Zimtsterne von Idris (Stiles & Scott [+Sterek]) ================================================================================ Kapitel 1: Amazon hat die Lösung -------------------------------- Scott platzt durch die Tür und bringt einen Schwall kalter Luft von draußen in Stiles Zimmer. „Stiles!“ ruft er atemlos. „Scott“, erwidert Stiles, ohne sich von seinem PC abzuwenden. Es klingt wie ‚Scoff‘, weil er einen Becher voller Cola zwischen den Zähnen balanciert. Er hat 13 Programme am Laufen und er hat 78 Tabs offen. Niemand stellt sich zwischen einen Mann und seine 78 Tabs. „Es ist ein Notfall“, sagt Scott eindringlich. Er zerrt Mantel und Handschuhe aus und lässt sie achtlos auf den Boden fallen. „Werden wir angegriffen? Sollte ich um mein Leben rennen?“ fragt Stiles und klickt verzweifelt weiter, auf der Suche nach dem einen Tab, den er jetzt wirklich braucht. „Brennt das Haus?“ „Viel schlimmer.“ Aus den Augenwinkeln sieht er wie Scott sich unzeremoniell hinter ihm auf das Bett fallen lässt und sein Gesicht in den Armen vergräbt. „Ich brauche ein Geschenk“, stellt er fest, in einem Tonfall, in dem andere Menschen sagen ‚Ich habe nur noch sechs Monate zu leben‘. „Alter. Du brauchst noch alle Geschenke“, stellt Stiles mitleidslos fest und zerrt an der Maus, die irgendwo festhängt. Scott stöhnt. Seine Stimme klingt gedämpft, weil er das Gesicht in einem Kissen vergraben hat. „Wieso fällt mir das jedes Jahr so spät ein? Wieso? Wieso ist Weihnachten immer so plötzlich?“ „Ja, kaum zu glauben, dass sie es so spontan und völlig willkürlich wieder auf den 24.12. gelegt haben. Kann man sich denn auf gar nichts mehr verlassen im Leben?“ Scott angelt nach einem Kissen und wirft es in Stiles‘ Richtung, ohne hinzusehen. Und weil er ein Werwolf ist, trifft er auch noch. „Ey! Alter!“ Stiles hustet, weil Cola in die falsche Röhre gelangt ist und setzt den Becher ab. „Uncool?“ Er kann ja nichts dafür, dass Scott jedes Mal bis zum 23. wartet, bis ihm einfällt, dass er noch Geschenke braucht. Stiles hat seine Geschenke schon. Das ist allerdings auch nur Lydias Verdienst, weil sie das Ganze so militärisch angeht wie ein Generalfeldwebel, und ihn Anfang Dezember auf einem langen, traumatischen Shopping-Feldzug mitgeschleift hat. Scott seufzt tief und tragisch. Und dann kommt er auch direkt zum Kern des Problems. „Was soll ich Allison schenken?“ Stiles ringt einen kurzen Augenblick lang mit sich, zwischen ADHS und 78 offenen Tabs auf der einen Seite und ‚bester Freund‘-Verpflichtungen auf der anderen Seite hin und hergerissen. Die ‚bester Freund‘-Verpflichtungen gewinnen. So wie eigentlich immer. Er hat gewusst, dass das Thema nochmal aufkommt, egal wie gut Scott das Ganze nach außen hin verkraftet hat. „Musst du ihr denn was schenken?“ fragt er und schwingt seinen Schreibtischstuhl um 180° Grad, weg vom Bildschirm und hin zu dem traurigen Klumpen Scott, der sein Bett ziert. „Ich dachte, das hätte sich jetzt erledigt?“ Nicht, dass Stiles irgendeine Ahnung davon hätte, denn um eine Ex-Freundin zu haben, muss man zuerst mal eine Freundin haben und tja… nope. Scott liegt bäuchlings auf dem Bett, alle viere von sich gestreckt und sein Gesicht versteckt unter einem Haufen zerzausten Haaren. Er sieht aus wie ein erschossener Hund. „Ich will“, murmelt er gedämpft. „Was willst du ihr denn schenken?“ fragt Stiles zweifelnd. Scott hebt den Kopf. „Ich brauche etwas, das sagt ‚Ich will nur, dass du glücklich bist, und Isaac ist wie ein Bruder für mich, aber ich liebe dich immer noch, und ich will dir keinen Druck machen, aber vielleicht können wir mal freundschaftlich einen Kaffee trinken gehen, ich vermisse dich, bitte melde dich‘“, erwidert er wie aus der Pistole geschossen. „Ok~ay. Klar“, sagt Stiles und schwingt zurück zu seinem PC. „Das wird dich jetzt vielleicht überraschen, Scott, aber Amazon empfiehlt dir bei dieser beunruhigend spezifischenSuchangabe „Verbotene Liebe – sie waren zwei Brüder“ zu kaufen. Oder als Alternativvorschlag: „Bitte melde dich – vermisste Nutztiere und ihre verzweifelten Besitzer. “ Kannst du damit etwas anfangen?“ „Nein“, sagt Scott unglücklich. „Hm“, macht Stiles nachdenklich. „Vielleicht für Oma Procházková.“ „Ich weiß nicht mal, was ich meiner Mum schenken soll“, fährt Scott fort und rauft sich die Haare. Und Stiles denkt innerlich ‚aha‘, während er „Verbotene Liebe – sie waren zwei Brüder“ mit einem Mausklick in den Einkaufskorb befördert. Er hat erwartet, dass das kommt, denn er kennt seinen besten Freund lange genug, um zu merken, wenn sie endlich am Kern des Problems angelangt sind. Und das ist die aktuell noch ungeklärte familiäre Situation im Haushalt McCall. „Mein Vater schenkt ihr bestimmt Socken“, sagt Scott auch prompt, das Gesicht verzogen, als ob er in ein Bündel Wolfskraut gebissen hätte. „Okay?“ sagt Stiles. „Das war doch immer mein Geschenk. Was schenk ich ihr denn jetzt, wenn er ihr Socken schenkt?“ „Er schenkt ihr bestimmt hässliche Socken?“ „Wieso muss er überhaupt hierbleiben…“, murmelt Scott. Er klingt persönlich gekränkt von dem Gedanken. Gekränkt und sehr unglücklich, denn eigentlich, und das weiß er so gut wie Stiles, geht es hier gar nicht um die Socken. „Wir könnten was backen“, schlägt Stiles schließlich vor, als absehbar wird, dass Scott mit seinem ganzen Vorweihnachtlichen Herzschmerz nirgendwo anders hingehen wird. Scott hebt langsam den Kopf. Seine Haare fallen ihm in die Stirn und er kaut auf seiner Unterlippe. „Was denn?“ „Weiß nicht? Zimtsterne?“ Stiles zuckt mit den Schultern. „Wir könnten genug machen, dass du sie deiner Mum und Allison und Deaton schenken kannst.“ „Und Isaac“, sagt Scott, weil er ein zuckerwatteweiches Herz hat. „Klar“, erwidert Stiles. „Nichts sagt so schön ‚ich vergebe dir, dass du meine Freundin ausgespannt hast‘ wie eine Tüte selbstgebackener Kekse.“ „Er hat es nicht böse gemeint“, gibt Scott zurück. Er hat sich aufgesetzt und die Beine über die Bettkante geschwungen. Er macht Anstalten etwas zu sagen, aber dann pausiert er und legt fragend den Kopf schief. „Alles okay?“ fragt er völlig aus dem Nichts heraus. „Klar.“ Stiles schwingt mit dem Stuhl hin und her und weicht seinem forschendem Blick aus. Scott runzelt die Stirn. „Sicher? Du siehst so…“ „Ich hab das Rezept für Zimtsterne unten“, unterbricht Stiles ihn. „Mein Dad und ich wollten welche backen, aber …“ Er zuckt mit den Schultern. „Du weißt ja, wie es ist.“ „Extraschicht?“ fragt Scott mitfühlend. Stiles nickt. „Extraschicht.“ Er tippt auf seiner Tastatur herum, bis der PC sich herunterfährt. „Also?“ fragt er. „Wir haben noch nie erfolgreich was gebacken“, gibt Scott zu Bedenken. „Und?“ „Und das letzte Mal, als wir es versucht haben, hast du mir die Augenbrauen abgesengt.“ Stiles greift sich empört an die Brust. „Alter! Ich war neun Jahre alt! Wie lange willst du mir das noch vorhalten?“ „Das ist ein grauenhafter Vorschlag“, sagt Scott. Aber er klingt schon wesentlich aufgeheiterter. „Ich bin dabei!“ - Niemand setzte Augenbrauen oder andere Körperteile in Brand und Scott wirkt danach wesentlich gelöster als vorher, von daher verbucht Stiles das Ganze als Erfolg. Auch wenn die Küche am Ende aussieht wie ein Schlachtfeld. Sogar die Zimtsterne sehen überwiegend aus wie Sterne und nur ganz wenige sehen aus wie ein Magengeschwür. Der Backofen ist an und alles ist warm und riecht nach Plätzchenteig und Zimt. Alles ist so schön und idyllisch, dass Stiles es kaum noch aushält. Es ist ein bitteres Gefühl, was in seinem Magen nach oben steigt und ihm die Kehle zuschnürt. „Hey Stiles, wo sind die…?“ Scott pausiert, mitten im Satz. „Stiles?“ Stiles wendet sich ab und beißt die Zähne zusammen. „Was ist denn los… weinst du etwa?“ Scott klingt alarmiert. Stiles wischt sich hastig über die Augen und zwingt sich tief durchzuatmen. „Nein.“ „Stiles…“ Scott greift nach seinem Arm, und Stiles reißt sich ruckartig los. Ohne abzuwarten, marschiert er ins Wohnzimmer und sinkt auf die Couch. Sein Gesicht ist verdächtig nass und er reibt sich mit den Händen darüber, bis es aufhört. Er weint nicht. Er hat … nur was im Auge. Einen Splitter. Oder einen Zweig. Oder vielleicht einen ganzen Baum. Als er aufblickt, steht Scott in der Wohnzimmertür. Er sieht entsetzt und besorgt und totunglücklich zugleich aus, was ulkige Dinge mit seinem Gesicht anstellt, und er hat eine Hand in den Türrahmen verkrallt, als ob er unsicher ist, ob er näherkommen darf oder nicht. „Ugh“, macht Stiles und seufzt. Seine Stimme klingt belegt, als ob er erkältet wäre. „Es ist alles okay. Guck nicht so.“ Scott sieht das offenbar als Aufforderung näher kommen zu dürfen, denn er tapst auf die Couch zu wie ein eifriger Hundwelpe und lässt sich neben ihm nieder. „Vorweihnachtliche Erschöpfung?“ bietet Scott an und Stiles muss lachen. Er schüttelt den Kopf und reibt sich erneut über die Augen. „Sorry“, sagt er. „Es ist nur… Ich bin viel zu lange wach und Weihnachten macht mich sentimental und … ignoriere einfach alles, was ich sage.“ „Stiles“, sagt Scott sacht und rutscht noch ein wenig näher zu ihm heran. In einer beiläufigen Bewegung legt er Stiles einen Arm um die Schultern. Und Stiles würde gerne einen sarkastischen Spruch ablassen und so tun, als ob alles in Ordnung wäre, aber Scott ist so warm und einladend und seine großen braunen Augen sehen so besorgt und offen aus, dass sein ganzer Sarkasmus einfach in ihm verpufft, wie ein Ballon aus dem man die Luft gelassen hat. „Ist es wegen deiner Mum?“ fragt Scott zögernd. Und dann, mit einem Gesichtsausdruck von schlagartigem Verstehen: „Es sind ihre Zimtkekse, oder?“ Stiles nickt. Er zuckt hilflos mit den Schultern. „Es ist… alles. Es ist mein Dad, der sich natürlich um sämtliche Extraschichten reißt, damit er nicht zu Hause sein muss und bloß nicht mitkriegt, dass Weihnachten ist. Es sind meine bescheuerten Plätzchen, die nie so schmecken, wie meine Mum sie hingekriegt hat. Es ist Mum. Es ist…“ Er bricht ab. Danach lässt er den Kopf auf Scotts Schulter sinken und lässt zu, dass Scott ihm mit einer Hand beruhigend über den Rücken streichelt. Weihnachten ist das Fest, dass ihn an alle Menschen erinnert, die nicht hier sind. „Ich hab doch nicht alle Geschenke“, sagt er schließlich mit belegter Stimme. „Ach ja?“ sagt Scott. Es klingt fragend. „Ich bräuchte noch eins. Eins, das sagt ‚Wieso bist du weggegangen, du Arsch, und wieso hast du nicht mal ‚Auf Wiedersehen‘ gesagt? Ich hab Lacrossespiele wegen dir verpasst und mein Leben riskiert und ich hab dich vier Stunden über Wasser gehalten und du hast mir nicht mal ‚Auf Wiedersehen‘ gesagt. Und ich vermiss dich überhaupt nicht, dich und dein blödes Auto nicht, und deine blöde Schwester nicht, und deine blöde Lederjacke schon gar nicht und dein doofes Gesicht am allerwenigstens, und wegen mir kannst du da wo der Pfeffer wächst den Mond anheulen ‘. Seine Stimme bricht bei der letzten Silbe. Sekundenlang ist Scott ganz still neben ihm, beinah erstarrt in seinen Bewegungen, bevor er ganz leise ausatmet. „Oh…“, sagt er leise. „Ja“, schnieft Stiles. „Genau. Oh.“ Scott fährt ihm mit der Hand über den Kopf, so sacht und mitfühlend, dass Stiles beinah erneut in Tränen ausbricht. „Was… was hat Amazon dazu vorgeschlagen?“ Stiles gibt ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Lachen und Schluchzen ist. „Schwimmen für Anfänger‘. Und ein paar bedenklich pornographisch aussehende Bücher über Hundezucht.“ „…vielleicht für deine Oma in Teplitz?“ „Ja. Vielleicht das.“ Es ist seltsam, es laut ausgesprochen zu haben, nachdem es die letzten Wochen in seinem Magen rumort hat wie ein Geschwür. Seltsam und erleichternd zugleich. Vielleicht auch einfach nur, weil Scott keine große Sache daraus macht und ihn nicht dazu zwingt über Gefühle zu reden, die absurd und unpassend und sinnlos sind. Stattdessen holen sie die Plätzchen aus dem Ofen, dunkel und vielleicht eine Spur zu knusprig, verbrennen sich kollektiv die Finger und verziehen sich zurück auf die Couch. Draußen ist alles dunkel und kalt, aber hier drin ist es warm und etwas von dem schweren Gefühl in Stiles Magen ist etwas leichter geworden. „Wenn du willst“, sagt Scott zögernd schließlich und mit einer Handvoll Zimtsterne um Mund, „ruf ich Cora an. Sie hat Lydia ihre Nummer dagelassen.“ „Nein. Schon gut. Das musst du nicht.“ „Hey“, sagt Scott und knufft ihm in die Seite. „Du bist mein bester Freund! Und ich bin jetzt der Alpha. Wenn Derek gemein zu dir ist, dann … dann… werde ich ihn sehr nachdrücklich darauf hinweisen!“ Stiles lacht. „Danke“, sagte er. Er kuschelt sich dichter an Scott und schiebt sich einen weiteren Zimtstern in den Mund. Wenn er die Augen zumacht, schmecken sie doch ein ganz kleines bisschen wie die von seiner Mutter. Aber vielleicht liegt das auch nur daran, dass Scott warm und tröstend neben ihm sitzt und sich anfühlt wie zu Hause. Ende (?) Nachwort: Ups. Ich hatte Gefühle? Frohe Weihnachtstage. ;) Und ich schreibe derzeit gerade an meiner Sterek-Weihnachts-Kitschgeschichte. Wenn ich es hinkriege, folgt die Morgen auch noch. (Vielleicht...) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)