25 Ways to meet someone von Jyll ================================================================================ Kapitel 20: First Kiss ---------------------- 2005: Ruki hatte keine Lust von der Seite angetanzt zu werden, weshalb er immer wieder auswich. Irgendwie war heute nicht sein Tag. Oder nicht seine Nacht. Dieser Club, der normalerweise heisse Typen zu bieten hatte, gute Getränke und anheizende Musik, war heute irgendwie nicht dasselbe. Oder lag es nur an ihm selbst? Er beschloss, sich doch noch ein Getränk zu holen, das ihn vielleicht lockerer machte, und begann, sich durch die tanzenden Leiber hinaus zu drängen. Das war schwerer als gedacht, immer wieder stellte sich ihm jemand in den Weg. Entnervt tauchte Ruki unter einem Arm durch, bis er plötzlich vor einem Spiegel stand. Verdammt, die Spiegelwand hatte er ganz vergessen. Sie zog sich auf einer Seite der Tanzfläche entlang, um den Raum optisch zu vergrössern. Gut, war er nicht noch hinein gelaufen. Gerade wollte Ruki umdrehen, da erblickte er in der Spiegelung einen Mann hinter sich, der gut einen Kopf grösser war als er. Und er war ziemlich heiss. Seine Grösse hatte was Beängstigendes, andererseits aber auch etwas, das Ruki anmachte. Das Leder das er trug, die schweren Ketten und Ringe, der Haarschnitt und Iro…alles stand ihm ausgezeichnet. Ruki fiel gerade kein besseres Wort ein, als…cool. Nur eines war etwas seltsam, ein Band, das sich über dessen Gesichtsmitte zog, aber vielleicht erfüllte das einen Zweck oder…Rukis Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als er zwei heisse Hände an seinen Hüften spürte. Seine Augen weiteten sich rasch, doch er hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. Noch immer starrte er den Spiegel an und sah darin, wie der andere sich an ihn rangeschoben hatte, ihn nun festhielt, ohne dass es zu aufdringlich war und ihn langsam mit kreisendem Becken antanzte. Wurde hier nicht gelüftet oder warum war ihm gerade so heiss? Ruki dachte, die Schweisstropfen geradezu auf seiner Stirn zu spüren, doch er hatte keine Zeit, weiter darüber nach zu denken. Er schloss die Augen halb und stieg auf das Tanzen ein, bewegte seinen Körper so nah am anderen wie möglich. Für die erste Zeit beobachtete er ihr Tun durch halbgeöffnete Lider im Spiegel. Irgendwann hatte der Grössere ihn herumgedreht und Ruki konnte ihn so von nahem sehen. Er hatte vergessen, dass er eigentlich hatte was trinken wollen und erst, als er das Gefühl hatte, sämtliches Wasser aus seinem Körper geschwitzt zu haben, bei diesem heissen Tanz, schob er den anderen weg. Ihm war leicht schwindlig, er musste hier raus. Instinktiv drängte er sich sofort aus der Menge, so schnell es eben ging, fiel beinahe von der Tanzfläche und atmete erst mal tief ein, doch auch hier waren noch viel zu viele Leute. Etwas weiter weg erblickte Ruki das blinkende Schild der Toiletten und lief darauf zu. Mit dem Handballen stiess Ruki die Tür aus billigem Holz, verklebt mit Sprayfarbe, auf, so heftig, dass sie gegen die Wand stiess und er in den Raum aus Fliessen, die mal weiss gewesen waren, hineinstolperte. Tief einatmend lehnte er sich an die Wand neben dem heruntergerissenen Papierspender. Kaum war die Tür zugeflogen, ging sie wieder auf, diesmal aber langsam und fast geräuschlos, wenn ihre Angel nicht so alt und ungeölt gewesen wäre, dass sie quietschte. Der Typ mit dem Nasenband stand da, seine Augen auf Ruki fixiert und kam langsam rein. Er kam ziemlich dicht an Ruki heran und sah ihm in die Augen. Ruki wischte sich die Haare aus dem Gesicht, um ihm die Stirn zu bieten, wenn nötig. „Du schuldest mir noch einen Kuss…“, meinte der Grössere mit der tiefen Stimme. „Was…wieso sollte ich dir einen Kuss schulden…? Nur weil wir getanzt haben, heisst das noch gar nichts!“, blaffte Ruki. Er sah ja gut aus, aber das hiess noch nicht, dass er einfach alles von ihm bekam. Auch wenn er wirklich wirklich gut aussah… „Nein…du schuldest mir diesen Kuss schon sehr lange…ich hatte dafür bezahlt…“ Mehr als verwirrt blickte Ruki ihn an. Was hatte der denn eingeworfen?! „Bezahlt…ich bin doch keine Nutte oder so was! Du verwechselst mich wohl…“ Ruki wich etwas zurück, doch der andere wich nach, auch wenn er ihn nicht berührte. „Nein. Ganz bestimmt nicht. Ich würde dich immer erkennen, Takanori. Du scheinst dich nicht zu erinnern, wie solltest du auch…aber ich erinnere mich genau…“ 1995: Akira tapste mit dem Fuss im plattgedrückten Gras herum und sah ungeduldig an der Schlange vorbei nach vorne, wo es viel zu langsam vorwärts ging. Der Lärm drum herum war betäubend, überall schrien grosse und kleine Kinder, das Drehkarussell in der Nähe spielte immer wieder die gleiche Melodie rauf und runter, Zuckerwatte wurde ausgeschrien, es knallte beim Schiessstand. In der Nähe flog ein roter Ballon in die Luft, der unachtsam losgelassen worden war, und tanzte nun den blauen Himmel hinauf, um die wenigen schneeweissen Wolken zu erklimmen. Wieder sah er nach vorne und zählte die Leute vor ihm ab. Es waren noch immer 9. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf seinen Oberschenkel und spähte hinauf zum Podest, das durch eine kleine Treppe erreicht werden konnte. Dort hinauf wollte er. Doch zuerst waren acht andere Personen dran. Akira wurde immer nervöser, doch auf so einen Moment hatte er schon ewig gewartet…eigentlich hatte er ihn sich ja anders vorgestellt, aber man nahm, was man kriegen konnte und für ihn war das nun schon das Paradies. Unruhig bliess er die Luft aus dem gespitzten Mund und strubbelte sich durchs Haar. Akira fühlte sich, als würde er schon Stunden hier anstehen. Jetzt waren es nur noch fünf weitere vor ihm. Fünf die zuerst bei der kleinen Person oben sein würden, ihr gegenüber Platz nehmen durften und…Aki hielt die Luft an, als es gerade jemand tat und dann verschwand. Es war für einen guten Zweck. Mit einem kleinen Entgelt durfte man sich anstellen, um auf der Bühne dann seinen Kuss abzuholen. Das Geld wurde dann gespendet. Für was wusste Akira nicht, das war ihm auch egal, denn er wollte nur eines. Den Kuss. Es war nicht irgendein Kuss für ihn, denn eigentlich wollte er die kleine Gestalt, die da oben sass, schon verdammt lange küssen. Aber wie stellte man das an? Vor allen Dingen war er auch noch ein Mann. Also Akira war ein Mann und ja, Takanori dort oben eben auch. Weshalb Akira von einigen Mädchen in der Schlange komisch angesehen wurde. Aber das war ihm egal, er wartete schon lange auf einen Kuss und der einzige Junge in der Schlange war er ja auch nicht. Nur vielleicht einer, von dem man es nicht so erwartete. Akira war eher unscheinbar. Seine langen Haare hatte er grosszügig ins Gesicht gekämmt, um sich und seine grosse Nase dahinter verstecken zu können. Er gehörte bei nichts dazu, hatte absolute Durchschnittsnoten, war weder auffällig genug, dass jemand seinen Namen kannte, noch so ein Aussenseiter, dass man ihn irgendwie abfing und seinen Kopf in die Kloschüssel tauchte. Er lief mehr wie ein Geist durch seine Schule, was Vor- und Nachteile hatte. Takanori da oben war da schon eine Stufe höher. Seine Noten waren im oberen Mittel, er war vor einem Jahr sogar Klassensprecher gewesen und erfreute sich seit dem einer mässigen Popularität und allgemeiner Beliebtheit. Er war relativ klein, deshalb mochten ihn nicht alle Mädchen, dafür einige der Jungen. Inklusive Akira. Aber er hatte Takanori schon vorher gemocht. Und küssen wollte er ihn schon lange vorher. Akira hatte nur nicht gewusst, wie er auf sich aufmerksam machen sollte, wie er mit Takanori in ein Gespräch kommen sollte und schon gar nicht, wie er die inoffizielle, aber klar vorhandene Hierarchie ihrer Schule überbrücken konnte. Das alles spielte aber jetzt keine Rolle, wo es um einen guten Zweck ging. Der gute Zweck war für Akira eher, seinen langen Wunsch zu erfüllen. Es waren nur noch drei Personen. Seine Handflächen wurden schwitzig und er strich sie an den Hosen ab. Von hier konnte er sehen, was Takanori trug, wie er sich die Haare gemacht hatte und sogar seinen Ohrring. Etwas geschminkt war er auch, wenn Akira sich nicht irrte und es stand ihm. In der Schule durften sie solche Dinge ja nicht. Noch genau wusste er, wie er Takanori das erste Mal gesehen hatte. Es war die jährliche Versammlung des gesamten Jahrganges gewesen in dem Jahr, in dem Takanori Klassensprecher geworden war. Akira hatte zusammen mit allen anderen Schülern ihrer Stufe auf den vielen Stühlen der Aula Platz genommen. Weil er zu spät dran gewesen war, hatte er sich nicht nach hinten setzten können, weil schon alle anderen Schulhasser sich dort niedergelassen hatten. Er musste also weiter vorne sitzen. Im Nachhinein war er darüber sehr froh. Andernfalls hätte er die kleine Gestalt, die da auf der Bühne, zusammen mit den anderen Klassensprechern stand, nicht gesehen. Doch von so nahem hatte er alles sehen können. Akira glaubte, dass er sich sofort in den Jungen verknallt hatte. Es hatte kein Wenn oder Aber gegeben. Er hatte ihn einfach nur anfassen wollen. Und küssen wollen. Noch nie hatte er einen Jungen mit so vollen, perfekten Lippen gesehen. In Gedanken seufzte Akira tief und bemerkte plötzlich und beinahe geschockt, dass er der Nächste sein würde, der auf das Podest durfte. Es war noch ein Mädchen aus der Parallelklasse da oben auf dem anderen Stuhl und lächelte gerade zufrieden, als Takanori den kurzen Kuss löste. Akiras Herz schlug bis zum Hals, ach was, es raste durch den ganzen Körper. Mit zittrigem Bein nahm er die erste Stufe. Takanori trank gierig aus einer Wasserflasche. Er sah erschöpft aus. Mit weichen Knien nahm Akira die zweite Stufe. „Ey, Taka!“ Takanori sah auf und Akira blieb erschreckt stehen. Von der anderen Seite des Podests kam der neue Klassensprecher herauf gehüpft und grinste. „Ich bin die Ablösung! Du hasts geschafft.“ Vor Akiras schreckensgeweiteten Augen stand Takanori auf, seufzte tief und erleichtert und verschwand schneller vom Podest, als Akira den Fuss auf die dritte und letzte Stufe setzten konnte. 2005: Rukis Augen waren weit aufgerissen und die Iris darin ganz klein, da das grelle Licht der Toiletten direkt in die Augen schien. „Das…aber das ist doch ewig her…das warst du…ich meine…ich glaube, dass ich weiss, wer du bist, aber…wie kannst du dich erinnern? Ich seh doch ganz anders aus…und du…“ Seine Augen wanderten runter und wieder rauf. „Also du…siehst auch ganz anders aus…“ Er musste leicht schlucken. Er war mit diesem heissen Typen zur Schule gegangen? Der andere hatte sich aber um 180 Grad gedreht… an so jemanden könnte sich Ruki sonst bestimmt erinnern. Sein Hirn spielte die verschwommenen Gesichter durch. Er war mit zahlreichen Leuten zur Schule gegangen und das war gute zehn Jahre her. Nein, er war sich nicht sicher, wen er da genau vor sich hatte, doch warum sollte der andere lügen? Das konnte er nicht wissen, wenn es nicht wirklich so gewesen war. Und was sein Hirn wirklich zum durchdrehen brachte, war…der Mann vor ihm wollte diesen Kuss wirklich noch. Nach all der Zeit, nach all den Veränderungen. Dieser Mann hatte doch einen Kuss von ihm nicht wirklich nötig. Der Grössere lächelte schief. „So, und jetzt möchte ich gerne meinen Kuss…du weisst ja...ist für nen guten Zweck…“ Er zwinkerte Ruki zu und beugte sich langsam hinab. Ruki spürte etwas Kaltes an den Fingern und merkte, wie er sich am Waschbecken abstützte, damit es ihm nicht in den Rücken schnitt, während der Mann immer näher kam. Sein Herz raste noch immer, seine Hände wurden leicht schwitzig, seine Knie weich. Ausweichen könnte er zwar knapp, doch ob er das wollte… Ruki schloss die Augen und hörte das Karussell, schmeckte Zuckerwatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)