wüsste wo genau die anderen sich versteckten. Sie konnte aber nichts entdecken. Lydia kramte also nach ihrem Handy, um Scott Bescheid zu geben, dass sie abgeholt werden wollte. Denn sie würde bestimmt nicht alleine im Dunkeln um das Haus herum schleichen auf der Suche nach den anderen. **** "Derek?" Er sah auf, als er seinen Namen hörte. "Was ist Scott? Brauchst du Hilfe?" Scott schüttelte mit dem Kopf. "Ne, das geht schon. Aber mir kam grad der Gedanke, dass es vielleicht nicht verkehrt wäre noch ein paar Gläser oder Becher hinzustellen. Hast du vielleicht noch welche drüben im Haus?" "Gläser und Becher?" Derek kratze sich am Kinn und dachte kurz darüber nach. Sie hatten sich zuletzt wieder öfters beim Haus aufgehalten, da es einen guten Trainingsort für Maila abgab. Also hatte sich einiges dort angesammelt. Mit einem kurzen Blick auf Stiles wurde ihm klar, dass es zukünftig tatsächlich noch einer mehr beim Training sein würde... Ein schiefes Lächeln umspielte seinen Mund bei dem Gedanken. Scotts Räuspern holte ihn in die Gegenwart zurück. "Äh ja, ich glaube schon. Ich geh mal nachsehen. Malia?" Malia war wieder mit Kira am Quatschen. Sie berichtete ihr gerade, wie sie Scotts Ruf gehört und Stiles im Mondrausch bei sich zu Hause vorgefunden hatten.  "Und dann hat Scott ihn sich geschnappt und wir sind hierher." Sie schaute leicht verträumt lächelnd in Richtung Stiles. "Die Familie wächst langsam. Ich hatte noch nie einen Bruder. Und nun hab ich gleich drei." Dann zwinkerte sie Kira vielsagend zu. "Obwohl das im Eichenhaus zwischen Stiles und mir nicht gerade geschwisterlich war..." Kira kicherte leicht verlegen. So genau wollte sie das eigentlich gar nicht wissen. In der Zwischenzeit hatte sie die Sushi-Packung aufgemacht und verteilte gerade etwas Sojasoße im Deckel. Dann griff sie nach einer Maki-Rolle mit Gurke und tunkte sie in die Soße, bevor sie sich das Stück in den Mund steckte. "Ist gut", stellte sie erfreut fest. Sie hielt die Packung der Coyotin hin. "Auch eins probieren?" Malia nahm eins der Röllchen aus der Packung und schnupperte daran. "Was ist das?" "Nun, das ist Maki-Sushi. Ist ne japanische Spezialität. Mein Dad macht die zu Hause selber. Man nimmt dafür gesäuerten Reis, füllt ihn mit zum Beispiel Gurke oder Lachs und wickelt das Ganze dann in Nori, gerösteten Seetang. Du kannst es mit Sojasoße", sie deutete auf die braune Flüssigkeit, "oder Wasabi würzen. Das ist dieses grüne Zeug hier." Kira lachte in sich hinein. "Scott hat bereits seine Erfahrung damit gemacht, nicht wahr?" Von Scott kam nur ein unbestimmtes Brummen zur Antwort. Die Mädchen lachten. "Malia?", Derek wurde etwas lauter, da sie ihn offenbar nicht gehört hatte eben. Sie schaute auf drehte sich zu Derek um. "Aye, Sir?" Derek seufzte. Ob aus Frust oder heimlicher Zufriedenheit war ihm selber nicht ganz klar. Cora fehlte ihm insgeheim. Es war schön wieder eine kleine Schwester zu haben. "Malia, ich muss kurz zum Haus rüber, nachsehen ob wir noch ein paar Gläser da haben. Kannst du eben hinter mir abschließen? Ich will Scott nicht schon wieder von Stiles Seite wegscheuchen." "Geht klar, Boss." Leichtfüßig sprang sie auf und folgte ihm zum Eingang. Stiles war währenddessen noch immer nicht komplett von den Ketten befreit. "Du meine Güte, hat Malia da Knoten reingemacht?" fragte er und versuchte sich immer so zu verbiegen, dass Scott besser die Fesseln lösen konnte. Dann schnupperte er etwas. "Sag mal", fragte er Scott und linste zum Tisch hinüber. "Hast du Sushi mitgebracht? Das riecht hier so nach Sojasoße und Fisch..." Scott grinste. "Das mit dem Geruch hast du schon ganz gut im Griff, was Stiles? Jupp, ich hab für Kira Sushi mitgebracht. Möchtest du auch was davon?" "Oh ja bitte. Ich hab totalen Hunger nach diesem ganzen anstrengenden rumgestrampel und geknurre. Da das mit den Ketten wohl noch dauert, wie wäre es, wenn mich einer füttert? Dann kann ich auch beweisen wie handzahm ich bin." Er grinste anzüglich und Scott verpasste ihm lachend eine Kopfnuss. "So so, du willst gefüttert werden, ja?" Die Coyotin stand mit vor der Brust gekreuzten Armen an der Tür und beobachtete Scotts Bemühungen. Die Jungs hatten gar nicht gemerkt, dass sie schon wieder zurück war. "Ja, Fressi-Fressi für Stiles wäre super." Begeistertes Nicken begleitete seine Aussage. "Uh-oh... Stiles, pass besser auf, Malia nimmt so was... sehr wörtlich..." versuchte Scott seinen besten Freund zu warnen. Doch der grinste nur erwartungsvoll vor sich hin und folgte Malia mit den Augen, wie sie in die Packung vor Kira griff und mit einem Stück Sushi in der Hand zu Stiles zurück tänzelte. Spitzbübisch grinsend lehnte sie sich zu ihm hinunter. Doch Scotts Warnung blieb ungehört. Malia steckte sich das Stück vor seinen Augen in den Mund, zerkaute es und wie eine gute Tier Mama... fütterte sie Stiles direkt von Mund zu Mund. Scott schüttelte nur den Kopf und hielt sich die Hand vor Augen. Selbst von Kira kam ein ungläubiges Stöhnen. Stiles sah aus, als hätte ihn der Schlag getroffen. Aber auf eine positive Art. Zumindest wenn man nach seinem völlig verblödetem Grinsen ging. "Wow", sagte er. "Das nenne ich mal Service". Scott glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Irritiert runzelte er die Stirn und starrte beide von der Seite an. "Kann ich noch eines haben?" Scott rieb sich die Stirn. "Stiles, soll ich dich nun losmachen oder willst du lieber hier sitzen bleiben und gefüttert werden? Denn ich verspreche dir, wenn ich das noch mal sehen muss, höre ich auf und gehe zu Kira rüber." Stiles legte den Kopf schief und schien ernsthaft die Optionen abzuwägen. "Ok", sagte Scott, warf die Hände ich die Luft und stand auf. "An der Stelle ist für mich erst mal Schluss. Malia, er gehört dir." Er warf ihr den Schlüssel für die Ketten zu und ging wie angekündigt zu Kira an den Tisch. "Nein halt, oh du großer starker Wolf, mach mich los. Bitte bitte bitte. Großes 'Lieber-Guter-Wolf-Bitte-Bitte' Scott", flehte er. Kira bekam sich fast nicht mehr ein vor Lachen. Scott seufzte. Sie reichte ihm ein Stück von dem Sushi. "Hier gibt das diesmal besser selber Stiles. Du bist schließlich jetzt sowas wie sein Papa. Wer wenn nicht der große Liebe Wolf sollte so einen süßen kleinen Welpen füttern?" Scott seufzte. 'Auch du Kira?' Aber er nahm das Sushi und ging wieder zu Stiles, der ihn aus großen Augen erwartungsvoll ansah. "Bitte sehr Stiles, fangfrisch aus dem Kühlschrank." Damit hielt er ihm das Stück an den Mund. "Und denk daran, ich brauche meine Finger noch." "Ach was", murmelte Stiles kauend um das Stück herum. "Das heilt doch wieder." "Aber die wachsen nicht nach, wenn was ab ist." "Woher weißt du das, hast du das schon mal ausprobiert?" "Gott nein, Stiles. Stell dir vor, das weiß ich von Derek und Peter. Ab und zu reden wir über sowas." "Über abgetrennte Gliedmaßen? Na ihr habt ja lustige Themen." "Stiles, Klappe!" "Du klingst sogar schon wie Derek..." "Vielleicht sollte ich mir das mit dem Ketten lösen noch mal überlegen." "Bin schon still, kein Mucks kommt über meine Lippen..." „Wer’s glaubt...“ Malia hatte sich in der Zwischenzeit weiter an den Ketten zu schaffen gemacht. Da sie die selber um Stiles gewickelt hatte wusste sie wahrscheinlich auch am besten, wie man die wieder abmachen konnte. Gemeinsam mit Scott ging es hoffentlich endlich voran mit dem Entfesseln.   Kapitel 7: Überraschung ----------------------- Ruhigen Schrittes ging Derek rüber zum Haus. Nach dem Lärm im Keller taten ihm ein paar Minuten Stille ganz gut. Er hatte Malia alleine schon als anstrengend empfunden. Da jetzt auch noch Stiles dazu kam... war es mit seiner Ruhe definitiv vorbei. Der Junge mochte nun zwar kein ADHS mehr haben, aber er hatte definitiv auch nach dem Biss noch eine unheilbar große Klappe. Armer Scott. Die kühle Nachtluft legte sich wie ein feuchter Schleier über sein Gesicht. Er verharrte einen Moment und schloss die Augen. Irgendwo weit entfernt hörte er eine Gruppe Rotwild an Bäumen knabbern. Ein Käuzchen flatterte in der anderen Richtung auf und krächzte, als es seinen Geruch bemerkte. In der Luft lag eine Spur eines einzelnen Berglöwen, aber die war schon älter. Mit so vielen Werwölfen an einem Fleck würde sich auch sonst normalerweise kein anderes Tier in die Nähe des Hauses trauen. Er stutze kurz, als er eine neue Note in der Luft wahrnahm. Parfum und Benzin. Derek machte die Augen wieder auf und konnte Lydias Auto vor dem Haus stehen sehen. Vor lauter Trubel im Keller hatte er gar nicht mitbekommen, dass sie inzwischen angekommen war. Er joggte zum Eingang, wo Lydia gerade ihr Handy rausgeholt hatte. Wahrscheinlich um Scott Bescheid zu geben, dass sie da war. Er winkte kurz. „He, Lydia, hier drüben! Sekunde, bin schon da.“ Lydia hatte gerade Scotts Nummer ausgewählt und wollte auf 'Anruf' drücken, als sie Dereks Stimme hinter sich hörte. Vor Schreck ließ sie fast ihr Handy fallen. Sie drehte sich um und sah Derek auf sich zu kommen. „Gott ihr mit euren blöden Samtpfoten, ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen!“ Sie löschte den Anruf und sperrte das Gerät, bevor sie es wieder in ihrer Handtasche verschwinden ließ. „Man sollte dir ein Glöckchen um den Hals binden Derek“, brachte sie gereizt hervor. „Was denn?“, fragte er ganz unschuldig. „Ich hab dich gerufen. Wenn du nicht hinhörst kann ich doch nichts dafür.“ Lydia verzog ihren perfekt geschminkten Mund. „Es kann ja auch nicht jeder die Flöhe husten hören, so wie ihr Köter.“ Sie schaute mit einem Stirnrunzeln in die Richtung, aus der Derek erschienen war. Aber auch dort war nichts weiter zu sehen. Wollten die andere sie hier verarschen? Das sollten sie besser nicht wagen... Derek bemerkte ihren fragenden Blick in Richtung Wald. „Wir sind ein Stückchen abseits des Hauses.“ Er machte eine wage Geste in die entsprechende Richtung. „ Wenn du kurz wartest, dann bringe ich dich hin. Ich muss bloß schnell was aus dem Haus holen.“ Er wartete ihre Antwort gar nicht ab und ging an Lydia vorbei durch die Tür. Er verschwand im Nebenraum und ging von dort aus in den Keller. Da unten hatten sie eine Kiste deponiert, mit Klamotten, Decken und Notverpflegung. Nur für alle Fälle. Wenn man ständig auf der Flucht vor Jägern ist, lernt man sich Verstecke und Vorräte zu halten. ‚Was waren das doch früher für einfache Zeiten, als meine Familie noch lebte und die Jäger sich noch an ihren Kodex hielten…‘ Er öffnete die Kiste und kramte etwas darin herum. Irgendwo hier musste doch das Campinggeschirr sein. Nach einigem Wühlen förderte er ein paar Metallbecher und zwei leicht verbeulte Teller zu Tage. 'Wenigstens etwas', dachte Derek und verschloss die Kiste, bevor er sie sorgfältig wieder zu deckte. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sich bei dem ganzen Werwolfs Geruch Tiere hierher verirren würden, aber das galt ja nicht für betrunkene Jugendliche Draufgänger. In das Hale-Haus zu gehen war sicher immer noch eine beliebte Mutprobe. Zumindest nach den verschiedenen Gerüchen zu urteilen, die er nach den Wochenenden hier immer wieder entdeckte. Mit den Sachen in den Händen ging er zurück zu Lydia. „So, fertig. Hast du alles?“ Lydia warf Derek einen giftigen Blick zu. „Wurde ja auch Zeit, Ich hatte nicht vor hier Wurzeln zu schlagen.“ Sie hob kurz ihre Handtasche an und deutete darauf. „Alles was ich brauche hab ich dabei. Sogar die Spielkarten.“ Dann zeigte sie mit dem Daumen und einem süffisanten Grinsen hinter sich aufs Auto. „Aber die Verpflegung ist noch im Kofferraum. Das musst du schon selber tragen. Es reicht schließlich, dass ich tatsächlich was mitgebracht habe.“ Sie drückte auf den Türöffner und begleitet vom Aufblinken der Lichter ertönte das vertraute Fiep-fiep. Sie marschierte zum Auto und öffnete den Kofferraum für Derek. Darin lag eine große Einkaufstasche, auf die Lydia einladend mit einer Hand zeigte. „Voila“, sagte sie und warf sich mit einer dramatischen Geste eine imaginäre Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und zog eine Augenbraue hoch, weil Derek stumm wie ein Fisch blieb. Ungeduldig trommelte sie mit den frisch lackierten Fingernägeln auf ihren Oberarmen und erwartete gefälligst Bewunderung, für ihren selbstlosen Einsatz an der Partyfront. Schließlich konnte niemand so gut Partys organisieren, wie sie. Und man hatte ihr schließlich auch so gut wie gar keine Vorwarnzeit gegeben. Nach endlosen Sekunden kam schließlich eine Reaktion von Derek. Allerdings entsprach das leise Seufzen ganz sicher nicht Lydias Vorstellung eines Lobes. „Hast du ein Problem, Derek? Ich dachte ihr Werwölfe seid alle so stark. Kannst du nicht mal eine einfache Tasche tragen?“ Derek sah sie mit einem schiefen Grinsen an. „Die Tasche ist nicht das Problem, ich hatte nur gehofft heute doch noch ein Bier trinken zu können, aber du hast vermutlich auch keines eingesteckt, oder?“ Lydia schnaubte verärgert auf. „Für wen hältst du mich?“ Sie öffnete ihre Handtasche und zauberte ihren kleinen Handspiegel hervor, um ihren Lippenstift zu kontrollieren. Es machte ich ja so einen Spaß Derek am langen Arm verhungern oder in diesem Fall eher verdursten zu lassen. Nach dem sie den korrekten Sitz der Farbe überprüft hatte lies den Spiegel wieder zuschnappen und steckte ihn zurück in der Tasche. Dann stemmte sie die linke Faust in die Taille und sah ihn mit einem genervten Ausdruck an, der 3 Sekunden später in ein freches Grinsen überging. „Natürlich hab ich Bier eingepackt. Was wäre das sonst für eine Party ohne Alkohol?“ Dereks finsteres Gesicht hellte sich auf. Er nahm die große Tasche und warf erst mal sein Campinggeschirr dazu. Dann holte er sie aus dem Kofferraum und hängte sie sich über die Schulter. „Doch noch ein vernünftiges Wesen hier, Lyds.“ Er schloss den Deckel und grinste breit. 'Hmmm', dachte Lydia, das war immer noch nicht ganz die Reaktion, die sie erwartet hatte, aber für Dereks Verhältnisse war das geradezu ein Jubelschrei. Also wollte sie mal nicht so sein. Sie drückte wieder die 'Verschließen-Taste' an ihrem Autoschlüssel und stakste ungefähr in die Richtung, in der sie die anderen vermutete davon. „Weißt du eigentlich, wo du hin willst?“ Derek war vor dem Auto stehen geblieben und sah ihr amüsiert hinterher, wie sie mit ihrem hübschen dünnen Kleidchen und den tollen Schühchen durch den Wald stapfte. Lydia drehte sich halb zu ihm um und grinste ihn an. „Du hast natürlich Recht, Derek. Du bist der Spürhund von uns beiden. Also such“, sie deutete mit der Hand in den Wald und gab ihm ein zuckersüßes Lächeln. Derek blieb stehen und zog eine Augenbraue hoch. Sekundenlang starrten sich beide einfach nur an. „Was ist, wartest du auf besseres Wetter?“ Lydia strich sich dann fröstelnd über die Arme. ‚Vielleicht hätte ich doch besser eine Jacke mitnehmen sollen‘, dachte sie. Aber sie hatte in ihrem Schrank nichts gefunden, was einigermaßen zufriedenstellend zu ihrem Outfit gepasst hätte. Sie musste ganz dringend wieder mal shoppen gehen. Das hatte sie in den letzten Wochen ziemlich vernachlässigt. Derek schüttelte den Kopf. Mit seinen scharfen Werwolf-Sinnen war ihm das Zittern und die Gänsehaut an Lydias Armen sofort aufgefallen, auch wenn sie die meiste Zeit versuchte zu verbergen, wenn ihr kalt war. Das hat er bei Frauen noch nie verstanden, wenn die Optik vor Bequemlichkeit oder Wärmebedürfnis ging. Kurz überlegte er, ob er Lydia seine Jacke anbieten sollte, entschied sich aber doch dagegen. Sie wären unten in den Kellern eh windgeschützt, da sollten ihre Sachen ausreichen. Und falls nicht, konnte er ihr immer noch seine Lederjacke über die Schultern legen. Bei dem Gedanken grinste er, zuckte mit den Schultern und ging dann locker an Lydia vorbei. „Solange ich nicht mit dem Schwänzchen wedeln und Männchen machen muss...“ Einen kleinen Seitenhieb konnte er sich dann aber doch nicht verkneifen. „Übrigens, leg dir mal ein paar praktischere Klamotten zu, so wirst du irgendwann noch zur Eiskönigin...“ Lydia schnaubte wütend auf. „Ich hab’s sogar schon nackt im Wald ausgehalten. Zwei ganze verdammte Tage lang!“ Er drehte sich zu ihr um und grinste anzüglich. „Ich weiß. Echt schade, dass ich dich so nicht sehen konnte.“ Dann musste er sich in Sicherheit bringen, weil das Aufkreischen der Banshee einen körperlichen Angriff ankündigte. Und einen Moment später flog auch schon ein dicker Ast an seinem Kopf vorbei. „Na komm schon, hol’ s Stöckchen, du dämlicher Köter!“ Derek lachte laut auf. Lydia war manchmal so unfreiwillig komisch, wenn sie sich wie ein kleiner Chiwawa aufführte. Zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass er diese Eigenschaft an ihr mochte. „Pass lieber auf wo du hinrennst, Beauty-Queen. Hier sind überall Wurzeln. Und du hast sicher keine Taschenlampe dabei. Oder soll ich dich auch noch tragen?“ Lydia streckte ihm die Zunge raus. Dummerweise hatte er Recht. Der Waldboden war echt tückisch für jemanden ohne Nachtsicht. Also nahm sie wieder ihr Handy aus der Tasche und schalte es auf Taschenlampenmodus. „Reicht doch wohl, oder?“ 'Lydia scheint ihre gute Laune wieder gefunden zu haben', dachte er und ging langsam voran. Nach Allisons Tod war Lydia genau wie alle anderen ebenfalls in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Er hatte sie seit dem auch nicht mehr gesehen. Zur Beerdigung war er nicht gegangen. Jedenfalls nicht direkt. Er hatte nur von Ferne zugesehen. Zwischen ihm und Chris gab es zwar mehr oder weniger einen Waffenstillstand, aber falls andere Jäger vor Ort waren wollte er ihnen lieber aus dem Weg gehen. Er wollte das Schicksal lieber nicht zu sehr herausfordern. Und nun feixte Lydia mit ihm herum, als hätte es nie irgendwelche Probleme gegeben. So war sie halt. Lies keinen einen tieferen Blick auf ihr Inneres werfen. Damals, als sie mit Peters Bewusstsein in ihrem Kopf zu kämpfen hatte, hatte sie nichts gesagt. Zu niemandem. Bis es... naja... bis es zu spät war. Und diese ganze Banshee-Geschichte... es musste Lydia doch halb wahnsinnig machen, dass sie zwar nahende Tode spüren konnte, sie aber kaum in der Lage war etwas dagegen zu unternehmen. Cassandra-Rufe nannte man das. Du siehst die Zukunft, aber du kannst sie nicht ändern. Was das anging, so hatte Lydia vermutlich das schwierigste Schicksal von allen in Beacon Hills. „Wir sind gleich da“, sagte er halb über die Schulter zu Lydia. Sie beeilte sich mit ihm Schritt zu halten. „Siehst du den Busch hier? Gleich dahinter links ist der Eingang zu den 'Katakomben'.“ Er klopfte zweimal ans Gitter, so wie Scott es gemacht hatte. Keine 5 Sekunden später erschien Kira und schloss ihnen auf. Derek verbeugte sich grinsend und wies Lydia mit der Hand den Weg. „Bitte einzutreten, Gnädigste.“ Und wieder war es die fehlende Nachtsicht, die ihr einen Strich durch die Rechnung machte, als sie huldvollen Schrittes an Derek vorbei stolzieren wollte. Nach zwei Schritten stolperte sie und Kira musste sie auffangen. Lydia war genervt. „Warum ist es hier so stockfinster? Habt ihr die Stromrechnung nicht bezahlt?“, fragte sie gereizt. Kurzerhand hakte sich einfach bei Kira ein. „Der schlaue Fuchs weiß doch sicher wo hier die Party abgehen soll, oder? Dann zeig mal den Weg.“ Kira sah sich unsicher zu Derek um. Der zuckte mit den Achseln und hielt ihr die Hand hin für den Schlüssel. 'Mach nur', schien sein Blick zu sagen. 'Lass ihr ruhig einen Rest Würde.' Lydia lief mit Kira an ihrer Seite sehr viel sicherer, tastete trotzdem mit der freien Hand immer wieder nach der Wand, um sich zu orientieren. Sie konnte von weitem das leise Klirren von Metall und Stimmen hören. Spielte da jemand mit Eisenketten herum? Naja, da es hier schon wie in einem Folterkeller roch gab es sicher auch alte angekettete Knochen. Kurz erhellte sich ihre Miene bei dem Gedanken daran, wie Derek an den Knochen nagen würde wie ein Hund. Dann erkannte sie die Stimmen als Scott, Malia und Stiles. „Vorsicht, hier geht’s rechts rein, stoß dir nicht den Kopf“, sagte Kira und verlangsamte ihren Schritt. „Also wisst ihr“, meinte Lydia mit einem schnippischen Unterton, „als Scott was von einer Überraschung gesagt hat, habe ich nicht erwartet, dass damit eine 'Mord-im-Dunkeln'-Party gemeint war. Hat nicht vielleicht mal einer eine Taschenlampe oder wenigstens eine Kerze?“ Kira kicherte leise. „Ich weiß, was du meinst. Keine Sorge, wir machen gleich das Licht an.“ „Also ich kann super, sehen. Du nicht auch Scott?“ Das war Malias Stimme. Die Kleine war fast so vorlaut wie Stiles. „Malia, mach lieber die Dinger auf. Wie hast du es überhaupt geschafft die Ketten so derartig zu verwursteln?“ „Die waren in Ordnung, bis du ihn sich hast hinsetzen lassen und die per Ruckeln zusammengestaucht hast, oh du weiser Alpha.“ „Stimmt, da war ja was“, murmelte Scott. „Wenn das so weiter geht brauchen wir noch einen Schneidbrenner“, witzelte Stiles. Schemenhaft konnte Lydia drei paar Augen ausmachen, die im Dunkeln leuchteten. Links die Augen waren rot, also Scott. Auf dem Boden musste einer sitzen, dort konnte sie blaue Augen sehen. Wer das wohl war? Vielleicht Malia? Wohl eher nicht, wenn Malia Scott dabei half irgendwelche Ketten zu entfernen und Scott 'ihn' sich hatte hinsetzen lassen. Also war Malia wohl die Person mit den blauen Augen rechts, die sich bewegte. Aber zu wem gehörten dann die Augen in der Mitte? Doch wohl hoffentlich nicht Peter! Sie hatte Scott extra gesagt, wenn er da wäre wollte sie nichts mit der Party zu tun haben. Wehe er hatte sie belogen! Bei dem Gedanken an Peter hatte Lydia die Faxen endgültig dicke. Sie nahm ihr Handy wieder hoch, aktivierte erneut die Taschenlampen-App und leuchtete auf die Figuren vor sich. „Hey!“, protestierten alle drei gleichzeitig. Drei Gesichter wandten sich in dem hellen Licht stöhnend ab und hielten eine Hand vor Augen. Naja, genau genommen machten das nur zwei der drei Personen. Die dritte, sitzende Person hatte keine Hand frei, da um den Brustkorb und die Arme lauter Ketten gewickelt waren. Lydia riss ungläubig die Augen auf, als sie erkannte wer da in der Mitte saß. „STILES?!“ Er blinzelte sie aus einem halbgeschlossenen Auge an und das Licht ihres Displays reflektierte strahlend blau. „Tja, ähmm... Überraschung?“ Kapitel 8: Pokerpartie ---------------------- Lydia massierte sich die Schläfen. Dieser Anblick… „Scott“, wandte sie sich ihm zu, „erklär mir doch bitte mal was hier los ist, bevor ich anfangen muss zu schreien.“ „Könntest du vorher das Licht aus meinem Gesicht nehmen? Danke.“ Widerwillig senkte Lydia ihr Handy. Sie stemmte ihre Linke in die Seite und fing ungeduldig mit dem Fuß an auf den Boden zu tippen. Scott seufzte. „Ich schätze du hast Recht Malia, wir müssen ihn wieder hinstellen, ansonsten findet das hier nie ein Ende. Wir nehmen ihn rechts und links unter den Armen und ziehen ihn hoch. Auf drei, ok?“ Ein Feuerzeug schnappte irgendwo links von Lydia auf und sie konnte Dereks ernstes Gesicht im Feuerschein erkennen. Dann flammte eine Kerze auf. Und noch eine. Offenbar hatten sie mehrere Teelichter über den Tisch verteilt, wie sie nun sehen konnte, und mit dem Anzünden wohl auf sie gewartet, da sie als einzige das Extra-Licht wirklich brauchte. Weil sie offenbar die Einzige war, die noch normale, menschliche Augen hatte. ‚Stiles hat leuchtend blaue Augen…‘, dachte Lydia. ‚Leuchtend… blau…‘. Dieser liebenswert durchgeknallte Junge, den sie schon ihr halbes Leben lang kannte… war plötzlich zu etwas… anderem geworden. Sie hatte gedacht, nach der Sache mit dem Nogi würde sie eigentlich nichts mehr wirklich schocken. Pustekuchen. ‚Stiles, das unbekannte Wesen…‘ Nun, wo der Raum endlich erleuchtet war, konnte Lydia die Bescherung in vollem Ausmaß genießen. Es gab eigentlich nur eine treffende Bezeichnung dafür: Ketten-Massaker. Sie verfolgte gemeinsam mit Kira, wie Scott und Malia versuchten Stiles aufzurichten. Kira flüsterte ihr dabei ein „Das kriegen die nie ohne Bolzenschneider hin“, ins Ohr. Ihre Schultern bebten vor unterdrücktem Lachen. Derek war indes zu ihnen getreten und sah über ihre Schultern den vergeblichen Anstrengungen der anderen zu. „Bolzenschneider“, wiederholte er nachdenklich. „Ich glaube so was hätten wir sogar noch hier. Restbestände von den Besetzern… Wartet mal kurz.“ Er verschwand aus dem Raum. Kurz darauf konnten sie ein lautes scheppern hören. Wenige Augenblicke später kam er wieder und hatte einen großen Bolzenschneider in den Händen, den er Scott hinhielt. „Mach du ruhig, Derek. Rette die Jungfer in Nöten.“ „Ha ha, Scott, sehr komisch.“ Es machte ungefähr ein Dutzend Mal ‚Kling‘ und die Kette fiel in mehreren Stücken von Stiles ab. „Puh“, machte Stiles und reckte sich ein wenig. Dann zuckte er zusammen. „Argh, Krampf.. Krampf… KRAMPF…“ und begann auf einem Bein zu hüpfen. Allerdings hatte er noch immer nicht die Hände frei, wie Lydia bemerkte. „Wollt ihr die nicht auch aufschneiden?“, fragte sie. Scott schüttelte mit dem Kopf. „Der Sheriff hat uns extra den Schlüssel mitgegeben, weil er die Handschellen eigentlich noch braucht.“ Er sah Derek an, der den Bolzenschneider über seine Schulter gelegt hatte. „Der Schlüssel?“ Der Ältere kramte in seiner Jackentasche und warf dann Scott das gewünschte zu. „Brauchen wir den hier noch?“, fragte er und deutete mit einem Nicken auf den Schneider. „Sonst packe ich den erst mal wieder weg.“ „Das wird schon so gehen, Danke Derek. Umdrehen Stiles, dann mach ich dir die Dinger auch ab. Und hör auf zu hüpfen!“ „Aber mein Bein ist eingeschlafen“, maulte er. Malia legte den Kopf schief. „Ich dachte du hast einen Krampf?“ „Ja das auch. Das heißt… kann man in seinem Hintern einen Krampf bekommen?“ Lydia räusperte sich lautstark. „Ich warte immer noch auf Antworten.“ „Und ich darauf, dass der aufhört zu hüpfen... Bleib endlich mal stehen, Stiles!“ Malia griff an dieser Stelle beherzt ein, in dem sie einfach mit beiden Händen Stiles Gesicht zu ihr zog und ihn anfing zu küssen. Woraufhin Stiles große Augen machte und ruhig wurde. Das erste Schloss schnappte auf und sofort griff er mit der freien Hand nach Malias Kopf und begann in ihren Haaren zu wühlen. Schließlich schaffte Scott es auch die andere Hand frei zu bekommen. „Und beherrsch dich gefälligst, sonst lege ich dir die Dinger in Nullkommanichts wieder an, verstanden?“ Lydia hatte Kopfschmerzen. Eine dicke fette Ader, die hinter ihrer Stirn puckerte und von Minute zu Minute wurde es schlimmer. Was war nur mit diesen Wölfen los? Hatten etwa alle die Aufmerksamkeitsspanne einer Fliege? Sie hatte das Gefühl, sie würde gleich platzen, wenn ihr nicht endlich mal jemand antworten würde. In dem Moment raunte Derek mit leiser Stimme in ihr Ohr. „Es ist Vollmond, dränge sie nicht zu sehr, das können die im Augenblick nicht vertragen.“ Lydia zuckte vor Überraschung ein Stück zurück. Wann hatte er sich so nahe an sie herangeschlichen? „Ist mir egal Derek, ob Vollmond ist oder nicht, ich kann das heute auch nicht vertragen. Ich bin extra zu diesem blöden, finsteren Haus rausgefahren, weil ich hier angeblich sehnsüchtig erwartet werde, aber anstatt mir zu erklären was hier los ist, werde ich ignoriert. KANN MIR NUN ENDLICH MAL EINER SAGEN WAS DAS ALLES SOLL?“ Die Wölfe und der Fuchs zuckten zusammen. Lydia konnte als Banshee ganz schön laut werden, wenn sie wollte. Scott hob die Hände in einer besänftigenden Geste. Er näherte sich ihr vorsichtig, als würde er vor einem wilden Tier stehen. „Ganz ruhig Lyds, wir erklären dir alles. Tief durchatmen und nicht mehr schreien bitte, ok? Wie wäre es, wenn wir uns hinsetzen und…“ „Ich hab die ganze Zeit gesessen“, maulte Stiles auf, der inzwischen mit dem Knutschen aufgehört hatte, weil Malia sich interessanteren Dingen wie den Sachen, die Lydia mitgebracht hatte zuwandte. „STILES!“ „Was?“ „Deine 'Erdbeerblonde Göttin' möchte ein paar Antworten und du heulst hier rum. Jetzt haben wir dich schon losgemacht, würdest du also gefälligst mal versuchen dich am Riemen zu reißen? Sonst bist du eins-drei-fix wieder in Ketten. Aber diesmal mit Knebel!“ Stiles duckte sich unter Scotts Stimme automatisch und zog den Kopf ein. „Tschuldigung?“ Irgendwie fand Lydia das ziemlich witzig. Scott atmete einmal tief durch. Dann sah er Lydia an. „Darf ich vorstellen? Lydia, das ist Stiles, neuester Werwolf von Beacon Hills. Stiles, das ist Lydia unsere Banshee. Lydia – Stiles, Stiles – Lydia. Und jetzt brauch ich erst mal was zu trinken.“ **** Die sechs saßen um den provisorischen Tisch herum. Jeder hatte Spielkarten in der Hand, Gummibärchen vor sich liegen und ging mit Ausnahme von Lydia und Derek im Geiste immer wieder die Regeln durch, bevor eine Karte gezogen wurde oder der Einsatz in den Topf geworfen wurde (alle hatten als Startkapital 30 Bärchen bekommen und Stiles hatte darauf bestanden unbedingt nur die roten haben zu wollen…). Nach und nach wurden die Stapel vor den Spielern immer kleiner. Außer bei Lydia, da häufte sich Gewinn um Gewinn an. Derek konnte sich auch einigermaßen behaupten, aber gegen die geballte Intelligenz und Gewitztheit von Lydia war selbst er machtlos. Kira hatte sich von Anfang an als Kartengeber aus dem Spiel genommen und beobachtete sie alle nun feixend. „Und schon wieder gewonnen!“ frohlockte Lydia und legte ihr Blatt auf den Tisch. Sie grinste süffisant. „Das scheint kein Spiel für Werwölfe zu sein…“ Sie sammelte die gewonnen Gummibärchen ein und sortierte sie nach Farbe vor sich. Kira nahm unterdessen die Karten von allen entgegen und begann sie zu mischen. Lydia lehnte rücklings an die Wand und schaute von einem zum anderen. „Also für mich noch mal zum Mitschreiben“, begann sie und zeigte auf Stiles, „du bist jetzt auch ein Werwolf. Aber Scott“, sie wandte ihren Blick und den Finger nun dem Alpha zu, „hat dich eigentlich gar nicht gebissen, sondern nur den Dark-Stiles mit dem Nogitsune-Teil. Und heute Abend bei Vollmond hast du“, sie sah wieder zurück zu Stiles, „überraschender Weise angefangen dich zu verwandeln, weshalb dein Dad dich erst mit einem Elektroshock außer Gefecht gesetzt hat, dann in Handschellen legte und schließlich Scott zu Hilfe rief. Dann hat die Bande dich hierher gebracht und in Ketten gelegt. Aber nach einiger Zeit hattest du deine mörderische Wolfsnatur im Griff und sie haben dir die Ketten wieder abgenommen. Und nun sitzen wir hier zusammen beim Kartenspiel, weil Malia gerne Stripp-Pokern lernen möchte… Hab ich irgendwas vergessen?“ Derek brummte etwas Unbestimmtes nickte aber dazu. „Grob zusammengefasst stimmt das.“ Scott nahm seine Karten auf und betrachtete das Blatt. Nicht berauschend. Er legte ein Bärchen in die Mitte. „Und Stiles wollte gerne, dass du dazu kommst, weil er noch seinen Anker sucht und du die Topkandidatin dafür bist.“ Lydia schnaubte. „Nach dem was zwischen ihm und Malia ablief vorhin bezweifle ich, dass ich die Liste ganz oben anführe.“ Sie sortierte eine Karte aus und lies sich von Kira eine neue geben. Von ihr wanderte ebenfalls ein Bärchen in die Tischmitte. Stiles protestierte, aber nicht sehr glaubhaft, weil als nächstes Malia ihm ein paar Salzstangen zwischen die Lippen schob und er mit einem strahlenden Lächeln antwortete. Lydia blickte in die Runde. „Ok, Jungs, und was habt ihr nun vor?“ Derek sah sie über seine Karten hinweg an. „Was meinst du?“ Er warf auch ein Bärchen in den Pott und legte die Karten verdeckt vor sich auf den Tisch. Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte er sich zurück. Lydia blickte ihn spitzbübisch an. Sie grinste frech. „Na ihr seid doch jetzt ganz offenbar ein komplettes Pack. Wollt ihr nicht ne Runde durch den Wald rennen und den Mond anheulen?“ Scott sah sie irritiert an. „Die Frage war jetzt aber nicht ernst gemeint, oder?“ Lydia und Kira sahen sich an. Beide verdrehten im Gleichklang die Augen. Jungs waren ja manchmal sowas von begriffsstutzig… „Die erste Frage schon, aber der Vorschlag wohl kaum. Hallo? Ich bin selber schon mit einem durchgeknallten Werwolf zusammengestoßen. Bin froh, dass kaum Narben zurückgeblieben sind. Das würde ich keinem anderen antun wollen.“ Sie strich sich unbewusst über die Seite, wo sie damals von Peter mit den Klauen verletzt worden war. Energisch schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich dachte eigentlich eher darüber nach, ob ihr nicht alle zusammenziehen solltet.“ Diesmal war es Scott, der sich fast an seiner Cola verschluckte. Besorgt klopfte ihm Kira den Rücken. „W-was?“ Lydia legte den Kopf in ihre Linke und stütze sich auf der Tischplatte ab. „Wo ist das Problem? Ist es nicht das, was Wolfsrudel normalerweise machen? Gemeinsam eine Höhle bewohnen?“ Sie winkte mit der Rechten unbestimmt im Raum herum. „Für mich qualifiziert sich diese... Örtlichkeit eindeutig als Höhle. Allerdings solltet ihr unbedingt einen Innenarchitekten beauftragen. Das hält ja kein normaler Mensch auf Dauer aus.“ Malia schob die Unterlippe vor. „Meine Höhle war sehr gemütlich…“ Lydia legte Malia die Hand auf den Arm. „Nichts gegen dich oder dein letztes Zuhause, Herzchen, du wusstest es damals halt nicht besser. Aber ihr könnt das doch besser, als das hier.“ Sie sah Derek herausfordernd in die Augen. „Oder etwa nicht?“ Derek grinste schief und nahm einen Schluck aus seiner Bierflasche. Aber es war Stiles, der antwortete. „Lydia, dir ist schon klar, dass wir alle noch minderjährig sind, oder? Naja, abgesehen von Mr. Grummelwolf hier. Du glaubst doch wohl nicht, dass das so einfach geht? Mit dem Zusammenziehen meine ich. Unsere Eltern haben da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Und ist schließlich nicht so, als wenn wir einfach gemeinsam in ein Wohnheim einer studentischen Verbindung einziehen könnten. Wir sind ja nicht mal Studenten.“ „Aber wär doch witzig“, antwortete Malia und griff in die Tüte mit den Nachos. „Wir schreiben groß über die Tür ‚Home of the Pack’ und malen die griechischen Zeichen für Alpha-Beta-Omega daneben. Der Dip ist übrigens alle“, stellte sie fest und packte das Glas zurück in den leeren Einkaufsbeutel. „Priorität, Malia. Konzentration auf das wesentliche ist grad wichtiger. Essen kommt erst nach Überleben. Ohne Überleben brauchen wir nämlich keines mehr.“ Stiles hatte eine leicht panische Note in seiner Stimme. Malia zuckte mit den Schultern. „Für mich hat Essen Priorität. Gibt es neben Sauerstoff irgendwas Wichtigeres?“ Selbst Lydia kicherte. „Da hat sie nicht Unrecht, Stiles.“ Stiles schnaubte auf. „Ja ja, alle auf den Neuling, ist schon klar. Also Malia, du willst ernsthaft offen verkünden wo wir wohnen, falls wir da wohnen. Also falls wir ein gemeinsames Haus beziehen sollten natürlich vorausgesetzt.“ Stiles warf die Hände in die Luft. „Ja klar, weil wir damit auch überhaupt keine Aufmerksamkeit erregen. Warum nicht gleich ne Leuchtreklame: ‚Alle Jäger zu uns. Hier sind Werwölfe, die ihr killen könnt’.“ Stiles schüttelte den Kopf mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen. „Blöde Idee. Ganz ganz blöd.“ Er zeigte mit der Hand auf Derek. „Los, sag’s ihr, Derek. Sag ihr, dass das eine ganz ganz dumme Idee ist, richtig Derek?“ Stiles zog die Augenbrauen zusammen. „Derek?“, fragte er noch mal verunsichert, weil der nicht geantwortet hatte. Derek saß nur da, immer noch dieses schiefe Grinsen im Gesicht und führte sein Blickduell mit Lydia fort. Unsicher schaute Stiles von einem zum anderen. „Scott, was machen die beiden?“ Aber Scott’s Gesicht hatte seinerseits einen nachdenklichen Ausdruck angenommen und er schien den Vorschlag ernsthaft zu überdenken. „Scott, nein. Scott!“ Er zupfte ihm am Ärmel. Als das nicht half schnipste er mit den Fingern vor seinem Gesicht herum. „Scott, dass könnt ihr nicht ernst meinen.“ Langsam schob er wirklich Panik. Eigentlich hatte er nicht vor so schnell den Löffel abzugeben, nachdem er es gerade erst geschafft hatte seine erste Verwandlung zu überleben. Das konnten ihm doch die anderen nicht antun... Endlich wandte sein Freund ihm das Gesicht zu. „Also eigentlich...“ „Ist das gar keine so schlechte Idee“, vollendete Derek den Satz. Lydia lächelte zufrieden. Derek wandte seinen Blick zu Stiles. „Überleg doch mal. Schon mal was von ‚Hiding in Plain Sight’ gehört? Wenn wir das richtig anstellen, würde keiner je glauben, dass sich dahinter wirklich Werwölfe verbergen.“ „Und eine Wercoyotin“, warf Malia ein. „Ihr glaubt doch nicht, dass ihr mich da raushalten könnt.“ Scott blickte aus den Augenwinkeln unsicher zu Kira. Malia lächelte. Aus ihren Augen glitzerte der Schalk. Sie beugte sich vor zu Kira. „Und für einen Fuchs haben wir sicher auch noch Platz.“ Sie zwinkerte dem Fuchs zu. Kira lächelte verträumt bei der Vorstellung auf, mit allen zusammen eine WG zu bilden. Besonders, wenn ein ganz bestimmter Alpha-Wolf dabei wäre. Scott räusperte sich und schaute Kira von der Seite an. Seine Stimme war leicht heiser, als er sagte „Ohne Fuchs würde etwas wichtiges fehlen...“ Kira strahlte Scott an. Dass er sie in einem Wolfshaus auch würde haben wollen gefiel ihr. Sie beugte sich vor und flüsterte ganz leise in sein Ohr „Irgendwer muss ja auf euch aufpassen“. Dann gab sie ihm einen zarten Kuss auf die Wange. Er drehte ein wenig den Kopf zur Seite. Ihre Nasen berührten sich fast. Er legte den Kopf etwas schräg und beugte sich vor, und beide küssten sich. „Oh bitte, fangt nicht wieder mit dem Süßholzraspeln an." Derek grinste. "Neidisch, Stiles?" "Oder eher eifersüchtig?", setzte Lydia nach. Beide strahlten und Stiles ließ den Kopf auf den Tisch knallen. „Aua“, sagte er gequält. Alle lachten. **** Währenddessen irgendwo tief im Wald. Das Gelächter konnte nicht bis hierhin vordringen, die dicken Kellerwände dämpften den Klang der Stimmen. Und dennoch wurde plötzlich die nächtliche Stille durchbrochen. Rehe hoben den Kopf und schnaubten unsicher auf, während sie ihre Umgebung prüften. Schnelle schattenhafte Bewegungen verursachten ein Rascheln im dichten Unterholz. Ein leises Knacken von Zweigen auf dem feuchten Waldboden war zu hören. Ein Käuzchen schrie auf und flatterte davon, aufgescheucht von einer unbekannten Präsenz. Für menschliche Augen unsichtbar bewegte sich der Schatten in schier übermenschlicher Geschwindigkeit voran. Und nur wer genau wusste, wonach er Ausschau halten müsste, könnte die Gestalt überhaupt bemerken. Doch dann war der Wald zu Ende. Das heißt, eigentlich nicht zu Ende, nur unterbrochen. Vor der Gestalt tat sich eine mondbeschienende Lichtung auf, in deren Mitte eine alte Eiche stand. Majestätisch reckte sie ihre vollen Äste dem Vollmond entgegen. Sie mochte mehrere Hundert Jahre alt sein. Der Stamm war dick und knorrig, die Rinde rissig. Und doch trotzte sie den Jahreszeiten und den Tieren, die auf Nahrungssuche immer wieder ihre Zweige zu erobern versuchten. Was mochte dieser Baum nicht schon alles erlebt haben, seit er aus einem kleinen Samen hervorgekommen war? Sobald die Gestalt den Schutz des Waldes verlies und einen Schritt auf die offene Fläche tat, verdichteten sich die Schatten zu einer menschlichen Form. Langsam und geräuschlos bewegte er sich auf den zentralen Baum zu. Es waren keine Laute von Tieren zu hören und selbst der Wind war mit einem Mal verstummt. Als würde der Wald selber die Luft anhalten. Und doch… lag eine leise Melodie in der Luft. Sphärische Klänge von überirdischer Schönheit. Selbst einem aufmerksamen Zuhörer wären diese Melodien wohl entgangen. Kein menschliches Gehör konnte je solche Töne wahrnehmen, wie sie in den Ästen des Baumes zu schweben schienen. Schließlich erreichte die schattenhafte Gestalt den Stamm des Baumes. Kurz zögerte sie, als sammle sie sich oder würde die Luft nach fremden Einflüssen testen. Dann streckte sie einen Arm aus und fuhr mit einer geisterhaften Hand die Rinde des Baumes entlang, einmal im Uhrzeigersinn um den ganzen Stamm. So, als wollte sie sicherstellen, dass alles in Ordnung war, alles unverändert sei. Scheinbar zufrieden trat die Gestalt schließlich einen Schritt zurück, prüfte noch einmal die Gegend und trat zwei Schritte vor, direkt in den Baumstamm hinein, und verschwand. Die Musik hing weiter in der kühlen feuchten Nachtluft, doch langsam kam wieder Bewegung in die Zweige und die Blätter rauschten in der sanften Brise und malten bewegte Schattenbilder auf den Waldboden. Kapitel 9: Am Morgen danach ---------------------------  Der Morgen graute schon heran und nach einer langen Nacht voller Poker, Frotzeleien und Anzüglichkeiten, waren alle sechs irgendwann im Laufe der Zeit am Tisch eingeschlafen. Angefangen hatten Scott und Kira. Kopf an Kopf gelehnt dösten sie ein. Malia lehnte sich einfach nach hinten, als sie keine Lust mehr auf spielen hatte („Da wir eh nicht um Klamotten spielen macht das keinen Spaß...“). Stiles war stehend KO nach den Aktionen der Nacht. Irgendwann schloß er kurz die Augen und kippte einfach zur Seite. Sein Kopf fiel auf Malias Schoß und blieb den Rest der Nacht dort liegen. Am Ende waren also nur noch Derek und Lydia übrig. Und auch sie konnten schließlich dem Schlaf irgendwann nicht mehr widerstehen. (Allerdings gab Lydia eh zu bedenken, dass ihr Pokern zu zweit nicht mehr so den Spaß machte.) Und so schnarchten alle um den Tisch herum leise, als Kiras Handy plötzlich anfing zu klingeln und sie aus dem Schlaf riss.  Von dem lauten Geräusch aufgeschreckt kippte Malia mit ihrem Stuhl nach hinten. Dabei zog sie Stiles mit, der ebenfalls mit dem Boden Bekanntschaft schloss. Scott zuckte zurück und Kira wäre fast mit der Stirn auf den Tisch geknallt, als seine Schulter wegrutschte. Sie konnte sich aber gerade noch abfangen. Umständlich und schlaftrunken kramte sie nach ihrem Rucksack und ging ans Telefon. Eine ganz offensichtlich wenig amüsierte Mrs. Kimura verlangte lautstark zu erfahren, ob ihrer Tochter eigentlich klar wäre, wie spät es sei, und dass sie gefälligst vor der Schule nach Hause kommen solle. Ihre Stimme war so laut, dass sogar Lydia es noch aus 2 Meter Entfernung hören konnte. Kira rieb sich den Schlaf aus den Augen und versuchte ein leises Gähnen zu unterdrücken. Scott sah schuldbewußt mit seinen großen braunen Hundeaugen drein, als er Kira mit dem Blick folgte. Sie war aufgestanden und aus dem Raum gegangen. Auch wenn außer Lydia alle Anwesenden ein Supergehör hatten und damit die Chance auf ein privates Gespräch gleich Null war (was ihrer Mutter im Übrigen auch durchaus bewußt war, schließlich hatten die eine Mitschuld an Kiras nächtlicher Aktivität und sollten daher ruhig ebenfalls ihre Missbilligung hören können), musste sie dieses Gespräch ja nicht unbedingt vor aller Augen führen. Scott kratzte sich am Kopf und fuhr sich einmal durch die Haare, bevor er einen Blick in die Runde warf. „Alle noch am Leben?“, fragte er leise.   Lydia hatte sich auf einer Bank ausgestreckt und reckte sich nun mit einem lauten Gähnen. Mittendrin wurde ihr bewusst, dass sie nicht alleine im Raum war und hielt eine Hand vor den Mund. Verschlafen blinzelte sie und sah sich im Raum um. Wo war ihre Handtasche? Sie hatte einen komischen Geschmack im Mund und brauchte dringend ein Pfefferminz. Und eine Bürste. Und ihren Lippenstift. Sie wollte gar nicht daran denken, wie zerzaust sie wohl aussah. So bekamen sie im allgemeinen nur ihre Liebhaber zu sehen. Oder Allison nach der Pajama-Party letztes Jahr... 'Nein', tadelte sie sich. 'Denk nicht mal dran...' Umständlich richtete sie sich auf und fuhr sich mit den Fingern durch die langen Haare. Sie fühlte nicht allzuviele Knoten darin. Wenigstens etwas. „Morgen“, rief sie betont fröhlich in die Runde.  Vom Boden kam eine gequältes „mmm“ als Antwort. Lydia linste an dem Tisch vorbei und entdeckte Stiles, der sich nach seinem unfreiwilligen Abgang zu einem kleinen Ball zusammengerollt hatte und offenbar weiterschlafen wollte, allen widrigen Umständen zum Trotz. Lydia und Scott sahen sich an und beide zuckten mit einem schiefen Grinsen die Schultern. Stiles war eben kein Morgenmensch. Never have been, never will be... und vor dem ersten Kaffee war er ohnehin nicht zu gebrauchen. Angeblich alles Nebenwirkung von seinen Medis. Lydia grinste, als ihr auf einmal klar wurde, dass diese Ausrede jetzt nicht mehr ziehen würde. Der Biss heilte alle körperlichen Schäden. Kein ADHS und demnach auch kein Adderall mehr. Pech gehabt, Stiles. Wieder schaute sie am Tisch vorbei auf den Boden und betrachtete das Knäuel. Es war einfach ein zu niedlicher Anblick, dem konnte sie nicht widerstehen. Lydia musste tatsächlich ein leises 'Awww' unterdrücken, wenn sie ihn so am Boden liegen sah. Stiles sah einfach zu süß aus, wie ein kleiner Welpe. Tapsig und die Augen noch zu. Selbst wie er sich mit dem Handrücken unbewußt über die Nase rieb, erinnerte an einen kleinen Hund. Malia hatte sich inzwischen im Halbschlaf auf allen Vieren zu Stiles gesellt und kuschelte sich an ihn. Stiles entfuhr ein glückliches kleines Seufzen und er ruckelte sich etwas zurecht, dass beide bequemer liegen konnten. Lydia setzte gedanklich ein strassbesetztes Hundehalsband für Stiles auf ihre Einkaufsliste und griff schließlich nach ihrer Handtasche, nach dem sie sich mühevoll von dem Anblick losgerissen hatte. Ihr Handy zeigte an, das es bereits kurz vor 7 Uhr morgens war. In knapp einer Stunde würde die Schule anfangen. Kein Wunder also, dass Kiras Mutter sich beschwerte. Mit ihrem Spiegel, dem Notfall-Schmicktäschchen und einer Bürste bewaffnet machte Lydia sich daran, sich für die Fahrt nach Hause präsentabel zu stylen, bevor es dann zur Schule ging.   Derek hatte sich bisher nicht bewegt. Lydia hatte sich inzwischen fertig gestylt, und er hatte noch keinen einzigen Muskel bewegt. Sein Kopf ruhte immernoch auf seinen Armen, die er vor sich auf dem Tisch verschränkt abgelegt hatte. So, wie er in der Nacht eingeschlafen war, so saß er immer noch da. ‚Hm isser tot?', dachte Lydia. Sie rutschte auf der Bank näher zu ihm heran und beobachtete Derek dabei genau. Sein Brustkorb bewegte sich leicht auf und ab. Das war doch schon mal was. Sie beugte sich also zu seinem Ohr vor und blies ein wenig hinein, aber die gewünschte Reaktion blieb aus. Dann rutschte sie noch näher heran, nahm eine Strähne ihres Haares und kitzelte damit sein Ohr. Noch immer rührte sich nichts. „Du bist ja ein echter Tiefschläfer. Und du siehst richtig niedlich aus, wenn du schläfst. Wie ein kleines Hündchen.“ Sie schaute rüber zu Stiles und Malia. „Muss wohl in der Familie liegen.“ Sie tat als wolle sie ihn hinter dem Ohr kraulen, wie sie es bei ihrem Prada immer machte. An sein Kinn kam sie leider nicht heran. „Armes Hundilein, hab ich dich kaputt gespielt? Auf auf, die kleinen Welpen müssen nach Hause und gebadet werden. Sonst stinken sie alle nach Hund.“ Ihre Stimme war zuckersüss, doch Derek reagierte auch weiterhin nicht. 'Dann eben nicht', dachte sie und wollte wieder rüber rutschen, damit sie aufstehen konnte. In dem Moment griff er blitzschnell nach ihrer Hand und hielt sie fest. Aber nicht zu fest. Sie war ja schließlich trotz Banshee menschlicher als er und seine Leute. Dann hob Derek den Kopf und grinste sie an. „Guten Morgen, Schönheit. Ich hab dich schon gehört, bin ja nicht taub. Kann aber nicht jeder so eine gutgelaunte Beauty-Queen am Morgen sein, wie du.“ Dann lies er sie los und stützte den Kopf mit einer Hand ab. Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. „Hi“, sagte er und zeigte seine strahlend weiße Zähne. Lydia strahlte zurück. "Ebenfalls hi".   Vom Gang war die ganze Zeit das leise Gespräch von Kira und ihrer Mutter zu hören gewesen. Wobei Gespräch eigentlich zu viel gesagt war. Kira kam kaum dazu auch nur einen vollständigen Satz auszusprechen. „Ja, ich... nein, Mom hör doch... MOM!... Ich... Wie bitte? NEIN! ... Jetzt warte doch mal... Hallo? Mom?“ Ein Moment Stille folgte. Dann fluchte Kira leise auf. Scheinbar hatte Mrs. Kimura aufgelegt. Kira erschien in der Tür. Sie sah leicht niedergeschlagen aus. „So schlimm?“, fragte Scott mitfühlend und stand auf. Er ging zu ihr und nahm sie in die Arme. Kira lehnte sich seufzend an ihn. Tröstend strich er ihr über den Rücken. „Mir wurde blumenreich zu verstehen gegeben, dass ich gefälligst nicht einfach über Nacht verschwinden solle und ich solle es mir nicht einfallen lassen wegen Übermüdung heute die Schule zu schwänzen, schließlich ist mein Dad Lehrer und was sollen die Kollegen denken und er würde nicht für mich lügen und blah blah blah.“ Sie schüttelte genervt mit dem Kopf. „Erst sind Regeln für Füchse nur dazu da, um umgangen zu werden, aber dann wenn es um ihre Tochter geht, war das natürlich ganz anders gemeint. 'In 400 Jahren reden wir nochmal drüber, bis dahin gehst du gefälligst zur Schule'“, zitierte sie und malte kleine Anführungszeichen in die Luft. Scott zuckte mit den Schultern. „Sie macht sich halt Sorgen. So sind Mütter eben. Nimms nicht so schwer. Du glaubst gar nicht, was ich mit meiner Mom durchgemacht habe, bis sie endlich verstanden hat, warum ich manchmal in der Nacht verschwand. Und selbst als sie wußte warum, war sie nicht glücklich darüber. Aber ich kann nicht ändern was ich bin. Und was ich mache, weil ich bin, was ich bin. Und du auch nicht.“ „Gut gesprochen, weiser Alpha“, merkte Lydia an. „Und da meine Mom inzwischen leider ebenfalls zum Lehrkörper gehört, ist es ihr auch nicht mehr so ganz egal, ob ich pünktlich zum Unterricht erscheine, oder nicht.“ Sie packte ihre Schmincksachen wieder ein und holte stattdessen den Autoschlüssel hervor. „Heißt ich werde mich jetzt duschen und umziehen fahren.“ Sie winkte mit dem Schlüssel und stand auf. „Da ihr ja alle zu Fuß hier seid, ich könnte drei Leute mitnehmen. Dann seid ihr schneller.“ Kira jauchste kurz auf und hüpfte zu Lydia, um sie zu umarmen. „Du bist meine Rettung!“ Lydia lächelte gönnerhaft. „Kein Problem.“ Sie hakte sich bei Kira unter, die schnell nach ihrem Rucksack griff und beide marschierten Richtung Ausgang (dabei mussten sie einen großen Schritt über die 'Bodentruppen' machen). An der Tür warteten sie kurz und Kira sah Scott an. „Kommst du auch?“ Scott wiederum blickte zögernd auf den noch schlafenden Rest der Gruppe. „Malia? Stiles?“ Derek brummte zur Antwort. „Lass nur, ich kümmer mich um die beiden, Scott. Malia muss eh erst später zum Unterricht und Stiles lassen wir heute besser zu Hause.“ Scott nickte und deutete den Mädchen voran zu gehen. „Moment noch“, rief Derek und erhob sich schließlich von seinem Platz. Scott war schon im Gang verschwunden, steckte aber noch mal den Kopf in den Türrahmen. „Ja?“ Derek wartete ein paar Sekunden, bis er Lydia vom Eingang her fluchen hören konnte. Dann grinste er breit. „Habt ihr nicht was vergessen?“, meinte er und holte genüsslich aus seiner Hosentasche den Schlüssel hervor. Er hielt ihn an einem Finger baumelnd für Scott sichtbar hin. „Oh, stimmt. Da war ja was.“ Derek warf ihm den Schlüssel zu. Scott zögerte kurz. „Soll ich wieder abschließen und den Schlüssel dann durchs Gitter werfen?“ Derek nickte. „Klingt nach einer guten Idee. Ich werd mich jetzt erst mal um unsere beiden Dornröschen hier kümmern.“ Er deutete mit dem Finger nach unten auf Stiles und Malia zu seinen Füßen, die immer noch friedlich schlummerten. Scott nickte zustimmend. „Wir treffen uns dann nach der Schule bei meinem Boss. Hoffentlich hat er eine Erklärung. Pass... pass bitte gut auf die beiden auf. Und... danke, Derek.“ Derek nickte nur. „Hopp, marsch in die Schule mit euch.“ Dann wandte er seufzend wieder seinen Blick dem leise schnarchenden Knäuel auf dem Boden zu. Müde wischte er sich einmal über das Gesicht und wuschelte sich dann selbst mit beiden Händen durch die Haare, bevor er die Arme vor der Brust verschränkte. „Ratet mal, wer auch noch schlafen könnte“, murmelte er leise vor sich hin und stubbste dann Stiles mit der Schuhspitze an. „Aufwachen Kinderchen, der Ernst des Lebens wartet.“ „Der kann auch noch 5 Minuten länger warten“, nuschelte Malia verschlafen und blinzelte Derek müde an, während von Stiles nur ein herzhafter Schnarcher kam. Der Ältere zog eine Augenbraue hoch und reckte das Kinn vor. Er bedachte beide mit einem tadelden Blick. 'Wirklich?' Im Schlaf fing Stiles plötzlich an zu zittern, als ob ihn ein kalter Lufthauch getroffen hätte.   ****   Lydia war ein elender Bleifuß, wenn es darauf ankam. Nach kurzer Zeit waren alle Drei in ihrem jeweiligen Bad, machten sich frisch und schnappten sich ihre Schulsachen. Kira war sogar noch reitzeitig genug fertig, dass sie mit ihrem Vater mitfahren konnte zur Schule. Scott kam mit seinem Motorrad kurz nach ihr an der Schule an und Lydia war auf geheimnisvolle Weise bereits im Klassenzimmer und zog ihren Lippenstift nach, als beide an der offenen Tür vorbei gingen und einen Blick hinein warfen. „Wie macht sie das nur?“, fragte sich Kira verwundert. Scott zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist das eine Banshee-Fähigkeit, die Zeit beugen oder so.“ Er machte eine unheimliche Geste und beide lachten auf. Da sie in der ersten Stunde beide unterschiedliche Fächer hatten, gab Scott ihr an der Tür zu ihrer Klasse einen schnellen Kuss auf die Wange und lief dann weiter zu seinem Raum. Englische Literatur am Morgen... Igitt... So kann man sich auch einen Tag versauen... Die Klasse hatte Scott normalerweise gemeinsam mit Stiles. Und prompt fragte ihn dann auch der Lehrer, wo Stilinski sei. „Er ist krank, Sir.“ (Der neue Literatur-Lehrer stand auf Formalitäten, da war war ein 'Sir' niemals falsch.) Der Lehrer schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Schon wieder? Hat sein Vater im Sekretariat Bescheid gegeben?“ „Das weiß ich nicht Sir“, antwortete Scott wahrheitsgemäß. „Sein Dad hatte Nachtschicht soweit ich weiß. Kann sein, dass er noch auf Arbeit ist, aber Stiles ist definitiv heute krank zu Hause.“ 'Und ich muss definitiv so schnell wie möglich Stiles eine Nachricht schicken, dass ihn sein Dad offiziell entschuldigen soll...' Der Lehrer seufzte. „Na gut, ich vertraue darauf, dass Sie ihm die heutigen Aufgaben übermitteln werden, Scott. Er kann es sich nicht wirklich leisten länger abwesend zu sein und im Stoff zurückzufallen.“ Er machte eine Notiz in seine Klassenliste und sah dann wieder auf. „Öffnen Sie nun bitte Ihre Bücher auf Seite 81. Gestern hatten wir....“ Kapitel 10: Erste Lektionen --------------------------- Es hatte eine Weile gedauert, bis die Kids endlich aufstanden. Und seitens Derek war dafür mehr als nur ein leichtes anstupsen mit dem Fuß nötig gewesen, bis Stiles endlich hoch kam. Und hätte Scott nicht eine Nachricht geschickt, dass sein Vater sich dringend in der Schule melden sollte, wahrscheinlich hätte er einfach weiter auf dem Boden zusammengerollt geschlafen. „Stiles, steh endlich auf und schwing deinen Hintern nach Hause. Scott hat sich gemeldet. Und dein Dad wartet garantiert auch dringend auf ein Lebenszeichen von dir. Mach mal ein bisschen zackig, sonst muss ich dir wehtun!“ Stiles brummelte protestierend, drehte sich aber umständlich auf alle Viere und setze sich dann brummelnd zurück auf die Fersen. Er gähnte herzhaft und streckte sich etwas, bevor er sich einmal wie ein Hund schüttelte und dann aufstand. „Immer musst du mit körperlicher Gewalt drohen, Derek“, beschwerte sich Stiles. Er drückte den Rücken durch und es knackte in mehreren Wirbeln. Kein Wunder, so wie er geschlafen hatte... Er wandte dem Älteren seinen Blick zu. Der antwortete nur mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Ich meine, Gewalt ist doch keine Lösung.“ „Ach was“, sagte Derek und legte den Kopf schief. „Aber es befreit ungemein. Gewöhn dich jedenfalls schon mal dran.“ Stiles stand auf, klopfte sich die Hose und das Hemd ab und verschränkte dann seine Arme vor der Brust. Er wirkte zwar nicht mal ansatzweise so furchterregend wie sein Gegenüber, aber einen auf 'Big Bad Wolf'-machen konnte er jetzt auch... theoretisch jedenfalls. Das mit dem Respekt einflößen musste er dringend üben. Er machte eine entsprechende geistige Notiz auf seiner To-Do-Liste. Schließlich drehte er sich zu Derek um. „Warum sollte ich?“, fragte er herausfordernd und reckte das Kinn vor. Derek starrte ihn aus halbgeschlossenen Augen durchdringend an. Er trat ganz nah an ihn heran, so dass Stiles den Kopf fast in den Nacken legen musste, um ihm in die Augen zu sehen. Mit einem finsteren Gesichtsausdruck bohrte Derek ihm fast einen Finger ins Gesicht. Stiles kniff die Augen halb zusammen und betrachtete Dereks drohende Haltung genauer. 'Er ist sprachlos', stellte Stiles überrascht fest. Sprachlos vor Wut? Aber warum? „Na los“, forderte er sein Gegenüber auf. „Los, tu dir keinen Zwang an, Derek. Ich bin ja jetzt wie du und Scott, ich kann einiges einstecken ohne dabei drauf zu gehen. Nur zu. Wenn es dich befreit, dann leg mal los.“ Derek schnaubte. Und wieder stach er mit dem Zeigefinger fast zu. Dann atmete er lautstark aus, schloß kurz die Augen und lies wieder die Hand sinken. Er hielt sich die Stirn und schüttelte mit dem Kopf. „Du verstehst das alles nicht, Stiles. Du hast keine Ahnung.“ Er richtete den Blick an die Zimmerdecke, aber sein eigentlicher Blick ging weit darüber hinaus. „Stiles...“, er rang nach Worten. Dann seufzte er und senkte den Blick. Er atmete einmal tief durch. „Stiles, wir müssen zu deinem Dad. Und du musst lernen mit deinen neuen Fähigkeiten umzugehen.“ Seine Stimme war wieder ruhiger. Was auch immer er Stiles hatte sagen wollen, das war es sicher nicht. Aber er fragte besser nicht weiter. „Malia?“ Derek drehte sich zu dem Mädchen um, das inzwischen wieder am improvisierten Pokertisch saß und sich über die Essensreste von letzter Nacht hermachte. Das restliche Sushi war zwar leider mittlerweile ungenießbar (trockener Fisch - urks), aber es gab noch genug Salzstangen und Chips und (warum auch immer Lydia die eingepackt hatte) Schokoladen Cookies. Besonders auf letztere stürzte sie sich mit Feuereifer. Innerhalb kurzer Zeit waren nur noch Krümel übrig. Die Männer konnten nur staunend zusehen, wie schnell das Essen in ihrem Magen verschwand. „Malia, wenn du so weiter machst, dann wirst du der erste fette Werkojote sein, den ich je gesehen habe“, stellte Derek fest. Die wischte sich unbekümmert mit dem Handrücken über den Mund und griff nach dem Rest Cola. Sie trank die Flasche in einem Zug leer. „Ich bin der einzige Werkojote Derek, den du überhaupt je gesehen hast. Also ist das kein Maßstab.“ 'Freches kleines Ding', dachte Derek. „Wenn ich mich nicht irre musst du heute zur dritten Stunde in der Schule sein. Also geh jetzt nach Hause, zieh dich um und besuche dann deinen Kurs. „Und was macht ihr zwei?“, fragte sie. Derek sah Stiles wieder mit diesem seltsamen Gesichtsausdruck an, zwischen Sauer, Genervt und ernsthafter Sorge. Er legte Stiles seine Hand auf die Schulter. „Wir beide... werden trainieren. Freu dich schon mal drauf.“ Es klang wie ein Todesurteil.   Wie Scott gesagt hatte, fand Derek den Schlüssel im Flur auf dem Boden liegend vor. Er hob ihn auf, wischte etwas Erde ab und öffnete dann das Gitter. Aufräumen konnten sie auch ein anderes Mal. Jetzt war es wichtiger Stiles nach Hause zu bringen. Malia verabschiedete sich von Stiles mit einem dicken Kuss auf den Mund, nickte Derek einmal zu und verschwand dann mit übermenschlicher Geschwindigkeit im Wald jenseits des Hauses. Stiles blickte ihr nach. „Ganz schön flink“, murmelte er beeindruckt. Dann sah er Derek von der Seite an. „Und wie kommen wir nach Hause?“ Derek seufzte und verdrehte die Augen. „Na was denkst du, Stiles? Wir schwingen den Zauberstab und verwandeln einen Kürbis in eine Kutsche.“ Stile glotzte ihn daraufhin blöde an. „Wir laufen natürlich, Stiles.“ Stiles machte große Augen. „Den ganzen Weg durch den Wald?“ „Nein, wir nehmen die Abkürzung durch das Wolkenkuckucksheim.“ „Aber das sind mehrere Meilen.“ „Ja und? Je eher wir loslaufen, umso schneller sind wir da. Komm schon.“ Und mit diesen Worten griff er sich Stiles, packte ihn am Arm und zog ihn hinter sich her. „Hey!“, protestierte Stiles, aber Derek ließ ihn nicht los. Im Gegenteil, er schlug von Anfang an ein hartes Tempo an. Zuerst stolperte Stiles ein paar Mal fast, aber schon wenige Schritte später hatten seine Beine den Oberkörper wieder eingeholt und er legte an Geschwindigkeit zu. Und sogar ziemlich gut. Und ziemlich schnell. Und ehe Stiles klar wurde, was er da machte hatte er schon gemeinsam mit Derek die halbe Strecke hinter sich gelassen. Dann merkte Stiles zum ersten Mal bewusst, was es hieß Wolfskräfte zu haben. Seine Sicht veränderte sich. Trotz ihrer immensen Geschwindigtkeit konnte er die Bäume beinahe in Zeitlupe an ihm vorbeiziehen sehen. Jede noch so kleine Bewegung im Wald um ihn herum konnte er fühlen. Und die Gerüche... Jetzt konnte er tatsächlich eine feine Duftnote entdecken, die nach Scott roch. Diesen Weg mussten sie in der letzten Nacht genommen haben, denn er konnte auch Malia und Dereks... Aroma entdecken. Langsam verstand er, was Scott ihm all die Zeit seit seinem Biss versucht hatte zu erklären. „Jedes Lebewesen hat einen ganz bestimmten Duft, Stiles“, hatte er gesagt. „Das ist nichts, was du mit Deo oder Parfum überdecken kannst. Es ist mehr... sowas wie ein Aroma. Oder besser eine 'Signatur'. Wenn du etwas anfässt hinterläßt du Fingerabdrücke. Aber du überträgst auch immer etwas von deiner Körperwärme, deiner Energie und deinem Schweiß. Wie eine Unterschrift. Die Kombination macht sie einzigartig und sagt mehr über dich aus, als ein CSI feststellen könnte. Denn der Geruch beschreibt auch immer ein wenig den Charakter seines Besitzers.“ Scott zum Beispiel hatte eine frische waldige Note, konnte Stiles nun feststellen. Wie Moos, das unter einer Kiefer wächst und mit Tautropfen bedeckt ist. Erdig, natürlich, angenehm. Und doch widerstandsfähig. Das passte zu ihm. Er konnte auch lange Durststrecken überstehen und ein Tropfen Regen reichte, dass er förmlich aufblühte. Malia dagegen roch wie ein Sommerregen, der auf heißen Felsen trifft. Und Derek... Stiles drehte den Kopf ein wenig in seine Richtung. Derek... roch kraftvoll und geschmeidig. Stiles fand einfach keine besseren Worte dafür. Wie gut geöltes Leder, wie eine Peitsche die jederzeit zuschlagen konnte. Eine Waffe, ein Raubtier. Während Scott und Malia noch einen jungen, natürlichen Geruch hatten, war Derek bereits ein ausgewachsenes und gefährliches Raubtier. Wie er wohl für die anderen roch? Hatte sich sein Geruch nach dem Biss verändert? Hatte er sich bereits vorher durch den Nogitsune verändert? Derek hatte einmal erwähnt, dass er Peter als Alpha nicht hatte am Geruch erkennen können, da der seiner Alpha-Gestalt anders war. Also war es möglich, dass eine einzige Person verschiedene Duftnoten haben konnte, wenn er verschiedene Persönlichkeiten hatte. Hätten die anderen dann nicht bemerken müssen, dass er damals besessen war? Hätte er dann nicht anders riechen müssen, wenn der Nogi die Oberhand hatte? Oder hatte sich der Nogi so gut getarnt, dass... „Stiles!“ Dereks Ruf holte Stiles aus seinen Überlegungen zurück in die Gegenwart. „Halt an, Stiles.“ Stiles sah sich um. Er erkannte verschiendene Wegmarken. „Aber wir sind gleich da.“ „Ich weiß, darum sollst du ja anhalten.“ Stiles verstand nicht, was Derek von ihm wollte, aber er er wurde langsamer und blieb stehen. Erwartungsvoll blickt er Derek an und wartete auf eine Erklärung. „Das mit dem Laufen machst du nicht schlecht, aber du solltest besser wieder auf 'Normalmodus' umschalten, bevor wir aus dem Wald kommen.“ „Normalmodus?“ Derek zuckte mit den Schultern. „Sagt man das nicht so in Computerspielen? Normal-Modus, Detective-Modus, Tarn-Modus...“ „Ja schon, aber was meinst du genau, wenn du sagst ich solle... oh...“  Stiles blickte auf seine Hände und sah die Krallen. Er fuhr mit seiner Zunge über seine Vorderzähne und konnte die Reißzähne an den Ecken spüren. Ok, so durfte er definitiv nicht vor seinen Vater treten. Oder er würde gleich wieder einen elektrischen Schlag abbekommen. „Was, was muss ich tun, Derek?“ Derek legte Stiles beruhigend beide Hände auf die Schultern. „Atme ganz ruhig ein und aus. Konzentriere dich auf den Rythmus. Spüre deinen Herzschlag. Zentriere dich. Mach die Augen zu, wenn dir das hilft, und versuche ganz bewußt die Krallen einzuziehen, den Werwolf in dir wieder zu bändigen, ihn einzusperren, wenn du so willst. Oder schicke ihn zu einem kleinen Nickerchen in ein Körbchen ganz hinten in deinem Geist. Und hab keine Angst, du kannst das. Es ist natürlich, ein Instinkt. Kein Raubtier ist durchgehend im Kampf, auch ein Wolf macht mal Pause.“ Stiles atmete langsam aus und schloss die Augen. Er stellte sich den Wolf bildlich vor seinem inneren Auge vor. Wie er aufhörte die Zähne zu fletschen, die Ohren wieder aufrichtete, mit einem Wolfslächeln, die Zunge schräg aus Maul hängend beinahe lachte und davon trottete. Gleichzeitig spürte er, wie sich die Krallen zurück zogen und auch die Reißzähne verschwanden. Er öffnete die Augen. Auch seine Sicht war wieder normal. Derek nickte zustimmend und ließ die Hände sinken. „Gut, jetzt können wir weitergehen.“ Und er drehte sich um und lief weiter zum Waldrand in der Nähe von Stiles Elternhaus.   Sheriff Stilinski musste bereits seit einiger Zeit hinter dem Fenster gestanden und nach ihnen Ausschau gehalten haben. Sie waren keine 20 Schritte mehr vom Haus entfernt, da öffnete er den beiden auch schon die Tür. Derek hatte ein amüsiertes Glitzern in den Augen, als er Stiles vor sich herschob und ins Haus bugsierte. Er griff in die Hosentasche und hielt dann mit einem breiten Grinsen Stiles' Dad den kleinen Schlüssel und die Handschellen hin. „Niemand wurde verletzt und niemand getötet, Sir.“ Er sah Stiles an. „Und zumindest geht es ihrem Sohn nicht schlechter als vorher auch schon.“ Der Sheriff nahm den kleinen Schlüssel in die Hand und drehte ihn hin und her. Wahrscheinlich um seine Finger zu beschäftigen. Er wusste nicht so recht, ob er Stiles umarmen sollte, oder nicht. Es war ein ziemlich merkwürdiges Gefühl. Als Scott ihm damals seine Wolfsform gezeigt hatte, war er sich auch nicht ganz sicher gewesen, wie er damit umgehen sollte. Immerhin kannte er Scott seit er ganz klein war. Und Scott war ein guter Junge. Darum vertraute er ihm auch und akzeptierte ihn so, wie er war. Es war schließlich nicht seine Schuld, was passiert war. Und seinen Sohn kannte er noch viel länger, also worüber machte er sich überhaupt Gedanken? Er zögerte nur einen kurzen Moment und nahm dann Stiles in die Arme. „Gott Junge, erschreckt mich bitte nie wieder so. Ich... Nach der ganzen Sache mit dem Nogitsune bin ich wohl etwas dünnhäutiger geworden...“ Dann schob er ihn auf Armeslänge von sich und betrachtete aufmerksam sein Gesicht. „Ist wirklich alles in Ordnung?“ Stiles hüstelte verlegen und versuchte dem Blick auszuweichen. „Klar Dad, alles soweit wieder normal...“ 'Soweit bei uns überhaupt irgendwas was normal sein kann...', dachte er. Peinlich berührt wischte er die die Hände seines Vaters von seinen Armen ab und trat einen leichten Schritt zu Seite. Er war es nicht gewohnt, dass sein Dad vor anderen so gefühlsduselig war. Besonders vor Fremden... Aber war Derek eigentlich noch ein Fremder? Stiles konnte sehen, wie sein Dad Derek einen besorgten Blick zuwarf und sich erst zu beruhigen schien, als der letzte Sohn der Hale-Familie ihm beruhigend zunickte. Nein, Derek war kein Fremder mehr. Wenn er genau darüber nachdachte, war er das schon seit einer Weile nicht mehr. Spätestens die gemeinsame Sorge um Stiles seit das mit dem Nogitsune angefangen hatte, waren die Männer einander ein Stück näher gekommen. Der Sheriff musterte seinen Sohn noch einen Moment länger und trat dann einen Schritt beseite. „Ok, kommt beide erst mal rein. Und dann sollte ich wohl in der Schule anrufen.“ Er kratzte sich am Kopf. „Ich denk mal es ist besser, wenn du heute zu Hause bleibst. Der eine Tag macht auch keinen großen Unterschied mehr.“ „Wollte ich gerade vorschlagen“, sagte Derek. „Scott hatte auch schon geschrieben, dass der Lehrer nach ihm gefragt hatte.“ Im Vorbeigehen legte er die Handschellen auf die Konsole im Eingangsbereich und schob mir der anderen Hand Stiles vor sich her.   Während der Sheriff also sein Handy zückte und die Nummer vom Sekretariat in seinem Adressbuch suchte, gingen Stiles und Derek in die Küche vor. Hinter ihnen fiel die Tür mit einem leichten Rumms ins Schloss. Beide setzten sich an den Tisch und hörten das leise geführte Telefonat. Für Stiles war das noch eine leicht verstörende Tatsache, dass er dem Gespräch durch das halbe Haus hindurch so mühelos folgen konnte, als würde er direkt neben seinem Vater stehen. Derek sagte etwas zu ihm, aber er bekam nicht ganz mit was. Dann schnippte Derek in sein Gesicht und er zuckte überrascht zusammen. „Hey, gewöhn dir das gar nicht erst an zu lauschen“, tadelte ihn der Ältere. „Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?“ Stiles blickte leicht bedröppelt drein. „Ähhh...“ Derk schüttelte missbilligend den Kopf. „Ich sagte, du musst lernen dich auf deine unmittelbare Umgebung zu konzentrieren. Und das Gespräch zu ignorieren ist schon mal eine gute Anfangsübung. Sonst antwortest du noch auf Fragen, die zwei Räume weiter gestellt werden, wenn du nicht aufpasst.“ Stiles zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Hab schon Sachen in der Art gebracht, wär also nicht so schlimm. ADHS, weißt du? Die Leute erwarten merkwürdiges Verhalten von mir.“ In dem Augenblick kam sein Vater durch die Tür. Er hatte das Telefon nich in der Hand und legte es nun auf dem Esstisch vor sich ab. „Möchtet ihr einen Kaffee? Ich hab noch ein wenig Zeit, bevor ich wieder aufs Revier muss.“ Derek und Stiles nickten zustimmend und nahmen beide dankbar die Becher mit der heißen braunen Flüssigkeit entgegen, die ihnen gereicht wurden. Stiles schüttete eine großzügige Menge an Milch und Zucker in seinen Becher, während Derek einfach tiefen Zug der puren heißen Flüssigkeit hinunterstürzte. Der Sheriff setzte sich zu den Beiden an den Tisch und sein Blick wanderte immer wieder von einem zum Anderen. Gedankenverloren trank auch er einen Schluck Kaffee. Die Stirn in Falten gelegt betrachtete er die Aufschrift seines Bechers. 'Für den besten Dad'. Stiles hatte ihm den vor vielen vielen Jahren selber mit seiner krakeligen Kinderhandschrift verziert zum Vatertag geschenkt. Er seufzte leise in sich hinein. Das waren noch einfachere Zeiten gewesen. Er musste sich keine Gedanken um Werwölfe, Dämonen und finstere Druiden machen. Seine größte Sorge war damals gewesen, wie sie Stiles dazu bringen konnten einfach nur mal ruhig da zu sitzen, ohne zu zappeln oder in einer Tour zu reden. In dem Augenblick wurde ihm etwas bewußt. Sie saßen bestimmt schon mehrere Minuten friedlich und still am Tisch. 'Ruhig' und 'still'. Beides Worte, die in Stiles Wortschatz noch nie vorgekommen waren. Aber sein Sohn saß jetzt seltsam friedlich auf seinem üblichen Platz, hatte die Augen halb geschlossen und genoß seinen Kaffee. Ohne zu zappeln und ohne zu reden. Überrascht warf er Derek einen fragenden Blick zu, der mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem Schulterzucken beantwortet wurde. Derek warf selber Stiles einen kurzen Blick zu und sah dann wieder den Sheriff an. Sein schiefes Grinsen schien zu sagen 'Es hat halt auch positive Seiten ein Werwolf zu sein.' Der Sheriff räusperte sich schließlich und stellte seinen Becher wieder vor sich auf den Tisch. „Also Stiles“, fing er an und blickte seinem Sohn prüfend ins Gesicht. „Wie läuft das jetzt mit dir und dieser Werwolf-Sache? Muss ich dich jetzt jeden Vollmond einsperren oder so? Und... was ist mit Scott? Was sagt er dazu? Was ich nicht verstehe, wie ist das ganze überhaupt passiert? Hat er dich gebissen? Wolltest du das überhaupt? Und was passiert nun?“ Stiles prustete überrascht in seinen Becher und machte große Augen. „Langsam Dad, ganz ruhig, keine Panik.“ Derek und der Sheriff sahen sich an. Stiles sagte seinem Dad er solle ruhig bleiben? Wer von beiden war denn immer derjenige, der nie ruhig sein konnte? „Also zunächst mal, nein, du musst mich nicht einsperren.“ Er deutete mit dem Daumen auf Derek. „Das besorgen die schon.“ Derek stöhnte auf und hielt sich die Stirn. Wie das wohl in den Ohren seines Vaters klingen mochte. Als würden sie Fesselspielchen im Hinterzimmer veranstalten oder so. Aber sein Dad nickte nur und verzog keine Mine. Offenbar hatte er sich schon mit den Besonderheiten von ihm und den seinen abgefunden. „Ist vermutlich die beste Lösung. Ihr kommt wahrscheinlich ohnehin besser damit klar, wenn ihr alle zusammen seid.“ Er holte tief Luft, eher er weiter fragte. „Ok, aber ich möchte immer noch wissen, wie es eigentlich dazu kam, dass du nun auch Krallen hast, Stiles. Du hättest doch vorher mit mir drüber reden können, wenn du und Scott geplant hattet, dass er dir den Biss geben würde. Warum hast du nichts gesagt?“ In seiner Stimme lag kein Vorwurf, mehr Trauer und das Gefühl, dass sein Sohn scheinbar nach allem noch immer Geheimnisse vor ihm hatte. An dieser Stelle mischte sich Derek ein. „Augenblick, Sheriff, ich glaube ich muss hier was klar stellen. Scott hatte nicht geplant Stiles zu beißen und er hat es auch nicht getan.“ „Aber wie...war es ein Versehen? Ihr hättet mich trotzdem vorwarnen können. Als du da plötzlich blutend und zitternd auf dem Küchenboden lagst... Gott Stiles, ich dachte schon du stirbst doch noch!“ „Dad“, Stiles versuchte den Kloß hinunterzuschlucken, der sich in seiner Kehle breitzumachen begann. „Dad, ich... ich wußte doch selber nicht...“ Derek hob die Hände, um beide zu unterbrechen. „Er wußte nicht, was passieren würde. Keiner von uns wußte das. Darum konnte er Sie nicht vorwarnen. Und es steckt auch kein fremder Alpha dahinter, falls Sie das jetzt denken. Nein. Letztlich ist schon Scott dafür verantwortlich, aber nicht dadurch, dass er diesen Stiles gebissen hätte.“ Er deutete auf den jungen Mann, der neben ihm am Tisch saß. Der Sheriff sah aus, als würde er langsam einen Drink brauchen oder als bekäme er gerade eine ausgewachsene Migräne. „Einen Moment bitte“, sagte er und massierte sich die Schläfen. „Noch mal einen Schritt zurück, was meinst du mit 'nicht dieser Stiles', Derek?“ Derek blickte Stiles von der Seite an, aber der jüngere klammerte sich nur mit einem eulenhaften Blick an seinem Becher fest und über ließ es ihm offenbar alles zu erklären. Er seufzte. „Ok, wieviel haben Sie von der Nogitsune-Sache mitbekommen? Hatten die anderen von der 'Stiles-durch-Zwei'-Sache erzählt?“ Der Sheriff nickte verwirrt. „Ja schon, aber was hat das damit zu tun? Ich dachte der wäre besiegt und versiegelt worden...“ „Ist er ja auch. Aber damit wir das tun konnten, musste Scott die dunkle Hälfte beißen. Und wir vermuten nun, dass sich das übertragen hat, da ja nun mal letztlich der falsche Stiles ein Teil des echten war und mit dem verschwinden des Nogitsune haben sich beide Hälften wieder verbunden.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie mehr über den esoterischen Teil der Sache wissen wollen sollten Sie mit Dr. Deaton reden. Er ist der Experte.“ Der Sheriff blickte überrascht drein. „Der Tierarzt? Wieso... Was hat er denn jetzt mit der Sache zu tun?“ Derek schaute Stiles mit einem genervten Gesichtsausdruck an. „Habt ihr deinem Vater eigentlich überhaupt irgendwas von dem erzählt, was passiert ist?“ Stiles wurde auf seinem Stuhl kleiner. „Ja...?“ Derek zog eine Braue hoch. „Klingt aber nicht so. Egal“, fuhr er fort und sah wieder dem Sheriff in die Augen. „Jedenfalls ist es jetzt so wie es ist. Stiles gehört jetzt zu Scotts Rudel. Damit ist es nun unsere Aufgabe ihn auszubilden und zu beschützen.“ Stiles nickte. „Scott und ich passen schon aufeinander auf. Und Derek und Malia auch, richtig?“ Derek brummte etwas Zustimmendes. Wieder an seinen Vater gerichtet fuhr er fort: „Und auch Lydia und Kira. Mach dir keine Sorgen, Dad. Sobald ich meinen Anker gefunden habe ist das alles nicht mehr so schlimm und wegen der blauen Augen mach mal keine Gedanken. Wird schon nichts passieren.“ „Blaue Augen? Wovon redest du? Und Anker... Stiles, wie wäre es wenn ihr ganz von vorne mit den Erklärungen anfangt, ok? Ich hab zwar die Grundzüge inzwischen kapiert, aber für die Feinheiten hatte ich noch keinen Nerv und keine Zeit. Sieht aber so aus als käme ich nicht mehr drumherum.“ Er sah auf seine Uhr und fluchte. Hastig nahm er noch einen Schluck aus seinem Becher. „Verdammt, ich muss jetzt wieder los zur Arbeit.“ Stiles machte große Augen. "Hattest du nicht gestern erst Spätdienst?" Der Sheriff seufzte. "Ja, aber wir sind nach der Sache neulich unterbesetzt..." "Oh... ja", sagte Stiles und hüstelte verlegen. Daran war er wohl nicht ganz unschuldig... Sein Dad stand auf und stellte den Becher in die Spüle. „Hört zu, ich bilde mir nicht mal ansatzweise ein zu verstehen, was hier eigentlich alles in dieser Stadt passiert, aber ich weiß inzwischen, dass es mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als sich die Schulweisheit das träumen läßt. Wenn ich nach Hause komme reden wir weiter und ich möchte dann wirklich alles wissen, ok? Keine Geheimnisse mehr, einverstanden?“ „Einverstanden“, stimmte Stiles erleichtert zu. Keine Geheimnisse war ein guter Plan. Vorerst jedenfalls. „Was diese Blaue Augen und Anker-Geschichte angeht, das lässt sich eh so schnell nicht erklären. Und es ist auch für den Moment nicht so wichtig.“ Derek rümpfte die Nase. „Wichtiger wäre Stiles, dass du endlich duschen gehst. Du riechst nach nassem Hund.“ Der Sheriff taxierte sein Gegenüber mit festem Blick. Ihm war klar, dass der Werwolf nicht alles gesagt hatte, aber sein Blick machte deutlich, dass er in Stiles Gegenwart nicht mehr sagen würde. „Er hat Recht Stiles, sogar ich kann das riechen.“ Stiles und Derek folgten ihm zum Eingang und sahen stumm zu, wie er seine Jacke vom Haken nahm und sie anzog. Dann steckte der Sheriff die Handschellen ein, die noch auf der Anrichte lagen, wo Derek sie gelassen hatte. Er nickte Stiles zu. „Geh schon unter die Dusche, Stiles, wir reden heute Abend weiter. Hab dich lieb, Junge.“ Er drückte ihn noch einmal kurz und öffnete dann die Tür. „Derek, können wir kurz reden?“ Stiles sah den beiden Erwachsenen zu, wie sie vor die Tür traten. „Und nicht gleich wieder lauschen Stiles“, murmelte Derek so leise, dass der Sheriff ihn nicht hören, der junge Werwolf das aber sehr wohl verstehen konnte. „Ab unter die Dusche.“ „Sir, ja Sir“, murmelte Stiles mit unverkennbarem Sarkasmus zur Antwort. Derek grinste. Einen Moment später konnte er das Geräusch von laufendem Wasser hören. Mittlerweile standen die Männer vor dem Dienstwagen des Sheriffs. Er schloss den Wagen auf und öffnete die Tür. Dann zögerte er und drehte sich wieder zu seinem Begleiter um. „Ok, Derek, was willst du mir noch sagen, was er nicht hören sollte?“ Er deutete mit einem Nicken in Richtung Haus. Derek legte den Kopf schief. „Ich muss sagen sie nehmen das ziemlich gut auf, Sheriff. Stört sie das gar nicht, dass Stiles jetzt auch einer von uns ist? Scott hatte mit seiner Mutter da größere Probleme.“ Er zuckte mit den Schultern. „Was soll ich machen. Ich kann es ja nicht ändern. Und wenigstens heißt das immerhin, dass er nicht mehr an der gleichen Hirnerkrankung sterben kann wie seine Mutter. Oder?“ Derek schüttelte mit dem Kopf. „Nein, Krankheiten sind kein Problem mehr. Er wird auch wesentlich schneller heilen. Besser hören, besser riechen, schnellere Reflexe, körperliche Stärke. Sogar sein ADHS hat sich damit erledigt, wie sie in der Küche schon gemerkt haben. Aber er ist noch ein Teenager. Er wird etwas Zeit brauchen, bis er sich richtig zu beherrschen lernt. Und da kommt dieser besagte Anker ins Spiel. Ein Anker ist etwas, was dem Tier in uns Einhalt gebieten kann. Es lässt uns menschlich bleiben, wenn äußere Einflüsse wie der Vollmond an unserer Selbstbeherrschung zerren. Für jeden ist es etwas anderes, aber immer ist es etwas, das uns sehr wichtig ist. Aber das ist nicht das, worüber ich mit Ihnen reden wollte.Dieser andere Punkt mit den Augen...“ Derek zögerte kurz, er wusste nicht wie Stiles' Vater damit umgehen würde. „Fangen wir mal so rum an, Sie haben doch sicher inzwischen bemerkt, dass die Augenfarben eines Werwolfes von seiner normalen Augenfarbe abweicht. Es gibt Bernstein, Rot und Blau. Die von Scott waren anfangs Bernstein. Das ist die Farbe für junge unschuldige Werwölfe. Rot zeigt an, dass man einem Alpha gegenüber steht. Und Blau... blau heißt, dass dieser Werwolf in seinem Leben bereits... ein unschuldiges Leben genommen hat.“ Seine Stimme wurde am Ende leiser und er schaute betreten zu Boden. Müde schloss der Sheriff die Augen und rieb sich mit der Hand über die Stirn. „Oh Stiles... Was hat dieser Nogitsune dir nur angetan...“ Er holte tief Luft und riss sich zusammen. „Ich verstehe. Ist nach der Bombe in der Polizeistation auch kaum anders zu erwarten gewesen, oder? Hat das noch andere Auswirkungen auf ihn?“ „Nicht unmittelbar auf ihn, aber darauf, wie die Jäger mit ihm umgehen werden, wenn sie das sehen. Scott wurde damals nur verschont, weil sie auf Grund seiner Augen wussten, dass er unschuldig war. Bei Stiles werden sie sich nicht zurück halten.“ „Na gut“, meinte der Sheriff und stieg in seinen Wagen. „Dann hoffen wir mal, dass so bald keine anderen Jäger in der Stadt auftauchen werden.“ Beide Männer wechselten einen Blick der besagte, dass sie nicht wirklich daran glaubten. „Ich muss leider echt los jetzt. Gebt mir Bescheid, falls was sein sollte, ok?“ Er zögerte einen Moment, den Griff von der Tür bereits in der Hand. „Und passt mir bitte gut auf meinen Jungen auf, ja? Er ist alles, was ich noch habe.“ Der Sheriff hörte Dereks gemurmelte Zustimmung, warf die Fahrertür zu und startete den Motor. Kapitel 11: Brüder ------------------ Die Dusche tat ihm gut. Stiles genoss es, wie das heiße Wasser über sein Gesicht und seinen Körper lief. Er schloss die Augen und spürte die Tropfen auf der Haut, die den Schmutz und den Ärger der Nacht abwuschen. Unter dem heißen Wasserstrahl lockerte sich seine steife Nackenmuskulatur und Stiles ließ die Schultern kreisen. Die Gelenke knackten bei der Bewegung. Über was die beiden Männer unten wohl sprachen? Es reizte ihn zu lauschen. Er war sich auch ziemlich sicher, dass Derek es nicht mitkriegen würde, wenn er es doch täte. Andererseits war es vielleicht manchmal doch besser nicht alles zu wissen. Scott jedenfalls fand es die meiste Zeit nicht so toll alles um sich herum hören zu können. Stiles musste dabei an die Sache mit Melissa und dem sabotierten Date mit Peter denken. Auch wenn sie nur zu ihrem Besten gehandelt hatten, es zerriss Scott förmlich, wie er seine Mutter hinterher im Auto weinen hören konnte. Der Lauscher an der Wand…   20 Minuten später stand Stiles fertig geduscht und umgezogen wieder vor der Küche, bereit für den Tag. Seine Haare waren noch feucht und er fuhr sich mit den Fingern durch die Spitzen, um sie zurecht zu zupfen. Darum achtete er auch nicht groß darauf, was in der Küche passierte, als er eintrat. „Ok Derek“, begann er. „Wie sieht nun dein tolles Trainingsprogramm für heute aus?“ Derek schnaubte belustigt. „Ganz simpel für den Anfang. Zuerst machen wir Muskeltraining. Und wir beginnen mit dem wichtigsten Muskel, den du hast: dem Magen.“ „Dem Ma…“ Stiles erstarrte in der Bewegung. Als er verdutzt den Blick von seiner Frisur auf den anderen Mann lenkte, traute er seinen Augen kaum. Derek stand am Herd und wendete in einer Pfanne gerade frische Pancakes… Stiles kniff ungläubig die Augen zu, schüttelte den Kopf und schaute noch mal hin. Aber das Bild blieb. Derek, der seine allgegenwärtige schwarze Lederjacke gegen die weiße Schürze seines Vaters getauscht hatte und Pancakes machte… Der Ältere drehte sich halb zu ihm um und bedachte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Was denn Stiles, glaubst du ich hätte noch nie Frühstück gemacht? Ich esse auch, weißt du? Und Pancakes nach Art der Hales sind die besten.“ Er dachte kurz nach. „Ihr habt nicht zufällig auch Schokodrops da, oder? Ich konnte spontan keine finden…“ „Ähh… ne, sowas haben wir nicht. Mein Dad würde die alle so aufessen, darum kaufen wir keine mehr…“ „Schade. Dann halt nicht“, sagte Derek und wandte sich wieder dem Herd zu. Stiles löste sich langsam aus seiner Erstarrung und setzte sich an den Tisch. Er sah sich um. Der Tisch war bereits gedeckt, für jeden standen ein Teller, Besteck und ein Glas Orangensaft bereit. Sirup hatte Derek auch schon rausgeholt und ein Teller mit einem riesigem Haufen Rührei dampfte bereits köstlich vor sich hin. Sogar die Kaffeebecher hatte Derek aufgefüllt. Selbst den Zucker und die Milch hatte er für ihn reingetan. Wow… Sicher, Stiles hatte typische Küchen-Geräusche gehört von oben, aber er hatte nicht gedacht, dass es aus seiner Küche kam (das musste er unbedingt auch auf seine To Do-Liste setzen… konnte man die Entfernung von Geräuschen irgendwie genauer einschätzen?). Und warum hatte er oben den Duft von frischen Pancakes und Speck nicht bemerkt? Wahrscheinlich war er einfach zu abgelenkt von allem, schätzte er. Weil ihm alles irgendwie neu schien. Oder er war sich auch nur der Sachen bewusster. Immerhin verstand er jetzt, warum Scott einige seiner Angewohnheiten radikal geändert hatte, nach dem er zum Werwolf geworden war. Alles war… irgendwie intensiver, stärker, kräftiger. Das Essen zum Beispiel. Der Geruch seines ersten Frühstücks als Werwolf war förmlich überwältigend. Seine Lider flatterten, als er die Augen schloss und tief einatmete. Er konnte jede einzelne Note herausriechen, jede Zutat. Unglaublich… Und unglaublich lecker! Sein Magen fing begeistert an zu knurren. Derek musste das auch gehört haben, denn er lachte leise auf. „Geduld, Stiles“, sagte er. „Du bekommst ja gleich was. Raubtierfütterung ist in ein paar Minuten.“ Stiles legte den Kopf schief und beobachtete Derek, wie er gut gelaunt am Herd hantierte. Er wirkte routiniert. Und erstaunlich wenig fehl am Platz, wenn man über den ersten Schock hinweg kam. Wenn er die Augen halb schloss, konnte Stiles förmlich sehen, wie Derek mit seiner Schwester zusammen in der Küche gestanden haben musste. Alleine fehlte etwas an seiner Seite. Isaac hatte nie groß darüber gesprochen, was in ihrem Rudel so alles passiert war, aber trotz der Art, wie Derek ihn rausgeschmissen hatte (vorgeblich wegen Cora, die nach ihrer Rückkehr in die Familie bei Derek eingezogen war), war nie ein böses Wort über den ehemaligen Alpha gefallen. Vielleicht deshalb. Derek war sowas wie der Papa Schlumpf seines Rudels gewesen. Er konnte hart sein, wenn er musste, aber er konnte auch sanft sein, wenn man ihn ließ. Zugegeben, Stiles hatte sich nie groß Gedanken darüber gemacht, wie Derek eigentlich so seinen Tag verbrachte, wenn nicht gerade wieder ein Alpha-Rudel angriff oder er auf der Flucht vor Jägern war oder irgendwelche anderen lebensbedrohlichen Situationen auftraten. Wie er… privat war. Er hatte in Derek immer nur den ‚Grummelwolf‘ gesehen. Vielleicht auch einen Kumpel, einen Weggefährten, einen Kampfgefährten. Weniger einen Freund. Mehr jemanden, der zwar manchmal seinem besten Freund half, aber auch viel für sich behielt und gerne sein eigenes Süppchen kochte. Und von dem er nie erwartet hätte, dass er auch häusliche Seiten an sich hatte. Und nun briet eben dieser Derek fröhlich vor sich hin summend in der Küche von Stiles‘ Haus Pancakes, Rühreier und Speck… Einerseits machte das Stiles misstrauisch, was wohl als nächstes für ein Hammer auf ihn zukommen würde (Pancakes als Dereks Version von Zuckerbrot – was wohl die Peitsche sein mochte?), andererseits… war das eine willkommene Abwechslung. Etwas Normalität in seinem, in ihrer aller Leben.   Mit einem Mal hatte er einen trockenen Mund und griff nach dem Glas Saft.   „Stiles?“, fragte Derek gerade und riss ihn damit aus seinen Gedanken. „Kannst du mal die Butter aus dem Kühlschrank holen? Und Marmelade und Erdnussbutter, falls du was davon möchtest.“ Er drehte sich zur Seite und griff nach den Toastscheiben, die gerade vom Toaster ausgespuckt wurden. Er legte sie auf einen Teller, auf dem bereits ein großer Stapel braungerösteter Brotscheiben angerichtet und der Stiles vorher nicht aufgefallen war. „Willst du eine ganze Lacrosse-Mannschaft verpflegen, Derek?“, fragte Stiles mit unsicherer Stimme und zeigte auf den Teller. „Wer soll denn das alles essen?“ Er würde doch wohl nicht noch Peter dazu holen… Derek schnaubte belustigt, nahm die Pfanne und lies die Pancakes auf einen weiteren Teller gleiten. „Ich bin nur gut vorbereitet. Glaub mir, das hier wird vermutlich grad mal so reichen für uns beide.“ Damit stellte er die Teller mit dem warmen Essen auf den Tisch, machte den Herd aus und setzte sich. Er grinste breit und griff nach Messer und Gabel. „Na dann, lass es dir schmecken, Stiles!“     Derek sollte Recht behalten. Stiles konnte kaum aufhören zu Essen. Warum war er so ausgehungert? Gedankenverloren kaute Stiles auf seinem vierten Stück Bacon herum und griff bereits nach seiner sechsten Scheibe Toast, um sie mit Gelee und Erdnussbutter zu verzieren. Normalerweise bestand sein Frühstück nur aus einem Glas O-Saft für die Tabletten und einem Kaffee für die Nerven. Feste Nahrung kam erst in der Schule in Form von Schokoriegeln in der Pause dazu. Dabei fiel ihm ein, seine Tabletten, die hätte er fast vergessen. Er musste die noch nehmen bevor... Stiles runzelte die Stirn. Obwohl, musste er eigentlich? Er horchte in sich hinein. Die Unruhe, die ihn sonst ständig im Griff hatte war verschwunden. Kein nervöses Zucken mit dem Bein mehr, kein Gefühl von Hektik. Er war jetzt ein Werwolf, also praktisch befreit von jeglichen Krankheiten. Scott hatte seinen Inhalator nach dem Biss auch nicht mehr gebraucht... Ob sein ADHS... Er musste unbedingt Scott deswegen fragen. Apropos, was wohl die anderen gerade machten? Konnte Scott sich konzentrieren oder dachte er noch an die Ereignisse der Nacht... „Was ist Stiles?“, fragte Derek plötzlich in die gefräßige Stille hinein. „Woran denkst du?“ Stiles zuckte mit den Schultern. Warum auch immer, aber er fühlte sich ertappt. Konnte ihm Derek am Gesicht ablesen, an was er dachte? „Eigentlich an nichts bestimmtes“, sagte er ausweichend. Sein Blick wanderte kurz zur Uhr über der Tür. Er rechnete nach. Scott müsste jetzt in der zweiten Stunde sitzen. Chemie… Derek nahm einen Schluck Kaffee und stützte dann sein Kinn auf seinem Arm ab und betrachtete ihn mit einem aufmerksamen Blick. „Du denkst an die Schule, richtig? An Scott?“ Stiles hatte gerade in den Toast gebissen und hielt inne. Langsam kaute er und schluckte das Brot hinunter. „An … wie bitte?“ Stiles fühlte, wie sein Puls schneller ging, bei der Erwähnung von Scotts Namen. Shit, Derek konnte das doch hören. Warum reagierte er nur so heftig auf Scotts Namen? Vermisste er ihn etwa schon? Zwei Stunden getrennt und er zeigte bereits Entzugserscheinungen? Wie erbärmlich war das denn... Stiles versuchte seinen Herzschlag zu beruhigen, was das Ganze irgendwie noch schlimmer zu machen schien. Er wollte nicht, dass ihn sein Gegenüber für ein Weichei hielt. Ein Baby, das ständig das Händchen von seinem Alpha halten musste… Aber Derek schüttelte nur mit einem schiefen Grinsen den Kopf. „Das braucht dir nicht peinlich zu sein Stiles. Er ist dein bester Freund und jetzt auch dein Alpha. Da ist nicht merkwürdiges dran, wenn du an ihn denkst.“ Stiles atmete tief durch und trank einen Schluck Saft. Er starrte auf die Tischplatte. „Es kommt mir aber so vor“, murmelte verlegen. „Scott hat nie so ein Verhalten gezeigt…“ „Na wie denn auch?“ fragte Derek und butterte einen Pancake, bevor er ihn in Sirup ertränkte. ‚Süßmaul‘, dachte Stiles innerlich grinsend. Er hatte ihn immer eher als Fleischfresser angesehen. Nun zu beobachten, wie er so offensichtlich Vergnügen an einem sehr zuckerhaltigem Frühstück hatte war... irgendwie niedlich. Derek hob den Kopf und schenkte Stiles ein kleines, wehmütiges Lächeln. „Stiles, denk mal drüber nach. So sehr es mich persönlich schmerzt das zugeben zu müssen, aber Scott hatte selber noch nie einen Alpha, dem er gefolgt wäre. Also hat er auch noch nie ein ‚normales‘ Beta-Verhalten an den Tag legen können.“ „Aber er hatte sich doch dir und Deucalion…“ Derek schüttelte den Kopf und nahm sein Besteck wieder zur Hand. „Nein, Stiles, er hat Allianzen gebildet, aber er hat nie jemandem seine Loyalität geschenkt. Die hatten stets nur seine Freunde.“ Er zeigte mit der Gabel auf den Jungen. „ Du insbesondere.“ Stiles runzelte die Stirn. Klang da eine leichte Eifersucht durch? „Neidisch?“ fragte er und zog eine Augenbraue hoch. „Ganz ehrlich? Ja.“ Stiles glaubte nicht richtig gehört zu haben. „Echt? Aber warum? Ich meine…“ Derek machte eine wage Geste mit der Gabel bevor er den Pancake auf seinem Teller aufspießte und weidmännisch zerlegte. „Ihr beide würdet für den anderen durchs Feuer gehen. Das habt ihr mehrfach bewiesen. Kein Opfer ist zu groß, keine Tat noch so verrückt, um sie nicht für den anderen zu machen“, stellte er sachlich fest. „Was habe ich vorzuweisen? Einen durchgeknallten Onkel, dem man nicht über den Weg trauen kann und eine kleine Schwester, die nicht bei mir sein darf, weil ich sie vor den Jägern verstecken musste. Meine ältere Schwester Laura ist tot, genau wie der Rest meiner Familie. Mein Rudel ist fort, ich hab meinen Alpha-Status aufgegeben und ich muss damit leben, dass meine Krallen missbraucht wurden, um einen der meinen zu töten. Also ja, ich bin etwas neidisch auf euch.“ Stiles machte große Augen. So offen war Derek noch nie zu ihm gewesen. Keine sarkastische Bemerkung, keine Androhung von Gewalt, einfach nur die traurige Wahrheit. Und Derek hatte auch einen traurigen Ausdruck in den Augen. Selbst sein Geruch hatte etwas Trauriges an sich. „Vermisst du deine Schwester? Also Laura meine ich? Cora natürlich auch, aber sie lebt ja noch...“ Derek lies kurz den Kopf hängen und kniff die Lippen zusammen. „Jeden Tag, Stiles“, bestätigte er dem Jüngeren. „Jeden Tag. Acht Jahre lang sind Laura und ich gemeinsam durch dick und dünn gegangen, und ausgerechnet dann stirbt sie, als sie einen Alleingang machen musste. Sie wollte die Sache mit dem Feuer ohne mich klären, als wäre ich ein kleiner Junge, den sie beschützen musste.“ Er schüttelte den Kopf. „Vielleicht war ich das ja in ihren Augen auch. Sie war mein Alpha seit dem Tot unserer Mutter, sie hatte die Verantwortung für mich. Ich habe mich oft gefragt, was passiert wäre, wenn ich damals dabei gewesen wäre. Wenn ich an ihrer Seite gegen Peter hätte kämpfen können.“ „Nun“, sagte Stiles und legte den Kopf schief. „Vermutlich würde sie noch leben, Peter wäre richtig tot und weder Scott noch ich wären jemals Werwölfe geworden.“ Er biss wieder von seinem Toast ab, kaute und spülte ihn mit einem Schluck Saft hinunter. Derek verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Vermutlich.“ Schweigend aß er seinen Pancake auf und legte dann die Gabel zurück auf den Teller. „Aber weißt du“, begann er schließlich und verschränkte seine Finger, „ich habe vielleicht eine Schwester verloren, als die Hales zurück nach Beacon Hills gekommen sind, aber ich habe auch eine andere wieder gefunden. Und noch mehr als das. Ich sage dir jetzt das Gleiche, Stiles, was ich auch damals zu Scott im Wald gesagt habe, als er seinen ersten Vollmond nach dem Biss erlebte. Und ich meine es heute sogar noch ernsthafter, als damals: Wir sind Brüder, Stiles, du und ich. Verbunden durch den Biss. Und ich möchte dass du etwas weißt“, sagte Derek und sah Stiles mit festem Blick geradewegs in die Augen. Nachdrücklich trommelte er mit dem Zeigefinger auf den Tisch. „Auch ich würde für Scott durchs Feuer gehen. An deiner Seite, an eurer Seite. Scott ist es Wert, dass man für ihn kämpft. Darum ist er der Alpha.“ Er nickte noch einmal fest und nahm dann wieder seinen Becher zur Hand, um einen Schluck daraus zu trinken. Stiles war still geworden. Das musste er erst mal verarbeiten. Er ließ den Rest von seinem Toast auf den Teller sinken und legte seine Arme verschränkt vor sich auf den Tisch. Dabei schob er den Teller von sich weg und senkte den Blick. 'Wir sind Brüder, Stiles.' Derek sah in ihm einen Bruder... hatte er das gleiche in Isaac gesehen? Oder in Boyd? Was war mit Erica? Die beiden waren in keiner Weise geschwisterlich miteinander umgegangen. Sah er Scott und Stiles deshalb als Gleichberechtigte, weil nicht er den beiden Biss gegeben hatte? „Willst du noch was essen?“, fragte der Ältere in die Stille hinein. Stumm schüttelte Stiles den Kopf und Derek begann damit den Tisch abzuräumen.     Nachdem sie mit dem Essen fertig waren räumten sie die Küche auf und begannen mit den Basic-Trainingseinheiten: „Kontrolliere deine Krallen“, „Lass dich nicht provozieren“, „Atemtechniken zum Beruhigen des Pulsschlages“ und „Grundsätzliches zum Anker“. Derek wusste, Stiles hatte nicht viel Zeit, um die Grundlagen zu erlernen, da war zu viel Rücksichtnahme nicht hilfreichen. Schon am nächsten Tag würde er wieder in die Schule gehen und all den widersprüchlichen Reizen ausgesetzt sein, die schon Scott in seinen ersten Tagen das Leben in der High School zur Qual hatten werden lassen. Und es war Beacon Hills. In dieser Stadt hatte man nie viel Zeit und Ruhe für irgendwas bis die nächste Katastrophe nahte. Entsprechend erbarmungslos ging Derek an die Sache heran. Sein Training war kurz und intensiv. Sehr zum Leidwesen von Stiles. Aber da musste er durch.   Schließlich ließ es Derek gut sein, nach dem Stiles zum dritten Mal innerhalb einer halben Stunden beinahe ausgetickt wäre. „Fürs erste reicht es, Stiles. Du kennst die Grundlagen und Regeln. Du hast damals selber Scott geholfen mit einigen der Probleme klar zu kommen. Erinnere dich an all die... an die 'Prüfungen', die du Scott auferlegt hast. Und sieh zu, dass du nicht das gleiche durchmachen musst. Das willst du doch schließlich nicht, oder?“ „Nicht, wenn es sich vermeiden lässt...“ Stiles war noch leicht außer Atem. „Alter, du kannst ganz schön hartnäckig sein.“ Derek klopfte Stiles auf die Schulter. „Das muss ich, sonst lernst du es ja nicht schnell genug. Ok, wir gehen kurz bei mir vorbei und holen den Wagen, dann treffen wir die anderen in der Tierklinik.“ Stiles zog die Stirn in Falten. „Wieso in der Tierklinik?“ „Weil du noch deine Tollwutimpfung auffrischen musst.“ „Sehr komisch.“ Derek starrte ihn bloß sekundenlang mit hochgezogener Augenbraue an. „Das war doch ein Witz, oder?“, fragte Stiles verunsichert. „Wir werden sehen“, sagte der Ältere. Der Schalk glitzerte in seinen Augen. Er nahm seine Jacke vom Stuhl und zog sie an. „Und ab sofort werden du und Scott nach dem Unterricht mit mir zusammen beim alten Haus trainieren. Außerdem wirst du jeden Morgen bevor du zur Schule gehst mit körperlicher Betätigung etwas Energie abbauen müssen. Scott bevorzugt Klimmzüge soweit ich weiß, ich mache eher Liegestützen. Was immer besser zu dir passt, mach es. Aber mach es jeden Morgen. Glaub mir, dein ADHS ist gar nichts gegen zu viel angestaute Energie bei einem Werwolf.“ Derek sah auf die Uhr. „Ok, wir müssen los.“ Er klopfte Stiles aufmunternd auf die Schulter. „Morgen darfst du dann auch wieder zur Schule gehen.“ Stiles war sich nicht sicher, ob das wirklich ein Trost sein sollte, oder nicht. Kapitel 12: Talk to me ---------------------- Für Scott wurde es ein quälend langer Tag. Ständig wanderten seine Gedanken entweder zu Kira oder zu Stiles. Er und Kira waren sich endlich näher gekommen und es fühlte sich richtig an. Diese kleinen Schmetterlinge in seinem Bauch, die ihn schon den ganzen Tag begleiteten sprachen Bände. Und Stiles… Stiles. Sein Freund Stiles. Ein Werwolf. Sein Werwolf. Sein Beta… Für Scott war das Traum und Alptraum zugleich. Wie oft hatte er letzten ein zwei Monaten darüber nachgedacht seinem besten Freund den Biss zu geben, um ihn von seiner Krankheit zu befreien. Die ja letztlich gar nicht existierte. Aber das änderte nichts daran, dass Scott ihn unbedingt hatte retten wollen. Und nun fragte er sich, ob das wirklich eine Rettung war oder eher eine Verdammnis. Denn jetzt wäre auch Stiles ein Gejagter, so wie er und die anderen Werwölfe. Immer wieder musste Scott sich zusammenreißen und sich auf den Unterricht konzentrieren. Er hatte lange und hart daran gearbeitet, seine Noten zu verbessern, er konnte es sich nicht erlauben im Unterricht ständig mit seinen Gedanken abzudriften… was diese natürlich sehr wirkungsvoll gleich wieder zu der Sache mit Kira und letztlich mit Stiles zurück brachte. Ein Teufelskreis.   Erst in der letzten Stunde beim Sport wurde er wieder etwas lockerer.   Beim Crosslauf lief er gemeinsam mit Kira. Beide mussten die ganze Zeit ein Lächeln unterdrücken. Alle paar Sekunden sahen sie einander aus dem Augenwinkel verstohlen an, nur um im nächsten Moment den Blick mit einem peinlich berührten Grinsen wieder abzuwenden. Wie gerne hätte Scott ihre Hand gehalten, aber beide hatten keine Lust auf die ätzenden Kommentare des Coachs. Malia schloss sich ihnen nach einiger Zeit an und drängte sich in die Mitte. „Ist besser so für euch“, flüsterte sie und zwinkerte Scott zu. „Ihr seht aus, als ob ihr sonst noch irgendwann in den Büschen verschwinden würdet. Und was soll dann der Coach denken?“ Sowohl Scott als auch Kira brummten sofort ein Dementi, aber es klang nicht sehr glaubhaft. Danach liefen sie schweigend nebeneinander her. Keiner hatte groß Lust, über die Ereignisse der letzten Nacht zu reden, aber alle Drei dachten im Stillen darüber nach. Zurück in der Umkleide duschte Scott kurz und zog sich rasch wieder an. Er wollte mit Derek zu seinem Boss Deaton und ihn wegen der Sache mit Stiles befragen.   Auf dem Parkplatz wartete seine Maschine auf ihn. Und Kira ebenfalls, wie Scott erstaunt feststellte. Sie hatte sich mit dem Rücken zu ihm an sein Motorrad gelehnt und drückte ihren Rucksack wie einen Schutzschild an ihren Oberkörper. Dann schien sie seine Anwesenheit zu bemerken. Jedenfalls wandte sie ihm den Blick zu und verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln. „Hi“, sagte sie mit leuchtenden Augen, als er schließlich bei ihr ankam. „Hi“, antwortete er mit leicht rauer Stimme. Er gab ihr einen sanften Kuss. Dann wurde er auch schon mit Schwung von Kira weggerissen. Er wurde halb von einem Arm erwürgt und gleichzeitig von einem anderen umklammert. „Hah, hab dich!“ Scott rang nach Luft. „Ma.. Malia…“ Kira eilte zur Hilfe und versuchte Malias Arm zu lösen. Das war gar nicht so einfach. Malia hatte einen stahlharten Griff. Der Fuchs erstarrte fast vor Schreck, als Scott nur Sekunden später plötzlich anfing loszulachen, weil der Würgeangriff unversehens in eine Kitzelattacke übergegangen war. „Nein… halt… Malia… stopp… ich gebe auf! ... Gnade…“, japste er. Endlich lies die Kojotin von ihm ab und baute sich mit vor der Brust verschränkten Armen vor ihm auf. Scott sank erschöpft auf den Gehweg und versuchte Luft in seine Lunge zu pumpen. Was ihm nur mäßig gelang. Malia starrte finster auf ihn hinab und zog einen Schmollmund. Besorgt beugte sich Kira zu ihm hinab und rieb seinen Rücken. „Was sollte das, Malia?“, fragte sie vorwurfsvoll. „Ich will auch mit.“ Ihre Stimme hatte einen quengelnden Unterton. „Mit? Wohin?“, fragte Scott, der sich langsam mit Kiras Hilfe wieder aufrichtete und den Nacken dabei streckte und drehte, um den Krampf loszuwerden. „Na zum Arzt…“ Kira runzelte die Stirn. „Arzt?“ Scott versuchte tief einzuatmen, hustete aber gleich los und griff nach seiner Brust. Er haute ein paar Mal mit der Faust gen Lunge und atmete tief ein. „Sie meint… meinen Boss.“ Er beäugte Malia. „Und das hättest… du mir nicht auch einfach so… sagen können, ohne mich dabei fast… zu erwürgen?“ Malia zuckte vergnügt mit den Schultern und lies die Arme wie ein kleines Kind schlenkern. „Wo bliebe denn da der Spaß?“ Scott und Kira tauschten einen entnervten Blick und seufzten. „Ich nehme an, du möchtest auch mit, oder Kira?“ Langsam bekam er wieder Luft, der Schraubstock um seine Brust verschwand. Jetzt hätte er gerne einen Zug aus seinem alten Inhalator genommen. „Hast du deshalb hier gewartet?“ Der Fuchs biss sich kurz auf die Unterlippe und nickte dann. „Wir haben das alles gemeinsam begonnen, also sollten wir das auch gemeinsam durchziehen.“ „Gut gesprochen, Süße. Malia kann bei mir mitfahren.“ Lydia war unbemerkt an die Gruppe herangetreten und hatte das Geschehen beobachtet. Scott fühlte sich überrannt. Von drei Seiten umzingelten ihn die Mädchen und blickten ihn erwartungsvoll an. Eigentlich hatte er keine von ihnen mitnehmen wollen, aber er verstand ihren Wunsch dabei sein zu wollen, nicht ausgeschlossen zu werden. Er sah von einer zur anderen und gab sich geschlagen. „Ok, dann halt alle auf zu Deaton. Lydia?“ „Ja?“ „Kannst du Kira bitte auch mitnehmen? Ich hab keinen zweiten Helm dabei…“ Die Banshee lächelte verständnisvoll. „Klar, kein Problem. Auf Mädels, rein mit euch in die gute Stube.“ Sie drückte auf den Öffnen-Knopf ihres Auto-Schlüssels und es piepste zur Antwort. Malia kletterte auf die Rückbank, während Kira den Beifahrersitz in Beschlag nahm. „Bitte anschnallen“, kam das Kommando von Lydia, bevor sie den Motor startete und aus der Parklücke zurücksetzte. Scott hatte sich inzwischen auf seine Maschine gesetzt und machte eben den Helm fest. Lydia wartete, bis er losfuhr, dann folgte sie ihm mit ihren kleinen Flitzer durch die Straßen von Beacon Hills bis zur Tierklinik.     Lydia versuchte sich aufs fahren zu konzentrieren, aber wie so oft in den letzten Wochen begannen ihre Gedanken wieder zu schwimmen. ‚Nicht gut‘, dachte Lydia und schüttelte den Kopf, wie um sich wach zu machen. ‚Gar nicht gut beim Fahren plötzlich in den geistigen Leerlauf zu schalten…‘ Lydia warf einen kurzen Blick auf ihre Mitfahrer. Ein Kitsune und ein Werkojote. Sollten sie wegen ihrer Unachtsamkeit in einen Unfall geraten, so würden die beiden wahrscheinlich die wenigsten Probleme bekommen. Sie dagegen? Sie war nur ein Mensch. Ein Mensch mit übersinnlicher Begabung, aber trotzdem nur ein Mensch. Sie heilte nicht mit rasender Geschwindigkeit, konnte nicht schnell rennen, nicht im Dunkeln sehen und hatte keine Krallen. Sie war nur Lydia Martin, einsames Genie und Teilzeit Banshee. Deprimiert presste sie die Lippen zusammen. Sie warf den Blinker an, schaute über ihre Schulter nach dem hinter ihr fahrenden Verkehr und bog ab. Dabei konnte sie auch einen Blick auf ihr eigenes Gesicht im Seitenspiegel werfen. Sie musste selber zugeben, dass ihre Maske zu bröckeln begann. Die Schatten unter den Augen schimmerten durch, auf der Stirn war gar eine kleine Sorgenfalte zu sehen. Und ihre Augen blickten unendlich müde drein. Sie seufzte leise. „Was ist los?“, fragte Malia. Sie beugte sich vor und lehnte sich mit dem Kopf halb zwischen die Vordersitze. Lydia schüttelte leicht mit zusammengepressten Lippen den Kopf. „Nichts weiter“, wiegelte sie ab. Malia legte den Kopf schief. „Schläfst du nicht gut?“ Überrascht warf Lydia einen Blick nach hinten. „Was?“ „Ich fragte, ob du nicht gut schläfst in letzter Zeit. Du siehst müde aus. Die Augenringe sind nicht zu übersehen…“ „Malia!“, tadelte Kira die Kojoten. Sie hatte die Stirn gerunzelt und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Was denn?“, Malia war sich keiner Schuld bewusst. „Ich mache mir doch nur Sorgen um Lydia, du nicht auch?“ Sie legte vorsichtig ihre Hand auf die Schulter des erdbeerblonden Mädchens. Leise fuhr sie fort, „du wirkst in letzter Zeit so niedergeschlagen. Besonders wenn du glaubst, dass dich keiner sieht.“ Lydia entfuhr ein leiser Schluchzer. Die Ampel vor ihnen sprang auf Rot, und sie war dankbar den Wagen kurz anhalten zu können. Sie hätte eben fast das Lenkrad verrissen und wollte keinen Unfall riskieren. Sie schloss die Augen und lehnte sich schwer in den Sitz zurück. „Du hast ein merkwürdiges Timing, Kojote“, flüsterte sie. Eine stumme Träne glitzerte in ihren vollen Wimpern. Plötzliche hupte es hinter ihnen und Lydia fuhr mit quietschenden Reifen an. Vorsichtig wischte sie mit einem Finger die Tränen aus den Augen, bevor sie ihr Make-Up ruinieren konnten. „Lydia?“, fragte nun auch Kira besorgt. Doch die Banshee schüttelte nur mit dem Kopf. „Lasst gut sein. War ne harte Woche…“ „Eher Monat“, murmelte Malia und lehnte sich wieder im Sitz zurück. „Ist es wegen Allison?“ Lydia kaute auf ihrer Unterlippe herum. Ein sicheres Zeichen, dass sie dringend jemanden zum Reden brauchte, weil ihr unverarbeitete Probleme im Kopf rumspukten. Dafür war immer Allison da gewesen. Ihre einzige echte beste Freundin, die sie je hatte im Leben. Zwei Mädchen ohne Superkräfte gemeinsam gegen den Wahnsinn von Beacon Hills, gegen Werwölfe, Jäger, Kanimas, Oni, Nogitsune… Sie waren beide nur Menschen und doch waren sie ständig mittendrin gewesen. Hätte sie nicht Allison gehabt nach der Sache mit Peter, sie wäre wahrscheinlich in der Psychiatrie gelandet. Allison hatte ihr geglaubt, hatte sie beschützt, hatte an sie geglaubt. Es war nicht einfach eine Banshee zu sein, sich unvermittelt mitten in Blutlachen und grausam verstümmelten Menschen wiederzufinden. Aber Allison machte ihr klar, dass sie nichts dafür konnte, dass sie das nicht verursachte. Dass die Stimmen ihr helfen wollten. Auf eine verrücktmachende, verquere Art und Weise vielleicht, aber verzweifelte Geister von Toten waren selten rational und schrieben Berichte darüber, was passiert war und passieren würde. Andernfalls hätte sie vielleicht ihre Freundin retten… „Hör auf, lass los“, raunte ihr unvermittelt Malias Stimme ins Ohr. Lydia zwinkerte verwirrt. War sie schon wieder abgedriftet? Hektisch sah sie durch die Scheiben, ob sie vielleicht wieder falsch abgebogen und bei einer Leiche gelandet war. Nein, sie waren noch immer auf der richtigen Straße unterwegs. Bis zur Tierklinik waren es nur noch 2 Minuten. Sie sah mit großen Augen Malia im Rückspiegel an. „Hab ich was gesagt?“ Malia schüttelte nur den Kopf. „Nein, eben nicht“, antwortete sie. „Du sagst gar nichts, aber ich sehe in deinem Gesicht, dass du dich quälst. Lass es. Du konntest nichts tun. Du wusstest nicht, was passieren würde. Es ist nicht deine Schuld.“ Allison hätte das auch gesagt. Ihr hätte sie vielleicht geglaubt, aber Allison war tot. Weil sie sie nicht hatte beschützen können. Lydia senkte den Blick. „Und warum fühlt es sich dann an, als wäre es meine?“ „Hättest du es verhindern können, Lydia, ich bin mir sicher du hättest es getan.“ Kira nestelte an ihrem Handy herum. Sie hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, aber auch in ihren Augen glitzerte es verdächtig. „Wir alle hätten es getan. Mein Vater würde sagen ‚Nichts geschieht ohne Grund‘. Weil Allison sich für die Sache geopfert hat konnten wir den Nogitsune besiegen.“ „Ein hoher Preis“, murmelte Lydia bitter. Kira schüttelte energisch den Kopf. „Nein, kein Preis.“ Sie wandte der Banshee den Blick zu. Ihre Wangen waren feucht, aber ihre Augen waren hart und klar. „Ein Geschenk. Es war ein Geschenk. Sie hat uns anderen den Sieg ermöglicht. Keiner von uns macht dir einen Vorwurf. Du hast sie gewarnt. Du hast Scott gewarnt. Du hast getan, was du konntest. Lydia, Allison wusste, dass ihr etwas zustoßen könnte, wenn sie zum Eichenhaus geht, aber es war wichtiger für sie dich zu retten. Nicht einmal ihr Vater macht dir einen Vorwurf, warum tust du es also?“ Lydia verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln. „Weißt du, was die Aufgabe einer Banshee ist, Kira?“ Die junge Füchsin schüttelte den Kopf. „Nicht genau“, gestand sie. „Eine Banshee ist eine ‚klagende Frau‘. Sie erscheint den Mitglieder einer Familie, wenn der Tod eines der Angehörigen kurz bevor steht. Sie sagt nicht um wen es geht, das kann sie nicht. Sie weint einfach nur, weil sie weiß, dass es passiert. Und weil sie es nicht ändern kann…“ Malia lächelte sanft und rieb Lydia tröstend über den Oberarm. „Dann müssen wir dafür sorgen, dass es keinen Grund mehr zum Klagen gibt.“ Lydia gab ein ersticktes Lachen von sich. Wenn es doch nur so einfach wäre… Malia war in manchen Dingen so unglaublich naiv, aber sie hatte die Instinkte und das feine Gespür eines Tieres. Niemand würde ihr jemals Allison ersetzen können, aber sie fühlte wie die schmerzenden Ränder des Loches in ihrer Brust langsam an Schärfe verloren. Es würde lange dauern, bis sie tatsächlich heilen würden, aber mit Malia und Kira in ihrer Nähe hatte sie auf einmal nicht mehr das Gefühl alleine auf einem treibenden Floss in Richtung Abgrund gezogen zu werden. „Wenn du jemanden zum Reden brauchst…“, begann Malia. „…sind wir für dich da, Lydia“, beendete Kira den Satz. Ihre dunklen Augen hatten einen sanften Ausdruck angenommen. „Und Scott auch, dass weißt du, oder? Er leidet genauso wie du. Er spricht auch nicht darüber. Vielleicht solltet ihr…“ Lydia merkte, dass sie die ganze Zeit die Schultern verkrampft hochgezogen hatte und lies sie nun sinken. Die beiden hatten ja Recht. Sie war nicht alleine. Sie waren Freunde, ein Rudel, eine Familie. Vielleicht sollte sie wirklich den anderen die Chance geben, ihr zu helfen. Ihr zu helfen sich selber verzeihen zu können. Sie nickte. Nicht nur zu Kira, sondern auch zu sich selber. „Ich denk drüber nach, versprochen.“ In dem Moment kam die Auffahrt zur Tierklinik in Sicht und Lydia bog in die Einfahrt ab.   Derek und Stiles stiegen gerade aus dem schwarzen SUV und Scott hatte sein Motorrad daneben abgestellt. Er kickte die Halterung runter und nahm seinen Helm ab, als Lydia in die Lücke auf seiner anderen Seite einparkte. Der Ältere nahm seine Sonnenbrille ab und zog erstaunt die Augenbrauen hoch, als er das Auto von Lydia erkannte. Er und Stiles warfen sich einen kurzen Blick zu. Der Junge zuckte grinsend mit den Schultern. ‚Warum nicht? ‘, schien er zu sagen. Nicht das einer von ihnen noch groß Geheimnisse vor den anderen über Stiles Zustand hätte bewahren können. Nicht nach letzter Nacht. Also konnten sie auch einfach gleich alle zusammen zu Deaton gehen. Noch im Auto griff Lydia nach ihrer Handtasche und holte ihr Puderdöschen raus. Mit schnellen geübten Bewegungen zog sie ihr Make-Up nach, bevor sie alle aus dem Wagen ausstiegen. Wortlos verfolgten Kira und Malia Lydias Aktion. Sie sahen einander an und trafen die stumme Vereinbarung, über das Gespräch von eben stillschweigen gegenüber den Jungs zu bewahren. Die mussten ja nicht alles wissen. Wenn Lydia von sich aus nichts sagen würde, so würden auch sie den Mund halten. Vorerst jedenfalls. Und sie würden von nun an besser auf die Banshee aufpassen.   Augenblicke später marschierte Lydia mit hocherhobenem Kopf auf Derek zu, Malia und Kira einen Schritt hinter sich. Die beiden wirkten wie Bodyguards. Aufmerksam beobachtete er Lydias Mimik. Sie wirkte aufgesetzt. Ein Hauch von Trauer umgab sie. Malia und Kira wirkten auch ernster, als es die Situation erforderte. Also musste wohl etwas zwischen den dreien vorgefallen sein. Derek wollte nicht, dass sie sich ertappt fühlten, also wandte er schnell den Blick ab. Zu Scott sagte er, „Ich dachte du wolltest alleine kommen?“ Scott verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Mir wurde deutlich zu verstehen gegeben, dass die Damen ebenfalls ein Anrecht darauf haben dabei zu sein.“ Mitleidig sah er Stiles an, der plötzlich sehr unsicher und sehr verletzlich aussah. Scotts Herz beschleunigte sich für einige Schläge bei dem Anblick. Er musste sich zusammennehmen, um nicht auf Stiles zu zu rennen und ihn in die Arme zu nehmen. Wären sie beide alleine gewesen hätte er es vielleicht gemacht, aber nicht vor der ganzen Gruppe. Er war der Alpha, er war das Vorbild, er hatte die Situation unter Kontrolle... theoretisch. Dummerweise spielte sein Herz seinem Kopf einen Streich und strafte durch die schnellen Schläge seine ruhige Fassade Lügen. Zum Glück machte Stiles diesem widersprüchlichen Bedürfnis von Scott ein Ende, in dem er selber auf Scott zulief und ihn kurz aber heftig umarmte. Scott wurde davon so überrumpelt, er hatte gar keine Chance seinerseits die Arme um Stiles zu schließen, da hatte der ihn auch schon wieder losgelassen und war weiter zu Lydia gestürmt. Verdutzt starrte Scott Derek an. „Was sollte das jetzt?“, formten seine Lippen lautlos in Richtung des Älteren. Doch der grinste nur noch breiter und schüttelte leicht den Kopf. ‚Lass ihn einfach‘, schien er sagen zu wollen. Er drehte sich um und ging langsamen Schrittes auf die Tür der Klinik zu. Scott folgte ihm.     Dr. Deaton war gerade mit einem seiner vielen vierbeinigen Patienten beschäftigt. Er konnte die Eingangstür klappern hören und bekannte Schritte auf dem Linoleum. Er schaute kurz auf die Uhr und runzelte die Stirn. Scott sollte doch erst später kommen heute. Und den Schritten nach zu urteilen war er nicht alleine unterwegs. Das bedeutete wohl, dass irgendwas passiert sein musste und Scott seinen Rat brauchte. Und Deaton war mehr als gerne bereit, dem jungen Alpha zur Seite zu stehen. Selbst wenn es nicht seine Aufgabe als Emissary gewesen wäre. Scott war ein guter Junge, er setze große Hoffnungen in ihn.   Da er mit dem Hund ohnehin gerade fertig war zog er die Handschuhe aus, kraulte seinen Patienten noch mal zwischen den Ohren und ging dann zur Empfangstheke nach vorne. Er machte große Augen. Es war dieses Mal tatsächlich die ganze Bande bei ihm aufgetaucht. Normalerweise kamen sie höchstens zu dritt. Also musste wirklich etwas Gewichtiges vorgefallen sein. „Was kann ich für euch tun Leute?“ Er öffnete die Tür aus Ebereschenholz, um sie alle nach hinten zu lassen. Derek ging voran, die Mädchen folgten ihm. Kira warf Scott einen fragenden Blick zu, aber er deutete ihr an voran zu gehen. Stiles dagegen legte er die Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück. „Warte kurz“, sagte er leise zu ihm. Deaton sah ihn verwundert an. „Alles in Ordnung bei euch?“, fragte er. „Machen Sie die Tür mal kurz zu, ich muss Ihnen was zeigen.“ Der Tierarzt zog fragend eine Augenbraue hoch, kam aber seiner Bitte nach und schloss wieder die Verbindungstür. „Und nun?“ Scott lies Stiles los und deutete ihm voran zu gehen und die Tür zu öffnen. So, wie er es in den letzten Jahren schon so oft getan hatte. Aber er konnte nicht. Kaum legte Stiles die Hand auf das Holz riss er sie auch schon wieder zurück, als hätte man ihm einen Stromschlag verpasst. Er hielt seine Hand mit der anderen vor der Brust fest, als hätte man ihm auf die Finger geschlagen und warf Scott einen beleidigten Blick zu. „Tadaa...“ machte Scott in Richtung Deaton und verzog den Mund. „Überraschung.“ „Heißt das etwa Stiles ist...“ Entgeistert blickte er zwischen den beiden hin und her. Dann hob er abwehrend die Hände in die Luft. „Ich nehme an ihr seid hier um das zu erklären.“ Er öffnete wieder die Tür und lies die beiden durchgehen. „Da bin ich aber mal gespannt...“ Er folgte den beiden in den Behandlungsraum. „Wartet kurz. Ich bringe „Blossom“ nur noch eben in den Zwinger, dann reden wir.“ Deaton nahm den kleinen Hund vom Stahltisch auf den Arm. Der Hund winselte leise in Richtung Scott. Der Arzt lächelte wissend und hielt ihm das Tier kurz hin, damit es seine Finger lecken konnte, bevor Scott ihm die Hand auflegte und ihm einen Teil seiner Schmerzen abnahm. Der Anblick faszinierte ihn immer wieder. Egal wie oft er es sah. Beacon Hills konnte sich wirklich glücklich schätzen, dass es mit Scott so einen neuen Alpha bekommen hatte. Er und Talia hätten sich sicher gut verstanden... Dann brachte er Blossom weg und kehrte anschließend neugierig zu den anderen zurück. Die hatten sich inzwischen im Raum verteilt.   ‚Interessant‘, dachte Deaton. Scott stand zentral mit vor der Brust verschränkten Armen, den Blick gesenkt. Er schien tief in Gedanken versunken. Rechts neben ihm und leicht nach hinten versetzt war Derek. Er wirkte wie ein Bodyguard auf Hab-Acht-Stellung, jederzeit bereit für seinen Alpha in die Bresche zu springen. Er legte kurz Scott eine Hand auf die Schulter und erntete damit einen Blick und ein leichtes Nicken des Alphas. Stiles stand links von Scott. Allerdings wirkte er fahriger, leicht nervös. Während die beiden Werwölfe Statuen der Selbstsicherheit waren, so wirkte Stiles wie am Rande des Zusammenbruchs. Er kaute an seinen Fingernägeln, seine Augen wanderten im Raum hin und her, als würde er jede Sekunde einen Angriff erwarten und machte generell den Eindruck als wäre er überall lieber, als hier. Die Mädchen strahlten wieder etwas ganz anderes aus. Sie wirkten mehr wie Beobachter. Besorgte Beobachter. Aber weshalb sie besorgt waren, vermochte Deaton nicht zu sagen. Lydia hatte sich an der den Herren gegenüberliegenden Wand an den Stahltisch gelehnt. Kira stand bei ihr und Malia hatte sich auf der anderen Seite von Lydia ungeniert auf den Tisch gesetzt. Vielleicht doch nicht wie Beobachter, mehr wie moralische Unterstützung, dachte Deaton, als er das kleine aufmunternde Lächeln von Lydia für Stiles bemerkte. Er klatschte einmal in die Hände. „Ok, jetzt habt ihr meine volle Aufmerksamkeit.“ Er stützte seine Hände in die Seiten und sah noch einmal jedem Einzelnen von ihnen in die Augen. „Also, wer möchte anfangen?“   Scott sah von einem zum anderen. Keiner wollte was sagen, also war das wohl sein Part. „Tja“, sagte er und machte eine leicht hilflose Geste mit den Händen. „Sie haben es ja eben selber gesehen.“ Deaton nickte. „Er konnte das Holz nicht berühren.“ Er legte den Kopf schief und betrachtete Stiles. „Du hast dich doch schon immer gefragt, wie sich das anfühlt, oder?“ Nachdenklich schüttelte er den Kopf. „Ich hatte eigentlich immer erwartet, dass du mal in meine Fußstapfen trittst, Stiles, weniger, dass du auf der anderen Seite der Tür landen würdest.“ Stiles warf die Hände in die Luft und lachte bitter. „Und ich hätte früher nicht gedacht, dass es tatsächlich so etwas wie Druiden und Werwölfe gibt.“ Nervös fuhr er sich mit den Fingern durch seine Haare. „Scheint als hätten wir uns beide geirrt, Doc.“ „Was ist passiert?“, fragte Deaton und warf wieder einen Blick in die ganze Runde. In den Gesichtern von allen war Verwirrung zu lesen. Prüfend sah er Scott in die Augen. „Du machst nicht den Eindruck, als wenn das geplant gewesen wäre. Also was genau ist vorgefallen?“ Scott zuckte mit den Schultern. „Ganz ehrlich? Ich weiß es selber nicht. Ich habe Stiles jedenfalls nicht gebissen.“ Er rieb sich die Stirn und seufzte. „Das stimmt eigentlich nicht so ganz. Ich habe  nicht diesen Stiles hier gebissen.“ Er sah seinen besten Freund an und es lag eine leise Verzweiflung in seiner Haltung. Stiles vertrug so viel Aufmerksamkeit nur bedingt. Er presste die Lippen zusammen und stopfte seine Hände in die Hosentaschen. Er atmete tief durch und kurz flackerten seine Augen auf. Derek warf ihm einen scharfen Blick zu. „Beruhige dich“, flüsterte er dem Jungen zu. „Stiles“, forderte Scott ruhig die Aufmerksamkeit seines Betas ein und legte ihm die Hand auf die Schulter. Stiles drehte den Kopf von Deaton weg, schien sich aber wieder zu fangen.   „Wie ich eben schon sagte, habe ich Stiles nicht gebissen. Und doch war es wohl mein Biss, der das verursacht hat. Allerdings habe ich nur den Nogi-Stiles gebissen. Wir hatten doch über kleine Schriftrolle gesprochen und wie wir das zu unserem Vorteil nutzen können, wissen Sie noch? Darin stand ja, wenn man den Wirt verändert, würde das den Nogitsune austreiben. Also hatten wir geplant, auf diese Weise den Dark-Stiles quasi... zu exorzieren.“ Deaton nickte und deutete Scott fortzufahren. Der fing an nervös ein paar Schritte hin- und her zu laufen. Die Blicke aller folgten ihm durch den Raum. „Also wir nachts in der Schule, Lydia und Stiles lenken den Nogi ab, ich beiße ihn. Da ein Fuchs nicht in einem Wolf existieren kann fing er direkt danach an sich wieder in denselben Schwarzen Rauch aufzulösen, aus dem unser Stiles hervorgekommen war. Nur leider haben wir scheinbar den Zusammenhang zwischen beiden unterschätzt.“ Scott blieb stehen und sah wieder seinen Besten Freund an. Deaton nickte. „Ich verstehe.“ Er sah Stiles von der Seite an. „'Was eines war wurde geteilt und vereinigte sich dann wieder zu einem Wesen. ‘ “ Grübelnd rieb er sich am Kinn. „Ich habe noch nie von so einem Fall gehört, aber es klingt logisch. Das ist die Balance, wisst ihr?“ Er sah ihnen allen nacheinander in die Augen. Er konnte erkennen, dass sie nicht ganz verstanden, was er meinte. Also griff er zu seinem Fläschchen mit Ebereschen-Asche und malte damit einen Vollkreis auf den Tisch. Alle rückten näher und schauten zu. „Seht her, dieser Kreis steht für Stiles als Ganzes, klar?“ Dann zog er mit einem Finger einen Strich quer durch den Kreis und teilte ihn in zwei Hälften. „Dann kam der Nogitsune dazu und teilte die Einheit in zwei. In einer Hälfte war er verborgen.“ Deaton legte eine silberne Münze in eine Hälfte und deutete darauf. „Er hat also etwas dazu getan. Die andere Hälfte“, er sah Stiles an, „also dich, lies er sozusagen im Vergleich dazu mit einem Loch zurück.“ Er wischte mit dem Zeigefinger eine Stelle in der Mitte frei. „Ihr wart im Ungleichgewicht. Durch dieses 'Loch' ist vermutlich ein Teil deiner Lebensenergie ausgesickert. Du wurdest von Tag zu Tag schwächer und hattest wahrscheinlich das Gefühl eines Loches in der Brust, stimmt’s?“ Deaton deutete mit einer Hand auf seine eigene Brust. Stiles nickte. „Irgendwie schon, ja.“ Deaton nickte wissend. „Das war eine knappe Angelegenheit für dich, Stiles. Hättet ihr noch länger gezögert, dann wärst du inzwischen nicht mehr am Leben. Dahingewelkt wie eine Blume. Kein Arzt der Welt hätte dir helfen können, keine Medizin. Nicht einmal ich. Nur ein kleines Wunder.“ Er wandte seinen Blick Scott zu. „Dann hast du also den Zweiten gebissen und den Fuchs mit dem Wolf ausgetrieben.“ Er nahm die Münze und drehte sie um. „Die Trennung konnte ohne den Fuchs nicht aufrechterhalten werden und so vereinigten sich beide Teile wieder zu einem Ganzen.“ Deaton schob mit beiden Händen die Asche wieder zusammen zu einem Haufen. „Aber der Wolf war immer noch da.“ Er nahm die Münze aus der Asche und zeigte sie Scott. Dann hielt er sie vor Stiles, nahm seine Hand, öffnete sie und legte die Münze hinein. „Und so wurde der Biss quasi 'übertragen'.“ Er betrachtete Stiles aufmerksam und nickte. „Da bleibt mir nur zu sagen: Willkommen in der Familie Stiles, als neuester Werwolf des Beacon Hills-Rudels.“ Er klopfte ihm auf die Schulter und lächelte sanft. Dann legte er den Kopf schief. „Aber ich bin neugierig Stiles, wann hast du gemerkt, dass etwas an dir anders ist? Es ist immerhin schon ein paar Tage länger her, seit ihr den Nogitsune besiegt habt. Und ihr wärt sicher nicht erst nach Vollmond hier, wenn ihr vorher schon etwas bemerkt hättet. War letzte Nacht deine erste Verwandlung?“ Stiles nickte und warf Scott einen unsicheren Blick zu. Der zeigte ihm ein aufmunterndes Lächeln und deutete an, dass er erzählen sollte. Reuevoll presste Stiles die Lippen zusammen und senkte die Augen. Er hatte noch immer die Münze von Deaton und hob nun die Hand, um die silberne Scheibe etwas genauer zu betrachten. In sie war ein Triskele eingraviert. So eines, wie Derek als Tattoo auf dem Rücken trug. Er schloss die Finger darum und atmete tief ein. „Ja, das war sie. Und es war auch das erste mal, dass ich den Werwolf in mir gespürt habe. Wirklich gespürt meine ich. Denn eigentlich... habe ich schon am Tag nach dem Kampf Veränderungen an mir bemerkt“, gestand er mit leiser Stimme. „Ich konnte fühlen, wie ich wieder zu Kräften kam. Aber das hatten wir ja erwartet. Darauf hatte ich gehofft! Darum dachte ich mir erst mal nichts weiter dabei und war einfach froh noch am Leben zu sein. Aber nach und nach wurden auch mein Gehör und mein Geruchssinn besser. Und wieder hab ich mir nicht groß was dabei gedacht. Ich hielt das alles noch für eine Nachwirkung des Nogitsune.“ Er warf einen kurzen Blick in die Runde. „Ihr müsst wissen, solange ich von ihm... besessen war, hatte ich auch diese... verbesserten Sinneswahrnehmungen. Ganz ähnlich wie bei Werwölfen, aber das... das wurde mir erst jetzt klar... Und es... es fühlte sich toll an, als wäre ich unbesiegbar.“ Seine Augen verschleierten sich für einen Moment und sein Blick schien nach innen zu wandern, als er daran zurück dachte. „Bei allem Bösen, was der Nogitsune getan hat, was er durch mich getan hat, gab er mir trotzdem ein Gefühl von... von Stärke und Macht. Ein kleiner Teil von mir wollte, dass es so bleibt. Doch dann wurde ich quasi gewaltsam entzweigerissen und... und plötzlich war alles weg.“ Stiles Augen waren wieder in der Gegenwart angekommen und schienen erfüllt von Schmerz. Er öffnete die leere Hand und schien nach Luft greifen zu wollen. „Ich hatte es, es hatte mich, und dann war es weg. Lies mich zurück wie einen abgetragenen Mantel. Zerfetzt, ausgeblichen, überflüssig. Danach war alles war nur noch grau. Essen war wie Pappe auf meiner Zunge, die Ohren wie mit Watte verstopft...“ Scott machte große Augen. „Stiles, warum hast du...“ Doch der hob eine Hand, um den Alpha zu unterbrechen. „Warte, lass mich bitte erst zu Ende erzählen, ok?“, meinte er. „Das ist schwer genug, auch ohne Unterbrechungen...“ Scott wollte etwas erwidern, hielt dann aber inne und wartete stumm auf den Rest der Geschichte. Stiles räusperte sich und nahm den Faden wieder auf. Er musste sich das jetzt endlich von der Seele reden. „Also, nachdem schließlich der Nogitsune besiegt war wurde es wieder besser für mich. Viel besser.“ Endlich hob er den Kopf und sah seinen Alpha eindringlich an. „Scott, du hattest in den letzten Wochen genug um die Ohren, verstehst du? Mit der Beerdigung und allem? Du brauchtest Zeit für dich. Teufel, jeder von uns brauchte etwas Zeit für sich. Und was war denn schon? Ich konnte besser riechen, na und? Ich meine, es war, als hätte zuletzt eine Art Schleier alle meine Sinne vernebelt und mit dem Nogi und dem schwarzen Rauch verschwand eben dieser Schleier einfach wieder. Endlich konnte ich wieder schmecken. Endlich konnte ich wieder klar sehen. Endlich dufteten die Blumen wieder. Und ich hab mir nichts weiter dabei gedacht. Ich war einfach froh, dass ich wieder... ‚entgraut‘ wurde. Ich... Ich dachte...“ Er rang nach den richtigen Worten. Schließlich schüttelte er einfach nur mit dem Kopf und lies die Schultern hängen. Müde fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und rieb sich die Augen. „Vielleicht hab ich auch gar nichts gedacht.“ Er seufzte und sein Blick ging wieder gen Boden. Er nahm die Münze zwischen die Finger und fing an, mit ihr herumzuspielen. „Jetzt weißt du es, Scott.“ „Warum hast du mir nie was erzählt?“ fragte Scott mit leiser Stimme. „Beerdigung hin oder her, du bist mein bester Freund. Ich bin immer für dich da.“ Er legte Stiles eine Hand auf die Schulter und legte den Kopf schief. „Stiles, wir sind ein Team. Ein Rudel. Wenn du etwas hast rede mit mir. Es gibt nichts, worüber du nicht mit mir reden kannst.“ Er sah Derek an, der immer noch wie ein Schrank neben ihm stand. „Und wenn du glaubst, du kannst nicht mit mir reden, dann rede mit einem der anderen. Rede mit Derek. Oder rede mit Lydia.“ Der Beta wich seinem Blick weiterhin aus, aber Scott hob die Hand und drehte Stiles‘ Kopf in seine Richtung. Er wollte keine Distanz zwischen ihnen zulassen. Konnte es nicht zulassen. „Stiles, in einem Rudel ist man für einander da. Wir gehören zusammen. In guten wie in schlechten Zeiten.“ Er lachte leise. „Ok, das klang jetzt kitschiger, als es geplant war. Aber du verstehst, was ich meine, oder?“ Stiles sah ihn nicht an, aber er nickte. Einen Moment lang zögerte er noch, dann trafen sich doch ihre Blicke. Scotts dunkle braune Augen waren so klar und ehrlich und offen wie immer. Stiles fand darin nur Sorge und die Bereitschaft alles zu verzeihen. Er fand darin Freundschaft und das Angebot auf ein Zuhause. Stiles schluchzte leise auf und warf sich seinem Alpha in die Arme. Scott zuckte nicht zurück und er lachte nicht. Er legte einfach seine Arme um Stiles und lies den Jungen sich wieder beruhigen. Die Mädchen warfen einander gerührte Blicke zu. Selbst Derek konnte sich ein liebevolles Lächeln nicht verkneifen. 'Wenn er etwas älter ist und mehr Erfahrung hat wird er ein wirklich guter Alpha sein', dachte Deaton.   Schließlich ebbte das stumme Beben von Stiles Schultern ab und er richtete sich wieder auf. Seine Augen waren rot, aber er wirkte endlich bereit sich der Welt zu stellen. Er räusperte sich und lockerte seine Schultern. „Ok Leute... Und was machen wir nun?“ Kapitel 13: Triskele -------------------- „Nun könnt ihr endlich die Sache mit dem Nogitsune abschließen, Stiles. Übrigens gut gesprochen Scott“, lobte Deaton den Jungen. „Und da wir grad so schön kuschelig zusammensitzen, wird es Zeit, dass ich dir endlich etwas gebe.“ Er ging zu einem der Schränke, in denen er immer seine Druiden-Sachen versteckte. Deaton wühlte einen Moment und holte dann eine kleine Schatulle hervor. Sie war mit einer dünnen Schicht Staub bedeckt, die er wegpustete. Er stellte sie mittig auf den Tisch neben die Asche und öffnete sie. Alle beugten sich gespannt vor und versuchten hineinzuschauen. „Nanana“, machte Deaton, „nicht so neugierig.“ Schuldbewusst richteten sich alle wieder auf. Er griff hinein und holte ein silbernes Metallstück hervor, das an einer Lederschnur festgeknotet zu sein schien. Er hielt es Scott hin. „Das Triskele. Du kennst das Zeichen von Dereks Tattoo und von der Nementon-Box. Es ist ein mächtiges Symbol bei den Werwölfen.“ Er betrachtete nachdenklich den Anhänger. „Vor langer Zeit war es üblich, dass junge Werwölfe bei ihrer 'Coming-of-Age'-Zeremonie ein solches Zeichen als Beweis ihrer vollen Mitgliedschaft im Rudel erhielten. Irgendwann kam es bedauerlicher Weise außer Mode.“ Stiles zog eine Braue hoch. „Vielleicht weil es den Jägern deutlich zeigte ‚Juhu, Werwolf voraus, schärft schon mal die Messer‘?“ Deaton grinste verschmitzt. „Vielleicht. Ihr könnt ja Deucalion mal danach fragen, wenn ihr ihn das nächste Mal seht. Zur Zeit seiner Jugend wurde der Brauch abgeschafft, soweit ich weiß. Das war vor... uh... ich denke mal so 70-80 Jahren?“ Lydia glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. „Vor 80 Jahren war er ein Jugendlicher? Wie alt ist der Mann?“ Sie warf einen Blick auf die Jungs. „Und wie alt werden Werwölfe eigentlich?“ Deaton winkte ab. „Darüber reden wir ein anderes Mal.“ Er drehte sich zu Scott um. „Das Triskele steht nicht nur für Alpha, Beta und Omega, weißt du? Es ist auch ein Schutzsymbol. Und ich denke du hast es dir längst verdient.“ Er deutete dem Jungen, dass er den Kopf etwas senken solle und zog ihm das Lederband über den Kopf. „Trage es mit stolz.“   Dereks Augen glitzerten begeistert, beim Anblick des Anhängers. „Ich erinnere mich, dass mir meine Mutter mal davon erzählt hat. Aber sie hat mir auch nicht gesagt, warum man davon abkam.“ Er legte eine Hand an Scotts Oberarm und drückte ihn leicht. „Du verdienst ihn.“ Scott fühlte sich im ersten Moment leicht überrollt. Er nahm das silberne Schmuckstück zwischen die Finger und rieb es gedankenverloren. „Ein Schutzsymbol?“, fragte er Deaton. Der nickte. „Dem Triskele wurden im Laufe der Jahrhunderte viele Bedeutungen zugeordnet. Im Allgemeinen wird es heutzutage mit der göttlichen Dreieinigkeit gleichgesetzt.“ „Nur dass zu den Zeiten der frühen Druiden andere Götter im Vordergrund standen“, warf Lydia ein. Deaton lächelte die Banshee an. „Das ist richtig, Lydia. Viele keltische Symbole wurden im Laufe der Zeit für andere Dinge zweckentfremdet und umgedeutet. Ein einfaches Sonnensymbol beispielsweise wurde zum Sinnbild der Grausamkeit einer ganzen Ära. Weil ein einzelner Mensch die Macht darin sah und es für sich ausnutzte…“ Ein trauriger Ausdruck huschte über sein Gesicht. Dann nahm er Scott den Anhänger aus den nervösen Finger und lies ihn wieder vor dessen Brust hängen. „In meiner… ‚Branche‘ wird es dagegen eher mit Körper, Geist und Seele“, er tippte Scott dabei einmal kurz auf die Schulter, die Stirn und die Brust über dem Herzen, „ und dem Kreislauf des Lebens gleichgesetzt. Es dient als Symbol des Schutzes und zur Abwendung von Bösem.“ „Und das kann man hier in Beacon Hills definitiv gut gebrauchen“, merkte Stiles an. Er lehnte sich inzwischen an einen der Stahltische vor der Wand und hatte die Arme vor der Brust gekreuzt. Der Veterinär drehte sich zu ihm um. „Da hast du wohl Recht, Stiles. Deshalb wäre es vielleicht nicht verkehrt, wenn…“, er ging wieder zum Tisch in der Mitte und nahm die Kiste in die Hand. Er öffnete sie und bot Scott den Inhalt an. „...wenn ihr alle eines bekommt. Aber das ist deine Entscheidung, Scott du bist der Alpha.“ Der nahm einen der Anhänger aus der Kiste und sah Derek an. „Da ist noch mehr“, sagte Derek und nahm ihm das silberne Objekt aus der Hand. „Das Triskele ist auch das Symbol der Hale-Familie. Das Symbol des Beacon Hills-Rudels.“ Er legte den Anhänger zurück in die Kiste. „Erinnerst du dich noch an das Zeichen an meiner Tür?“ „Das, was das Alpha-Rudel hinterlassen hatte?“ Derek nickte. „Das war ihr Symbol. Andere Rudel benutzen Mondsicheln oder andere astronomische Zeichen. Aber jedes Rudel hat ein eigenes… Markenzeichen, wenn du so willst.“ Scott brummte gedankenverloren. Er nahm Deaton die Kiste ab und ließ seinen Blick durch den Ram wandern. Alle sahen ihn erwartungsvoll an, warteten auf seine Entscheidung. Er schaute seinem Boss in die Augen. „Aber mache ich damit nicht alle zu Zielen? Ich komme damit klar, wenn Jäger mich bedrohen, aber ich will die anderen nicht in Gefahr bringen, wenn wir plötzlich alle mit den gleichen Anhängern rumlaufen…“ Stiles schnaubte. „Scott, wir sind immer zusammen unterwegs. Glaubst du im Ernst, irgendeiner von uns würde nicht automatisch mit auf der Abschussliste stehen, wenn du das Ziel wärst?“ Derek legte den Kopf schief. „Er hat Recht Scott. Mitgehangen, mitgefangen.“ Einen Moment zögerte Scott noch, doch dann griff er entschlossen in das Kästchen und holte einen Anhänger raus. „Dann zeigen wir der Welt eben, dass das Beacon Hills-Rudel wieder da ist und dass wir keine Angst haben.“ Er legte den Anhänger in Dereks Hand und ließ seine obendrauf liegen. Einen Moment lang sahen sich beide an, Dereks Lippen umspielte ein kleines Lächeln. Dann nahm Scott seine Hand weg und der Ältere schloss die Finger um das Symbol seiner Familie. Scott ging weiter zu Stiles und legte auch ihm einen Anhänger in die Hand. Stiles grinste schief. „Tja Kumpel, das nenne ich mal eine steile Karriere, oder? Vom ADHS-geplagten Teenager über Teilzeit Nogitsune zum Beta seines besten Freundes und ‚wahrem Alpha‘ Scott McCall in nur einem Monat“, kurz betrachtete er das Triskele und hängte sich dann das Lederband um den Hals. „Wer hätte das noch vor einem halben Jahr für möglich gehalten…“ Scott blickte entschuldigend drein. „Ich hätte dir das gerne erspart.“ Stiles biss sich auf die Unterlippe und klopfte Scott jovial auf die Schulter. „Das weiß ich doch. Mach dir keinen Kopf, zusammen kriegen wir das schon hin. Ist ja nicht so, als wenn das nicht auch sein Gutes hätte, oder Scott? Derek?“ Seine Fröhlichkeit klang aufgesetzt, aber seine Augen hatten einen ernsten Ausdruck, als er Scott zunickte und ihm noch einmal auf die Schulter klopfte. Als nächstes ging Scott zu Lydia. „Lyds, ohne dich hätten wir oft genug keine Chance gehabt. Du sollst wissen, dass ich deine Hilfe sehr zu schätzen weiß. Du gehörst zu uns, ob du nun Werwolf bist oder nicht. Wir sind ein Team, und wir brauchen dich. Ich brauche dich. Bist du dabei?“ Scott bot ihr einen Anhänger an. Lydia nahm das Lederband und betrachtete es. „Darf ich den Anhänger auch auf eine andere Kette ziehen? Leder ist nicht so ganz mein Stil.“ Sie zwinkerte Scott zu und zog sich das Triskele über den Kopf. Der Anhänger verschwand halb im Dekolleté, als sie ihre Haare danach wieder zurecht rückte. Deaton lächelte verschmitzt. „ich würde Silber empfehlen, aber das ist nur meine persönliche Meinung. Es hat jedenfalls keinen Einfluss auf die Schutzwirkung.“ „Einfluss auf die Wirkung?“, raunte Stiles so leise in den Raum, dass der Arzt ihn unmöglich hören konnte. „Denk an den Funken, Stiles. Es hat alles nur soviel Wirkung, wie du ihm selber zuschreibst“, raunte Derek zurück ohne sich umzudrehen. Als nächstes bot Scott Malia einen Anhänger an. „Malia, wo auch immer deine zweite Natur herkommt, ob gebissen oder angeboren, du gehörst zu uns. Du bist ein Teil meiner Familie geworden. Ein Teil meines Rudels. Wenn dieses Zeichen Schutz bietet, dann möchte ich, dass du auch eines trägst.“ Malia starrte mehrere Atemzüge lang nur auf Scotts Hand und der Alpha dachte schon, sie würde ablehnen. Er konnte ihr Herz wie wild schlagen hören. „Oder möchtest du lieber…“ Bevor er den Satz beenden konnte war ihm die Kojotin um den Hals gefallen. Sie drückte ihre heiße Wange an sein Gesicht und umarmte ihn fest. Schließlich ließ sie ihn wieder los und nahm ihm die Kette aus der Hand. Wortlos zog sie sich das Band über den Kopf und lächelte Scott an. Der lächelte zurück und beide nickten einander zu. Kiras Herz schlug ebenfalls (zumindest für die Wölfe/Kojoten unter ihnen) hörbar schneller. Sie blickte Scott mit eulenhaften Augen an und fragte sich, ob er auch ihr… Doch sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Er nahm einen letzten Anhänger aus dem Kästchen und stellte es dann beiseite, bevor er sich ihr zuwandte. „Kira, ich weiß deine Mutter glaubt Füchse und Wölfe können nicht miteinander umgehen. Aber ich weiß, dass sie falsch liegt. Ich mag dich, ich mag dich sehr. Ohne dich hätten wir Stiles nicht retten können. Du bist mutig und schlau.“ „Und gut mit dem Katana“, warf Malia lachend ein. Scott lachte kurz auf. „Ja, das auch. Und darum… Kira, ich möchte gerne, dass du auch ein Teil meines Rudels, meiner Familie wirst.“ Kiras Augen leuchteten. Sie ging auf die Zehenspitzen hoch und gab ihm einen zarten Kuss auf die Wange. „Nichts wäre mir lieber“, antwortete sie. Scott zog ihr die Kette über den Kopf und seine Augen leuchteten ebenfalls auf. „Und das mit meiner Mutter klären wir schon noch.“ „Das werden wir“, sagte Scott mit rauer Stimme. Dann nahm er sie zärtlich in die Arme und rieb seine Wange an ihrer. „Aber ich fürchte, wenn wir dich nicht bald nach Hause bringen wird das ein sehr holpriger Start.“ Er lachte leise. „Ok, noch holpriger als nach der Aktion letzte Nacht ohnehin schon.“ „Die beruhigt sich schon wieder“, flüsterte Kira, aber es klang nicht hundertprozentig überzeugt. „Letzte Nacht?“ fragte Deaton? Er sah prüfend von einem vom anderen. Doch dann schüttelte er den Kopf. „Wisst ihr was, ich will es eigentlich gar nicht so genau wissen. Der Vollmond ist für Wölfe und Kojoten. Nicht für Tierärzte, die früh rausmüssen und sich jetzt wieder um Patienten kümmern wollen. Scott?“, er bedauerte es wirklich beide unterbrechen zu müssen, wo der Junge sich gerade so liebevoll mit seiner neuen Freundin beschäftigte. Dieses Wangenreiben... Das war ein so wölfisches Verhalten… er musste sich wirklich zusammenreißen, um nicht bei dem Anblick verträumt zu seufzen. Stattdessen räusperte er sich. „Scott ich weiß du hättest eigentlich heute noch Dienst, aber ich gebe dir ausnahmsweise mal frei. Heute ist nicht viel los, und du hast gerade wichtigeres, um das du dich kümmern musst. Wir sehen uns dann morgen wieder, ok? Und nun, raus mit euch!“ Damit scheuchte er alle mit einer ausholenden Geste aus seinem Behandlungsraum nach draußen.     Draußen auf dem Parkplatz sammelte sich die Truppe vor Dereks Auto. „Ich weiß ich wiederhole mich irgendwie gerade, aber es gab ja keine richtige Antwort. Also, was machen wir nun?“, fragte Stiles und kratzte sich am Kopf. Derek legte ihm die Hand auf die Schulter. „Nun wird Scott erst mal Kira nach Hause bringen und das mit ihren Eltern klären.“ Er wandte den beiden den Blick zu. „Sorry, aber ich wir wollen doch alle keine Probleme aus der Richtung, wenn’s nicht sein muss, oder?“ Scott schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Definitiv nicht, nein.“ „Und was mache wir mit dem Rest des Abends?“, bohrte Stiles weiter nach. Malia hängte sich an seinem Arm ein. „Ich bin sicher wir finden was spannendes“, hauchte sie ihm ins Ohr und grinste frech. Stiles verschluckte sich beinahe. „W-was? Ich dachte eigentlich mehr, dass wir alle gemeinsam…“ Hilflos blickte er Scott an. Malia buffte ihm auf den Arm. „Hey, reiche ich dir etwa nicht?“, beleidigt zog sie eine Schute. Stiles beeilte sich die Kojotin zu beruhigen und nahm ihr Gesicht in die Hände. „Hey, ist das ne ernstgemeinte Frage?“ Er gab ihr erst einen zarten Kuss auf die Nasenspitze und als sie sich ein wenig auf die Zehenspitze stellte, küsste sie ihn zurück. „Malia“, warf Derek ein und legte dabei erst Scott und dann auch Lydia je einen Arm über die Schultern, „ich glaube unser Kleiner braucht einfach ein wenig ‚Rudelzeit‘. Gönn ihm einen Familienabend, morgen gehört er wieder ganz dir.“ „Bis zum nächsten Vollmond“, witzelte Lydia. „Dann gibt’s wieder Ketten im ‚Verlies‘. Seeehr kuschelig.“ Derek zog eine Augenbraue hoch und grinste die Banshee verschmitzt an. „Magst du Ketten? Ich hab noch ein paar bei mir zu Hause rumliegen, wenn du möchtest…“ Lydia haute ihm mit der flachen Hand einmal voll auf den Bauch, dass es nur so klatschte. „Nicht mein Stil“, antwortete sie nur zwinkernd und löste sich von ihm. Sie griff in ihre Handtasche und kramte den Taschenspiegel heraus, um ihren Lippenstift zu überprüfen und nachzuziehen. „Uff“, machte Derek, „das kann man auch netter sagen.“ „Sagt der Mensch, der mir ständig Schläge androht“, kommentierte Stiles, worauf ein leises Knurren folgte. „Oh, Verzeihung, ich meinte natürlich ‚Sagt der Werwolf‘ “, korrigierte sich Stiles selber und malte Anführungszeichen in die Luft. „Was wird das hier“, fragte Derek mit einem genervten Unterton. „Aufstand der Welpen?“ Er warf Scott einen mitleidigen Blick zu und klopfte ihm aufmunternd die Schulter. „Da hast du noch ein ganzes Stück Arbeit vor dir.“ An die anderen gewandt meinte er, „ok, was möchtet ihr denn heute Abend machen, da wir ja scheinbar alle nicht voneinander loskommen?“ Ehe Malia etwas sagen konnte, hatte er schon den Zeigefinger erhoben und machte ein abwehrendes „eh-eh“ in ihre Richtung. „Pokern gibt’s heute nicht. Das hatten wir letzte Nacht schon.“ „Aber…“ „Nein, kein aber Malia. Kein Pokern.“ Kira sah in die Runde. „Wie wäre es mit einem Videoabend?“ Sie schaute zu Scott. „Ich denke dazu könnte sich meine Mum vielleicht breitschlagen lassen.“ Scott dachte kurz darüber nach. „Von mir aus gerne“, meinte er schließlich. Er sah Stiles an. „Ihr sucht den Film aus und wir treffen uns dann später bei dir zu Hause?“ „Alter“, beschwerte sich Stiles bei ihm, „warum immer bei mir? Ich meine andere“, er deutete auf Derek, „ja, andere hier haben noch größere Wohnungen, klar? Warum machen wir das nicht bei ihm zu Hause?“ Derek zog nur eine Braue hoch. „Vielleicht weil ich keinen DVD-Player habe?“ Stiles runzelte die Stirn. „Wer bitte schön hat denn keinen DVD oder Blu-ray-Player zu Hause? Lebst du in einem Seniorenheim?“ Der Ältere verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich spüre gerade wieder dieses von dir zitierte Bedürfnis, dir Schläge anzudrohen, Stiles. Bist du sicher, dass du das willst?“ Malia hängte sich lachend wieder bei dem Jungen ein und zog ihn einen Schritt von Derek weg, bevor Stiles auch nur zurückknurren konnte. „Ist das nicht eine Liebe unter den Wölfen?“, fragte Lydia und schaute amüsiert drein. „Nun kommt schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Scott muss mit Kira zu ihrer Mutter und erst mal alles klären, sonst wird es heute Abend nichts mit gemütlichem Rudelkuscheln.“ Derek legte den Kopf schief und grinste. „Wo sie Recht hat…“ „Ja“, meinte sie und blickte sehr zufrieden drein. „Das höre ich öfters.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)