No matter where I go... von Vienne (...I always feel you so) ================================================================================ Kapitel 2: Streit ----------------- Es war die letzte Stunde vorm Wochenende. Englisch. Usagi hasste dieses Fach, aber tapfer hielt sie durch. Am Abend zuvor hatte sie brav ihre Hausaufgaben gemacht. Als ihr Lehrer sie danach fragte und sie ihm reichte, konnte sie so etwas wie Verblüffung in seinen Augen sehen. Ebenso in denen ihrer Klassenkameraden. Skeptische hatte Herr Omoyada sie überprüft. Und bis auf zwei Wörter keine Fehler erkennen können. "Gut gemacht, Tsukino. Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet. Sie können ja doch, wenn sie es wollen." "Ja, wenn ich es will.", murmelte Usagi, als er sich schon wieder abgewandt hatte. Sie versuchte so gut wie möglich der Stunde zu folgen. Ab und an wanderten ihre Gedanken in andere Gebiete, aber im Großen und Ganzen arbeitete sie mit. Sogar am Morgen war sie pünktlich gewesen. Überhaupt hatte sie die Nacht sehr gut geschlafen. Sie träumte nicht viel und als am Morgen der Wecker klingelte, stand sie ausgeschlafen aus, zog sich an und ging frühstücken. Während der Schulpausen ging sie Makoto und Ami ausnahmslos aus dem Weg. Sie spürte allerdings deren Blicke in ihrem Rücken, während sie mit Naru und Umino plauderte. Aber das war ihr egal. Natürlich wusste sie, dass ihre Freundinnen sauer auf sie waren, weil sie nicht erschienen war letzte Nacht. Aber darüber reden wollte Usagi nun wirklich nicht. Nicht in der Schule. "Meine Damen und Herren, ich wünschen Ihnen ein schönes Wochenende." Usagi schreckte leicht auf. Herr Omoyada verabschiedete sich. Sie hakte bei Naru nach, ob sie irgendwelche Hausaufgaben überhört hatte, aber ihre Freundin verneinte. So packte das Mädchen gut gelaunt ihre Schulbücher und Schreibutensilien in ihre Tasche und ging mit Naru in Richtung Ausgang. "Usagi!" Die Genannt fuhr herum. Makoto und Ami standen vor ihr. "Usagi, kommst du mit zu Rei?", Ami klang leicht verschüchtert. "Nein, hatte ich nicht vor." "Wir müssen aber reden.", Makotos Stimme war eindringlich. "Müssen wir das?" "Ja." "Usagi, wir können auch ein anderes Mal Eisessen gehen.", Naru schaute sie fröhlich an. Die Blondine seufzte. Sie wusste, dass Makoto und Ami keine Ruhe geben würden, wenn sie ihnen nicht folgte. Auch wenn sie die Anführerin der Sailorkriegerinnen war, kam sie sich ziemlich bevormundet und eher wie ein kleines Kind vor. "Okay. Dann bis Montag, Naru. Tschüss Umino.", sie winkte ihnen zu, als sich ihre Wege am Schultor trennten. Schweigend ging sie zwischen Ami und Makoto. Sie flankierten sie recht eng. Als ob sie Angst gehabt hätten, ihre Freundin könnte einen Haken schlagen und verschwinden. Dumpf konnte sie hören, wie sich Ami und Makoto lachend unterhielten. Anscheinend hatten sie einen tollen Tag gehabt. Usagi hatte den auch gehabt. Bis eben. Laut seufzte sie auf und überlegte, wie sie das Donnerwetter, was ihr zweifelsohne drohte, lebend überstehen sollte. Suchend blickte sie sich um. "Suchst du was?/, Makoto sah sie über die Schulter hinweg fragend an. "Nein. Alles in Ordnung." "Na dann." Mit ihren Gedanken ganz woanders bemerkte sie nicht, wie schnell sie den Tempel von Rei erreicht hatten. Sie schaute die Stufen hinauf. Noch nie kamen sie ihr so kurz vor. Usagi wusste, dass Trödeln nichts brachte. Bereits vollkommen genervt setzte sie einen Fuß vor den anderen. Sie schaute erst gerade aus, als sie oben angekommen waren. Um genau in die wütenden Gesichter von ihren beiden anderen Freundinnen und den Katzen zu blicken. Schwach seufzte sie auf. Sie würde hier nicht lebend rauskommen. Gedanklich nahm sie sich vor, einfach alles stoisch zu überstehen und dann zu gehen. Bis halb sechs musste sie sowieso zuhause sein. Ihr Blick fiel augenblicklich und hoffnungsvoll auf ihre Armbanduhr. Es war gerade mal halb drei. Und alle Hoffnung auf eine schnelle Flucht dahin. "Möchtest du etwas trinken?", Rei bot ihr viel zu freundlich etwas an. Usagi schüttelte den Kopf. "Setz dich doch.", Minako lächelte seltsam. Usagi blieb stehen. "Wir wollen mit dir reden.", Artemis klang ernst. Usagi sagte kein Wort. "Es ist wirklich Feuer am Dach.", in Lunas Stimme schwankte die Wut. Usagi schaute keinen an. "Was ist mit dir in letzter Zeit denn los?", Makotos Stimme donnerte über den Hof, "Du redest nicht mit uns. Erscheinst entweder viel zu spät oder gar nicht zu unseren Treffen. Du beteiligst dich nicht daran, einen Plan gegen das Dark Kingdom zu entwickeln. Schweigst dich aus. Bist gedanklich woanders." "Wenn es nur das wäre.", Rei klang bedrohlich, "Gestern Abend hätten wir dich gebraucht. Aber du warst nicht da. Luna hat dich zuhause besucht. Hat an deine Scheibe gekratzt und du hast nicht geantwortet. Ami hat versucht, dich über den Communicator zu erreichen. Aber wie bei meinen Anrufen auf deinem Handy bist du nicht rangegangen. Stattdessen legst du dich seelenruhig in dein Bett und schläfst. Und wir reißen uns den Arsch auf, um die Welt zu retten und den Silberkristall und unsere Prinzessin zu finden. Warum bist du verdammt noch mal nicht gekommen?" Usagi blickte zu der Baumgruppe, die auf dem Hof des Tempels stand. Sie lächelte. Aber es war ein bitteres. "Ich habe Hausarrest. Das hab ich euch gestern gesagt. Ich kann mich nicht rausschleichen." "Es ist aber deine Pflicht.“, Ami schaute sie an. In ihren Augen konnte man Verzweiflung sehen. "Ich weiß. Aber ich hab meinen Eltern in den letzten Tagen genug Ärger gemacht." "Selbst schuld. Was musst du auch die Schule schwänzen.“, Minako reagierte verärgert, "Es hat dich ja keiner dazu angestiftet, es zu tun. Wenn du so einen Scheiß nicht abziehen würdest, hättest du auch keinen Ärger. Dann könntest du uns helfen." "Habt ihr es denn geschafft?", Usagis Stimme klang teilnahmslos. "Ja, das haben sie.", Luna hatte ihre Haare aufgestellt, "Aber sie hätten deine Unterstützung gebraucht. Wärst du da gewesen, wäre der Kampf dank deines Mondsteines schneller beendet gewesen. Und die Mädchen hätten sich nicht so anstrengen müssen. Außerdem weißt du ganz genau, dass es eigentlich deine Aufgabe ist, die Monster des Dark Kingdom zu bannen." Usagi schaute die Katze an. Ein seltsamer Blick lag in ihren Augen. "Du bist ihre Anführerin. Du hast die Verantwortung. Nur du. Wir müssen den Silberkristall finden und unsere Prinzessin. Das ist unsere und vor allem deine erste Pflicht. Du vernachlässigst alles sehr sträflich." "Du drehst vollkommen am Rad, Usagi.", Rei mischte sich ein und trat zu ihr, "Du lässt nicht nur uns im Stich, sondern auch die Menschen die hier leben. Reiß dich endlich zusammen." In Usagis Augen blitzte die blanke Wut. "Du kannst nicht einfach machen, was du willst.", Ami versuchte höflich zu klingen. "Stimmt. Du musst auf unsere Rufe reagieren.", Minako pflichtete ihr bei, "Sonst brauchen wir auch gar nicht mehr kämpfen." "Vielleicht ist das auch besser so.", Usagis Stimme war leise, aber bestimmt. "Was?", Luna klang hysterisch. "So wie ich es meine. Vielleicht wäre es besser, wir ließen das ganze sein. Wir gehen jeder wieder unserer Wege. Ich hab eh keine Lust mehr." "Usagi!", Makotos Stimme klang ungläubig. "Nichts ‚Usagi’. Ich habe keine Lust mehr. Und das habe ich euch gestern schon mal gesagt. Aber egal, wie oft ich mich wiederhole, übergeht ihr es. Euch ist es vollkommen egal, dass ich Stress mit meinen Eltern und in der Schule habe. Ich bin nun einmal nicht so organisiert wie ihr. Und ich werde es wahrscheinlich nie sein. Doch ihr übergeht es einfach." "Hör auf, so einen Mist zu erzählen.", Rei gab ihre eine schallende Ohrfeige. Usagi wich erschrocken zurück. Hielt sich die Wange. Entsetzen lag in ihren Augen, als sie zu Rei blickte, die wütend schnaubte. Mamoru zuckte zusammen. Er hatte das seltsame Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Versuchte herauszufinden, was es war. Sein Herz schlug schneller. Und gleichzeitig hatte er das Gefühl, jemand hätte es in seinen Händen zerdrückt. Fieberhaft überlegte er. Sailor Moon konnte es nicht sein. Ihr Rufen nach Hilfe war anders. Nicht ganz so schmerzhaft wie gerade eben. "Usagi?!", er murmelte diesen Namen nur. Ging es ihr etwa wieder schlecht oder spielte ihm sein Gehirn nur einen dummen Streich? Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. Nur weil er ihr gestern seine Hilfe angeboten und sie normal miteinander gesprochen hatten, würde er wohl kaum plötzlich eine Verbindung zu ihr haben. Langsam ging er weiter seines Weges. Die Bücher unterm Arm und in Richtung der Medizinischen Fachbibliothek. Usagi sank auf ihre Knie. Verzweifelt blickte sie sich um. Sah in die Gesichter ihrer Freundinnen: Ami schaute betreten zu Boden. Minako blickte sie nur kurz an, weichte dann ihrem Blick aus. Makoto starrte sie unverholen an. Die Blicke von Luna und Artemis verrieten, dass sie die Ohrfeige anscheinend für gerechtfertigt hielten. Rei wandte sich ganz ab und ging zu den anderen. Usagi saß auf dem staubigen Boden. Warum verstand es keiner? Sie alle schienen den Fehler nur bei ihr zu sehen. Keine von ihnen verschwendete anscheinend auch nur einen Gedanken daran, dass es ihr nur wegen diesem ganzen Kämpfen und den Feinden schlecht ging. Das sie sich unter Druck gesetzt fühlte. Keiner nahm Rücksicht auf sie und ihre Gefühle. Ihre Freundinnen waren eiskalt zu ihr und übersahen sie als eigenständige Person vollkommen. "Hier.“, Rei reichte ihr einen nassen Waschlappen. Usagi schlug ihre Hand weg und rappelte sich auf: "Brauch ich nicht." "Ich wollte nur nett sein." "Erspar mir das." Rei sah in das bittersüß lächelnde Gesicht von Usagi. "Du hast dich so verändert." "Hab ich das?" "Ja." "Komisch. Finde ich nicht." "Wir tun doch alles Menschen mögliche." "Ach ja?" "Usagi.", Minako schaute sie zweifelnd an. Die anderen ebenso. "Ihr tut gar nichts. Ihr seid egoistisch hoch zehn." "Wie bitte?", Makoto klang fassungslos. "Ihr denkt nur an euch. Nur an dieses blöde Dark Kingdom. Keiner von euch denkt an die anderen. An eure Familien. An unsere Freunde." "Aber wir sind doch deine Freunde.", Ami klang verunsichert. "Seid ihr das? Seid ihr das wirklich?" "Wir stehen uns doch immer gegenseitig im Kampf bei." "Ja, aber auch nur da. Wie es mir persönlich geht, interessiert euch einen Dreck. Dass ich in der Schule einschlafe, findet ihr dumm von mir. Aber keine von euch fragte mich mal, warum mir das passiert. Ob ich vielleicht schlecht schlafen würde oder überhaupt schlafe. Ihr gebt mir in allem die Schuld. Ich hab keine Lust mehr. Am liebsten würde ich meine Brosche zerschlagen und in die nächste Tonne treten." Die Mädchen und Luna und Artemis schauten sie entsetzt an. "Das kannst du nicht im Ernst meinen.", Reis Stimme zitterte. "Doch. Und nur zu, hau mir noch eine runter. Das kannst du ja so gut." Die Mädchen wichen vor Usagi zurück, sanken auf die Treppenstufen. Die Blonde wusste, was nun folgen würde: Denn so wie immer würden sie versuchen, auf sie einzureden. Ihr die ach so tollen Vorteile aufzuzeigen und sie von ihrem angeblich gemeinsamen Ziel zu überzeugen. Usagi seufzte. Schaute auf ihre Armbanduhr, während sie nur halbherzig bis gar nicht zuhörte. Es war viertel vier. Immer noch viel zu viel Zeit. Ihre Flucht ließ auf sich warten. Doch plötzlich kam ihr noch eine Idee. "Was machst du da?", Minakos Stimme ließ sie aufschrecken, als sie ihr Handy aus der Schultasche zog. "Ich schreibe einem Freund." "Schön, dass du anscheinend deinen Kopf frei hast für Jungs aber nicht für das Wesentliche.", Lunas Stimme triefte vor Hohn. Usagi überging es gekonnt und lief zu den Stufen. Setzte sich dort jedoch einige Meter weiter von den Mädchen weg und schrieb eine Nachricht. Als sie fertig war, redeten Ami und die anderen immer noch auf sie ein. Sie stützte ihren Kopf in die Hände und starrte stumm vor sich hin. Ließ die anderen reden. Mamoru hatte gerade seine Bücher am Schalter in der Bibliothek abgegeben, als sein Handy sich bemerkbar machte. Leicht umständlich kramte er es heraus. Das Display leuchtete, zeigte eine Nachricht an, die er zügig und vor sich hinmurmelnd las: "Bin bei Rei. Kannst du mich retten? Usagi." Der junge Mann wusste sofort, was sie von ihm wollte. Und er zögerte keine Sekunde, ihrer Bitte nachzukommen. Er verabschiedete sich von der älteren Dame am Schalter und stürmte geradezu hinaus und die Stufen hinunter. Auf der Straße sah er sich kurz um. Musste sich orientieren. Er war schon einmal bei Rei im Tempel gewesen. Seine innere Stimme sagte ihm, wo er lang musste. Seine Beine trugen ihn praktisch wie von selbst. Eigentlich wusste er nicht, warum er Usagi helfen wollte. Vielleicht weil sein Gerechtigkeitsinn es ihm sagte. Weil er es unfair fand, dass sie fertig gemacht wurde. Ausgerechnet von ihren Freundinnen. Das sie keinen zum Reden hatte. Und innerlich machte es ihn irgendwie auch glücklich, dass sie ausgerechnet ihn ins Vertrauen gezogen hatte. Obwohl sie immer nur Streit gehabt hatten. Während er hin und her überlegt, kam der Tempel in Sichtweite. Dafür dass er mitten in Tokio lag, war er groß. Hastig überwandte er die letzten Meter und hechtete die Stufen hinauf. Immer zwei auf einmal. Oben angekommen, sah er sich um. Schnell konnte er die Gruppe von Mädchen und Katzen ausmachen, die zusammen saßen. Sein Blick glitt weiter nach rechts. Und er erkannte, dass Usagi vollkommen isoliert saß. Schweigend. Während die anderen sprachen und scheinbar auf sie einredeten. "Mamoru?", ungläubig aber fröhlich darüber, ihn zu sehen, stand Rei auf und lief zu ihm, „Was führt dich zu mir?" "Hallo Rei." "Also wenn du mich nach einem Date fragen willst: Heute sieht es schlecht aus. Aber morgen hab ich Zeit für dich." Er antwortete ihr nicht. Und sie überging es einfach: "Weil heute müssen wir ein ernstes Wort mit Usagi reden." "Das sehe ich.", Mamorus Blick glitt zu Usagi. Sie sah ihn leicht lächelnd an und er konnte Erleichterung in ihren Augen sehen. "Ja, sie ist wieder ausgerastet.", Rei seufzte und ging neben ihm her, als er in Richtung des Haupthauses ging. "Hey.", er begrüßte die anderen Mädchen. „Was führt dich zu uns? Etwa die Sehnsucht nach Rei? Wie romantisch.", Minako seufzte und grinste breit. Genau wie die anderen. "Nein." Die Freundinnen schauten ihn überrascht an. "Eigentlich bin ich gekommen, weil ich eine Nachricht bekommen habe." "Eine Nachricht?", Rei sah ihn fragend an und folgte nur einige Sekunden später seinem Blick. Direkt zu Usagi: "Du hast ihm vorhin die SMS geschickt? Wie dämlich bist du eigentlich? Glaubst du echt, dass er dir hilft? Glaub ich kaum! So dämlich wie du dich anstellst, bist du für jeden eine Lachnummer. Und für ihn ganz besonders." Usagi sagte nichts. Sie stand nur auf und ging zu Mamoru, schaute ihn an. Er konnte erkennen, dass sich schon wieder Verzweiflung in ihr breit gemacht hatte. Der Funken Hoffnung war verschwunden. Nur wegen Reis Satz. Sie wollte etwas sagen, aber ihre Stimme stockte. Aber Mamoru brauchte so oder so nichts hören. Er wusste auch so, was sie ihm sagen wollte. Leicht lächelnd nickte er ihr zu. Sie ging an ihm vorbei, als Rei erneut ihre Stimmer erhob: "Haust du schon wieder ab? Wir waren hier noch nicht fertig mit dir. Aber dir ist es ja egal. Dir ist alles egal. Du bist so ein Feigling, Usagi. Deine Ausreden sind so lächerlich. Nein, jämmerlich." Sie wollte ihr hinterher, aber wurde zurückgehalten. Von Mamoru. Er hatte sie am Handgelenk gepackt und schaute sie an. Seine Augen waren dunkel und Rei schreckte leicht zurück. "Mamoru?" Die anderen Mädchen waren aufgesprungen. Sie alle konnten die Spannung zwischen dem jungen Mann und der Schwarzhaarigen fast greifen. Luna und Artemis hatten ihre Haare aufgestellt. Innerlich bereit zur Verteidigung. Selbst Usagi hatte sich umgedreht und schaute zu Mamoru und Rei. Dieser ließ sie los: "Hört auf damit, sie so fertig zu machen." Seine Stimme klang bedrohlich. Minako und die anderen kamen einen Schritt auf ihn und Rei zu. "Was?" "Du und die anderen habt mich schon verstanden. Hört auf, sie so fertig zu machen.", er wandte sich von Rei ab und bedachte auch die anderen mit seinem Blick, "Seht ihr denn überhaupt nicht, dass es ihr scheiße geht? Sie lacht seit Wochen nicht mehr. Mein letzter Zoff mit ihr liegt bald anderthalb Monate zurück. Ihre Augen sind glanzlos und sie ist vollkommen abgekämpft. Sie versucht euch aus dem Weg zu gehen, aber ihr zwingt sie ja geradezu zu diesen dämlichen Treffen, aus denen sie eigentlich ausbrechen will. Doch euch ist es vollkommen egal." "Warum sagst du so was?", Makoto sah in fragend an. "Weil sie es mir gesagt hast. Gestern, nach dem ich sie nach Hause gefahren habe." "Sie hat was?", Rei schaute wütend zu Usagi, die ihren Blick allerdings fasziniert nur zu Mamoru schaute, der sie anscheinend gerade sehr ritterlich verteidigte. "Sie hat mir erzählt, wie ihr sie unter Druck setzt. Ich kenne zwar nicht den Grund dafür, aber anscheinend scheint es sehr belastend für sie zu sein. Wisst ihr denn überhaupt, wie es ihr geht? Habt ihr sie in den letzten Tagen und Wochen mal gefragt?" Die Mädchen tauschten Blicke aus und senkten dann beschämt die Köpfe. "Ihr habt alle keine Ahnung, wie sie sich fühlt. Keiner von euch. Habt ihr eine Ahnung, warum sie die Schule geschwänzt hat?" Die Mädchen schüttelten die Köpfe. "Weil sie euch was beweisen wollte. Sie wollte mutig sein. Nur deswegen. Nur deswegen hat sie Nachsitzen und Ärger mit ihren Eltern riskiert. Weil es bei euch anscheinend wichtig zu sein scheint, dass man mutig ist." "Warum hat sie es ausgerechnet dir gesagt?", Minako schaute ihn verschüchtert durch seine Standpauke an. "Weil ihr Usagi nicht zugehört habt." "Natürlich haben wir das.", Rei blickte ihm herausfordernd in die Augen. "Wirklich?" Die Schwarzhaarig wollte noch etwas sagen, aber sie verstummte, als sie den Ausdruck in Mamorus Gesicht sah. Sie sah seine Enttäuschung. Das hatte sie noch nie gesehen. Nicht bei ihm. "Ich hab ihr gestern meine Nummer gegeben. Sie sollte sich bei mir melden, wenn sie jemanden zum Reden braucht.", seine Stimme klang ruhig und gefasst. Er schaute zu Usagi rüber, die ihren Blick wieder zu den Bäumen gerichtet hatte. Dann schaute er wieder zu ihren Freundinnen: "Sie hat mir vorhin eine SMS geschickt. Ich sollte sie retten." Die anderen schauten erst zu ihm, dann zu Usagi, die etwas errötete. "Deswegen bin ich hier. Mag sein, dass wir uns meistens nur streiten. Aber in ihren Augen scheint es weniger schlimm zu sein, als von euch missverstanden zu werden." "Usagi.", Minakos Stimme klang mitleidig, „Warum hast du denn nichts gesagt?" Usagis Kopf schnellte zu ihr herum. Hatte sie sich gerade verhört? "Was?", ihre Stimme klang seltsam hohl, „Was hast du da gerade gesagt?" "Warum du uns nicht deine Sorgen erzählt hast.", wiederholte sich Minako. Ihre Freundin blickte sie wütend an. Mit schnellen Schritten lief sie an Mamoru und Rei vorbei und baute sich vor dem Halbkreis ihrer Freundinnen auf: "Ich hab es euch nicht gesagt?! Was hab ich denn dann gestern im Crown gesagt? Was habe ich euch vorhin gesagt? Ich habe euch von meinen Sorgen und Ängsten erzählt. Und davon das ich einfach nicht mehr die Kraft habe. Zu nichts mehr. Das ich einfach vollkommen fertig bin. Aber ihr habt es nur als Ausreden abgetan. Du, Rei, hast mir eine Ohrfeige gegeben." Mamoru schaute Rei entsetzt an. Aber die schaute beschämt zu Boden. Und Usagi war noch nicht fertig. Sie bebte. "Keinen von euch interessiert es, was ich fühle. Warum ich schlecht in der Schule bin. Warum ich Stress mit meiner Familie habe. Ich werde von euch wie ein kleines Kind als Buhmann in die Ecke gestellt. Keiner interessiert sich von euch dafür, ob ich vielleicht auch mal einen schlechten Tag habe. Keinem ist das aufgefallen. Nur Mamoru. Nur er hat es gesehen. Komisch, oder?!", sie lachte ironisch auf, "Von allen Menschen auf der Welt hat nur er es gesehen. Ausgerechnet er. Der Mensch mit dem ich immer nur streite, sieht es. Fragt nach. Hört zu. Und nun verteidigt er mich auch noch vor euch. Er ist der einzige. Und ich sag euch noch was." Alle schauten sie mit weit aufgerissenen Augen an. "Ich werde auf keinen eurer Anrufe oder sonstiges mehr reagieren. Nicht solange bis ihr es selber mal eingesehen habt, dass ihr mich nicht als selbstverständlich ansehen solltet. Ich bin immer noch eure Freundin. Werde es immer sein. Aber ich bin nicht selbstverständlich." Usagi wandte sich ab. Tränen hatten sich in ihren Augen gesammelt. Sie ging zu Mamoru rüber. Beinahe schon liebevoll legte er ihr eine Hand auf die Schulter, lächelte sie aufmunternd an. Sie erwiderte es. Ihre Freundinnen blickten sie sprachlos an. Zum einen wegen Usagis Wutrede und zum anderen, weil sie das Mädchen das erste Mal seit Wochen wir lächeln sahen. Und ausgerechnet Mamoru zauberte ihr es aufs Gesicht. Es war wie einem Traum. Usagi wandte sich noch einmal zu ihren Freundinnen: "Ami?" "Ja?", die Stimme von ihr war leise. "Kann ich die Nacht bei dir schlafen?“ Sofort schaltete Ami. Auch die anderen verstanden und schauten sie fragend und verblüfft an. "Meine Eltern würden einverstanden sein. Weil sie glauben, dass du mich für den Mathetest nächste Woche fit machst. Also?" "Okay.", Ami nickte. Usagi nickte den anderen nur zu. "Bist du fertig?" "Ja.", sie schaute Mamoru an und wandte sich dann mit ihm zusammen zum Gehen. Sie war froh, dass sie endlich mal alles rausschreien konnte. Allerdings hätte sie es ohne Mamoru sicherlich auch nicht geschafft. Ein bisschen besser gelaunt, lief sie neben ihm her und die Stufen hinunter. "Danke!“ "Ich hab dir gesagt, dass ich gerne geholfen habe.", er lächelte sie an. "Darf ich die Nacht bei dir verbringen?", sie schaute ihn schüchtern und ein wenig verlegen an. "Du hast dich ja schon selber eingeladen." "Du hast nichts dagegen gesagt.“ "Aber ich könnte noch." "Und?" "Nein. Also ich meine, nein ich sage nicht nein. Du kannst bei mir übernachten. Anscheinend hast du mit Ami ja schon das perfekte Alibi bekommen." "Ja. Das habe ich wohl." Zusammen gingen sie auf die Straße. Beide waren mittlerweile gut gelaunt und scherzten miteinander. Usagi genoss es einfach nur. Endlich hatte sie jemand verstanden. Die Mädchen und die Katzen saßen auf den Stufen vom Haupthaus. Sie hatten Usagi und Mamoru hinterher geschaut. Ließen sich die Worte ihrer Freundin noch einmal durch den Kopf gehen. "Sie hat ihn mir ausgespannt.", Reis Stimme war tonlos. "Ach quatsch.", Makoto schüttelte den Kopf, "Ich denke, dass er einfach nur Mitleid mit ihr hatte. Ich meine, vielleicht hatte sie Recht mit dem, was sie sagte. Vielleicht haben wir ihr wirklich nicht richtig zugehört und es nur als Phase abgetan." "Mamoru hat recht gehabt. Sie hatte wirklich seit Wochen nicht mehr gelacht. Sie war ziemlich teilnahmslos. Aber wir haben es wegen dem ganzen Stress mit den Kämpfen nicht mitbekommen.", analysierte Ami sachlich, "Wir sahen es wirklich als ein wenig zu selbstverständlich an, dass Usagi immer bei uns war. Sie hat immer den finalen Schritt bei der Monsterbekämpfung gemacht. Und wir haben nicht einmal danke gesagt." "Aber ist das gleich ein Grund, um so auszurasten?", Minako schaute in die Runde. "Sie hat uns viele Anzeichen gegeben.", Lunas Stimme war leise, "Sie hat erst nicht mehr gelacht. Dann war sie teilnahmslos. Kam nicht mehr oder zu spät zu unseren Treffen. Wir haben ihr immer nur ihre Fehler vorgeworfen. Aber wir haben sie nie gelobt. Nie angespornt. Immer nur unter Druck gesetzt. Anscheinend haben wir wirklich vergessen, ob sie auch Gefühle hat. Und nur Mamoru hat es gesehen. Ein Unbeteiligter. Und jetzt ist Usagi wie ein Vulkan ausgebrochen. Sie brauchte wohl einen Anstoß. Den hat er ihr gegeben." "Sie hat ihn mir ausgespannt.", Rei schaute verbittert zu ihren Freundinnen, "Sie haben sich immer nur gestritten. Jeden Tag. Woche um Woche. Ich habe mich so um ihn bemüht. Habe mit ihm gesprochen, nicht wie sie rumgeheult. Habe ihm Komplimente gemacht und nicht beleidigt. Wie sie. Ich hab ihn ins Kino eingeladen. Ihn nach Dates gefragt. Aber nie hat er reagiert. Hat mich immer nur abgewiesen. Und dann kommt Usagi daher und heult rum, dass wir sie böse anschauen und er nimmt es ihr ab. Hört ihr zu. Sie hat seine Nummer bekommen. Ich frage schon seit Wochen bei ihm deswegen nach. Aber er ist es immer übergangen. Jedes Mal. Wenn ich auf die Tränendrüse gedrückt hätte, hätte ich ihn eher bekommen. Aber so falsch bin ich nicht." Die anderen schauten sie entsetzt an. Meinte Rei das gerade ernst. Sie sahen, wie die Schwarzhaarige begann zu weinen. Konnten die Verzweiflung sehen. Ami legte einen Arm um sie, Makoto reichte ihr ein Taschentuch. "Hör mal.", begann Minako, "Usagi hat ihn dir nicht ausgespannt. Nicht bewusst." "Hä?", Rei schaute sie verheult an. "Die beiden streiten sich schon so lange. Jeden Tag. Sie zogen sich praktisch an. Wie Magnete und konnten nichts dagegen tun. Ich bin mir ziemlich sicher, dass unsere Usagi nicht mal weiß, was sie für ihn fühlt. Und Mamoru wird es ebenso gehen. Aber ich hab es gesehen. Er hat sie eben wie ein Löwe verteidigt. In seinen Augen lag soviel Gefühl." "Sie schläft bei ihm.", schluchzte Rei in ihr Taschentuch. "Ja, aber auf dem Sofa. Sie beginnen gerade eine Freundschaft. Sie hat in ihm gerade das gefunden, was ihr bei uns fehlt. Nämlich Verständnis. Und das ist das erste und wichtigste für eine Freundschaft. Vielleicht wird mehr daraus. Vielleicht auch nicht. Das werden wir sehen. Und du, Rei, wirst in beiden Fällen nichts dagegen tun könn. Denn wenn Usagi irgendwann wieder mit uns redet, dann haben wir das Mamoru zu verdanken. Und wenn sie mit ihm zusammen kommen sollte und sie dadurch wieder die Alte wird, dann sollten wie mehr als dankbar sein.", Minako schaute erst Rei an, dann die anderen. Alle nickten. Sie wussten, was Minako meinte. Still saßen sie noch beieinander. Zwischendurch klingelte Amis Handy. Usagis Eltern waren dran und fragten, ob es stimmen würde, dass ihre Tochter mit ihr am Wochenende lernen würde. Ami bestätigte Usagis Alibi. Sie war es ihr schuldig. Dann herrschte wieder Ruhe und jede der Mädchen und Katzen hing seinen eigenen Gedanken nach. Usagi betrat zusammen mit Mamoru seine Wohnung. Sie war zwischenzeitlich bei ihren Eltern zuhause gewesen und hatte wegen der Übernachtung bei Ami gefragt. Sie hatten eingewilligt und Usagi hatte sich einige Klamotten samt Zahnbürste in ihren Rucksack gepackt. War dann nach einer kurzen Verabschiedung wieder aufgebrochen. Sie und Mamoru waren noch einkaufen gewesen. Mamoru hatte zugegeben, dass er einen leeren Kühlschrank hatte und das wäre bei Besuch nicht gerade vorteilhaft. Beinahe eine Stunde waren sie im Supermarkt gewesen. Sie fand es erstaunlich, dass sie beinahe dieselben Lebensmittel bevorzugten. Vorallem was Schokolade und Chips anging. Er hatte sich angeboten, am Abend für sie beide zu kochen. Und Usagi freute sich schon jetzt darauf. Sie wollte ihm beim Bezahlen ihren Anteil vom Geld geben, was er jedoch ablehnte. Nun stand sie bei ihm im Flur, streifte ihre Schuhe ab. Als sie zuhause gewesen war, hatte sie sich umgezogen und trug nun eine bequeme Jeans und einen dünnen Pulli. Sie sah sich um, während Mamoru ihren Rucksack beiseite räumte und dann mit den Einkäufen in der Küche verschwand. Usagi folgt ihm und befand sich im Wohnzimmer. Sie ging hinüber zum Fenster und konnte beinahe die ganze Skyline von Tokio sehen. Es war wunderbar. Mamoru verräumte die Lebensmittel. Es war für ihn ein überraschender Vorschlag von Usagi gewesen, bei ihm zu übernachten. Ihm blieb gar keine Zeit, darüber nachzudenken oder ihn abzulehnen. Als er ihre Wutrede gehört hatte, war ihm klar gewesen, dass sie Abstand brauchte. Nicht nur von ihren Freundinnen sondern auch von ihren Eltern. In ging seine Erinnerungen durch. Aber er kam schnell zu dem Schluss, dass hier noch nie ein Mädchen übernachtet hatte. Ab und an war Saori zu Besuch gewesen. Eine Kommilitonin aus dem Vorbereitungskurs für den Fachbereich Chirurgie. Aber auch sie kam immer zusammen mit anderen Studienfreunden. Doch nun würde Usagi auf seinem Sofa schlafen. Er musst lächeln bei diesem Gedanken. Usagi sah immer noch hinaus auf die Skyline. Ihr war bewusst, dass sie mit ihrer Übernachtung Mamoru ziemlich überrascht hatte. Aber sie war glücklich, dass er zugestimmt hatte. Seit langer Zeit fühlte sie sich mal wieder sorglos. Auch wenn der Streit nicht schön war mit ihren Freundinnen, so fühlte sie sich danach befreit. Als wäre alle Last von ihr gefallen. Sie seufzte auf. "Alles okay?", Mamoru war aus der Küche gekommen. "Ja.", sie drehte sich zu ihm um, "Die Aussicht ist toll." "Stimmt.", er trat zu ihr. Beide standen nebeneinander. "Rei hat dir eine Ohrfeige gegeben?" "Ja. Aber ist egal." "Finde ich nicht." "Lass uns nicht mehr drüber reden. Du hast mich gerettet. Und dafür bin ich dir dankbar. Ohne dich hätte ich wahrscheinlich niemals den Mut aufgebracht, meine Stimme zu erheben. Vielleicht können sie es jetzt verstehen." Er sagte nichts dazu. Schweigend standen sie nebeneinander. Beide tief in Gedanken und sich doch näher dabei, ohne das der andere davon wusste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)