Kleinigkeiten von Rockryu (für Kathrin) ================================================================================ Kapitel 1: Herz --------------- „Ist sie nicht eine wundervolle Frau?“, schwärmte der blonde Komponist seinem besten Freund vor. Jener Freund, ein schwarzhaariger Sänger, wirkte plötzlich traurig. Er kannte den Komponisten schon, seit er sich zurückerinnern konnte. Daher wusste er, dass dieser Sex und die Frauen ganz allgemein liebte, so wie sie ihn auch liebten. Und ihm war durchaus klar, dass er wohl einen entsprechend ausschweifenden Lebensstil führte, auch wenn das der Aspekt im Leben des Komponisten war, mit dem sich der Sänger möglichst nicht beschäftigen wollte. Doch nun las er im ganzen Verhalten des Blonden, seiner Gestik, Mimik und Stimme, dass er wirklich verliebt in diese eine Frau war. Normalerweise wäre der Sänger darüber sehr froh gewesen. Bei seinem unsteten Wesen und seinen Launen konnte es seinem Freund nur gut tun, Stabilität und Liebe in seinem Leben zu haben. Nur warum musste es ausgerechnet diese Frau sein? „Die Wundervollste überhaupt“, erwiderte der Sänger leise, aber fest. Der Komponist, nicht gewohnt in einem seiner häufigen Gefühlsausbrüche bestärkt zu werden, hielt inne und betrachtete seinen Freund überrascht. „Du findest das auch?“, wunderte er sich arglos. Der Sänger sah ihm traurig in die Augen, als er leise, aber deutlicher als nötig sagte: „Ja.“ Als der Komponist verstand, was sein Gefährte seit Kindertagen ihm sagen wollte, erblasste er sichtlich und trat einen Schritt zurück. Und sobald er die Erkenntnis ganz begriff, ertrug er es nicht mehr, ihm ins Gesicht zu sehen und sah zu Boden. „Ich… es tut mir so Leid…“, murmelte er betroffen. „Es ist nicht deine Schuld“, sagte der Sänger mit der Gelassenheit und dem traurigem Lächeln von jenen, die sich mit einem Verlust abgefunden hatten. Und das entging dem Komponisten keineswegs. „Es war trotzdem nicht schön für dich, mich so Schwärmen zu hören“, meinte er, nun wieder sicherer, „und das tut mir Leid, egal was du jetzt sagst.“ Der Sänger seufzte. „Ich werde mich sicher nicht deiner Liebe in den Weg stellen. Wenn du mit ihr glücklich bist, werde ich damit klarkommen.“ „Immer langsam, ich habe erst ein paar Mal mit ihr gesprochen.“ Der Komponist schenkte seinem Freund ein aufmunterndes Lächeln. „Wer weiß, vielleicht mag sie dich ja lieber als mich.“ Als Antwort zog der Sänger lediglich eine Augenbraue hoch und sah demonstrativ an sich herunter. Sie waren beide nicht mehr jung, doch der Komponist hatte immer noch seine blonden Locken, sein charmantes Lächeln und seine schlanke, durchtrainierte Figur. Eine längere Beziehung hatte er nie gehabt, doch die zahlreichen Frauen, mit denen er Affären gehabt hatte, grollten ihm selten, denn er wusste sie trotz allem mit Respekt zu behandeln. Der Sänger hingegen war einst verheiratet gewesen. Doch seine Frau hatte ihn nicht nur im Hinblick auf ihre Ehe betrogen, stattdessen hätte er ihretwegen beinahe sein gesamtes Vermögen und seinen besten Freund verloren. Die Scheidung kam einer Erlösung gleich. Er war weder charmant noch gutaussehend, hatte auch einige Kilo zuviel. „Was? Warum sollte sie nicht?“, schnappte der Komponist trotzig. „Als ob ich mit dir in irgendeiner Hinsicht mithalten könnte“, knurrte der Sänger, der glaubte, es handele sich hierbei um einen Scherz auf seine Kosten. Sein Freund verdrehte die Augen, dies sah ihm so ähnlich. Er hatte sich immer in seinem Schatten gesehen, da er weniger gutaussehend und selbstbewusst war, zudem hatte er von seinen Eltern auch nie viel Wertschätzung erhalten. Der Komponist hatte das jedoch nie so gesehen. Er war oft unsicher, unstet und gesundheitlich angeschlagen, aber zu stur und stolz, um sich damit auseinanderzusetzen. Es war der Sänger, der ihm mit seiner Präsenz Halt gab und ihn dazu brachte, ordentlich zu schlafen, zu essen und zum Arzt zu gehen, gegebenenfalls auch gegen seinen Willen. Zudem setzte er sich oft und vehement für andere ein. „Komm mir nicht wieder mit diesem Unsinn“, rief er daher. „Mag ja sein, dass ich allgemein für hübscher gehalten werde, aber das macht mich nicht überlegen! Ich bin ein chaotisches, starrsinniges Nervenwrack, mit dem es kaum einer länger als drei Wochen aushält, abgesehen von dir. Aber du, du hast ein Herz aus Gold.“ Mit sanfterem Gesichtsausdruck trat er zu dem Sänger und legte die Hände auf seinen Schultern. „Du warst nie böse auf mich wegen damals, dabei hätte ich es mindestens genauso verdient gehabt wie du. Du setzt dich immer für andere ein, egal ob das ich bin oder jemand völlig Fremdes. Und wer hat denn immer meine Launen ertragen, wenn es mir schlecht ging, das ewige Gefluche und Gezicke?“ Er sah, dass sein Freund mit den Tränen kämpfte, auch seine Sicht war verdächtig verschwommen. So zog er den Sänger in eine feste Umarmung und flüsterte: „Das war nicht irgendeine Frau, sondern du. Du bist mein bester Freund.“ „Du bist auch mein bester Freund“, würgte der Sänger hervor, bevor er sich unterdrückt schluchzend an die Brust des Komponisten krallte. Dieser streichelte ihm etwas unbeholfen durch das schwarze Haar. Normalerweise war er derjenige, der dem anderen wegen irgendetwas die Hemden durchnässte. „Du bist der wunderbarste Mensch, den ich kenne“, sagte er, „und wenn sie zu blind ist, um das zu sehen, dann will ich sie auch nicht.“ „Du hast immer zu mir gestanden, egal wie viel Mist ich gebaut habe“, schluchzte der Sänger und krallte sich fester an ihn, „Und ich habe viel Mist gebaut, streite das bloß nicht ab! Ich werde nicht noch mal riskieren, dich zu verlieren. Keine Frau der Welt ist das wert.“ So standen sie eine ganze Weile still da, bis ein leises Rascheln ihre Aufmerksamkeit zur Tür lenkte. Sie war offen und ihre Liebste lehnte im Rahmen. Wie lange sie dort gestanden hatte, war nicht ersichtlich, doch sie lächelte sanft und ihre fast unwirkliche Schönheit strahlte den ganzen Raum aus. Sie ließen einander los, der Sänger wischte sich verstohlen die Tränen aus den Augen und der Komponist strich sich verlegen eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. „Ich… Wir…“ Die Frau hob noch immer lächelnd eine schlanke, weiße Hand und bedeutete ihnen, zu schweigen. In ihren Augen lag ein warmer Glanz. „Es ist alles gut. Nun wird alles gut“, sagte sie. Als sie diese Worte gesprochen hatte, löste ihre Gestalt sich in golden glitzernden Staub auf, der sich rasch in der Luft verlor. Dort wo sie gestanden hatte, lag ein Rosenzweig, aus dem zwei Blüten gesprossen waren, eine blau und eine weiß. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)