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Vom Dunkel und vom Licht

Das unaufhörliche Streben nach Glück und die Kellen die das Leben gibt
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hi,
schön, dass ihr Haruka in einem weiteren Kapitel begleitet. Dieses Mal wird es etwas heftiger zugehen, ich denke aber nicht, dass es deswegen schon als Adult gekennzeichnet werden muss. Der durchschnittliche Minderjährige hat sicher schon Saw 1 bis 25 geguckt.

Da ich keinen Betaleser habe, kann es natürlich sein, dass mir der ein oder andere Rechtschreibfehler entwischt ist. Auch weil ich immer etwas ungeduldig bin und euch das neue Kapitel so schnell wie möglich präsentieren will.
Sollte euch etwas extrem störendes auffallen, schreibt mir doch eine ENS. Ansonsten freue ich mich natürlich sehr über Kommentare.

Liebe Grüße
Vanhia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen ihr Lieben,
Herzlich Willkommen zu einem neuen Kapitel. Heute geht es mal mehr zur Sache.
Da ich gefragt wurde, wie man sich die Metallbolzen in Harukas Nacken vorstellen muss, kopiere ich hier einfach mal die Erklärung dazu, für den Fall, dass es dem Einem oder anderen Ähnlich schwer fällt sich unter meiner Beschreibung im Text etwas vorzustellen. Auf jeden Fall danke dafür, dass ihr mich darauf Aufmerksam gemacht habt :)

Es handelt sich um kleine Metallbolzen. Aussehen tut das Ganze grob wie bei den sechs Pains, nur dass sie noch ein wenig schmaler, vielleicht wie Stecknadelköpfe sind.
Der Unterschied zu Nagatos kleinem Kampfteam ist, dass Harukas Stifte nicht dazu da sind ihren Körper für Chakra empfänglich zu machen.
Mehr verrate ich an dieser Stelle aber nicht.
Es befinden sich drei dieser "Bolzen" an ihrem oberen Nacken, wo der Hals zur Schädeldecke übergeht.
Wenn ich es beschreiben müsste, würde ich sagen: Fasst euch mal mit der Hand an den Nacken bis ihr eure Halswirbelsäule spürt. Dann geht weiter hoch bis ihr die Stelle findet, wo der Knochen "im Kopf verschwindet", dort spürt ihr eine weiche Stelle. Das ist die genaue Position der Stifte.
Vielleicht versuche ich mich mal am künstlerischen Aspekt und zeichne Haruka. Allerdings bin ich im Mangastil nicht sonderlich zu gebrauchen, weswegen ich bezweifle, dass man es hier freischalten wird.

Ganz liebe Grüße
Vanhia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen ihr Lieben
(BITTE BITTE MITLESEN! :))

Schön, dass ihr bei einem neuen Kapitel dabei seid.
Es tut mir wirklich leid, wenn euch das Warten etwas schwerer gefallen sein sollte, aber zu meiner Verteidigung :
Es war nicht meine Schuld.
Ich habe schon knapp drei oder vier Tage darauf gewartet, dass der Text freigeschaltet wurde. Scheint ganz schön was los zu sein im vorweihnachtlichen Schreibverkehr.

Ich bin etwas unschlüssig über den Fortgang der Story und wollte euch einfach mal fragen. ( vorausgesetzt ihr lest das Autorenvorwort überhaupt'g')
Soll ich genau wie im Manga oder Anime den Zeitsprung mitmachen oder lieber erst noch ein wenig über Harukas' 'Privatleben' in Konohagakure erzählen?
Schreibt mir doch eure Meinungen in die Kommentare oder auch per ENS, darüber würde ich mir sehr freuen und ihr würdet mir auch sehr weiterhelfen!
Ganz liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen
Vanhia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo meine Lieben und herzlich Willkommen zu einem weiteren Kapitel.

Dieses hier hat mich eine Menge nerven gekostet und ich schreibe schon seid gschlagenen drei Tagen daran herum. Streiche weg, schreibe neu und wiederhole den ersten Vorgang. Ich bin nun einigermaßen mit ihm zufrieden und hoffe, dass es auch euch gefällt.

Dieses Kapitel ist mein Weihnachtsgeschenk an euch. Sofern es heute noch veröffentlicht werden sollte.
Des Weiteren möchte ich mich herzlichst für die lieben Reviews bedanken die ich bereits erhalten haben. Sie zeigen mir, dass ich als Autor nicht gänzlich ein Versager bin. Dies ist meine erste Geschichte und ich freue mich sehr, dass sie ein paar Anhänger gefunden hat!
In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein frohes Weihnachtsfest und einige besinnliche Tage im Kreis eurer Liebsten.

Liebe Grüße
Vanhia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben und willkommen zurück zu einem neuen Kapitel. Leider bin ich in diesem Kapitel etwas durcheinander gekommen und würde mich freuen, wenn ihr mir ein Feedback gebt, ob es sinnig und flüssig zu lesen ist, oder ich doch noch einmal ran muss.
Ganz liebe Grüße
Vanhia Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben und Willkommen zurück.
Das Kapitel hat es doch irgendwie in sich, und ich habe mehr geschrieben als ich wollte. Bis ich entschieden habe, es in zwei separate Teile zu gliedern. In der nächsten Zeit wird es mir vermutlich nicht mehr möglich sein, sehr häufig zu uptdaten, da ich mich langsam der Prüfungsphase nähere. Ich werde mich zwar bemühen, doch falls es nichts wird, bitte ich euch darum mir nicht den Kopf abzureißen. Die nächsten drei Kapitel stehen schon in ihrer groben Rohfassung. Es geht also definitiv weiter!
Über ein wenig Feedback würde ich mich wie immer sehr freuen und hoffe, dass euch der neuste Teil gefällt.

Liebe Grüße
Vanhia

P.S. Ich habe dieses Mal nicht ganz so häufig drüber gelesen, weswegen ich erwarte, dass doch noch ein paar Rechtschreibfehler dabei sind. Bei Gelegenheit werde ich das überarbeiten, fällt jedoch jemand anderem etwas auf, das unverzeihlich ist, dann bitte ich euch darum mir eine Notiz oder einen Hinweis zu hinterlassen.
Habt ihr vielleicht Wünsche für Momente, in denen ihr Haruka gerne kennen lernen würdet? Die allgemeine Meinung war ja immerhin, auch etwas über ihr Privatleben zu erfahren. Schwebt euch da etwas bestimmtes im Kopf herum? Lasst es mich wissen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo ihr Lieben.
Dieses Kapitel hat es mir doch ziemlich schwer gemacht. Ich bin nun einigermaßen damit zufrieden und hoffe Iruka ist noch irgendwie Iruka geblieben.
Ich habe mich entschieden Harukas innerem Begleiter mit einer Formatierungsänderung mehr Deutlichkeit zu geben. Die Kursiv geschrieben Sätze sind demnach von ihm. Ich werde es in den anderen Kapiteln ebenfalls ändern und hoffe, dass es euch nicht all zu sehr verwirrt.

Ganz liebe Grüße
Vanhia Komplett anzeigen

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Prolog

Schritte... Schritte von vielen Männern, die schnell umhereilten und sich gegenseitig Kommandos zuriefen. Sie suchten jemanden.
 

Mich.
 

Beinahe musste ich lächeln. Sollten sie froh sein, wenn sie mich nicht fanden. Denn mich zu finden

bedeutete den unvermeidlichen Tod. Bevor sie wüssten was passiert, wären sie bereits alle tot.
 

Ich spannte meine Muskeln an und lockerte sie wieder. Das half gegen die Anspannung.

Ich spürte Enttäuschung und Unglauben, so weit war es nun schon, dass ich mich vor meinen eigenen Teammitgliedern verstecken musste.
 

Sie hatte den Befehl gegeben, mich unter Arrest zu stellen, aber ihr eigentlicher Plan war schon beinahe zu offensichtlich. Was folgen würde war meine Exekution. Sie wollte mich tot sehen. Allerdings noch nicht gleich, zuerst würden sie versuchen....

Genug jetzt, flüsterte eine Stimme in meinem Kopf, sie zu, dass du Land gewinnst. Was war nur aus diesem Land geworden, schoss mir ein weiterer deplatzierter Gedanke durch den Kopf. Ich wischte ihn beiseite. Vorsichtig spähte ich hinaus in den Korridor und lauschte.

In der ferne konnte ich sie rufen hören. Ein Herzschlag.... zweiter Herschlag.... ein Dritter. Sie entfernten sich weiter. Langsam schob ich mich aus dem Schatten der Nische, der mich treu vor ihren Blicken verborgen hatte.

Ich überlegte einen Moment in welche Richtung ich mich wenden sollte. Zu ihr vielleicht? Wenn sie den Befehl gab mich töten zu lassen, wieso sollte ich sie nicht zuerst töten? Denk an deine Verantwortung. Deine Familie. Ich musste sie beschützen und mit ihnen zusammen fliehen. Ich konnte sie nicht zurück lassen, konnte sie nicht der Willkür der Senatorin überlassen, aber vielleicht waren sie sicher, wenn ich jetzt einfach verschwand? Vielleicht würde die Senatorin sie in Frieden leben lassen? Nein, wenn ich nicht mehr da wäre, wären sie ihr ganz sicher ausgeliefert.

Ich wandte mich nach rechts und ging auf ein Fenster zu.
 

„Halt! Bleib stehen Iva!“ Die Stimme des Kommandanten.
 

Circa sieben Schritte bis zum Fenster. Die Entfernung zu der Stimme hinter mir schätze ich auf 15. Nah genug, dachte ich, aber das Fenster war näher. Dahinter ging es drei oder vier Meter abwärts, schätzte ich. Ob die Zeit reichen würde den Kommandanten auszuschalten, bevor ihn die Verstärkung erreichte? Sicherlich, aber notwendig war es nicht. „Denk erst gar nicht daran, ich ziele genau auf dein Herz.“ Seine Worte standen wie eine Wand zwischen uns, die Rufe waren verstummt, die restlichen Männer suchten in einem anderen Teil des Gebäudekomplexes nach mir.

„Mach es nicht noch schlimmer, denk an deine Familie. Du willst doch nicht, dass ihnen etwas zustößt?“ Seine Stimme war trotz der Worte kalt. Emotionslos. Vielleicht war meine Familie in Sicherheit wenn ich mich freiwillig stellte. Langsam hob ich die Hände und drehte mich langsam zu ihm um.

„So ist es gut.“ Ein leises knirschen verriet mir, dass er das Gewicht seiner Waffe verlagert hatte. Instabil, schoss es durch meinen Kopf, er musste sich seiner Sache sicher sein.

Ich hatte mich nun gänzlich zu ihm umgedreht und sah ihm direkt in die Augen. Sie waren kalt und grau.
 

„Die Senatorin hat versichert, wenn du dich kooperativ zeigst wird deiner Familie nichts geschehen. Sie sind dann nicht mehr von Belang.“ Sein rechtes unteres Augenlid zuckte. Eine schlechte Eigenschaft in seiner Position.

Er log.

Ich warf mich in Richtung des Fensters, rollte mich ab, da der Weg für einen Sprung aus dem Stand zu lang war, zog blitzschnell zwei Messer aus meinem Gürtel und warf sie ohne hinzusehen in seine Richtung. Ich brauchte mich nicht umzudrehen um zu wissen, dass ich getroffen hatte. Ein dumpfer Aufprall und ein gluckerndes Geräusch verrieten mir, dass ich getroffen hatte. Beide Wurfgeschosse hatten ihr Ziel erreicht.
 

Zwei Treffer. Kehle und Herz.
 

Für den Fall, dass ich sein Herz verfehlte, hätte ihn das zweite Messer am Schreien gehindert. Aber ich verfehlte nie. Mein Glück war es, dass er noch keine Zeit gefunden hatte sich seine Schutzweste anzuziehen. In dem Fall wäre es zwecklos gewesen, aber er trug nur eine normale Uniform.

Keiner hatte mit dieser plötzlichen Veränderung der Lage gerechnet. Wieder spannten sich meine Muskeln zusammen und mit einem geschmeidigen Satz sprang ich geradewegs durch das Fenster in die Nacht. Blut rauschte in meinen Ohren und in meinem Kopf hallte das Geräusch des Blutes, dass aus der Wunde des Mannes oben im Gang strömte. Er war bereits tot gewesen, bevor er auf dem Boden aufschlug. Bedauernd schloss ich für einen Moment die Augen.

Hatte er wirklich sterben müssen, hatte es keine andere Möglichkeit gegeben? Über mir hörte ich Rufe. Das Geräusch des berstenden Fenster war laut gewesen und hatte sie angelockt. Mir blieben nur noch ein paar Augenblicke und sie würden den Toten entdecken. Lautlos und schnell verschmolz ich mit der Dunkelheit um mich herum und lief los.
 

Die Hauptverkehrstrassen musste ich unbedingt meiden, denn sie wurden von Kameras überwacht. Darüber hinaus war die Befehlskette mittlerweile auch so weit fortgesetzt worden, dass Wachgruppen an den Stationen Position bezogen hatten. So bahnte ich mir meinen Weg durch enge Gassen. Die Mauern stellten dabei kein Problem dar, ich überwand diese Hindernisse ohne an Geschwindigkeit zu verlieren.
 

Ich musste zu meiner Familie.

Während ich lief, teilten sich meine Gedanken: Der eine Teil beschäftigte sich mit den Details der Flucht. Wir hatten schon seid langem die Vermutung, dass es früher oder später dazu kommen würde. Daher hatten wir bereits Maßnahmen ergriffen, die uns aus dem Land bringen sollten. Der Weg aus der Stadt war jedoch der schwierigste Teil und bis zur Landesgrenze zu gelangen würde sicher nicht weniger einfach.

In Gedanken spielte ich alles durch, während der andere Teil meines Denkens zum Kommandanten zurückkehrten. Hatte er sterben müssen, fragte ich mich zum wiederholten Mal. Ja, antwortete die Stimme in meinem Kopf. Sein Auftrag war, dich entweder lebendig zu fassen oder unschädlich zu machen um jeden Preis. Hättest du versucht ihn nur zu verletzen, wärst du jetzt tot und nicht er. Klang einleuchtend. Alle Mitglieder des Sonderkommandos waren trainiert und ausgebildet, wenn es sein musste, auch den besten Freund auszuschalten.

Ich war ebenfalls durch diese Art von Training gegangen. Aber im Gegensatz zu den Anderen war ich durchgefallen. Mehrmals. Nicht wegen technischer Mängel oder, dass ich die Missionsziele nicht erfüllt hätte, sondern einfach, weil ich mich zum Einen weigerte stumpfe Morde zu begehen. Zum Anderen vermied ich die so genannten Collateralschäden. Bevor ich jemanden einfach tötete, versuchte ich es mit allen mir zur Verfügung stehenden anderen Mitteln. Auftragsmorde verweigerte ich mich.
 

Ein Hinderniss konnte auf zwei verschiedene Arten ausgeschaltet werden: Option A, schneide ihm die Kehle durch, oder brich ihm das Genick. Egal wie nur mach es leise. Option B war: Nutze die Hilfsmittel um unbemerkt an dem Hinderniss vorbei zu kommen. Chloroform war eine Möglichkeit, schlimmstenfalls gab es höllische Kopfschmerzen, nur selten starb dabei jemand.
 

Ersteres ersparte Planung und ging schneller, letzteres ersparte Blut an den Händen. Und Blut gab es sowieso schon jede Menge. Hätte nicht die beinahe lächerlich hohe Erfolgsquote bei meinen Missionen für mich gesprochen, wäre ich sicherlich nie in der Sondereinheit aufgenommen worden, geschweige denn längere Zeit im Dienst geblieben. Langsam näherte ich mich dem Rand des Stadtkerns. Man bemerkte den Unterschied sofort. Der Geruch änderte sich sofort.
 

Während man in den Nobelvierteln darauf achtete, dass die Straßen frei von allem Unrat waren, quollen die Mülleimer hier geradezu über. Der Geruch der aus den Gassen strömte war teilweise geradezu erbärmlich. Die schön verputzten gepflegten Hausfassaden wurden abgelöst von abgewohnten Plattenkomplexen. Eine Weile lief ich im Schatten der Gassen weiter, bis ich in einiger Entfernung der Häuserkomplex aufragte in dem meine Familie lebte.

In den Nebengassen, die im Stadtkern ohne jedes Leben gewesen waren, hatten hier Gesellschaft von traurigen Gestalten, die einen Schluss auf den eigenen Zustand der Stadt zu lies. Mein Weg führte mich vorbei an gebrochenen Menschen die mit Alkoholflaschen zusammengedrängt um illegale Feuerstellen kauerten. Wurden sie erwischt, hätte es für sie das Zwangslager zur Folge. Die Arbeit dort war hart und kaum jemand hielt sie lange durch.

Andererseits, dachte ich, würden diese Menschen auch hier draußen nicht mehr lange überleben.
 

Ein Mann war von einer der Feuerstellen aufgestanden und in eine Ecke getorkelt wo er zusammengesunken war. Stöhnend drehte er sich zur Seit und erbrach sich. Anstatt wieder aufzustehen stöhnte er ein weiteres Mal und schaffte es nur noch sich auf die andere Seite zu drehen. Regungslos blieb er in seinem eigenen Dreck liegen. Die Anderen, entweder würden sie genau wie er an einer Alkoholvergiftung sterben, oder der nahe Winter würde sie umbringen.

In den zwei Jahren die der Großpräsident nun schon tot war hatte sich viel verändert. Seitdem schien es in dieser Welt immer grauer zu werden.
 

Es war ein Machtkampf entbrannt in den obersten Reihen der Regierung. Die Senatorin versuchte seit geraumer Zeit den Oberbefehl an sich zu reißen und mittlerweile ging sie immer weniger subtil dabei vor.

Gott steh uns bei, wenn es dazu kommt, flüsterte die Stimme in meinem Kopf.

Niemand der Heimlosen bemerkte mich, während ich mich durch ihre Reihen bewegte.

Bis zum Haus, war es nun nicht mehr weit und da es schon spät war, würden sie alle dort sein. Auch Kristan.

Hoffentlich war ich nicht zu spät. Rasch kletterte ich eine Feuerleiter hinauf um einen der niedrigeren Dächer zu erreichen. Kalter Wind pfiff mir um die Ohren.

Langsam sog ich die Luft ein und prüfte sie so auf auf unbekannte Gerüche oder Gerüche, die mir verraten hätten, dass vor kurzem ein Einsatz von Giftgasen stattgefunden hätte. Nichts. Auffällige Bewegungen und und Geräusche gab es ebenfalls nicht.

Eindringlich spähte ich in alle Richtungen, wo Einsatzkräfte möglicherweise Stellung bezogen haben könnten. Schließlich musste ich mir eingestehen, dass es nichts gab, worüber ich mir Sorgen machen musste – vorerst.

Auch mein Instinkt sagte mir, dass vorerst kein Grund zur Beunruhigung bestand. Hier hatte es keinen Kampf gegeben und es schien auch keine Gefahr zu bestehen. Dann los. Geschickt ließ ich mich vom Dach gleiten und landete geschmeidig auf einem Sims von dem aus ich mit einem weiteren Satz wieder in der Gasse neben dem Haus landete. Den Vordereingang meines Wohnhauses würde ich besser meiden, stattdessen entschloss ich mich den unbeleuchteten Hintereingang zu nehmen. Nur für den Fall, dass ich etwas übersehen hatte.
 

Ich wartete einen Moment bis ein Wagen vorbei gefahren war und schlüpfte bereits einen Augenblick später in die gegenüberliegende Gasse. Wenige Herzschläge später stand ich bereits im Hausflur.

Es war stockdunkel hier drin. Man konnte die Hand nicht vor den Augen sehen.

Sämtliche Leuchtmittel waren lange kaputt oder noch vor noch längerer Zeit gestohlen worden.

Aber ich wusste auch so, wie ich laufen musste. Langsam schob ich mich vorwärts. Nach einigen Metern stoppte ich. Was war das für ein Geräusch gewesen? Ich horchte angestrengt. Womöglich hast du es dir eingebildet.

Ja womöglich, antwortete ich dem Flüstern. Dennoch wurde ich etwas nervös und entschied mich, dass weitere Vorsicht nur kostbare Zeit kosten würde, die wir brauchten um aus der Stadt zu gelangen, bevor und jeder auf den Fersen war. Ich schlich eine Treppe hinauf und blieb in der zweiten Etage vor einer Tür stehen. Drinnen hörte ich ein Radio laufen und drei verschiedene Stimmen die sich unterhielten. Leiste klopfte ich. Augenblicklich wurde es still.

„Macht auf, ich bin es“, sagte ich. Es war so still in dem Hausflur, dass es mir vorkam, als würde das Echo meiner Stimme ein ums andere Mal von den Wänden widerhallen und hundert mal verstärkt werden. Unwillkürlich schauderte ich. Wir mussten uns beeilen. Es war einfach zu ruhig. Hinter der Tür konnte man nun Schritte hören, kurz darauf wurde ein Schlüssel im Schloss gedreht und die Tür öffnete sich einen Spalt.
 

„Iva! Da bist du ja endlich. Los komm rein.“ Kristan hatte die Tür geöffnet, seine Stimme klang gepresst.

“Deine Eltern sind im Wohnzimmer.“ Die Art wie er das sagte gefiel mir nicht.

„Wir müssen uns beeilen“, flüsterte ich.“Schnell hol die Sachen von drüben. Wir müssen so schleunigst verschwinden. Es ist so weit, die Senatorin hat befohlen mich festzusetzen. Sie wollen uns töten.“

„Woher weißt du das?“ Es lag ein leichtes Flehen in seiner Stimme, sicher wollte er mir nicht glauben. Meine Zunge wog unendlich viel, während sie die Worte formte, die ich brauchte: „Vom Kommandant, er hat mich gestellt und forderte mich auf, kooperativ zu sein. Wenn ich mich füge, wärt ihr in Sicherheit. Euch würde nichts geschehen.Sein Auge hat gezuckt.“
 

Einen Moment sah Kristan mich prüfend an, er kannte den Befehlshaber der Sonderkommandos selbst, auch wenn er ihm nicht direkt unterstellt war.

„Also ist es nun so weit, sie wollen mit aller Macht...“ Ich nickte und unterbrach ihn.
 

„Ja, aber nun beeile dich. Wir haben keine Zeit. Und, ich liebe dich!“ Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn schnell und leidenschaftlich. Er grinste mir zu, dann schlüpfte er durch die Tür hinaus in die Dunkelheit.

Zeit. Manchmal kommt sie einem so zäh vor, wie ein Gummiband, das sich keinen Millimeter bewegt. Brauchte man sie allerdings, zerrinnt sie einem wie Wasser zwischen den Fingern.

Unsere Zeit lief ab, das spürte ich.

Es war, als ob ich auf eine riesige Sanduhr blickte, in deren oberem Gefäß nur noch ein geringer Rest der Zeit verblieben war, die wir nun so dringend brauchten. Mit schnellen Schritten ging ich zu meinen Eltern, die im Wohnzimmer standen. Kristan hatte die Tür geschlossen, also umfasste ich die Türklinke, griff aber mit meiner anderen Hand an meinen Gürtel, wo sich weitere Messer befanden. Man konnte nie wissen.

Einmal tief durchatmen. Mit einem Ruck drückte ich die Tür auf und war geblendet. Der Schmerz der einem in den Augen sticht, wenn man aus der Dunkelheit in einen hellen Raum trat, war auch durch das beste Training der Welt nicht zu verändern.

„Iva, endlich, wir haben uns solche Sorgen gemacht, du hättest schon längst zu Hause sein sollen.“, meine Mutter lief auf mich zu, sie war eine zierliche Frau mit kurzen Haaren, die ihr nach allen Richtungen abstanden.

Vermutlich war sie sich wieder und wieder mit den Händen durch sie gefahren. Mit einem Seufzen schloss sie mich in ihre Arme. Stirnrunzelnd trat sie einen Schritt zurück und sah mich an. „Du trägst noch deine Ausrüstung“, stellte sie fest. Ich nickte. „Ja, und für lange Erklärungen bleibt uns keine Zeit. Die Senatorin scheint ihre Strategie geändert zu haben, und ist aktiv geworden. Sie hat den Befehl gegeben, mich festzunehmen. Wir müssen so schnell wie es geht fort.“

Das schmale Gesicht der älteren Frau wurde blass, beinahe grau.

„Also doch. Und ich hatte so gehofft..“ Weiter sprach sie nicht. Hinter mir hörte ich ein knacken, als im Flur die Tür mit einem Schlüssel geöffnet würde. Kristan war wieder da. Er hatte sich beeilt und ich dankte ihm dafür in meinen Gedanken. „Was machst du da?“ Fragte er mich, als er im Wohnzimmer erschien. Verwirrt blinzelte ich.

„Mit dem Messer.“ Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an. Auch ihn blendete das Licht, blinzelnd wie eine zu groß geratene Eule stand er im Türrahmen.

Ich musste es gezogen haben ohne es gemerkt zu haben, ebenfalls hatte ich mein Gleichgewicht verlagert, um so, falls es nötig wäre, schnell zu reagieren.

Wäre er jemand Anderes gewesen, wäre er vermutlich schon tot.
 

„Tut mir leid,“ sagte ich mechanisch. Er wusste, dass ich es nicht ernst meinte. Meine Reaktion hätte entweder unser verderben oder überleben sichern können. Er stellte die beiden Rucksäcke vor mir auf den Boden.

Er war schnell, dachte ich anerkennend, aber das sollte er auch, die Rucksäcke hatte ich schon seid Jahren in unserem Schrank versteckt.

Alle 2 Wochen holte ich sie heraus um den Inhalt zu überprüfen und gegebenenfalls zu optimieren. Ich lächelte ihn an, wurde aber sofort wieder ernst. „Bitte holt eure Sachen, wir müssen schnellstens weg hier.“, wiederholte ich.

„Ich kann nicht fassen, dass sie zu so etwas in der Lage ist, dabei stand sie dem Großpräsidenten so nah.“, stöhnte meine Mutter.

Ihre Gesichtsfarbe war immer noch grau, aber sie machte nicht mehr den Eindruck jeden Augenblick ohnmächtig zu werden.

„Ewar, es war nur eine Frage der Zeit, bis so vollkommen den Bezug zur Realität verloren hätte.“, schaltete sich nun auch mein Vater ein. „ Es musste so kommen, das wussten wir schon lange. Ihr Hunger nach Macht war schon immer groß, und nun gibt es nur noch einige Minister in der Opposition die ihr Einhalt gebieten. Der Präsident, war der Einzige, der sie noch unter Kontrolle hatte. Nun gibt es niemanden mehr der sie zurückhalten könnte, denn sie hat Zugriff zu allen Ressourcen. Sie ist verbittert und boshaft.“ Der großgewachsene Mann, war zu der kleinen Frau getreten und hatte ihre Hand genommen, während er auf sie einsprach.
 

Langsam zeigte sich auch wieder etwas Farbe in dem Gesicht meiner Mutter, als sie zustimmte.

„Pa, hat Recht, es war nur eine Frage der Zeit. Aber das können wir später noch genug bereden. Die Zeit ist knapp, also bitte holt jetzt eure Sachen“, drängte ich. Die beiden schauten einander tief in die Augen und meine Mutter beruhigte sich sichtlich, ihre Schultern entspannten sich und sie schien ihr Los anzunehmen. In ihrem Blick sah ich so viel Zärtlichkeit, dass ich nicht anders konnte, als Kristan einen Blick zuzuwerfen. Würden wir nach so vielen Jahren auch noch so viel Liebe für einander empfinden?

„Aber, sollen wir wirklich gehen?“ Meine Mutter zögerte und ich verstand, wie schwer es ihr fallen musste, ihr ganzes Leben so einfach hinter sich zurück zu lassen. Abermals, trat mein Vater zu ihr uns schloss sie in die Arme. „Wenn wir nicht gehen, werden wir alle sterben.“ Ein Schluchzen war aus seiner Umarmung zu hören. „Und wo sollen wir hin?“ fragte sie kläglich.

„Nach Osten“, sagte er. „ So weit nach Osten, dass ihr Arm uns nicht mehr erreichen kann. Es gibt dort ein Land, das in der Landessprache Hi no Kuni heißt. Wir haben schon einmal darüber gesprochen. In meiner Zeit, meiner Auslandseinsätze, war ich mehrere Jahre dort. In unserer Sprache heißt es Feuer – Reich. Es ist ein Land, in dem eine gänzlich andere Kultur regiert. Aber wir werden uns dort schon zurecht finden.“

„Aber wie sollen wir dort zurecht kommen?“ beharrte seine Frau.

„Nun zum einen, haben wir ja mich und unsere Tochter. Ich kenne niemanden, der schwierige Situationen besser meistern könnte. Wir haben sogar ein wenig die Sprache geübt nicht wahr?“
 

Er schaute mich an und ich nickte mit einem schlechten Gewissen. Mein Wissen über die Sprache war, wenn überhaupt, lediglich rudimentär. Ich hoffte, dass ich mit den Sprachen die ich beherrschte, dort vielleicht mehr Glück hatte.
 

Zumindest würden meine Sprachkenntnisse ausreichen, um die notwendigsten Kommunikationshindernisse zu nehmen. „Zum Anderen“, fuhr er fort.“Haben wir mich. Und aus meiner Zeit kenne ich einige der Minister des dortigen Daimyō. Mit einigen stehe ich auch heute noch in Kontakt. Einige von ihnen schulden mir auch noch den ein oder anderen Gefallen.“ Mit diesen Worten zwinkerte er mir zu. Ich verdrehte die Augen. Es waren Frauengeschichten, und mein Vater liebte es von all ihren Erlebnissen zu erzählen, wenn man ihn nur ließ.
 

„Ich habe hier eine Karte, Iva, nimm du sie bitte, ich kenne den Weg aus dem Kopf. Und hier habe ich ein Schreiben.“

Verwirrt blickte ich ihn an, was sollte das denn jetzt bedeuten. Er war zu einer Kommode gegangen, die gegenüber an der Wand stand. Er öffnete die oberste Schublade und holte zwei Papiere heraus.
 

Eines war versiegelt – Der Brief. Das Andere war die Karte von der er eben gesprochen hatte.

„Es könnte sein, dass wir irgendwann einmal getrennt werden, dann möchte ich, dass wir uns dort treffen.

Meine Freunde erzählten mir, dass es im Land Hi no Kuni ein verstecktes Shinobidorf gibt. Dort wären wir auf jeden Fall sicher. Es wird unser Ziel sein, nachdem wir beim Daimyō vorgesprochen und um dessen Schutz gebeten haben. Der Arm der Senatorin müsste in der Tat lang geworden sein, wenn sie uns dort aufspüren kann. Allerdings bin ich optimistisch, dass sie uns nicht mehr finden wird, sollten wir die Grenze überschritten haben.“ er drehte sich abermals zu mir um.
 

„Und wenn du den zweiten Stift nicht ziehst.“, ergänzte er. Meine Hand fuhr zu meinem Nacken und tastete im unteren Haaransatz. Dort waren sie, die drei Mulden. In zwei von ihren waren die Stifte, der dritte war in meinem Gürtel verstaut.

Wenn man nicht wusste, wonach man suchte, würde man nie auf sie aufmerksam werden, selbst wenn ich meine Haare, wie jetzt, kurz trug. Ich nickte.

„Bitte“, setzte ich abermals an. Langsam überkam mich ein schlechtes Gefühl, die Sanduhr vor meinem inneren Auge hatte kaum noch Sand.“Ich werden mal rausgehen und prüfen, wie die Lage draußen ist“, sagte Kristan und verschwand wieder in den Flur.

Meine Mutter verschwand ebenfalls, um die Rucksäcke zu holen, die sie ebenfalls für diesen Tag vorbereitet hatte. Zum Glück trugen die beiden bereits dunkle, unauffällige Kleidung. Ebenfalls trugen sie ihre Schuhe, sie hatten also schon damit gerechnet. „Hier mein Kind, nimm bitte noch den hier.“
 

Ich schaute auf den Gegenstand den mir der weißhaarige, alte Mann entgegenstreckte. Er hatte einen Ring von seinem Finger gezogen und hielt ihn mir hin. Es war ein schöner Ring, vielmehr ein Siegelring, der Aufsatz war dunkelrot mit helleren Fäden, so dass es aussah, als ob Feuer in ihm gefasst wären, darüber ein Zeichen, das ich für asiatisch hielt. „Es heißt Sarutobi Hiruzen, er gehört einem Freund von mir, er gab ihn mir vor langer Zeit. Nun nimm ihn schon.“
 

„Ach, und wohin? An meinen Finger wird er nicht passen“, pampte ich. Meine Nerven waren zum zerreißen gespannt. „Wenn er so wichtig ist, behalte ihn doch einfach an deinem“, schlug ich versöhnlicher vor. Langsam wurde mir schlecht.

„Ah, hm. Da hast du natürlich Recht.“ Wieder ging er zu der Kommode und begann darin herum zukramen. Ein leises „Ahhh da ist es ja“, sagte mir, dass er fündig geworden war. „So jetzt noch...mhmmm und fertig.“ Er drehte sich zu mir um und einen Moment später spürte ich ein ziehen in meinem Nacken als die Kette, mit seinem schweren Anhänger daran herab plumpsten. Dann nahm er mein Handgelenk und befestigte ein Armband an meinem Handgelenk.
 

Fragend schaute ich ihn an. „Wenn wir schon fliehen müssen, möchte ich nicht, dieser alten Ziege unseren ganzen Familienschmuck hinterlassen.“ Ich musste grinsen, denn ich stellte mir die Senatorin just als Ziege vor.“Hier ist noch etwas, er hat deiner Urgroßmutter gehört, es war ihr Ehering. Und sie hatte genauso schmale Finger wie du.“ Der Ring war wirklich schön, drei verschieden farbige Metalle waren ineinander verwoben, dennoch war der Ring ein schmaler Reif. Ich streifte ihn über den Ring den mir Kristan vor Jahren gegeben hatte. In dieser Kombination gefiel es mir gut, auch wenn es ungewohnt war, zwei Ringe an einem Finger zu tragen.
 

„Wie gesagt der Ring um deinen Hals, gehört einem alten Freund von mir. Hiruzen - er wird dir helfen, selbst wenn wir getrennt werden.“, ich schluckte und nickte. Er verschwand und kam einen Augenblick mit meiner Mutter zurück ins Zimmer beide hatten ihre Rucksäcke bereits aufgesetzt. „Die Sachen stehen dir gut, mein Schatz“, meine Mutter sah mich an. Ich ging zu ihr und gab ihr einen Kuss, dann küsste ich auch meinen Vater.

„Mama, Papa, ich hab euch lieb.“

„Wir lieben dich auch.“
 

„Gut, ähm, können wir?“, ich drehte mich um, sonst würde ich anfangen zu weinen. Wir konnten endlich gehen, Erleichterung durchflutete mich. Seid ich hier war, mochte nicht mehr als eine halbe Stunde vergangen sein, aber wir waren in der Wohnung wie auf dem Präsentierteller. Ich wusste nicht ob sich die Situation draußen geändert hatte, aber mit jeder Minute die wir noch hier blieben, erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir nicht weit genug kamen bevor sie uns einholten.

Die beiden nickten. Kristan erschien wieder im Raum. „Draußen hat sich nichts getan. Lasst die Lichter und das Radio an, wenn sie kommen, denken sie, wir wären noch da. Das könnte uns Zeit verschaffen.“ Das war eine gute Idee.
 

Der ältere nickte und sagte:“ Dann lasst uns gehen. Ich geh voraus.“. Wir folgten ihm nacheinander in den Flur. Zuerst er, dann meine Mutter, Kristan und am Ende ich, als die Nachhut. An der Wohnungstür blieb er stehen. Mit einer Hand auf der Türklinke drehte er sich noch einmal zu uns um.

„Ab jetzt müssen wir vorsichtig sein, jeder hat den Plan um zum Feuer Reich zu kommen. Wir werden ab jetzt unser Ziel nicht mehr beim Namen nennen, falls wir ausspioniert werden. Die Zeit die jetzt auf uns zu kommt wird nicht einfach. Aber gemeinsam, werden wir sie schaffen. Ich liebe euch.“ Wir alle nickten, auch wenn Kristan etwas pikiert schaute, war er doch nur der angehende Schwiegersohn, solche Worte hatte er von seinem künftigen Schwiegervater noch nie gehört

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In dem Moment, als mein Vater die Türklinke herunterdrückte, brach die Hölle los.
 

Kristan hatte sich geirrt, die Lage hatte sich geändert.Man hatte uns bereits umzingelt und nun schossen sie durch die Eingangstür. Alles passierte im Bruchteilen von Sekunden, doch für mich war es wie in Zeitlupe. Ich sah wie Kugeln die Tür durchschlugen, und Splitter mit sich rissen, ich sah eine Kugel, die knapp meinen Kopf verfehlte und neben mir in die Wand einschlug. Überall flogen Holzsplitter und Putz umher und der Kalk wurde von den Wänden gerissen, sodass es staubig wurde. Ich schmeckte ihn auf meiner Zunge und roch ihn. In meinem Kopf war nur ein Gedanke.
 

Wir hatten zu lange gebraucht.
 

Der Lärm war ohrenbetäubend.
 

„RUNTER!“ hörte ich mich brüllen. Aber es war bereits zu spät. Vor mir sah ich den Kopf meiner Mutter nach hinten zucken, dann sank sie wie in Trance auf die Knie, wobei ihr Kopf nach hinten fiel. Zwischen ihren Augen konnte ich einen roten Punkt sehen, während sich hinter ihr auf dem Boden der Rest ihres Kopfes ergoss. Sie fiel. Fiel so unendlich langsam. Während sie zu Boden sank, durchschlugen weitere Kugeln ihren Körper. Es war als hätte ich meinen Körper verlassen, ich hört mich selbst schreien, sah das Geschehen wie von einem Punkt außerhalb meines Körpers. Ich sah meinen Vater der sich gegen die Tür warf um den Spalt wieder zu schließen und so die Männer am Eindringen zu hindern.
 

Jede Ausbildung, war in diesem Moment vergessen, als ich sah wie sie starb. Ich schrie, versuchte zu ihr zu kriechen um sie zu schütteln. Ich flehte sie an, aufzuwachen, sich zu bewegen. Kristan packte mich und zerrte mich weg, durch die Tür gab es kein durchkommen.
 

„Kristan... sie..... heimtür!“ Ganz dumpf hörte ich durch den Nebel in meinem Kopf die Stimme.

„PAPA!“, schrie ich und das letzte was ich sah, bevor mich Kristan um die Ecke zurück ins Wohnzimmer zerrte waren die Lippen meines Vaters die die Worte formten.
 

Ich liebe dich. LAUF!
 

Ich hörte meinen Vater schreien, als die Männer die Tür aufbrachen, hörte ihn schreien als er sich gegen sie warf um uns Zeit zu verschaffen. Kristan warf die Tür zu und drückte einen Knopf und an der Wand öffnete sich eine Luke. Es war der Eingang zu einem labyrinthischen Tunnelsystem, das meine Eltern, für einen Ernstfall angelegt hatten. Wie ihnen das in einem Mietshaus gelungen war wusste ich nicht, ich hatte auch nie danach gefragt.

Der Tunnel war so schmal, dass nur eine Person hinein konnte. Darüber hinaus waren in regelmäßigen Abständen Lichtsensoren im inneren angebracht worden. Wenn man eine von ihnen passiert hatte, blieben einem 5 Sekunden.

In der Zeit konnte eine weitere Person noch hindurch, danach schloss sich hinter einem der Schacht und der bisherige Tunnel wurde durch eine komplizierte Mechanik nach einem Zufallsprinzip wieder neu ausgerichtet. Im Flur hörte ich abermals meinen Vater rufen, auch andere Stimmen hörte ich. Sie riefen einander Kommandos zu. Abermals ein Schrei, er erstarb jäh mit dem nächsten Schuss.
 

Unsanft wurde ich wieder gepackt und in den Schacht geschoben.

„Iva reiß dich zusammen, du musst fliehen! Du kannst nichts mehr für sie tun!“ Ich nickte stumpf und begann zu krabbeln. Einen halben Meter vor mir befand sich die erste Lichtschranke, danach ging es steil bergab, runter in die alte Kanalisation.

„Kristan, komm!“ rief ich und drehte mich um. Da bekam ich einen Tritt in die Seite und rutschte an der Schranke vorbei auf den Abgrund zu. Meine Beine rutschten über die Kante und ich warf mich herum, um mich festzuhalten bevor ich ohne jede Kontrolle fiel. „KRI-“, wollte ich rufen und hob mein Gesicht, um ihn anzusehen. Sie hatten die Tür des Wohnzimmers eingetreten und ihn ergriffen.
 

Ein Soldat hatte ihn an den Haaren gepackt und in eine kniende Position gezwungen.

„Du gehst nirgendwohin, Junge.“, ohne eine Regung zog er ein Messer aus seinem Stiefel. Auf dem Gesicht des Gefangenen machte sich ein überraschter Ausdruck breit, als der Soldat ohne ein weiteres Wort das Messer an seinem Hals ansetzte und ihm die Kehle durchschnitt.

Hellrotes Blut schoss aus der Wunde. Hinein in den Schacht, in dem ich mich befand. Gurgelnd versuchte er mit seinen Händen nach seinem Hals zu greifen, aber seine Arme wurden auf seinem Rücken festgebunden. Sie ließen ihn wie ein Schwein ausbluten, schoss es durch meinen Kopf. Unfähig für eine weitere Reaktion starrte ich zurück, sah auf das Blut, dass auf mich zu lief, da der Tunnel leicht abschüssig war, bis zu dem Punkt an dem ich hing. Ich wollte schreien, als ich sah, wie sein lebloser Körper zur Seite kippte. Mir wurde schwarz vor Augen. Einen Augenblick dachte ich, ich würde ohnmächtig werden, doch es war das Zeitfenster das abgelaufen war.
 

Die 5 Sekunden waren vorbei, und vor klappte eine Wand nach unten, gefolgt von einem rütteln, als sich der erste Teil bereits verschob. Ich hörte Fluchen auf der anderen Seite. Ich befahl meinen Händen sich zu lösen und ich gelangte die Kontrolle über meinen Körper wieder. Ich rutschte in die Dunkelheit und passierte dabei noch 2 weitere Sensoren. Der Weg war für mich festgelegt ich konnte dem Verlauf nur folgen, den mir diese Röhre vorgab. Ich konnte mich nicht verirren, für die Männer die mich verfolgten sah, das allerdings anders aus. Sollten sie versuchen in das Tunnelsystem einzudringen, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie nie wieder herausfinden würden. Mein Kopf war leer, von eigenartigem Nebel gefüllt.
 

Das ist der Schock, meldete sich die Stimme. Sie hallte in meinem Kopf umher und mechanisch zwängte ich mich weiter durch den Schacht, bis er sich zu einem größeren Tunnel verbreiterte, in dem ich stehen konnte. Und ich lief, stundenlang. Irgendwann wurden die Erschöpfung und der Schock zu groß, und ich begann hemmungslos zu zittern. Ich zitterte so sehr, dass ich nicht mehr laufen konnte. Ich sackte zusammen und fiel vorn über.

Innerhalb von Minuten war mir alles genommen worden. Ich hatte nichts mehr. Ich war nichts mehr. Hatte keine Vergangenheit und keine Gegenwart mehr.

Und vielleicht hatte ich nicht mal mehr eine Zukunft. Die grausigen Bilder meiner Mutter kamen hoch, ich musste mich übergeben. Angeekelt von mir selbst kroch ich einige Meter weiter und sank dort in tiefe Bewusstlosigkeit.
 

Es war keine große Veränderung, im Tunnel war es stockfinster, nur die Gefühle waren fort.
 

Als ich erwachte hatte ich keinerlei empfinden, wie lange ich dort gelegen hatte. Aber mein Körper hatte aufgehört zu zittern und der Nebel hatte sich verzogen. Statdessen kam alles mit aller Macht zurück. Meine Eltern – erschossen. Kristan mit aufgeschnittenem Hals.

Ich zog die Knie an meine Brust und schlang meine Arme um meine Beine und begann bitterlich zu weinen. Ich weinte bis ich das Gefühl hatte kein bisschen Feuchtigkeit mehr in meinem Körper zu haben. Ich hatte versagt sie zu beschützen. Der Schmerz in meinem Herzen war beinahe unerträglich und so weinte ich noch ein wenig weiter.

Danach ging es etwas besser. Ich konnte zumindest wieder klarer denken. Ich hätte nie gedacht, dass die Senatorin mich so sehr haben wollte. Sie hatte nicht davor zurück geschreckt einfach meine ganze Familie umzubringen um meiner habhaft zu werden.

Tief in meinem Inneren regte sich Trotz. Mich würde sie nicht bekommen. Mein Vater hatte uns allen immer wieder erklärt wie der Plan war, nur er und ich hatten alle Details gewusst, und die einzige Karte mit Informationen befand sich ebenfalls in meinem Besitz. Also würde sie nicht Bescheid wissen, wohin ich unterwegs war. Ich setzte mich wieder in Bewegung. Der Tunnel würde weit außerhalb der Stadt enden, in den Ruinen, dort wohnte schon lange niemand mehr. Ich griff nach einer kleinen Lampe, die an meinem Gürtel befestigt war und holte die Karte aus meinem Rucksack. Ich hatte sie achtlos hineingestopft, weswegen sie nun einen kläglich zerknitterten Eindruck machte. Abermals kam der Anblick meiner Mutter in meinem Kopf hoch. Mühsam kämpfte ich es nieder, ich musste bei klarem Verstand bleiben.
 

Ich besah mir die Karte. Der Weg war verdammt weit. Shinobidorf. Was war das eigentlich?

Nun das würde ich wohl früh genug erfahren. Zuerst musste ich an den Hof des Daimyō, dem Herrscher über das Feuerreich. Und ab dann würde ich nie wieder kämpfen müssen. Ich würde ein Leben führen können, ohne Angst vor Attentaten oder, dass sie mich bekam. Ich besah mir Kontinent etwas näher, es waren Schriftzeichen darauf, die ich nicht lesen konnte. Sprachbarriere, na super. Aber verschiedene Farben hatten die einzelnen Flächen. Das mussten die verschiedenen Länder sein. Mitten in der roten Fläche konnte ich die Handschrift meines Vaters ausmachen. Dort Stand: Hiruzen = Hokage. Was auch immer das bedeuten sollte. Nun gut. Sorgsam packte ich die Karte wieder weg. Der Weg würde lang werden und sicher nicht einfach.

Auf ins Feuerreich und zu dem Mann, den mein Vater Hiruzen nannte. Ich löschte die kleine Lampe und verschmolz mit der Dunkelheit.

Kapitel 1 - Ankunft in Konohagakure

Ich schwitzte. Aber das war ja auch kein Wunder, bei der Wärme. Die Sonne brannte unnachgiebig herunter und selbst die Insekten schienen sich verkrochen zu haben.

Seufzend blieb ich stehen, um etwas zu trinken.

Seid Stunden waren wir bereits unterwegs, ohne bisher eine Pause gemacht zu haben.

Aber Klagen half nicht.

Der Weg in das Dorf war wirklich weit.

Aber hier waren überhaupt alle Wege ziemlich weit.

Ich hatte feststellen müssen, dass je weiter man nach Osten kam, die Menschen immer weniger von bequemen Transportmitteln zu halten schienen. Etwas missmutig betrachtete ich den Boden unter meinen Füßen. Im Grunde war es nicht mehr als ein Waldweg. Man hatte begonnen ihn irgendwann einmal entlangzugehen wodurch sich mit der Zeit die Erde verdichtet hatte. Nun war es die Handelsstraße in das Dorf.

Ich warf meinen Begleiter einen möglichst unauffälligen Blick zu.

Auch er schien unter den Temperaturen zu leiden.
 

Er hieß Yashido, soviel hatte ich verstanden, als er sich vorgestellt hatte. Viel mehr wusste ich allerdings nicht. Er war ein schweigsamer Mann, den ich auf Mitte oder Ende 30 schätzte. Erste silberne Strähnen zeigten sich in seinem sonst schwarzen kurzen Haar. Vierzig, beschloss ich. Auf seiner Weste hatte sich feiner Straßenstaub abgesetzt, den er sich gerade abklopfte. Obwohl er eine weite Jacke und weite Hosen trug, schien er mir muskulös zu sein. Vielleicht war er ein Samurai, schoss es mir durch den Kopf, als mein Blick sein Schwert streifte, dass er an seinen Gürtel gebunden hatte. Er bemerkte meinen Blick. Es war ganz sicher unhöflich jemandes Waffe so anzustarren. Verlegen lächelte ich ihn an. Er legte seine Hand auf den Schwertgriff.

„Katana.“, erklärte er mir. Das sagte mir etwas, denn mein Vater hatte mir einmal erzählt, dass das Katana eines der traditionellsten Waffen in diesem Land waren.
 

Ich verstaute die Flasche wieder an der Seite meines Rucksacks und schulterte ihn. Auch Yashido hatte einige Schlucke aus einem Schlauch getrunken und sah nun fragend zu mir herüber. Ich verstand die stille Frage und nickte.

Die Pause war vorüber.
 

Wortlos gingen wir weiter. Alleine hätte ich den Weg in dieses Dorf sicher nicht gefunden, und als Ausländer, der ich nunmal offensichtlich war, behandelte man mich zwar ausgesprochen freundlich und respektvoll, mit Informationen wie der Lage eines geheimen Dorfes bewarf man mich allerdings nicht gerade.

Darüber hinaus, hatte ich mich geirrt, mein fehlendes Sprachwissen, war zu einem ziemlich großem Problem geworden. Außerhalb der Mauern der Herrscherstadt, verstand keiner der Menschen auch nur eine der Sprachen, in denen ich mich hätte verständigen können. Nicht einmal Yashido, konnte eine andere als seine Landessprache sprechen. Ein echter Reinfall.

Die Vermutung lag nahe, dass mein Begleiter vielleicht viel zu erzählen hatte, denn hin und wieder hatte er den Mund geöffnet, um mir etwas mitzuteilen, hatte sich dann aber doch anders entschieden.

„Yashido?.... Wie lange... Weg?, stammelte ich und kam mir dabei ziemlich blöd vor.

Er hob die Hand und zeigte mir dabei zwei Finger. Wunderbar, waren das nun zwei Stunden, oder zwei Tage, vielleicht zwei Monate oder zwei Kilometer?

„Zwei Tage. Heute“er zeigte einen Finger. „Morgen“ ,ergänzte er und zeigte den Zweiten. Langsam nickte ich, während ich in meinem Kopf nach den richtigen Worten suchte.

„Danke“, sagte ich schließlich lahm. Das war es dann wohl schon mit unserem Gespräch.

Innerlich bereute ich es zutiefst nicht mehr Engagement auf das Erlernen dieser Sprache gelegt zu haben. Aber ich war immer davon ausgegangen, dass ich hier niemals ohne meinen Vater sein würde.

Aber wir hatten schließlich so vieles anders geplant.

Da wir sowieso in friedlicher Eintracht nebeneinander herliefen, versank ich in meinen Gedanken.
 

Meine Reise schien sich langsam ihrem Ende zu nähern. In zwei Tagen würde man mich Sarutobi Hiruzen vorstellen.In Kürze würde ich an meinem Ziel ankommen.

Vor meinem inneren Auge begann sich meine Flucht noch einmal auszubreiten und so ließ ich sie Revue passieren.

Da ich Züge und dergleichen in meinem Land nicht hatte nutzen können, brauchte ich alleine mehrere Monate um die Landesgrenze zu erreichen.

Es waren einfach überall Wachposten aufgestellt worden, die nach mir suchten. Immer wieder hatte ich meine Route ändern müssen.

Teilweise hatte ich mich tagelang in Senken und Höhlen verstecken müssen, um nicht entdeckt zu werden, denn auch in den Wäldern suchten Teams nach mir. Einige Male kamen sie mir gefährlich nah und nicht immer waren meine Verstecke so unbewohnt, wie ich sie gern gehabt hätte. Schmerzlich kam mir die Begegnung mit einem Dachs in Erinnerung, der in seinen Bau zurückkehren wollte, während ich darin schlief. Diese Biester waren wirklich ziemlich aggressiv.
 

Ich war im Sommer aufgebrochen und als ich Endlich die Grenze erreichte war es bereits Herbst geworden.

Für einen Moment war ich froh es noch vor Wintereinbruch geschafft zu haben, denn dadurch, dass die Bäume ihre Blätter verloren, wären mir über kurz oder lang wahrscheinlich die Versteckmöglichkeiten ausgegangen.

Im Herbst setzten Stürme ein, die die meisten Menschen in ihre Häuser vertrieb, einige waren so stark, dass Bäume entwurzelt wurden.

Eine dieser Stürme nutzte ich als Gelegenheit um unerkannt über die Grenze zu gelangen.
 

Dort ging es allerdings nicht leichter vorwärts, denn als direktes Nachbarland, noch dazu in einer Union, hatte die Senatorin auch hier viel Einfluss. Darüber hinaus bestand ein Vertrag zwischen den beiden Ländern. Unter anderem enthielt er ein Auslieferungsabkommen. Sollte man mich hier fassen, gab es Nichts und Niemanden der mich retten konnte.
 

Der Vorteil war jedoch, dass man hier noch nicht von mir gehört hatte. Bevor ich die Grenze überquert hatte, waren mir nämlich einige Flugblätter in die Hände gefallen, die mich als gewalttätige Kriminelle auswiesen.

Hier aber gab es diese Steckbriefe nicht.

Und obwohl es wahrscheinlich war, dass im Randgebiet der ein oder andere Einwohner eines dieser Blätter gesehen hatte, würde sich das verlieren je weiter ich ins Landesinnere kam.
 

In dem Punkt sollte ich Recht behalten.

Einige Male ließen mich Farmer auf ihren Heuböden schlafen, oder gaben mir eine warme Mahlzeit oder gestatteten mir eine Dusche. Nach den ganzen Wochen in freier Natur, war das eine richtige Wohltat.

Der Winter indes, wurde zu einem der härtesten den der Kontinent seid Beginn der Wetteraufzeichnung gesehen hatte. Nicht immer hatte ich rechtzeitig einen Unterschlupf finden können und hatte mich darüber hinaus durch Schneestürme kämpfen müssen. Die Suche nach sicheren Stellen, erwies sich als ziemlich schwierig.

In einem besonders schwerem Sturm, hatte ich kein Glück gehabt und vielleicht wäre ich gestorben, wenn mich nicht zufällig ein Waldarbeiter gefunden hätte. Der Mann war gerade auf dem Heimweg. Halb erfroren hatte er mich in der Nähe seines Hauses gefunden. Am Ende meiner Kräfte war ich im Schnee zusammengebrochen.

Er nahm mich mit in sein Haus und zusammen mit seiner Frau half er mir auf die Beine. Er sprach sogar meine Sprache ziemlich gut, weswegen wir uns gut verständigen konnten. Sein Name war Karel und seine Frau hieß Marienke.

Als das Fieber kam, kümmerten sie sich rührend um mich. Da Karel und Marienke wohl gemerkt hatten, dass mit mir etwas nicht stimmte holten sie keinen Arzt von außerhalb, sondern behandelten mich selbst in ihrer kleinen Hütte. Sie schienen zu wissen, dass ich etwas verbarg fragten aber auch nicht danach.

Dafür war ich ihnen sehr dankbar, denn die Wunde war zu diesem Zeitpunkt noch viel zu frisch gewesen.

Sie verstanden viel von Naturheilmitteln. „Hier draußen, muss man sich zu helfen wissen. Es hat Vor- aber auch Nachteile“, sagte Karel mir, als mein Fieber sank. Der Nachteil war, dass die selbstgebrauten Mixturen einfach schrecklich schmeckten. Bald darauf ging es mir schon wieder so gut, dass ich erste Schritte unternahm.

Da ich den beiden nicht länger als unbedingt nötig zur Last fallen wollte, entschied ich mich aufzubrechen, sobald sich das Wetter stabilisiert hatte.
 

Zum Abschied hatte Marienke mir einen Schal in die Hand gedrückt und ihren Mann auffordernd angeschaut.

„Sie hat ihn für dich gestrickt, er ist nicht gerade unauffällig, aber er passt gut zu deinen dunklen Haaren.“

Mit dieser Beschreibung hatte der den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Farbe war eine Mischung aus petrol und indigo. Er würde sehr weit leuchten.

Nichtsdesto war er wunderschön – und monströs. Das Strickstück war sicherlich über 2 Meter lang.

Daraufhin hatte ich den beiden gedankt, sie umarmt und ihnen Lebe wohl gesagt.

Im Frühjahr hatte ich das Land durchquert und passierte die Grenze, als der Schnee zu tauen begann.
 

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich blickte auf. Yashido hatte anscheinend mit mir gesprochen.

„Was ist?“, fragte ich.

Der Mann zeigte auf eine Stelle abseits des Weges. Dort konnte ich hinter Bäumen eine Lichtung erkennen.

„Heute Nacht, schlafen.“, erklärte er mir. Vor Überraschung mussten meine Augen noch größer geworden sein, denn er zeigte nach oben in den Himmel.

Es war in der Tat bereits Dämmerung. Wir waren den ganzen Tag, seid der Pause am frühen Nachmittag gewandert und ich hatte es nicht einmal bemerkt.

Ich folgte ihm zu der Lichtung und ließ mich in dem weichen Gras nieder. Der Krieger wies mich an, auf der Lichtung zu bleiben und verschwand zwischen den Bäumen, vermutlich um Holz zu suchen für ein Feuer.

Gehorsam blieb ich sitzen.

Insgeheim hatte ich entschlossen, dass es sich einfacher leben ließ, wenn die Leute dachten, dass ich eine ganz normale junge Frau wäre.

Ich wollte vermeiden Aufmerksamkeit zu erregen, indem ich mich meiner Ausbildung entsprechend verhielt. Man würde Fragen stellen und auf diese Fragen hatte ich keine Lust.
 

Ein Knirschen zwischen den Blättern kündigte an, dass mein Begleiter fündig geworden war und zurückkehrte.

In seinen Armen hatte er einen Stapel voll mit Holz.

Diesen schichtete er einen halben Meter vor mir auf und begann damit ein Feuer anzuzünden.

Als es schließlich munter brannte reichte er mir einen langen Stock mit ein paar Fleischstücken daran und einer Reisration. Während wir beschäftigt waren, wurde es dunkel.

Schweigend saßen wir umringt von Bäumen und dem Zirpen der Grillen und anderer nächtlichen Geräusche.

Ein eigenartig friedlicher Moment.

Nach einer Weile bedeutete er mir, dass er wach bleiben würde um die erste Wache zu halten, damit ich schlafen konnte.

Ich nickte ihm zu, als Zeichen, dass ich ihn verstanden hatte, und rollte mich in meinem Schlafsack zusammen. Mir entging Yashidos Blick dabei nicht und musste lächeln. So etwas wie ein Schlafsack war hier nahezu unbekannt. Auf Reisen nahmen die Menschen hier in der Regel eine Unterlage und deine Decke.

„Andere Länder, andere Sitten.“, sagte ich.

Natürlich verstand er kein Wort. Da er sich damit abgefunden zu haben schien, dass ich genauso viel in seiner Sprache sprechen konnte wie ein fünf Jahre altes Kind, begnügte er sich damit mir lächelnd zuzunicken.

Lächeln und nicken. Es war wohl die gängigste Methode in diesem Land mit schwierigen Situationen umzugehen. In Gedanken verdrehte ich die Augen und seufzte ergeben. Es war eine so nichtssagende Geste, dass man schier wahnsinnig werden konnte.

Ich zuckte mit den Achseln und drehte mich mit dem Gesicht vom Feuer weg und schloss die Augen.
 

Einige Stunden später wurde ich geweckt. Wachwechsel.

Nun war es an mir mich ans Feuer zu setzten. Auch wenn Yashido davon ausging, dass ich wehrlos war, sah er es offensichtlich nicht als Problem an sich hinzulegen. Die größte Gefahr, die er vermutlich erwartete war ein verirrtes Wildschwein. Falls ich also ein merkwürdiges Geräusch hörte, musste ich ihn nur mit meinem Stock zu stupsen und ihn so wecken.
 

Ernsthafte Angriffe waren nicht zu erwarten, zumindest keine über die ich mir ernsthafte Sorgen machte.

Der Arm der Senatorin muss wirklich lang geworden sein, wenn sie uns dort erreichen kann. Die Worte hatte mein Vater damals gesagt.

Recht hatte er gehabt, so weit konnte kein Arm reichen, nicht bis zum anderen Ende der Welt. Allem was mich hier erwarten mochte war ich gewachsen, denn ich hatte einen zweifelhaften Vorteil: Es gab nichts mehr das ich noch verlieren konnte.

Grimmig stocherte ich mit meinem Stock im Feuer umher, das bereits weit herunter gebrannt war. Glühende Asche flog umher und ich erinnerte mich an meine Kindheit, als mein Vater zusammen mit mir und meinen Cousins an einen See gefahren war. Dort hatten wir geangelt und uns abends um ein Lagerfeuer gesetzt und er erzählte uns Geschichten.
 

Ich spürte die Bewegung am Rand der Lichtung mehr als dass ich sie sah. Langsam neigte ich den Kopf um in die Richtung zu sehen. Aus der Dunkelheit sahen mich zwei leuchtend gelbe Augen an. Ich starrte gelassen zurück.

Der Besucher schob sich ein paar Schritte weiter in meine Richtung und blieb dann unschlüssig stehen.

Ich hob eine Augenbraue und warf ihm eine wortlose Frage zu: ' Na, was willst du?'

Er hob seinen zotteligen Kopf und ich konnte sehen, dass sich seine Ohren neugierig aufstellten, bevor er den Kopf schief legte und seine lange rosa Zunge aus dem Maul hängen ließ.

'Ich habe das Licht gesehen und war neugierig, was das ist.', schien er zu sagen.

'Und nun da du es weißt, was hast du vor?'

Er schüttelte den Kopf und trat einen weiteren Schritt vor ohne, dass unser Augenkontakt abbrach.

'Ich weiß nicht. Eigentlich bin ich auf der Jagd und hier habe ich etwas Essbares gerochen.' Der Wolf schaute vor meine Füße, wo noch die Reste des Abendessens von Yashido lagen. Es waren noch einige dicke Stücke Fleisch übrig geblieben. Sie stammten von einem Reh, dass er einen Tag vorher erlegt hatte.

Er hatte vorsorglich alle verbliebenen Fleischstücke über dem Feuer geröstet. Roh würden sie sich keinesfalls einen Tag länger halten, so warm wie es war. Es überraschte mich, dass er überhaupt jagen gegangen war, denn die Reisration aus dem Palast hätte ohne Probleme noch einige Tage gereicht. Vielleicht hatte er keine Lust mehr auf puren Reis, tönte es in meinem Kopf. Ich musste kichern.

Auch der Wolf zog die Lefzen hoch, so dass es aussah als ob er mich angrinste. Umgeben vom Zirpen der Grillen lächelten wir uns an, als ob wir einen guten Witz gehört hatten.

Irgendwo in der Nähe schrie eine Eule. Vermutlich war auch sie auf der Jagd und hatte soeben ihre Beute ergriffen, um sie auf einem Baum in Ruhe zu verspeisen.

In meinen Gedanken gab ich dem Wolf den Namen Tonda.

'Nun Tonda, willst du mir Gesellschaft leisten?', fragte ich ihn und legte dabei etwas meinen Kopf schief. Kopfschütteln. Schade, dachte ich, es wäre schön gewesen mit jemanden reden zu können.

' Hast du keine Angst vor mir?', schien er mich zu fragen.

' Nein wieso?'

'Weil ihr Menschen für üblich anfangt zu schreien, wenn ihr mich seht. Die Bauen werfen Sachen nach mir, wenn ich mich ihren Herden nähere. Manche von ihnen legen vergiftete Köder aus um mich zu töten.'

Traurig blickte ich einen Moment zu Boden.

' Die Menschen sind dumm, Tonda. Sie haben Angst vor Allem, was stärker oder anders ist als sie selbst. Gleichgewicht schert sie dabei wenig.', nach kurzem zögern fügte ich hinzu:'Versuch ihnen zu verzeihen, denn sie wissen es nicht besser.'

Der Wolf jaulte leise. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Natürlich hatte ich nicht die geringste Ahnung was ein Tier dachte, aber dieses Gespräch in meinem Kopf hatte etwas reales. Vielleicht würden wir dieses Gespräch führen, wenn er reden könnte.

Ich blickte zum Himmel hinauf.

Dieser zeigte an, dass die Morgendämmerung kurz bevor stand.

Neben mir regte sich der schlafende Yashido und schlug die Augen auf.

Das hatte zur Folge, dass er Tondas Aufmerksamkeit erregte. Er klappte die Ohren nach hinten und schielte argwöhnisch zu dem auf dem Boden liegenden Mann.

Der Krieger indessen hatte die Augen aufgerissen und schien zu überlegen was er nun tun sollte. Ich konnte es in seinem Kopf beinahe rattern sehen, während er alle Möglichkeiten durchspielte. Zweifelsfrei, nahm er an, dass ich total verängstigt war und unfähig mich zu bewegen.

Es war die Entschuldigung dafür, dass ich versäumt hatte ihn zu wecken.

Ich grinste, was er zum Glück nicht sah.

Wäre er nicht wachgeworden, hätte ich sicher noch eine Weile meinen Spaß an der tierischen Gesellschaft gehabt. Menschen hatten vor so vielen Dingen Angst. Die Wahrheit war, dass die meisten wilden Tiere mehr Angst vor uns hatte, als wir vor ihnen. Ich betrachtete Yashido's Hinterkopf.

Wieso hatte er nur eine solche Angst vor dem Tier, das nur vorbeigekommen war, weil es Nahrung suchte.

Yashido neigte den Kopf und verlagerte sein Gewicht so, dass er sein Katana ziehen könnte, wenn der Wolf Anstalten machte anzugreifen.

Tonda war indes auch nicht klüger, ihm war, wie mir, die Absicht des Kriegers natürlich aufgefallen und legte nun seine Ohren an. Ein leises drohendes Knurren entwich ihm.

Ich beschloss einzugreifen, bevor das Tier oder mein Führer irgendwelchen Schaden nahmen.

„Shhhh...“

Yashido drehte sich zu mir um.

Langsam legte den Finger auf meine Lippen, während ich mich langsam hinab beugte um zwei der großen Fleischstücke aufzunehmen. Natürlich war ich mir bewusst, dass mich nicht nur der Mann, sondern auch der Wolf beobachtete.

Der Eine ziemlich entgeistert, der Andere aufmerksam. Was hatte der Mann denn gedacht, was ich tun würde? Hatte er etwa erwartet, dass ich im Kreis laufen und um Hilfe rufen würde? Anscheinend hatten die Männer hier ein merkwürdiges Frauenbild.

Ich sah Tonda tief in seine gelben Augen und warf ihm dann die beiden Fleischstücke zu.

'Geht auf mich, eins zum gleich fressen und eines zum Mitnehmen', dachte ich. Das riesige Tier schien den gleichen Gedanken gehabt zu haben, denn das größere von beiden Fleischstücken fing er bereits in der Luft und verschlang es ohne langes Federlesen.

Das Andere nahm er zwischen seine Fänge und sah mich ein letztes Mal an. Er jaulte leise, bevor er sich umdrehte und wieder in den Wald trottete.

Sobald er aus unserem Blickfeld verschwunden war, sprang der Mann auf und starrte mich vorwurfsvoll an.

Da ich mich sowieso nicht in seiner Sprache so ausdrücken konnte,und mich somit auch nicht erklären konnte, entschied ich mich für die einfachste Lösung:

Ich lächelte ihn an und nickte.
 

Das Feuer war mittlerweile gänzlich niedergebrannt und erloschen und ich war mir sicher, dass er sich Yashido nicht noch einmal hinlegen wollte.

Stattdessen packten wir schweigend unsere Sachen zusammen, kippten Wasser über die Feuerstelle um sicher zu gehen, dass kein schwelender Rest einen größeren Brand verursachen konnte und begaben uns mit den ersten Sonnenstrahlen wieder auf den Weg.
 

Yashido schien den Weg schnell hinter sich bringen zu wollen, denn er schlug einen zügigen Schritt an. Ich nahm an, dass er zum Einen froh war mich endlich loszuwerden, zum Anderen vermisste er sicherlich seine Familie.

Ein weiterer Grund sprach dafür, dass wir in den frühen Morgenstunden so viel Strecke wie möglich hinter und brachten.

Solange die Temperatur noch angenehm war, konnten wir gut vorankommen. Würde die Sonne aber erst einmal ihre ganze Kraft entfaltet haben, würden wir von alleine langsamer werden.
 

Da keiner von uns beiden den Wunsch verspürte ein weiteres Gespräch zu versuchen wanderten meine Gedanken wieder in die Vergangenheit.
 

Nachdem ich Karel und Marienke verlassen hatte und die Grenze ebenfalls hinter mir gelassen hatte, kam ich schneller voran.

Schließlich hatte ich sogar Glück, da ich eine kleine Gauklergruppe fand, die genau wie ich in das Land des Feuers wollte.

Ich bat sie, mich mitzunehmen und mich als Gegenleistung irgendwie nützlich zu machen.

Ursprünglich hatte ich dabei an Kochen und ähnliches gedacht, aber einen Koch hatten sie bereits. Aber sie konnten noch einen Artisten gebrauchen.

Ein paar artistische Kunststücke hatte ich sicherlich drauf, oder konnte sie zumindest schnell lernen. Körperbeherrschung war schließlich für mich kein Problem. Natürlich wollten sie eine Kostprobe haben und ich zeigte ihnen meine Fertigkeiten beim Messerwurf.

Der Anführer der Gruppe war überaus begeistert und gab mich direkt in die Obhut eines großen Mannes mit einer braunen Hautfarbe und einer hervorstehender Unterlippe.

Sein Name war Tafari. Er sprach nicht viel, sondern war eher der praktisch veranlagte Typ. Bevor er im Training zu viele Worte verlor zeigte er mir meine Fehler anschaulich durch Nachahmung bis ich es verstand.

Mit ihm zusammen übte ich verschiedene Nummern ein, die wir dann in den Dörfern durch die wir kamen, zur Schau stellten.

Hin und wieder kam ich auch in den Genuss mit Alima zu üben.

Alima war Akrobatin und beherrschte den Seiltanz wie keine Zweite. Darüber hinaus war sie überaus gelenkig.

Wenn sie auftrat, war sie der Mittelpunkt der ganzen Show.

Nicht nur wegen ihres Könnens, sondern auch weil sie so schön war. Sie kam aus dem Orient und hatte somit die grazile Körperstatur, die Menschen aus diesen Ländern zu eigen ist.

Darüber hinaus besaß sie lange, seidige schwarze Haare und große dunkle Augen, die von langen dichten Wimpern umrahmt wurden.

Mir war dieses Training auf zwei verschiedene Weisen überaus willkommen. Zum Einen wollte ich nicht aus der Form kommen, zum Anderen lenkte es mich von meinen oft trüben Gedanken ab.

Ich nahm auch an den anderen Trainingsprogrammen der restlichen Mitglieder teil, so waren da noch ein Boxkämpfer und zwei kleine asiatische Männer, die mit Kung Fu Schwertern Kämpfe inszenierten.

Sie alle brachten mir auf die eine oder andere Art neue Dinge bei. Mit einem Schwert hatte ich bis dato noch keine Kampferfahrungen gemacht. Und so machte das Training mit Zura und Han ziemlich viel Spaß. Allerdings war es schwierig, sich immer zurückzuhalten. Ich war fit und ich wusste auch wie tödlich ich war. Wären es echte Kämpfe gewesen, hätte keiner von ihnen etwas gegen mich ausrichten können. Doch die Bewegung tat mir im Allgemeinen gut.

Gemeinsam reisten wir so durch viele Dörfer zeigten unser Können, verdienten Geld und reisten am nächsten Tag weiter.

Manchmal vergaß ich für eine Weile meinen Verlust, der zu diesem Zeitpunkt bereits über ein Jahr zurücklag. Doch Nachts, wenn ich nicht beschäftigt war, drückte er um so schwerer auf mein Gemüt. Doch davon merkten die Anderen nichts.

Vor den Augen der Anderen war ich ein ausgewechselter Mensch. Ich lachte mit ihnen und versteckte meine Trauer.
 

Eines der schönsten Dinge auf dieser Reise waren die Landschaften die ich sah. Die Vegetation veränderte sich beständig, je weiter wir nach Osten kamen.

Laubbäume wurden zu Tannen, als wir durch Gebirge reisten. Und diese wurden wiederum zu Palmen, Auch das Klima änderte sich. Nachdem wir das hohe Gebirge passiert hatten, wo es furchtbar kalt und windig gewesen war, wurde das Klima mit jeder einzelnen Woche immer wärmer.

Marienkes Schal verschwand in meinem Rucksack.

Doch nicht nur die Bäume veränderten sich, sondern auch die Menschen.

Sie wurden kleiner und in ihrem Hautton dunkler, gebräunter, je weiter wir uns dem asiatischen Kontinent näherten in dem das Feuer-Reich lag.

Insgesamt waren wir ein Jahr gemeinsam unterwegs gewesen, da wir für unsere Aufführungen immer wieder Pausen einlegen mussten.
 

Aber schließlich war es soweit, wir standen vor den Toren der Hauptstadt des Feuerreichs.

Die Gebäude waren anders, als in der Stadt in der ich geboren wurde.

Sie waren nicht so hoch und auch anders angeordnet. Dennoch erschien mir die Bauweise irgendwie chaotisch. Viele Gebäude hatten einen breiteren Grundriss und verjüngten sich nach oben.

Alima sagte mir, dass es typisch für diesen Kontinent war, seine Straßen und Gebäude so anzuordnen. Sie wies mich auch auf die Nebengassen hin, die viel schmaler waren, als wie ich es gewohnt war.

Dennoch war nicht weniger Treiben auf den Straßen. Überall wurde gerufen, Händler boten ihre Waren an, Kinder riefen nach ihren Eltern um die eine oder andere Leckerei zu erbetteln.

Es war laut, bunt und für mein Empfinden viel zu überfüllt.

Ich fühlte mich regelrecht erschlagen.

Allerdings war es einfach herauszufinden wo sich die Residenz des Herrschers befand. In einiger Entfernung ragte eine riesige Burg auf. Das Wort 'Monumental' beschreibt am Besten den Eindruck, den der Komplex bereits von Weitem auf mich machte.

Man konnte es nicht einmal verfehlen, wenn man es vorgehabt hätte. Denn nicht nur die Größe war ungeheuerlich, sondern die Straßen führten auch geradewegs auf den riesigen Bau zu. Irrtum ausgeschlossen.

Ich atmete auf. Endlich. Nach fast zwei Jahren war ich nun endlich am Ziel. Plötzlich hatte ich Angst. Was wäre, wenn mir in diesem Palast keiner helfen würde? Wenn ich den ganzen weiten Weg hierhergekommen war und dieser Hiruzen womöglich schon gestorben war?

Ich wischte den Gedanken trotzig beiseite. Positiv bleiben, befahl ich mir. Dieses Ziel hat dir in den letzten zwei Jahren so viel Kraft gegeben, es wird hier nicht einfach so vorbei sein. Nur ab sofort ist eben alles weniger vorhersehbar. Ertönte es in meinem Kopf. Das stimmte wohl, ab sofort lag es nicht mehr in meiner Hand, was mit mir geschah.

Ich verabschiedete mich also von der Spielgruppe, wobei mir der Verdacht kam, dass sie gehofft hatte ich würde weiter bei ihnen bleiben. Ich war nicht gerade unbegabt, was dieses Geschäft anging und sie rechneten sich sicherlich aus, dass man mit mir noch gutes Geld verdienen konnte.

Traurig winkten sie hinter mir her, als ich mich auf den Weg in Richtung des Palastes machte.
 

Was so erreichbar ausgesehen hatte, erwies sich als überaus zermürbende Angelegenheit. Offensichtlich hatte mich der oberflächliche Schein betrogen, denn es führten nicht alle Wege auf direktem Weg zur Residenz. Im Gegenteil. Immer wieder stand ich vor Sackgassen oder Hauseingängen.

Somit verbrachte ich einen Großteil des restlichen Nachmittags um mir einen Weg zu suchen. Letztendlich stand ich dann aber doch endlich vor dem großen Tor. Was von weitem riesig ausgesehen hatte, war von nahem geradezu gigantisch. Sie war sicherlich vier Meter hoch und mehrere Meter breit. Das massive Holz war mit vielen Ornamenten verziert und rot getüncht worden.

Ein wirklich erhabener und zugleich einschüchternder Anblick. Vor dem Tor standen links und rechts mehrere Wachposten. Ich dachte mir nichts weiter dabei und hatte an ihnen vorbei gehen wollen, da ich sie mehr für Dekoration hielt.

Weit gefehlt, denn augenblicklich wurde ich von Wachen umzingelt. Jeder von ihnen trug eine braune Tōseigusoku.

Ein Mann baute sich vor mir auf. Im Gegensatz zu den restlichen Bewachern, hatte seine Rüstung eine grünliche Färbung.

Energisch sagte er etwas zu mir, das ich nicht verstand.

„Scheiße“, entfuhr es mir. Nun stellte er mir eine Frage ich verstand sie wieder nicht.

Ich versuchte es in meiner eigenen Sprache: „ Ich möchte dem Herrscher vorsprechen, ich habe einen Brief.“ Verständnislos schaute der Wachkommandant mich an.

Gut, ein Fehlschlag ich wiederholte den Satz in allen Sprachen die ich beherrschte.

Keine Reaktion, nur die Verwirrung schien größer zu werden.

Als ein Mann seinen Speer an meinen Hals hob, wurde mir mulmig.

Fieberhaft überlegte ich und ich versuchte es mit den einzigen Bruchstücken die mir einfielen:

“Suche.... Hiruzen... Sarutobi.. ähm.. Hokage? Daimyō?“

Dann zeigte ich auf den Palast. Verblüfft schaute der Mann mich an, dann hob er eine Augenbraue und gab ein Zeichen an seine Männer. Diese traten einige Schritte zurück und auch der Mann mit dem Speer entspannte sich.

Ich nutzte die Gelegenheit und nahm meinen Rucksack vom Rücken und kramte nach dem Brief meines Vaters. Nach all den Jahren war er immer weiter nach unten gewandert, so dass es einige Minuten dauerte bis ich ihn aus den untiefen meines Gepäckstückes befördern konnte. Mit einem triumphierenden „Ha!“ hielt ich ihn in die Höhe und überreichte ihn dem Hauptmann.

Dieser nahm ihn skeptisch entgegen und drehte ihm um, sodass er das Siegel sah. Seine Miene veränderte sich schlagartig und er musterte mich noch einem mal abschätzend und vor Allem prüfend.

Siedend heiß fiel mir ein, dass ich wahrscheinlich nicht den besten Eindruck machte. Meine Kleidung hatte in den Jahren gelitten und sah wahrscheinlich mehr als verschlissen aus. Darüber hinaus war es etwas her, dass ich einen Spiegel gesehen hatte, denn unsere letzte Vorstellung war vor einer Woche gewesen und somit hatte es keinen Grund gegeben sich irgendwie heraus zu putzen. Die Sachen, die ich bei unseren Auftritten getragen hatte waren Leihgaben von Alima gewesen und somit natürlich auch bei ihr geblieben.

Alles in Allem musste ich also einen ernüchternden Anblick bieten.

Einen weiteren Augenblick zögerte er, dann signalisierte er mir, ihm zu folgen. Vor ihm wurden die Tore geöffnet und mir war es, als öffnete sich eine Tür zu einer ganz anderen Welt.

Das Areal hinter der Mauer war eine riesige Parkanlage. Überall waren in Blüten stehende Bäume und Teiche. Eine Allee von Kirschbäumen führte zum Eingang des Gebäudes.

So etwas Schönes hatte ich noch nie gesehen.

Mit großen Augen folgte ich dem Kommandanten bis zum Tor der Burg selbst, dort hieß er mich zu warten. Ich nickte um zu verdeutlichen, dass ich ihn verstanden hatte.

Man ließ mich nicht lange warten, aber anstatt mit einem Minister oder anderen wichtig aussehenden Person erschien der Mann mit einer steif aussehenden älteren Frau.

Ich beäugte sie misstrauisch.

Das war sicher nicht der Daimyō. Die Beiden sprachen miteinander und machten sich nicht einmal die Mühe leise zu reden. Mussten sie auch nicht, ich verstand sie eh nicht. Nach ein paar Minuten, drehte sich der Mann zu mir um, zeigte auf die Frau verbeugte sich und stiefelte wieder zurück auf seinen Posten.

Die Frau indes musterte mich genauso wie der Wachkommandant. Ich musste furchtbar aussehen. Damals auf der Flucht aus dem Wachkomplex hatte ich eine schwarze Hose und ein dunkles T-Shirt getragen, zusammen mit den Stiefeln, die zu unserer Ausrüstung gehörten. Die Stiefel hatte ich noch an, weil sie sehr robust waren. Den Rest hatte ich allerdings, um die Sachen zu schonen in meinen Rucksack gepackt und stattdessen eine lange Hose aus einem groben Material und eine Lange Bluse angezogen, die ich mit meinem Gürtel etwas tailliert. Ich hoffte damit weniger wie ein Vagabund auszusehen. Anscheinend ein weiterer Fehlschlag. Nervös zupfte ich an meiner Bluse herum. Beide starrten vor Dreck und Staub.

Sie rümpfte die Nase und nahm mich bestimmt bei der Hand und zerrte mich mit sich. Ich hatte einmal Bilder von einer Geisha gesehen, sie sah diesem Bild irgendwie ähnlich, denn die trug einen langen wunderschönen Kimono der mit Pfauen bemalt war. Ihr Haar war zu einer Frisur gesteckt worden, in der ein wunderschöner Haarstab mit einem Pfauenschmuckstück als Zierde eingearbeitet war.

Einen Moment dachte ich, sie würde mich nun zu irgendjemanden führen, den mein Vater gekannt hatte. Aber stattdessen brachte sie mich zu einem Zimmer und bedeutete mir hineinzugehen.

In diesem Zimmer war eine Wanne und mehrere junge Frauen die mich kichernd ansahen.

Damit ging mir ein Licht auf. So war das, ich sollte baden. Bevor ich noch etwas anderes hatte sagen können, wurde hinter mir bereits die Tür geschlossen und ich saß in der Falle.

Tjah Pech gehabt, dein Instinkt hat versagt. Hörte ich es gehässig in meinem Kopf. Auf der Stelle umringten mich die Frauen und ich wurde entkleidet.

„Was zum..?!“ Weiter kam ich nicht, schon zog man mir die Bluse über den Kopf und warf sie achtlos in eine Ecke. Das Gleiche passierte mit meiner Hose und Unterwäsche.

Die Hausdame nahm die Wäschestücke sogleich mit spitzen Fingern hoch und besah sie sich. Dann trug sie sie mit einem weiteren rümpfen ihrer Nase weg. „Hey... Halt! Das sind meine Sachen!“ Es war zwecklos, die Sachen würde ich sicher nicht mehr wiedersehen. Eine zweite Frau wollte sich meinen Rucksack nehmen, da wurde es mir dann aber doch zu bunt. Unsanft schubste ich die Frauen beiseite und riss ihr mein Hab und Gut aus den Händen.

Böse funkelte ich sie an. Die Tatsache, dass ich dabei nackt war,ließ mich dabei sicherlich lächerlich aussehen. Dennoch hatte es einen kleinen Effekt, denn obwohl ich nichts am Leibe trug, war ich dennoch mindestens einen halben Kopf größer als die größte von ihnen. Die Menschen hier waren generell ziemlich klein, das war mir auch schon auf der Reise und in der Stadt aufgefallen, ich war sogar größer als die meisten Männer. Somit konnte ich den Preis als unauffälligste Person schon mal vergessen. Auch mein Körperbau war anders als bei den Frauen die sich um mich scharrten und versuchten mir den Rucksack abzunehmen. Mein Körperbau war viel breiter als diese grazilen Wesen, die auch junge Mädchen hätten sein können.

Frustrierender Weise kam ich mir nun also auch noch vor, wie ein Elefant unter Rehen. Na wunderbar.

Abermals wurde die Tür geöffnet und die alte Frau kam wieder herein.

Da sie offensichtlich erwartet hatte, dass ich bereits in der Wanne saß und geschrubbt wurde, schaute sie etwas verdrießlich drein. Mit herrischer Stimme sagte sie etwas zu den Badefrauen, die ihr etwas antworteten und dann auf mich und den Rucksack deuteten. Sie seufzte hörbar und bedeutete den Frauen, mir den Rucksack zu überlassen. Als sie von mir weggetreten waren, entspannte ich mich.

Nun da ich nicht mehr befürchten musste, dass auch er auf Nimmerwiedersehen verschwand, zeigte ich mich kooperativer.

Ich brachte ihn zu einer Wand und lehnte ihn dagegen. Abermals schaute ich die Frauen böse an. Dann ergab ich mich in mein Schicksal und ging zur Wanne. Sogleich nutzten sie die Gelegenheit und schubsten mich mehr oder weniger sanft über den Rand, so dass mit meinem Eintritt in die Wanne ein nicht unbeträchtlicher Schwall des Wassers als Gegenleistung herausschwappte. Energisch begannen sie mich abzuschrubben und mir die Haare zu waschen.

Dabei kicherten sie ununterbrochen, ich kam mir etwas blöd vor. Ich war durchaus imstande mich selbst zu waschen. Missmutig grummelte ich vor mich hin.

Irgendwann zogen sie mich aus dem Wasser vor einen großen Spiegel und begannen mich abzutrocknen und einzukleiden. Die Kleiderwahl stellte sich dabei, als etwas schwieriger heraus. Wie bereits gesagt, war ich mindestens einen halben Kopf größer als die Größte unter ihnen. Was bedeutete, dass die Kleidungsstücke, die sie mir reichten schlichtweg zu klein waren.

Am Ende brachte man mir eine dunkle Hose, Sandalen und etwas, dass sie als Haori bezeichneten. Darunter zog ich ein T-Shirt. Da sie mir alle Kleidungsstücke abgenommen hatten, besaß ich auch keinen BH mehr. Allerdings kein großer Verlust, wirklich ausgeprägt war meine Oberweite noch nie gewesen. Trotzdem fühlte ich mich ohne ihn merkwürdig nackt.

Nun begannen sie mich zu frisieren, wobei sie nicht wirklich zimperlich umgingen. Tatsächlich hatte ich das Gefühl, dass sie mir meine Haare büschelweise herauszogen.

Irgendwann reichte es mir, und mit einer unwirschen Handbewegung scheuchte ich sie von meinem Kopf weg.

Mit etwas Verwunderung bemerkte ich wie lang meine Haare in den letzten Jahren geworden waren, glatt gekämmt reichten sie mir im Rücken fast bis zur Taille. Ich trug sie für gewöhnlich einfach in einem Dutt, damit sie mich nicht störten.

Und da ich mir auch selten die Mühe gemacht hatte mir die Haare zu kämmen, war mir ihr Wachstum auch nicht aufgefallen. Einen Moment bewunderte ich sie im Spiegel. Eine der Frauen reichte mir einen Kamm und ein Band.

Ich lächelte ihr zu und begann mir noch einmal die Haare zu bürsten.

Versetzte meinen Scheitel etwas auf die rechte Seite und kämmte den restlichen Wust nach links, dann fasste ich den Zopf unter meinem linken Ohr und begann mir einen Zopf über die linke Schulter zu flechten. Das Band nutzte ich um den Zopf unten zusammenzubinden, indem ich es einfach mehrmals um das Ende schlang.

Zufrieden betrachtete ich mein Spiegelbild. Ich sah hübsch aus. Meine braunen Haare umrahmten mein Gesicht und der graue Haori bildete dazu einen guten Kontrast.

Ich sah mir einen Augenblick in die Augen, sie waren grau, nur um die Pupille gab es einen kleinen grünen Ring.

Als die Hausdame wieder erschien bedachte sie mich mit einem Anerkennenden Blick, zog dann eine weitere Haarnadel aus ihrem Ärmel und fixierte mir eine lose Strähne im Nacken.

Einen Moment dachte ich erschrocken, dass womöglich jemand der Frauen die Stelle in meinem Nacken berührt und gespürt vielleicht sogar gesehen hatte. Aber Keiner von ihnen schien etwas Merkwürdiges aufgefallen zu sein.

Aber selbst wenn sie es gesehen hätten, da ich für sie exotisch war, hielten sie die Stifte mit größter Wahrscheinlichkeit für Piercings oder ähnliches.
 

Ich war nun also endlich salonfähig. Die alte Frau winkte mir mit ihrer schmalen Hand, damit ich ihr folgte.

Beinahe hätte ich meinen Rucksack vergessen, drehte mich aber noch mal um und holte ihn. Gemeinsam gingen wir durch viele verschiedene Flure und Gänge. Irgendwann blieb sie stehen und wies mit der Hand auf ein Zimmer.

Das war dann wohl meines. Anscheinend empfing man mich nicht sofort, sondern ließ mich warten. Aber nachdem ich so lange unterwegs gewesen war, erschienen mir ein paar Stunden nicht weiter schlimm.

„Danke.“, sagte ich schüchtern in ihrer Sprache und bekam ein breites Lächeln als Antwort. Vielleicht war sie doch nicht so verkniffen?

Sie ließ mich allein und ich sah mich in dem kleinen Raum um. Er war nicht sonderlich groß, aber es gab ein Futonbett hinter einem Vorhang. Plötzlich war ich unendlich müde. Ein bisschen hinlegen konnte doch nicht schaden, oder?

Bevor mein Kopf die Matratze erreichte, war ich bereits eingeschlafen.
 

Einige Stunden später wurde ich geweckt und einige Männern eskortierten mich durch das Schloss. Man brachte mich in ein Audienzzimmer in dem vor einem Podest ein Kissen lag, das wohl für mich bestimmt war. Ich schaute mich um. Der Boden war aus polierten Holzdielen und die Wände schienen mit Stoff bezogen zu sein, die verschiedene Motive hatte. Auf einer Wand war ein Samurai zu sehen, der sein Schwert gezogen hatte, während er sich mutig angreifenden Männern entgegenstellte. Mein Blick wanderte zurück zu meinem Kissen und dem Podest.

Auf dem diesem saßen aneinandergereiht der Herrscher und seine Berater. Der Daimyō selbst saß in der Mitte. Zumindest nahm ich an, dass er der Regent war.

Sein fächerartig aufragender Kopfschmuck hob sich von den anderen Männern ab, daher lag der Schluss nahe.

Siedend heiß fiel mir ein, dass ich für solcherlei Begegnungen in keinster Weise Erfahrung hatte. Über die Etikette wusste ich kein bisschen.

Zögerlich ging ich auf das Kissen zu, bis ich hinter ihm stand und somit gegenüber dem Herrscher eines ganzen Reiches.

Meinem Instinkt folgend, sank ich auf die Knie und verbeugte mich tief.

Es schien zumindest nicht gänzlich falsch zu sein, denn nach einer Weile, forderte man mich auf, mich zu erheben und Platz zu nehmen. Einige der Minister schauten mich belustigt an. Verunsichert nahm ich auf dem mir angebotenen Kissen Platz.

Da ich mich nicht selbst verständigen konnte, hatte man einen Übersetzer herbeigerufen. Ich beherrschte sechs verschiedene Sprachen fließend, aber hier half mir keine Einzige davon.

Ein Berater hatte den von mir überreichten Brief gelesen und hatte sich an Mahn, meinen Vater, erinnert. Daraufhin fragte mich ein Minister nach meinem Namen. Ich nannte ihm diesen.

Der schien dem Herrscher allerdings nicht zu gefallen, weswegen er beschloss mir einen Neuen zu geben, da ich schließlich vorhatte von nun an in diesem Land zu leben. Er diskutierte ein wenig mit seinen Beratern.

Ich verhielt mich ruhig und nickte nur. Ein neuer Name war nicht das Schlimmste. Es bezeichnete einen Neubeginn und obendrein, wurde mir somit ein Alibi geschaffen. Allerdings konnte er sich nicht gut entscheiden zur Auswahl standen Kuraiko, was Kind der Dunkelheit bedeutete, Dai, was so viel wie groß hieß und Haruka.. Ich persönlich war für Haruka, denn es bedeutete 'weit entfernt'. Das schien auch dem Daimyō in den Sinn gekommen zu sein, denn er klatschte in die Hände und beschloss, dass man mich von nun an nur noch mit Haruka anzusprechen hatte. Niemand wird je deinen richtigen Namen erfahren, flüsterte es in mir. Na und? Gab ich zurück. Es gab niemanden mehr, für den dieser Name eine Bedeutung gehabt hätte. Ich spürte einen stumpfen Schmerz in meinem Herzen. Die Bilder der Nacht waren genauso deutlich wie damals. Nur die Emotionen hatte ich mittlerweile in eine kleine Kiste in meinem Herzen verbannt.
 

Ich hatte dem Gesprächsverlauf nicht gefolgt und war nun überrascht, als ich angesprochen wurde. Man fragte mich, wieso ich alleine hierhergekommen wäre und warum ich überhaupt aus meinem Land geflohen war.

Kurz überlegte ich, ob ich die Wahrheit sagen sollte, entschied mich aber dagegen. Je weniger die Menschen wussten, desto besser. Ich würde natürlich nicht lügen. Also erzählte ich, dass meine Eltern Teil des Regierungsgeschehens gewesen, und ihrerseits Senatsmitglieder gewesen waren. Sie hatten sich zur Opposition der Senatorin bekannt. Da meine Eltern einen guten Ruf besaßen, den sie durch ihr politisches Engagement für das Land erworben hatten, waren sie zu einem Dorn entwickelt.

Und schlussendlich, hatte die Senatorin um ihre Macht fürchten müssen, und beschlossen ihre Gegner ein für alle mal zu eliminieren. Während ich erzählte, übersetzte der Mann neben dem Daimyō eifrig was ich sagte und der Herrscher nickte mitfühlend. Insgeheim fand ich ihn etwas merkwürdig, ließ mir aber nichts anmerken. Er machte auf mich den Eindruck eines völlig weltfremden Menschen, wahrscheinlich kam er nie aus diesem Palast heraus.

Ich schloss mit den Worten, dass mein Vater geplant hatte seinen alten Freund Hiruzen Sarutobi aufzusuchen. Einige Berater runzelten daraufhin die Stirn. Erst später wurde mir bewusst, dass man hier den Nachnamen zuerst aussprach, und meine Art und Weise für sie befremdlich geklungen hatte.

Nachdem ich geendet hatte, zog sich der Herrscher einige Minuten zurück, um zu überlegen, was nun geschehen sollte. Als er endlich wiederkam, verbeugte ich mich abermals tief, was ihm sichtlich zu gefallen schien. Über den Dolmetscher ließ er mir mitteilen, dass ich noch ein paar Wochen seine Gastfreundschaft genießen sollte und er dann jemanden schicken würde, der mich bis in das Dorf Konohagakure begleiten würde. Dort war Sarutobi Hiruzen Hokage und würde sich meiner weiteren Bedürfnisse annehmen.

Damit war ich entlassen worden.
 

„Haruka?“, tönte es neben mir. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass Yashido mich angesprochen hatte. An den Namen hatte ich mich noch nicht gewöhnt.

„Ja?“, fragte ich.

„Wir sind da. Das ist Konohagakure.“, er deutete mit seinem Arm nach vorne.

Kapitel 2- Ich bin Naruto Uzumaki!

Mein Blick folgte Yashidos' ausgestrecktem Arm. Vor uns war eine gewaltige Stadtmauer mit einem Tor, dass an Größe sogar das des Herrscherpalastes in den Schatten stellte.

Mindestens fünfzehn Meter ragte es in die Höhe.
 

Etwas überrascht sah ich mich um, an dieser Stelle hatte ich nun wirklich nicht mit einem Dorf gerechnet.

In Gedanken stimmte ich meinem Vater zu, der es als 'versteckt' bezeichnet hatte. 'Überraschungsdorf in der Wildnis' hätte genauso gut gepasst.
 

Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich jäh stehengeblieben war, bis Yashido zu mir trat und mich sachte am Ellbogen berührte und etwas sagte.

Immer noch perplex wie ich war, hörte ich ihm gar nicht zu, sondern sah weiterhin geradeaus.

„Haruka?“ unterbrach er meine Gedankengänge. „Wir sollten weitergehen.“
 

Es war ein merkwürdiges Gefühl auf diese Mauer zuzugehen, denn je weiter wir uns näherten, desto kleiner und unbedeutender fühlte ich mich im Vergleich dazu.

Das Tor selbst bestand aus einer grünen, hölzernen Flügeltür, die weit offenstand. Darauf hatte jemand mit roter Farbe zwei Zeichen gemalt, die ich allerdings nicht lesen konnte. Auf den Torsims darüber war ein Symbol eingemeißelt, das aussah wie ein Blatt.

Blätter gab es tatsächlich viele in der Umgebung, denn das Dorf lag mitten im Wald.

Neugierig sah ich mich um, während wir das Tor passierten.

Yashido seinerseits hatte einen anderen Plan und schlug den Weg zu einem kleinen Wachhäuschen ein, das links hinter der einen Torhälfte stand.

In dem Holzverschlag saßen zwei Männer, die wohl das Wachpersonal darstellten. Langsam folgte ich ihm, während er sich bereits aufgeregt mit Beiden unterhielt und wild gestikulierte.

Wusste ich es doch, dachte ich grimmig, so schweigsam wie er sich gegeben hatte war er nicht. Ich trat näher heran und versuchte mein Möglichstes um nicht aufzufallen, denn ich wollte ihre Unterhaltung nicht stören.

Es wäre unhöflich gewesen, denn die Drei schienen sich zu kennen und freuten sich demnach um so mehr. Beim genaueren Hinsehen, fiel mir auf, dass der Altersunterschied gar nicht einmal so unbedeutend war. Während mein, nun gar nicht mehr so schweigsamer, Begleiter sicher um die vierzig war, waren die beiden Männer in der Hütte noch ziemlich jung. Vielleicht ein paar Jahre älter als ich.

Beide machten einen quirligen Eindruck auf mich, wobei der rechte von Beiden etwas aufgeweckter und energiegeladener zu sein schien. Er hatte einen Verband über seine Nase gebunden. Die dunkle Haarflut stand ihm in alle Richtungen ab und der Vergleich mit einem Seeigel schien mir recht passend. Mir fiel das Stirnband mit einem Metallstreifen auf, dass Beide trugen.

Einer trug, verbesserte ich mich in Gedanken, denn der Andere hatte kein Stirnband, sondern ein Kopftuch umgebunden, auf dessen Vorderseite aber genau die gleiche Metallplakette befestigt war. Beide trugen eine grüne Weste und darunter einen dunkelblauen Pulli. Eine etwas ungewöhnliche Wachmontur, wie ich fand.

Yashido schien mich derweil völlig vergessen zu haben, denn weder drehte er sich zu mir um, noch machte er Anstalten mich mit in das Gespräch mit einzubeziehen.

Achja...

Wieder einmal verdammte ich meine katastrophalen Sprachkenntnisse, denn ich konnte dem Gespräch nur zu einem kleinen Teil folgen.

Allem Anschein nach ging es bei der Unterhaltung um die Katze von irgendeiner Frau. Den Gesichtern der beiden Männer in der Hütte zu schließen, schien das Tier ein ziemlicher Satan zu sein, denn sie zeigten Yashido ihre zerkratzten Arme.

Dieser lachte daraufhin und gab eine spitze Bemerkung von sich. Verschmitzt grinsten sich die Drei an. Dann fiel der Blick von einem der Wachposten auf mich und er fragte Älteren irgendetwas. Yashido nickte als Antwort und erklärte, dass es sein Auftrag sei, mich zum Hokage zu bringen und dann wieder zurückzukehren.

Da ihm nun auch meine Anwesenheit wieder eingefallen war, drehte er sich zu mir um und lächelte mich schuldbewusst an. Damit leitete er einen generellen Wechsel des Gesprächs an, ob mir das nun gefiel oder nicht, konnte ich beim besten Willen nicht eindeutig sagen.

Mir war als hätte man ein Signalfeuer neben mich geworfen, denn alle drei Männer schauten mich an, zwei von ihnen mit unverhohlener Neugier. Verlegen überlegte ich, was ich nun machen sollte. Verbeugen? Hinknien? Hand reichen? Sollte ich mich selber vorstellen? So viele Möglichkeiten und nichts davon erschien mir richtig.

Bevor ich zu einem Entschluss gekommen war, ergriff der Mann neben mir das Wort.

„Haruka?“, begann er und deutete mit seinem Arm auf die beiden Wachen„ Das sind Izumo Kamizuki und Kotetsu Hagane, die beiden sind....“ er stoppte und schien zu überlegen, wie er es möglichst einfach formulierte, damit ich es auch verstand.

„Wachen?“, schlug ich vor.

Die Beiden lachten. Der Mann der Izumo hieß, tippte mit seinem Finger gegen das Metallstück auf seinem Kopftuch.

„... sie sind Chūnin – Ninja.“, beendete er seinen Satz. Dann grinste er und fügte hinzu:“ Und ja, meistens sind sie Wachen. Sie sitzen eigentlich immer hier. Izumo? Kotetsu? Das ist Haruka.“

Meinem Bauchgefühl folgend, neigte ich den Oberkörper etwas nach vorne und lächelte die Beiden an.

Der Mann mit der Bandage im Gesicht beugte sich interessiert nach vorne und sagte etwas in meine Richtung. Es war Kotetsu.

Bedauernd schüttelte ich den Kopf.

„Es tut mir... leid“, kramte ich mühsam die Worte zusammen.“Ich spreche nur.... wenig. Aber … ich werde viel lernen um besser zu... sprechen.“ Selbst in meinen Ohren klang es grauenvoll.

Am liebsten wäre ich im Boden versunken.

Einen Moment sahen mich alle Drei wortlos an. Als ich bereits wünschte, tatsächlich im Boden zu versinken, öffnete Yashido neben mir seinen Mund.

Ich machte mich innerlich darauf gefasst, dass er anfangen würden zu lachen. Doch im Gegenteil, er schaute mich ein wenig überrascht und ermunternd an. „Ich dachte du sprichst gar nichts.“, erklärte er mir.

„Nicht... viel.“, würgte ich hervor.

„Das wird schon. Ansonsten frag unseren Kotetsu hier, er übt sicher gern mit dir.“ Izumo lachte fröhlich und schlug seinem Freund kameradschaftlich auf die Schulter. Verwirrt schaute ich von Einem zum Nächsten. Kotetsu derweil, hatte seinem Kollegen eine Kopfnuss verpasst und schien nahe daran zu sein ihn zu erwürgen. Izumos Unterton war mir zuvor völlig entgangen, weswegen ich für noch mehr Erheiterung sorgte.

„Wenn ich … bei Fragen, fragen darf, wäre es schön.“ Izumo klatschte seinem Freund ein weiteres Mal auf die Schulter und hielt sich den Bauch vor lachen, während Yashido seinerseits eine Bemerkung machte. Hilflos schaute ich den Mann an, auf dessen Kosten die Scherze gingen.

„Tut mir Leid“, sagte ich leise.

Dieser winkte ab, verpasste seinem Kollegen eine weitere Kopfnuss und setzte sich wieder auf seinen Platz.

„Wenn du Fragen hast, dafür sind wir da. Wir sind meistens hier“ er funkelte die beiden anderen Männer wütend an, die sich auf die Zunge bissen um sich nicht um Kopf und Kragen zu reden.

Einen Moment herrschte angestrengtes Schweigen, doch weder Yashido noch Izumo konnten sich wirklich gut beherrschen und wieherten abermals vergnügt los.

Es dauerte eine Weile bis sie sich wieder Gefangen hatten und sich bei ihrem Freund entschuldigten, der die Arme vor der Brust verschränkt, auf seinem Platz schmollte.

Unsicher wanderte mein Blick von Einem zum Anderen, es war wirklich nicht meine Absicht gewesen, den jungen Mann mit der Stachelfrisur seinen Freunden auszuliefern.

Sie redeten noch kurz miteinander, dann war das Gespräch, im Großen und Ganzen beendet und Yashido signalisierte mir, dass wir nun weitergehen würden.

Zögernd beugte ich ein weiteres Mal meinen Oberkörper und hob die Hand um ihnen zum Abschied zuzuwinken. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich noch, wie Izumo seinem Partner in die Seite knuffte und etwas sagte, woraufhin Kotetsu ihn tatsächlich zu würgen begann.

Hastig nahm ich meine Hand wieder herunter.
 

Das lief ja schon fast reibungslos, kommentierte die Stimme in meinem Kopf. Ich seufzte und folgte dem bereits vorausgegangenen Yashido.

Als ich ihn eingeholt hatte, sah dieser mich von der Seite an.

„Du verstehst uns ganz gut.“, stellte er fest. Bedauernd schüttelte ich den Kopf.

„Zu wenig... aber..einfacher.. hören, als.. sprechen.“ Ich zögerte kurz und fügte hinzu:“ Ich lerne... besser, wenn ich... Leute... sprechen höre.“

Anscheinend verstand er was ich meinte, denn er nickte versonnen.

„Yashido? Was ist Chūnin ?“ Verwirrt schaute er mich an, bis ihm wohl wieder eingefallen war, dass ich mich mit den Bräuchen des Landes nicht auskannte und somit auch nicht wusste, wer oder was ein Chūnin war.

„Ein Chūnin ist ein Ninja. Ein Kämpfer. Es gibt Genin.“, bei diesen Worten zeigte er mit seiner Hand auf Höhe seiner Hüfte, wie wenn man eine Größenangabe machte.“Sie sind Anfänger. Dann Chūnin“, seine Hand zeigte auf Brusthöhe. „Und Jōnin.“ Die Hand markierte die Höhe seiner Stirn. „Jōnin sind sehr starke Ninjas. Es gibt noch mehr, aber das wäre zu schwierig.“

Ich nickte. „Was ist Ninja?“ Natürlich hatte ich bereits von Ninjas gehört, aber ich fand es einerseits angenehm, dass er endlich mit mir sprach, andererseits war mein Wissen mehr als nur oberflächlich. Er begann mit einem Exkurs über die Entstehung der Ninjakultur, über verschiedene Clans und wie das Dorf Konohagakure entstanden war. Zugegebener Maßen, verstand ich nicht einmal die Hälfte von dem was er mir erklärte, doch es lieferte mir einen überraschend guten Einstieg in das Thema.

Während wir redeten, kamen wir immer weiter ins Innere des Dorfes.

Wie auch die Hauptstadt des Feuer-Reiches, fand ich den Aufbau etwas befremdlich.

Was womöglich auch daran lag, dass es keine asphaltierten Straßen gab. Es gab es keine Fahrzeuge, wie ich sie aus meiner Heimat kannte. Entweder war die Zeit hier stehengeblieben, oder die Menschen wollten von solchen Geräten nichts wissen. Als wir an einem Stand vorbeigingen, hörte ich ein Radio.

Außerdem führten oberirdische Stromkabel von Haus zu Haus.Ganz von Technik abgeschnitten, schien man hier also doch nicht zu sein.

Am Horizont konnte ich einen Bergkamm erkennen, in den riesige Gesichter in den Felsen gehauen waren. Mein Blick streifte sie beim ersten Mal nur leicht, wurde aber sofort auf die Steinköpfe zurückgezogen. Jemand hatte die überdimensionalen Skulpturen mit Farbe verunstaltet.

Mir stockte der Atem: War das ein Hundehaufen, der dem zweiten Gesicht auf die Wange gemalt worden war?

Wo sind wir hier nur gelandet? Seufzte meine innere Stimme.

Die Wahrheit war: Ich hatte nicht die geringste Ahnung.

Ich wusste nicht einmal mehr genau in welchem Teil des Landes ich mich genau befand, denn die zwei Wochen die wir unterwegs gewesen waren, hatten wir zumeist unter Bäumen zugebracht.

Auf meinen Orientierungssinn war demnach kein Verlass mehr.
 

'Nun, zumindest scheinen die Leute hier Sinn für Humor zu haben', sagte ich mir, wobei ich an die beiden Wachen dachte, die am Dorfeingang gesessen hatten. Eigentlich, fand ich es sogar ganz witzig. „Bist du ein Chūnin?“, richtete ich mich wieder an Yashido. Während ich etwas aus dem Konzept gebracht worden war, schien er die beschmierten Gesichter noch nicht bemerkt zu haben.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin Jōnin. Ich komme aus diesem Dorf, diene aber dem Daimyō. Ich kenne Kotetsu und Izumo schon seid sie kleine Jungs waren.“

Man sah ihm an, dass er sich an etwas erinnerte, denn er sah einen Moment in den Himmel und begann zu lachen.

Yashido wollte mir gerade die Erinnerung mitteilen, aber jedes Wort, das er sprach ging in einem wütenden Stimmgewirr unter. Verdutzt blickte er den Weg zurück den wir eben gekommen waren und seine Augen öffneten sich vor Schreck.

Eine Menschenmasse war hinter uns aufgetaucht und drängte sich, einer Lawine gleich, durch die Straßen.

Dabei riss sie alles mit, das ihr im Weg stand oder sich nicht hatte rechtzeitig retten können.
 

Bevor der Jōnin oder ich irgendeine Möglichkeit hatten zu reagieren und uns, wie einige der anderen Fußgänger mit einen Sprung in einen der angrenzenden Läden zu flüchten, hatte sie uns erreicht und mitgerissen. Um nicht verletzt oder gar niedergetrampelt zu werden, blieb uns nichts anderes übrig, als uns mit ihnen treiben zu lassen.

Zu allem Überfluss dauerte es nicht lange und ich verlor meinen Begleiter aus den Augen, da sich der wütende Mob von Zeit zu Zeit teilte um in verschiedene Straßen zu strömen. Woher kamen nur so viele Menschen auf einmal?

Anfangs versuchte ich mir zu merken, in welche Straßen wir eingebogen waren. Links, rechts, noch mal rechts, über die Kreuzung, wieder links, zwei mal gerade aus, dann nach links, eine geradeaus....und dann?

Ich hatte schon längst den Überblick verloren. Doch es hatte auch etwas gutes, denn je mehr die Gruppe sich teilte, desto schwächer wurde das Zerren und Drücken.

Schließlich nutzte ich eine Chance, in der eine Lücke an einer Laterne entstand. Wie ein Ertrinkender machte ich einen Satz zur Seite und es gelang mir mich an den Mast zu klammern und auszuharren, bis sie an mir vorbeigezogen waren.

Entgeistert starrte ich ihnen nach, was hatte sie nur so in Rage versetzt?

Da fielen mir die wüsten Bilder auf den Steinporträts wieder ein und kicherte. Der Arme tat mir jetzt schon leid, hoffentlich bekamen sie ihn nicht zwischen ihre Finger.

Es würde sicher kein gutes Ende nehmen.

Ein Blick verriet mir, dass wütende Mob mich weit von der Hauptstraße abgedrängt hatte. Ich befand mich, zumindest glaubte ich das, in einem Wohngebiet.

Um mich herum waren entlang der Straße Mauern und über diese lugte hin und wieder ein Häusersims, auch war hier nichts von dem bunten Treiben des Dorfkerns zu hören. Ich hörte keine Kinder, die von ihren Eltern an einem der Stände Süßigkeiten erbettelten und niemanden, der seine Waren anpries.

Leider konnte ich von meiner Position aus auch das Felsdenkmal nicht mehr sehen, so fiel der leichteste Orientierungspunkt natürlich aus.

Natürlich hätte ich auch einfach eine Mauer nach oben klettern können, doch ich sträubte mich innerlich dagegen, vielleicht hielt man mich noch für einen Einbrecher oder einen perversen Spanner.

Seufzend entschied ich also, den Weg so weit zurück zu gehen wie ich mich erinnern konnte. Mit etwas Glück würde ich dabei einen Blick auf die Steingesichter erhaschen können und so die Hauptstraße wiederfinden.

'So beginne ich also mein neues Leben, verloren in einem Dorf dem auf seinem Denkmal das Bild eines Hundehaufens prangte.', dachte ich nicht ohne Galgenhumor und bog um die nächste Ecke. Zu meinem Verdruss hatte sich dort eine abgespaltene Gruppe des Mobs gesammelt. Da ich weder Lust noch Laune hatte, mich noch ein weiteres Mal von ihnen mitschleifen zu lassen, drehte ich auf dem Absatz um.

Zügig ging ich zurück und bog in eine andere Richtung ab. Tatsächlich sah es hier zumindest schon einmal wieder mehr nach Handel aus, denn es befanden sich einzelne Läden in den Häuserzeilen. Auch die Straße war etwas breiter. Ich drehte mich noch einmal in die Richtung aus der ich gekommen war, man konnte die Meute auch hier immer noch herum toben hören. Sie riefen wüste Beschimpfungen durcheinander. Ob das wirklich nur an den bekritzelten Gesichtern lag? Dafür war der ganze Zirkus doch etwas übertrieben.

Eine andere Möglichkeit könnte sein, dass die Einwohner hier von der nachtragenden Sorte waren.

In meinem Rücken erhob sich ein Geräusch, dass ich für das Summen eines wütenden Bienenschwarms gehalten hätte, aber der Hoffnung gab ich mich nicht hin. Einige Ecken weiter schienen sie sich neu formiert zu haben. Ich ging die Straße weiter entlang und hoffte, dass die Bürger sich eine andere Straße zum Einbiegen aussuchen würden.

Einen Augenblick blieb mir der Wunsch im Halse stecken.

„Wenn wir dich in die Finger kriegen! Dann erlebst du dein blaues Wunder, du Bengel.“
 

Es schien wirklich nicht mein Glückstag zu sein, denn ich war mir sicher, dass die Stimmen sich immer weiter auf mich zubewegten. Es schien mir daher ratsam, mich nach einem geeigneten Platz umzusehen, an dem ich abwarten konnte, bis alles vorbei war. Für diesen Zweck erschien mir ein Laden, der Tonkrüge führte als gute Wahl. Vor der Eingangstür standen zwei Exemplare riesigen Ausmaßes, und mir erschien die Idee merkwürdig verlockend einfach in eine hineinzuklettern und abzuwarten.

Das Geschrei wurde lauter und ich blickte an die Straßenecke vor mir, in der just ein Junge um die Ecke auf mich zu sprintete. Er rannte lachend davon und rief den Leuten hinter sich immer wieder Beschimpfungen zu, was die wiederum zur Weißglut brachte. In seiner Hand, erkannte ich einen Farbeimer nebst Pinsel. 'Du bist also der Unruhestifter', schmunzelte ich. Schlagartig wurde mir bewusst, dass die enorme Masse den Jungen entweder lynchen oder einfach zertrampeln würde, sollten sie ihn einholen.

Ich schaltete innerhalb von Sekunden, denn selbst wenn er weiterliefe und sie ihn nicht erwischten, würde er in der nächsten Gasse genau in die andere Gruppe hineinlaufen.

Als er an meiner Position vorbei sauste, beugte ich mich blitzschnell vor und griff zu. Da ich ihn so wenig wie möglich verletzten wollte, trotz seines hohen Tempos, schlang ich meinen Arm um ihn. Dennoch musste es für ihn sein, als liefe er gegen eine Wand.

Seine Augen weiteten sich vor Verblüffung, als er nach hinten gezogen wurde und seine Flucht so beendet wurde.

„HEH....“, hub er an und begann heftig zu strampeln. Sicher dachte er, ich sei jemand von den Dorfbewohnern.

„Pshhh!“, herrschte ich ihn an und legte den Finger an meine Lippen. „Halt still.“ Er gehorchte verblüffender Weise sofort und ich schob ihn etwas unwirsch in einen der Krüge hinein. Gerade rechtzeitig, als die Vorhut um die Ecke gebogen kam. Der erste war ein Mann, der die gleichen Sachen an hatte wie die beiden jungen Männer am Stadttor. Sein Gesicht war verzerrt und auch bei den restlichen Männern sah ich erboste Wut und etwas, dass wie Hass aussah. Mordlust funkelte in ihren Augen.

„Wo ist die kleine Ratte?“ Neben mir hörte ich wie es in der Flasche leise schluckte. Hoffentlich hatte der Ninja das nicht gehört. Der aber war viel zu sehr in Rage. Es war mir unbegreiflich, wie man sich als erwachsener Mensch nur so gehen lassen konnte.

„Hast du hier einen kleinen blonden Jungen vorbei laufen sehen?“, schrie er mich erbost an.

„Ja“; sagte ich und spürte regelrecht wie dem Übeltäter im Krug das Herz in die Hose rutscht.

„Dort“, ich zeigte in die Richtung in der ich vorher die andere Gruppe entdeckt hatte.

Aufatmen im Krug.

In der Zwischenzeit waren auch die restlichen Leute um die Ecke gerannt gekommen und näherten sich dem Mann, der mich nach dem Blonden gefragt hatte.

„Da lang“, befahl dieser und rannte los.

Durch meine Gedanken zuckte ein Bild von Bauern mit Mistgabeln. Das hier schien mir eher wie eine Hetzjagd, mit Bestrafung oder bloßen zur Rechenschaft ziehen hatte das nichts mehr gemein.

Ich runzelte die Stirn.

Beinahe wäre ich erneut mitgerissen worden, hätte ich mich nicht an dem Krug festgeklammert, der zu meinem Glück durch den Jungen im Inneren beschwert wurde.
 

Nachdenklich blickte ich der Gruppe hinterher.

Ich wartete noch ein paar Minuten, bis die Rufe weiter entfernt waren.

„Weg“, sagte ich schließlich zu dem Tonkrug, worauf hin er zu wackeln anfing.

„Na endlich, es ist ganz schön eng hier drinnen, echt jetzt“, tönte es.

Um es dem Kleinen einfacher zu machen, kippte ich den Krug um, damit er besser herausklettern konnte.

Da nun keine unmittelbare Gefahr mehr bestand, schaute ich ihn mir neugierig etwas genauer an und stellte überrascht fest, dass er wirklich klein war. Aufgerichtet ging er mir gerade mal bis etwas über den Bauchnabel. Es war beinahe ein Wunder, dass ich ihn überhaupt so einfach hatte greifen können, denn die Wahrscheinlichkeit war beim näheren Überlegen groß gewesen, dass ich über ihn hinweg gefasst hätte.

Er trug einen orange-blauen Anzug, auf dessen Rücken ein roter Strudel aufgenäht war. Seine blonden Haare standen in alle Richtungen ab und wurden durch eine Art Fliegerbrille aus seinem Gesicht gehalten.

Eigentlich ein hübsches Kerlchen, dachte ich und lächelte ihn an. Er würde mal ein hübscher junger Mann werden, vor Allem mit diesen strahlend blauen Augen.

Auch er betrachtete mich neugierig.

„Du kommst nicht von hier“, stellte er fest. Da es überflüssig war es zu leugnen, da mir alleine die richtige Statur fehlte, nickte ich einfach und lächelte ihn weiter an.

Plötzlich wurde sein Ausdruck trotzig.

„Pah! Ich hätte es auch allein geschafft, ihnen zu entwischen. Du hast mir ganz schön wehgetan.“ Bemüht, ernst zu bleiben, suchte ich in meinem Kopf nach den richtigen Worten.

„Viele Leute.... dort“, ich zeigte in die Richtung aus der ich vorhin gekommen war. „ Und dort“, nun deutete ich in die Richtung aus der der kleine Unruhestifter gekommen war. „Du.... dazwischen.“ Ich versuchte ihm mit meinen Händen zu zeigen, dass er eingekesselt worden wäre. „Du, wirklich schnell.... ich aber angst.“, schloss ich lahm.

„Entschuldigung.... ich spreche … noch nicht viel.“

Anscheinend war seinem Ego damit genügend geschmeichelt, denn er schaute nun verstehend zu mir auf.

„Achso, du hattest wohl Angst, dass die Leute mich verprügeln oder so.“ Ich nickte.

„Naja, das war wirklich nicht nötig, denn ich bin kein normaler Junge. Ich bin ein Ninja und den blöden Leuten entkomme ich immer. Die sind viel zu dämlich.“

Dieser Junge wollte ein Ninja sein? Ich war wirklich überrascht aber ließ mir nichts anmerken, damit ich ihn nicht verletzte.

„Entschuldigung“, sagte ich noch einmal.

„Sag mal, wie heißt du eigentlich?“, fragte er laut.

„Haruka.“ Ich biss mir auf die Zunge, beinahe hätte ich meinen tatsächlichen Namen gesagt. Damit wäre mein neuer Name hinfällig gewesen und somit in gewisser Weise auch der Neuanfang.

„Haruka – und weiter?“

Ich schüttelte den Kopf „ Nur Haruka...Wie heißt du?“, fügte ich hinzu.

„Uzumaki Naruto!“ rief er.

„Naruto Uzumaki“, wiederholte ich langsam. Etwas verwirrt schaute er mich an und mir fiel ein, dass man hier den Nachnamen vor dem Vornamen nannte.

„In meinem Land... zuerst Vorname... dann Nachname“, erklärte ich. Daraufhin schien er einen Moment zu überlegen, dann lachte er, verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und rief:

„Achso. Naja dann: Hallo ich bin Naruto Uzumaki und ich werde einmal der größte Ninja aller Zeiten werden!“
 

Er macht den Eindruck es wirklich ernst zu meinen. Er hat einen starken Willen. Ich stimmte der Stimme gedanklich zu. Er schien dieses Ziel fest vor Augen zu haben und wer weiß vielleicht wurde er irgendwann einmal ein großer Ninja. Ich mochte den Blonden. Er schien wirklich aufgeweckt zu sein. Lächelnd betrachtete ich ihn noch einen Augenblick lang, dann wanderte mein Blick hoch zu den Wolken. Träume.

Über mir zogen die weißen Gebilde gemächlich dahin. Mir fiel ein, dass ich versuchen sollte entweder meinen verschollenen Begleiter oder das Gebäude zu finden, in dem sich den Hokage aufhielt. Seufzend schaute ich mich um, leider wusste ich immer noch nicht in welche Richtung ich musste. Mein neuer Bekannter sah mich etwas verwirrt an.

„Suchst du etwas?“

„Ja. Begleiter oder.... Hokage.“ Ich warf ihm einen resignierten Blick zu. „Die Leute...“, ich wusste nicht weiter. Da ich mich mit Worten nicht verständlich machen konnte, versuchte ich mit meinen Händen zu erklären, was ich meinte.

„ Ahh! Ich verstehe. Sie haben dich einfach mitgeschleift, als sie versucht haben mich zu fangen!“

„Ja, sie haben … mich mitgeschleift.“ Wiederholte ich.

„Weißt du was? Du hast mir geholfen und jetzt helfe ich dir! Ich bringe dich zum Hokage.“

Begeistert strahlte ich ihn an „Danke, Naruto.“ Das würde mir viel Zeit ersparen. Außerdem schien er weit redefreudiger zu sein als Yashido, der erst in der letzten halben Stunde aufgetaut war.

Mein schlechtes Gewissen meldete sich unverzüglich, nebst der Stimme aus meinem Kopf.

Du hättest nur mehr lernen müssen, als dein Vater es dir gesagt hat. Dann hättest du jetzt die Probleme nicht. 'Ach sei still', dachte ich unwirsch.

„Können wir, Haruka?“ Naruto sah mich abwartend an.

„Ja.... und Naruto?“

„Heh?“

„Danke für... Hilfe.“

„Keh, kein Problem. Weißt du, ich will einmal ein großer Ninja werden und da muss ich auch Leuten helfen.“ Mit diesen Worten marschierte er los und ließ mich mit einem verdutzten Gesicht zurück. Er hatte sich wirklich hohe Ziele gesteckt. Ich wünschte ihm von ganzem Herzen, dass er sie erreichen würde. Allerdings würde das sicher nichts werden, wenn er weiter die Stadtheiligtümer mit Farbe beschmierte.

Weil ich neugierig war, fragte ich ihn, wen die Köpfe darstellten und wieso er sie bekritzelt hatte.

„Woher weißt du, dass ich das war?“, fragte er mich erstaunt.

Ich hob eine Augenbraue, grinste ihn an und sah dann auf den Farbeimer, den er immer noch in der Hand trug.

„Viele Menschen hinter dir.“ Er schien zu verstehen, worauf ich hinaus wollte.

„Weißt du“, begann er und schaute in den Himmel „ Die Gesichter sind die Hokage, die Konoha bisher hatte. Zuerst der Shodai Hokage, sein Kopf ist der ganz links.“ Um mir etwas zu helfen hatte er bei dem Wort 'Shodai' einen Finger gehoben. Also war er das erste Dorfoberhaupt gewesen. Vermutlich sogar der Gründer der Stadt selbst.

„Der Zweite ist der Nidaime Hokage.“ Naruto zeigte mir zwei Finger. Dann der Sandaime Hokage. Und ganz rechts ist der Yondaime Hokage.“ Er sah mich fragend an. Ich nickte um ihm zu signalisieren, dass ich ihn verstanden hatte.

„Also... wir gehen zu Yondaime Hokage“, stellte ich fest. Ich ahmte Naruto nach, indem ich 4 Finger in die Höhe hielt.

„Nun... nein. Der Yondaime ist leider vor zwölf Jahren gestorben. Damals hat ein neunschwänziger Fuchs das Dorf angegriffen. Der Hokage hat sich selbst geopfert um das Dorf Konoha zu beschützen. Er ist ein großer Held.“

Er bemerkte, dass ich nicht ganz mitgekommen war und blieb stehen. Mit dem Finger zeichnete er einen Fuchs in den Straßendreck und einen kleinen Mann daneben. Ich wunderte mich etwas, dass der Fuchs so groß war. Meiner Erfahrung nach waren Füchse klein und niedlich. Auch, dass ein Fuchs ein Dorf angreifen sollte fand ich ziemlich unwahrscheinlich, denn selbst wenn er Tollwut haben sollte oder in ein Dorf lief um nach Nahrung zu suchen, sich deswegen opfern musste man sicherlich nicht.

Ich nahm an, dass es sich um eine Legende handeln musste, die man den Kindern im Dorf erzählte. Möglicherweise wollte man nicht, dass sie den wahren Grund des Todes erfuhren. Vielleicht hatte ihn der Fuchs mit einer Krankheit infiziert, dachte ich. Der Blondschopf wischte das Bild weg und stand auf.

„Deswegen hat man den Sandaime Hokage wiedergewählt.“ schloss er.

Langsam setzten wir uns wieder in Bewegung. Mir fiel auf, dass Naruto einen merkwürdigen Weg einschlug, anstatt wie ich vermutet hatte, schnell wieder auf die Hauptstraße zu kommen, schien er mich kreuz und quer durch die Stadt zu lotsen. Während er fröhlich von 'Ojii-Hokage', was ich für mich selbst mit Opa Hokage übersetzte, erzählte, schien es mir, dass er den Weg absichtlich in die Länge zog. Doch ich hatte im Grunde genommen alle Zeit der Welt.

Grinsend dachte ich mir meinen Teil. Der Kleine schien von Autorität nicht viel zu halten. Offensichtlich hatte ich hier Konohas' Querkopf vor mir, der wild gestikulierte und gerade von all seinen Streichen erzählte, die er dem Dorf und dem Hokage bereits gespielt hatte. Trotzdem erschien es mir, als ob der das Dorfoberhaupt mochte und die Bezeichnung 'Opa' nicht nur abwertend gemeint war.

Während ich ihn ihm zuhörte, hatte ich Gelegenheit mir auch sein Gesicht etwas genauer anzusehen. Sein lebhafter Charakter spiegelte sich in seinem Gesicht wieder und er verlieh ihm so eine einnehmende Ausstrahlung. Ich stutzte als ich auf seinen Wangen etwas entdeckte von dem ich nicht recht wusste, was es war.

Narben?

Als er sein Gesicht drehte, wurde sichtbar, dass auch auf der anderen Seite die gleichen Male waren. Drei auf jeder Seite. Naruto war so in seinem Element, dass er meinen Blick nicht bemerkte.

„Weißt du... die Hokage sind die stärksten Ninjas die es in einem Dorf gibt. Jeder in Konoha respektiert sie. Sie sind große Männer.“

Ich runzelte die Stirn. „Wieso dann die Farbe?“ Innerlich gratulierte ich mir für einen vollständigen Satz. Mittlerweile waren wir so weit durch das Dorf gewandert, dass ich die Steinköpfe wieder vor uns sah.

Aufmerksam betrachtete ich die, zugegeben, verunstalteten Steinköpfe. Einen nach dem Anderen. Das Gesicht des Yondaime kam mir allerdings irgendwie bekannt vor. Ich blickte von dem Fels zu meinem persönlichen Reiseleiter.

Ob Naruto wusste, dass die beiden sich verblüffend ähnlich sahen?

Die kleine Quasselstrippe überlegte indes angestrengt, wie er meine Frage beantworten sollte. Er zögerte und schaute mich unsicher und verschüchtert an.

„Weil ich auch irgendwann so respektiert werden will.“ Die Antwort verblüffte mich und ich musterte ihn noch einmal von oben nach unten. Naruto tat so, als merkte er es nicht und sah etwas wehmütig auf die Felswand, die vor uns immer größer wurde.

„Schau mal dahinten, Haruka, siehst du das Gebäude?“, wechselte er plötzlich das Thema.

„Ja, was ist es für … Gebäude?“

„Dort müssen wir hin. Das Zeichen vorne heißt 'Hi' und bedeutet Feuer. Dort wohnt Opa Hokage.“, sagte er etwas wehmütig.

Mein Blick folgte seinem ausgestreckten Arm. Das Gebäude war ein rot getünchter Rundbau. An der Vorderseite war ein runder Schild mit dem von Naruto beschriebenen Zeichen.

Als er ansetzen wollte, mir noch etwas zu erzählen, ertönte hinter uns eine Stimme:“ Da steckst du also Naruto!“

Der angesprochene erstarrte mitten im Schritt und ein Schauer durchlief seinen Körper. Verdutzt blieb ich stehen. Was war denn nun los?

„Oh weia, das ist Sensei Iruka“, whisperte der erstarrte Junge.

„Ich weiß, dass du mich gehört hast, du kleiner Idiot. Diesmal bist du zu weit gegangen!“

Ich drehte mich um, während Naruto immer noch in seiner Schockstarre gefangen war und sich keinen Millimeter bewegte. Er war unnatürlich blass geworden, beinahe bläulich.

Ein junger Mann rannte auf uns zu. Er trug wie Izumo und Kotetsu eine dunkelblaue Hose und einen Pullover in der gleichen Farbe. Darüber eine grüne Weste.

Er schien ziemlich wütend zu sein, denn er fuchtelte wie wild mit seiner Hand.

„Bleib ja stehen du Bengel!“

Das schien dem Frechdachs Beine zu machen. „Ich muss los!“ Schrie er mir über die Schulter hinweg zu. „Ich hoffe wir sehen uns wieder Haruka!“ Flink wie ein Wiesel schlüpfte er durch einen Spalt im Zaun, keinen Moment zu früh als auch schon sein Verfolger in einem unnormalen Tempo an mir vorbeisauste.

Sie waren wirklich schnell, schoss es mir durch den Kopf. Perplex sah ich zu, wie der braune Zopf des Mannes, den Naruto seinen Senesei Iruka genannt hatte, mit einem Satz über den Zaun sprang.
 

Wie war das möglich, dachte ich verdattert. Der Zaun war sicher an die zwei Meter hoch. Wie konnte man da einfach so drüber springen?

Irgendwas ist hier merkwürdig, bestätigte die Stimme in meinem Kopf.

Ich blinzelte, die beiden würden wohl nicht mehr zurückkommen. Mein gefühlter hundertster Seufzer stahl sich aus meinem Mund, denn ich bedauerte es etwas, dass der quirrlige Junge so schnell verschwunden war.

Ihm hatte es nichts ausgemacht, dass ich seine Sprache nicht konnte.

So mobil wie er war, redete er einfach für Zwei. Es war überhaupt das längste Gespräch gewesen, dass ich seid zwei Jahren geführt hatte. Dieser Gedanke gab mir einen innerlichen Stich, als mir bewusst wurde, dass ich die Gesellschaft von Naruto wirklich genossen hatte. Er hatte ein wirklich einnehmendes Wesen.
 

Weiter in die Richtung schauend, in der die beiden Streithähne verschwunden waren, setzte ich meinen Weg in Richtung des Rundbaus fort.

Dort angekommen sah ich mich einen Augenblick um. Von hier aus konnte ich die Steinhäupter ganz aus der Nähe sehen. Die Gelegenheit nutzend legte ich den Kopf schief und besah mir den vierten Hokage näher.

Es gab keinen Zweifel, dass er und der Wirbelwind von eben sich zum verwechseln ähnlich sahen, zumindest wenn man sich vorstellte, dass der Hokage blond war. Aber wie groß war die Wahrscheinlichkeit?
 

Gerade als ich weitergehen wollte, spürte ich eine Bewegung an meinem Bein. Verwundert schaute ich an mir herab und stellte fest, dass sich eine braune Katze zu mir gesellt hatte.

„Na hey, wer bist du denn?“ Langsam beugte ich mich herab und hielt ihr meine Hand hin. Sie beschnupperte mich ausgiebig, begann zu schnurren und rieb sich weiter an meinem Bein.

Mit Katzen konnte ich schon immer gut.

„Nanu, du gehörst doch jemanden. Du bist wohl aus dem Haus hier entwischt.“ Mitfühlend betrachtete ich den Kater, dem man eine monströse rote Schleife um das Ohr gebunden hatte. Armer Kerl. „Du bist ja wirklich ein hübscher“, lobte ich ihn, nachdem er mich angemaunzt hatte.

Er komplett braun, bis auf ein paar Streifen auf dem Kopf und an seinem Schwanz. Ich beugte mich zu ihm hinunter und kraulte ihn ausgiebig.

„Na? Kommst du mit?“, fragte ich ihn. Als Antwort warf er sich auf den Boden und machte sich lang.

Da er immer noch schnurrte, zuckte ich die Achseln und nahm ich ihn einfach auf den Arm, während ich ihn mit der anderen weiter streichelte.

Gerade als ich überlegte, wie ich gedachte ohne meine Hände die Tür zu öffnen, wurde sie von Innen aufgestoßen.

Heraus kam ein ziemlich erschöpft wirkender Yashido. Seine Haare schienen etwas grauer geworden zu sein und einige Büschel standen ihm wild vom Kopf ab. Offensichtlich hatte der wütende Mob ihm ziemlich zugesetzt, denn auch in seinem Gesicht sah ich etliche Schrammen.

Er erschrak sichtlich, da er beinahe in mich hineinlief. Nach dem ersten Schreck erkannte er mich, und sein Gesichtsausdruck wechselte in unendliche Erleichterung.

„Haruka!“

„Hallo Yashido.“, erwiderte ich. In meinen Armen schnurrte es laut und dem Jōnin entglitten die Gesichtszüge dermaßen, dass ich lachen musste.

„Katze.“ Ich hielt ihm das Tier unter die Nase, das augenblicklich zu fauchen begann und nach seinem Gesicht schlug. Schnell zog ich den Kater wieder zurück, der in meinem Arm wieder zufrieden schnurrte.

Dem zerzausten Mann fielen fast die Augen aus dem Kopf.

„Na du bist ja ein merkwürdiger Geselle, wieso fauchst du Yashido denn an, hm?“

Dieser hörte zwar seinen Namen, aber verstand mich natürlich nicht, da ich in meiner Sprache mit dem Fellknäul sprach. Ungläubig schüttelte er den Kopf und trat zurück, um mir die Tür aufzuhalten.

„Ich habe dich schon überall gesucht! Wo warst du die ganze Zeit?“

Ein Teil in meinem Kopf stellte mir die Frage, wie ich ihm das beantworten sollte. Ich war schließlich gerade zum ersten Mal in diesem Dorf unterwegs gewesen und hatte nicht die leiseste Ahnung wo ich zwischenzeitlich überall gewesen war. Auch weil Naruto mit mir diffuse Umwege gegangen war.

Ratlos griff ich so zu dem Verhaltensmuster zurück, dass mir schon auf der Reise gute Dienste geleistet hatte: Lächeln und den Kopf schieflegen.

Offensichtlich bemerkte auch der Jōnin seinen Fehler und machte eine entschuldigende Geste. „Verzeihung, du kannst das ja nicht wissen. Ist dir etwas passiert?“ Lächelnd verneinte ich und folgte dem Mann dann eine lange Treppe hinauf. Der Treppe folgte ein gebogener Gang mit vielen Türen. Vor einer blieben wir stehen.

„Warte bitte einen Moment.“ Er klopfte und als im Inneren eine Stimme ertönte, verschwand er in dem Zimmer.

„Na wenigstens hab ich dich noch“, sagte ich zu meinem tierischen Freund. Dieser versuchte sich gerade in meinen Armen zu wälzen und räkelte sich genüsslich.
 

Nach ein paar Minuten kam Yashido wieder heraus und lächelte mich ermunternd an.

„Der Hokage erwartet dich und für mich ist nun die Zeit gekommen um Abschied zu nehmen. Mein Auftrag ist beendet und ich kehre zum Daimyō zurück. Ich wünsche dir viel Glück. Vielleicht sehen wir uns wieder, wenn du besser unsere Sprache sprichst.“ Er zwinkerte mir zu. Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass er die vergangenen zwei Wochen sehr wohl mit mir hätte sprechen können. Er war doch derjenige gewesen, der wortkarg neben mir hergetrottet war.

Was konnte ich dazu, wenn erst die Ankunft in Konohagakure ihn um einhundertachzig Grad drehte?

Der Mann, den ich auf dem ganzen Weg für mürrisch gehalten hatte, wirkte nun aufgeschlossen und fröhlich.

Vielleicht lag es daran, dass er nach langer Zeit seine Heimat besuchte. So was hatte bekanntlich Einfluss auf die Gemütswelt, dachte ich bissig.

„Ich... werde... lernen. Auf Wiedersehen, Yashido. Guten Weg.“ Natürlich versuchte ich ihm eine gute Heimreise zu wünschen, aber besser ging es nicht.

Um ihm doch noch irgendwie meine Dankbarkeit auszudrücken verbeugte ich mich vor ihm. Dann drehte ich mich um und ging durch die Tür, die er mir öffnete, da ich immer noch den Kater im Arm hatte.
 

Hiruzen Sarutobi. Der Sandaime Hokage von Konohagakure.

'Ojii – Hokage' hörte ich in meinem Kopf die Stimme des Jungen, der noch vor einer guten Stunde, wie ein Wasserfall über ihn geredet hatte. Mir war durchaus bewusst, das Alter immer im Auge des Betrachters lag und für einen Jungen den ich vielleicht auf zehn oder elf schätzte, war ein Altersunterschied gefühlsmäßig noch größer, als er tatsächlich war.

Doch der Mann, der vor mir stand war tatsächlich steinalt. Es fiel mir schwer zu glauben, dass mein Vater und dieser Mann zusammen auf Missionen gewesen sein sollen, selbst wenn man zwanzig oder gar vierzig Jahre abzog.

Der dritte Hokage war einige Zentimeter kleiner als ich und trug einen Mantel, die ich als eine Art Amtsuniform interpretierte. Dazu gehört neben dem eben erwähnten Mantel ein kegelförmiger Hut, auf dem ich das gleiche Zeichen für Feuer erkannte, dass auch vorn auf dem Gebäude angebracht war. Mühsam versuchte ich mich an Narutos Worte zu erinnern.

Das Zeichen bedeutete 'Hi' und stand für Feuer, fiel es mir wieder ein.

Sein Gesicht war schmal und wirkte ausgezehrt. Als besonders empfand ich die Falten die sich um seine Augen gebildet hatten, es waren vier auf jeder Seite, absolut symmetrisch zueinander und sahen wie Sonnenstrahlen aus, die von seinem unterem Augenlid ausgingen.

Unwillkürlich musste ich an die Markierung denken, die ich bei Naruto im Gesicht gesehen hatte. Auch bei seinem Lehrer war mir quer über sein Nasenbein ein Streifen aufgefallen. Allerdings hatte ich ihn nicht lange genug gesehen um herauszufinden, ob es sich dabei vielleicht um eine große Narbe handelte.

„Na, hab ich den Test bestanden? Sehe ich aus wie der Mann, den du suchst?“ Verblüfft zuckte ich zusammen. Die Stimme mit der er sprach war nicht nur überraschend tief und kräftig, sondern er redete mich auch in meiner Sprache an.

Etwas beschämt, gestand ich mir ein, dass es unhöflich gewesen war, ihn so anzustarren.

„Du bist also Mahns' Tochter. Und siehe da, Tora hast du auch mitgebracht. Sehr beeindruckend.“

Ich blickte auf meinen Arm, den Kater hatte ich ganz vergessen. Belustigt stellte ich fest, dass er in meinem Arm eingeschlafen war. Da sein tierischer Instinkt ihm nun aber mitteilte, dass er ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerutscht war, hob er den Kopf und miaute.

„Genma? Komm doch bitte kurz rein“, rief er in Richtung der Tür. Diese wurde augenblicklich geöffnet und ein Mann trat ein.

„Ja, Meister Hokage?“

„Genma, nimm doch bitte die Katze Tora mit dir. Ich denke Madame Shijimi, wird sich freuen ihn wieder zu haben. Und sag dem Suchteam Bescheid, dass ihre Mission beendet ist.“

Ich runzelte die Stirn. Da war eben ganz sicher noch kein Mann draußen gewesen. Wo kam er so plötzlich her?

Argwöhnisch betrachtete ich ihn. Er war ein großer schmaler Mann, der die gleichen Sachen trug wie auch schon Izumo, Kotetsu und Narutos Lehrer.

In seinem Mund hatte er etwas, das aussah wie eine lange Nadel und auf seinen Kopf trug er wie Izumo ein Kopftuch. Das merkwürdige war, dass er es verkehrt herum zu tragen schien, denn die Knoten zeigten nach vorn. 'Wieder ein Ninja', dachte ich.

„Ja, Meister Hokage.“

Tora schien Lunte gerochen zu haben, denn er fauchte in Genmas' Richtung.

Ich wusste nicht, wer von Beiden nun weniger begeistert schien, der Kater oder der Mann. Der Ninja verzog das Gesicht, als er mir den Kater aus dem Arm nahm. Da das fauchende Knäul seinerseits sofort begann ihn zu kratzen und zu beißen. Verdutzt sah ich, wie der Traktierte das fauchende Tier daraufhin fluchend im Genick packte und soweit wie möglich von sich weg streckte. Anscheinend hoffte er, dass auf die Art und Weise sein Gesicht so wenig Schaden wie möglich nahm. Mit einem still-leidenden Ausdruck trug er seinen schreienden Widersacher nach draußen, während er seinerseits das Tier beschimpfte.

Verdattert sah ich den beiden nach und man konnte noch eine Weile beide auf dem Gang hören.

„Nun, das wäre geklärt. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft Tora seiner Besitzerin schon davon gelaufen ist.“ Ertönte es hinter mir.

„Das Wichtigste zuerst“, fuhr der Hokage fort. „Sag mir, wie soll ich dich nennen? Dein Vater schrieb mir vor langer Zeit einen Brief, als du geboren wurdest. Ich weiß also, wie dein Geburtsname ist.“ Er zögerte einen Augenblick, dann drehte er sich zu seinem Schreibtisch und zog eine Schriftrolle hervor. „Allerdings habe ich hier einen Brief aus dem Palast....“

Der Sandaime ließ den Satz unvollendet und sah mich an. Er wartete und überließ mir die Entscheidung.

„Ich bin hergekommen, um ein neues Leben zu beginnen.“ Einen Moment stockte mir der Atem. „Der Name, der in dem Schriftstück steht, ermöglicht mir ein neues Leben. Ein Leben in dem mich niemand kennt.“

Der alte Mann brummte und warf noch einen Blick in die Schriftrolle. „Ist es dem Andenken deiner Eltern nicht unehrlich gegenüber, wenn du deinen Namen mit ihnen sterben lässt?“ Die Frage saß. Es dauerte einen Moment bis ich mein Gesicht und meine Gefühle wieder im Griff hatte.

„Bist du Sarutobi Hiruzen?“, fragte ich, ohne ihm meine Motive zu erklären.

Bevor ich nicht wusste, ob dieser Mann wirklich der war, für den er sich ausgab, würde ich gar nichts beantworten.

Der Greis legte den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus.

„Ganz der Vater“, lächelte er. „Es ist eine wirklich gute Eigenschaft, ich erkenne viel von ihm in dir. Nun, lass mich überlegen. Wie kann ich dir beweisen, dass ich der Echte bin?“

Geduldig wartete ich.

„Ich habe deinem Vater einen Ring geschenkt. Meinen Siegelring um genau zu sein. Es ist mehr als zwanzig Jahre her, dass ich ihm den gegeben habe. Meine Name ist auf dem Aufsatz eingraviert und der Untergrund ist rot mit helleren Elementen. Da dein Vater ein vorausdenkender Mann war, schätze ich, dass er ihn dir gegeben oder zumindest gezeigt hat?“

Zittrig fuhren meine Hände hoch zu meinem Hals, wo sich die Kette unter dem Haori befand. Langsam, Stück für Stück zogen meine Finger ein Glied nach dem anderen aus meinem Ausschnitt. Am Ende hing, in den letzten zwei Jahren von niemanden gesehen, der beschriebene Ring.
 

„Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich den Namen, den euer Herrscher mir gab annehmen soll oder nicht. Aber das Erbe meiner Eltern steht vor dir. Sie starben um mich zu beschützen. Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass man mich hier aufspüren wird. Trotzdem möchte ich kein Risiko eingehen.“ Hiruzen nickte.

„Weise Worte, von einer noch so jungen Frau. Nun dann. Willkommen in Konohagakure... Haruka.“ Einen Moment herrschte Schweigen.
 

„Wir haben viel zu bereden, aber mit einem Blick auf die Uhr, denke ich wir verschieben das auf Morgen. Es ist spät geworden und ich denke, nach deiner Reise wirst du erschöpft sein. Draußen wartet Genma auf dich. Ich war so frei und habe mir erlaubt dir eine Wohnung auszusuchen.“ Es war offensichtlich, dass er mit 'Reise' damit nicht den Weg aus der Residenz des Daimyō meinte.

Nickend, beugte ich den Oberkörper nach vorne und wusste, dass ich entlassen war.

„Eine Frage hab ich aber doch noch.“

„Ja?“

„Yashido meinte, eine wütende Menschenmenge hätte euch überrascht. Laut seiner Aussage wurdet ihr getrennt. Er selbst kannte sich aus, aber wie hast du den Weg hierher gefunden?“

Ich drehte mich noch einmal zu ihm um.

„Ich traf den Jungen, der für den Mob verantwortlich war. Ein kleiner, blonder Wirbelwind. Er wollte mich eigentlich bis hier her begleiten.“

„Was ist passiert?“, er hob interessiert die Augenbrauen, so dass sie unter seinem Hut verschwanden.

„Er traf seinen Sensei und rannte wie der Teufel davon.“

Ich trat durch die Tür, hinter der mich tatsächlich bereits ein ziemlich lädierter Genma erwartete und warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu meinem neuen Heim.

Der Hokage selbst blieb mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck zurück.
 

Nach einigen Minuten, die er die Tür angestarrt hatte, kicherte er und zog aus seinem Mantel eine lange Pfeife hervor, die er sich anzündete.

„Soso.“ Sagte er und blies einen Rauchkringel in die Luft.

„Naruto, du überraschst mich doch immer wieder.“

Kapitel 3 - Wirre Träume

„Diese verdammte Katze“, grummelte Genma.

„Tut weh?“ Dabei deutete ich auf sein Gesicht, in dem deutlich Tora's Krallenspuren zu sehen waren. Leider konnte er im Gegensatz zu dem Hokage meine Sprache nicht sprechen, daher musste er mit meinen Gestammel vorlieb nehmen. Während ich neben ihm herlief sammelte ich alle Macht meiner Sprachkenntnisse. Schließlich galt das eherne Gesetz: Sprache lernt man durch Sprechen.
 

„Heh? Oh. Nein, es tut nicht sonderlich weh.“ Er tat die Kratzer mit einem Achselzucken ab. „Aber dieses Tier ist die Bosheit in Person.“

Er sah meinen verwirrten Gesichtsausdruck und fügte hinzu: „Bei dir war er wirklich wie ausgewechselt. Wie hast du das geschafft? Gibt es da einen Trick?“

„Ich habe … gestreichelt.“

Genma ließ die Schultern hängen. Eine Geste die so gar nicht zu dem ernst wirkenden Mann passen wollte.

Schließlich seufzte er.

„Muss wohl so ein Katzending sein. Ich weiß schon wieso ich Hunde lieber mag. Ah da sind wir.“ Er war vor einem Haus stehen geblieben, das nicht allzu weit vom Hokageturm entfernt lag.

Alles in Allem ein sehr unscheinbarer Bau, der weit weniger bunt war, als die meisten restlichen Gebäude, die ich bisher in Konohagakure gesehen hatte.

Eine Besonderheit wies es dann aber doch auf, denn mit fünf Etagen war es höher als die restlichen Häuser der Umgebung.
 

Während ich mit dem Hokage in seinem Arbeitszimmer gesprochen hatte, war es draußen dunkel geworden. Die schwache Straßenbeleuchtung reichte kaum aus um den Weg wirklich nennenswert auszuleuchten. Aber einen Moment später war ich im Grunde sehr glücklich über diesen sparsamen Energieeinsatz, denn ich schaute nach oben.

Mir wurde ein atemberaubender Anblick geboten, denn genauso wie es am Tag keine einzige Wolke an den Himmel geschafft hatte, war auch jetzt alles frei von Störobjekten.

Da die Beleuchtung auch im übrigen Dorf nicht sehr stark war, schien es als könnte man geradewegs in eine andere Welt hineinsehen.

„Wie wunderschön“, entfuhr es mir. Mein Begleiter drehte sich zu mir um. Und folgte meinem Blick in den Himmel. Er wusste zwar nicht, was ich gesagt hatte, aber er konnte es sich leicht zusammenreimen.

„Wirklich eine wunderschöne Nacht.“
 

So standen wir in friedlicher Eintracht einige Minuten vor dem Haus und schauten in die Unendlichkeit des Universums.

Genma und mein Blick kreuzten sich, als wir gleichzeitig wieder auf irdische Ebenen zurückkehrten. Schnell schaute er in eine andere Richtung und rieb sich verlegen den Kopf.

„Ehm, ja.. warte ich such nur eben die Schlüssel“.

Belustigt musste ich lächeln. Er musste trotz seines soliden Auftretens ein eher schüchterner Mann sein. Unauffällig betrachtete ich ihn aus den Augenwinkeln und versuchte sein Alter zu schätzen. Vielleicht Ende zwanzig, mutmaßte ich. Möglicherweise wirkte er aber auch älter, als er eigentlich war.

Immerhin ist er mal etwas größer als du. Schaltete sich meine innere Stimme dazu.

Das stimmte, und ich war ziemlich froh, dass es so war. Die Tatsache, dass es hier in Dorf Menschen gab die größer waren, bedeutete, dass ich nicht zwingend wegen meiner eigenen Körpergröße auffallen würde.

Die Hoffnung kannst du wohl begraben, alle Frauen in diesem Dorf sind kleiner als du, erwiderte es in meinem Kopf.

Wiederstrebend musste ich zustimmen. Das Gefühl war das Gleiche wie im Palast des Daimyō. Ich war eindeutig größer und kräftiger gebaut.

'Ein Elefant unter Rehen', dachte ich deprimiert. Mein Blick wanderte auf Genmas Rücken und ich entschied, dass ich damit leben konnte, solange es Männer gab die größer und muskulöser waren.
 

Vor mir fummelte dieser derweil am Schloss der Eingangstür herum und versuchte, als Herr und Meister über den Schlüssel und das Schloss zu gebieten. Im Klartext hieß das, dass er es nicht schaffte den Schlüssel in das Schloss zu stecken. Um ihn nicht zu kränken, biss ich mir auf die Zunge und verkniff mir das Lachen, das so in mir brannte.

Geflissentlich dreht ich mich mit dem Rücken zu ihm und tat so, als wäre ich wieder in die Sterne vertieft, während ich ihn deutlich hinter mir fluchen hört. Wenigstens sah er mein Grinsen nicht.

Mit einem triumphierenden „Ha.“ wurde er einen Moment später mit dem metallischen Klicken des Schlosses belohnt. „So, nach dir.“, er hielt mir die Tür auf.

„Danke, Genma.“

„In die dritte Etage.“ Ich nickte und suchte an der Wand den Lichtschalter. Da ich keinen fand, tastete ich so nach dem Geländer und stieg die Treppen nach oben.

Schemenhaft konnte ich in dem Licht, das durch die Fenster fiel Türen und und Stufen erkennen, es reichte um nicht zu stolpern.

„Nach links“, hörte ich den Ninja hinter mir.

Das Ganze hatte etwas von Topfschlagen, nur fehlte der Topf und der Löffel. Eigentlich nur der Löffel, wenn die Tür, die wir suchten, der Topf wäre.

'Vielleicht sollte ich an der Tür anschlagen, wenn ich sie erreichte', kam mir der deplazierte Gedanke.

Du kommst wirklich auf komische Ideen. Es hörte sich so an, als ob die Stimme in meinem Kopf die Augen verdrehte. Naja, so wird mir auf jeden Fall nicht langweilig, antwortete ich. Das stimmt wohl,kam die Antwort.

Am Ende des Flurs blieb ich stehen. Wieder suchte ich nach einem Lichtschalter und wieder erfolglos.

„Hier der Schlüssel.“ Ich spürte wie mir etwas in die Hand gedrückt wurde. Zum Glück war neben mir ein Fenster und so gab es zumindest etwas Licht.

Im Gegensatz zu Genma fand ich das Schloss mühelos. Da ich durchaus seinen Blick in meinem Rücken spürte, dachte ich, dass es wohl besser wäre ihm die Möglichkeit zu geben, sein Gesicht zu wahren. Mit einem leisen fluchen ließ ich den Schlüssel fallen.

Der Ninja bückte sich.

„Gar nicht so einfach, was?“ Ich könnte hören, dass er grinste und verdrehte die Augen. Zum Glück war es dunkel.

'Große Töne, mein Lieber', dachte ich. Wieder drückte er mir den Schlüssel in die Hand. Ich suchte ein weiteres Mal nach dem Schloss und ließ mir dabei länger Zeit als nötig.

Dann steckte ich ihn in den Zylinder und drehte den Schlüssel um.

„Glück.“, sagte ich zu dem Mann.

Genma lachte und nickte. Er schwieg einen Moment und ich hatte das Gefühl, dass er etwas überlegte. Bevor ich das Wort ergreifen konnte, sagte er lauter: „Ja, naja, dann ich hoffe du wirst dich wohl fühlen... Gute Nacht. Ach so. Ich werde dich morgen abholen und zu Meister Hokage bringen.“

„Danke Genma. Gute Nacht.“ Ich lächelte ihm noch einmal zu und schloss dann die Tür hinter mir.
 

In dem Apartment war es finster wie im Sack. Falls es hier ein Fenster gab, waren die Vorhänge wohl zugezogen.

Langsam tastete ich mich den Flur entlang. Zumindest hier drin musste es irgendwo Licht geben. Ah – Da.

Meine suchenden Finger hatten einen kleinen Schalter in der Wand ertastet. Mit ein summenden Geräusch ging die Deckenbeleuchtung über mir an. Das Licht war grell und ich fühlte mich unsanft in die Realität zurück gerissen. „Ahhh“, murmelte ich und kniff meine Augen zusammen. Es dauerte bis sich meine Augen an das grelle Licht gewöhnten und der Raum vor mir Konturen annahm.Es handelte sich um einen kleinen Flur, von dem nach zwei Metern drei andere Räume abgingen. Der Eingangsbereich in dem ich stand war etwas tiefer gelegen und eine kleine Stufe grenzte den restlichen Gang davon ab. Es roch überraschenderweise kein bisschen staubig. Hatte etwa jemand die Wohnung geputzt?

Auch auf dem Boden konnte ich keinen Staub erkennen.

Vor mir erstreckte sich ein sauberer Dielenfußboden. Zögernd setzte ich meinen Rucksack ab um mir meine Schuhe auszuziehen. Ungnädig betrachtete ich sie. 'Die Schuhe hatten etwas Pflege nötig', dachte ich. Das Leder war an manchen Stellen schon ziemlich aufgeraut. Lange würden die es wohl nicht mehr machen.

Sorgsam stellte ich sie auf die Seite und richtete mich auf. Mit einem Griff nahm ich einen Träger meines Rucksacks und zog ihn über den Boden hinter mir her. Die erste Tür ging nach rechts und ich sah hinein. Hier war das Bad. Es war nicht groß aber für mich reichte es allemal. Entzückt stellte ich fest, dass es eine Badewanne gab. Eine Toilette und ein Wachbecken komplettierten das Bild. Es sah sehr karg aus, was daran lag, dass es keinerlei bewohnertypischen Dinge gab, die herumlagen. Kein Badvorleger, kein Spiegel, keine Seife.

Allerdings hingen zwei Handtücher über dem Badewannenrand. Schaudernd dachte ich an die Einrichtungsgegenstände die ich alleine in diesem Raum benötigte.

Das würde alles ziemlich teuer werden und ich hatte keine Ahnung wie ich hier in Konoha mein Geld verdienen sollte. Mein Dasein als Teammitglied einer Spezialeinheit war beendet. Das Geld, das ich besaß war hier wertlos und was meine anderen Talente waren, konnte ich nicht sagen.

Darüber hinaus, wagte ich es sehr zu bezweifeln, dass es viele Angebote in dieser Sparte für Ausländer wie mich gab.

Gegenüber des Badezimmers lag zur Linken ein Schlafzimmer und zur Rechten eine Küche. Unentschlossen überlegte ich, welchen Raum ich mir zuerst ansehen wollte und entschied mich für das Schlafzimmer. Es war der einzige Raum dessen Tür geschlossen war und erregte alleine dadurch schon meine Neugierde.

Nachdem ich eingetreten war, stellte ich überrascht fest, dass jemand den Raum bereits grob möbliert hatte.

Zumindest gab es bereits ein Bett, einen Standspiegel und zwei Schränke. Neben dem Bett stand außerdem noch eine kleine Kommode mit Schubkästen und einem Wecker. Wer auch immer die grüne Bettwäsche ausgesucht hatte, schien Geschmack zu haben, denn sie gefiel mir wirklich gut. Auch der Spiegel war ganz nach meinem Geschmack und tröstete mich darüber hinweg, dass das Bad über keinen verfügte. Hinter dem Bett war ein Fenster, dessen Rollos heruntergelassen waren.
 

Meinen Rucksack lies ich auf das Bett fallen und zog an der Schnur die am Fenster herunterhing. Mit einem sirrenden Gesräuch wurde das Band aus den Lamellen gezogen und der Sichtschutz zusammengefaltet. Das Fenster lag zu der Straße gerichtet, auf der Genma und ich noch vor ein paar Minuten gemeinsam in den Himmel geschaut hatten.

Da die Luft in dem Raum trotz des sonst sauberen Zustands abgestanden roch, öffnete ich das Fenster um sie etwas zirkulieren zu lassen. Die frische Nachtluft machte sich sofort daran, die unangenehme Wärme im Zimmer zu vertreiben.

Draussen zirpten die Grillen munter vor sich hin und in der Ferne konnte man einen Kauz rufen hören.

Ein tiefer Frieden überkam mich und ich ließ mich auf dem Fensterbrett nieder um noch ein weiteres Mal in das Weltall zu blicken. 'Man könnte sich in den Sternen verlieren', dachte ich träumerisch.

Meine Gedanken eilten in weite Ferne und die Nächte, in denen Kristan mich mit sich aus der Stadt genommen hatte. Wir hatten nebeneinander inmitten einer Wiese gelegen und uns bewusst gemacht, wie schön die Welt doch eigentlich war.

Die Erinnerung versetzte mir einen Stich und es schmerzte, doch ich würde meinen Verlust nie verarbeiten, wenn ich sie bis zu meinem Lebensende zurückhielt, daher zwang ich mich dazu die Gedanken zuzulassen. Irgendwann musste ich schließlich damit anfangen. Unwillig zwang ich meine Gedanken zurück in meine Vergangenheit und verglich diese Nacht mit denen, die ich erlebt hatte. Bei uns hatte man nie so viele Sterne sehen können.

Auch war der Himmel nicht so tiefschwarz gewesen, sondern eher rötlich, da das Licht der Stadt durch den Smok bis weit nach außerhalb gestreut worden war. Dennoch war es schön gewesen.

Traurig, schloss ich das Fenster. Es hätte alles anders sein können. Doch nun war eine neue Zeit angebrochen. Weiter als hier her konnte man nicht laufen. Ein neues Land, eine neue Sprache, eine andere Kultur, andere Menschen. Vor mir stand eine Entscheidung im Raum, die ich treffen musste. Ich ging zurück zu dem Bett und entfernte zuerst den Schlafsack, den ich ohne viel Federlesen unter das Bett kickte. Langsam öffnete ich meinen Rucksack und nahm die Sachen heraus die ich seid mehr als zwei Jahren mit mir herumtrug und legte sie zuerst einmal sorgsam auf das Bett.

Meine Einsatzkleidung, eine dunkle Hose, die Weste mit der leichten Panzerung, zwei sehr zerknitterte schwarze Shirts , mein Gürtel und eine seperate Tasche, die ich an ihm befestigen konnte. Vorsichtig roch ich an den Sachen.

'Etwas muffig', urteilte ich streng. Die Kleidungsstücke mussten gewaschen werden und nach all der Zeit hatten sie es verdient, wieder einmal frisch zu riechen.

Sie landeten etwas lieblos in einer Zimmerecke. Etwas Unterwäsche, Socken, ein Trainingsanzug und eine Bluse folgten. Die beiden letzten Stücke war mehr oder weniger eine Neuerwerbung gewesen. Der Trainingsanzug, war in der Zeit erworben worden, die ich mit der Artistengruppe unterwegs gewesen war. Die Bluse hingegen hatte ich gefunden, als ich nach der Audienz beim Feudalherrn in das Zimmer zurückgekehrt war.

Ich vermutete, dass es von der alten Dame war, die sich dachte mir Ersatz für das Stück zu liefern, dass sie hatte verschwinden lassen.

Zusammen mit dem Trainingsanzug war auch ein zweites paar Schuhe zum Vorschein gekommen. Es hatte sich herausgestellt, dass meine Stiefel mit den Stahlkappen in der Sohle für Seiltanz oder sonstige Einlagen nicht sonderlich gut geeignet waren. Daher hatte Alima mir ein Paar von ihren geschenkt. Auch sie eigneten sich zwar nicht für den Seiltanz, wegen ihrer dicken Sohle, aber für die Trockenübungen und das Training waren sie dennoch brauchbarer gewesen.

Der zweite Griff in den Rucksack förderte nun Kleinkram zu Tage. Eine kleine Kulturtasche, in der sich neben der obligatorischen Zahnbürste alles befand, das man brauchte, um sich notfalls wieder zusammenzuflicken.

Dann kam ein kleines Kästchen. Mit einer Hand hielt ich es fest, um mit der anderen die Tasche auf den Boden zu stellen. Auf den nun freigewordenen Fleck ließ ich mich nieder. Mit etwas tauben Fingern öffnete ich den Verschluss und betrachtete die kleinen Glaszylinder, die in kleine Halterungen eingepasst waren.

An jeder war eine kleine Injektionsnadel befestigt. Spritzen, wegwerfen und ein paar Sekunden warten bis die Substanzen wirkten. Es war kaum zu glauben, dass in diesen unscheinbaren Kapseln ein geradezu grausames Wirkmittel eingeschlossen war.

Sie waren dazu da in aussichtslosen Kampfsituationen eingesetzt zu werden. Die Fläschchen enthielten ein monströses Gemisch aus Opiaten, Heroin und Kokain. In seiner Konzentration kurz vor einer Überdosis. In unserer Ausbildung war jedem von uns eine solche Kapsel injiziert worden. Damit hatte man zweierlei Dinge erreichen wollen. Zum Einen, sollten wir erfahren wie es sich anfühlte und zum Anderen sollten wir den kalten Entzug durchleben. Nicht wenige waren direkt durch die Chemikalien gestorben ein paar Andere hatten Selbstmord begangen, als sie die Nachwirkungen der Drogen nicht ertrugen.

Mein Magen verkrampfte sich. Man hatte uns alle wie Tiere angekettet, damit wir uns selbst oder auch Andere nicht verletzen konnten. Trotzdem hatten diejenigen, die von den Wirkstoffen in Wahnsinn getrieben worden waren geschafft, sich mit den Ketten zu erdrosseln. Man hatte es aus den oberen Etagen als Selektion beschrieben. Galle stieg mir in den Mund. Wir waren keine Soldaten mehr gewesen, sondern Versuchskaninchen, denn man hatte eben erst die Testphase gestartet. Offiziel war das Medikament nie zugelassen worden.

Die Zeit des Entzugs war undeutlich und verschwommen und es war beinahe unmöglich für mich eine klare Erinnerung daran zu finden. Nur die Emotionen die zurückgeblieben waren sagten mir, dass ich in den zwei Wochen, die er dauerte, hatte sterben wollen.

Meinst du, dass du die jetzt noch brauchen wirst?, es klang beinahe beunruhigt.

'Ich weiß es nicht, besser ist es auf alles vorbereitet zu sein. Eines werde ich in Griffweite aufbewahren und die anderen gut verstecken.'

Dann pack die Kapsel zu dem Stift.

'Gut.' Gehorsam nahm ich eine der zwölf Kapseln aus dem Etui und verstaute sie in dem kleinen Fach an meinem Gürtel. Das Kästchen verschwand unter der Matratze.

Die trüben Gedanken abschüttelnd griff ich ein weiteres Mal in meinen Rucksack und beförderte eine kompakte Stereobox, mein kleines Musikabspielgerät sowie Kopfhörer heraus. Musik war für mich essentiel und sowohl während des Trainings, als auch wenn ich nachts nicht schlafen konnte lies ich sie leise laufen. Diese Sachen nahmen zwar objektiv betrachtet nur Platz weg, störrisch hatte ich aber darauf bestanden sie mitzunehmen. Mein Vater hatte mir dazu einen kleinen Steckdosenaufsatz gegeben und ergeben geseufzt. Er kannte mich gut genug und wusste, dass es keinen Zweck hatte mit mir darüber zu streiten. Zärtlich strich ich über die zwei gerademal faustgroßen Lautsprecher. Sie waren zwar klein, aber sowohl Qualität als auch Lautstärke konnte sich getrost zeigen. Sie waren eines der ersten Dinge die ich mir von meinem eigenen Geld gekauft hatte. Entschlossen stellte ich alles auf die Kommode und schob Aufsatz sowie Netzteil in die Steckdose. Dann schloss ich den kleinen Spieler an und drückte auf 'Musik abspielen'.

Sofort wurde die Ruhe in dem Zimmer unterbrochen und ich fühlte mich wohler.

Mit dem letzten Griff zog ich zwei Bilderrahmen aus dem zusammengesunkenen Gepäckstück. Lange hielt ich beide in den Händen, während mir heiße Tränen über das Gesicht liefen. Auf einem Bild waren meine Eltern, die fröhlich in die Kamera schauten, auf dem anderen Kristan und ich. Das Bild war während eines Spaziergangs im Herbst aufgenommen worden. Ich selbst lachte darauf ausgelassen, während ich ihn mit Blättern bewarf und er stand da wie ein begossener Pudel empört die Schultern hochgezog. Beide Rahmen fanden ihren Platz auf dem Sideboard. Es würde sicher noch eine Weile dauern bis ich den Verlust verarbeitet hatte. Dennoch musste ich eine, für mich, wichtige Entscheidung fällen: In die Zukunft blicken, und mich auf mein neues Leben einlassen, oder in der Vergangenheit bleiben. Entschlossen griff ich zu meinem Gürtel und zog ein Messer aus der Halterung. Mit festen Schritten ging ich zu dem Spiegel und betrachtete mein Gesicht. Ein blasses Gesicht blickte zurück, die Augen, die vom Weinen gerötet waren blickten mich entschlossen an.

Als das Messer, durch meine Haare fuhr und die Strähnen zu Boden sanken, fiel auch die Entscheidung. Der Entschluss etwas an meinem Äußeren zu verändern, war symbolischer Natur.

Eine Veränderung folgte einer Anderen.
 


 

„Komm her mein schönes Kind, wärme mich“, eine hohe Stimmer kicherte vergnügt. Ich sah durch eine große Tür. Ein riesiges Bett stand dort mit seidigen Kissen und Laken. Darauf ein ein Mann, der mich wollüstig anblickte und mit seinem Finger zuerst auf mich, dann auf sich deutete. Seine Stimme klang schmierig und er selbst unnatürlich fett. Angewidert verzog ich das Gesicht. Wieder rief er mit seiner piepsigen Stimme:“ Nun komm schon her, meine Teure.“ Er gluckste.

Ich ließ meinen Blick an mir herunter gleiten. Ich war nackt bis auf ein durchsichtiges Höschen. An den Seiten waren rosa Satinschleifen, die das Vorder- und das Rückteil zusammenhielten. In meiner Hand hielt ich einen ebenso durchsichtigen schwarzen Bh, auch an ihm eine Schleife befestigt. Diese war allem Anschein nach schon von mir gelöst worden. Entsetzt bemerkte ich wie ich mit langsamen Schritten auf das Zimmer zu ging. Hinein zu diesem widerlichen Mann. Das Zimmer war riesig, allein die Decke sicherlich fünft Meter hoch und die Wände mit goldenen und cremefarbenen Stoff überzogen. Auf dem Boden war kostbar aussehendes Parkett verlegt.

Wieder tat ich einen Schritt holte aus und warf kichernd das dünne Stück Stoff in seine Richtung. Innerlich musste ich mit einem Brechreiz kämpfen. Was machte ich hier nur und wieso konnte ich mich nicht nach meinem Willen bewegen. Bestürzt bemerkte ich, wie ich meine Brust streichelte. Dann wanderte meine Hand, die mir nicht gehorchte zu dem Band, dass meine Hüfte, wenn auch nur minimal vor seinen gierigen Blicken schützte. Sanft zog ich daran.

Ihm sprangen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Ja!JA!“

Der Stoff rutschte an meinen Beinen herunter und ich bückte mich um ihn aufzuheben.

„Wie wäre es meine Liebe, spielen wir doch ein Spiel? DU läufst weg und wenn ich dich fange, wirst du alles tun, was ich von dir verlange.“ Er schmatzte, es war ein widerwärtiges Geräusch und mir drehte es sofort den Magen um. Auch er war nackt, das einzige, das ihn bedeckte war ein öliger Schweißfilm.

„Ja, Herr“, antwortete ich mit einem weiteren Kichern.

Langsam drehte ich mich um und lief aus dem Raum in das Zimmer, indem ich eben noch gestanden hatte. An den Wänden hingen riesige Gemälde von Menschen und Landschaften. „ICH KOMME!“ Hinter mir war es dem Lüstling endlich gelungen sich aus seinem Bett zu hieven. Plötzlich schien ich wieder Herr über meine Bewegungen zu sein, und die Abscheu, die ich eben nur im Inneren empfunden hatte, erfasste meinen gesamten Körper. Wie panisch lief ich durch einen weiteren Raum. Die Wänd waren hier mit Holz verkleidet.

Es gab keinen Ausgang aus diesem Raum.

Das durfte nicht wahr sein. Hinter mir schien der Mann die Tür erreicht zu haben. Ein Knarzen des Bodens verriet mir die Distanz die noch zwischen uns war. Wild sah ich mich um, bis mein Blick wieder auf die Holzvertäfelung fiel. Ein Stück über meinen Kopf war ein Griff eingearbeitet, den ich beinahe übersehen hätte. Entschlossen zog ich daran und staunte, da es sich wie ein Rollo herunter ziehen ließ und den Blick auf einen Durchgang offenbarte. Dahinter der nächste Raum. Auch in ihm gab es keine Tür.

Da ich den Trick nun kannte, suchte ich mit meinen Augen die Wände ab und wie erwartet gab es dieses Mal an zwei Wänden die Griffe, die ich suchte. Mit schnellen Schritten lief ich zu der Wand, dir sich rechts von mir befand und zog. Sie bewegte sich kein Stück. 'Verdammt', dachte ich frustriert.

„Mein Täubchen wo bist du?“ Schlitternd bleib ich vor dem zweiten Griff stehen und zerrte kräftig an der Rolltür auf der linken Seite. Gehorsam gab sie meinem Druck nach und die Wand, die vor einigen Herzschlägen noch so massiv gewirkt hatte ließ sich wieder wie ein Rollo herunterziehen. Blind rannte ich in den nächsten Raum, ich verschwendete keine Zeit mehr damit, mich umzusehen. Ich rannte zur Wand rechts und zog an einem Griff.

Nichts. Der Zweite. Nichts.

'Jetzt komm schon', bettelte ich.

Die Dritte. Wieder nichts. Der Kerl stampfte bereits in das erste Zimmer. Wegen seiner Masse gab es bei jedem Schritt eine Erschütterung im Boden. Es war bewundernswert, dass er überhaupt noch aufstehen konnte. Mir brach kalter Schweiß aus. Ich wollte nicht, dass er mich fand, wollte nicht, dass er mit seinen gierigen, schweißigen Händen über meinen Körper fuhr.

Das vierte Holzrollo gab endlich nach. Ich schlüpfte hindurch und zog es hinter mir wieder hoch. Sollte er doch sehen, wie er mich fand, ich würde es ihm so schwer wie möglich machen. Mein Problem war, dass mit jedem neuen Raum immer mehr dieser Rollos in die Wand eingelassen waren. Somit kostete es wertvolle Zeit, wenn ich nicht auf Anhieb den richtigen Weg fand.

Das Glück war mir aber einige Räume lang hold. Doch egal wie schnell ich die offene Veriegelung fand, der Abstand verringerte sich immer mehr. Zwischen ihm und mir lag nur noch ein einziges Zimmer. Gerade als ich wieder hinter mir eines der Rollos hochzog, veränderte sich die Situation und somit die gesamte Atmosphäre. Ich hörte ein zweites paar Schritte. „Oh meine Teure, hast du keine Lust mehr zu spielen? Dann komm her und ich werde dich....“ Ein Schrei kämpfte sich in mir hoch.

Angst. Aus irgendeinem Grund hatte ich auf einmal panische überwältigende Angst. Schnell zog ich das Rollo mit einem Ruck hoch. Anstattt des Ekels trieb mich nun Todesangst. Mein letzter Blick traf den Übergewichtigen, der auf der anderen Seite eintrat, während ich die Wandverkleidung auf meiner Seite hochzog.

Hinter ihm stand ein Mann.

Er trug einen schwarzen langen Mantel, schwarze Schuhe, einen schwarzen Pullover. Sein Gesicht war unter einer schwarzen Maske verborgen, doch ich irrte mich. Es war keine Maske. Das Gesicht des Mannes war so stark verbrannt, dass er keine Gesichtszüge mehr hatte.

Dann verschloss sich der Spalt.

'Er hat mich gesehen', schoss es mir durch den Kopf.

Von der anderen Seite der Wand ertönte ein schaurig reißendes Geräusch.

„GNHHHHHGRGL!“

Das gleiche Geräusch hatte ich schon einmal gehört. Es war das Gleich, wie damals, als man Kristan die Kehle vor meinen Augen durchgeschnitten hatte.

Hals über Kopf rannte ich von einem Rollo zum nächsten. Sie waren alle verschlossen.

'Nein, das durfte nicht sein!' Mein Blickfeld schien sich zu verengen und jede Faser meines Körpers hatte nur noch ein Ziel: Flucht. Panisch suchte ich die Wände ab. Der schwarze Mann stand nun auf der anderen Seite der Wand hinter mir und obwohl ich ihn nicht sah, wusste ich, dass er dort war.

Da.

Ein letzter Griff, er war anders in seiner Beschaffenheit, anstatt metallisch war er hölzern und somit fast nicht zu sehen. Auch gingen die leichten Markierungen nicht auf den Boden, sondern hatte die Form von einem Quadrat. Wäre es ein Bild gewesen hätte es die Maße von einem Meter im Quadrat gehabt.

Auch die Höhe passte zu einer Stelle, an der man für gewöhnlich ein Bild aufhängte. Mit eiskalten Fingern griff ich im gleichen Moment nach dem Griff, als auch der Assassine im Raum vor mir seine Hand nach dem Griff ausstreckte.

Wenn er schneller war als ich, bedeutete das mein Ende. Mit einem Satz zog ich das Rollo herunter und sprang hinauf um mich in den Schacht zu ziehen. In dem Moment, als ich mein Fenster wieder verschloss, öffnete sich auf der anderen Seite die Wand einen ersten Spalt weit.

Dann war es dunkel.

Ich saß in einer Zwischenwand. Zwischen zwei Räumen. Hier musste es irgendwie wieder rausgehen. Ein beklemmendes Gefühl breitete sich in mir aus. Der Schacht hatte im Grunde die gleichen Maße, wie es von Außen ausgesehen hatte. Einen Meter im Quadrat. Einen Meter tief. Mein Versteck war ein Würfel.

Langsam drehte ich mich zu der Wand hinter mir um und untersuchte auch sie. Es musste hier einen Ausweg geben.

Meine Finger ertasteten eine Einkerbung. Volltreffer. Plötzlich waren Schritte zu hören.
 

„Ab jetzt müssen wir vorsichtig sein, jeder hat den Plan um zum Feuer Reich zu kommen. Wir werden ab jetzt unser Ziel nicht mehr beim Namen nennen, falls wir ausspioniert werden. Die Zeit die jetzt auf uns zukommt wird nicht einfach. Aber gemeinsam, werden wir sie schaffen. Ich liebe euch.“

Nein! NEIN, das durfte nicht sein. Mit aller Kraft zog ich den Griff hoch.

Das war der Flur meiner Eltern. Wie betäubt hob ich meinen Blick.

Eine Sekunde später fokussierte sich meine Konzentration auf die Menschen, die gerademal eine Armlänge von mir entfernt waren. Ich musste nur meine Hand ausstrecken und hätte meinem Vater über das Gesicht streichen können.

Meine Mutter stand nah bei ihm und hatte ihre Hand in seine geschoben. Sie sah verängstigt aus. Der Ausdruck meines Vaters war tief entschlossen, er atmete tief ein.

Mein Blick wanderte weiter auf Kristan. Er hatte sich mit Absicht leicht schräg hingestellt, dass er mich innerhalb eines Wimpernschlages zurück reißen konnte. Hatte er vielleicht gewusst, was passieren würde? Hatte er es geahnt?

An letzter Stelle sah ich mich selbst. Entschlossen, ernst und in Gedanken bei den nächsten Schritten unserer Flucht.

Ein elementarer Fehler.

In diesem Augenblick passierten mehrere Dinge zur gleichen Zeit. Zum Einen hörte ich das Klicken der Klinke, zum Anderen fiel mir ein Geräusch auf, dass mir damals entgangen war. Draußen vor der Tür gab jemand einen leisen Befehl.

Wie hatte mir das entgehen können? Dieser flüchtige Gedanke war genauso schnell wieder fort, wie er gekommen war.

„NEIN!“ Verzweifelt schob ich mich aus dem Schacht in den Flur hinaus und landete mitten in einem grauenvollen Alptraum.

Zeitgleich mit meinem Schrei begannen die ersten Kugeln die Tür zu durchschlagen. „RUNTER!“

Genau wie damals schien alles in Zeitlupe abzulaufen und meine Bewegungen waren so zäh, als ob man mich an Gummibändern befestigt hätte.

„MAA....“ schrie ich wild, doch es half nichts. Es lief genauso wie damals. Entsetzt musste ich mit ansehen, wie eine der ersten Kugeln, die Brust meines Vaters durchschlug. Auch das war mir damals entgangen.

Es musste seine Lunge zerfetzt haben, denn er spuckte augenblicklich Blut.

Dann zuckte der Kopf meiner Mutter zurück, als das Projektil in ihrem Kopf einschlug.

Langsam, beinahe sanft begann ihr Hinterkopf sich nach außen zu wölben. Dem folgte ein grausiges Knacken gefolgt von einem reißenden Geräusch, als sich ihre Knochen durch ihre Kopfhaut drückten und sie zeriss.

Von meinem Standpunkt aus, konnte ich mit ansehen, wie der Punkt der größten Spannung überschritten wurde, und ihr Körper dem Druck der Kugel nachgab.

Ihr Hinterkopf barst und die graue Masse spritze auf Wände, auf den Boden, auf Kristan und auf mich.
 

Mit einem Schrei fuhr ich auf.

Zitternd und schweißüberströmt vergrub ich mein Gesicht in den Händen und stöhnte. Jedes Mal wenn ich davon träumte, zeigten sich neue Details, die der Schock damals ausgeblendet hatte.

Doch ich hatte sie gesehen und mein Unterbewusstsein schickte sie mir nun in Paketen zurück.

Wo bin ich?

In deinem Bett.

Achso.

Der Wecker zeigte 5 Uhr morgens. Es lohnte sich nicht mehr, noch einmal schlafen zu wollen, so aufgewühlt wie ich war. Seufzend stand ich auf. Draußen begann es bereits hell zu werden.

Ich fuhr mir mit meinen Händen durch die Haare. Verwirrt stutzte ich.

Achja. Ich hatte sie mir letzte Nacht abgeschnitten.

In mir breitete sich ein fiebriges Gefühl aus. Ich brauchte Bewegung. Dringend.

Unbeholfen fischte ich den Trainingsanzug aus dem Klamottenberg, den ich in der letzten Nacht in die Ecke geworfen hatte.

Fertig umgezogen betrachtete ich mich einen Moment in dem Spiegel, welcher in der Zimmerecke stand. Dann nahm ich mir mein Abspielgerät und die Kopfhörer aus dem Regal und betrat einige Minuten später die Straße vor dem Haus.

Tief sog ich die Luft ein. Sie war noch kühl und roch nach nasser Erde und Bäumen.

Entschlossen schob ich mir die Kopfhörer in die Ohren.

Mal sehen, wie lange ich brauchte um einmal um das Dorf zu laufen. Dazu kam noch der Weg zum Tor und zurück.

Mit den ersten Bässen der Musik begann ich zu laufen.
 

Nach einer guten viertel Stunde, passierte ich das Tor, in dessen Wachhäuschen Izumo und Kotetsu selig schliefen.

Das waren ja schöne Wachen. Sie wurden nicht einmal wach, als ich an ihnen vorbei lief. Sobald ich außer sichtweite war, erhöhte ich mein Tempo und aus dem ausdauernden Laufen wurde ein Wettlauf mit dem Traum der letzten Nacht. Ich lief so schnell, dass ich bereits nach einer guten dreiviertel Stunde wieder an dem Wachposten angekommen war und entschied, mich ein wenig in den Wald zurückzuziehen. Dort hätte ich die Möglichkeit meine Energie anderweitig loszuwerden. Also schlug ich einen Haken und zog mein Tempo noch eine Stufe weiter an, Büsche und Felsbrocken, die im Weg waren, sah ich als Hindernisse und tauchte entweder unter ihnen durch oder überwand sie auf jede andere mir mögliche Weise. Dabei drosselte ich nur minimal meine Geschwindigkeit.

Während ich im Palast gewesen war und auch auf der Reise mit Yashido hatte sich dafür keine Möglichkeit geboten. Umso herrlicher empfand ich es jetzt, den Wind in meinem Gesicht zu spüren.

Schließlich kam ich zu einer Lichtung, die sich mir geradezu anbot. Es gab viel Platz und einige Findlinge lagen verstreut herum.

Darüber hinaus, war es weit genug vom Dorf entfernt, dass ich davon ausgehen konnte, niemanden hier anzutreffen. Nachdem ich sicher war, dass sich wirklich niemand in meiner näheren Umgebung aufhielt, lockerte ich meine Muskeln und visierte den ersten Felsen an. Die Leute hier schienen etwas merkwürdig zu sein, wenn sie ohne Probleme über Zäune springen konnten. Der alte Hokage würde mir sicherlich erklären, was es damit auf sich hatte, wenn ich ihn um eine Antwort bat.

Das versteckte Dorf, hatte mein Vater es genannt. Anscheinend gab es mehr zwischen Himmel und Erde, als ich wusste. Mit einer merkwürdigen Vorfreude stellte ich die Musik lauter und begann mit dem Training.
 

Als ich knappe vier Stunden später wieder vor der Tür des Apartments stand, fühlte ich mich wie neu geboren. Dennoch war ich etwas enttäuscht gewesen, denn das Dorf hatte größer auf mich gewirkt und ich lachte, als ich an die beiden Chunin dachte, die ich in ihrem Häuschen angetroffen hatte.

Bei meinem Rückweg waren sie mittlerweile wach gewesen und ich hatte kurz angehalten um ihnen einen guten Morgen zu wünschen. Während ich zu ihnen herüber gegangen war, hatte Izumo seinen Freund in die Seite gestoßen, da er mich von Beiden zuerst entdeckt hatte. Entgeistert hatten sie auf meine kurzen Haare gestarrt. Ich redete, soweit es mir möglich war, mit ihnen und hob wissend eine Augenbraue, als sie mir weismachen wollten, dass sie sich nur schlafend gestellt hätten.

Da ich nicht wusste, wann Genma mich abholen wollte, wenn er es nicht sogar schon versucht hatte, verabschiedete ich mich schnell und beeilte mich zu dem Haus zu kommen, indem der Sandaime mir die Wohnung überlassen hatte.

Das Nötigste war nun erst einmal eine Dusche, hoffentlich blieb mir noch genug Zeit, denn mittlerweile war es wirklich spät geworden. Auf den Straßen von Konoha herrschte bereits reges Treiben überall liefen Hausfrauen mit ihren Einkäufen umher und auch die Händler hatten ihren Anteil an der Lebhaftigkeit.

In dem Apartment griff ich mir meine Kulturtasche und ging ins Badezimmer, um zu duschen. Das heiße Wasser tat sein übriges und gut gelaunt betrachtete ich die kleinen Dampfwölkchen, die von meiner Haut aufstiegen, als ich die Wanne verließ.

Ein Problem stellte die Wahl der Kleidung dar. Der Haori sah so mitgenommen und staubig aus, dass ich ihn wohl nicht noch einmal anziehen konnte. Unschlüssig stand ich in dem kleinen Schlafzimmer und entschied, dass Unterwäsche und Socken schon einmal die halbe Miete wäre.

Doch leider machte der reine Fakt, dass ich nun etwas trug, die Wahl nicht leichter.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als jemand an die Wohnungstür klopfte. Dass musste Genma sein.

„Scheiße“, stöhnte ich. Was sollte ich denn jetzt machen? Die Tür öffnen und ihn hereinbitten konnte ich so nicht. Draußen wurde noch einmal geklopft.

„JA!... M-moment!“ Ich zog die völlig zerknitterte Bluse der alten Frau unter dem Kleidungsberg hervor und griff gleichzeitig nach meiner dunklen Hose.

Es war das sauberste was ich hatte und im Augenblick meine einzige Rettung. Muffig hin oder her. Mit einem Bein bereits in der Hose stolperte ich in Richtung Eingangstür. Dabei stolprte ich und fiel laut fluchend der lange nach hin. Schnell zog ich mir die Bluse über den Kopf und hüpfte den letzten Meter zur Tür, während ich gleichzeitig mein Bein in der Hose versenkte.

Synchron wie ich den Knopf an meiner Hose schloss, griff ich nach der Türklinke und öffnete dem schelmisch grinsenden Ninja die Tür. Natürlich hatte er den Lärm gehört den ich im Flur veranstaltet hatte.

„Hallo, Gut-“, er brach ab und starrte auf meinen Kopf. Haare schienen hier wohl ein großes Thema zu sein. „Äh, Guten Morgen.“ Stotterte er zu Ende.

Etwas verunsichert griff ich nach einer Strähne.

„Nicht gut?“, fragte ich ihn geknickt. Zu Ändern war es nun eh nicht mehr.

„Doch, nein... ich meine... ich war nur überrascht! Die kurzen Haare stehen dir gut!“

Skeptisch drehte ich mich um und zog meine Schuhe an, zog den Schlüssel innen ab und zog die Tür hinter mir zu.

Genma schien sein Fettnäpfchen gewittert zu haben und lächelte mich entschuldigend an. Er erinnerte mich dabei an einen großen Schuljungen und lachend zuckte ich mit den Schultern, um ihm zu zeigen, dass ich nicht böse war.

„Nur Haare...sie wachsen.“; erklärte ich ihm. Gemeinsam traten wir hinaus in die Sonne. Von der frischen Morgenluft war mittlerweile nichts mehr übrig, und ich war froh das Rollo im Schlafzimmer heruntergezogen zu haben. So blieb zumindest etwas Kühle erhalten.

Wir schlugen den Weg in Richtung des Hokageturms ein und Genma schien es nicht sehr eilig zu haben. Daher nutzte ich die Zeit und sah in die Schaufenster der Läden an denen wir vorbeikamen. Ein Laden erregte meine Aufmerksamkeit besonders, denn in der Auslage gab es merkwürdig geformte Messer, daneben lag ein Katana, Schriftrollen, ein paar Tintenfässchen. Eine wirklich merkwürdige Zusammenstellung. Im Laden selbst waren überall Waffen und Kleidungsstücke verstreut. Auf einem Ständer konnte ich Kettenhemden erkennen an einem anderen hingen Taschen, wie sie auch mein Begleiter an seinem rechten Bein befestigt hatte. Das musste ein Laden für Ninjabedarf sein, ging mir auf.

Neugierig betrachtete ich die Auslage und sah mir dann Genma genauer an. Neben seiner Uniform trug er eine Bauchtasche, wie auch ich eine hatte, nur dass seine mehr Stauraum als meine bot. Insgeheim fragte ich mich, was wohl Ninja in ihren Taschen hatten. Das Objekt meiner Beobachtungen hatte meinen Blick bemerkt und so schaute ich schnell in eine andere Richtung. Ich würde keine plausible Erklärung finden, wenn er mich fragte wieso ich mich so sehr dafür interessierte. Als hätte er meine Gedanken gelesen, hob er eine Augenbraue und fragte:

„Was ist denn?“

Fieberhaft überlegte ich nach einer Ausrede, die gut genug war um zu erklären, dass ich seine Ausrüstung angestarrt hatte. Am Ende wählte ich die Wahrheit, oder zumindest einen Teil der Wahrheit.

„Was ist.... drin?“, fragte ich ihn und zeigte auf die beiden Taschen. Da ich genug von dem Laden gesehen hatte, ging ich zu ihm zurück.

Genma schien zu überlegen, wie er mir antworten sollte.

„Alles was ein Shinobi so braucht“, begann er, als wir unseren Weg fortsetzten. „Wurfsterne, Rauchkugeln, dünner Draht, Kunai“, zählte er auf.

„Kunai?“ Was bitte war ein Kunai. Der Mann griff in seine Beintasche und zeigte mir eine Handlange kleine, keilförmige Waffe. Es hatte Ähnlichkeit mit den Messern, mit denen ich arbeitete.

Nun ja eigentlich war das gelogen, denn es gab keinerlei Ähnlichkeit zwischen ihnen. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass sie auf die gleiche Art und Weise benutzt wurden. Besonders gefiel mir der kleine Ring am Ende der Waffe, so konnte man sie leichter greifen und festhalten, wenn man gerade in Bewegung war.

„Was ist... Shinobi?“, fragte ich weiter.

„Ein Shinobi ist ein Ninja“, erklärte er. „Im Grunde ist es nur ein anderes Wort.“ Nachdenklich lief ich hinter ihm her. Die Vermutung lag nahe, dass es eine reiche Historie rund um dieses Dorf, dessen Einwohner und dessen Elitekämpfer gab. Nur ob der Ninja sie mir erzählen würde, stand in den Sternen.

„Genma?“, fragte ich schüchtern, sicherlich ging ich ihm mit meiner Fragerei bereits auf die Nerven.

„Hm?“, er wechselte seine Nadel von einer Seite des Mundes auf die Andere.

„Wieso heißt es 'das versteckte Dorf'? Wieso verstecken?“

„Na du stellst aber Fragen.“, ratlos kaute er auf seiner Nadel herum. „Die Kakurezato, also die versteckten Dörfer, beherrbergen die militärische Kampfkraft ihres Landes. Kannst du mir folgen? Ja? Gut...In diesen Dörfern werden die Bwohner oder zumindest ein Teil von Klein auf zu Kämpfern erzogen. Zur Zeit befinden wir uns im Frieden mit den umliegenden Ländern, aber das war mal anders.“

Neugierig sah ich ihn an, sagte aber nichts um ihn nicht zu unterbrechen. Ich war selbst erstaunt wie gut ich ihn verstand, aber ich hatte ein Talent für Sprachen und so, wie ich es auch schon Yashido am Tag vorher erklärt hatte, ich lernte schneller je mehr ich die Sprache zu hören bekam.

„Nun, die Dörfer wurden für den Fall eines Krieges gegründet. Sie stellen für die anderen Herrscher eine unbekannte strategische Variable dar. Somit haben die Dörfer neben reiner Krampfkraft auch noch einen vorbeugenden Aspekt. Keiner würde ein anderes Land angreifen und riskieren vernichtet zu werden, weil er dessen Stärke unterschätzt hat.“ Nachdenklich schaute er in den Himmel und er machte auf mich den Eindruck eines sehr erfahrenen und versierten Kämpfers. Sicher war er ein guter Analytiker.

Während Genma in seinen Gedanken immer weiter abdriftete, erreichten wir den Hokageturm, wo er sich etwas geistesabwesend von mir verabschiedete.

Belustigt sah ich ihm hinterher. Was wohl in seinem Kopf vor sich ging..
 

Zögerlich klopfte ich an die Tür, vor der ich bereits am Tag vorher gestanden hatte. „Komm rein“, forderte mich die tiefe Stimme auf.

Der Hokage trug den gleichen Mantel wie am Tag zuvor, hatte jedoch seinen Hut neben sich auf den Schreibtisch gelegt.

„Ah Haruka, da bist du ja. Was hälst du davon, wenn wir einen Spaziergang machen?“ Ohne meine Antwort abzuwarten stand er auf, nahm seinen Hut und ging an mir vorbei nach draußen.

Kapitel 4 - Die Hosen runterlassen

„Ich denke, es ist schöner an einem solchen Tag draußen zu sein, als in einem dunklen Zimmer zu sitzen“, klärte mich der alte Mann auf.

Da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, nickte ich stumm. Genüsslich blinzelte das Dorfoberhaupt in die warme Mittagssonne.

„Ich denke, ich habe Lust ein paar Bäume zu sehen“, fügte er hinzu, blinzelte mir verschwörerisch zu und bog in die Hauptstraße ein.

Die Menschen an denen er vorbeikam, grüßten ihn respektvoll und der Eine oder Andere redeten kurz mit ihm über allgemeine Befindlichkeiten.
 

Ich kam mir mehr als nur fehl am Platz vor, daher machte ich mich so unsichtbar, wie es nur ging und folgte ihm einfach, wenn er sich wieder in Bewegung setzte.

„Als Hokage habe ich die Verpflichtung mich um das Wohl der Bewohner zu kümmern. Es ist eine große Verantwortung. Leider gehört auch das hier dazu.“, hörte ich ihn leise sagen, als für eine kurze Zeit niemand bei ihm stand. Offensichtlich schien er seine Sache gut zu machen, denn alle Anwohner schienen ihn zu mögen.

Der Hokage nutzte die nächste Gelegenheit aus und bog in eine kleinere Nebengasse ab, um weiteren Gesprächen aus dem Weg zu gehen. 'Anscheinend wird es auch einem Hokage irgendwann zu viel mit allen Dorfbewohnern zu reden'. War ein ziemlich gemeiner Gedanke meinerseits. Lachend lief eine Gruppe Kinder an uns vorbei.

„Hallo Meister Hokage“; riefen sie beim Davonsausen. Schmunzelnd sah ich den Kindern nach und auch der Gegrüßte hatte ein beinahe liebevolles Lächeln im Gesicht.

„Kinder“, murmelte er.“Die Zukunft lebt bereits jetzt in ihnen.“

„Du scheinst das Dorf und seine Bewohner sehr zu lieben.“

„Das stimmt.“, er zögerte. „Weißt du Haruka, es mag sich vielleicht merkwürdig für dich anhören, aber die Menschen hier besitzen alle den Willen des Feuers.“

„Was ist der Wille des Feuers?“, interessiert neigte ich den Kopf um ihn besser verstehen zu können.

„Der Wille des Feuers ist der unbeugsame Wille diesen Ort vor allem Übel zu beschützen. Nicht nur die Shinobi, sondern auch jeder einzelne Dorfbewohner würde zum Schutz des Dorfes und seiner Bewohner bis zum Äußersten gehen.“

„Dann muss das Dorf ihnen ebenfalls sehr wichtig sein. Ich denke, ich kann es nachvollziehen. Dieser Ort ist wirklich etwas besonderes. Alles scheint so friedlich hier.“ Langsam aber bestimmt führte der alte Mann uns weiter vom Stadtzentrum weg, bis wir den Rand einer Parkanlage erreichten.
 

„ Ahh, da sind wir schon“, sagte er und sah sich daraufhin etwas verstohlen um. „So hier wird uns wohl niemand zuzuhören oder stören. Nun gut, ich denke es ist Zeit die Hosen runterzulassen.“

„WIE BITTE?“ Ich riss die Augen auf, war der alte Mann vielleicht pervers?

Verwirrt sah er mich an und als er begriff was mich so hatte auffahren lassen, lachte er schallend.

„Ich meine eine andere Art von 'die Hose runterlassen' Haruka. Ich möchte mit dir offen und ehrlich über deine Vergangenheit sprechen, aber auch über deine Zukunft hier in Konoha.“ Erleichtert entspannte ich mich, für einen Moment hatte ich gedacht, den Alten vielleicht niederschlagen zu müssen, was ich zweifelsfrei getan hätte, wenn er nur ansatzweise versuchen würde sich seiner Hose zu entledigen.

„J-Ja, gut. Aber uns würde doch eh niemand verstehen, wir reden schließlich in meiner Sprache miteinander.“

„Man kann nie wissen, die Wände haben manchmal mehr Ohren und mehr Verstand, als mir lieb ist“, gab er zu.

„Lass uns zuerst über dich reden, denn der letzte Briefwechsel zwischen mir und deinem Vater ist schon lange her und ich habe es versäumt genau informiert zu bleiben.“, er machte eine kleine Pause.“Wie alt bist du?“ Irritiert sah ich zu ihm herunter, welche Rolle spielte es, wie alt ich war? „Ich bin einundzwanzig.“

Hiruzen nickt, und zog eine langstilige Pfeife aus den Untiefen seines Mantels hervor. „Soso“; paffte er eine Rauchwolke in die Luft. “Ich kannte deinen Vater ziemlich gut, er kam vor deiner Geburt wegen einer Mission in dieses Land und wir trafen uns zufällig.“ Ich kannte die Geschichte und 'zufällig' bedeutete in diesem Zusammenhang wohl, dass sie sich beide in ein und demselben Krieg wiedergefunden hatten. Mein Vater war damals als Kurier tätig gewesen und hatte den Auftrag bekommen in diesem Land nach Handelspartnern zu suchen. Auf seinem Weg war er mehr oder weniger in einen Ninjakrieg hineingestolpert und während er versucht hatte, nicht von umherfliegenden Geschossen durchbohrt oder als Feind niedergemacht zu werden, hatte er in einem Erdloch einen schwer verletzten Mann gefunden.

Er hatte den Halbtoten aus dessen Versteck gezerrt und aus dem Gefecht herausgetragen um ihn zu versorgen. Er blieb noch lange in dem Land, selbst als der Krieg bereits vorbei gewesen war. Was er in der Zeit allerdings getrieben hatte... in dem Punkt hatte er sich immer in Schweigen gehüllt.

„Ich stehe tief in seiner Schuld“; sagte der Hokage gerade und schaute einem weiteren Rauchkringel hinterher, den er gerade auf die Reise geschickt hatte.

„Was ist genau passiert, Haruka. Erzähle mir bitte noch einmal, wieso man dich und deine Familie angegriffen hat und erzähle mir bitte die Wahrheit. Der Feudalherr hat mir in seinem Brief geschrieben, was du ihm berichtet hast. Diese Version kenne ich demnach schon. Allerdings würde ich gerne die richtigen Fakten kennen, auch wenn ich nachvollziehen kann, wieso du ihn angelogen hast. Ich weiß es fällt nicht leicht, aber du musst mir vertrauen und ich verspreche dir im Gegenzug, dass das, was du mir erzählen wirst, bei mir bleibt.“

„Ich habe wohl keine andere Wahl“, seufzte ich. Der alte Mann nickte wohlwollend. „Und es hört uns ganz sicher niemand zu?“; fragte ich ihn unsicher, mein Instinkt hatte sich zwar nicht gemeldet andererseits, hatte ich auch von Genmas' Anwesenheit am Vortag nichts gemerkt.

„Ganz sicher.“

„Gut.“ Widerwillig begann ich inmitten von strahlendem Sonnenschein, vom dunkelsten Tag meines Lebens zu erzählen. Wie es dazu gekommen und wie meine Flucht verlaufen war.

Während ich erzählte gingen wir weiter unter den Bäumen entlang. Einige Eichhörnchen kreuzten unseren Weg.

Der Ältere sagte in der ganzen Zeit kein Wort, hin und wieder nickte er zustimmend, blieb den Rest der Zeit aber beharrlich dabei stumm seine Pfeife zu rauchen. Als meine Erzählung endete, war die Sonne schon längst über ihren höchsten Punkt hinaus gewandert und stand nun tiefer am Himmel.
 

Langsam und bedauernd schüttelte der Sandaime den Kopf.

„So ein Ende hat Mahn nicht verdient. Er war ein wirklich toller Mensch.“ Betrübt betrachtete er das Ende seiner Pfeife und ließ seinen Blick dann zu einem polierten, schwarzen Stein wandern, der in einiger Entfernung zu uns stand. Er deutete auf die Skulptur.

„Weißt du, auf diesem Stein sind die Namen aller eingraviert die in den Ninjakriegen gestorben sind. Sie gelten als Helden.“, er seufzte. “Es ist bedauerlich, dass deine Eltern kein Grab bekommen werden. Ihre Namen weren in Vergessenheit geraten, obwohl sie ebenfalls Helden waren.“

„Nun es gibt doch sicher einen Friedhof hier, oder?“, fagte ich ihn. Verwirrt sah er mich an, dann verstand er auf was ich hinaus wollte.

„Natürlich, das ist kein Problem.“

„Wichtig wäre mir nur, dass ihre Nachnamen nicht darauf erscheinen. Es klingt vielleicht etwas paranoid, aber ich möchte kein Risiko eingehen. Doch.“, ich stockte. “Einen Platz zu haben, wo ich ihnen irgendwie ein Stück näher sein kann, wäre wirklich schön.“ Hiruzen nickte.

„Wenn du gestattest, ich würde gern die Stifte sehen.“ wechselte er dann das Thema. Etwas überrascht zuckte ich zusammen und sah ihn misstrauisch an.

„Warum?“

„Nun ich bin ein neugieriger alter Mensch.“, witzelte er.

Es überzeugte mich nicht und sofort wurde er wieder ernst. „Nimm es mir nicht übel, Haruka, aber ich bin immerhin der dritte Hokage und wie ich dir vorhin schon gesagt habe, liegt die Verantwortung über das Dorf und seine Sicherheit bei mir.“

„Ich bin nicht gefährlich“; gab ich trotzig zurück.

„Das mag sein, aber ich muss mich zum Einen selbst davon überzeugen können und zum Anderen bin ich wirklich ein neugieriger alter Mann. Dein Vater hat in seinen Briefen Andeutungen gemacht, konnte sich aber aus nachvollziehbaren Gründen nicht näher äußern.“

Verblüfft sah ich ihn an.

„Mein Vater hat dir davon erzählt?“

„Nun, in gewisser Weise schon, aber er drückte sich nur vage und mit äußerster Vorsicht aus, so dass ich mir zwar ein wenig zusammenreimen konnte, aber eine wirkliche Ahnung habe ich nicht.“ Er machte eine Pause, damit ich seine Worte verdauen konnte. Mein Vater hatte in seinen Briefen also von mir erzählt. Das kam überraschend, denn meine Metallbolzen wurden außerhalb der höchsten Regierungsebene und meiner Familie als absolute Verschlusssache behandelt. Die Tatsache, dass mein Vater es einfach in einen Brief geschrieben hatte, selbst wenn er nichts genaues erzählt hatte, war für ihn mehr als untypisch, denn er hatte selbst stets gepredigt, dass es besser war, wenn niemand darüber wusste.

Sehr genau erinnerte ich mich in diesem Zusammenhang an die Standpauke meiner Eltern, als ich mit knappen fünf Jahren den ersten Stift gezogen hatte, um einen älteren Jungen zu verprügeln, der mich in der Schule immer piesackte.

Ich kam mir damals vollkommen im Recht vor, zumal ich ihn wirklich nicht ernsthaft verletzen wollte. Das Gespräch danach war schrecklich für mich gewesen, denn einem vierzehnjährigen Jungen den Kiefer und mehrere Rippen zu brechen blieb auch für mich nicht ohne Konsequenzen. Die Lehrer waren entsetzt, da ich bis zu dem Zeitpunkt als völlig ruhig, unauffällig und überaus liebenswert galt.

Wenn ich heute darüber nachdachte, wurde mir klar, wie dumm das von mir gewesen war. Der Junge selbst, erzählte zwar nichts davon irgendjemanden,da es ihm wohl zu peinlich gewesen war, von einem kleinen Mädchen mit Flechtzöpfen und einem bunt bedruckten Kleid dermaßen zerlegt worden zu sein.

Als er nach einigen Wochen aus dem Krankenhaus kam, erzählte er überall herum, dass er von Verbrechern überfallen worden wäre. In dem Punkt hatte ich wirklich Glück gehabt.

Das andere Problem war die Erklärungsnot, in die meine Eltern vor dem Schuldirektor geraten waren. Dieser hatte sich jedoch schon selbst einen Reim aus der ganzen Situation gemacht und angenommen, dass ich Kampftraining nahm und erhob schwere Vorwürfe gegen meine Eltern, die es versäumt hätten, die Schule darüber in Kenntnis zu setzen. Überrumpelt hatten sie sich entschuldigt und mussten darüber hinaus auch noch versprechen mich im Schulteam anzumelden. Wie sich nämlich herhausgestellt hatte, war der Schuldirektor ein Fan von Kampfkünsten und rechnete sich mit mir, als Teammitglied, gute Chancen bei Wettbewerben aus. Den kleinen Metallbolzen hatte ich seitdem nicht mehr zurück in den Wirbel schieben müssen, da es zu auffällig gewesen wäre, wenn ich all meine Kraft auf einmal wieder verloren hätte.

Nur das Gespräch mit meinen Eltern war wirklich unangenehm geworden, denn es fielen Worte wie 'Verantwortungsbewusstsein', 'Vorsicht' und was es hieß die 'Konsequenzen für sein Handeln' zu tragen.

„Darf ich sie sehen?“, wiederholte die tiefe Stimme des Hokages irgendwo außerhalb meines Kopfes und riss mich damit aus meinen Erinnerungen. Seufzend nickte ich und drehte mich mit dem Rücken zu ihm. Damit er besser sehen konnte, beugte ich die Knie und hob meine Haare hoch.

„Wirklich erstaunlich, und es gibt keine... nunja.. Nebenwirkungen oder Risiken?“

„Nein, solange ich den dritten Stift nicht ziehe, ist alles in Ordnung.“

„Was würde passieren, wenn du ihn ziehst?“ Ratlos zuckte ich mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht genau, aber eine unmittelbare Gefahr wäre es eigentlich nur für mich.“

„Was passiert, wenn du den zweiten Stift ziehst“, fragte er mich weiter.

Dieser Mann stellt ziemlich viele Fragen. Die Stimme klang ziemlich genervt in meinem Kopf.

'Er muss wissen, ob ich eine potenzielle Gefahr für sein Dorf darstelle', erwiderte ich. 'Ist doch eigentlich verständlich, oder?'

Wahrscheinlich hast du Recht.

„Nun, das Erste wäre, dass mich die Senatorin orten könnte. Denn an dieser Stelle wurde mit dem Stift ein Sender verbunden. Ziehe ich den Stift, wird der Sender aktiviert. Zum Anderen hätte ich Zugriff auf … naja, nennen wir es 'weitere Leistungsrecourcen'.“

„Hast du den zweiten Stift, denn schon einmal gezogen?“ Ich nickte.

„Ja während einer Mission, ich hatte die Wahl zwischen zwei Optionen.“

„Welchen“, hakte er nach.

Der Kauz ist aber wirklich hartnäckig, erklang es widerborstig in meinem Kopf.

„Den Stift ziehen und mein Team retten, oder es nicht zu tun und sie alle sterben zu lassen. Ich entschied mich für mein Team und so war der größte Verlust ein paar Gliedmaßen.“, seufzte ich.

„Ich habe bisher nie ein Teammitglied verloren.“ Ergänzte ich, nicht ohne etwas Stolz in der Stimme. Dann wurde ich wieder traurig.

„Nur meine Familie konnte ich nicht schützen.“, verbittert kickte ich einen Stein vor mir her, während wir weitergingen.

„Gab es etwas, das du hättest anders machen können?“

Angestrengt überlegte ich. In der damaligen Situation, war mein größter Fehler Unaufmerksamkeit gewesen.

Belüge dich nicht, die Geräusche im Flur waren so leise gewesen, dass du sie nicht hören konntest.

'Wieso weiß ich dann, dass es sie gab', antwortete ich der Stimme trotzig und dachte erschauernd an meinen nächtlichen Traum.

Weil ich es gehört habe, kam die schlichte Antwort. Hiruzen sah mich derweil abwartend und mit hochgezogener Augenbraue an. Zum Glück konnte er meinen inneren Disput nicht hören.

Schließlich schüttelte ich den Kopf. „Vermutlich nicht.“

„Nun in dem Fall wäre es besser, wenn du aufhörst dich selbst zu bemitleiden und deine Energie lieber auf ein sinnvolleres Ziel richtest.“ Das saß. Erstaunt sah ich ihn an. Seine Stimme hatte scharf geklungen, doch der alte Mann schenkte mir ein aufmunterndes und irgendwie mitfühlendes Lächeln.

„So und jetzt lass uns das Thema wechseln, ich denke wir haben genug im Trüben verbracht und ich finde, ich sollte dir ein wenig über das Dorf erzählen.“ Nun war ich wirklich gespannt, denn der kleine Exkurs den Genma mir bereits am morgen gegeben hatte, war wirklich faszinierend gewesen.
 

„Nun“, setzte er an und wurde jäh unterbrochen, als ein orangeblauer Schatten vor uns auf den Weg sprang.

„Du kriegst mich eh nie, Sensei Iruka!“ Unwillkürlich musste ich grinsen, jagten sich die beiden etwa seit dem Vortag?

„Naruto!“, donnerte der alte Mann neben mir los.

„OI! Ojii!“, schrie Naruto und zeigte aufgeregt auf den Mann neben mir. Mit Satz kam er auf uns zugesprungen und drückte seine Nase gegen die des Hokages. Einen Augenblick lang starrte ich auf den Punkt an dem das Energiebündel eben noch gestanden hatte, wie war das denn möglich? Der kleine Junge war soeben aus dem Stand mindestens vier Meter weit gesprungen.

Verdattert sah ich neben mich.

„Hey Haruka! Tut mir leid, dass ich gestern so schnell abgehauen bin.“ Verschmitzt kratzte er sich mit der Hand am Hinterkopf.

„WOAH! Du hast dir ja deine Haare abgeschnitten!“, rief der Wirbelwind und wedelte aufgeregt mit seinem Arm. „Das sieht richtig gut aus, echt jetzt! Aber die langen Haare waren auch total toll.“

„Hallo Naruto, nichts schlimm.“, oder hieß es 'nicht schlimm'? Während ich rätselte, hörte ich eine zweite Stimme aus den Büschen.

„Bleib stehen Naruto! Das darf doch nicht wahr sein, wo ist der Bengel jetzt schon wieder hin?“ Der Gesuchte stand derweil vor uns und schüttete sich aus vor lachen.

„Iruka Sensei, ich bin hier! BÄH!“ rief Naruto zwischen die Bäume.

„Naruto du bleibst hier, ich habe ein ernstes Wort mit dir zu sprechen. Du wirst die Farbe gefälligst wieder von den Gesichtern waschen!“, schaltete sich der Hokage mit all seiner Autorität ein.

„Nö wieso denn, ich find die ollen Gesichter so viel schöner.“, gab der Blonde trotzig zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

Der Hokage zog entrüstet die Luft ein, doch in seinen Augen blitzte es verräterisch auf. Der alte Mann mochte den Jungen wirklich gern.

Just in dem Augenblick kam auch der braunhaarige Ninja auf den Weg gesprungen und schien geradezu außer sich.

„Wie kannst du es wagen so mit dem Meister Hokage zu sprechen, entschuldige dich sofort!“ Er packte den zappelnden Jungen am Kopf und drückte ihn nach unten, während er inbrünstig auf ihn einredete. Grinsend betrachtete ich das Schauspiel.

Naruto seinerseits zappelte wehrhaft gegen seinen Sensei an. „Ich entschuldige mich niemals! Euch werd ich's zeigen, echt jetzt!“ Mit einem Ruck riss er sich los und machte ein paar Fingerzeichen. „Sexy no Jutsu“

Sexy no – WAS?
 

Wo eben noch ein kleiner Junge gestanden hatte begann es zu qualmen und als der Rauch sich verzogen hatte stand dort eine blonde hübche Frau.

Nackt.

Entgeistert starrte ich sie an, was ging hier bitte vor sich? Während ich geschockt war, dass sich ein kleiner Junge, wie auch immer er das gemacht hatte, in eine Frau mit, zugegeben, beachtlichen Vorbau verwandelt hatte, schienen die beiden Männer neben mir nicht weniger getroffen zu sein.

Sie starrten die Brüste des Mädchens mit aufgerissenen Augen an und eine Sekunde später schoss ihnen das Blut in Sturzbächen aus der Nase.

Also doch ein perverser alter Mann. Ich nickte meiner inneren Stimme zu. 'War doch beinahe klar gewesen,oder? Männer und Brüste.' Während der Hokage und der junge Lehrer versuchten die Blutung zu stillen nutzte Naruto die Gunst des Augenblicks um sich aus den Staub zu machen.

„Den krieg ich noch“, schniefte der Mann mit dem braunen Zopf neben mir.

Achja?

Auch Hiruzen schien sich langsam wieder im Griff zu haben. „Iruka, bevor du weiter Naruto nachläufst, möchte ich dich einen kleinen Augenblick sprechen.“

„Jawohl, Meister Hokage.“

„Das ist Haruka, sie ist neu hier und hat ein wenig Sprachprobleme, ich würde mich freuen, wenn du sie etwas unterstützt.“

Der junge Mann schaute mich überrascht an und ich lächelte so unschuldig wie möglich zurück.

„Ja natürlich Meister Hokage, ich komme dann später noch einmal vorbei um alles abzuklären. Aber jetzt muss ich los, sonst ist der Idiot schon wieder weg.“ Mit diesen Worten verschwand auch er.

„Dieser Naruto“; brummte Hiruzen neben mir und bückte sich um seine Pfeife aufzuheben, die im Eifer des Gefechts einfach aus seinem Mund gefallen war.

„Zum Glück funktionieren solche Art von Attacken bei mir nicht.“

„Du hast da noch etwas Blut am Kinn“, sagte ich scheinheilig und schlenderte weiter.

Ein paar Meter weiter blieb ich wieder stehen und blinzelte in die Nachmittagssonne. Es wirkte alles so friedlich hier. In einem Baum über mir zwitscherten ein paar Vögel und überhaupt wirkte alles irgendwie beruhigend auf mich.

„Wie funktioniert das“; fragte ich, als der alte Mann neben mir stehen blieb.

„Was denn?“

„Wie kann ein ein Mann aus dem Stand, ohne sich abzustützen über einen zwei Meter hohen Zaun springen? Und wie kann ein kleiner Junge ohne Mühe so eine Distanz überbrücken ohne Anlauf zu nehmen?“

„Ah. Nun, das liegt am Chakra.“

„Was ist Chakra?“

„Chakra ist, grob gesagt, erst inmal die grundlegende Lebensenergie aller Lebewesen. Hätten wir kein Chakra würden wir sterben. Vor langer Zeit begannen die Shinobi diese Energie zu trainieren und in gewissen Maße auch zu kultivieren. Es bildet die Grundlage zu nahezu jedem Jutsu. Um diese Jutsus anzuwenden zu können, müssen die Ninja in der Lage sein ihr Chakra zu schmeiden, eventuell die Natur des Chakras zu ändern und es dann kontrolliert freigeben.“, er machte eine Pause, während er seine Pfeife ausklopfteund neu stopfte.

“Naruto ist ein Anwärter und geht zur Ninjaakademie, dort lernen Kinder wie er, diese Energie zu nutzen.“

Beeindruckt sah ich in die Richtung in der das blonde Energiebündel verschwunden war.

„Könnte ich das auch lernen?“, fragte ich neugierig. „Oder bin ich schon zu alt dafür?“

Belustigt blinzelte Hiruzen mir zu. „Man ist nie zu alt um etwas Neues zu lernen. Allerdings dauert diese Grundausbildung normalerweise drei Jahre und ..“er hörte auf zu reden sondern sah nachdenklich zu mir.

„Und was?“ Sicherlich überlegte er wie viel er einem fremden Menschen anvertrauen konnte. Obwohl die Menschen in Konoha sehr freundlich zu sein schienen, war die Ausbildung zu einem Elitekämpfer sicherlich an eine geweisse Herkunft geknüpft. Da ich weder hier geboren wurde, noch einen Namen vorweisen konnte, den man mit Ansehen verband, war die Wahrscheinlichkeit wohl eher niedrig, dass ich miteinbezogen werden würde.

Darüber hinaus war der eingängigste Grund, dafür mich nicht trainieren zu lassen, die unüberwindbare Tatsache, dass man mich trotz der Ausbildung nicht einsetzen konnte. Selbst, wenn ich diese Jutsus lernen würde war ich doch deswegen noch lange kein Ninja.

„Was überlegst du?“, die tiefe Stimme zog mich abermals aus meinen Gedanken.

„Das es wohl eine dumme Frage war.“

„Warum denkst du, dass die Frage dumm ist?“, erstaunt zog er eine Augenbraue hoch und zündete sich ein weiteres Mal seine Pfeife an.

„Nun ich denke, dass Ninjas die Elite sind. Genma, Yashido und Naruto haben mir ein wenig darüber erzählt. Sie stellen die geheime Kampfkraft ihres Landes dar und tragen viel Verantwortung. Ich bin fremd hier, da ich weder einen Bezug zu diesem Land habe, noch hier geboren wurde, noch einen gewichtigen Namen besitze um Anspruch auf irgendetwas zu haben. Schlimmstenfalls würdest du an Ansehen verlieren, wenn du jemanden wie mir die Möglichkeit gibst solche Dinge zu lernen.“

„Du hast in allen Punkten Recht“, sagte das Dorfoberhaupt nach einer Weile. Sein Ton war ruhig und nachdenklich. „Aber dennoch liegst du falsch.“

Überrascht sah ich zu ihm und glaubte, mich verhört zu haben. Wie konnte ich Recht haben und dann doch wider nicht?

„Es ist wirklich unüblich jemanden irgendwelche Kampftechniken beizubringen, der nicht aus dem eigenen Dorf stammt.“, er blies eine Rauchwolke in die Luft und kratzte sich nachdenklich unter seinem Hut am Kopf. „Und natürlich, wenn die Dorfältesten mitbekommen würden, das ich so etwas auch nur in Erwägung ziehe, dürfte ich mir eine Predigt anhören die sich gewaschen hat.“, er lachte. „Aber wie ich bereits vorhin zu dir gesagt habe: ich bin trotz meines Alters ein neugieriger Mensch. Ich habe nicht immer die Möglichkeit andere Kampfstile kennen zu lernen. Eigentlich habe ich keinen Grund mich zu beschweren, aber manchmal denke ich, die Chakranutzung hat uns Shinobi etwas... nun ja.. träge gemacht. In manch einem Kampf, den ich gesehen habe, war der Hauptinhalt die bloße Energiefreisetzung. Und weißt du, ist die Energie erst einmal verbraucht, endet auch der Kampf. Verstehst du was ich meine?“ Ich nickte. Wenn Chakra die Lebensenergie darstellte, bedeutete dessen ganzer Verbrauch in einem Kampf den unabwendbaren Tod.

„Nun, du wurdest ebenfalls ausgebildet die gleichen Missionen zu bewältigen wie unsere Shinobi, allerdings ohne die Chakranutzung.“

Langsam verstand ich vorauf er hinauswollte.

„Du willst herausfinden in wie weit ich mit einem Chakranutzer mithalten kann.“ Schlussfolgerte ich.

„Genau.“

„Nun, eigentlich möchte ich keine große Sache aus meiner Vergangenheit machen. Und vor Allem werde ich meine Fähigkeiten nicht einfach so gegen Menschen einsetzten.“, blockte ich ab.

„Nein... Wir sollten wirklich nichts an die große Glocke hängen. Aber du hast mich missverstanden, ich möchte dich nicht in eine Arena mit meinen Ninjas schicken um zu sehen wer am Ende wieder herauskommt“, sagte er ernst, wenn auch mit zuckenden Mundwinkeln, und zog ein weiteres Mal an seiner Pfeife.

„Mir schwebt eher eine Art Belastungstest vor. Außerdem würde ich deinem Training gerne einmal persönlich zuschauen.“

„Woher..?“

Er lachte.„Ich habe meine Mittel und Wege herauszufinden, was in und auch um Konoha vorgeht. Aber keine Angst, keiner außer mir weiß von deinem Ausflug heute morgen.

Schweigend gingen wir nebeneinander her und verließen den Park. Mir schwirrte der Kopf.

„Nun was sagst du?“

„Wozu?“, fragte ich verwirrt.

„Wir machen einen kleinen Belastungstest und wenn ich sehe, dass du die Vorraussetzungen hast, bringe ich dir die Chakrakontrolle bei.“

„Aber ich dachte die Ausbildung dauert drei Jahre?“

„Das stimmt, aber erinnere dich, dass ich gesagt habe, dass Naruto zur Akademie geht. Die Studenten sind allesamt Kinder in seinem Alter. Und da gehört Naruto schon zu den Älteren. Sie lernen dort nicht nur die grundlegende Kontrolle über ihr Chakra sondern auch alle anderen Dinge, die man für einen Kampf wissen muss. Das meiste davon, wirst du sicherlich schon wissen. Naruto wird morgen seine Abschlussprüfung haben und, falls er sie dieses Mal schaffen sollte, ein Genin sein. Ich gehe davon aus, dass es etwas merkwürdig wäre, eine erwachsene Frau inmitten von Kindern zu sein, aber wenn du das möchtest kannst du auch gerne die Akademie besuchen.“

“Nein, danke.“, erwiderte ich spitz. Alleine der Gedanke war abstrus, denn ich war immerhin mindestens doppelt so alt.

Vergiss nicht, dass du auch mindestens doppelt so groß bist, witzelte es in mir.

Als ob Hiruzen es gehört hätte, lachte er, während er friedlich neben mir her ging.

„Was für eine Art Belastungstest wäre das?“, fragte ich misstrauisch.

„Nun zum Einen wäre da die Frage nach der Ausdauer, deiner Beweglichkeit und auch deiner körperlichen Stärke. Auch deine geistige Eignung ist wichtig. Damit wüsste ich dann darüber Bescheid, ob du überhaupt auf dein Chakra zugreifen kannst.“ Im Verlauf des weiteren Gesprächs erklärte Hiruzen mir, wie Chakra zusammengesetzt war, wie es floss und und wie wichtig es war, dasVerhältnis von Körper- und Geistenergie, genau dosieren zu können. Der Test den er vorgeschlagen hatte, war demnach zunächst nichts weiter als ein reiner Fitnesstest, bei dem er herausfinden wollte auf welchen körperlichen Stand ich mich befand.

Und natürlich ist er neugierig in wie fern der erste gezogene Stift einen Unterschied macht. Frohlockte die Stimme in meinem Kopf.

Wir einigten uns schließlich darauf, dass Hiruzen mir Bescheid gab, sobald es seine Pflichten als Hokage es erlaubten, sich unbemerkt aus dem Verkehr zu ziehen.

„Eine Sache wäre da noch“, es war mir ziemlich unangenehm.

„Ich kann hier schließlich nicht der Arbeit nachgehen, der ich in meiner Heimat nachgegangen bin. Dennoch muss ich mein Geld verdienen“, begann ich.

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, gab er zu. „ Ich könnte bei mir im Hokageturm derzeit jemanden gebrauchen, der Botengänge erledigt. Es wäre zunächst nur zeitlich begrenzt, denn Genma ist üblicherweise dafür verantwortlich. Allerdings habe ich ihm eine Mission zugeteilt, die ihn wohl einige Wochen außerhalb von Konohagakure beschäftigen wird. “ Dieses Jobangebot klang zwar nicht sonderlich spannend, war aber zumindest ein Anfang. Wenn Genma seinen Posten wieder bezog, waren meine Sprachkenntnisse hoffentlich soweit gefestigt, dass ich mich mich nach einer anderen Arbeit umsehen konnte.

„Da fällt mir noch etwas ein.“, der Hokage tastete seinen Mantel ab und schien in dessen Taschen nach etwas zu suchen, schließlich zog er mit einem gemurmelten „Ah, da ist er ja.“ einen Umschlag heraus und hielt ihn mir hin.

„Was ist das“, stirnrunzelnd beäugte ich das Kuvert. „Dein Lohn für die Ergreifung der Katze Tora“, erklärte er mir. „Madame Shijimi war überaus begeistert, denn so schnell hat sie ihn noch nie wiederbekommen. Ich denke sogar“, er wog das Papier in der Hand und zwinkerte mir verschwörerisch zu „dass sie diesmal großzügiger war als sonst.“

„Wieso bezahlt sie jemanden dafür ihren Kater wieder einzufangen? Normalerweise kehren Katzen nach einer Weile von alleine nach Hause zurück.“ Langsam nahm ich ihm den Umschlag aus der Hand.

„Nun im Grunde ist es das gleiche System, dass du aus deiner Heimat her kennst. Ninjas erfüllen Aufträge, für die sie angeheuert und bezahlt werden. Diese reichen hier von einfachen, wie zum Beispiel dem Fangen einer Katze, bis hin zu Geheimmissionen.“, er seufzte, sicherlich erklärte er das nicht zum ersten Mal. „Nicht immer gibt es anspruchsvolle oder spannende Aufträge und trotzdem muss sich das Dorf finanzieren.“

„Ihr nehmt also beinahe jeden Auftrag an“, tippte ich und zuckte zusammen. Sicher war ich jetzt zu weit gegangen.

„Es tut mir Leid, dass war nicht so gemeint.“

„Nein, nicht jeden, aber die leichten Missionen bringen auch Geld, wenn auch nicht so viel, wie die Gefährlichen. Dennoch haben sie ihren Nutzen.“

Ich warf ihm einen Blick zu, den er richtig deutete und fuhr fort: „Ich kann keine unerfahrene Genin zu Geheimaufträgen schicken, ihnen fehlt die Erfahrung um sie zu bewältigen. Aber die einfachen Aufträge bieten sich für sie an. Weißt du, wenn die Anwärter Genin werden, teilen wir sie in Gruppen ein. In einer Gruppe sind ein Jōnin, als Ausbilder, und drei Genin. Bevor ich sie auf anspruchsvolle Missionen schicken kann, müssen sie zuerst einmal Erfahrungen sammeln und lernen im Team zu arbeiten. Mit einfachen Aufträgen können sie das üben, ohne Gefahr zu laufen bei einem Fehler schwer verletzt oder gar getötet zu werden.“ Das klang durchaus plausibel. „Im Grunde“, fügte er zögernd hinzu. „Sind und bleiben es doch Kinder.“

„Aber ist es nicht unfair? Mir das Geld zu geben, dass einer Gruppe zusteht, die den Auftrag hatte, mein ich.“

Ich streckte ihm den Umschlag wieder entgegen. „Glaub mir, ich hab mit den Genin gesprochen. Es war nicht das erste Mal, dass sie Tora versucht haben einzufangen. Sie schienen wirklich froh zu sein, dass sie die Aufgabe nicht weiter verfolgen mussten. Sie waren sich einig, dass die Bezahlung dem zusteht, der ihn eingefangen hat“ beendete er das Thema.

Bevor ich noch etwas anderes sagen konnte, beschloss mein Magen eine aktivere Rolle in dem Gespräch zu spielen. In die Stille hinein begann er laut zu knurren. Fieberhaft überlegte ich und mir fiel ein, dass ich schon mehr als einen Tag lang nichts gegessen hatte. Trotzdem hatte ich über all den neuen Eindrücken meinen Hunger einfach vergessen.

Das schien mir mein Magen nun übel zu nehmen.

Etwas perplex starrte auch der Hokage auf meinen Bauch, der sich just noch einmal meldete. „Nun, ich denke, wir haben erst einmal alles wichtige besprochen, komm morgen früh in den Hokageturm, ich werde dir ein paar Dokumente geben, die du für mich auslieferst.“ Mit hochrotem Gesicht nickte ich und ergriff hastig die Flucht, nicht ohne mich bei dem alten Mann bedankt zu haben.
 

Gott, war das peinlich, kommentierte unnützerweise die Stimme in meinem Kopf. 'Sag mir etwas, das ich nicht weiß', ätzte ich zurück und machte mich auf die Suche nach einem Lebensmittelladen oder, was wohl naheliegender war, direkt nach einer Imbissbude.

„Hey, Haruka!“, hörte ich eine Stimme zum zweiten Mal an diesem Tag.

Suchend sah ich mich um, Naruto zu finden, war dank seines auffälligen Anzuges nicht gerade schwer und so hob ich die Hand. Neben ihm stand sein Sensei. Auch der junge Mann mit dem Zopf grüßte mich.

„Hey Naruto, Hallo Sensei Iruka.“ Wie es aussah hatte der Ninja seinen Schüler erwischt, denn Naruto sah etwas mitgenommen aus.

„Was?“, fragte ich und deutete auf die vielen Flecken die überall auf seinem Anzug verteilt waren.

„Ach das? Sensei Iruka hat mich die Gesichter der Hokage sauber machen lassen. Und jetzt gehen wir eine Nudelsuppe essen!“

Bei dem Wort 'Nudelsuppe' reagierte mein Magen sofort. Mit hochrotem Gesicht legte ich die Hand auf meinen Bauch und sah die Beiden entschuldigend an.

„Wie es scheint hat Haruka auch hunger“, schaltete sich Iruka ein. Die Augen des Blonden, die sich vor staunen geweitet hatten wurden noch runder.

„Achso! Sensei? Nehmen wir Haruka doch einfach mit zu Ichiraku.“ „Eine hervorragende Idee.“

Viel zu hungrig um mich zu ärgern, dass ich nicht einmal gefragt wurde, folgte ich den Beiden, während mein Magen immer lauter Revolte schlug. Der Weg zu dem Restaurant war zum Glück nicht weit, doch bevor einer meiner beiden Begleiter auch nur ein Wort zu dem Inhaber sagen konnte, knurrte mein Magen so laut, dass es beinahe obszön war. Wenn es nicht mein Magen gewesen wäre, hätte ich die bestürzten Blicke, die man mir zuwarf sicherlich lustig gefunden.

Ich hoffte inständig, dass sich unter mir der Boden öffnen würde um mich zu verschlingen, aber den Gefallen tat er mir nicht und so setzte ich mich einfach auf den Hocker neben Iruka und Naruto und hielt mir den Bauch. Der Wirt hatte indessen seine Sprache wiedergefunden und lachte herzlich. Als er mich fragte, was ich essen wollte warf ich einen Blick auf die Karte, die ich dummerweise nicht lesen konnte. Daher wiederholte ich einfach das Wort, das Naruto benutzt hatte.

„Nudelsuppe, bitte.“ Ein erneutes Ziehen in meiner Körpermitte ließ mich nach vorne sinken. 'Wie konnte das nur so laut sein?', fragte ich mich deprimiert. Ich bemerkte beinahe gar nicht, als der Wirt mir eine riesige Schüssel vor die Nase stellte. Auf einmal war ich ziemlich am Ende mit meinen Reserven und schaute die Schüssel an. Es roch wirklich gut. Blinzelnd sah ich mich nach einem Löffel um. Wie selbstverständlich reichte mir Iruka ein paar Esstäbchen, als er meinen Blick bemerkte.

„Danke... Iruka? Wie..?“ Ich bekam nicht einmal einen halbwegs brauchbaren Satz zustande.

Naruto wusste schneller was ich wollte und stupste seinem Sensei in die Seite.

„Sensei, Haruka kommt nich von hier, ich glaube sie hat keine Ahnung wie man die Suppe isst.“ Schwach regte sich Empörung in mir, denn natürlich wusste ich wie man Suppe aß, aber dass man dafür Stäbchen benutzte, war mir neu.

„Achso“, der junge Mann kratzte sich unter dem Stirnband. „Es ist eigentlich einfach, man isst die Nudeln, das Gemüse und so weiter mit den Stäbchen und trinkt dann die Suppe aus der Schale.“

„Ah. Danke.“

Einen Moment später musste ich feststellen, dass Stäbchen wirklich eine heimtückische und boshafte Erfindung waren.

Während des Aufenthalts beim Feudalherren hatte es zumindest Gabeln und Löffel für mich gegeben. Hier allerdings schien es eher ungewöhnlich zu sein.

Mehrmals mussten Iruka und Naruto zeigen, wie man die Stäbchen richtig hielt und als ich es endlich schaffte einige Nudeln festzuhalten, freute ich mich so sehr, dass ich sie prompt fallen ließ.

Meine Begleiter wieherten vor lachen.

Beim nächsten Anlauf klappte es besser und schon bald hatte ich alle festen Bestandteile aus der Suppe gefischt. Während ich aß, hörte ich dem Gespräch der Anderen zu.

Iruka fragte den Blonden, ob er denn nicht wüsste, wer die Hokage gewesen seien und wieso er ihr Andenken so verschandelte.

Da ich die Antwort schon kannte, grinste ich Naruto an, dessen Augen blitzten, als er abermals verkündete, dass er irgendwann einmal noch viel stärker sein würde als alle anderen Hokage.

Sein Sensei zeigte sich davon etwas überrascht und wohl auch etwas skeptisch, denn er verschluckte sich an einer Nudel. Mitfühlend klopfte ich ihm auf den Rücken.

„Sensei?“

„Was ist denn, willst du noch eine zweite Nudelsuppe?“

„Ehm, nein. Sensei, darf ich mal ihr Stirnband aufsetzen?“, Der Blick den Naruto seinem Lehrer zuwarf war wirklich steinerweichend.

„Mein Stirnband?“, er zögerte einen Augenblick. „Nein, Naruto, dass Stirnband ist nur für Konohaninjas. Wenn du morgen die Prüfung bestehst, kriegst du dein eigenes.“

„Das nervt voll, echt jetzt!“ Naruto verschränkte die Arme und schob die Unterlippe vor.

„Dann will ich jetzt doch noch eine Suppe.“

Der Ninja neben mir fing an zu lachen. Ich schaute den beiden amüsiert zu, wie sie sich gegenseitig foppten. 'Wie Vater und Sohn', schoss es mir durch den Kopf.

Während des Gesprächs mit dem Hokage war das Thema auch etwas näher auf Naruto zu sprechen gekommen und der alte Mann hatte mir erzählt, dass Naruto keine Eltern hatte. Da er immer allein war und er keine Bezugsperson hatte, machte er so viel Radau wie möglich und spielte den Leuten Streiche wo er nur konnte. Es war seine Art, die Leute auf ihn aufmerksam zu machen. Etwas traurig betrachtete ich den kleinen Chaoten, der nun begonnen hatte lautstark mit seinem Lehrer zu debattieren. Aber im Augenblick schien er doch recht zufrieden zu sein. Es war wirklich unterhaltsam die Beiden zu beobachten und mir schien, dass auch Iruka, genauso wie der Hokage den blonden Jungen mehr mochte, als er zugeben würde.

Nachdenklich zog ich den Umschlag hervor, den mir der Hokage gegeben hatte, und zog einige Scheine heraus. Fieberhaft überlegte ich, wie viel die Suppe wohl gekostet hatte und wie viel Geld eigentlich vor mir lag. Auch traute ich mich nicht, direkt zu fragen, denn ich wollte Meister und Schüler neben mir nicht unterbrechen. Der Moment schien für Naruto wichtig zu sein, denn obwohl er empört seine Wangen aufpustete, strahlte er dennoch eine Zufriedenheit aus, die man beinahe greifen konnte.

Unentschlossen hielt ich die Scheine in der Hand und kam mir dabei ziemlich unfähig vor. Iruka bemerkte meine missliche Lage und tippte unauffällig gegen den Schein mit der geringsten Zahl. Dankbar lächelte ich ihn an und reichte dem Wirt den Schein.

Dieser schien etwas überrascht. „Willst du für die anderen Beiden mitzahlen?.“ Wieso eigentlich nicht. Ich mochte Naruto, er war mir auf Anhieb sympathisch und es konnte nicht Schaden meinen zukünftigen Sprachlehrer etwas positiv zu stimmen.

„Ja.“, erwiderte ich, bevor der Braunhaarige protestieren konnte.

„Das ist voll nett von dir Haruka, echt jetzt!“, staunte Naruto, als ich das Wechselgeld zurück in das Kuvert steckte.

Ich lachte. „Es … nur Suppe, ja?“

Vergnügt lächelte ich die Beiden an. „Du ...morgen... Prüfung, Naruto? Ich... wünsche..ehm...“, angestrengt überlegte ich nach den richtigen Worten.

„Ich wünsche dir viel Glück?“, schlug Iruka vor.

„Ja! Naruto, ich wünsche dir viel Glück!“, wiederholte ich und hielt meine gedrückten Daumen hoch.
 

Kurze Zeit später verabschiedete ich mich von den Beiden. Es dämmerte bereits, als ich schließlich an meinem Apartment ankam.

„Hey Haruka.“ Erschrocken zuckte ich zusammen und unterdrückte den Reflex herumzuwirbeln und zuzutreten.

Hinter mir stand der orangene Wirbelwind von Konohagakure. Er musste mir gefolgt sein.

„Danke noch mal für das Essen.“

Verdattert schaute ich ihn an. Es war natürlich nett von mir gewesen eine Suppe zu bezahlen, aber wieso sah er dann so aus, als ob er anfangen wollte zu weinen.

Fieberhaft überlegte ich, ob ich etwas falsch gemacht haben könnte. Der Junge schniefte und rieb sich mit dem Arm über das Gesicht. 'Oh nicht doch, nicht weinen', dachte ich panisch.

„Haruka, ich verspreche dir, dass ich die Prüfung bestehen werde. Darf ich vielleicht vorbeikommen und dir erzählen, wie es lief?“ Eine Träne lief ihm über das Gesicht. Er musste wirklich einsam sein. Mitfühlend betrachtete ich den Knirps.

„Natürlich“; sagte ich und kniete mich vor ihm hin. „Nicht... weinen, ja?“ Behutsam strich ich ihm eine weitere Träne aus dem Gesicht, die gerade dabei war herunterzurollen.

„Ich wünsche dir viel Glück. Und … komm vorbei und erzähle..“.

Als er zu mir aufsah, hatte er sich wieder unter Kontrolle und um die trübselige Atmosphäre zu brechen, lachte ich. „Du wirst... größter Ninja. Also... gib..ehm.“, verlegen brach ich ab.

„Geb dir Mühe!“, vervollständigte der Kleine für mich.

„Genau, geb dir Mühe!“

„Das werde ich!“, rief er und hob die Hand, als er sich umdrehte und davon lief.

'Was für ein merkwürdiger Besuch', dachte ich schmunzelnd.

Kapitel 5 - Eine schwierige Aufgabe

Am nächsten Morgen erwachte ich gerädert. Ein Blick auf den Wecker sagte mir, dass es fünf Uhr war.

„Genau wie gestern“, dachte ich. „Der gleiche Traum, die gleiche Uhrzeit.“

Seufzend richtete ich mich auf. Das kleine Zimmer zeigten Spuren absoluter Verwüstung, denn wie es schien hatte ich in der Nacht sowohl Decke als auch Kissen von mir geworfen. Ersteres lag unmittelbar hinter dem Bett, das andere neben der Tür. Der Wecker stand nicht mehr auf der Nachtkommode sondern lag eine Etage tiefer auf dem Fußboden.
 

Unentschlossen sah ich den Wecker an.

Aufheben oder liegen lassen?

Seufzend überwand ich meine innere Starre und beugte mich über den Bettrand um ihn aufzuheben.

'Und was nun?', fragte ich mich.

Jetzt schon zum Hokageturm zu gehen wäre wohl sinnlos. Der alte Mann war sicher noch nicht wach, geschweige denn, dass er sich freuen würde, wenn ich ihn zu einer solchen Unzeit aus dem Bett holen würde.
 

Mein Blick fiel auf den Trainingsanzug, der zusammengeknüllt in der Ecke lag.

Etwas unkoordiniert griff ich nach den Sachen und zog sie an.

Etwas Frühsport war für den Anfang eine gute Idee, aber was war mit den anderen Sachen, die erledigt werden mussten.

Trübsinnig betrachtete ich den Kleiderhaufen der genau wie am Vortag in einer Ecke des Zimmers lag.

Die Sachen waren eigentlich kein Problem, denn ich hatte eine Straße weiter einen öffentlichen Waschsalon gesehen, das Hindernis war mein eigener Schweinehund.

Um mich zu überwinden, versicherte ich mir selbst, dass es sicherlich nicht notwendig wäre, die ganze Zeit neben der Maschine zu stehen, knapp zweieinhalb Stunden laufen würde. Die Zeit konnte ich für ein wenig Bewegung nutzen.

Auf dem Rückweg würde ich Lebensmittel kaufen gehen und dann die Sachen abholen.

Damit hatte ich natürlich nicht viel Zeit zur Verfügung, aber ich würde mein Training einfach intensiver gestalten. Zögernd nahm ich den Umschlag von der Kommode in dem das Geld lag, dass mir der Hokage als 'Lohn' gegeben hatte. Es fühlte sich immer noch auf eine merkwürdige Art falsch an.

Dass ich Kindern wie Naruto irgendwie ihre Belohnung abspenstig gemacht hatte, hinterließ nach wie vor einen schlechten Geschmack auf meiner Zunge.

Vielleicht könnte ich den Hokage fragen ihnen zumindest einen Teil der Belohnung zu geben. Zumindest mein schlechtes Gewissen wäre dann beruhigt.

Zunehmend begeistert von meinem Plan, nahm ich ein paar Scheine aus dem Kuvert und packte den Rest in meine Tasche.

Dazu gesellten sich Kopfhörer und der Musikspieler.

'Alles in Allem ein guter Anfang', entschied ich und griff nach den Sachen. Am Abend zuvor hatte ich in der Küche einen kleinen Wäscheständer gefunden, das würde mir zusätzliche Kosten für den Trockner sparen.
 

Mein Weg zu der Wäscherei fügte einen weiteren Artikel auf meine Einkaufsliste hinzu. Einen Korb.

Überflüssigerweise verlor ich einige meiner Wäschestücke auf der Straße und musste umständlich versuchen sie wieder aufzuheben ohne weitere herunterfallen zu lassen. Einige Passanten waren so freundlich, mir zu helfen sie aufzuheben, und so lange es sich dabei um T-Shirts und Socken handelte, war das auch kein Problem.

Wirklich peinlich wurde es, als ein alter Mann mir eines meiner Höschen entgegenhielt, welches ihm graziös vor die Füße gesegelt war, nachdem ein Windstoß es erfasst hatte.

Meine Wangen brannten furchtbar, während er sich sichtlich zu freuen schien, mir behilflich sein zu können.

Nachdem er so freundlich gewesen war, mir das Teilchen wieder oben auf den Stapel zu legen, wobei mir nicht entgangen war, dass er es mehr als nur interessiert begutachtete, ergriff ich mit tiefrotem Gesicht die Flucht.

Mit den Maschinen lief es glücklicherweise besser.

Überraschend war für mich, dass die Waschgänge länger dauerten als ich gedacht hatte. So blieben mir ab dem Zeitpunkt, an dem ich den Startknopf drückte, beinahe drei Stunden Zeit, die ich nutzten konnte.

In meinem Bauch kribbelte es. Das Zeitfenster, das sich ergab, machte die ganze Sache irgendwie aufregend.

Ein Wettlauf gegen die Zeit, so etwas hattest du schon lange nicht mehr.

Das stimmte wohl, wobei ich darüber nicht sonderlich traurig war. Das hier allerdings war harmlos, weswegen ich es sogar genießen konnte, da nichts davon abhing außer meiner Wäsche.

Mit den Kopfhörern bereits auf den Ohren, steckte ich ein paar der Münzen in den Geldschlitz die ich am Abend zuvor in dem Imbiss zurück bekommen hatte. In der anderen Hand hielt ich den Spieler. Nachdem ich sicher gegangen war, dass die Maschine den Waschgang begann, lief ich zum Ausgang des Salons.

Merkwürdig aufgeregt trat ich in die Dämmerung hinaus und drückte auf Start.

Meine Zeit lief.
 

Verschwitzt und zufrieden stoppte ich vor dem Laden, in dem ich meine Kleidungsstücke sich selbst überlassen hatte. Ich betrat ihn nur kurz, denn ein Blick auf die Zeitanzeige sagte mir, dass meine Wäsche noch einige wenige Minuten dauerte.

Perfekt.

Somit hatte ich noch Zeit in den angrenzenden Geschäften ein paar meiner Bedarfsgüter zu kaufen. In einem kleinen Laden, nicht weit von der Wäscherei fand ich das Nötigste:

Einen Korb, Duschartikel, eine neue Zahnbürste nebst Putzpaste, einen Kamm und kurzentschlossen schob ich auch ein wenig Kosmetik in meinen Korb.

Versonnen dachte ich nach.

Obwohl es in meinem früheren Umfeld für solche Dinge eigentlich keinen Platz gegeben hatte, war ich über jede Gelegenheit froh gewesen, in der ich mich weiblich zeigen konnte. In meiner Einheit, wo alle Äußerlichkeiten festgelegt waren, hatte ich mich fügen müssen und so war meine Erscheinung während der Einsätze kaum von der der Männer zu unterscheiden gewesen.

Mich jeden Tag zu schminken war mir zwar auf Dauer zu anstrengend doch wenn mich die Lust überkam, oder es besondere Anlässe gab, nutzte ich sie.

Auf welche Art von Anlässe wartest du hier denn?, hörte ich es in meinem Kopf. Mittlerweile war ich bei einem Regal voller Düfte angekommen und testete einige von ihnen. Du kennst hier niemanden, ihre Bräuche und Sitten sind für dich fremd, ebenso ihre Feste. Für wen willst du dich also hübsch machen?

'Ich brauche niemanden für den ich mich hübsch mache', dachte ich schnippisch und warf schwungvoll auch noch ein Parfüm zu den restlichen Artikeln.

Kurze Zeit später schlenderte ich zusammen mit meiner Ausbeute und meiner Wäsche zu dem Apartmenthaus zurück.

Nach gerade mal zwei Tagen war es noch zu früh um die Wohnung, die der Sandaime mir überlassen hatte, als 'meine' zu bezeichnen. Alles wirkte noch fremd auf mich.

So ungewohnt und nicht nach mir.

Unterwegs hielt ich bei zwei anderen Läden.

In dem Einen kaufte ich mir, einer Eingebung folgend, einen Wasserkocher, in dem Anderen ein paar Teefilter, eine Dose mit Limonade und verschiedene lose Teesorten. Erfolglos suchte ich Kaffe und die sonstigen Nahrungsmittel, die es für gewöhnlich auf den Frühstückstisch schafften.

'Andere Länder, andere Sitten', rief ich mir in Erinnerung und seufzte.

Mir war bereits die unterschiedliche Essgewohnheit am Hofe des Feudalherren aufgefallen.

Am Abend Suppe zu essen, war kein Problem, allerdings konnte ich mich nur schwer damit anfreunden, sie auch am morgen zu verspeisen.

Die rettende Idee kam mir, als ich auf einen Stapel mit Eierkartons stieß.

Vollgepackt erreichte ich schließlich die Wohnungstür und stellte meine Einkäufe umständlich neben mir ab.

Von oben betrachtet sah es sogar noch nach viel mehr aus und plötzlich überkam mich ein neues Gefühl.

Nach Hause kommen. Der Moment verschwand so schnell wie er gekommen war und trotzdem löste er bei mir Vertrauen und Zuversicht in die Zukunft aus. Vielleicht konnte ich hier wirklich glücklich werden.

In der Wohnung verteile ich die Sachen in den Schränken, hing meine Kleidungsstücke über den Wäscheständer und stellte diesen in das Schlafzimmer, damit er nicht im Weg war. Ein Blick auf den Wecker verriet mir, dass es mittlerweile neun Uhr war.

'Hatte der alte Mann eine Uhrzeit genannt?', grübelnd beschloss ich, es nicht darauf ankommen zu lassen und beeilte mich zu Duschen.

Frühstück fiel wohl besser aus. Nasse Fußspuren hinterlassend tappte ich zurück in das Schlafzimmer und stöhnte auf.

Alle Kleidungsstücke die ich besaß hingen mehr oder weniger nass auf dem Gestell.

„Verdammt“, murmelte ich. Das hatte ich nicht bedacht.

Hoffnungsvoll betastete ich meine Unterwäsche. Zumindest die Höschen waren bereits trocken. Mein letzter BH leider nicht.

„Und jetzt?“, fragte ich in den Raum hinein. Ratlos starrte ich auf den Büstenhalter in meiner Hand, als erwartete ich eine Antwort von ihm.

Und ich bekam eine Antwort, wenn auch nicht von dem Stück Stoff in meiner Hand.

Zieh doch die Trainingshose an, und drüber die Bluse von der alten Frau. Der Stoff ist leicht und draußen wird es heute warm werden. Er wird wohl schnell trocknen.

Überrascht über den pragmatischen Einwurf in meinem Kopf bedankte ich mich und zog die vorgeschlagene Kombination an.

'Gar nicht mal so schlecht und für den heutigen Tag reicht es allemal', dachte ich.

Aber, dass ich mir ein paar neue Kleidungsstücke kaufen musste schien unabwendbar zu sein.
 

Eine halbe Stunde, nachdem ich das Apartment betreten hatte, verließ ich es auch schon wieder und schlug den Weg zum Hokageturm ein.

Der alte Mann hatte mich bereits erwartet, denn bevor ich klopfen konnte, rief er mich bereits zu sich ins Zimmer.

Verblüfft, überlegte ich, wie er gewusst haben konnte, dass ich vor der Tür gestanden hatte.

'Ich habe Mittel und Wege um herauszubekommen, was in und um Konoha vor sich geht.' So oder so ähnlich waren seine Worte am Vortag gewesen. Vielleicht war er Hellseher, witzelte ich in Gedanken.

Wie wenig falsch ich damit lag, stellte ich fest, als ich den Mann auf seinem Stuhl sitzen sah. Vor ihm auf dem Tisch lag eine runde, durchsichtige Kugel.

Mir entglitten die Gesichtszüge. War das sein ernst? Eine Kristallkugel?

Der Hokage schien erstaunt zu sein, dass ich wohl um den Nutzen der Kugel wusste und ich hielt es für besser, ihm nicht zu erzählen, dass die einzigen, die in meinem Land in Kristallkugeln sahen, entweder Scharlatane oder Schwachsinnige waren.

Leider konnte er meine Gedanken wohl von meinem Gesicht ablesen, denn er lächelte mich schelmisch an.

„Das ist kein Spielzeug, Haruka. Es ist ein Chakrawerkzeug. Ich lasse mein Chakra durch diese Kugel fließen und kann es somit verstärken. Diese Kugel wirkt wie ein Prisma, das Licht bricht. Es streut mein Chakra, ohne dass ich mich anstrengen muss durch ganz Konoha und es nimmt die ganze Zeit Informationen auf. Da Chakra etwas abstrakter ist, formt es lediglich seine Umgebung ab. Diese Bilder werden dann zu mir zurückgeschickt und kann sie in der Kugel sehen. Man kann es sich ähnlich vorstellen wie die Reizweiterleitung von Nervenzellen.“

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Hätte ich nicht tags zuvor einen gewissen blonden Jungen gesehen, der sich vor meinen Augen verwandelt hatte...

Der Grauhaarige nickte verständnisvoll. „Wir werden es langsam angehen.“

Was er damit genau meinte, erklärte er jedoch nicht. Stattdessen wechselte er das Thema und erklärte mir meine Aufgaben, die ich, als Genmas' Aushilfe, zu erfüllen hatte. Während des Gesprächs schaute er einige Male verdächtig lange auf meine Hose und ich fragte mich unweigerlich, was er eigentlich alles mit seiner Glaskugel sehen konnte.

Zum Schluss gab er mir zu den Schriftstücken, die ich ausliefern sollte, noch einen Lageplan von Konoha und wies mich darauf hin, dass alle Dokumente, die sich bei mir befanden, Geheimdokumente waren. Insgeheim wunderte ich mich, dass er gerade mir solche Schriftstücke anvertraute, denn ich war mich sicher, dass selbst wenn Genma nicht da war, es genügend andere Shinobi gab die den Job hätten machen können.

Er will dich testen,schlussfolgerte die Stimme in mir. Darauf hatte ich auch schon getippt aber was wollte er testen?

Da ich die Zeichen, die die Schrift nicht lesen konnte, musste er sich denkbar wenig Sorgen darüber machen, ob ich verschwiegen war.

Nachdem alles geklärt war, entließ er mich.

Den weiteren Tag über passierte nichts spannendes. Ich verlief mich einige Male und musste nach dem Weg fragen. Einige der Empfänger gaben mir ihrerseits Dokumente mit, die nicht nur an den Hokage ausgeliefert werden mussten, sondern ihrerseits an wichtige Personen des Dorfes gesendet wurden.

Der Tag verging überraschend schnell und auch die Folgenden. Mit ein klein wenig Enttäuschung hatte ich festgestellt, dass Naruto nicht vorbeigekommen war. Weder an meinem ersten Arbeitstag, der gleichzeitig sein Prüfungstag gewesen war, sondern auch an den folgenden blieb er verschollen. Manchmal ertappte ich mich, wenn ich zu den Gesichtern schaute, die in den Felsen hinter dem Bau gemeißelt waren, in dem der alte Mann residierte.

Mir schien beinahe, als vermisste ich den kleinen Querkopf. Aber Kinder waren Kinder und ich zweifelte nicht daran, dass er seine Prüfung geschafft hatte und nun ein Genin war.

Sicherlich war er eifrig am trainieren, daher nahm ich es nicht persönlich, sondern deutete es als ein gutes Zeichen. Allerdings hatte ich an meinem zweiten 'Arbeitstag' etwas Unruhe im Dorf und bei den Ninjas wahrgenommen, die ich früh im Hokageturm gesehen hatte. Was genau, konnte ich allerdings nicht herausfinden, denn weder der alte Mann noch einer der Shinobi verlor ein Wort darüber.
 

Mit einem leichten Schock stellte ich eines Morgens fest, dass ich mittlerweile über drei Wochen in Konohagakure lebte.

Die Zeit verflog, ohne dass etwas spannendes passierte auch bekam ich keine neuen Jutsus zu sehen, auf dich ich insgeheim gespannt, wartete.

Mein morgendliches Training war Routine geworden und auch die kleine Stadt kam mir immer vertrauter vor.

Nur von Naruto hatte ich kaum etwas gehört.

Beiläufig hatte ich während meiner zweiten oder dritten Woche von dem alten Mann gehört, dass er die Prüfung selbst nicht geschafft und Nachts in den Turm eingebrochen war um eine Schriftrolle zu stehlen.

Der kleine Chaot war von einem anderen Ninja dazu überredet worden, der selbst die Rolle hatte an sich bringen wollen.

Für den Jungen ging es glimpflich aus, denn er meisterte nicht nur ein schweres Jutsu, sondern bestand im Nachhinein auch die Prüfung.

Der Genin war er somit einem Team zugeteilt worden und übernahm seither kleinere Missionen.
 

Aber Naruto wäre nicht Naruto, wenn es ihm nicht bald langweilig geworden wäre, solche einfachen Aufträge auszuführen.

Daher hatte der Blonde das Dorfoberhaupt solange genervt, bis dieser ihm eine Begleitmission ins Wellenreich gegeben hatte, auf der er sich gerade befand.

Als ich diesen Morgen vor dem Hokage erschien, stand dieser mit dem Rücken zur Tür und rauchte seine Pfeife.

Ich empfand es als etwas untypisch, nicht nur dass ich es fragwürdig fand, so früh schon den Tabak zu inhalieren, sondern auch, dass er sich nicht umdrehte, als ich eintrat.

Er schien über etwas nachzudenken.

„Hier bin ich, Meister Hokage“, begrüßte ich ihn.

„Ah, Haruka, schön.“ Mehr nicht.

Zögernd tat ich einen Schritt auf ihn zu.

„Ist etwas passiert?“ Er schien mich nicht gehört zu haben.

„Meister Hokage?“, sagte ich lauter. Er zuckte zusammen und drehte sich mit einem entschuldigenden Lächeln zu mir um.

„Entschuldige. Ich habe eine Nachricht von Genma erhalten.“

„Ist er in Ordnung?“, erkundigte ich mich besorgt.

„Oh, natürlich“, antwortete der alte Mann und wedelte mit der Hand. „Genma kann auf sich aufpassen. Ich erwarte ihn morgen oder übermorgen zurück.“

„Das heißt ab morgen oder übermorgen hat er seinen alten Posten wieder“, schlussfolgerte ich. Offensichtlich überlegte der Alte nach einem neuen Arbeitsplatz für mich.

Zugegebenermaßen mochte ich die Kuriertätigkeit. Ich hatte mit Leuten zu tun, und hatte viel Bewegung.

„Du hast Recht“, nickte der Hokage.“Aber ich habe hier einen wichtigen Brief erhalten, und das Antwortschreiben muss schnellstens ausgeliefert werden. Ich habe keine Zeit auf Genma zu warten.“ Er seufzte.

„Dann bring ich ihn“, schlug ich vor. Mein Gegenüber schien sich den Gedanken durch den Kopf gehen zu lassen. Von Zeit zu Zeit zog er an seiner Pfeife und blies einen Rauchkringel in die Luft.

„Mir bleibt wohl keine andere Wahl. Ich habe alle anderen verfügbaren Kräfte auf Missionen geschickt.“ Abermals seufzte er.

„Haruka, höre mir bitte genau zu. Das wird nicht einfach für dich. Der Weg dauert unter normalen Umständen 3 Tage, aber so viel Zeit hast du nicht.“ Ich wurde hellhörig, was bitte war das für ein Brief, den er erhalten hatte.

„Meine Antwort muss das Dorf, bis morgen Nachmittag erreicht haben, ansonsten bedeutet es für viele Menschen großes Unglück.“ Gedankenverloren drehte er sich wieder mit dem Rücken zu mir und sah aus dem Fenster.“ Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.“; murmelte er.

„Geh nach Hause und bereite dich gut vor, ich erwarte dich in einer Stunde zurück und dann werden wir alles weitere bereden. Ich muss mir das Ganze durch den Kopf gehen lassen und die Antwort mit Bedacht formulieren.“ Dann sagte er nichts mehr und ich war bereits dabei aus der Tür zu gehen, als er mich noch einmal zurück rief.

„Haruka. Bedenke deine Vorbereitungen gut, denn die Vermutung liegt nahe, dass man versuchen wird dich zu überfallen um an den Brief zu gelangen. Die Frage die ich dir Stelle ist daher von äußerster Wichtigkeit: Willst du diese Reise wirklich machen? Denn wer auch immer dich angreifen wird, es wird ein ausgebildeter Ninja sein.“

Ich überlegte nicht lange.

„Ja.“ mit diesen Worten neigte ich den Kopf und verschwand aus der Tür.
 

Eine Stunde später erschien ich pünktlich wieder vor ihm. Anstatt meiner üblichen Bluse, trug ich meine schwarze Einsatzkleidung.

Dem Hokage schien der Brief sehr wichtig zu sein. Etwas beunruhigt war ich, weil er von gefährdeten Menschen gesprochen hatte.

Als ich eintrat, rollte er gerade das Papier zusammen. „Bevor ich dich losschicke noch ein paar Kleinigkeiten. Es ist wichtig, dass du diese Schriftrolle unter keinen Umständen verlierst oder dir abnehmen lässt. Lass dich von niemanden täuschen und sei immer wachsam!“ Nach diesen eindringlichen Worten sah er mir fest in die Augen. Dann griff er nach der Krempe seines Hutes, legte diesen neben sich auf den Tisch und faltete seine Hände wie zum Gebet vor seinem Gesicht. Ruhig erklärte er mir den Weg nach Shirakawa-gō.

Wie der Hokage an seinem Schreibtisch saß, wirkte er auf mich genauso steinalt wie an dem Tag, an dem ich ihn erste Mal gesehen hatte.

Er musste sich große Sorgen machen, denn vielleicht ging es nicht nur um die Menschen des anderen Dorfes sondern um die Bewohner von Konoha.

Der Hokage würde für sein Dorf alles tun, bemerkte meine innere Stimme.

„Gut, ich habe alles verstanden. Bis morgen Nachmittag muss der Brief ausgeliefert sein. Den Weg habe ich mir gemerkt. Gibt es sonst noch etwas?“

„Tatsächlich wäre da noch eine Sache.“, er griff zu einer Schublade seines Schreibtisches und holte eine Maske daraus hervor, die er mir reichte.

Verwirrt schaute ich von ihr zu dem alten Mann.

„Bei diesem Auftrag ist es wichtig, dass niemand weiß wer du bist. Solltest du angegriffen werden, von wem auch immer möchte ich nicht, dass man zurückverfolgen kann, dass du aus Konoha gekommen bist. Das kannst du sicher verstehen.“

„Natürlich.“

„Gut.“, nachdenklich betrachtete ich das weiße Gesicht in meiner Hand.

Sie war ganz weiß. Sie bedeutete Anonymität.

Mir wurde klar, dass diese Maske nicht nur Konohagakure schützte, sondern mir in gewisser Weise die Möglichkeit bot, selbst ohne Einschränkungen zu agieren.

„War das alles, Meister Hokage?“

„Ja“, er seufzte. „Das war alles.“
 

Da ich nun einen Auftrag zu haben schien, der gefährlich werden konnte, ließ ich es mir nicht nehmen noch einmal in den Waffenbedarf zu gehen, vor dem Genma und ich an meinem ersten Tag gestanden hatten. Nach kurzem überlegen kaufte ich ein Seil, das mehr an eine Angelleine erinnerte, weil es so dünn war.

Der Verkäufer, allem Anschein nach selbst ein Konohaninja, versicherte mir, dass das Material unglaublich reißfest war und sogar das dreifache meines Körpergewichts tragen konnte.

Den Blick den er mir zuwarf als ich die Leine nebst ein paar anderer Utensilien bezahlte, entging mir nicht.

Er fragt sich, was du mit den Sachen willst. Du bist kein Ninja aus dem Dorf, sondern eine Fremde., lautete der innere Monolog auf den ich nicht weiter einging. Dem Mann erzählte ich stattdessen von einem Geschenk für einen Jungen, der vor kurzem Genin geworden war und sah ihn dabei so unschuldig wie möglich an.

Und obwohl ich meine schwarzen Sachen trug und nicht nach einer normalen Zivilperson aussah, kaufte er es mir überraschend schnell ab.

Irgendwie kränkte es mich, aber das war, was ich von Anfang an gewollt hatte. Keiner sollte etwas wissen, zumindest wenn es sich vermeiden ließ.

Die Maske setzte ich auf, nachdem ich Izumo und Kotetsu am Rande der Stadt passiert hatte. Da ich die Zeit für ein Gespräch nicht entbehren konnte, hob ich die Hand, als ich an ihnen vorbei eilte. Mein Gepäck hatte ich leicht gewählt, sodass mein einziger Begleiter meine Gürteltasche war, in der ich die neu erworbenen Materialien verstaut hatte. 'Vielleicht werde ich sie brauchen', dachte ich. Neben dem Seil hatte ich mir ein paar Rauchbomben gekauft, ein Ablenkungsmanöver war immer gut, außerdem war ich irgendwie neugierig, wie sie sich einsetzen ließen. Da ich selbst kaum noch Messer besaß hatte ich mir ein paar Kunais gekauft, die ich in die Schlaufen schob, in denen früher meine anderen Klingen gesteckt hatten.

Einer Eingebung folgend hatte ich mir ein paar dünne Zeltheringe gekauft. Was ich mit ihnen vorhatte, wusste ich allerdings noch nicht.

Nachdem ich aus dem Sichtfeld des Dorfes verschwunden war, zog ich aus meiner Tasche die Beinhalterung für mein Kampfmesser und befestigte es an meiner Wade. Der dunkle Griff sowie die Scheide fielen auf der schwarzen Hose kaum auf. Die Metallstangen schob ich dazu, um sie notfalls griffbereit zu haben.

Als ich mit den restlichen Vorbereitungen fertig war schaute ich in den Mittagshimmel. Ich hatte vierundzwanzig Stunden Zeit um das Dorf zu erreichen, nach allem was Hiruzen mir gesagt hatte, war der Weg, den ich zu bewältigen hatte, eine richtige Herausforderung.

Hatte ich die Zuckerkoffeinkapseln eingepackt?

Ja, da waren sie.

Also konnte es losgehen. Entschlossen zog ich mir Maske über das Gesicht und schlug mich seitlich in den Wald, wo ich von meiner ruhigen Spaziergangsgeschwindigkeit in einen lockeren Lauf wechselte.

Ich schlug ein Tempo an, dass es mir ermöglichte in einer kurzen Zeit eine weite Strecke zu bewältigen ohne mich jedoch vollkommen zu verausgaben.

In Gedanken, dankte ich meinem Bewegungsdrang, wegen dem ich in den vergangenen Wochen wieder begonnen hatte meine Ausdauer zu trainieren. Ansonsten wäre das Pensum, dass ich mir vorgenommen hatte sicherlich zu viel gewesen und ich wäre schnell an meine Grenzen gekommen.

So aber lief ich mit gleichmäßigen Atem und ruhigen Bewegungen durch die Schatten der Bäume, immer weiter von Konoha weg.

In ein paar Stunden würde ich eine kurze Pause machen um mich etwas zu erholen. Aber bis dahin würde ich noch ein weites Stück Strecke hinter mich bringen müssen und auf die Markierungspunkte achten, die der Sandaime mir genannt hatte. Mit ihrer Hilfe und dem Stand der Sonne, wäre es einfach sich zu orientieren.
 

Die erste Zeit lief alles gut, zu gut. Ich erreichte nacheinander die Orientierungspunkte, machte eine Pause, lief weiter.

Am späten Nachmittag begann ich von Zeit zu Zeit ein kribbeln im Nacken zu spüren, dass mit jeder Stunde eindringender wurde. Am Abend schließlich war ich mir sicher: Ich wurde verfolgt.

'Ich hätte nicht gedacht, dass mich hier in diesem Wald wirklich jemand finden würde“, sprach ich in meinem Kopf hinein.

Ich auch nicht, antwortete es.Diese Schriftrolle muss wirklich wichtig sein.
 

Ich erhöhte mein Tempo soweit es mir möglich war, ohne verräterische Geräusche zu machen. Im Dauerlauf schoss ich wie ein Schatten durch das Zwielicht und versuchte nach Möglichkeiten meinen Verfolger zu irritieren indem ich kreuz und quer durch die Bäume rannte.

Bald musste ich jedoch einsehen, dass er sich davon nicht täuschen ließ und wenn ich diesen Plan nicht aufgab nur noch mehr wertvolle Distanz zwischen uns verlieren würde.

Mein Hauptproblem war, dass ich nicht wusste was mein Gegner konnte. Nicht einmal wie viele Verfolger ich hatte, wusste ich und diese Ungewissheit zerrte an meinen Nerven. Es war unmöglich eine brauchbare Strategie zu entwickeln, wenn man keinerlei Informationen besaß. Frustriert warf ich ein paar Nägel auf den weichen Waldboden hinter mir. Wenn es mehr als einer war, gab es die Möglichkeit, dass einer von ihnen in die scharfen Enden trat. Waren seine Schuhe nicht mit Stahlsohlen versehen würde es ihn zumindest langsamer machen. Es war ein schlechter Plan, jedoch besser wie nichts.

Das Dämmerlicht um mich herum wurde immer diffuser und es wurde schwierig den Waldboden richtig zu erkennen.

Ich durfte nicht hinfallen. Konzentriert, griff ich in meine Gürteltasche und zog ein Fläschchen heraus. Es war das falsche. Anstatt der Koffeinkapseln hatte ich mein Chloroform in der Hand. Ich steckte es zurück und fischte, während ich im gleichen halsbrecherischen Tempo weiterlief nach dem Energielieferanten.

'Ich werde nicht mehr lange davonlaufen können', dachte ich und überlegte fieberhaft. Fürs erste war es gut weiterzurennen, denn mich jetzt einem Kampf zu stellen, wäre verschwendete Strecke gewesen. Solange er mich nicht eingeholt hatte, würde ich so viel Weg gut machen wie ich konnte. Je weiter ich kam, desto besser. Den Gedanken eine Falle zu legen, verwarf ich, als ich an Naruto und Iruka dachte, die beide über Zäune gesprungen waren. Selbst bei den Nägeln rechnete ich mir keine großen Chancen aus.

Darüber hinaus hatte ich von Hiruzen gehört, dass Ninja sich häufig über Bäume fortbewegten. Es klang ziemlich lächerlich, aber wahrscheinlich nur deswegen, da ich selbst es nicht konnte.

Eifersüchtig?, flüsterte es.

'Was wäre wenn?', zischte ich zurück. Seid ich Hiruzen nach der Möglichkeit gefragt hatte, die Chakrakontrolle zu erlernen, war nichts passiert. Es hatte weder den abgemachten Test gegeben, noch hatte er die Zeit gefunden, mir beim Training zuzusehen.

Während ich aufzählte, welche Vorteile ich mit diesen Kenntnissen nun haben könnte, schlugen neben mir Kunais in den Boden.

'Sie haben mich eingeholt', schoss es mir aus dem Kopf und ich reagierte blitzschnell, indem ich mich nach rechts ins Unterholz warf, abrollte und den Schwung nutzte um im gleichen Tempo in eine andere Richtung zu laufen.

Mittlerweile war es Nacht geworden, doch da der Mond noch nicht aufgegangen war, fiel es mir schwer den Untergrund richtig zu erfassen.

Das gleiche Problem hatten allerdings auch diejenigen, die hinter mir her waren.

Es dauerte nicht lang und mein Verfolger hatte herausgefunden in welche Richtung ich mich abgesetzt hatte. Da er nun nah an mich herangekommen war, konnte ich deutlich hören, dass es nur Einer war. Bei mehreren hätte es um einiges vielfältigere Geräusche gegeben.

Das Rascheln, das ich hörte kam tatsächlich aus den Bäumen. Ich riskierte einen Blick aus den Augenwinkeln, als sich über mir das Blätterdach etwas mehr lichtete.

Wie ich angenommen hatte, bestand die Verfolgung aus nur einem Mann.

Plötzlich war er verschwunden. Irritiert horchte ich, konnte aber nur meine eigenen dumpfen Schritte auf dem Waldboden wahrnehmen.

Noch einmal wechselte ich in eine andere Richtung um mich nicht allzu weit vom nächsten Orientierungspunkt zu entfernen.

Der Nächste war eine Felsspalte an dessen Grund ein schneller und tiefer Fluss entlang rauschte. Diesem musste ich dann nur noch folgen um zu dem Dorf Shirakawa-gō zu kommen.

Mein Katz- und Mausspiel endete jäh, als ich versuchte eine Lichtung zu überqueren.

Zuerst hörte ich ein surrendes Geräusch, instinktiv warf ich mich herum, während an der Stelle, an der ich mich eben noch befunden hatte die Wurfmesser einschlugen.

'Wie viele hat der denn von denen', fragte ich mich fast beiläufig. Schlitternd kam ich zum Stehen. Da stand er.

Die Distanz die zwischen uns lag betrug schätzungsweise sieben oder acht Meter. Ich kniff die Augen zusammen um ihn besser erkennen zu können. Genau wie ich trug er eine dunkle Hose, darüber einen ärmellosen Pullover, dessen Kragen seinen Hals verdeckte und darüber einen grauen Torsoprotektor.

Weitere Protektoren befanden sich außerdem an seinen Beinen und den Unterarmen. Mein Blick wanderte weiter: wie auch Genma war um sein rechtes Bein eine Tasche geschnallt und ich war mir sicher es befand sich eine weitere an seinem Gürtel befestigt. Schließlich hatte ich alle Eindrücke, seiner Ausrüstung betreffend wahrgenommen und sah ihm direkt in das Gesicht.

Verblüfft stellte ich fest, dass er ebenfalls eine Maske trug. Seine war allerdings nicht weiß und ausdruckslos wie meine, sondern war dem Gesicht einer Katze nachempfunden. Still und gelassen stand er dort, eine Hand in die Seite gestemmt und beobachtete mich genauso wie ich ihn. Langsam richtete ich mich auf.

„Ich biete dir einen Tausch an“, durchbrach seine Stimme die Stille. Ich hob eine Augenbraue. Einen Tausch? Natürlich konnte er meine hochgezogene Augenbraue unter meiner Maske nicht sehen. Ohne ihm direkt zu antworten legte ich den Kopf schief, damit er meine Gedankengänge erahnen konnte.

„So, du willst wohl nicht reden?“, verstand er meine Absicht richtig. „Auch gut.“ Schulterzucken.“Ich biete dir dein Leben gegen die Schriftrolle die du mit dir führst. Du bist kein Ninja, daher empfehle ich dir auf mein Angebot einzugehen.“

Woher wusste er denn, dass ich kein Ninja war? Wegen meiner Sachen?

„Ich spüre kein Chakra bei dir.“, erriet er meine Gedanken. Prüfend sah ich in die Katzenmaske. Mir fiel auf, dass die Augen ziemlich groß geschnitten waren und fragte mich unwillkürlich was für ein Mensch darunter steckte. Sicher hatte er Familie, vielleicht hatte er diese Mission angenommen um seinerseits jemanden zu beschützen.

All diese Gedanken und noch mehr schossen mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, dann herrschte wieder Stille. Auch meine Aufgabe war es jemanden zu beschützen, die Bewohner von Konoha, sowie die Menschen, die in Shirakawa-gō lebten. Der alte Mann hatte mir den Brief sicher nicht ohne Grund mit den Worten anvertraut, dass ich alles in meiner Macht stehende tun solle, damit ihn niemand in die Finger bekam.

Die Tatsache, dass dieser Mann mich angegriffen hatte sprach dafür, dass etwas vor sich ging, auch wenn ich nicht genau wusste was.
 

„Du bist wirklich flink wie ein Wiesel, aber wenn du überlegen solltest jetzt noch einmal zu flüchten, lass dir gesagt sein, dass es zwecklos ist.“

Stille senkte sich über die Lichtung. Mein Körper vibrierte beinahe durch die Spannung die sich zwischen uns aufgebaut hatte.

Mein Gegner verlor schlussendlich vor mir die Geduld und hob seine Hände, was mich veranlasste mich bereit zu machen.

Schweiß lief mir über das Gesicht, als mein Herz wild zu schlagen begann. Die Art der Handhaltung hatte ich bereits bei Naruto gesehen, als der sein Sexy no Jutsu angewendet hatte.

'Scheiße -', weiter kam ich nicht. Mein Gegenüber begann Handzeichen zu machen.

„Mokusatsu Shibari no Jutsu! Jutsu der Holzfesselung!“, hallte es zu mir herüber.

Jutsu des WAS?

Der Shinobi streckte die Hände in meine Richtung aus und die Zeit in der ich nicht wusste, was er nun folgen würde, zog sich für mich in eine unendliche Länge.

Plötzlich schossen Äste auf mich zu, die geradewegs aus seinen Armen wuchsen. Mir fielen die Worte des Sandaime wieder ein, als er mit gefalteten Händen vor mir gesessen hatte.

'Denn wer auch immer dich angreifen wird, es wird ein ausgebildeter Ninja sein' waren seine Worte gewesen. Erst jetzt verstand ich die gesamte Tragweite seiner Warnung.

Nun würde sich zeigen, ob die Tatsache, dass ich überhaupt keinen Schimmer hatte, was ein ausgebildeter Ninja konnte, mir den Hals brechen würde.

Oder war es schon vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte?
 

Mit einem Stöhnen riss ich mich zusammen, während die Holzarme immer näher auf mich zugeschossen kamen.

Warte noch... warte.... JETZT!

Mit einem Hechtsprung sprang ich durch die ersten Holztriebe durch, die versuchten mich zu greifen.

Im Zickzack rannte ich weiter. Sprang über den nächsten Versuch mich zu greifen hinweg, duckte mich, rollte und drehte mich an seinen Armen entlang.

Irgendwie musste ich ihn dazu bringen seine Technik aufzulösen. Das gelang mir nur, wenn er mich nicht mehr sah oder er seine Hände nicht mehr benutzen konnte. Für das Letztere war es schon zu spät und während er mich hin und her jagte war es nicht möglich sich ihm auf eine Distanz zu nähern, bei der er seine Hände für die Verteidigung nutzen musste. Ersteres gestaltete sich hier auf dem freien Gelände schwierig und ich war eine leichte Beute für ihn.

Schnell duckte ich mich unter einem weiteren Holzarm durch, sprang zur Seite, duckte mich. Langsam näherte ich mich dem Rand der Lichtung. Einen Moment lang war ich unachtsam genug, um einen seiner Greifarme nicht richtig einzuschätzen. Bevor dieser sich um meinen Knöchel schlingen konnte sprang ich mit beiden Beinen hoch, doch darauf hatte er nur gewartet. Etwas traf mich hart in die Seite. Vor Schreck und Schmerz stöhnte ich auf. Er musste einen weiteren Holzarm auf mich gehetzt haben.

Doch sein Treffer eröffnete mir die Gelegenheit die ich brauchte, um von der Lichtung und dem hellen Mond wegzukommen, der zwischenzeitlich aufgegangen war.

Der Angriff schleuderte mich weiter auf den Rand der Bäume zu und nachdem ich das erste Mal auf dem Boden aufgeschlagen war, stieß ich mich beim nächsten Aufprall mit meiner Hand vom weichen Untergrund ab, um zum Einen nicht unkontrolliert vor dem Ninja auf dem Boden herum zu rollen, zum Anderen nutze ich den Schwung seines Schlags um mit einem weiteren Hechtsprung in den Büschen zu landen, denn leider war es mir nicht wie Naruto möglich aus dem Stand eine Distanz von vier Metern zu überbrücken. Ich brauchte dafür einiges an Schwung, der mir hier nun durch den Schlag sogar zielgerichtet geliefert wurde.

Das Nächste was ich hörte, war ein leises fluchen hinter mir auf der Lichtung und die Äste die um mich herum raschelten und brachen. Ohne auf meine schmerzende Seite zu achten, rollte ich mich ab und Stand sofort wieder auf den Beinen.

Dann rannte ich wie der Teufel.
 

Zweige schlugen auf meine Maske ein, während ich so schnell lief, wie ich noch nie gelaufen war. Solange ich zwischen den Bäumen lief, war die Holzfesselung unbrauchbar. Er würde nicht um alle Hindernisse herum greifen können, zumal ich nun ein bewegtes Ziel war, das quer zwischen den Bäume hin und her schoss.
 

Das schien auch dem Holzmann aufgefallen zu sein, denn bereits ein kurzes Stück hinter der Baumgrenze stoppten er seine Holzfesselung. Zum Einen konnte er mich nun nicht mehr sehen, zum anderen war es anstrengend jedes Mal die Richtung zu ändern, wenn ihm ein Baumstamm in die Quere kam. Einen Moment blieb er regungslos stehen und schaute dem Kämpfer mit der weißen Maske nach. Obwohl er kein Ninja war, hatte er es nicht nur geschafft seinen Angriffen auszuweichen sondern hatte die Schwäche seines Angriffs erkannt und sie sofort ausgenutzt.

'Beeindruckend', dachte er. Mit einem Satz nahm er die Verfolgung auf.
 

Kurze Zeit später hatte mich der Maskierte wieder eingeholt und sprang vor mir von einem Baum herunter. Diesmal startete ich meinen Angriff sofort und schoss auf ihn zu. Er duckte sich unter meinem Schlag weg, blockte meinen Tritt und holte nun seinerseits aus. Diesmal war es an mir zu parieren.

Ducken, Drehen, dann ein Schlag von mir. Ein Schritt, wieder Hand abwehren, Tritt. Im Wald war es mucksmäuschenstill, einzig das Geräusch, den unser Schlagabtausch verursachte, unterbrach die nächtliche Ruhe. Mit einem Mal sprang er einige Meter zurück.

'Verflucht.“

Aus meiner Tasche angelte ich zwei Kunais und warf sie auf seine Hände. Da er es nicht riskieren konnte, einen weiteren großen Sprung zu machen, da ich mich in dem Falle wieder in die Büsche schlagen würde, drehte er sich zur Seite, was mir die nötige Zeit verschaffte wieder in seine Nahkampf-Reichweite zu kommen und seine Handzeichen zu unterbinden. Wieder schlug ich nach ihm.

Tritt. Drehung. Ausweichen. Parieren. Schlag.

'Das würde ewig so weitergehen', dachte ich. Nur lange würde ich es nicht mehr durchhalten, denn im Gegensatz zu dem Ninja, war mein letzter Kampfeinsatz zu lange her und die ersten Ermüdungserscheinungen traten bereits auf. Zunehmend begann ich Treffer zu kassieren.

Mir musste etwas einfallen und zwar schnell.

Während eines nächsten Schlages von ihm ging ich in die Knie, griff mit einer Hand in meine Gürteltasche und fand den Anfang der Sehne, die ich im Laden gekauft hatte. Perfekt.

Ich sprang und holte zu einem Tritt gegen seinen Kopf aus, mühelos wich er mir aus, in dem er sich mit seinem Oberkörper etwas zurücklehnte. Schnell zog ich mein Bein an, drückte meinen Oberkörper nach unten, als wollte ich einen Handstand machen stützte mich mit einer Hand auf dem Boden ab und zielte bereits in dieser Drehung mit einem erneuten Tritt auf seine Knie. Damit hatte er nicht gerechnet und wie ich es erwartet hatte sprang er knapp über mein Bein um dem Angriff auszuweichen.

Das war meine Chance.

Ich stellte meinen Fuß wieder auf den Boden und nutzte die Drehbewegung, die ich nun wegen des Gleichgewichts machen musste, um die Geschwindigkeit aus ihr mit in meine Faust zu legen. Mit aller Kraft die ich aufbieten konnte trümmerte ich ihm meine Faust seitlich ins Gesicht.

Ich konnte seine Überraschung spüren, als er erkannte, dass er diesem Schlag nicht ausweichen konnte. Sein Körper versteifte sich, als meine Hand seine Maske zerschlug. Der Kopf des Ninja zuckte zurück und ich nutzte die Gelegenheit..

Schnell zog ich die Sehne aus meiner Tasche, schlang sie wie eine acht um seine Hände, zog sie straff, drehte mich hinter ihn und schlang eine weitere Schlaufe um seinen Hals, bevor er überhaupt blinzeln konnte.

Dann zog ich sie fest, ein Tritt in seine Kniekehlen tat sein übriges.

Seine Versuche sich zu wehren, wurden von mir sofort bestraft. Mit einem Ruck wurde es um seinen Hals noch ein Stück enger und ich wusste, dass er keine Luft mehr bekam.

'Noch ein kleines bisschen', dachte ich und fühlte mich wie ein Monster.

Seine Bewegungen begannen bereits nach einigen Augenblicken schwächer, und wenn es nicht so dunkel gewesen wäre, hätte ich sicherlich erkennen können, dass sich sein Gesicht blau verfärbte.

Mit einer Hand griff ich in meine Wadenhalterung und zog das Messer, welches ich so schnell ich konnte in die andere Hand wechselte. Der Knieende begann sich wieder mehr zu wehren, da er natürlich das Messer an seinem Hals merkte.
 

Ein Bild blitzte vor mir auf.

Kristan, der vor mir kniete, das Messer des Soldaten an seinem Hals. Abermals griff meine Hand in die Gürteltasche und zog eine kleine Flasche hervor.

Ich zerdrückte die Versiegelung mit einem Finger und ließ die Flüssigkeit in meine Handschuhe laufen. Dann schnitt ich mit einer Hand seinen Hals frei und drückte ihm mein improvisiertes Chloroformtuch auf Mund und Nase.

Durch die natürliche Reaktion seines Körpers auf eine befreite Luftröhre schnappte er nach Luft und inhalierte so eine bereits ausreichende Menge der ausdünstenden Flüssigkeit. Nun musste ich nur noch abwarten und zusehen, dass er noch etwas einatmete.

'Sicher ist sicher', dachte ich.

Doch der Kampf war vorbei und als der Ninja schließlich bewusstlos nach vorne kippte, atmete ich erleichtert auf. Das hätte auch anders laufen können. Zum Glück war der Ninja, genauso in Unkenntnis über meine Kampfmethoden wie ich über seine. Wobei man bei meinem Stil, wohl weniger von Methode als von Glück sprechen konnte. Bewegungslos verharrte ich einen Moment und blickte auf die am Boden liegende Gestalt.

So konnte ich ihn nicht liegen lassen, zum Einen war es eine recht obszöne Pose, da er mit dem Gesicht zum Boden lag und sein Hintern etwas in die Luft erhoben war.

Dieser Gedanke tauchte wie eine Vision in meinem Kopf auf und wider Willen musste ich kichern. Der andere Grund war, dass wenn er wach wurde, er sich aller Wahrscheinlichkeit nach erbrechen musste und so wie er jetzt lag, würde er sich wohl selbst ersticken, wenn es dazu kam.

Entschlossen griff ich nach seinen Schultern und zog ihn zurück in seine kniende Sitzposition und griff dann unter seinen Armen hindurch, damit ich meine vor seinem Brustkorb verschränken konnte. So zerrte ich ihn rückwärts zu einem Baum, an den ich ihn anlehnte.

Ein paar Meter weiter sah ich seine kaputte Katzenmaske auf dem Waldboden.. Behutsam nahm ich sie und legte sie neben ihm ins Gras. Neugierig betrachtete ich das Gesicht des Ninjas.

Er war jung, vielleicht so alt wie ich, vielleicht etwas älter.

An seinem Hals sah man deutlich das Würgemal. „Tut mir wirklich Leid“; flüsterte ich ihm zu. „Aber lieber so, als die Alternative.“ Er machte einen ganz und gar mitgenommenen Eindruck.

Die Stelle an der ich seine Maske durchschlagen hatte, wurde bereits dick und blau.

Ein stolzes Veilchen. Wahrscheinlich sah es unter meiner Weste ähnlich blau und geprellt aus. Es fühlte sich zumindest stark danach an, doch jetzt war keine Zeit dazu. Ich lockerte seine Handfesseln etwas, damit ihm die Sehne nicht ins Fleisch schnitt und die Durchblutung unterbrach.

Fasziniert schaut ich auf seine Augen und konnte nicht anders, als ein Lid nach oben zu ziehen, nur um sicher zu gehen, dass die Pupille darunter nicht schmal wie bei einer Katze war.

Nein. Sie waren schwarz und ganz normal. Kopfschütteln ließ ich sein Augenlid los, welches sofort wieder zuklappte. Schnell band ich auch seinen Oberkörper locker am Baum fest und fesselte auch seine Füße, dann trat ich ein Stück zurück um mein Werk zu begutachten und auch um noch einen Blick auf den Shinobi zu werfen. Man konnte ihn wirklich als gutaussehend beschreiben. Seine Augen, waren etwas größer als üblich und verliehen ihm selbst in seinem bewusstlosen Zustand etwas Katzenartiges. Sein Gesicht war kantig mit einer schmalen Nase und einem Mund der vielleicht ein wenig zu breit war. Ich stellte mir vor, wie er wohl aussah, wenn er lächelte.

Alles in Allem war sein Anblick trotz des blauen Auges sehr friedlich. Irgendwoher beschlich mich ein schlechtes Gewissen wegen den Fesseln.

Der hat gerade versucht dich unschädlich zu machen, schalt mich die Stimme.

'Nein', antwortete ich. Dieser Ninja wollte lediglich die Schriftrolle, hätte er versucht mich zu töten, hätte ich keine Chance gehabt. Sicherlich ist das Fesselungsjutsu nicht seine einzige Technik.'

Wieder ruhte mein Blick auf seinen verschnürten Beinen.

Es war natürlich keine ernstzunehmende Maßnahme, denn er würde alleine wegen der Dosis sicherlich einen halben Tag ausgeknockt sein und wenn er aufwachte, würde er die Fesseln sowieso schnell lösen können.

„Nun mein Freund, du bist wirklich eine Überraschung“, sagte ich zu ihm. Er konnte mich sowieso nicht hören, weswegen ich mir keine Sorgen machte, laut zu reden. Diese Baumtechnik hatte mich im gleichen Maße beeindruckt, wie auch geschockt. Die Kontrolle über das Chakra war erstaunlich und es schien in ihrer Anwendbarkeit keinerlei Grenzen zu geben. Man konnte sich verwandeln, weiter oder höher springen und sogar seinen eigenen Körper verändern. In Gedanken verfluchte ich den Alten in Konoha, der mir wenigstens diese Informationen hätte geben können.

Dann griff ich in meine Tasche und holte eine Kopfschmerztablette heraus und legte sie in den Schoss des Bewusstlosen. Wieso ich die Dinger immer dabei hatte wusste ich nicht genau. Noch nie war ich in einem Einsatz gewesen und es hatte jemand über Kopfschmerzen geklagt. Halb abgerissene Gliedmaßen vielleicht, Schusswunden, ja. Aber Kopfschmerzen hatte noch nie einer gehabt. Weder in meinem Team noch in den Reihen der Gegner.
 

Plötzlich ruckte mein Kopf hoch, denn ich hörte Wasser rauschen. Das musste bedeuten der Orientierungspunkt war nicht mehr weit entfernt.

Dort ließ sich mit ziemlicher Sicherheit auch bestimmen, wie ich in der Zeit lag.

Mit einem letzten Blick auf das hübsche Gesicht drehte ich mich in Richtung des Wassergeräuschs und lief los.

Der Weg dauerte länger als ich dachte, doch nach einer geschätzten halben Stunde erreichte ich den Rand der, vom Hokage so liebevoll genannten 'Felsspalte'.

'Der Alte hat Sinn für Humor', dachte ich augenrollend.

Das war eine verdammt tiefe Schlucht! Auch untertrieb die Begrifflichkeit 'Spalte' eindeutig, was die Entfernung zwischen den beiden Felskanten anbelangte. Wahrscheinlich zwanzig Meter reines Nichts klaffte vor mir.

Wie weit es nach unten ging, wollte ich gar nicht erst wissen.

Hinter mir knackten Zweige.

Was? Ich wirbelte herum.

'Oh Nein', stöhnte ich innerlich.

'Der Typ hat einen Partner.'

Kapitel 6 - Eine erfolgreiche Mission

Der Mann, der hinter mir aus dem Wald trat, trug grob die gleiche Kampfkleidung, wie der Ninja mit den Katzenaugen, nur, dass sein Pullover die Arme zur Gänze bedeckte. Ansonsten bestand auch seine Ausstattung aus einer grauen Schutzweste und Protektoren an Armen und Beinen.

In einer sicheren Entfernung blieb er stehen und musterte mich. Der einzige Unterschied neben dem Pullover war seine Maske, die statt nach dem Vorbild einer Katze, einer Schildkröte nachempfunden war.

„So, mein Freund. Hier ist Ende für dich.“, sagte er gelassen.

Obwohl er ruhig sprach, konnte ich deutlich die Drohung in seiner Stimme hören und es fiel mir schwer einen genauso gelassenen Eindruck zu machen.

Meine Handflächen wurden nass und ich war froh, dass die Maske mein Gesicht verdeckte, denn ich war mir nahezu sicher, dass man mir meine Panik ansehen konnte.

Ich saß in der Falle.

Hinter mir ging es mindestens dreißig Meter abwärts und dieser Weg stellte keine vernünftige Option dar. Die einzige Möglichkeit war für mich die Flucht nach vorne.

„Du hast meinem Partner da hinten ganz schön zugesetzt, du musst wirklich stark sein“, bemerkte der Shinobi, während er locker ein paar Schritte auf mich zukam. Es klang beinahe etwas beeindruckt.

„Aber nun ist Schluss mit Lustig, gib mir die Schriftrolle.“

Wortlos sah ich ihn an.

Einen Wimpernschlag später war er vor meinen Augen verschwunden. Verwundert neigte ich den Kopf, sah nach links und rechts ohne ihn entdecken zu können.

Wie hatte er das gemacht?

Das Nächste das ich mitbekam war ein explodierender Schmerz seitlich an meinem Kopf, als er wie aus dem Nichts unmittelbar vor mir auftauchte und mir einen Tritt verpasste.

Und was für ein Tritt das war, denn er hob mich von den Füßen und beförderte mich schlitternd ein paar Meter weiter.

Mein Blickfeld verschwamm, während mein Kopf dumpf und schmerzhaft pochte.

'Reiß dich zusammen', befahl ich mir selbst und hielt mir den Kopf einen Moment lang, der sich anfühlte, als wäre er von einem Ziegelstein getroffen worden.

Wie er das nächste Mal vor mir auftauchte war ich besser vorbereitet und warf mich zur Seite, sodass sein nächster Tritt ins Leere ging.

Ich nutzte den Schwung, um meinerseits zu einem Gegenschlag auszuholen, doch er der Typ war verflucht schnell. Um genau zu sein, viel zu schnell.

Er wich jeder meiner Attacken aus, wobei ihn das nicht einmal sonderlich anzustrengen schien. Ein sinnloses Unterfangen, doch in der Zeit wo er ausweichen musste, konnte er nicht ausholen, weswegen ich ihn weiter in die Verteidigung zwang. So konnte ich mir immerhin wertvolle Zeit zum nachdenken verschaffen.

In diesem Kampf war ich eindeutig unterlegen.

Erschrocken riss ich die Augen auf als der Ninja, wie auch der Andere zuvor, einen riesigen Satz zurück machte und begann Handzeichen zu formen. Hastig griff ich an meinen Gürtel.

'Verdammter Mist.'

Während des ersten Kampfes hatte ich offensichtlich fast alle meiner Wurfmesser verloren und zum Werfen war meine große Klinge nicht geeignet.

An meinem Gürtel befand sich lediglich noch ein einziges der Kunais, die ich mir in Konoha gekauft hatte, und ich behielt es besser noch eine Weile bis sich eine klügere Gelegenheit bot. Es jetzt zu benutzten wäre unklug und reine Verschwendung. Frustriert knurrte ich und konnte nichts weiter tun, als abzuwarten was nun geschehen würde.

„Erdversteck! Jutsu der Erddrachenbombe!“ Klang schon mal reizend.
 

Aus dem Boden vor mir formte sich der gigantische Kopf einer Echse. Meinen guten Reflexen hatte ich es zu verdanken, dass ich rechtzeitig in Sicherheit sprang, bevor mich die Geschosse trafen, die das Monster ausspie. Stattdessen schlugen sie hinter mir entlang meines Fluchtweges in den Boden ein und hinterließen tiefe Krater.

Es war wirklich mein Glück, dass mich keines davon traf denn wenn auch nur eines sein Ziel erreicht hätte, wäre der Kampf für mich wohl endgültig vorbei gewesen.

Sicherheitshalber brachte ich noch etwas Distanz zwischen mich und den Kämpfer und hoffte, dass er ausreichen würde um sowohl einem erneuten Jutsuangriff entgehen zu können als auch außerhalb seines Nahkampfradius zu sein. Doch da hatte ich die Rechnung ohne meinen Gegner gemacht.

Ein weiterer Schlag traf mich nur Sekunden später in die Magengrube. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er sich überhaupt bewegt hatte.

Die Kraft seines Schlages presste mir die Luft aus dem Körper und gekrümmt vor Schmerz sank ich vor ihm auf die Knie.

„Na los gib sie mir, du siehst doch, dass du keine Chance gegen mich hast.“, die leise Stimme war gleichzeitig drohend wie auch flehend. Überrascht blickte ich nach oben, konnte jedoch seine Gesichtszüge nicht erkennen. Schwang da Besorgnis in ihr mit? Merkwürdig.

Ein Teil meines Denkens, zog die Herausgabe der Schriftrolle ernsthaft in Betracht, denn heraus kämpfen würde ich mich aus dieser Situation nicht können. Doch bevor dieser kleine Teil zum Verräter an der Sache werden konnte, wies ich mich scharf zurecht.

Ich würde dieses Schriftstück niemals hergeben. Der alte Hokage verließ sich auf mich und wenn dieser Brief nicht zugestellt werden würde, wären auch andere Menschen, außer mir selbst in Gefahr.

Entschlossen griff ich ein zweites Mal an diesem Tag nach dem Messerschaft an meiner Wade und zog die Klingt an seinem Griff in einer fließenden und runden Bewegung heraus um sie meinem Widersacher daraufhin mit aller Kraft in den Fuß zu rammen. Der Widerstand, den ich spürte, als ich Sehnen, Muskeln und den Knochen durchbohrte war übelkeiterregend, doch es war meine einzige Chance.

Der Shinobi schrie vor Schmerz auf und versuchte mit seinem anderen Fuß nach mir zu treten. Durch die verletzten Nerven abgelenkt zielt er jedoch nicht richtig und ich konnte mich mit einer Rolle zur Seite in Sicherheit bringen.

In einer weiteren fließenden Bewegung zog ich den Zelthering aus der Halterung an meinem Bein. Entschlossen zielte ich auf die gleiche Stelle an der eine Sekunde zuvor noch mein Messer in seinem Fuß gesteckt hatte und sprang wild auf ihn zu, schob den Stab in die Wunde, sprang auf und trat mit aller Kraft die ich aufbringen konnte oben auf den Winkel.

Sein markerschütternder Schrei ließ mir das Blut in den Adern gefrieren, aber weder auf ihn noch auf meine eigenen Hemmungen konnte ich nun Rücksicht nehmen. Es war die Gelegenheit um hier wegzukommen und wenn ich sie nicht nutzte würde ich unterliegen. Während der Ninja durch den Schock wie festgewurzelt auf seinen Fuß starrte, drehte ich mich mit dem Rücken zu ihm und lief grimmig auf den Abgrund zu.

„NEIN WARTE!“, schrie der Maskierte.

Aber ich hielt nicht an, ich würde diese Mission erfüllen koste es was es wolle.

Mit wilder Entschlossenheit sprang ich vom Rand der Schlucht in die bedrohliche Dunkelheit und tauchte nach einem schier endlosen freien Fall tief in die schwarzen Fluten ein. Über mir brach das Wasser zusammen und einen furchtbaren Moment war ich wie betäubt. Um mich herum war nichts außer einer schwarzen Masse zu erkennen, nur die Strömung zerrte an mir. Panisch, versuchte ich herauszufinden, wo sich von mir aus oben und wo unten befand. Ich zwang mich selbst zur Ruhe und ließ mich einen Moment treiben um festzustellen, in welche Richtung mich der Auftrieb zog. Kurz darauf durchstieß ich mit dem Kopf die Wasseroberfläche, nur um im nächsten Moment von einer neuen Welle begraben zu werden.

Shirakawa-gō bedeutete so viel wie : das Dorf am weißen Fluss.

'Vielleicht sollten sie es umbenennen', war mein letzter Gedanke, ehe das Wasser mich mit sich riss.
 

Oben auf dem Felsplatteau stand der Ninja, festgetackert, ohne sich zu bewegen. Dann ertönte ein leises 'PUFF' und der Doppelgänger löste sich auf. Aus dem Schatten der Bäume löste sich daraufhin ein Schatten und ein gleich aussehender Mann trat ins Mondlicht.

Reglos starrte er auf das Eisen, das immer noch im Boden versenkt war.

„Was für eine Idee“, murmelte er. Dann machte er ein paar Handzeichen und er wurde in eine Rauchwolke gehüllt.

Anstatt des Kämpfers in Pullover und mit Protektoren, stand dort nun ein alter Mann in langem Mantel und einem Hut.

Er hatte Tenzou an einen Baum gefesselt gefunden. Der junge Mann hatte sein Bewusstsein verloren, und er rügte sich selbst, dass er nicht in seiner Nähe gewesen war. Zu allem Überfluss hatte er keine Ahnung, wie er ihn wecken konnte, denn es war kein Genjutsu oder eine andere Technik auf Chakrabasis verwendet worden, die er einfach hätte auflösen können. Auch schien es kein normaler Schlag gewesen zu sein, der ihn ausgeknockt hatte.

Eine gewisse Komik lag darin, dass sie dem jungen Anbu eine Kopfschmerztablette als Souvenir dagelassen hatte.

Im Dunkeln war ihm zuerst nur die weiße Plastikverpackung aufgefallen. Daraufhin hatte er sich das Gesicht des Ninjas näher angesehen.

'Was für eine Frau.' Einen Moment zuckten seine Mundwinkel, ehe er sich wieder fing.

Beim Betrachten von Tenzous' Gesicht war ihm klar geworden, dass dieser das Medikament wohl bitterlich gebrauchen konnte, sobald er wach wurde.

Wäre dies eine richtige Mission gewesen, das Mädchen hätte nicht nur fliehen können, sondern hatte sogar, wenn auch mit etwas Glück, einen seiner besten Anbu überwältigt. Niemals hätte er es für möglich gehalten, dass sich jemand ohne die Fertigkeiten der Chakrakontrolle so gut zur Wehr setzen konnte.

Wenn er ehrlich war, hatte er sogar gedacht, dass sie die Schriftrolle irgendwann herausgeben würde. Damit hatte er von Anfang an fest gerechnet, doch nun musste er feststellen, dass er zu weit gegangen war.

Obwohl er neugierig auf ihre Reaktion gewesen war, als er sie hier in die Enge trieb, dieses Ende war unerwartet gekommen.

Tatsächlich war er davon ausgegangen an diesem Punkt die Situation aufzulösen. Er hatte gesehen, was er wollte und sie hatte ihn überzeugt. Es fehlte ihr weder an Kraft noch an Findigkeit und selbst ihre Ausdauer war eine große Überraschung gewesen. Die Strecke, die sie zu Fuß in kurzer Zeit bewältigt hatte war beachtlich und umso verblüffender war es, dass sie am Ende noch so viel Energie für den Kampf aufbringen konnte.

Würde sie ihr Fähigkeiten mit Chakra verstärken, wäre sie vermutlich ein harter Brocken, wenn man sich mit ihr anlegte.

„Und dass ohne die nächste Stufe auch nur in Erwägung gezogen zu haben.“, murmelte er vor sich hin.

Kopfschüttelnd trat der Alte an den Rand der Schlucht und betrachtete das rasende Wasser unter sich. So hatte er das nicht geplant.

Ohne zu zögern war sie gesprungen.

Selbst erfahrene Kämpfer und gute Schwimmer hätten es sich zweimal überlegt, ihr in den Abgrund zu folgen. Die Strömung hatte sie sicherlich sofort mit sich gerissen und es war pures Glück, wenn sie nicht ertrunken war. Soweit er sich erinnerte gab es stromabwärts auch scharfe Felsen unter der Wasseroberfläche. 'Es wäre ein reines Wunder, wenn sie das überlebt', korrigierte er sich in Gedanken.

Doch die junge Frau war zäher als sie aussah, und er hoffte, dass er in seiner Neugier die Prüfung nicht zu weit getrieben hatte.

Mit einem erneuten Handschlag, veränderte der Hokage erneut sein Aussehen und sprang mit einem Satz zwischen die Bäume, denn es gab da schließlich noch jemanden, um den er sich sorgen musste.
 

Zitternd zog ich mich aus dem Wasser und hustete einen Schwall Wasser heraus. Ich hätte bedenken sollen, dass ich kein sonderlich guter Schwimmer war. 'Wirklich dämliche Idee', schalt ich mich selbst.

Erschöpft blickte ich mich um.

Der Fluss hatte mich eine weite Strecke mit sich gerissen und ich befürchtete, dass ich keine Punkte mehr finden würde, an denen ich meinen weiteren Weg und meine derzeitige Position bestimmen konnte.

Vor mir sah ich Bäume. Hinter mir auch.

Im Grunde waren überall Bäume.

Seufzend ließ ich mich nach vorne fallen und rollte mich dann mit einem Ruck auf den Rücken. Zitternd griff ich nach der Maske, ließ meine Hand dann aber wieder sinken. Ich würde sie besser auflassen, falls die beiden Ninjas wiederkamen.

Gegen zwei von dieser Sorte kämpfen zu müssen ist ziemlich beschissen, meldete sich nun auch nach Stunden meine innere Stimme zu Wort.

'Ach, halloh', sagte ich matt.'Dich gibts also auch noch.'

Keine Antwort. Na dann eben nicht.

Als ich nach einigen Minuten versuchte aufzustehen, fühlten sich meine Beine mehr als nur suspekt an, mit der Folge, dass meine Knie einfach nachgaben.

Das Treten unter Wasser hatte mich viel Energie gekostet, denn lange hatte sich keine Möglichkeit ergeben, irgendwo einen Moment aus dem Fluss zu kommen.

Am Ende hatte ich mich an einen vorbeitreibenden Baumstamm geklammert, den ich jedoch wieder verloren hatte, als die Strömung noch stärker geworden war.

Betrübt sah ich an meinen Beinen hinab. Einige spitze Felskanten, hatten meine Hose durchschnitten und die Schnittwunden bluteten leicht. Es nützte nichts: ich würde etwas rasten müssen. Meine Hand suchte in meiner Gürteltaschen nach den Verbänden. Diese waren natürlich so nass, dass es sinnlos war, sie um die Schnitte binden zu wollen. Sie würden vermutlich sogar noch mehr Blut aus den Schnitten ziehen.

Besorgt sah ich in den Himmel, der sich bereits rosa gefärbt hatte. Mir lief die Zeit davon.

Und was noch schlimmer war: ich wusste nicht, wie ich den Weg finden sollte. Stöhnend quälte ich mich abermals auf die Beine und blieb schwankend stehen. Schritt für Schritt ging ich in den Wald und wanderte auf diese Weise in eine Richtung, die ich grob für die hielt, in die ich wollte.

'Was für eine Nacht', dachte ich. Baumjutsus, Erddrachenjutsus, Männer die von Ast zu Ast sprangen, die so schnell waren, dass man sie kaum sah. Schildkrötenmasken, Katzenmasken und, für meinen Geschmack, viel zu viel Wasser.

„Wenn ich das hier geschafft habe, will ich Urlaub“,murmelte ich.

Erfreulicherweise gewöhnten sich meine Beine langsam wieder an den Boden unter mir und das wankende Gefühl ließ langsam nach, so dass ich zügiger gehen konnte. Aber an den Dauerlauf mit dem ich Tags zuvor gestartet hatte, war nicht zu denken.

Irgendwann im Laufe des Vormittags erreichte ich eine Straße. Achselzuckend beschloss ich, dass es nicht meine dümmste Idee wäre, ihr zu folgen, denn da wo Straßen waren, gab es normalerweise auch Menschen. Zudem konnte ich davon ausgehen, dass tagsüber die Straße sicherer war als der Wald. Oder zumindest war das Vorankommen einfacher.

Nach einer kurzen Pause, wanderte ich weiter, bis ich hinter mir Hufe hörte.

Einen Moment dachte ich instinktiv daran, dass es besser sein könnte, mich ins Buschwerk zu schlagen und abzuwarten bis die Reiter vorbei wären.

Aber nach allem, was mir eh schon passiert war, ließ ich es darauf ankommen. Mit etwas Glück, waren es nicht die Ninjas, sondern normale Reisende, die ich nach dem Weg fragen konnte.

Die Reiter kamen schnell näher und wären wohl an mir vorbeigeritten, hätte ich ihnen nicht ein Zeichen gegeben, dass sie anhalten sollten.

Die zwei Tiere blieben schnaubend neben mir stehen.

Respektvoll neigte ich den Oberkörper.

„Hallo, Verzeihung, dass ich euch anhalte“, sagte ich.

Insgeheim war ich auf meine Fortschritte in ihrer Sprache unheimlich stolz. Es hatte Iruka und mich viele Nerven gekostet, denn einige Dinge und vor allem Redewendungen waren für mich schwer nachzuvollziehen gewesen. Natürlich war mir ein Akzent anzuhören, aber das kümmerte mich im Augenblick herzlich wenig.

Überrascht sahen mich die beiden Männer an. Einer stieß den anderen sogar in die Seite. Mir fiel ein, dass ich ja immer noch die weiße Maske trug.

„Könnt ihr mir sagen, ob dass der Weg nach Shirakawa-gō ist? Ich muss dringend dorthin, habe mich aber verirrt, denke ich.“

Der ältere von Beiden schien einen Augenblick zu überlegen. „Nun du hast dich glücklich verirrt, denn du bist immer noch auf dem richtigen Weg. Aber wenn du es eilig hast muss ich dich enttäuschen, von hier aus dauert es sicherlich noch viele Stunden.“

Das hatte ich befürchtet und ließ merklich die Schultern hängen. Die Geste wurde von den beiden aufgenommen und interessiert beugten sie sich vor.

„Was willst du denn in dem Dorf?“

„Ich muss wirklich dringend dorthin. Aber meine Gründe kann ich euch nicht nennen“, sagte ich nur. Erstaunt sahen die beiden sich abermals an. Schließlich seufzte der Ältere.

„Also Gut. Wenn es wirklich so wichtig ist, dass du es nicht einmal erzählen kannst, nehmen wir dich ein Stück mit, wenn du willst. Dai kann dich hinter sich aufsitzen lassen.“, er machte eine Pause.

“Dai ist übrigens mein Sohn und ich bin Benjiro.“

„Danke das ist wirklich sehr freundlich von euch. Ich bin Noh.“ Ich ergriff die ausgestreckte Hand des jungen Mannes und ließ mich von ihm hinter sich auf das Pferd ziehen. Innerlich schalt ich mich für meine mangelnde Kreativität, aber ich war einfach nicht in der Lage mir etwas besseres einfallen zu lassen.

Ohne weiter nachzufragen, trieben die Beiden ihre Pferde an und galoppierten los. Durch das Tempo, dass sie anschlugen wurde mir eine Sache nur zu deutlich bewusst: ich hatte noch nie auf einem Pferd gesessen. Unbeholfen hopste ich hinter Dai auf und ab. „Versuch dich den Bewegungen des Tieres anzupassen“, riet mir der junge Mann mit einem breiten Grinsen. Weitere Unterhaltungen waren kaum möglich, denn der Wind pfiff mir so sehr um die Ohren, dass ich nichts hören konnte. Anscheinend waren Vater und Sohn selbst sehr in Eile, denn sie trieben ihre Pferde immer weiter an.

Die Bäume rückten an den Rand meiner Wahrnehmung und trotz des heftig schwankenden Untergrundes, hatten die Bewegungen des Tieres etwas einschläferndes.

Irgendwann begann ich wegzudösen.
 

Erst als mich jemand antippte, wurde ich wieder wach.

Dai und Benjiro waren langsamer geworden und ließen ihre Pferde nun im Schritt gehen. Erschrocken zuckte ich hoch und griff zu meinem Gesicht. Die Maske saß noch ein ihrem Platz.

„Alles in Ordnung?“, fragte der Ältere.

„Ja, ich bin nur müde“; antwortete ich.

„Es ist ein Wunder, dass du inzwischen nicht heruntergefallen bist“, Dai's Stimme vor mir klang belustigt.

„Inzwischen? Wie lange habe ich geschlafen?“

„Ziemlich lange, beinahe drei Stunden. Wir haben es nur durch Zufall gemerkt, da wir unseren Pferden von Zeit zu Zeit etwas Erholung gönnen müssen.“

Verstehend nickte ich. Sicherlich würden die Tiere den schnellen Galopp nicht ewig durchhalten und wenn man ihnen nicht ab und an eine Pause gewährte würden sie sich wegen der Erschöpfung irgendwann gar nicht mehr bewegen.

„Ihr seid schnell.“, bemerkte ich.“ Ist etwas passiert?“

„Kann man wohl sagen“; lachte Benjiro.

Fragend sah ich ihn an bis mir einfiel, dass keiner der Beiden meinen Gesichtsausdruck sehen konnte.

„Was ist passiert?“

„Nun, die Frau meines Sohnes ist schwanger. Und da wir Holzarbeiter sind, waren wir in einem Dorf beschäftigt, das drei Tagesreisen von unserem entfernt ist. Gestern Abend kam ein Bote zu uns, um uns, oder besser, Dai hier, eine Mitteilung zu machen.“

„Ich hoffe die Nachricht war gut?“

„Nun im Grunde mehr als nur gut“, meldete sich der Jüngere vor mir strahlend zu Wort. Verschmitzt drehte er sich soweit zu mir um, wie es ihm möglich war.

„Ich werde Vater!“

„Herzlichen Glückwunsch, Dai.“ Zustimmend lenkte dessen Vater sein Pferd etwas näher zu uns und klopfte seinem Sohn stolz auf die Schulter.

„Weißt du, der Kleine hier ist ein guter Mann, aber mit seiner Frau..“

„Vater lass das, das geht niemanden etwas an!“, rief der junge Mann.

„Was ist mit seiner Frau“; fragte ich neugierig.

„Sie hat einfach die Hosen an. Sagt sie doch zu unserem Dai hier: Dai, wenn du nicht zu der Geburt deines Kindes pünktlich da bist, dann kannst du was erleben!“

Banjiro kugelte sich vor Lachen, so dass er beinahe von seinem Pferd fiel.

„Danke, Vater, du bist wirklich einfühlsam. So etwas erzählt man doch keinem“, kam es genuschelt von meinem Vordermann und ich konnte erkennen, dass die Ohren des Verspotteten rot angelaufen waren.

Insgeheim musste ich ihm zustimmen. Es war wirklich nicht üblich einer maskierten Gestalt, die man irgendwo in der Wildnis aufgabelte, solche privaten Angelegenheiten zu erzählen. Im Normalfall begegnete ein Reisender einem Fremden am Wegesrand immer mit Vorsicht und bestenfalls mit einer gesunden Portion Skepsis. 'Vor allem dann, wenn diese Person eine Maske trägt, ein Messer um ihr Bein geschnallt hat und aussieht, als wäre sie durch einen Fleischwolf gedreht worden“, fügte ich in Gedanken hinzu.

Aber beide Männer schienen Vertrauen zu sich und der Welt zu haben, was ich nach meiner erlebten Nacht irgendwo zwischen bemerkenswert und ziemlich dämlich einordnete. Überraschenderweise hatten sie mich auch nicht mehr danach gefragt, wieso ich es so eilig hatte.
 

Meine beiden Begleiter hatten inzwischen begonnen sich gegenseitig zu foppen, denn wie es schien war Dai nicht der Einzige der dominante Frauen mochte. Auch dessen Vater hatte sich, wie ich aus dem Gespräch entnehmen konnte, für eine Frau entschieden, die den Erzählungen der Beiden nach, mehr als nur ein Haar auf den Zähnen hatte.

Wie der Vater so der Sohn, verkündete es die Stimme in meinem Inneren. Grinsend stimmte ich zu und musste mir eingestehen, dass ich die Beiden sehr unterhaltsam fand, auch wenn sie etwas irreales an sich hatten, was wohl daran lag, dass sie zu den beiden anderen Begegnungen der vergangenen Nacht in einem völligen Gegensatz standen.

„Wie weit ist es noch bis Shirakawa-gō?“, unterbrach ich nach einer Weile die beiden Streithähne.

„Es ist nicht mehr weit“, kam es von Dai.

„Siehst du da vorne das Tal? Das müsste schon das Dorf sein. Ich denke jedenfalls, dass es das ist. Von einem Anderen hier in der Nähe weiß ich zumindest nichts. Aber wir können dich nicht bis hin bringen, dafür hast du sicher Verständnis. Du wirst den letzten Rest leider zu Fuß gehen müssen, denn dort vorne müssen wir in die andere Richtung abbiegen.“

„Natürlich, das ist kein Problem, ich danke euch beiden sehr dafür, dass ich mich mitgenommen habt.“

Als wir die Abzweigung erreichten, dankte ich Vater und Sohn noch einmal und wünschte ihnen viel Glück mit ihren Frauen und ein glückliches Leben noch dazu. Die Wahrscheinlichkeit sich irgendwann noch wieder zu treffen war verschwindend gering.

Lachend ritten sie weiter und noch eine Weile konnte man den Älteren hören, wie er seinen Sprössling mobbte.

Schmunzelnd sah ich den Beiden einen Moment lang nach.

Sie waren wirklich nett gewesen und hatten mir darüber hinaus wirklich sehr geholfen.
 

Die Strecke zu dem Dorf hatte mir Dai als einen strammen Fußmarsch von einer knappen Stunde prognostiziert, aber er selbst hatte es nur aufgrund seiner Erfahrung schätzen können, da er noch nie dort gewesen war.

Nichts desto trotz überkam mich eine Hochstimmung, denn ich würde meine Mission erfolgreich beenden können.

Da sich mein Körper mittlerweile auch recht gut von den Strapazen der letzten Nacht erholt hatte, begann ich den Berg hinab zum Dorf zu gehen. Glücklicherweise hatten auch meine Schnittwunden aufgehört zu bluten, doch meine Haut spannte merklich und wenn ich mich falsch bewegte, würden die Verletzungen wieder aufreißen.

Genau beobachtete ich das Areal um mich herum: nichts als dichter Wald. In diesem Land schien man aus dem Wald gar nicht mehr herauszukommen. Ein Feuer – Reich stellte man sich wirklich anders vor.

Das Dorf in der Senke unter mir stach geradezu hervor und selbst von hier aus konnte ich die ungewöhnlichen Häuser entdecken, für die es bekannt war.

Hiruzen hatte mir davon erzählt, dass der Stil in dem diese Häuser erbaut worden waren sich Gasshō-zukur oder auch 'der Stil der zum Gebet gefalteten Hände“ nannte.

Die Bauwerke wurden ihrem Namen allesamt gerecht, auch wenn es etwas Fantasie brauchte, um sich die gigantischen gefalteten Hände vorzustellen.

Um mich herum war es friedlich, und ich nahm an, dass meine beiden Angreifer von letzter Nacht mich entweder nicht verfolgt oder nicht eingeholt hatten. Dennoch mahnte ich mich selbst zur Wachsamkeit, denn so kurz vor dem Ziel war die Wahrscheinlichkeit noch am größten, dass ich ein weiteres Mal angegriffen werden würde.

Hier gab es nicht mehr viele Möglichkeiten, wie und aus welcher Richtung ich mich dem Ort nähern konnte, daher verkleinerte sich dementsprechend der Radius des Gebiets den sie überwachen mussten.

Verstohlen sah ich mich um und ließ die Umgebung auf mich einwirken. Doch es schien alles absolut harmlos.

Bei dieser Feststellung schickte ich Benjiro und Dai alle meine Segenswünsche hinterher. Die Vögel waren sehr munter und zwitscherten über mir in den Bäumen. Sie würden als Erste bemerken, wenn sich etwas an der Atmosphäre veränderte. Der Restweg betrug eine geschätzte halbe Stunde und ich fühlte mich wieder fit genug, um mein Tempo noch ein wenig mehr anzuheben..

Nachdenklich griff ich in meinen Gürtel und holte mir eine meiner Versorgungskapseln hervor. Ein wenig Zucker konnte ich nun gut gebrauchen. Die leere Verpackung schob ich wieder zurück in die Tasche und wechselte dann meine Geschwindigkeit.

Übertreibe es aber nicht, es ist immer noch ein gutes Stück Weg und außerdem ist nicht heraus, ob die beiden Ninjas nicht hier irgendwo auf der Lauer liegen, bemerkte meine innere Stimme.

'Da hast du Recht, aber ich will die Rolle so schnell wie möglich abliefern, es ist schon Nachmittag und es wäre furchtbar wenn ich trotz allem zu spät kommen würde.“

Mit diesem Gedanken lief ich zwischen den Bäumen hindurch, wobei ich darauf achtete, an keinen Wurzeln hängen zu bleiben.

Je weiter ich mich dem Dorf näherte, desto mehr Fußspuren und Stümpfe gefällter Bäume umgaben mich. Irgendwo tiefer im Wald, schien auch jemand dabei zu sein, Holz zu hacken. In regelmäßigen Abständen durchschnitt ein Knallen die Stille.

Es gab keinerlei bedrohliche Atmosphäre, weswegen ich meinen Schritt etwas verlangsamte, als ich die ersten Häuser passierte.

Nach einigen weiteren Schritten blieb ich stehen.

Ein merkwürdiges Gefühl überkam mich.

'Dieses Dorf macht nicht den Eindruck einer Notsituation', wunderte ich mich. Im Gegenteil, ein paar Kinder liefen spielend an mir vorbei und an einer Haustür unterhielten sich zwei alte Frauen.

Was ging hier vor sich?

Das Haus das ich suchte lag genau im Zentrum des Ortes, welcher, wie ich schätzte vielleicht zweihundert Seelen beherbergte. Wenn überhaupt, denn es gab nicht einmal hundert der riesigen dreieckigen Gebäude.

War es der falsche Ort? Das war unwahrscheinlich, Dai hatte schließlich gesagt, dass es hier in der Gegend nur diese eine Siedlung gab.

Vor der Tür des Gebäudes blieb ich unschlüssig stehen. Diese friedliche Atmosphäre jagte mir einen Schauer über den Rücken und gerade als ich die Hand hob um anzuklopfen, öffnete sie sich von alleine.

Vor mir stand ein älterer Mann, der im gleichen Alter sein mochte wie Hiruzen. Mit großen Augen sah er mich an.

„Na nu?“ Verwundert musterte er mich. „Kann ich dir weiterhelfen?“

„Ja, ich suche den Dorfältesten. Ist das hier sein Haus?“ Kam ich direkt auf den Punkt.

„Ah, nun, das ist das Haus, das du suchst und vor dir steht auch der eben genannte Mann. Ich bin Fukita.“, seine Augen funkelten vergnügt. „Was kann ich für dich tun?“ Er schaute mir ins Gesicht und mir wurde bewusst, dass ich immer noch die anonyme Maske trug. Reflexartig hob ich meine Hand, um sie abzunehmen, stockte aber und griff stattdessen zu meinen Haaren um sie zurück zu streichen. Der alte Mann schien kurz zu überlegen.

„Du kommst sicher aus Konohagakure mit der Antwort vom Hokage, nicht wahr?“ Langsam nickte ich.

„Mal ein weiblicher Bote, wie? Eine nette Abwechslung.“ Erschrocken zuckte ich ein wenig zusammen. Zweifelsfrei erkannte er an meiner Stimme, dass ich kein Mann war, aber dass ich so direkt darauf angesprochen wurde, überrumpelte mich.

„Sehr gut, ich habe schon darauf gewartet.“ Er streckte die Hand aus um mir zu signalisieren, dass ich ihm die Rolle übergeben konnte.

„Ist alles in Ordnung in dem Dorf?“, fragte ich misstrauisch.

„Ja, sicherlich, warum fragst du?“, verwundert zog er die Augenbrauen hoch.

„Mein Auftrag lautete, das Schreiben schnellst möglich zu überbringen. Der Hokage schien besorgt um die Sicherheit des Dorfes und seiner Bewohner zu sein.“

Langsam griff ich in meine Tasche und holte das gerollte Pergament heraus, hielt es jedoch weiter in meiner Hand ohne auf seine ausgestreckte Rechte zu achten.

Mein Gegenüber gluckste, drehte sich mit dem Rücken zu mir und begann an dem Türschloss herumzufummeln.

„Na das kann ich mir vorstellen, der alte Sarutobi hat sicherlich Blut und Wasser geschwitzt als er meinen Brief bekommen hat. Die Geschichte ist aber eigentlich ziemlich harmlos. Zumindest im Vergleich zu einem gefährdeten Dorf.“ Er lachte. „Er hätte beinahe den Geburtstag seiner Großnichte vergessen. Und um ihn daran zu erinnern, habe ich ihm geschrieben. Komm rein, ich erkläre dir drinnen alles.“

Mit diesen Worten hielt er mir die Tür auf, damit ich eintreten konnte.

Der Eingangsbereich war ziemlich dunkel, was sicherlich an den kleinen Fenstern lag. Fukita ging an mir vorbei und lief einen Flur entlang, der in einer Art Arbeitszimmer endete. Dort setzte er sich hinter einen Schreibtisch und bot auch mir einen Sitzplatz an.

„Ich stehe lieber.“

Er seufzte. „Wie du willst. Nun, ich kann deine Verwunderung verstehen, sicherlich hat er dir erzählt, dass es eine ganz dringende Sache ist.“ Mit einem nicken quittierte ich seine Äußerung.

„Irgendwie hat er da auch recht“, murmelte er vor sich hin und ließ seinen Blick durch das Zimmer streifen, bis er wieder an mir hängen blieb.„Seine Großnichte kann wirklich furchterregend werden, wenn etwas nicht so läuft wie sie will“, er lachte auf und sah mich freundlich an.

„Es ist eine Schande, dass er dich angelogen hat, nur um den Brief rechtzeitig auszuliefern. Aber nun ja, da kann man leider nichts machen. Und so etwas von einem Hokage.“ Immer noch bewegte ich mich keinen Zentimeter. Ungeduldig trommelte er mit seinen Fingern auf die Tischplatte.

„Nun, gib mir bitte die Rolle, den Auftrag hast du hiermit erledigt und kannst nun nach Konoha zurückkehren.“

Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu und ich spürte ein unangenehmes Kribbeln in meinem Nacken.

„Nein“, sagte ich leise.

„Wie bitte?“, fuhr der Alte entrüstet hoch.

„Ich habe 'nein' gesagt“, wiederholte ich lauter und schob die Schriftrolle zurück in meine Tasche. Die Hand ließ ich weiterhin geballt.

„Was soll das? Gib sie mir sofort, du dämlicher Kurier!“, sein Gesicht änderte die Farbe von hell zu rot.

„Das werde ich nicht. Hier ist etwas faul und solange ich nicht weiß was es ist, gebe ich dir gar nichts.“ Damit drehte ich mich zur Tür, um so schnell wie möglich aus dem Gebäude herauszukommen. Das beunruhigende Gefühl wurde immer stärker und innerlich schalt ich mich bitterlich dafür überhaupt hineingegangen zu sein. Alles in mir schrie nach Flucht.

„Du bleibst schön hier“, knurrte eine Stimme, welche von einer Zweiten begleitet wurde, die leise knurrte. Meine Hand erstarrte nur wenige Zentimeter vor dem Türknauf, als ich an meiner Kehle eine rasiermesserscharfe Schneide spürte.

'Hab ich es doch gewusst', dachte ich grimmig. Wie ein blutiger Anfänger war ich munter in eine Falle hinein marschiert.

„Los, nimm ihr die Nachricht ab. Wenn sie uns die nicht freiwillig geben will, dann eben so.“ Zeitgleich wie ich eine Bewegung an meiner Tasche spürte, öffnete ich meine Hand und ließ die Rauchbomben fallen, die ich in meiner Faust verborgen hatte.

Die kleinen Kugeln waren offensichtlich nicht nur dazu gedacht die Sicht zu unterbinden, sondern auch um alle anderen Sinne zu blockieren.

Mit einem ohrenbetäubenden Lärm gingen sie hoch und füllten den kleinen Raum mit einem dicken, stinkenden Nebel.

Schnell tauchte ich unter dem Messer an meinem Hals weg und bevor sich jemand rühren konnte, riss ich die Tür auf.

Wie ich erwartet hatte, sprang der Ninja hinterher. In der Annahme ich würde die Flucht durch das Haus wählen lief er ebenfalls durch den Nebel und aus dem Zimmer. Hinter ihm schlug ich die Tür zu und machte nun meinerseits einen Satz nach vorne. Einen Herzschlag später drücke ich dem Alten nun mein Messer gegen den Hals.

'Wenn ich hier herauskommen will, brauche ich einen Pfand', schoss es mir durch den Kopf. Und da ich nicht wusste, ob die beiden meine einzigen Gegner waren, oder ob noch mehr Kämpfer im oder um das Haus herum postiert waren, war die Geiselnahme des Mannes meine beste Option.

„Wer bist du? Wo ist der echte Fukita?“, knurrte ich dem falschen Dorfoberhaupt ins Ohr, während ich das gleiche Tat wie sein Partner einige Sekunden zuvor bei mir.

Währenddessen hatte der Ninja im Flur seinen Fehler bemerkt und rüttelte von außen wütend an der Türklinke.

„Ein falsches Wort...“, um meinen Worten mehr Deutlichkeit zu verleihen, drückte ich mein Messer etwas mehr in seinen Hals und ritzte leicht seine Haut ein. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich die Zimmertür.

So intensiv wie die Rauchbomben auch gewesen waren, so schnell verschwand auch ihre Wirkung. Nur der fiese Geruch hielt sich weiterhin.

In dem Moment wo die Tür von außen aufgebrochen wurde rief meine Geisel:

„Tenzou, es reicht!“

Verblüfft riss ich die Augen auf.

Der Ninja der im Raum stand trug eine Katzenmaske.

'Der Shinobi von letzter Nacht, aber wie konnte das sein?', ungläubig starrte ich ihn an. Irgendwo hatte er eine neue Maske aufgetrieben. Einen Augenblick lang war die Atmosphäre in dem Raum zum Zerreißen gespannt und ich konnte ihn regelrecht überlegen hören, ob er dem Befehl Folge leisten sollte oder nicht.

Plötzlich entspannte er sich und schob das Kunai zurück in seine Tasche.

'Also hab ich hier seinen Vorgesetzten', schlussfolgerte ich.

„Du kannst deine Waffe auch herunternehmen, Haruka.“, erschrocken hätte ich beinahe meine Waffe fallengelassen. In meiner Überraschung entfernte ich die Schneide wenige Zentimeter von seinem Hals.

Die Stimme des Mannes hatte sich verändert und sie war mir nur zu gut bekannt.

„Hiruzen?“

Der Maskierte mit dem Katzengesicht zuckte etwas zusammen und an seiner Körperhaltung konnte ich seine Empörung erkennen. Instinktiv hob ich die Klinge zurück an die Hauptschlagader meiner Geisel. Argwöhnisch starrte ich den Mann, den er Tenzou genannt hatte an. Er erstarrte augenblicklich in seiner Bewegung und ich spürte einen wütenden Blick auf mir. Meine Geste war unmissverständlich gewesen: Eine falsche Bewegung und dein Partner ist tot.
 

'Vielleicht ist es wieder ein Trick.'

„Nun... ja“, beruhigend hob der falsche Fukita seine Hände.

„Keine Bewegung! Kein Jutsu!“, zischte ich. Mir war noch sehr genau in Erinnerung, was die Beiden mit ihren Händen anstellen konnten.

„Er soll weg.“

„Gut, Tenzou, bitte warte draußen.“

„Aber -“

„Tu was ich gesagt habe“; lautete der scharfe Befehl.

„Gut.“, unwillig drehte sich der Ninja um und stieg über die Trümmer der Tür hinweg. Nachdem er gegangen war, ergriff der Verbliebene wieder das Wort.

„Bitte, nimm deine Waffe runter, der Test ist beendet. Du hast die Aufgabe erfolgreich bestanden.“

Test? Aufgabe? Wild überlegte ich. War es wirklich der Hokage? Alles in mir hatte sich auf den Kampf ums Überleben eingestellt und es fiel mir, in die Enge getrieben, zugegebener Maßen schwer ihm zuzuhören geschweige denn zu glauben. Gehetzt überlegte ich, wie ich aus meiner Zwangslage herauskommen könnte. Wenn ich aus den Fenster sprang, könnte der Mann vor mir ein Jutsu wirken. Schleppte ich ihn mit mir mit, würde mir der Andere folgen.

Ich denke, du solltest das Messer wegnehmen. Die Situation hat nichts bedrohliches mehr. Es scheint vorbei zu sein.

'Bist du sicher?', fragte ich zweifelnd.

Ja.

Zögernd entfernte ich den Stahl vom Hals des vermeintlichen Hokages und sprang dann einige Schritte zurück, bereit um notfalls mein verbliebenes Kunai nach ihm zu werfen.

„Ich löse nun die Jutsus auf, Haruka. Bitte bleib ruhig und mach nichts, dass du später bereuen könntest.“ Dem folgten ein paar schnelle Handzeichen.

„Lösen!“ Misstrauisch und bereit sofort zu reagieren betrachtete ich das Schauspiel.

Als sich schlussendlich der Rauch um den Mann verflüchtigte zog ich scharf die Luft ein.

Denn an der gleichen Stelle stand nun tatsächlich der Sandaime.

In meinem Kopf drehte sich alles.

Das schien die gleiche Technik gewesen zu sein, die ich bereits bei Naruto gesehen hatte.

Mit einem Mal wurde mir klar, was er einige Augenblicke zuvor gesagt hatte: Der Test ist vorbei.

Mir schien es, als wäre mir jegliche Energie geraubt worden, meine verkrampfte Körperspannung löste sich und meine Knie gaben nach. Zitternd sackte ich nach vorn.

Der Hokage warf mir einen Blick zu, um sicherzustellen, dass ich ihn nicht attackieren würde.

„Ich werde jetzt auch das Genjutsu auflösen.“

Matt nickte ich ihm zu. Stöhnend schloss ich meine Augen, das wurde langsam etwas viel. Holzhände, irdene Eidechsen, alte Männer die eigentlich Hokage waren und ein Dorf das es wahrscheinlich gar nicht gab.

„Wart ihr auch die beiden Reiter?“, fragte ich ihn monoton.

„Reiter?“, fragte der Alte überrascht. „Nein, seid letzter Nacht waren wir hier.“

„Gibt es das Dorf Shirakawa-gō überhaupt?“, die Gefühlskälte in meiner Stimme überrasche mich selbst.

„Ja, das Dorf existiert, gar nicht weit von hier, tatsächlich. Lösen!“ Irgendwo außerhalb des Gebäudes ertönte ein ploppendes Geräusch.

„Das Haus bleibt stehen?“, fragte ich.

„Solange wir darin sind, wird Tenzou sein Jutsu nicht auflösen. Aber ich schlage dennoch vor, dass wir langsam rausgehen, nicht dass er noch unruhig wird.“

Er streckte mir seine Hand entgegen und ich unterdrückte den Impuls sie wegzuschlagen. Ich war wütend wie selten zuvor in meinem Leben. Wie konnte dieser Kauz mich nur so dermaßen belügen und betrügen?

„Ich bitte dich aufrichtig um Vergebung und werde dir in Ruhe Rede und Antwort stehen, aber findest du nicht auch, dass wir dem Shinobi der draußen wartet auch etwas Beruhigung gönnen sollten?“

Wortlos griff ich nach seiner Hand und war überrascht wie viel Kraft er hatte. Der Hokage war nicht im Mindesten so zerbrechlich wie er den Anschein machte. Der endgültige Beweis war der Tritt und der Schlag in die Magengrube vom Vortag.

Wie betäubt trottete ich hinter ihm her aus dem Haus, wo ein angespannter Shinobi bereits auf und ab lief.

„Tenzou du kannst deine Maske abnehmen, dein Gesicht hat sie sowieso schon gesehen.“ Der angesprochene griff darauf hin nach oben und schob das Katzengesicht nach oben. Etwas unsicher lächelte er in meine Richtung.

Reiß dich Zusammen, zwar hat der alte Mann Mist gebaut, aber der dort kann wirklich nichts dafür.

Da das der Wahrheit entsprach griff nun auch ich nach oben. Die Anonymität war sowieso nicht mehr gewährleistet, vermutlich hatte der jüngere Ninja bereits vorher gewusst, wer ich war.

Obwohl ich davon ausgehen musste, dass er bereits Informationen über mich besaß, weiteten sich seine Augen ein Stück, als er in mein enthülltes Gesicht sah.

Sie warten ab was du tust, flüsterte es in mir. Es war ganz offensichtlich, dass beide Männer mich nicht einschätzen konnten. Und wenn ich ehrlich war, konnte ich das im Augenblick auch nicht. In meinem Kopf spielten sich mehrere Szenarien ab, von denen nicht nur eine damit endete dem Dorfoberhaupt von Konoha den Kopf abzureißen.

„Ich muss zugeben, dein Plan war gut, Meister Hokage“, seufzte ich nach ein paar Minuten und zuckte mit den Schultern. Tenzou blickte verwirrt drein, da ich den Älteren in meiner Sprache ansprach.

„Du hast bekommen was du wolltest.“, und obwohl ich schon begonnen hatte ihm zu verzeihen, ließ ich es mir nicht nehmen ihm einen boshaften Blick zuzuwerfen, der seine Wirkung nicht verfehlte, er begann zu schwitzen und griff sich an den Hals um die Schnittwunde zu betasten. Mit einem weiteren Seufzen wandte ich mich zu dem Ninja zurück und betrachtete mitfühlend sein Gesicht.

„Das tut mir Leid.“

Es sah sogar noch schlimmer aus, als in der letzten Nacht und es graute mir schon davor mich um meine eigenen Verletzungen zu kümmern. Durch den plötzlichen Sprung waren die Schnitte wieder aufgerissen und ich spürte, wir mir warmes Blut die Beine hinab lief. Da das Adrenalin sowie die Anspannung von mir abfielen, schienen beim näheren Überlegen auch einige meiner Rippen einen deutlichen Knacks davongetragen zu haben.

Der Angesprochene schien einen Moment zu überlegen und betastete sich dann vorsichtig die geschwollene Stelle. Der Ninja zuckte zusammen.

„Das heilt wieder. Aber für jemanden ohne trainiertes Chakra schlägst du unheimlich fest zu. Ich muss gestehen, hätte ich das vorher gewusst, wäre ich achtsamer gewesen.“

Erstaunt sah ich ihn an, natürlich war mir bewusst, dass er sich zurückgehalten hatte, das hatten sie Beide. Aber trotz allem hatte ich nicht das Gefühl hier als hoffnungslos unterlegener Versager zu stehen. Im Gegenteil, sie schienen mich als Kämpfer anerkannt zu haben, was mich auf eine merkwürdige Art zufrieden stellte.

Sie haben immerhin beide ihr Fett weg bekommen, schnaubte es in mir.

Auch Hiruzen schien merkwürdig zufrieden zu sein. Mit zusammengekniffenen Augen musterte ich ihn. Man konnte es in seinem Kopf beinahe arbeiten sehen.

Er bemerkte meinen Blick und setzte den Hokagehut, den er seid der Rückverwandlung in der Hand getragen hatte auf seinen Kopf.

„Nun, meine Arbeit ist hier erledigt. Ihr beide macht euch auf den Weg zurück ins Dorf und kommt zu mir, sobald ihr angekommen seid. Es hat keine Eile, daher lasst euch Zeit.“ Er zwinkerte verschwörerisch.

Bevor Tenzou oder ich etwas sagen konnten löste sich der Hokage, zusammen mit meinem letzten bisschen Glauben an feste Naturgesetze, in Rauch auf.

Kapitel 7 - In der Dunkelheit geboren

„Das darf doch nicht wahr sein, verdammte Scheiße“, rief ich frustriert und erhielt prompt einen merkwürdigen Seitenblick von dem Ninja mit den Katzenaugen.

Zum Glück konnte er mich nicht verstehen, so dass es mir eigentlich herrlich Schnuppe sein konnte. Dennoch spürte ich wie meine Wangen brannten. Einerseits, weil ich mich wegen meines plötzlichen Ausbruchs schämte, andererseits, weil ich wieder diesen schier endlosen Zorn in mir spürte, der mir das Blut ins Gesicht trieb.

Wie konnte der alte Kauz einfach verschwinden und uns hier mitten im Nirgendwo stehen lassen?
 

„Tut mir Leid“, sendete ich eine zerknirschte Entschuldigung in seine Richtung ab.

„Was hast du denn gesagt?“, kam es neugierig von ihm. Ich hielt es für besser mich nicht zu wiederholen. Der Mann war schon empört genug gewesen, als ich den Hokage beim Vornamen genannt hatte.

„Nichts nettes.“ Seufzend drehte ich mich von ihm weg um die Wiese zu betrachten auf der vor kurzem noch die Illusion eines ganzen Dorfes gestanden hatte.

Diese ganze Chakra-Sache bereitete mir Kopfschmerzen, denn es schien kaum etwas zu geben, dass sich damit nicht anstellen ließ. Geistesabwesend kaute ich auf meiner Unterlippe, während ich mich fragte was noch alles im Bereich des Möglichen lag.

Tenzou indessen hatte seine Hände gehoben und nach einer Abfolge von Handzeichen löste auch er sein Jutsu auf. Das Gasshō- Haus verpuffte, ähnlich wie der Sandaime, in einer Rauchwolke.

„Es war keine Illusion?“

„Nein, sonst hätte ich die Tür nicht aufbrechen müssen, oder?“

Auch wieder wahr.
 

„Wir sollten uns auf den Weg machen. Oder brauchst du noch etwas Zeit um dich auszuruhen?“ Seine weiche Stimme war freundlich und dennoch hörte ich Distanz, Ernsthaftigkeit und Vorsicht heraus. Der Holzninja vertraute mir nicht, was ich ihm auch nicht verübeln konnte.

Der alte Mann hatte es da auch nicht besser gemacht, indem er uns einfach hier hatte stehen lassen. Unsere Kampfhandlungen von letzter Nacht hatten wir noch nicht vergessen.

Angespannt standen wir nebeneinander bis der Braunhaarige fast unmerklich mit den Schultern zuckte und sich wegdrehte.

Anscheinend wollte er die Situation etwas auflockern oder zumindest die Starre unterbrechen in der wir uns beide befanden.

Er sprang mit einem Satz zu einem größeren Stein in der Umgebung, hinter dem er einen kleinen Rucksack hervorzog.

Stirnrunzelnd betrachtete ich ihn, als er mit seinem Gepäck wieder vor mir aufkam. Letzte Nacht hatte er definitiv keinen Rucksack gehabt.

„Nein, keine Pause.. aber... können wir langsam gehen?“ In mir rebellierte mein verletzter Stolz, als ich mir eingestehen musste, dass mich die Erlebnisse dieser Reise ziemlich angestrengt hatten.
 

„Na klar!“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, was ihm wirklich gut stand.

„Danke, Tenzou.“ Ich zögerte einen Moment, während wir uns gemächlich in Bewegung setzten und in Richtung der Baumgrenze wanderten und somit auch auf den befestigten Weg zu, den ich bei meiner Ankunft gemieden hatte.

„Wie hat er das gemacht?“

„Was meinst du?“ Verwirrt über meine Frage runzelte der Ninja seine Stirn.

„Er ist einfach... verschwunden.“, umschrieb ich das Verhalten des Hokages, um das meine Gedanken kreisten. Es ärgerte mich ein wenig, dass ihn die plötzliche Verpuffung seines Heeren in keinster Weise zu stören schien.

„Das war das Jutsu des Schattendoppelgängers“, erklärte er mir. „Sag bloß, das kennst du nicht.“

„Nein“, erwiderte ich lediglich und der Shinobi merkte, dass er in ein Fettnäpfchen getreten war. Wenn ich kein Chakra benutzten konnte, woher sollte ich dann wissen, welche Arten von Anwendungen daraus entstanden?

Schweigend sah Tenzou geradeaus, während er wohl überlegte, wie er die Situation retten konnte.

In meinem Kopf überschlugen sich derweil die Gedanken, in dem Versuch alle neue Erfahrungen und Informationen in eine überschaubare Ordnung zu bringen.

Irgendwann musste ich jedoch frustriert aufgeben, denn es fehlte mir vor allem an Letzteren um die Dinge in eine, für mich fassbare, Reihenfolge zu legen.

Meinem Begleiter schien in der Zwischenzeit auch keine Lösung für sein eigenes Problem eingefallen zu sein, zumindest wagte er es nicht noch einmal das Wort an mich zu richten.

'Das wird wohl ein wunderbarer Heimweg', dachte ich pessimistisch.

Mit starrem Blick bewegte er sich mit geschmeidigen Schritten neben mir her, während über uns die Sonne immer tiefer sank und sich der Himmel erst orange, dann blutrot färbte.

Nachdenklich schaute ich das Farbschauspiel an.

In meiner Heimat hatte ich nie sonderlich auf die Sonnenuntergänge geachtet. Weder emotional, noch visuell.

Wobei ich zugeben musste, dass sie in der Stadt auch nie so schön gewesen waren.

'Oder ist es mir nur nie aufgefallen?'

Energisch schüttelte ich meinen Kopf, um die Erinnerungen zu vertreiben.
 

„Langsam wird es dunkel“, unterbrach ich nach einer Weile die Stille.

„Gehen wir noch solange weiter, bis wir eine Stelle finden, an der mehr Platz ist.“ Ohne eine weitere Erklärung verließ der Ninja den Weg und schlug sich in die Büsche. Überrumpelt blieb ich einen Moment am Straßenrand stehen. Was meinte er denn mit 'mehr Platz'?

Ratlos sah ich ihm hinterher.

Doch im Grunde machte es eigentlich keinen Sinn sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was er genau gemeint hatte. Ich befand mich hier buchstäblich im Wunderland, was bedeutete, dass ich mich tatsächlich pausenlos wunderte. Daher zuckte ich mit den Schultern und beeilte mich ihm zu folgen, bevor ich ihn gänzlich aus den Augen verlor.
 

„Wow!“, beeindruckt riss ich die Augen auf. „Tenzou, das ist …..“, ich war sprachlos. Vor mir stand ein riesiges Haus aus Holz.

Freilich hätte ich es mir wohl denken können, schließlich hatte der Mann vor nicht wenigen Stunden zusammen mit dem Hokage ein ganzes Dorf aus dem Nichts geschaffen. Dennoch. Dabei zusehen zu können, wie aus dem Boden starke Holztriebe hervorbrachen, sich gegenseitig umschlangen bis sie wiederum von neuen Balken ummantelt wurden war faszinierend und unglaublich zugleich.

„unbeschreiblich schön“, beendete ich meinen Satz. Und es stimmte. Das zweistöckige Gebäude, dass er mit Hilfe seines Chakras wortwörtlich aus dem Boden stampfte, war ein Prachtbau.

Trotz der Dunkelheit um uns herum spendete der gerade aufgehende Mond und die Sterne genug Licht um einige der Details wahrnehmen zu können.

Über und über mit Schnitzereien bedeckt, erstrahlte es in stiller Erhabenheit.

Mein enthusiastischer Ausbruch löste bei meinem Begleiter allerdings Verlegenheit aus und mit einem Hauch rosa im Gesicht, den ich mehr erahnte denn sah, verschwand er wortlos im Inneren.

„Es ist leider ziemlich dunkel hier drin“, tönte seine angenehme Stimme nach draußen. Beim Anblick des Gebäudes wusste ich auch wieso es im Haus selbst stockfinster sein musste.

Trotz des riesigen Ausmaßes gab es, soweit ich erkennen konnte, lediglich ein einziges Fenster in der obersten Etage.

Der Eingangsbereich war demnach unbeleuchtet sofern man mit Chakra nicht auch noch elektrisches Licht herbeizaubern konnte.

Schocken würde mich das aber auch nicht mehr.
 

Um mich irgendwie nützlich zu machen holte ich meine kleine Taschenlampe heraus und knipste sie an, während ich ihm durch die Eingangstür folgte.

Der Lichtstrahl fiel auf eine Treppe, deren beidseitiges Geländer ebenfalls voller Schnitzereien waren. Von dem Ninja war weit und breit keine Spur.

Über mir hörte ich Schritte. „Wo bist du?“, fragte ich ruhig.

Stille.

'Na wunderbar', grummelte ich in mich hinein.

Stufe um Stufe näherte ich mich vorsichtig der oberen Etage. Das tappende Geräusch über mir war verstummt, so dass es nun mucksmäuschenstill war. Eine Gänsehaut überzog meine Arme. Irgendetwas war hier faul.
 

„Hier bin ich“, heftig zuckte ich zusammen. Der Mann stand genau hinter mir, wobei ich seine Anwesenheit lediglich spürte, denn in meinem Schreck hatte ich meine Lampe gelöscht und war zur Seite gesprungen, bereit mich zu verteidigen.

Vage fragte ich mich, ob er mich vielleicht mit Absicht erschrocken hatte. Die Antwort auf diese Frage hätte ich wohl bei jedem Anderen mit ja beantwortet. Doch der Shinobi schien mir für einen solchen Humor eigentlich zu ernst zu sein. Während ich den Bruchteil einer Sekunde diesem Gedanken nachhing schlug mein Herz so heftig, dass ich sicher war, es würde gleich aus meiner Brust springen. Das Adrenalin schoss durch meinen Körper und hätte ich nicht schon mit so einer Überraschung gerechnet, wäre ein blaues Auge noch die harmloseste seiner Verletzungen gewesen.

Äußerlich um Ruhe bemüht, schob ich mein letztes Kunai zurück in die Schlaufe, bevor ich das Licht wieder anschaltete und ihm fest ins Gesicht sah.

„Ehmm, tut mir Leid“, perplex starrte er mich an, wobei er durch seine eigentümlich geformten Augen eine noch größere Ähnlichkeit mit einer Katze hatte.

„Nicht schlimm.“, presste ich hervor und versuchte meinen Puls wieder zu beruhigen.

„Ich mag keine Dunkelheit. Und ich mag es auch nicht, wenn jemand im Dunkeln hinter mir steht.“ Tenzou blinzelte neugierig geworden und schien auf mehr zu warten. Aber ich hatte schon zu viel erzählt. Um das Thema abzuwiegeln, drehte ich mich zur Seite und brachte die verbliebenen Stufen der Treppe zur oberen Etage hinter mich.

Der Lichtstrahl der Lampe flog von der einen zur anderen Seite und zeigte mir, dass von dem Gang zwei Türen in weitere Zimmer abgingen.

„Du redest nicht sonderlich viel, oder?“, fragte eine weiche Stimme neben mir.

„Doch“, ich überlegte nach der richtigen Formulierung.“ Aber ich brauche sehr lange, bis ich einen schwierigen Satz im Kopf übersetzt habe.“ Verlegen sah ich ihn an. „Da lasse ich es meistens.“

„Deswegen hast du also während des Kampfes nichts gesagt?“ Damit hatte er nicht einmal schlecht geraten.

„Nicht nur deswegen.“

Ich bekam die stumme Aufforderung weiterzureden.

„Ich rede generell ...wenig in einem Kampf. Wieso sollte ich auch viel sprechen?“

Das schien ihn zum Nachdenken zu bewegen und eine Weile stand er reglos auf dem obersten Absatz.

Im Grunde war es einleuchtend, auch für ihn, denn da er selbst als Kämpfer eine Maske trug war es wohl nachvollziehbar genug, nirgends mit der eigenen Identität hausieren zu gehen.

„Du hättest Informationen über mich sammeln können“; antwortete der Braunhaarige langsam und brachte mich damit aus dem Konzept. Zwar hatte ich mittlerweile genug Übung in normalen Gesprächen, aber das hier ging tiefer in die Materie.

„Ich hatte alle..Informationen... die ich brauchte. Und ich wollte dir keinen Hinweis über mich geben.“

Tenzou deutete durch ein Nicken an, dass er verstand worauf ich hinaus wollte.

„Du bist ziemlich groß für eine Frau. Hättest du in einem günstigen Augenblick etwas gesagt, hätte es womöglich für einen Moment der Unaufmerksamkeit gesorgt. Eine gute Idee.“

Damit war das Thema scheinbar beendet und er ging, begleitet vom Schein meiner Leuchte, durch die Tür zu meiner Linken.

Unentschlossen stand ich nun alleine in dem kleinen Flur und fragte mich, ob ich ihm folgen oder in das andere Zimmer gehen sollte.

„Worauf wartest du denn? Wenn du es im Dunkeln nicht magst, wirst du wohl in einem Zimmer mit mir schlafen müssen. Durch das Fenster hast du wenigstens etwas Licht.“

Demnach hatte ich richtig geraten und es gab wirklich nur ein einziges Fenster im gesamten Gebäude. Gehorsam betrat ich hinter Tenzou den Raum und schloss die Schiebetür hinter mir.
 

„Machst du das öfters, so ein Haus, meine ich.“

„Nun, wenn ich mit einem Team unterwegs bin und es die Umstände zulassen, ja. Es ist doch etwas bequemer als draußen auf dem Waldboden.“

Während er sprach holte er aus seinem Rucksack eine Decke hervor.

Etwas neidisch dachte ich daran, wie schön ich es nun in meinem Schlafsack haben könnte. Doch der lag nach wie vor unter meinem Bett und somit außerhalb meiner Reichweite. Und obwohl die frühsommerlichen Junitage zum Teil brütend heiß waren, schlossen sich die Nächte den Temperaturen in keinster Weise an.

'Und diese hier wird sicher verdammt kalt werden', dachte ich mit einem leisen Seufzen, wonach ich mich mit etwas Abstand neben meinem Begleiter auf dem Boden nieder ließ.

Reglos sah ich ihm dabei zu, wie er ein weiteres Mal in seine Tasche griff und aus dem Inneren seines Gepäckstücks eine kleine Laterne zog, die er anzündete und zwischen uns auf den Boden stellte. Doch kein elektrisches Licht durch Chakra und obwohl es albern war, spürte ich eine leise Enttäuschung in mir.

Das flackernde Licht warf unheimliche Schatten an die Wand. Unwillkürlich lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.

„Du magst die Dunkelheit wohl wirklich nicht, oder?“, fragte mein Gegenüber.

„Ich denke niemand, mag die Dunkelheit“, entgegnete ich ausweichend.

„Oder magst du es ohne Licht?“ Wie zweideutig dieser unbedachte Satz von mir war, fiel mir eine Sekunde später auf und hoffte, dass der Ninja den Fauxpas einfach übergehen würde.
 

Eigentlich hatte ich mit allen möglichen Reaktionen gerechnet. Von lautem Lachen bis geflissentlichen ignorieren. Doch auf das was folgte war ich nicht vorbereitet, denn anstelle sich über mich lustig zu machen oder irgendwie anders darauf einzugehen stieß meine unglückliche Gegenfrage auf eine Wand des Schweigens. Offenbar hatte ich irgendeinen Nerv getroffen. 'Das hab ich ja wieder schön hinbekommen', schalt ich mich gedanklich.

Reumütig sah ich von der tanzenden Flamme zu dem jungen Mann, dessen Gesicht der Maske glich die er für gewöhnlich trug.
 

„Ich bin in ihr geboren worden, und sie ist mein ständiger Begleiter. Die Dunkelheit ist ein großer Teil von mir.“, kam es leise von Tenzou, als ich bereits nicht mehr an eine Reaktion geglaubt hatte und mich bereits entschuldigen wollte.

„Das glaube ich nicht“, entschied ich vorsichtig.

„Wieso sagst du das?“ Es war eine intime Frage und ich konnte verstehen, wenn ich darauf keine Antwort erhalten sollte. So wie ich selbst meine Erlebnisse und meine Vergangenheit mit niemandem teilte, konnte ich es auch ihm nicht vorwerfen, wenn er es auf die gleiche Art handhabte.

Als er mir in die Augen sah veränderte sich etwas an seinem Blick. Der starre und harte Gesichtsausdruck, den er eben noch zur Schau gestellt hatte fiel von ihm ab und alles was blieb war eine stumme Mischung aus Gefühlen die ich gut kannte: Einsamkeit, Trauer und Verlust.

Unbewegt sah ich ihm weiterhin in die Augen und obwohl er mich ansah, wusste ich doch, dass er mich nicht mehr wahrnahm.

Während er durch mich hindurchsah, bewegte ich mich keinen Millimeter, selbst meine Atmung hielt ich so flach wie möglich. Viel zu zerbrechlich war der Moment in dem wir uns befanden, denn der Mann entschied gerade darüber, ob er mir einen Teil seiner Gedankenwelt zeigen wollte oder nicht. Eine falsche Bewegung meinerseits und er würde sich wieder hinter seiner ernsten und starren Maske verschanzen.
 

„Ich gehöre zu den Anbu.“, flüsterte er. Ohne ein Wort zu sagen, sah ich ihn weiter an, während er seinen Blick wieder senkte und sich auf die Laterne zwischen uns konzentrierte.

„Es eine Abkürzung für [An]satsu Senjutsu Tokushu [Bu]tai. Die Attentatstaktiken-Spezialeinheit. Aber man nennt uns auch die 'dunkle Abteilung'.“

Wütend, trotzig und in gewisser Weise auch herausfordernd funkelten seine Augen in meine Richtung.

„Meine Identität als Attentäter wurde in der Dunkelheit geboren und nun friste ich mein Leben in ihr. Das ist das Schicksal eines jeden Ninjas und wir Anbu machen da keine Ausnahme. Die Masken verschleiern nicht ohne Grund wer wir sind.“ Er war immer lauter geworden.

„Das ist nicht wahr.“ Überrascht sah er mich an.

„Es ist Niemandes Schicksal in der Dunkelheit zu leben. Auch wenn du dich in ihr bewegst.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte er heftig. Nun war es an mir in das Feuer zu schauen. Die Schatten tanzten um das Glas herum, wie kleine Teufel.
 

Mir war der Moment völlig entgangen an dem die Situation gekippt war, doch an irgendeinem Punkt musste ich wohl etwas falsch gemacht haben.

Eine andere Möglichkeit war, dass er bereits emotional aufgewühlt diese Mission begonnen hatte. Sein Ausbruch hatte mich ziemlich überrumpelt, was sehr für diese Theorie sprach.

Zwar kam es nicht selten vor, dass Spezialkräfte irgendwann ihre grundsolide Substanz verloren und sich Luft verschafften, dabei spielte es dann auch keine Rolle mehr in welcher Umgebung sie sich gerade befanden. Ein harmloser Trigger reichte bereits aus. Doch für einen Mann, der einen so kontrollierten Eindruck machte, kam es unerwartet und auch etwas an Tenzous Art irritierte mich. Seine Frage war nicht nur eine Aufforderung gewesen. Es war auch eine fast flehende Bitte nach einer Antwort.
 

Eine Weile dachte ich darüber nach und kam zu dem Schluss, dass der Hokage ihm tatsächlich nichts von meiner eigenen Vergangenheit erzählt hatte und einen Moment lang wunderte ich mich, mit welchen Informationen Tenzou überhaupt in diesen Auftrag hineingegangen war.

„Ich weißt wie es in der Dunkelheit ist.“ Fest sah ich in seine schwarzen Katzenaugen. „Den Menschen die Hoffnung zu nehmen ist ihre Art.“

„Was meinst du damit?“, verständnislos und überrascht wanderten seine Augenbrauen nach oben.

„Hoffnung ist wie ein Licht.“ Mit meinem Finger tippte ich gegen die Laterne.

„Dunkelheit ist Zweifel. Er flüstert einem ein, dass die Finsternis überall ist. Absolut. Erbarmungslos. Aber das stimmt nicht. Sie ist nur so mächtig, wie du sie sein lässt.“

In Tenzous Miene spiegelte sich zunächst Unglauben, der sich nach einigen Herzschlägen in einen nachdenklichen Ausdruck verwandelte. Mit glasigem Blick sah er wieder in das kleine Feuer. Wo auch immer er gerade war, mich hatte er komplett ausgeblendet.
 

Ich griff nach meiner Gürteltasche, die ich neben mich gelegt hatte und holte eine Tube hervor. Dann griff ich nach der Laterne, die den Raum zwischen uns teilte und auf eine merkwürdige Art eine Mauer symbolisierte, die der Anbu zwischen uns errichtet hatte. Woher meine Initiative in diesem Augenblick kam, wusste ich nicht. Auch wieso ich das tat war mir gänzlich schleierhaft.

Bevor Tenzou wieder aus seinem Unterbewusstsein aufgetaucht war und sich wehren konnte, schob ich die Lichtquelle zur Seite um nach vorne zu rutschen. Vielleicht etwas provokativ setzte ich mich so nah vor ihn, dass sich unsere Knie beinahe berührten.

„Halt still.“, wies ich ihn an, während meine Hände den Schraubverschluss öffneten und solange auf den Corpus drückten, bis sich ein Fleck weißer Creme auf meinem Finger absetzte. Der Ninja sah mich auf einmal so entsetzt an, dass man meinen konnte, ich hätte vor ihn zu fressen. Mühsam unterdrückte ich ein Lachen, da er es schaffte wie eine Katze auszusehen, die man ohne Vorwarnung in eine Wanne voller Wasser warf.

„Das ist Heparinsalbe“, erklärte ich ihm. „Es hilft gegen das dicke Auge.“ Gemeint war damit natürlich sein Veilchen, aber geschickter konnte ich es nicht ausdrücken, nahm mir allerdings vor Iruka danach zu fragen.

Auch für das Arzneimittel benutzte ich lediglich den Namen, den ich kannte, was dem Anbu natürlich für das Verständnis gar nichts brachte. Doch immerhin saß er still da und ließ mich machen.

Braver Mann, kommentierte es in mir. Meine Antwort darauf war ein innerliches Augenverdrehen. So vorsichtig wie möglich, verteilte ich das Heparin auf der geschwollenen Gesichtshälfte, wobei ich immer deutlicher meine eigenen Verletzungen merkte. Meine Beweglichkeit schränkte sich allmählich immer weiter ein und jeder Muskel zog fürchterlich wenn ich ihn beanspruchte.

Ich musste sie untersuchen und versorgen so viel stand fest. Tenzou zuckt.

„Oh, tut mir Leid.“ Mitfühlend sah ich ihn an und verrieb den letzten Rest so sanft wie möglich. „Es ist leider schon etwas spät für das Mittel. Aber ein wenig wird es helfen.“ Lächelnd schraubte ich die Tube wieder zu um sie in meiner Tasche zu verstauen.

Angestrengt überlegte ich wie ich meine Wunden am besten reinigen konnte. Die kühle Nachtluft trug die verschiedensten Geräusche zu uns und eines davon war unverkennbar das Plätschern eines Flusses. Mit einem Schauer dachte ich an das sicherlich furchtbar kalte Wasser, aber es nutzte nichts.

Der Tag war ziemlich warm und schwül gewesen, so dass ich bereits das Gefühl hatte mit meiner Kleidung verschmolzen zu sein. Sie klebte wie eine zweite Haut an mir und je verschwitzter ich jetzt war, um so mehr würde ich in der Nacht frieren. Darüber hinaus hatte sich Staub nebst anderem Dreck auf meinen Schnittwunden abgesetzt und war eingetrocknet. Sollte ich sie nicht in nächster Zeit reinigen würde sich das Entzündungsrisiko stark erhöhen und Wundbrand oder gar eine Blutvergiftung konnte ich mir nun wirklich nicht leisten.
 

Misstrauisch beäugte ich eine Mücke, die begonnen hatte um uns zu kreisen.

„Ein Raubtier auf der Jagd“, murmelte ich gedankenverloren. Der Braunhaarige folgte meinem Blick und als er den Blutsauger entdeckte, grinste er mich an. Er schien inzwischen seine Gelassenheit wiedergefunden zu haben und ich beglückwünschte mich in Gedanken für die etwas unorthodoxe Idee von eben. Zumindest hatte sie ihren Zweck erfüllt, die Atmosphäre hatte sich merklich gelockert und auch von Tenzous Wut war nichts mehr zu sehen.

„Angst?“

„Nein“, entgegnete ich ruhig, während ich das Biest weiter beobachtete. Seelenruhig drehte es weiter seine Kreise um uns. Sicherlich hatte es seine Schwierigkeiten sich zu entscheiden wer von uns beiden die geeignetere Beute abgab.

Nach zwei weiteren summenden Runden festigte sich ihr Entschluss und sie ließ sich auf Tenzous Arm nieder.

'Glück gehabt', ich entspannte mich, machte aber die Rechnung ohne den Ninja. Dieser hob nämlich seine Hände, machte ein Zeichen und an der Stelle seiner Haut, wo die Mücke sich niedergelassen hatte brach ein kleiner Zweig durch seine Haut. Erschrocken ergriff sie die Flucht und schwirrte nun wieder in der Luft herum. Blödes Chakra.
 

Anscheinend frustriert über sein unwilliges erstes Opfer, schien das Insekt nun seine Angriffstaktik geändert zu haben und summte ohne viel Federlesen und Verzögerung auf mich zu.

„So nicht, Schwester“, murmelte ich leise in meiner Sprache, damit Tenzou mich nicht verstand und wartete mit zusammengekniffenen Augen den besten Moment ab. Langsam hob ich die Hand und knallte sie, wenig damenhaft, samt Mücke auf den Boden.

Der Ninja schüttelte sich vor Lachen. Verlegen lächelte ich ihn an.
 

„Ich habe draußen irgendwo Wasser gehört. Ich brauch dringend ein Bad.“, wechselte ich das Thema, während ich nach meiner Tasche griff und mich aufrichtete. Immer noch grinsend nickte er mir mit verschränkten Armen und einer merkwürdig selbstgefälligen Miene zu.

Du hast die Situation gut gemeistert, das Eis scheint gebrochen zu sein.

Gedankenverloren nickte ich mir zu während meine Füße tastend die Treppe herunterstiegen. Draußen war der Mond mittlerweile höher gestiegen, so dass um mich herum alles in ein silbriges Licht getaucht war.

So war es leicht über Wurzeln und Gestrüpp zu steigen, ohne zu fallen. Um mich herum zirpten ausgelassene Grillen und irgendwo in einiger Entfernung hörte ich eine Eule. Mit zunehmender Lautstärke des Rauschens wusste ich, dass ich mich dem Wasser näherte. Beinahe wäre ich in den Fluss hineingefallen, da sein Lauf direkt hinter einem Busch lag, durch den ich mich drückte. Gerade noch rechtzeitig konnte ich mich an einem Zweig des Gestrüpps festhalten, sonst wäre ich wohl samt und sonders baden gegangen. Ein wenig weiter Stromaufwärts entdeckte ich eine geeignete Stelle um meine Sachen trocken abzulegen und in die gemächlich fließenden Fluten zu steigen.
 

Ohne groß nachzudenken, nahm ich meine Weste ab. Der Teil des Waldes erschien mir entlegen genug um nicht von einem ungebetenen Gast überrascht zu werden.

„Hnnn“, stöhnte ich, als ich meine Arme in eine anstrengende Position hob um an dem Kleidungsstück die Verschlüsse zu öffnen.

Meinem Protektor folgten Gürtel, Stiefel, Hose, das T-Shirt und schließlich auch meine Unterwäsche. Prüfend sah ich an mir herab. Die Stelle an der mich der Hokage in die Magengrube geschlagen hatte war geschwollen und blau, was ziemlich übel aussah.

Aber besonders schlimm hatte es meine rechte Seite erwischt an der ich den Treffer vom Holzninja kassiert hatte. Sanft tastete ich sie ab.

Gebrochen war zum Glück nichts, aber die Prellung war äußerst Schmerzempfindlich, weswegen ich scharf die Luft einsog.

Der restliche Schaden war schnell begutachtet: ein paar Kratzer, einige Schürfwunden und eine Hand voll weitere blauer Flecken. Nicht weiter schlimm und auch nichts was ich nicht gewohnt war. Auch die Schnitte an meinen Beinen stellten sich bei näherer Betrachtung als nicht besorgniserregend heraus. Zwar mussten sie trotz allem versorgt werden, aber eine akute Gefahr ging von ihnen nicht aus. Vorsichtig tauchte ich meinen Fuß in das Wasser um die Temperatur zu prüfen. Es war kalt, aber nicht unangenehm. Langsam ließ ich mich in die sanfte Strömung gleiten und stellte erstaunt fest, dass wenige Meter neben mir ein überspülter Findling unter der Wasseroberfläche lag. Kurz stand ich in der leichten Strömung und genoss das leicht ziehende Gefühl an meinem Körper, dann watete ich hinüber zu dem Stein, der eine geradezu ideale Größe hatte und praktischerweise in einer kleinen Ausbuchtung des Flussbettes lag, in der die Strömung noch weiter ausgebremst wurde. Das Wasser ging mir bis zur Mitte meiner Rippen und so machte ich mir keine Sorgen, dass ich vielleicht mit dem Kopf unter die Oberfläche geraten könnte, sollte wider Erwarten doch eine Welle mich erreichen.

Um mich herum wurde das Wasser tiefer und wenn ich gewollt hätte, wäre es mir möglich gewesen ein wenig zu schwimmen.

Das flüssige Element kräuselte sich um mich herum, als ich meine Beine anzog und meine Arme um sie schlang. Mit geneigtem Kopf ließ ich die Ruhe meiner Umgebung in mich hinein fließen und schloss umgeben von den Geräuschen der Nacht genießerisch die Augen. Das kühle Wasser war eine Wohltat, denn es wusch nicht nur den Schweiß und den Dreck davon sondern kühlte auch meinen geschundenen Körper. Ich hob meine Hand und beobachtete wie das Wasser von meinen Fingerspitzen tropfte. Was für ein Tag und was für eine Nacht.

In meinem Kopf spielte ich alles noch einmal durch: das Gefühl als ich gemerkt hatte, dass ich verfolgt wurde, die Kunais, meine Flucht durch die Bäume, der erste Kampf zwischen Tenzou und mir auf der Lichtung und die Handzeichen die er gemacht hatte um sein Jutsu zu wirken. Dann sein Partner, der eigentlich Hiruzen gewesen war. Die Erddrachenbombe, mein Sprung in den dunklen Abgrund, Benjiro und Dai. Hoffentlich ging es den Beiden gut, und sein Kind war gesund zur Welt gekommen.

Ziellos irrten die Erinnerungen durch meinen Kopf ohne an einer bestimmten Stellen stehen zu bleiben. Sanft strich ich mir dabei über meine Arme und erschauerte. Es war lange her, dass ich zärtlich berührt worden war. Eine gefühlte Ewigkeit.

Auch war es mir in den letzten Jahren nicht möglich gewesen mich selbst auf diese Weise zu berühren. Seufzend verschränkte ich meine Arme wieder auf meinen Knien und auch meine Gedanken tauchten wieder in den Strudel ein, der in meinem Inneren tobte: Was war eigentlich ein Genjutsu, wie konnte der Alte einfach so verschwinden und hatte ich eigentlich eine reelle Chance gehabt?

Meine Hand tastete nach meinem Nacken und befühlte die beiden verbliebenen Metallbolzen. Ihr außenliegendes Ende war rund, so dass sie sich anfühlten wie Stecknadelköpfe. So klein, und so unscheinbar.

Frustriert schloss ich die Augen. Im Grunde konnte ich dem Hokage nicht böse sein, ich hatte immerhin einem Test zugestimmt. Dennoch hatte er sein Versprechen gebrochen und einen Mann mit mir in die Arena geschickt. Dieser Mann, gehorchte seinem Herren blind ohne eine Frage zu stellen. Das sprach einerseits für den Ruf den der Hokage bei seinen Untergebenen genoss, andererseits gingen mir die Worte des Anbu nicht mehr aus dem Kopf.
 

Die Shinobi sind merkwürdige Menschen. Ehre und der Wille ihr Dorf zu schützen geht ihnen über Alles. Aber dieser Wille hat auch seine Kehrseite. Tenzou scheint sich nicht als richtiger Mensch zu sehen, sondern als ein Schatten, flüsterte die Stimme in mir.

'Er sieht sich als Werkzeug', korrigierte ich traurig. 'Er würde für das Dorf sein Leben geben, doch er vergisst dabei, dass er auch selbst leben muss.' Aber konnte ein Mann in seiner Position die Welt noch positiv sehen? Als Attentäter führte man unbestritten ein Leben im Verborgenen und in einem Kreislauf ewiger Gewalt.

Ob der Mann mit seinen faszinierenden Augen, vielleicht nicht mehr durch die Dunkelheit sehen konnte? Vergaß er womöglich zunehmend den Grund, für den er so viel von sich aufgab? Die Vermutung lag nahe, ansonsten hätte er seine Worte anders gewählt.

Es ist die Krankheit einer von zu vielen Kämpfen vergifteten Welt, der traurige Tonfall entging mir nicht und ich ließ ihn in meinem Bewusstsein widerhallen.

'Du hast schon viele solcher Menschen gesehen, oder?', fragte ich in mich hinein.

Ja, war die schlichte Antwort.

Wie in Trance betrachtete ich den im Wasser vor mir gespiegelten Mond bis ich schlussendlich sogar jegliches Zeitgefühl verlor.

Erst als neben mir ein Frosch in das Wasser sprang zuckte ich zusammen. Der Moment verlor sich und wurde zusammen mit dem Wasser fortgespült. Ich ließ mich vom Felsen ins tiefere Wasser gleiten und begann mir zuerst meine Arme, dann meinen Oberkörper und zuletzt auch, so gut es ging, die Beine zu waschen. Am Ende tauchte ich sogar unter und schrubbte mir unsanft die Haare. Eingehüllt in silbernes Licht trat ich wieder ans Ufer, wo ich mir eines ziemlichen Problems bewusst wurde: Ich hatte nicht daran gedachte, dass ich etwas zum abtrocknen brauchte. Eine leichte Brise streifte meine nasse Haut, auf die mein Körper unverzüglich reagierte.

Da ich nicht warten konnte bis der feuchte Film auf meiner Haut von alleine verschwand, benutzte ich widerwillig mein Shirt als Handtuch.

Danach kümmerte ich mich um die grobe Versorgung meiner Verletzungen.

Wie vorher bei Tenzou, rieb ich mir das Heparin auf die rotbläulichen geschwollenen Stellen an meinem Körper und fand in meiner Tasche die inzwischen trockenen Bandagen.

„Wie in einer Apotheke“, grinste ich und wickelte sie mir fest um den Torso und meine Beine. Dann zog ich auch den Rest meiner Kleidung an und machte mich auf den Rückweg in das Holzversteck.
 

Tenzou hatte sich derweil bereits eingerichtet, was im Grunde hieß, dass er sich in seine Decke gerollt hatte und an die Wand gelehnt dasaß.

Als ich durch die Tür trat, öffnete er die Augen und sah mich verschlafen an.

Die Lampe stand immer noch da wo ich sie zurückgelassen hatte und auch die kleine Flamme loderte noch innerhalb des Glases. Hatte er etwa auf mich gewartet?

„Hey“, durchbrach ich leise die Stille.

„Ah, da bist du ja. Du warst ziemlich lange weg.“ „Ja stimmt, der Mond war sehr schön, ich habe ihn lange angeschaut und die Zeit vergessen.“ Ich gähnte herzhaft und hielt mir dabei die Hand vor den Mund.

Meinen Schlafplatz wählte ich wenige Meter neben dem Anbu, zwar würde ich es nicht zugeben, aber in dieser Nacht war ich froh einmal nicht allein zu schlafen und genoss die menschliche Nähe.

Wie ein Embryo rollte ich mich mit dem Rücken zu ihm zusammen. Drehte mich aber doch noch einmal zu ihm um.

„Gute Nacht Tenzou.“ Schmunzelnd und gleichzeitig verwirrt betrachtete ich sein überraschtes Gesicht. Selbst eine solche Geste schien für ihn ungewohnt zu sein. Wortlos sah er mich an und damit die Situation nicht peinlicher wurde, als sie sowieso schon war, drehte ich mich wieder mit dem Rücken zu ihm. Schläfrig schloss ich die Augen um sie kurze Zeit später wieder zu öffnen.

Es war verdammt kalt.

Im Grunde war das auch kein Wunder, lag doch mein nasses Shirt vor dem Zimmer über dem Geländer um bis zum morgen zu trocknen.. Ich trug also obenrum nicht außer Bandagen und meine Weste. Außerdem waren meine Haare immer noch ziemlich klamm, was mir zusätzliche Wärme entzog.

„Hier“, Überrascht drehte ich mich um.

Seine angenehme Stimme klang weich, als er mir seine Decke hinhielt. Nun war es an mir ihn mit großen Augen anzuschaun.

„Ich kann seine Zähne bis hier her klappern hören“, lachte er.

„Oh“, verlegen starrte ich vor mich hin.

„Oh“, entfuhr es mir einen Augenblick später noch einmal, als er seinen Finger wie einen Ast wachsen ließ und mir so den Stoff reichte. „Danke, frierst du nicht?“

„Anbu frieren nicht“, erklärte er mir im Brustton der Überzeugung. Mit einem leisen Lachen nahm ich die Decke von seinem Finger. Wohlig schlang ich sie um meine Schultern und legte mich wieder auf den Holzboden, dieses Mal allerdings mit dem Gesicht zu Tenzou. Mühsam ein weiteres Gähnen unterdrückend fielen mir fast sofort die Augen zu.

„Haruka?“

„Mhmm...?“

„Gute Nacht“ kam es zögernd, doch bevor ich noch etwas erwidern konnte war ich eingeschlafen.
 

'Ich wurde in Dunkelheit geboren und friste mein Leben in ihr.', erschrocken zuckte ich zusammen. Verwirrt blinzelte ich und sah Tenzou, nur wenige Schritte entfernt, mit dem Rücken zu mir sitzend. „Was ist los? Ist es schon morgen?“, fragte ich ihn gähnend. Er reagierte nicht.

Vielleicht war der Anbu ja wach geworden und im Sitzen wieder eingeschlafen, mühsam drückte ich mich hoch und hielt mir meine schmerzende Seite. Der nächste Morgen war immer der Schlimmste.

„Hey, Tenzou, wach auf“, sanft berührte ich ihn an der Schulter und lief um ihn herum. Aber es war nicht Tenzou, der vor mir saß.

Es war Kristan, der die selbe Uniform wie der Anbu trug. Entsetzt weiteten sich meine Augen, als ich an ihm hinunter sah. Unter seinem Kinn klaffte ein riesiger roter Riss und seine Augen sahen mich leblos an.

Endloses Grauen ergriff mich, als sich der rote Spalt zu bewegen begann und wie ein Mund gurgelnde Wörter bildete. Schwarzes Blut quoll dabei hervor, lief an seinem Hals über seine Uniform herunter und bedeckte den Boden vor mir. Dick und ölig glänzend wie Pech, tropfte es herab.

„Du hast versagt“, formte der groteske Mund und grinste dann. „Sie sind alle hier... bei uns.“ Ein neuer Schwall Blut, schoss heraus, und bedeckte meine Füße.

„Die Dunkelheit ist überall, WIR sind überall“, gurgelte es. Um mich herum wurde es merkwürdig dunkel. Zitternd und bebend stand ich, wie zu einer Salzsäule erstarrt, vor dem Mann den ich liebte. Am Rande meines Blickfeldes begann sich etwas zu bewegen, was mich dazu veranlasste meinen Kopf zu drehen.

Zu meinem Entsetzen kroch aus allen Ecken des Zimmers, schmatzend, saugend, das gleiche schwarzes Blut auf mich zu, das sich bereits zu meinen Füßen befand.

„Die Dunkelheit wird dich verschlingen. Sie wird euch ALLE verschlingen“, kreischte es und aus den Tropfen wurden Sturzbäche.

Würgend, wollte ich zurückweichen, doch meine Beine waren bereits über und über bedeckt. Wie frisch gegossener Teer hielt es mich fest, sodass ich der Länge nach hinfiel.

„Nein.“, flüsterte ich flehend. Aus der schwarzen Masse um mich herum formten sich die Gestalten meiner Familie, tot und leblos. Mein Vater mit durchbohrter Brust, meine Mutter mit zerfetztem Gesicht. Blind bewegten sie sich auf mich zu, schwankend und bei jedem Schritt löste sich die Masse nur schwerfällig von den Holzdielen. Jede Bewegung wurde mit einem saugenden, bizarren Ton begleitet.

Mein Brust war wie zugeschnürt, sodass ich nicht atmen konnte. Schreiend sah ich an mir herunter, nur um festzustellen, dass die Masse sich wie ein Tentakel um mich gewunden hatte. Langsam aber beständig zog sie sich immer fester. Ich bekam keine Luft mehr.

Dann klatschte die erste Welle schwarzes Blut in mein Gesicht, wie eine Ertrinkende spuckte ich aus, und versuchte mich zu wehren.

„Haruka!“ Heftig begann mich der Tentakel hin- und herzuwerfen, als mich eine zweite Welle traf um mich zu ersticken.

„Haruka!“ Unsanft wurde ich geschüttelt.

„Wach auf, um Himmels Willen!“

Panisch schoss ich hoch und krallte mich in das erst Beste, das mir Halt gab. Scheinbar automatisch schloss der Ninja seine Arme um mich.

Zitternd und unfähig auch nur ein einziges Wort hervorzubringen, saß ich da, meine Hände in Tenzous Pullover gekrampft.

„W-Was?“, fragte ich aufgebracht.

„Du hast geschrien wie am Spieß, deswegen hab ich dich geweckt. Du hattest einen Albtraum.“

Obwohl seine Stimme ruhig war, hörte ich doch die Besorgnis, was mich veranlasste meine Hände zu zwingen sich zu öffnen und auch der Ninja öffnete seine Arme wieder.

„Besser?“ Immer noch zitternd nickte ich. „Ja, es war … nur ein blöder Traum.“, mein Versuch ihn anzulächeln misslang gründlich und stattdessen zog ich eine Grimasse.

Seine Mundwinkel zuckten ein wenig, dennoch sah er mich mit einem merkwürdigen Blick an.

Beschämt sah ich vor ihm auf den Boden. „Ich hab dich sicherlich geweckt.“ Er zuckte mit den Schultern und grinste mich dann an.

„Nun, als Wecker machst du dich auf jeden Fall gut.“

Ungewollt musste ich kichern, er sah tatsächlich so aus, als ob er geradewegs aus dem Schlaf gerissen worden war. Seine Haare standen ihm wild in alle Richtungen ab. Wunderbar verpeilt sah er aus. Sofort wurde es mir warm ums Herz und verlegen lachte ich ihn an. Wir erhoben uns und da wir nun wach waren, entschieden wir uns, den Weg nach Konoha fortzusetzen. Nach meinem Traum fragte er nicht. Ich war ihm dankbar dafür. Ob es nun daran lag, dass er diskret war oder ich womöglich im Schlaf geredet hatte, war mir herzlich egal. Doch das Eis schien nun endgültig gebrochen und wir setzten unseren Weg plaudernd fort.

Nachdem er sein Jutsu aufgelöst hatte, war er, zumindest äußerlich, wieder ganz Anbu geworden, da er seine Maske wieder über sein Gesicht zog.

Als ich ihn darauf ansprach, erklärt er mir, dass er anhand seiner Kleidung bereits von Weitem als Spazialninja zu erkennen sei. Da Attentäter bekannterweise besser daran taten gesichtslos und anonym zu bleiben, war es nötig die Maske zu tragen.

Zuvor hatte ich ihn aber noch einmal das Heparin auftragen lassen. Die Schwellung war über Nacht bereits merklich zurückgegangen, so dass er zumindest wieder aus dem Auge schauen konnte. Verblüfft hatte er es zur Kenntnis genommen und mich gefragt was es für ein Mittel sei. Ausweichend hatte ich ihm geantwortet, dass er das sicherlich nicht genau wissen wollte. Damit hatte sich der Ninja, wenn auch misstrauisch, zufrieden gegeben.
 

„Ich habe eine Frage. Welche Information hattest du über mich? Wie war die Aufgabe?“

Die Frage überraschte ihn und einige Minuten war es still, als er überlegte.

„Ich bin gerade von einer Mission zurückgekommen, habe meinen Bericht abgeliefert, als der Hokage mich zu sich rief. Er erzählte mir, dass er einen Kämpfer beurteilen will, und ihn deswegen auf eine Mission geschickt hat, bei der dieser auch angegriffen werden soll.“, er machte eine Pause und zog eine Grimasse. Mit gerunzelter Stirn warf ich ihm einen beiläufigen Blick zu. Irgendwas schien bei seiner Mission passiert zu sein, das ihn letzte Nacht so hatte aus der Haut fahren lassen.

Hatte er einen Kameraden verloren?

„Er meinte, die Sache soll vertraulich behandelt werden und er würde einen Schattendoppelgänger mit mir mitschicken. Unterwegs hat er mir dann erzählt, dass unsere Zielperson – also du, kein Ninja ist, was ich spätestens dann bestätigt fand, als wir uns Gegenüberstanden.“

„Also hat der Hokage dir befohlen, dich zurückzuhalten.“, schlussfolgerte ich und meinem Begleiter entging mein Unterton nicht.

„Nun, eigentlich nicht. Im Gegenteil.“ Überrascht hob ich meinen Kopf und sah ihn an. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf, hinter der Katzenmaske vermutete ich ein unsicheres Lächeln.

„Er meinte, dass der Kurier zwar kein Chakra benutzt, aber ich dennoch mit ihm verfahren soll wie ich es gewohnt bin.“ Das Katzengesicht drehte sich zu den Bäumen an denen wir vorbei liefen.

„Eigentlich hatte ich vorgehabt, meine Holztechnik nicht zu benutzten, habe mich dann aber etwas mitreißen lassen.“

„Hast du gewusst, dass ich kein Mann bin?“, bohrte ich weiter.

„Was macht das für einen Unterschied? Aber nein, bis du die Maske abgenommen hast, wusste ich es nicht.“

„Es hätte nichts geändert, wenn du gewusst hättest, dass ich eine Frau bin?“, hakte ich nach. Meine konsequenten Fragen schienen ihm Unbehagen zu bereiten und ich war sicher, dass er das Thema lieber auf sich beruhen lassen wollte.

„Nein“, antwortete er ohne zu zögern.

Obwohl er damit mein Ego beruhigte, das sich nun wieder schnurrend in meiner Magengrube einrollte, war ich nicht zufrieden.

„Was ist los?“, erriet er meine Gedanken. Hilflos zuckte ich mit den Schultern. „Es ist eigentlich dumm, aber ich hatte das Gefühl, dass du dich zurückgehalten hast. Es nagt an mir“, gab ich dann frei heraus zu.

„Ich denke es hätte anders ausgehen müssen, du beherrschst schließlich dein Chakra. Und...“ Ich sprach nicht weiter und hoffte einfach darauf, dass Tenzou verstand was ich meinte.

„Du kannst deine Fähigkeiten hier nicht einschätzen.“, riet er.

„Ja“.

„Nun“, er zögerte einen Moment. „Ich hatte sicher nicht mit Absicht mich von dir würgen und bewusstlos schlagen lassen. Und es ist ziemlich … außergewöhnlich, dass du am Ende sogar das Genjutsu erkannt hast. Du hast mit Allem gekämpft, was dir zur Verfügung stand und hast im Ende nicht verloren, was bereitet dir daran Kopfzerbrechen?“, seine Stimme klang aufrichtig verwundert und interessiert.

„Ich fühle mich unsicher“, begann ich zögernd. „Da wo ich herkomme, kennt man keine Ninjas, Chakra, Jutsus, Genjutsus und Kunais. Wir haben andere Waffen, sie sind genauso gefährlich aber.. sie sind weniger fantastisch“, ließ ich die Katze aus dem Sack. „Es ist alles voll mit Maschinen, mit Rauch und hier ist alles so.. so...“, seufzend brach ich ab. Ich hörte mich an wie ein kleines Kind.

„Es ist schwer für mich all das hier zu begreifen“, endete ich unglücklich. Das Katzengesicht nickte und sah mich an. „Das hier ist für dich eine andere Welt.“ Ausweichend sah ich in eine andere Richtung.

„Ich will mich nie mehr hilflos fühlen.“, ergänzte ich leise. Ob Tenzou es gehört hatte, wusste ich nicht, zumindest sagte er nichts dazu, sondern schien selbst in Gedanken versunken zu sein.

„Warum hast du mir das Schmerzmittel in den Schoß gelegt?“,fragte er nach einer Weile.

„Du konntest nicht wissen, dass ich ein Konohaninja bin. Wieso hast du mich nicht getötet?“ Abrupt blieb ich stehen.

„Weil ein Leben kostbar ist. Um eine solche Entscheidung zu fällen hatte ich zum Einen nicht genug Informationen und zum Anderen habe ich gemerkt, dass du mich nicht umbringen wolltest.“

„Ich verstehe.“

„Tenzou, ich weiß durchaus wie wichtig es ist die richtigen Entscheidungen zu treffen und auch, dass Gehorsam und Disziplin überaus erforderlich sind. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen der Notwendigkeit und und purer Grausamkeit. Und was die Kopfschmerztablette angeht.“ sprudelte ich einfach hervor ohne darauf zu achten, ob er mich überhaupt verstand. Lächelnd beobachtete ich ein paar Vögel, die über uns dahin schwebten.

„Du warst mir irgendwie sympathisch.“

„Wie kann dir jemand sympathisch sein, wenn er bewusstlos ist?“

„Verrate ich nicht“

„Heh, jetzt sag schon.. bitte?“ Mit flehendem Unterton in der Stimme war er stehengeblieben.

„Neihein“, rief ich vergnügt und lief weiter.

Ich konnte ihm schließlich nicht sagen, dass ich mit Katzen schon immer gut konnte.

Kapitel 8 - Endlich wieder daheim

Die folgende Nacht verbrachten wir abermals in einem Haus, das Tenzou durch sein Jutsu heraufbeschwor und genau wie beim ersten Mal boten die Holzbalken, die aus dem Boden brachen, einen geradezu unglaublichen Anblick. Mir fiel auf, dass das Gebäude etwas kleiner als das Erste war und ich hegte den leisen Verdacht, dass er tags zuvor den riesigen Kasten nur aus einem einzigen bestimmten Grund beschworen hatte. Nämlich um mir zu imponieren und anzugeben.

Zu meinem Leidwesen musste ich mir, wenn auch widerwillig, eingestehen, dass er damit mehr als nur mäßigen Erfolg hatte, da ich nicht einmal ansatzweise meine Bewunderung und Begeisterung für sein Holzversteck verbergen konnte. Dabei spielte die Größe des Hauses keinerlei Rolle und der Ninja wäre sicherlich enttäuscht gewesen, wenn er wüsste, dass er sich weit weniger ins Zeug hätte legen brauchen.
 

Während der Nacht bekam ich kein Auge zu, weil ich ständig an den erstickenden Schlamm denken musste. Kaum schlossen sich meine Lider hatte ich das Gefühl wieder von dem Tentakel umwickelt zu sein und geschüttelt zu werden. Auch, dass ich mir einbildete den Schlamm auf meiner Zunge schmecken zu können, wirkte sich nicht förderlich auf meinen Schlaf aus.

Bei dem Gedanken an den süßlichen Verwesungsgeruch schoss mir augenblicklich Galle in den Mund und nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten aus dem Fenster zu spucken.
 

Gequält rollte ich mich stundenlang von einer Seite zur anderen auf der Suche nach dem erholsamen Schlaf, den ich so dringend brauchte und der sich einfach nicht einstellen wollte.

Dafür schlief der Anbu allerdings wie ein Stein.

'Eher wie ein Holzklotz', dachte ich ein wenig ungnädig, während er, tief in seinen Träumen versunken, ruhig ein- und ausatmete. Das silbrige Mondlicht, welches durch das Fenster auf sein Gesicht fiel, verlieh ihm einen beinahe sanften und friedlichen Ausdruck.

Wenn er wüsste, dass du ihn anstarrst, würde er sicher nicht mehr so ruhig schlafen. Die Stimme klang amüsiert.

Ertappt kniff ich einen Moment lang die Augen zusammen und rollte mich dann wieder auf den Rücken.

Die Decke war leider bei Weitem nicht so interessant. Aber immer noch besser, als dem Ninja erklären zu müssen, wieso ich ihn die halbe Nacht lang anstarrte.
 

Als der nächste Morgen anbrach weckte ich schließlich meinen Begleiter der, allem Anschein nach, nichts von meinem nächtlichen Beobachtungsmarathon an ihm bemerkt hatte.

Der Tag an sich verlief völlig ereignislos und ich dankte dem Schicksal, dass wir unser Schweigen vom ersten Zusammentreffen gebrochen hatten, denn die unmittelbare Umgebung bot einen Ablenkungsfaktor von ungefähr null. Es sei denn man war ein Eichhörnchen.

So vertrieben der braunhaarige Ninja und ich uns die Zeit mit Gesprächen, was den gemeinsamen Weg ungemein erleichterte.

Tenzou war ein wirklich angenehmer Weggefährte und im Verlauf des Tages hatte ich den Eindruck gewonnen, dass er in seiner Natur wohl ein eher ausgeglichener und weltoffener Mann war, was meine Theorie über die fehlgeschlagene Mission weiter untermauerte.

Gleichzeitig zu diesem Prozess, begann ich ein wenig am militärischen Führungsstil des Hokage zu zweifeln.

Die Antwort auf die Frage, wieso der Sandaime einen emotional angeschlagenen Shinobi mit sich nahm, ließ sich ziemlich leicht zusammenreimen, auch wenn es mir die Haare zu Berge stehen ließ.

Offensichtlich hatte der alte Mann sich keine Zeit genommen den Bericht des Anbu nach dessen Rückkehr durchzugehen und somit war dem Ninja eine neue Aufgabe erteilt worden, bevor er das Erlebte verarbeiten konnte. Eine andere Möglichkeit war, dass es dem alten Mann einfach egal gewesen war, doch das schien mir zu weit hergeholt.

Gern hätte ich gewusst, ob ich mit meinen Vermutungen richtig lag, doch ich war mir sicher, dass ich von dem pflichtbewussten Mann keine Antwort zu diesem Thema erhalten würde. Zum einen unterlagen Attentate, wie auch ihre Vor- und Nachbereitung nachvollziehbarer Weise einer Schweigepflicht, zum anderen schien er selbst noch Zeit zu brauchen um den Schock zu verarbeiten, was ich gut verstehen konnte. Daher war es keine Überraschung, dass er die Themen relativ neutral hielt und jede Wendung in eine private Richtung vermied.

Am Abend hielten wir auf einer Anhöhe von der aus wir das gesamte Umland überblicken konnten.

In einiger Entfernung ragte die Gebirgskette auf, vor der das Dorf errichtet worden war und von unserer Position aus konnten wir deutlich die Steinmonumente der früheren Dorfoberhäupter erkennen. Vom Dorf selbst war allerdings nichts zu sehen. Es lag, wie der Name bereits sagte, versteckt hinter den Blättern.
 

Die verbliebene Distanz die wir zu überwinden hatten, schätzte Tenzou auf einen guten Tagesmarsch, vorausgesetzt wir würden zügig und ungehindert vorankommen.

Ich spürte bei seinen Worten einen kleinen Stich, da wir für den Rückweg ein gutes Stück länger brauchten, als der Hokage veranschlagt hatte. Doch im Augenblick war ich zu müde um mich weiter darüber zu ärgern und begnügte mich mit einem Nicken in Tenzous Richtung.

Im Moment war es mir herrlich egal, ob wir für den restlichen Weg einen Tag oder ein Jahr brauchten. Der einzige Mittelpunkt um den meine Gedanken kreisten war die Frage nach einem Platz an dem ich mich hinlegen konnte.

In meiner Unaufmerksamkeit bemerkte ich erst zu spät, dass der Holzninja mit mir sprach. Blinzelnd sah ich in seine Richtung.

„Sei mir nicht böse, Tenzou, aber ich werde mich hinlegen. Mir schwirrt immer noch der Kopf.“ Um meine Aussage zu unterstreichen hielt ich mir besagtes Körperteil und rieb mir über die Augen. Seine Mundwinkel zuckten.

„War wohl doch etwas viel.“

'Ach was, das war nicht zu viel, ich höre jeden Tag, dass die Menschen Chakra haben und damit wie kleine Nuklearbomben sind', dachte ich sarkastisch.

Der Shinobi hatte mir während des Tages allerhand über dieses Energienetzwerk erzählt und die neuen Erkenntnisse arbeiteten sich nun merklich schwerfällig in meinen Verstand ein.

Die grobe Zusammenfassung war, dass das Chakra eines Ninjas eine gewisse Affinität zu einer Natur hatte. Es gab die fünf Hauptnaturen: Feuer, Wind, Blitz, Erde Wasser. Die, vorausgesetzt man beherrschte mehr als eine davon, zu einer Mischnatur verbunden werden konnten. Das Seishitsuhenka, also die Naturveränderung, war bei Tenzou demnach das Mokuton. Er benutzte Wasser und Erde und erschuf daraus für sich die Holznatur. Dabei befand sich das Wasserelement in seiner linken und das Erdelement in seiner rechten Hand, was den Vergleich mit einem atomaren Sprengkopf irgendwie rechtfertigte.

Aber, wie der Ninja zugeben musste, gab es noch viele andere Mischnaturen und er war sich sicher, dass auch er nicht einmal im Ansatz alle kannte.

Die meisten höheren Ninja beherrschten zwei Chakranaturen aus denen sie ihre Kampfstile entwickelt hatten. Seltener war es hingegen schon, dass ein Kämpfer drei Naturen miteinander verbinden konnte. Das lag vor allem an dem immensen Zeitaufwand den es benötigte um eine solche Manipulation zu erlernen. Einfacher hatten es da diejenigen, die in einen alten und mächtigen Ninjaclan hineingeboren wurden. Sie besaßen zuweilen das Kekkei Genkai, also eine Fähigkeit die einzig und allein durch Vererbung weitergegeben werden konnte. Da sie somit bereits eine eigene, sowie eine zweite angeborene Affinität hatten waren sie in der Lage noch eine Dritte zu trainieren.

Auf meine Frage, ob es jemanden gab der alle fünf Hauptnaturen beherrschen würde, hatte er sein maskiertes Gesicht geschüttelt und ich speicherte das Wort: unmöglich dazu ab.

Unmöglich war auch die schier unendliche und vielfältige Flut an Informationen. Und so interessant und spannend es war, hatte ich doch irgendwann den Überblick verloren und musste meinen Begleiter bitten mir den Rest zu einem späteren Zeitpunkt zu erklären, an dem sich das Bisherige sowohl gesetzt als auch gefestigt hatte und ich wieder Aufnahmefähig war.

Ich zuckte daher so neutral wie möglich mit meinen Schultern.

„Etwas Ruhe und ich kann dir wieder zuhören.“ Damit verabschiedete ich mich mit mit erhobener Hand aus dem Thema und schlenderte vom Rand der Anhöhe zu Tenzous' Holzversteck zurück.
 

Im Gegensatz zur vorherigen Nacht, in der ich mich ein wenig von ihm weggelegt hatte, entschieden wir uns dafür dieses Mal ein wenig näher zusammenzurücken. Die Idee war, dass Tenzou mich so leichter schütteln konnte, wenn ich schlecht schlief.

Im Nachhinein, stellte sich zwar heraus, dass der Plan aufging, doch der arme Tenzoz bezahlte einen hohen Preis dafür.

Wie auch in den Nächten zuvor überließ er mir freundlicherweise seine Decke in die ich mich erschöpft schmiegte und sofort einschlief als mein Kopf den Boden berührte. Doch auch meine Erschöpfung schützte mich nicht vor meinen Dämonen.

Diesmal mischten sich die Erinnerungen meiner Vergangenheit mit meinem neu erworbenen Wissen über Chakra und dessen Anwendungsbereiche, was meine Alpträumen auf eine ganz neue Realitätsebene brachte. Das Ende der Sequenzen allerdings blieb immer das gleiche: Kristan mit durchtrennter Halsschlagader.

Tenzou, der dadurch geweckt wurde dass ich mich wimmernd hin- und herwarf rutschte die wenigen Schritte zu mir, um mich an der Schulter zu fassen und zu wecken.

Zu seinem Pech drehte ich mich just in diesem Augenblick zu ihm und trat ihm, gefangen in dem Moment zwischen Realität und Traum, mit aller Kraft gegen sein Schienbein.

Wild fluchend sprang er mit schmerzverzerrtem Gesicht durch den Raum.

„Was soll das?“ Aufgebracht und unter Schmerzen funkelte er mich an.

„I-ich hab gedacht d-du wärst e-einer d-der S-soldaten...Das Blut...e-es lief auf m-mich z-zu.“, stotterte ich verstört, denn vor meinem Blickfeld vermischten sich noch immer Gegenwart und Vergangenheit, was zur Folge hatte, dass ich nicht einmal genau wusste wo ich mich augenblicklich befand – und mit wem.

„Was denn für Soldaten?“ Sein Tonfall änderte sich sofort zu einem ernsten und löste in meinem Gehirn eine verspätet Reaktion auf die Gesamtsituation aus.

Mit einem Schlag wurde mir bewusst, dass der Mann der wenige Schritte neben mir stand, gar nicht Kristan war, für den ich ihn gehalten hatte.

Die aufwallende Panik unterdrückte in meinen Kopf jeden logischen Gedanken. Ich fühlte mich entblößt, schutzlos, dumm und vor allem eines: stumm.

Es war eine Sache gewesen dem Hokage einen Teil der Geschehnisse zu schildern. Doch was das direkte Attentat auf mich und meine Familie anbelangte, hatte ich selbst vor dem alten Mann nicht eine Silbe verloren. Über das Davor und Danach hatte ich ihm zwar Auskunft gegeben, doch ich konnte die Bilder die mich so quälten nicht einfach mit jemand Anderen teilen. Selbst wenn ich es gewollt hätte.

Es war auch so schon eine unbeschreibliche Anstrengung gewesen, zumal unser Gespräch in strahlendem Sonnenschein stattgefunden hatte. Doch hier in dieser dunklen Hütte, inmitten eines schier endlosen Waldes zusammen mit einem Mann, den ich gerade einmal zwei Tage kannte, wollte ich noch weniger darüber reden.
 

Mein Verstand arbeitete fieberhaft an einer Lüge die plausibel genug war um von dem Ninja nicht direkt durchschaut zu werden. Doch mein Kopf war leer wie ein weißes Blatt Papier.

Es einfach auf einen weiteren schlechten Traum zu schieben war sinnlos, der Anbu kannte die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sicherlich genauso gut wie ich. Mein Verhalten während der Nächte, in denen er wach gewesen war stellte geradezu ein Paradebeispiel dafür dar.

„Was für Blut?“

Ein neues Gefühl drängte sich durch all die anderen nach oben: heiße und glühende Wut. Wut über diesen Mann, der mich vor zwei Tagen angegriffen hatte, ohne irgendwelche Informationen über mich zu haben. Wut darüber, dass dieser Mann nun von mir verlangte, dass ich ihm etwas von mir erzählte, obwohl er selbst nichts preis gab. Es war Wut, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich sie in mir trug.

In meinem Kopf konnte ich die Stimme spüren, die etwas zu mir sagte, mich ermahnte, doch ich ignorierte sie schlichtweg.

„Was bringt es dir, wenn du es weißt?“ Meine Stimme war so leise dass der Anbu es wahrscheinlich nicht einmal gehört hatte. Die Bitterkeit mit der ich zu ihm sprach, nahm ich kaum wahr. Zu tief steckte ich in meinen viel zu lange unterdrückten Emotionen fest.

Ich schalt mich für meine Unachtsamkeit und verwünschte mich für meine Träume, die mich so sehr verfolgten und meine zum Himmel schreiende Inkompetenz. So viele Einsätze und noch mehr taktische Trainingseinheiten die garantieren sollten, dass keiner von uns jemals Staatsgeheimnisse preisgab. Und hier war ich nachlässig geworden.

„Ich wüsste dann, was dich seid drei ganzen Tagen davon abhält zu schlafen.“

Meine Augen weiteten sich verblüfft.

„Woher...?“ Er schnaubte durch die Nase und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Denkst du etwa ich bin blöd UND blind? Jeder Idiot kann sehen, das du nicht gut schläfst.“ Seine Miene verriet mir, dass er nicht vorhatte locker zu lassen. Einen kleiner Teil schrie mir zu, dass es sinnvoller war die Dumme zu spielen und das Thema einfach abzuwiegeln. Doch ich hatte keine Kontrolle mehr über mich. Ich wollte provozieren und meine Wut an diesem Mann auslassen, der eigentlich am allerwenigsten etwas dafür konnte.

„Du kennst mich nicht einmal, wieso sollte es dich kümmern?“, zischte ich. „Ich dachte du bist ein Auftragsmörder.“ Die Stille die eintrat war schneidend.

Sie drückte auf meine Ohren und auch der Mann mit den außergewöhnlichen Augen starrte mich an, als hätte ich ihn angeschrien. Ein Schlag in sein Gesicht wäre sicher humaner gewesen. Zu deutlich standen die unausgesprochenen Worte zwischen uns im Raum.

Als Attentäter der er war und als Werkzeug, als das er sich sah, war Sorge und Freundschaft emotionaler Ballast, den man bestenfalls umging. So lautete die unausgesprochene Regel und das wusste er. Jemand der auf Befehl jemanden tötete zu dem er keinerlei privaten Bezug hatte, musste sämtliches Mitgefühl und persönliche Befindlichkeiten in seinem Inneren auslöschen. Es war etwas anderes als eine Vendetta, die einen durch Verlust, Hass und Fanatismus antrieb. Auftragsmord war kalt, glatt und dunkel. Es erstickte jeden Funken Glück im Keim.

Vage erreichte mein Gehirn die Vorstellung, wie ich vor einem durchtrainierten Elitekämpfer hockte und ihm vorwarf nicht kalt und herzlos genug zu sein. Ich hasste mich unendlich für den Versuch, Tenzou wieder an den Rand des Abgrundes zu drängen, an dem er zwei Tage zuvor bereits gestanden hatte.

Doch nun gab es kein zurück mehr. Meine Schultern bebten und ich musste an mich halten, dass das Zittern nicht meinen gesamten Körper erfasste.

Langsam kam der Anbu Schritt für Schritt auf mich zu und der Blick den er mir zuwarf war eiskalt.

„Was hast du gesagt? Was glaubst du eigentlich wer du bist?“ Niemand. Ich wollte niemand sein, jetzt im Augenblick noch mehr als zu irgend einem anderen Zeitpunkt in meinem Leben. Wäre ich niemand könnte ich nun einfach aufstehen und gehen. Man könnte sagen: Niemand ist gegangen. Und man trauerte auch nicht um niemanden. Wäre ich niemand, hätten diese Drecksschweine meine Familie in Ruhe gelassen. Damals war ich jemand, deswegen hatten sie sterben müssen. Hier allerdings war ich Haruka. Keiner der Menschen kannte mich und diese Anonymität musste ich schützen.

Wütend funkelte ich den Holzninja an. Ich hatte mich für diesen Weg entschieden und ich würde ihn nun bis zum bitteren Ende gehen.

Mir rauschte das Blut in den Ohren, als ich mich vom Boden aufrappelte.

„Wer ich bin geht dich gar nichts an. Ich erzähle doch keinem Möchtegern-Attentäter irgendetwas über mich!“

„Pass auf, was du sagst.“ Drohend kam er einen Schritt auf mich zu und am liebsten wäre ich zurückgewichen und hätte mich gegen die Holzwand gedrückt. Ich bewegte mich auf sehr dünnem Eis und ein Teil von mir hoffte, dass der Mann mich einfach niederschlug oder auf irgendeine Weise stoppte.

„Du bist anscheinend nicht zu gebrauchen, Tenzou. Deine letzte Mission war doch ein Fehlschlag, oder irre ich mich? Du besitzt das Mokuton, kannst Chakra schmieden und wurdest als Attentäter ausgebildet.“ Mein Herz schlug so heftig, dass ich es hören konnte.

„Aber eure Ausbildung scheint nicht viel wert zu sein, wenn du erst in einer Mission versagst und dann auch noch von einer Frau überwältigt wirst, die weder das Areal noch die Techniken kennt.“ Feuerte ich meine giftigen Pfeile auf ihn ab, von denen jedes Wort wie ein Volltreffer bei ihm einschlug. Sein Gesicht wechselte die Farbe von weiß zu dunkelrot angenommen und an seinem Hals trat heftig pulsierend eine Ader hervor.

„Was weißt du denn schon? Ich habe gute Männer verloren...“

„Wenn sie sich haben töten lassen waren es Versager“, schrie ich.

Mit einem wütenden Knurren überbrückte er die Distanz zwischen uns mit wenigen Schritten. Er war außer sich und ich war mir sicher, dass er mich schlagen würde. Schwer atmend kam er vor mir zu stehen und hob seine Hand. Ich schloss meine Augen und wartete auf den Aufprall. Doch der Schmerz kam nicht.

Verwirrt blinzelte ich.

„So weit gehst du also um deine Vergangenheit zu verbergen.“

Jegliche hasserfüllten Gedanken und Gefühle verpufften auf der Stelle und sehnlich wünschte ich mir, dass er einfach zugeschlagen hätte. Ich konnte ihm ansehen wie sehr er sich zusammenreißen musste und wie dünn der Faden seiner eisernen Beherrschung war. Und ich sah, wie sehr ich ihn verletzt hatte.

„Ja.“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. „Und noch viel weiter.“

Seine zusammengepressten Lippen waren ein schmaler Strich, als er langsam seine Hand sinken ließ.
 

„Ich gehe nach draußen.“, sagte ich monoton in die eisige Stille hinein und wollte mich um ihn herum zur Tür drücken. Ich wollte einfach nur noch raus.

„Das wird auf Dauer auch nichts bringen.“, meinte er ruhig, wobei er nicht nur meinen Rückzug meinte.

„Nein. Das stimmt.“, gab ich kaum hörbar zurück und legte ihm zögernd die Decke auf die Schulter. Fluchtartig verließ ich den Raum und war einen Herzschlag später bereits zur Tür hinaus. Erst am Rand der Anhöhe blieb ich stehen und unterdrückte mühsam den Impuls einfach hinunter zu springen. Die Felskante auf der ich stand ragte gut zwanzig Schritte über dem restlichen Gelände in die Höhe und wenn der Sturz mich nicht umbrachte so würde ich mir doch trotzdem sämtliche Knochen brechen. Aber ich könnte mich einfach dazu entscheiden hinabzuklettern und einfach immer weiter laufen. Fort von dem Mann mit den schwarzen Katzenaugen.

Aber was dann?

Gegen den tiefschwarzen, mit Sternen gespickten, Nachthimmel konnte ich die Konturen des Gebirges vor mir erkennen. Den Weg nach Konohagakure würde ich mit Sicherheit alleine finden.

'Nein, so feige bin ich nicht.“

Außerhalb der Sichtweite des Anbu gestattete ich meinem Körper nun die unterdrückten Reaktionen und ich setzte mich zittrig auf einen umgestürzten Baumstamm von dem aus ich einen guten Blick über das Land und den Himmel hatte.

'Ich bin nicht so feige geworden, dass ich die Konsequenzen meines Handelns nicht trage.' Wiederholte ich in meinem Kopf.

Und die werden mit Sicherheit nicht ohne sein, du hast wirklich dreckig gespielt. Die Stimme klang vorwurfsvoll.

'Ich weiß.' Elend vergrub ich mein Gesicht in den Händen. 'Ich wusste keinen anderen Weg und ich hatte Panik.'

Während ich die Welt vor mir beobachtete ließ ich meine Gedanken kreisen. Tenzou würde mir sicher nicht verzeihen und das war irgendwo in meinen verwirrten Gedanken auch der Plan gewesen.

Ihn von mir fernzuhalten erschien mir richtig, obwohl ich den Grund nicht benennen konnte. Ich hatte alle Grenzen überschritten die man sich vorstellen konnte. Und in einem Land in dem Ehre und Dienstbereitschaft über dem persönlichen Wohl zu stehen schienen, hatte ich soeben die Todsünde begangen. Aufgewühlt griff ich in meine Haare und fuhr heftig hindurch. Zum Glück würden sich morgen unsere Wege trennen, so dass ich die Schande und die Scham die ich ihm gegenüber empfand in die gleiche Kiste sperren konnte aus der die Wut wie ein Kastenteufel gesprungen war. 'Ich brauche ein besseres Schloss für diesen Kasten', schoss es mir durch die Gedanken und bekam prompt eine Antwort: Das ist wohl das geringste deiner Unannehmlichkeiten.

Damit hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn selbst wenn ich morgen den Holzninja zum letzten Mal in meinem Leben sehen würde, so war die auf mich gezogene Verachtung noch das kleinste meiner Probleme. Genma war mittlerweile sicherlich von seiner Mission zurück und ich meinen Arbeitsplatz wohl los. Somit stellte sich die Frage nach einer neuen Anstellung und die damit verbundene Finanzierung meines Lebensunterhalts. Die Aussichten für die Rückkehr in das Dorf waren also auch nicht sonderlich rosig.
 

Langsam legte ich mir die Hände vor den Mund, bis ich sicher war, dass kein Ton durch meine Finger schlüpfen konnte. Gleichzeitig rutschte ich ein wenig nach vorne und ließ mich auf dem Waldboden sinken. Dann schrie ich.
 

Ich mochte den Anbu. Als ich ihm gesagt hatte, dass er mir sympathisch sei, hatte ich nicht gelogen. Er erinnerte mich an jemanden aus meiner Vergangenheit und irgendetwas an ihm kam mir seltsam bekannt und vertraut vor.

Noch immer schrie ich lautlos in die Nacht hinaus und mir wurde klar, wie einsam ich mich eigentlich fühlte. Hier in diesem neuen Land, nachdem ich so lange unterwegs gewesen war, fehlte jemand den ich 'Freund' nennen konnte. Jemand dem ich vertrauen konnte. So wie damals meinen Kollegen in der Einheit. Ich stutzte.

Wie paradox dieser Gedanke doch war. Wie konnte ich diese Menschen als meine Freunde bezeichnen?

Sie waren nie meine Freunde gewesen, das hatte ich spätestens dann gemerkt, als ich einige ihrer Stimmen unter denen der Angreifer an jenem Abend wiedererkannt hatte.

Doch das war die Ausbildung gewesen: Gemeinsam kämpfen als Team bis zum Tod. Doch auf den Befehl der richtigen Person hin, wurden Teamkameraden zu Verrätern und vernichteten dann sogar ihre engsten Vertrauten. Hilflosigkeit und Verzweiflung nahmen Überhand und ich biss mir kräftig in meine Handwurzel um nicht doch noch von der Felskante zu springen. Es klang traurig, doch es entsprach der Wahrheit: Andere Freunde hatte ich nie gehabt und vermutlich war es deswegen nicht verwunderlich, dass ich eigentlich kein Problem damit hatte für mich zu sein. Und nach dieser Erkenntnis war es vielleicht doch besser, sich auch niemals auf freundschaftliche Bindungen einzulassen. So gab keine Zwänge, es gab niemanden auf den ich achten musste. Niemanden der sich auf mich verließ.

Du belügst dich selbst, kam es abschätzig. Du bist doch einfach nur feige.

'Du merkst aber auch alles.', dachte ich stumpf. Doch es war die Wahrheit. Der Verlust meiner Familie hatte mir ein schier endloses Loch in die Brust gerissen und einen solchen Schmerz wollte und konnte ich nicht noch einmal ertragen. So sehr ich mich auch nach menschlicher Nähe sehnte, hatte ich auch Angst vor ihr.
 

Tenzou.

Er hatte zugegeben, dass seine Mission ein Fehlschlag gewesen war und er Mitglieder seines Teams verloren hatte.

Ich wiederholte für mich die schäbigen Dinge, die ich ihm an den Kopf geworfen hatte. Die Wahrheit war, dass ich ihn dafür bewunderte, dass ihn der Verlust so mitnahm. Die Abtötung jeglicher Gefühle war nicht nur eine ungeschriebene Regel für den Selbstschutz, sondern auch eine Berufskrankheit. Ich hatte mit eigenen Augen miterleben können wie die Soldaten, die mit mir in der Grundausbildung gewesen waren zunehmend zu Maschinen abstumpften. Je mehr Attentate sie begingen desto kälter wurde es in ihnen. Mit jedem Opfer starb auch ein Teil ihres inneren Menschen. Doch der Ninja schien sich jeden seiner gefallenen Kameraden wieder vor Augen zu führen und um jeden von ihnen zu trauern. Die Schwierigkeit war, dass man sich an den positiven Dingen festhalten musste um sich nicht selbst zu verlieren und genau das war wohl das Risiko bei dem Anbu..

Während der letzten zwei Tage hatte ich ihn immer genau dann neue Dinge über Chakra gefragt, wenn er drohte wieder in diesen inneren Zustand abzudriften bis er schließlich begonnen hatte von sich aus weiterzuerzählen und ich den Eindruck gewonnen hatte dass er auf einem guten Weg über über den Berg war. Die psychische Wunde, die er davongetragen hatte, war heilbar.

Waren meine eigenen das auch?

Über mir begann der Himmel sich zu verändern.Die Sterne verblassten und das schwarz wurde allmählich zu einem dunklen Blau, welches sich immer weiter aufhellte bis sich schließlich ein rosa Schimmer auf ihm abzeichnete. Entzückt sah ich nach oben, wo sich die letzten verbliebenen Sterne mit aller Macht gegen den beginnenden Tag zur Wehr setzten. Hinter mir hörte ich eine Tür, die leise geöffnet und geschlossen wurde. Jedes bisschen meiner verbliebenen Körperwärme versank augenblicklich im Boden.

„Schön nicht wahr?“, hörte ich Tenzous leise Stimme hinter mir.

„Ja“

Einträchtig betrachteten wir den Sonnenaufgang, ich immer noch vor dem Baumstamm sitzend, der Ninja mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, neben mir. Um uns herum, erwachten gemächlich auch die anderen tagaktiven Tiere und es wurde zunehmend lauter im Wald. Irgendwo begann ein Specht zu hämmern und Vögel begannen fröhlich zu zwitschern.

All diese Geräusche wirken so unglaublich fehl am Platz.

„Tenzou ich...“

Ich zuckte ein wenig zusammen, als er sich neben mir auf den Boden setzte.

„Ich weiß.“ Schweigend saßen wir nebeneinander.
 

Als der Braunhaarige unseren Schlafplatz aufgelöst hatte und wir unsere letzte Etappe begannen, musste ich mit Erstaunen feststellen, dass der Shinobi kein Wort über die nächtliche Szene verlor. Im Gegenteil er schien sogar ziemlich gut gelaunt zu sein.

Wir führten zwanglos unseren Exkurs vom Vortag fort und ich erfuhr viel neues von ihm. Doch ein kleiner Teil von mir wusste, dass ich irgendwann die Konsequenzen tragen würde und irgendwie wurde mir bei dem Gedanken sehr flau in der Magengegend.
 

„Ich wünschte, ich könnte das auch“, seufzte ich und trat einen kleinen Stein vor mir über die Straße.

„Nun, so schwer ist das eigentlich gar nicht, wenn du erst mal dein Chakra spüren kannst“; meinte mein Begleiter nüchtern.

„Und wie spürt man es?“

„Indem du dich auf die Energiepunkte fokussierst, weißt du was ich meine?“

„Eher nicht“, gab ich unumwunden zu.

„Hmm. Ich glaube ich hab eine Idee, machen wir eine kleine Pause, dann erkläre ich es dir.“

Er bog von der Straße ab und setzte sich im Schneidersitz in das hohe Gras. Etwas überrumpelt tat ich es ihm gleich. „Mach deine Augen zu und entspann dich. Du musst versuchen deinen Kopf ganz frei von störenden Gedanken zu halten.“ Verwirrt öffnete ich reflexartig wieder meine Lider. „Ich soll aufhören zu denken?“

„Genau. Und jetzt Augen zu.“ Ich tat wie befohlen und bemühte mich keine der kreisenden Wolken in meinem Kopf näher zu betrachten oder festzuhalten.

„Was stellst du dir vor?“

„Das ich Wolken vor mir sehe von denen jede ein Gedanke ist und ich versuche nun keine davon anzusehen.“

„Gar keine schlechte Idee, aber ich denke, dass es nicht den erwünschten Effekt hat.“ Seine Stimme wurde durch die Maske vor seinem Gesicht gedämpft und er tippte sich nachdenklich gegen die Stirn. „Pass auf wir machen eine kleine Meditationsübung, vielleicht ist es für dich am Anfang etwas merkwürdig, aber mach einfach mit.“ Was anderes blieb mir auch nicht übrig.

„Sitzt du bequem?“

Ich nickte.

„Gut. Konzentriere dich auf meine Stimme.“

„Mach ich.“

„Augen zu.“

„Ok.“

„Nicht mogeln!“, seine Stimme klang amüsiert und ich schloss meine Lider gänzlich.

„Nun gehe mit deiner Konzentration zu deiner rechten Faust, balle sie so fest du kannst und konzentriere dich auf die Anspannung in deinen Muskeln. Ja, so ist es gut. Halte das Gefühl. Nun spanne sie noch ein wenig mehr an und spüre wie deine Sehnen und Muskeln arbeiten.“ Das tat ich und ballte meine Hand so fest zusammen wie ich konnte.

„Nun entspanne deine Hand, lass deine Muskeln los und spüre den Unterschied zu eben. Nun das gleiche mit deiner anderen Faust...“

Nach meinen Händen wanderten wir über die Arme zu meinem Gesicht, über Brust und Schultern wieder hinab zu meinen Beinen.

„So nun nun konzentriere dich so stark du kannst auf dein Inneres. Du hörst dein Herz schlagen und spürst, wie es dein Blut durch deine Adern pumpt. Zähle seine Schläge. Ein Herzschlag. Der zweite Herzschlag. Ein Dritter. Nun gehst du tiefer hinunter in deine Bauchregion.“ Die Übung, die sich am Anfang wirklich merkwürdig angefühlt hatte ließ mich zunehmend in einen tranceähnlichen Zustand fallen und anstatt in meinem Kopf herumzudümpeln konzentrierte ich mich nun lediglich auf meine Körperfunktionen und Muskelgruppen.

„Atme tief ein und spüre, wie die Luft in dich hinein fließt bis in deinen Bauch hinab. Atme wieder aus. Jetzt noch einmal von vorn. Nun konzentriere dich auf diesen Raum in deinem Körper. In ihm ist der Sitz deines Chakras und es ist genauso wie dein schlagendes Herz. Es pulsiert und ist voller Kraft. Spürst du es?“

Ich konnte es spüren, aber da war noch mehr. Neben meiner eigenen fließenden Energie spürte ich mir gegenüber noch ein weiteres Netzwerk. Überrascht schlug ich die Augen auf.

„Ja, ich kann es spüren Tenzou. Und ich spüre auch deines“, ungläubig sah ich ihn an, wie er mir regungslos gegenüber saß. Leider war es mir unmöglich seine Gesichtszüge auszumachen und anstelle seines Gesichts sah mich nur ein starres Katzengesicht an.

„Nun dann hast du den ersten kleinen Schritt schon einmal gemacht, und wir wissen, dass du wahrscheinlich auch auf dein Chakra zugreifen kannst.“ Damit stand er auf und reichte mir seine Hand, um mich hochzuziehen.

„Die Schwierigkeit wird sein, dass du zu jedem Zeitpunkt dieses Netzwerk spüren musst. Übe, bis du es geschafft hast, dann kannst du anfangen zu versuchen darauf zuzugreifen und in verschiedene Körperregionen zu schicken. Das ist die Grundvoraussetzung und darauf baut sich dann auch der Rest auf.“ So wie er es sagte klang es nach keiner großen Sache, aber es würde sicherlich nicht einfach werden.

„Wirst du gleich zu einer neuen Mission aufbrechen?“, fragte ich ihn und achtete darauf, so neutral wie möglich zu klingen.

„Das weiß ich nicht. Aber ein paar freie Tage wären gar nicht mal schlecht“, das Grinsen hörte ich auch ohne sein Gesicht zu sehen.
 

Am späten Nachmittag erreichten wir die Mauern von Konohagakure und verwundert bemerkte ich, dass mir beim Anblick der riesigen Stadtmauern warm ums Herz wurde.

„Endlich daheim“, ertönte die gedämpfte Stimme des Mannes neben mir. „Es kommt mir vor als wäre ich Jahre nicht mehr hier gewesen.“

„Ich bin auch froh wieder hier zu sein.“

Das Katzengesicht nickte. „Ich werde schon einmal vorgehen, mit der Maske ist es etwas umständlich durch das Dorf zu laufen.“ Damit verschwand er mit einem großen Satz und ich konnte ihn gerade noch einmal erkennen, als er über eines der Dächer sprang, das in Richtung der Hokageresidenz lag.

„Wirklich beeindruckend“, murmelte ich und ging langsam durch das Tor.

„Hallo Haruka, da bist du ja wieder.“, tönte es aus dem kleinen Wachhäuschen.

„Izumo, Kotetsu, wie geht es euch?“, fragte ich lachend.

„Ach wie immer, es ist schrecklich öde hier“, maulte der Ninja mit der Stachelfrisur.

„Du warst ja ganz schön lange weg.“, bemerkte sein Partner und beugte sich etwas nach vorne. „Ja das stimmt, ich habe einen Brief ausgeliefert und mich dabei etwas verlaufen“, log ich.

„Hat der Hokage dir niemanden mitgegeben um dich zu beschützen?“ Izumo runzelte die Stirn.

„Nein, er konnte seine beiden fähigsten und wichtigsten Shinobi leider nicht entbehren“, ich zwinkerte ihnen zu, woraufhin Kotetsu die Augen verdrehte und die Arme vor der Brust verschränkte.

“Als ob hier auch nur irgendetwas spannendes passieren würde. Schau dir das an, in der letzten Woche sind gerade mal ein paar Händler nach Konoha eingereist.“ Er stach mit dem Zeigefinger auf das aufgeschlagene Buch ein, das vor ihm lag.

„Ich mag es hier“; meldete sich sein Partner wieder zu Wort.

„Du bist einfach nur ein fauler Sack, Izumo.“ Gab der Andere trocken zurück.

„Ich geb' dir gleich faul!“ Empörte sich der Mann mit dem Kopftuch und sprang auf die Beine. Amüsiert betrachtete ich die beiden Wachninjas.

„Ihr beide habt einen wichtigen Job. Ihr bewacht immerhin Konohas Haupttor. Wenn etwas passiert, seid ihr die Ersten die handeln müssen“, warf ich ein und die zwei Streithähne entspannten sich wieder. „Ja, aber mir wächst noch ein Bart, während ich hier rumhocke.“

„Kotetsu?“

„Was ist denn Izumo?“

„Du weißt schon, dass du einen Bart hast, oder?“

Ich brach in schallendes Gelächter aus, was den Schwarzhaarigen kurzfristig davon abhielt seinem Freund das Einreisebuch über den Schädel zu ziehen.

„Ihr beide seid wirklich unverbesserlich,“ grinste ich sie breit an.“Ich hoffe wirklich für euch, dass ihr einen interessanteren Posten bekommt.“

„Na wer weiß, vielleicht haben wir hier bald mehr Arbeit als wir verkraften können“, witzelte Kotetsu und alleine die Vorstellung schien Izumo nicht zu gefallen schien, denn er ließ merklich die Schultern hängen. Versonnen nickte ich.

„Beschreie es nicht, sonst könnt ihr euch vor Aufgaben bald nicht mehr retten“, grinsend drehte ich mich in die Richtung der Gebäude.

„Apropos Arbeit, ich muss mich beeilen. Der Sandaime wartet sicherlich schon auf meinen Bericht.“ Mit einem entschuldigenden Blick verabschiedete ich mich von den Beiden und setzte mich, wie der Anbu vor mir, in Bewegung um den Hokageturm zu erreichen.

Obwohl ich nicht einmal eine Woche unterwegs gewesen war, kam es mir ebenfalls vor wie eine Ewigkeit.

Am liebsten wäre ich erst einmal in mein Apartment gegangen um andere Sachen anzuziehen und zu duschen, aber Tenzou war sicherlich schon lange bei Hiruzen angekommen und lieferte seinen Bericht ab.

Ich machte mir erst gar nicht die Illusion, dass der Sandaime das nicht vorher mit seinem Untergebenen abgesprochen hatte und mein Magen krampfte sich nervös zusammen als ich an das Wort 'Konsequenzen' dachte. Vermutlich berichtete der Shinobi auch von meinen Träumen und meinem respektlosen Verhalten ihm gegenüber, was wiederum hieß, dass ich mich besser schon einmal warm anzog.

Um den Weg länger als nötig zu ziehen, lief ich so viele Umwege wie ich konnte. Doch irgendwann musste ich mir eingestehen, dass auch die beste Verzögerungstaktik irgendwann an ihre Grenzen stieß, wenn alle Straßen auf den Punkt ausgerichtet waren, den man selbst lieber meiden wollte. Ziemlich blöde Sache.
 

Als ich dann schließlich doch vor der Tür zu Hiruzens Arbeitszimmer stand, verließ mich der Mut und ich überlegte ernsthaft einfach wieder zu gehen.

„Komm rein, Haruka.“

Mist.

Dass er wusste, wenn ich vor der Tür stand, wunderte mich gar nicht mehr, denn schließlich hatte er seine Kristallkugel. Meine Vermutung wurde bestätigt als ich eintrat und das besagte Objekt auf seinem Kissen vor Hiruzen liegen sah. Verstohlen sah ich mich um, doch Tenzou war nirgends zu sehen.

Schweigend wartete ich auf das Unwetter, das sicherlich auf mich niedergehen würde.

Doch der Hokage musterte mich lediglich wortlos und schien der Ansicht zu sein, dass mein schlechtes Gewissen gepaart mit der unangenehmen Stille mich mehr marterte als er es jemals könnte.

Schließlich, als ich es nicht mehr aushielt, griff ich in meine Tasche und holte die weiße Maske hervor. Mit klammen Fingern legte ich sie vor ihm auf den Tisch und bemühte mich dabei um ein ausdrucksloses Gesicht.

Der alte Mann seufzte und sah mich mit einem traurigen Gesicht an.

„Bevor, wir anfangen, möchte ich mich entschuldigen, Haruka. Ich war nicht ganz fair zu dir.“

„Nein das warst du nicht“, erwiderte ich leise.

Mit einem Mal sah er noch älter aus, als er sowieso schon war.

„Aber“, fuhr ich fort. „Ich bin nicht böse. Du hattest sicher deine Gründe dafür.“ Ernst sah ich ihn an.

„Es war die einfachste Möglichkeit um dich auf deine Stärken zu testen, und zu meiner Verteidigung, die Idee dazu kam mir überaus spontan.“

„Spontan ja? Willst du damit rechtfertigen einen emotional angeschlagenen Mann ohne eine Pause erneut losgeschickt zu haben? Oder steckt mehr dahinter? Außerdem ist Tenzou sicherlich nicht gerade spontan hier irgendwo aus dem Boden gewachsen, als du jemanden für den Job gesucht hast, oder? Wobei mich das auch nicht mehr wundern würde.“ Zynisch schnitt ich ihm eine Grimasse.

Der alte Mann rieb sich mit seinen langen schmalen Fingern über die Augen und drehte sich mit seinem Stuhl ein wenig zur Seite um aus dem Fenster gucken zu können.

„Nein, ich will mich nicht rechtfertigen, da ich Tenzou nicht zufällig auf diese Mission geschickt habe.

Während ich einen Moment brauchte um seine Worte zu verdauen, lehnte der Alte sich zurück und kramte in seiner Tasche nach seiner Pfeife.

„Du wirst bald sterben, wenn du das Rauchen nicht aufgibst, Meister Hokage“, prophezeite ich ihm düster.

„ Ich bin ein alter Mann, Haruka, ich werde so oder so in nicht all zu ferner Zukunft sterben.“ erklärte er ohne jede Gefühlsregung und blies die erste Rauchwolke in die Luft.

„Ich denke ich schulde dir eine gute Erklärung und die wirst du bekommen, aber zuerst bitte ich dich um Diskretion, denn das was ich dir erzählen werde geht sehr weit in seine Privatsphäre hinein.“

„Natürlich.“

„Tenzou ist einer meiner besten Anbu, aber seine Vergangenheit ist ziemlich tragisch. Hat er dir etwas davon erzählt?“

Seine Antwort war ein leichtes Kopfschütteln.

„Nun gut, als er gerade geboren worden war, wurde er von einem abtrünnigen Konohaninja, namens Orochimaru, entführt und auf eine Art und Weise misshandelt, die du vielleicht nachvollziehen kannst. Aber dazu komme ich gleich.“ Der alte Mann begnügte sich nicht mehr, nur von seinem Stuhl aus durch das Fenster zu blicken, sondern erhob sich um in der Position vor der Fensterfront zu verharren die so typisch für ihn war.

„Orochimaru, der zu meinem Bedauern einer meiner eigenen Schüler war, zeigte sich schon als Kind sehr wissbegierig und auch sehr intelligent. Doch eines hat er nie verstanden.“ Gedankenverloren starrte er auf die Konturen der Stadt und auf die Menschen, die von hier nach dort eilten, um vor dem Abendessen noch die nötigsten Dinge zu erledigen.

„Er verwechselte Liebe mit Macht und befindet sich auf der ewigen Jagd nach Unsterblichkeit.“, murmelte er.

„Ist das denn möglich?“; fragte ich erschrocken und auch der Hokage zuckte zusammen, offensichtlich hatte er bereits ganz vergessen, dass ich anwesend war.

„Nun, das weiß ich nicht genau, aber er hat viele schreckliche Experimente gemacht. Unter anderem auch an sechzig Kindern. Er pflanzte ihnen Zellen des ersten Hokage ein, der nicht nur bekannt für sein Mokuton gewesen ist, sondern auch für seine beachtliche Stärke und unnatürliche Heilkraft. Das Mokuton ist ein Kekkei Genkai, also eine Fähigkeit die nur durch Vererbung weitergegeben werden kann. Mein Schüler wollte es für seine Zwecke nutzen, aber-“ er stockte.

„Aber was?“, hakte ich nach.

„Alle Kinder starben... bis auf eines.“

„Wie schrecklich“, brachte ich entsetzt hervor und mir wurde bewusst, was der junge Mann damit gemeint hatte, dass sein Leben im Dunkeln läge.

„Als wir den Jungen fanden, war er der unterernährte Schatten eines Kindes. Doch selbst als er sich fing, und kräftiger wurde, war sein Leben nicht leicht, denn wir kannten seinen Namen nicht und konnten ihn deswegen nicht zu seiner Familie zurückgeben. Er selbst war viel zu klein um sich an seine Eltern zu erinnern und auch die Familien konnten zwischen ihm und sich keine Ähnlichkeiten feststellen. Orochimarus Experimente hatten nämlich nicht nur Einfluss auf seine Fähigkeiten, sondern veränderten auch sein Aussehen. So wuchs er in einem Heim auf, bis er die Prüfung zum Genin erfolgreich abschloss, denn ab dem Punkt stellte man ihm eine eigene kleine Wohnung zur Verfügung.“

„Ich verstehe, aber was hat das mit mir zu tun?“

„Nun, nenne mich einfältig, aber du bist Mahn's Tochter und auch er hat sich stets durch ein schier endloses Vertrauen an die Unantastbarkeit der menschlichen Würde ausgezeichnet. Er hat jeden gemocht, selbst wenn die Person schwierig war. Irgendwie hat er es immer geschafft positiven Einfluss auf denjenigen zu nehmen. Tenzou hingegen hat bisher nur erlebt, dass die Menschen ihn meiden. Für die meisten ist er lediglich ein Experiment und ein Klon Hashiramas, dem Shodai-Hokage. Es hat ihn bitter werden lassen und ich habe das Gefühl, dass er für einen jungen Mann viel zu ernst ist.“

„Er hat den Eindruck gewonnen sein Leben besteht aus einer reinen Befehlskette, denn das ist alles was er hat und das ihm Halt gibt. Er glaubt, dass es sein Schicksal ist ein Werkzeug zu sein,“ sprach ich meine Gedanken laut aus. Schweigend drehte sich Hiruzen zu mir um.

„Disziplin und Gehorsam sind zweifelsohne wichtige Eigenschaften eines Ninjas“, warf er ein.

„Aber Tenzou verliert sich in seiner eigenen Dunkelheit, anstelle sein Leben mit Sinn zu füllen, was ihn zu einem besseren Ninja machen würde“, konterte ich. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

„Hast du mich etwa auf diese Mission geschickt, damit ich ihn gerade biegen soll?“

„Es geht hier nicht darum, dass ich den Mann manipulieren will, Haruka.“ Der Blick den Hiruzen mir zuwarf war verächtlich.

„Was denkst du von mir? Natürlich ist mir bewusst, dass ein Mann, der einen Grund zum Leben hat, auch mehr daran setzt es zu beschützen, aber ich wäre ein Ungeheuer, würde ich so etwas wirklich in Betracht ziehen.“, er sprach ruhig doch ich konnte heraushören, dass er – ja was eigentlich – verletzt war?

„Was meinst du dann? Was ich deiner Meinung nach tun? Ich wage es nämlich nicht zu behaupten, dass ich jemanden verändern könnte. Weder zum Guten noch zum Schlechten. Und wie kommst du überhaupt darauf, dass ich bin wie mein Vater?“

„Weil du trotz allem ein weiches und liebendes Herz hast. Obwohl du gesehen hast, wie deine Familie ausgelöscht wurde, du fast drei Jahre auf der Flucht warst und mit Sicherheit noch viel mehr erlebt hast, als du mir offenlegst... hast du dennoch die Fähigkeit zum Mitgefühl nicht verloren. Einem bewusstlosen Gegner eine Kopfschmerztablette zu überlassen ist einerseits ziemlich merkwürdig und unlogisch, andererseits genau das, was dein Vater getan hätte. Du hast ihn nicht getötet, obwohl ich dir im voraus erzählt habe, dass das Schriftstück geheim und wichtig ist. Und das hat ihn beeindruckt. Ein guter Schritt in die richtige Richtung.“

Er schenkte mir ein aufrichtiges Lächeln und seine Stimme war wieder warm wie eh und je.

„Ich habe Tenzou eine neue Mission gegeben.“ Nun war es wieder an mir die Stirn zu runzeln.

„Waru..?“ Hiruzen seufzte genervt.

„Es ist kein Attentat oder eine ähnlich gefährliche Mission nur eine einfache Informationsbeschaffung.“ Ich schüttelte den Kopf.

„Das meinte ich nicht. Ich wollte fragen wieso du mir sagst, dass dein Shinobi wieder auf einer Mission ist?“

„Damit du dich nicht fragst wo dein neuer Bekannter steckt.“

„Wieso sollte ich das?“

„Ah nun, ich habe mir überlegt, dass ich dich gerne mit in unserer Kartei aufnehmen würde. Was bedeutet, dass jemand mit dir dein Chakra trainieren müsste.“

„Was für eine Kartei?“ Mein Blick, der ihn traf schien so schräg zu sein, dass der Hokage zu grinsen begann.

„In die Kartei der uns zur Verfügung stehenden Personen mit... Spezialausbildung.“ Genüsslich zog er ein an seiner Pfeife und linste unter seinem Hut zu mir hoch.

„Hiruzen ich bin kein Ninja, was soll ich denn deiner Meinung nach bitte schön tun? Ich wäre mehr eine Last als eine Bereicherung.“ Ich verschränkte meine Arme, denn seine Idee war mehr als nur schlecht.

„Ich würde dich unter dem Zusatz 'extern' führen. Du hast eine unkonventionelle Art des Denkens während eines Kampfes und es wäre eine Schande jemanden wie dich, der sich ohne jedes Chakra, zur Wehr setzen kann nicht einzusetzen. Außerdem dachte ich daran, dass Tenzou nach seiner Mission mit dir trainieren könnte.“

„Dann ist das also mein neuer Job? Das heißt, sofern ich die Chakrakontrolle in den Griff bekomme?“

„Nun ganz so eilig habe ich das eigentlich nicht. Ich werde es dich wissen lassen, wenn es geeignete Missionen geben sollte. Vorausgesetzt natürlich du erlaubst mir dich in die Kartei aufzunehmen.“

„Kann ich Bedingungen stellen?“ Eine seiner Augenbrauen wanderte skeptisch nach oben, während er mich, mit der mittlerweile ausgebrannten Pfeife im Mund, von der Seite musterte.

„Was für Bedingungen?“

„Ich möchte, dass ich sowie meine Aufträge mit Verschwiegenheit behandelt werden. In meiner Akte will ich kein Foto haben und meine Missionen will ich am liebsten auch alleine durchführen.“

„Warum?“

„Ich will so wenig auffallen wie möglich. Das habe ich dir vor Wochen schon einmal gesagt. Und je mehr von mir wissen, desto leichter könnte irgendeine Information nach außen gelangen. Auch wenn es paranoid ist, ich würde mich wohler fühlen. Wenn meine Identität wegen meiner Aktivitäten für dich nicht geschützt werden kann, verzichte ich lieber.“ Nachdenklich, aber immer noch mit erhobener Augenbraue begann der Hokage seine Pfeife neu zu stopfen.

„Ich werde diesbezüglich Vermerke in der Akte machen, allerdings ist ein Foto unumgänglich.“ Er drehte sich zu seinem Schreibtisch und nahm die Maske in die Hand. Einen kurzen Augenblick musterte er das unbehandelte Gesicht, bevor er sie an mich weiterreichte.

„Was soll ich mit der Maske?“ Verwirrt sah ich von dem Gegenstand zurück zu dem alten Dorfoberhaupt.

„Nun“, paffte er. „Ich habe gesagt ein Foto ist unumgänglich, aber ich habe nicht gesagt, dass darauf zwingend dein richtiges Gesicht sein muss. Das ist allerdings eine Ausnahme.“ Er zwinkerte mir verschwörerisch zu.

„Was die Einzelmissionen anbelangt, kann ich keine Versprechungen machen, aber was hältst du davon wenn Tenzou bei den Missionen dabei ist?“

„Ich weiß nicht, ob er davon so begeistert wäre“, erwiderte ich zögerlich. „Wenn, dann muss er das entscheiden.“ Hiruzen nickte.

„Gut. Dann hätten wir das also alles geklärt.“

„Noch nicht alles, denn es gibt etwas, das wichtiger als die Kartei ist.“

„Das da wäre?“, ein Rauchwölkchen wanderte zusammen mit einer erneuten skeptischen Augenbraue nach oben.

Schief grinste ich ihn an.

„Zum einen brauch ich auch sonst einen Job und zum anderen bin ich deinetwegen in den Fluss gesprungen... du schuldest mir also eine neue Hose.“
 

Eine gefühlte Ewigkeit später schloss ich schließlich die Tür meines Apartments hinter mir und lehnte mich erschöpft gegen die Wand. Mit einem Mal war ich entsetzlich hungrig und müde. Außerdem starrte ich so sehr vor Dreck, dass ich das Bedürfnis verspürte eine Woche lang durchzubaden.

„Alles der Reihe nach“, murmelte ich vor mich hin und ging als Erstes in das Schlafzimmer um mir frische Unterwäsche, meine legere Trainingshose und ein langes T-Shirt zu holen, dann schlurfte ich ins Badezimmer.

Meine Sachen landeten beim Vorbeigehen lieblos im Wäschekorb, der aus Gewohnheit seinen Posten neben der Schlafzimmertür bezogen hatte.

Für ein entspannendes Bad, war ich einfach zu müde und mir war die Gefahr zu groß, dass ich dabei einschlief und womöglich in meiner eigenen Wanne ertrank.

Somit blieb mir nur eine Dusche. Vorsichtig drehte ich an den Hebeln der Waschamatur, weil es mir schon häufiger passiert war, dass ich die falsche Mischung erwischte und mich entweder schockgefror oder wie einen Hummer kochte.

Das Wasser war eine wahre Offenbarung, genauso wie der Dreck, der von mir heruntergespült wurde. In dunklen Bahnen lief das Gemisch aus Staub, Schweiß und vermutlich auch Reste getrockneten Blutes den Abfluss hinunter auf nimmerwiedersehen.

Genießerisch hob ich meinen Kopf in den Wasserstrahl und ließ das Gespräch mit dem Sandaime noch einmal Revue passieren.

Auch ihm war also aufgefallen, dass Tenzou, seinen ganzen existenziellen Zweck darin sah, als Werkzeug zu fungieren.

Er gab damit nicht nur sein persönliches Anrecht auf Liebe, Freundschaft und Glück auf, sondern degradierte sich selbst zu jemanden, der all das auch nicht wert war. Aber sicherlich hatte er Freunde die vermutlich ebenfalls wie er Anbu waren, da die Notwenigkeit zusammen Attentate auszuführen zwei Menschen mehr zusammenschweißen konnte, als jegliche sonstige gemeinsame Interessen.

„Positiver Einfluss“, sagte ich mit geschlossenen Augen zu dem Duschkopf über mir.

Wie sollte ich dass denn machen? Und wollte ich das überhaupt?

Ich drehte die Temperatur noch ein wenig höher und griff zu meinem Haarshampoo, dass ich mir sanft in die Kopfhaut massierte. Genießerisch stöhnte ich auf.

Als nächstes seifte ich meinen Körper ein und schrubbte mir auch den letzten Dreck herunter. Duftend, dampfend und vor allem endlich sauber, stieg ich schließlich aus der Wanne und wickelte mich in ein Handtuch.

Mein Blick wanderte durch den gefliesten Raum, bis er an dem Spiegel hängen blieb, den ich vor etwa zwei Wochen angebracht hatte.

„Du siehst ganz schön alt aus, meine Liebe“, erklärte ich meinem Spiegelbild, nachdem ich mein Konterfei auf der glatten Oberfläche gemustert hatte. Tenzou hatte recht gehabt: selbst ein Idiot konnte sehen, dass ich nicht gut schlief, denn die dunklen Ringe unter meinen Augen sprachen Bände. 'Vielleicht sollte ich die Schatten etwas überdecken?', fragte ich mich.

Eine gute Idee, du siehst aus wie ein Zombie.

'Wie nett du wieder zu mir bist', gab ich schnippisch zurück und ich hörte nur ein leises Lachen in mir.

Abgetrocknet und in den sauberen Klamotten fühlte ich mich wie ein neuer Mensch. Meine zerrissene Hose, wanderte auf der Stelle in den Müll. Es war sowieso sinnlos sie flicken zu wollen, nachdem ich sie so viele Jahre durch Aufträge, Missionen, eine Flucht und einen Kampf mit zwei Ninjas gezerrt hatte, war ihr Material nun schlussendlich müde geworden.

Mit geschürzten Lippen besah ich auch den Rest meiner Ausrüstung. Das Urteil fiel ernüchternd aus: Die Lederhalterungen für mein Kampfmesser, sowie der Gürtel mussten dringend eingefettet werden, ansonsten würde das Material noch spröder werden, als es sowieso schon war und bald brechen. Bei meinen Schuhen das gleiche. Mein Erste-Hilfe-Paket musste erneuert und aufgefrischt werden und ich würde wohl nach Ersatz für meine Energiezuckerkapseln suchen müssen. Entschlossen kramte ich in meinem Schrank nach dem Pflegemittel für das Leder, während sich vor meinem Fenster der Himmel allmählich orange färbte. Sorgfältig entfernte ich getrocknete Erde und sonstigen Unrat von meinem Gürtel, der Beinhalterung wie auch von meiner Gürteltasche, die ich bei der Gelegenheit einmal komplett aus- und wieder einräumte.

'Kunais, das Ninjaseil, Bandagen, ein paar neue Rauchbomben und noch ein paar andere Sachen', notierte ich gedanklich auf meine Einkaufsliste. Dann arbeitete ich die Pflegemittel ein und legte mein Zubehör zum Trocknen oben auf den höchsten Schrank. Dort lag es zumindest nicht im Weg herum.
 

Während ich in Gedanken weitere Gegenstände zu meinen benötigten Einkäufen hinzufügte, klingelte es an meiner Wohnungstür.

Überrascht zuckte ich zusammen um dann reglos in meinem Schlafzimmer zu stehen, unentschlossen darüber, ob ich die Tür öffnen oder die Klingel einfach ignorieren sollte.

Es klingelte ein zweites Mal.

„Einen Moment, ich komme sofort.“ Hastig stopfte ich die restlichen Sachen meiner Ausrüstung in meinen Schrank und warf einen schnellen Blick in jedes Zimmer, ob nicht irgendwo ein verwerfliches Wäschestück in Form eines Büstenhalters oder Höschens herumlag. Dann ging ich langsam zur Wohnungstür um herauszufinden, wer mich besuchen kam.
 

„Hey, Haruka! Tut mir leid, dass ich erst jetzt vorbeikomme. Ich war heute schon Mal da, aber da hast du nicht aufgemacht. Ich dachte schon, du wärst vielleicht sauer oder so“, sprudelte es mir entgegen, sobald ich die Tür auch nur einen Spalt geöffnet hatte. Belustigt grinste ich den kleinen Genin an.

Kapitel 9 - Ein überraschender Schlafgast

„Hey Naruto, wo kommst du denn her?“

Irritiert verschränkte der junge Genin seine Hände hinter seinem Kopf.

„Na von draußen, woher denn sonst?“ Verdutzt sah ich ihn einen Moment lang an.

„Was ist denn? Warum guckst du denn so, Haruka?“ Seine Stimme nahm dabei einen leicht quängelnden Unterton an.

„Oh, tut mir leid. Ich habe nur nicht mit der Antwort gerechnet. Eigentlich ist es ja klar woher du kommst.“ Etwas unbeholfen, zeigte ich in Richtung der Treppen.

„Nun, was kann ich für dich tun?“

„Naja ich habe doch gefragt, ob ich vorbeikommen und dir von meiner Prüfung erzählen kann. Oder bist du gerade beschäftigt?“ Neugierig stellte er sich auf die Zehenspitzen und versuchte an mir vorbei ins innere der Wohnung zu sehen.

Ganz schön freches Kerlchen, tönte es in meinem Kopf.

'Ja, das stimmt.' Amüsiert hob ich eine Augenbraue und verschränkte die Arme, wobei ich meinen Körper so drehte, dass der Blonde, der beträchtlich kleiner war als ich, nicht an mir vorbei sehen konnte.

Frustriert gab es der kleine Chaot bald darauf auf und blies frustriert die Wangen auf.

„Nein ich bin nicht beschäftigt, aber du solltest nicht versuchen bei anderen Leuten ungefragt in die Wohnung zu sehen. Das mag nicht jeder.“ Grinsend blinzelte ich ihm zu und trat dann einen Schritt zur Seite.

„Na los komm rein, ich bin schon ganz neugierig.“ In Gedanken überprüfte ich noch einmal meine Räumlichkeiten auf Kindertauglichkeit. Bhs? Die lagen ordentlich in meinem Schrank. Schmutzwäsche lag im Wäschekorb, die Höschen unter den größeren Stücken verborgen. Meine Ausrüstung hatte ich in den Schrank geworfen.

Gut.

„Es ist etwas unordentlich, weil ich gerade erst heim gekommen bin, aber ich denke darüber schaust du hinweg, oder?“ Hörte ich mich laut sagen, wobei das eigentlich überflüssig war. Ich besaß nicht annähernd genug Kram, um mir darüber wirklich ernsthafte Sorgen machen zu müssen.

„Na klar, mach ich, kein Problem.“ Verkündete er fröhlich, als er an mir vorbei stampfte.

„Hier wohnst du also, ja?“, neugierig sah er sich um.

„Ja.“, erwiderte ich schlicht.

Ein wenig verlegen zog er sich seine Sandalen aus und stand unschlüssig im Flur.

Nun, nachdem er sein Ziel erreicht hatte, nämlich von mir in die Wohnung gelassen zu werden, bröckelte seine Maske des unantastbaren Ninjas merklich.

'Alles in allem ist er doch ein Kind', dachte ich amüsiert.

„Hast du Hunger, Naruto? Ich habe gerade überlegt etwas zu kochen.“

Wie auf Bestellung begann sein Magen zu knurren.

„Hast du Nudelsuppe?“, fragte er hoffnungsvoll.

„Nein, leider nicht.“ Er ließ den Kopf merklich hängen und mir fiel ein, dass während einer meiner Sprachstunden bei Iruka dieser einmal erwähnt hatte, dass der Junge Nudelsuppe beinahe über alles liebte.

„Wenn du willst können wir zu Ichiraku eine Nudelsuppe essen gehen, oder wir schauen erst einmal, was mein Kühlschrank hergibt. Wenn es dir nicht schmeckt, lade ich dich auf eine Nudelsuppe ein. Na was hältst du davon?“ Mein Vorschlag ließ ihn einen Moment überlegen.

„Kannst du nicht etwas kochen und mich trotzdem irgendwann auf eine Suppe einladen?“, er grinste mich schief an.

„Abgemacht.“, lachte ich und ging mit ihm zusammen in die Küche.

„Du hast aber eine kleine Wohnung“, bemerkte er überrascht.

„Wie kommst du darauf?“Während ich auf seine Antwort wartete bewegte ich mich bereits in Richtung des Kühlgeräts um herauszufinden, was ich eigentlich zum Kochen im Hause hatte.

„Naja, ich habe im Flur nur drei Türen gesehen. Eine ist sicherlich das Bad, eines das Schlafzimmer und das hier ist die Küche. Bei mir gibt es noch ein Zimmer mehr. Ich benutze das immer zum üben.“

„Ach weißt du, ich brauche eigentlich nicht so viel Platz, ich bin schließlich viel draußen unterwegs.“, erklärte ich ihm und dachte an die vergangenen Tage. Von Frischluftmangel konnte da keine Rede sein.

„Was willst du essen? Ich könnte Nudeln und eine Fleischsoße kochen, oder ein Omelett?“ Mit einem Blick in den Kühlschrank stellte ich fest, dass außer den beiden Möglichkeiten auch nichts anderes in Frage kam. Typisch für einen Singlehaushalt war der nämlich bis auf ein Paket Eier, etwas Fleisch, Käse, einer Flasche Milch, einer einsamen Tomate und eine noch einsamere Paprika leer.

„Was ist denn ein Omelette?“, tönte Naruto mit fragendem Gesicht. Na da hatte ich ja etwas gesagt.

„Hm, ich denke es ist vielleicht ähnlich zu Okonomiyaki, nur mit Eiern statt Kohl. Kannst du dir das vorstellen?“

„Eher nicht so“, antwortete er skeptisch.

„Wollen wir es testen? Ansonsten steht immer noch die Abmachung mit der Suppe.“

„Abgemacht, weißt du was Haruka?“

„Nein, was denn?“ Ich schaute hinter der Kühlschranktür hervor, als ich aus dem Gerät gerade die kläglichen Reste des letzten Einkaufs herausnahm. Naruto hatte sich an den Küchentisch gesetzt und starrte verlegen zur Zimmerdecke.

„Du sprichst unsere Sprache schon total gut, echt jetzt.“ Dann sah er mich an und lachte. „Aber du hast ja auch bei Sensei Iruka Nachhilfe genommen. Oder?“

„Das stimmt, woher weißt du das?“, fragte ich überrascht und balancierte den Eierkarton etwas wackelig zum Küchentisch.

„Naja, er hat es mir erzählt. Als ich heute morgen von meiner Mission zurückgekommen bin, habe ich ihn getroffen.“

„Daher hast du also die Information, ganz ein Ninja. Nun sag mir aber mal, hast du großen oder klei-“ abermals meldete sich sein knurrender Magen.

„Gut, also seeeeeeeeehr großen Hunger“, grinste ich. „Komm wir schneiden die Sachen zusammen klein, dann geht es schneller.“

Ich legte ihm ein Schneidebrett wie auch ein Messer vor die Nase, und ging mit dem Gemüse noch einmal zur Spüle um es sorgfältig abzuwaschen um sie dann vor ihm auf den Tisch zu legen.

„Fang du schon mal an die Sachen in kleine Stücke zu schneiden. Ich such derweil mal die Pfannen.“

Tatsächlich gestaltete sich diese Aufgabe schwieriger als erwartete, da ich mich einfach nicht erinnern konnte in welchen Schrank ich die gusseisernen Tiegel beim letzten Mal gepackt hatte.

Schließlich fand ich sie zusammen mit dem zweiten Küchengegenstand meines Verlangens: einer Schüssel.

Als ich mich zu dem Blonden umdrehte musste ich mir ein Lachen verkneifen, denn er hatte das Gemüse bereits in kleine Stücke geschnitten. In Klitzekleine.

Naruto bemerkte meinen verdutzten Blick und sah etwas betrübt auf sein Brett. „Hab ich was falsch gemacht?“

„Was? Nein, ich habe nur gerade gedacht, dass du sie wirklich sehr fein geschnitten hast. Ich hab dafür immer keine Geduld.“ Ich ging zum Tisch zurück und hockte mich neben ihn.

„Das hast du super gemacht.“, lobte ich ihn und wurde mit einem Lächeln belohnt. „Was kommt jetzt“, fragte er aufgeregt.

„Nun jetzt müssen wir die Eier hier in die Schüssel schlagen“ Ich machte es vor, und zerbrach zuerst die Schale am Rand des Gefäßes, das ich vor uns auf den Tisch gestellt hatte und ließ dann das Innere der Eierhülle hinein laufen.

„Gut und jetzt ich!“, aufgekratzt wie er war, zerdrückte der junge Shinobi das Ei komplett, so dass es zusammen mit ein paar Schalen in unserem zukünftigen Essen landete. Vergnügt versuchte er die Eierschalen mit einer Gabel, die ich ihm reichte, wieder herauszufischen.

In der Zwischenzeit, schnitt ich das Schweinefleisch klein und erhitzte Öl in der Pfanne.

„Weißt du Naruto, ich mag es wenn es ein wenig knuspert beim essen. So schlimm sind die paar Eierschalen auch nicht. Tun wir unsere Zutaten dazu und schauen, was draus wird.“ Wir rührten die Eier gut durch und ich überließ es Naruto die Anteile zu bestimmen, wie viel von welcher Zutat in die Masse kam.

Sie fiel Ernüchternd aus und ich beschloss ein Machtwort zu sprechen, denn wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte es Omelett mit Schweinefleisch gegeben. Nur mühsam konnte ich ihn überzeugen auch Tomate, Paprika und Käse mit hinein zu tun. „So jetzt noch etwas Salz und Pfeffer..“
 

„Du Haruka, deine Pfanne kohlt.“

„Wie bitte?“

„Deine Pfanne... sie verkohlt.“ Entsetzt drehte ich mich um und tatsächlich, aus der Pfanne stiegen riesige schwarze Rauchschwaden auf. Dann ertönte ein beinahe sanftes 'Puff' und eine Stichflamme schoss hervor. Mit einem erstickten Schrei riss ich die Pfanne vom Herd und ließ einen Deckel darauf fallen um dem Feuer die Sauerstoffzufuhr abzuschneiden. Naruto indessen sah mir mit dem ungläubigsten Gesicht zu, das ich je gesehen hatte.

„Also Omelette ist anscheinend ein ziemlich gefährliches Essen“, bemerkte der Blonde trocken. Wortlos sahen wir uns wie zwei Schafe an, bis der Junge plötzlich schallend zu lachen anfing und samt Stuhl nach hinten kippte.

„Gott Haruka, dein Gesicht, das müsstest du sehen! Das ist so komisch.“ Japsend hielt er sich den Bauch, während ich mich verlegen den Kopf kratzte.

„Also das ist mir noch nie passiert“ Dann stimmte ich in sein Gelächter ein, denn es war besser die ganze Sache mit Humor zu nehmen.

Nachdem wir uns wieder einigermaßen beruhigt hatten betrachtete ich die Pfanne doch etwas betrübt. Die war wohl hinüber.

„Na dann, Naruto“, verkündete ich, nachdem ich das verkohlte Küchengerät entsorgt hatte. Natürlich nicht ohne sicherzugehen, dass es soweit abgekühlt war, dass es nicht auch noch den Rest des Apartments in Flammen aufgehen ließ. “Ich hole die andere Pfanne und wir versuchen es ein zweites Mal“
 

Der zweite Anlauf klappt zu meinem Glück ohne Zwischenfälle und schon bald, saßen Naruto und ich vor zwei gigantischen Omeletts.

Dazu hatte ich etwas Orangensaft und etwas Wasser auf den Tisch gestellt. Nervös beobachtete ich den kleinen Ninja, als er den ersten Bissen nahm. Die Eierspeise war hier nicht sonderlich verbreitet, und vielleicht mochte er es gar nicht.

„Das ist ja mal voll lecker Haruka! Fast so gut wie Ichirakus Nudelsuppe.“, lautete sein Urteil und bevor ich auch nur ein Viertel gegessen hatte war sein Omelett komplett verschwunden. Er hatte wirklich einen beachtlichen Appetit und mir entging auch der Blick nicht, mit dem er auf den Rest meines Essen schaute.

„Puh, ich kann nicht mehr..“, stöhnte ich gespielt und rieb mir den Bauch. „Was mach ich jetzt nur damit?“

„Wenn du es nicht mehr willst, kann ich es ja essen.“

„Na klar, ansonsten müsste ich es vielleicht wegwerfen, denn aufgewärmt schmeckt es nicht.“ Nachdenklich betrachtete ich, wie er den Rest meines Essens in einem Tempo verschlang bei dem mein eigener Magen wohl rebelliert hätte.

„Puh, jetzt bin ich aber pappsatt“, stöhnte er und rieb sich seinen Bauch. „Wenn du noch mal Omelette machst, dann sag mir Bescheid, dann komm ich vorbei und helfe dir beim essen“, schelmisch grinste er mich an.

„Oder, immer wenn du Omelette essen willst, kommst du einfach vorbei. Ich muss sagen, für jemanden zu kochen ist schöner als immer für sich allein.“

„Echt jetzt?“ Überrumpelt und mit offenem Mund sah er mich an.

„Ja, natürlich. Naruto? Was ist denn los?“

„Naja, weißt du, das hat noch nie jemand zu mir gesagt. Dass ich vorbeikommen soll, meine ich. Bisher haben mich die Leute immer angeguckt wie ein Monster und mittlerweile weiß ich auch wieso.“ Traurig starrte er vor sich auf den Teller.

„Was meinst du?“, hakte ich nach.

Naruto begann zu erzählen. Erst langsam, stockend und leise, dann immer freier, was er während der letzten vier Wochen erlebt hatte.

Angefangen hatte es an dem Tag seiner Geninprüfung.

Zwar hatte die Geschichte über die, von Naruto, gestohlene Schriftrolle bereits von Hiruzen grob erzählt bekommen, aber dass es Narutos eigener Lehrer gewesen war, der ihn dazu angestiftet hatte, war mir neu.

Als Naruto über Mizuki, seinen Sensei sprach, stockte er ein paar Mal und ich wusste, wie schwer es ihm fiel, das Ganze noch einmal hochzuholen. Für den Jungen war der Hass, mit dem der ältere Ninja ihn angesehen hatte, ein Schock gewesen. Vor allem, weil er nicht einmal den Grund gekannt hatte.

„Weißt du, in mir drin wurde ein Dämon versiegelt, der neunschwänzige Fuchs. Er hat damals das Dorf angegriffen und es beinahe zerstört. Ich habe früher nie verstanden, wieso mich die Leute so komisch angesehen haben. Aber als Sensei Mizuki mir das mit dem Siegel erzählt hat, konnte ich es irgendwie verstehen und...“ Kopfschüttelnd brach er ab.

Ich nutzte die Pause des Blonden um die Teller vom Tisch zu räumen und ein wenig Frischluft in die Küche zu lassen. Der junge Shinobi war tief in Gedanken versunken und ich war mir nicht sicher, ob ich nun meinerseits das Wort ergreifen sollte.

„Jeder der mich sieht muss an die Menschen denken, die er durch den Neunschwänzigen verloren hat, deswegen hassen sie mich so sehr,“ sprach er plötzlich weiter.

„Der Hokage der vierten Generation hat dieses Monster in mir eingesperrt. Aber warum gerade in mir? Ich hasse diesen Fuchs! Wegen ihm hassen mich alle“, rief der Blonde plötzlich wütend.

Mitfühlend sah ich ihn an. Ich konnte mir gut vorstellen wir er sich fühlte, auch weil seine Emotionen deutlich von seinem Gesicht abzulesen waren: Trauer. Wut. Angst. Hilflosigkeit und das schlichte Bedürfnis von jemanden geliebt zu werden.

„Den Fuchs hassen auch alle. Vielleicht ist er so böse, weil er auch einsam ist.“, bemerkte ich sanft.

„Wieso sollte er? Er ist ein Ungeheuer!“, aufgebracht sprang er auf.

Beschwichtigend hob ich die Hände.

„Naruto, es ist ein Fuchs nicht wahr? Und ein Fuchs, ob nun Dämon oder nicht, ist ein Bewohner dieser Welt, richtig?“ Zustimmend, aber mit aufgewühlten Gesichtsausdruck nickte er.

„Menschen neigen dazu, alles zu verurteilen, das sie nicht beherrschen oder unterdrücken können. Alles was in irgendeiner Art mehr Macht hat als sie selbst macht ihnen Angst. Und Angst führt meistens zu Hass. Wenn ein Mensch oder ein Tier immer nur gehasst wird, begegnet es seinem Umfeld irgendwann mit genau dem gleichen Gefühl.“

„Aber die Leute sollen keine Angst vor mir haben. Sie sollen mich nicht hassen. Ich will, dass sie mich akzeptieren und anerkennen“, trotzig funkelte er mich an. Aus einem Gefühl heraus, fuhr ich ihm durch die Haare, dass noch widerspenstiger als üblich von seinem Kopf abstand. Zusammen mit den Narben in seinem Gesicht, hatte er selbst etwas von einem Fuchs, aber den Kommentar verkniff ich mir.
 

„Dass du das so siehst, macht dich zu etwas Besonderem, Naruto. Leider gibt es dafür keinen einfachen Weg, alles was ich dir sagen kann ist: Sei du selbst, verliere dein Ziel nicht aus den Augen und schütze die Menschen die dir etwas bedeuten. Dann werden sie dich anerkennen, aber es braucht leider immer etwas Zeit.“, sagte ich nachsichtig zu ihm und er beruhigte sich wieder. Zwar sah er es nicht ein, wieso er den Geist in sich in irgendeiner Form akzeptieren solle, aber ich gab die Hoffnung nicht auf, dass er irgendwann erkannte, dass die Menschen sich ihre Monster alleine schufen.
 

Mit einem Blick aus dem Fenster, wurde mir klar, wie spät es schon geworden war, denn draußen zeigte sich bereits der Mond am Himmel. Mühsam verkniff ich es mir, einen Blick auf die Uhr zu werfen.

Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich heute früher ins Bett kam, aber so müde ich auch war, hatte ich doch das Gefühl, dass der Blonde seine Erlebnisse loswerden wollte und womöglich auch musste.

Das Thema Dämonenfuchs ließ ich allerdings erst einmal beiseite und fragte ihn stattdessen, in welches Team er eingeteilt worden war und was für Missionen er bereits erlebt hatte.
 

Wie ich erfuhr bestand seine Gruppe aus einem Jōnin, der Kakashi hieß, einem gewissen Sasuke und einer Sakura, bei der ich den Eindruck hatte, dass zumindest von Narutos Seite her, mehr dahintersteckte, denn als er von ihr sprach wurden seine Augen merkwürdig glasig.

'Da hat es den Jungen wohl ziemlich erwischt', schmunzelte ich.

„...Und unsere erste Aufgabe war es Sensei Kakashi zwei Glöckchen abzunehmen..“ Naruto war so in seine Erzählungen vertieft, dass er mich komplett ausblendete und wild mit seinen Händen herumfuchtelte.

Auch seine Mimik konnte ich nicht treffender als mit 'überraschend vielfältigen Gesichtsfasching' beschreiben. Nichts erinnerte mehr an den geknickten kleinen Shinobi, der einen Moment zuvor noch wie ein Häufchen Elend vor mir gesessen hatte.

Lebhaft sprach er in dem einen Moment von Sakura, dem süßen Mädchen mit den langen rosa Haaren, dann wedelte er nur Sekunden später mit seiner Faust einem imaginären Sasuke drohend zu, weil er ihm in irgendetwas überlegen gewesen war. Fasziniert beobachtete ich die Darstellungen des jungen Ninja.
 

Zwischen ihm und dem anderen Jungen schien eine Rivalität ausgebrochen sein und von Beginn an versuchte Naruto den Anderen zu übertrumpfen, was bisher wohl eher überschaubaren Erfolg gebracht hatte.

„Aber ich hab schon total viele neue Sachen gelernt, die muss ich dir bei Gelegenheit mal zeigen', erklärte er gerade im Brustton der Überzeugung.

„Kennst du eigentlich schon mein Sexy no Jutsu?“

„Ja Naruto, ich kenne es“, grinste ich vor mich hin. „Zeig mir bei Gelegenheit lieber etwas anderes.“

„Ach so, na dann“, einen Moment war er still. War er beleidigt?

Ich hob eine Augenbraue und sah ihn abwartend an, doch bevor ich irgendetwas sagen konnte, redete er auch schon weiter über sein Team. Also war er nicht beleidigt, sondern hatte lediglich für den Bruchteil einer Sekunde den Faden verloren.

Leise seufzend stützte ich das Kinn auf meiner Hand ab. Das mit dem 'früh ins Bett gehen' konnte ich vergessen.
 

Sasuke nervte ihn wegen seiner abweisenden Art, Sakura hatte keine Augen für Naruto weil sie hinter dem Ersteren her war, wie der Teufel hinter der armen Seele. Und Kakashi kam immer zu spät.

„Der ist schon ein komischer Typ, echt jetzt. Der hat uns einfach fünf Stunden warten lassen. Und der liest überall so ein merkwürdiges Buch, dann ignoriert er einen immer völlig!“ Nachdenklich verschränkte er die Arme hinter seinem Kopf und starrte an die Decke.

„Aber weißt du was mich beeindruckt hat?“

„Nein, was?“

„Auf der Mission hat er etwas zu uns gesagt, das ich ziemlich toll fand.“ Die strahlend blauen Augen spiegelten das wieder was in seinem Inneren vor sich ging. Was auch immer sein Lehrer von sich gegeben hatte, auf den Jungen hatte es großen Eindruck gemacht.

„Er hat gesagt: Ich werde nicht zulassen, dass meinen Freunden etwas passiert.“

Versonnen nickte ich.
 

Naruto erzählte mir von seinen ersten Missionen. Besonders regte er sich über die Katze Tora auf, die wohl ihrer Herrin einmal mehr entlaufen war.

„Dieses Vieh hat mir das ganze Gesicht zerkratzt echt jetzt, ich weiß gar nicht wie man so etwas mögen kann“, maulte er laut. Da er einen Moment brauchte um Luft zu holen, wollte ich ebenfalls etwas sagen, doch der Blonde war schneller.

„Zum Glück heilen meine Wunden so schnell, sonst hätte ich jetzt ein Narbengesicht wie Sensei Kakashi“, nölte er weiter und ich gab es auf ihn unterbrechen zu wollen.

'Was solls,“ dachte ich ergeben und akzeptierte die endlose Wortflut des Jungen.

„Dafür habe ich ein viel zu hübsches Gesicht!“

Hach ja.
 

Ohne auf mich zu achten, als ich die Augen verdrehte, erzählte er von dem Auftrag der ihn in das Land der Wellen geführt hatte. Dort war 'Team Kakashi', wie Naruto es hin und wieder nannte, auf Zabuza getroffen. Der Mann war laut dem Genin ein verstoßener Shinobi aus dem Dorf Kirigakure und hatte den netten Beinamen 'Dämon des versteckten Nebels'. Während seiner Tätigkeit als Oi-Nin, was ich laut Narutos Beschreibung als äquivalent zu den Anbu einordnete, hatte er versucht die Regierung seines Dorfes zu stürzen. Doch sein Putsch scheiterte und der Ninja hatte das Dorf verlassen müssen um nicht selbst getötet zu werden.

Auf seiner Flucht traf er den Waisenjungen Haku, der ein mächtiges Kekkei Genkai besaß und nahm ihn mit sich um ihn für seine Zwecke zu benutzen.

Gebannt lauschte ich den Ausführungen des Blonden und war froh, dass ich bereits einen Einblick in die Welt des Chakra erhalten hätte, sonst wäre das Gespräch mehr als nur verwirrend gewesen, denn Naruto war nicht gerade ein strukturierter Erzähler.
 

Der verstoßene Ninja hatte zusammen mit seinem Schützling Aufträge als Söldner angenommen, wobei ihr letzter ein Attentat auf den Brückenbauer Tazuna sein sollte, der die Inseln des Wellenreiches mit dem Kontinent verbinden wollte.

Nach einem ersten Zusammentreffen der beiden Teams, bei dem sowohl Zabuza als auch Kakashi schwer angeschlagen worden waren, hatten sie einige Tage bei Tazuna, dem Brückenbauer, verbringen müssen, um sich zu erholen.

Später waren sie ihnen noch einmal begegnet, als Zabuza und Haku ein weiteres Attentat auf die Schutzperson ausüben wollten. Naruto beschrieb alle Einzelheiten des Gefechts ziemlich farbenfroh und ich fühlte mich unangenehm an den Kampf mit Tenzou erinnert. Offensichtlich hatte ich recht gehabt, was seine Zurückhaltung anging, denn wenn man Naruto Glauben schenken konnte, enthielt ein üblicher Shinobikampf eher wenig Körperkontakt, dafür aber eine Unmenge an Jutsus. Der Kampf hatte damit geendet, dass Haku sich, um seinen Meister zu beschützen, vor Zabuza geworfen hatte und von Kakashi getötet worden war. Die ganze Geschichte war unendlich traurig und das wahre Ausmaß zeigte sich erst in dem Augenblick, als auch der ältere Söldner besiegt worden war.
 

„Weißt du, eigentlich waren sie Beide immer allein, und als sie endlich jemanden gefunden hatten...“ Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten und sah mich dann mit einer bitteren Miene an.

„So will ich niemals werden! Haku und Zabuza haben sich immer nur als Werkzeuge gesehen, aber das kann doch im Leben nicht alles sein, oder?“ Ein flehender Ausdruck trat in sein Gesicht, als er mich ansah.

„Nun, Naruto“, begann ich zögernd.“Vielleicht hatten die Beiden vom Leben nichts mehr zu erwarten? Sag du es mir, ist ein Ninja ein Werkzeug?“

„Also ich will keins sein. Und wenn das der Weg eines Ninjas sein soll, ist der echt dämlich. Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Ich meine, man wird doch Ninja um stark zu werden und um die Menschen zu beschützen. Aber nicht um dann ein blödes Werkzeug zu sein.“ Heftig atmend sah er zu mir auf.

„ Deswegen habe ich beschlossen meinen eigenen Weg des Shinobi zu finden.“

Einen Moment herrschte Stille.

„Das ist eine sehr gute Idee. Behalte die Beiden in deinem Herzen und sehe sie als Mahnmal. Du hast von ihnen eine wichtige Lektion gelernt, auch wenn es traurig für Zabuza und Haku ist, dass sie erst bei ihrem Tod herausgefunden haben, welche Gefühle sie wirklich verbanden.“ Die Worte kamen von mir nur zögerlich.

„So sind sie wenigstens nicht ohne dieses Wissen gestorben. Auch wenn es nur ein schwacher Trost ist, vielleicht haben sie so ihren Frieden gefunden.“

„Nein ich denke da genauso. Also, dass sie glücklicher waren, als sie es dann erkannt haben.“ Ernst sah der Genin auf sein Glas Orangensaft, das er zwischen seinen Händen hin- und herdrehte.
 

'Bin ich auch so gewesen, als ich noch ein Kind war?', fragte ich mich.

Nein, deine Erfahrungen waren komplett andere. Man hat euch erst später auf Missionen geschickt, bei denen es um solche moralischen Zerwürfnisse ging. Oder bei denen ihr Menschen töten musstet. Mein innerer Begleiter hatte Recht, doch war ich mir sicher, dass Hiruzen kein Kind auf eine solche Mission geschickt hätte, wenn ein Angriff von einem ausgebildeten Elite-Ninja zu erwarten gewesen wäre.

So wie Naruto es beschrieben hatte, ging ich davon aus, dass Tazuna bei seiner Schilderung der Umstände für die Begleitmission gelogen hatte, womit die Schwierigkeitsstufe und das zu zahlende Honorar sicherlich niedriger gewesen war. Bei dem Gedanken an so viel Ignoranz und Fahrlässigkeit spürte ich wie mein Blut zu kochen begann, denn der Mann hätte spätestens dann reinen Tisch machen müssen, als ihm klar geworden war, dass ihn Kinder begleiten sollten.
 

„Wenn du immer daran denkst, kannst du deinen Weg selbst gestalten, Naruto. Wenn du kein Werkzeug sein willst, lass dich nicht zu einem machen.“ Beendete ich das Thema leise. Es war beinahe unheimlich, wie ernst er mich ansah, als er langsam nickte. Der Blonde war in den drei Wochen, die wir uns nicht gesehen hatten merklich reifer geworden. Doch wer wäre nicht ein gutes Stück erwachsener, wenn er mit der Frage nach dem eigenen Wert konfrontiert worden war.
 

Als ich zur Toilette ging, überlegte ich, wie ich den Jungen eigentlich dazu überreden konnte, langsam den Heimweg anzutreten. Zwar mochte ich ihn wirklich gern und freute mich über das Vertrauen, dass er mir schenkte, doch ich war mittlerweile kurz davor auf dem Stuhl sitzend einzuschlafen.

Aber konnte ich den Jungen einfach so in der Nacht draußen herumlaufen lassen?

'Vielleicht sollte ich ihn Heim bringen, dann müsste ich mir keine Sorgen machen', dachte ich während ich die Spülung betätigte und wieder in die Küche ging.
 

Überrascht musste ich dort feststellen, dass mir die Entscheidung bereits abgenommen worden war, denn das Energiebündel saß zusammengesunken am Küchentisch und war mir, was das Einschlafen auf dem Stuhl anging, zuvorgekommen.

'Ein niedlicher Anblick', seufzte ich gedanklich.

Ich mochte Kinder sehr und irgendwann hatte ich mir selbst eine kleine Familie gewünscht, aber das stellte im Augenblick keine Option mehr für mich dar. Mit wem auch?

Vorsichtig nahm ich den Blondschopf hoch und war erstaunt, wie schwer er trotz seiner eigentlich, überschaubaren Größe und seiner ziemlich schmalen Statur war.

Ihn einfach zu wecken, brachte ich nicht über mich, weswegen ich ihn einfach in mein Bett legte und für mich meinen Schlafsack unter dem Bett hervorzog. Seufzend rollte ich mich auf dem Boden zusammen und versuchte ebenfalls zu schlafen.

Leider entschied sich mein Gehirn dazu, nun einen aktiven Part zu spielen.
 

Mit hinter meinem Kopf verschränkten Armen sah ich hoch zur Zimmerdecke und fragte mich, ob ich vielleicht auch so geworden wäre wie der Ninja oder der Junge aus Kirigakure.

Meine Gedanken eilten zurück zu der Zeit, als ich selbst noch so etwas wie ein Genin gewesen war. Den größten Unterschied markierte die Tatsache, dass unsere aktiven Einsätze nicht mit zehn, sondern mit fünfzehn Jahren begonnen hatten. Zusammen mit meinem Team hatte ich viele Missionen bestritten, von denen einige Erkundungsmissionen, andere jedoch Einsätze gegen aktive terroristische Gruppierungen gewesen waren. Doch das war ganz am Anfang gewesen und mit der Zeit waren unsere Aufträge dunkler und brutaler geworden.

Mit dem Fortschreiten unserer Ausbildung waren uns immer mehr Rettungsmissionen zugeteilt worden, die nötig waren, wenn andere Einheiten versagt hatten. Wobei das Wort 'Rettung' in der Beschreibung nicht dafür gedacht war, dass wir unsere Soldaten aus der Gefahrenzone holten, sondern die Missionen erfolgreich beendeten. Bei den meisten Aufträgen hatte es bei unserer Ankunft sowieso nicht mehr viel gegeben, dass man hätte retten können. Daher schlossen wir den Auftrag ab und überführten, wenn möglich, die Überreste unserer Kameraden zurück nach Hause. Sofern wir sie identifizieren konnten.

Die Bilder der Särge, die wegen des unzumutbaren Inhalts niemals von ihren Familien geöffnet werden konnten, verwoben sich in manchen Nächten mit meinen eigenen Dämonen, so dass sich in meinen Träumen noch tiefere Abgründe auftaten als sowieso schon. Doch auch, wenn ich damals geglaubt hatte, dass es nicht schlimmer kommen könnte, musste ich feststellen wie sehr ich mich doch geirrt hatte, denn es blieb nicht bei den Bergungsaufträgen.

Denn je erfolgreicher wir als 'Eingreiftruppe' wurden, desto merkwürdiger gestalteten sich die nachfolgenden Einsätze.
 

Das Blatt änderte sich für mich, als wir die Mission erhielten einen Mann auszuschalten, der von höchster Stelle als terroristische Bedrohung angesehen wurde. Laut Akte warf man ihm die Planung einer schmutzigen Bombe im Stadtgebiet und Diebstahl von Staatsgeheimnissen vor.

Um nicht mehr als nötig aufzufallen, wurde entschieden, dass ich zunächst erst einmal allein in dessen Quartier eindringen sollte.

Würde ich mich nicht nach einem vorher festgelegten Zeitfenster bei meinem Team melden, lautete der Befehl, das Areal zu stürmen.

Jung, dumm und auf das System vertrauend, hatte ich den Mann eines nachts in seiner Privatwohnung aufgespürt um mit Entsetzten festzustellen, dass dieser in keinster Weise Terrorist, sondern lediglich ein politischer Gegner war, der die Praktiken der herrschenden Oberschicht verurteilte.

Am schlimmsten war für mich, dass er bereits mit einem Attentäter gerechnet hatte.
 

Er bat mich nicht darum ihn zu verschonen, auch verurteilte er mich in keinster Weise, nur um einige Minuten Zeit bat er mich. Er erzählte mir von all den geheimen Operationen die innerhalb des Senats bewilligt wurden, von denen niemand jemals erfahren hatte und es ihm gelungen war Beweise zu sammeln, welche er hatte veröffentlichen wollen um damit die Regierung endlich wach zu rütteln.

Der Mann hatte daraufhin auf einen Brief gedeutet, der in einem Kuvert auf einem Tisch gelegen hatte. Wenn ich es wollte könnte ich ihn nach meiner erledigten 'Arbeit' mitnehmen und selbst entscheiden was ich damit tat.

In mir herrschte auch dann noch ein Kampf zwischen Verstand und Loyalität, als das restliche Team nach Ablauf der gesetzten Zeit die Räumlichkeiten stürmte und mein Kommandant, ohne mit der Wimper zu zucken das Zielobjekt erschoss. Auch heute noch konnte ich seine kalte Stimme hören, wie sie den Männern befahl die Wohnung zu verwüsten, damit es nach einem Überfall aussah.

Umnebelt war mir klar geworden, dass man uns betrogen und belogen, mit falschen Informationen gefüttert und zu Werkzeugen gemacht hatte. Und der Kommandant wusste die ganze Zeit darüber Bescheid.

In dem Durcheinander, dass das Team in dem Apartment anstellte, ließ ich den Brief mit den Beweisen unbemerkt in meiner Tasche verschwinden und übergab ihn später meinen Vater, der sie seinerseits anonym an die Öffentlichkeit weitergab.

In der folgenden Zeit wurden viele Strohmänner angeklagt und verurteilt um die Bevölkerung ruhig zu halten, nur die eigentlichen Hintermänner traten dabei nie ans Licht.

Erschüttert über die Erkenntnis, dass selbst der Großpräsident von all den obskuren Attentaten die in seinem Namen verübt worden waren keine Ahnung hatte, weigerte ich mich von nun an solche Aufträge zu übernehmen und wurde in eine andere Einheit versetzt.

Der mächtigste Mann im Staat, versuchte unterdessen, in seinen Reihen die eigentlichen Verräter aufzuspüren, doch er starb einige Monate nach der Enthüllung der Akte und ich fraß einen Besen, wenn es ein Zufall gewesen war.

Meine Eltern hatten zu diesem Zeitpunkt die Senatorin bereits im Verdacht gehabt und sich politisch immer weiter von ihr distanziert. Mit einem Mal kam mir der Gedanke, dass möglicherweise mehr hinter den Attentat auf mich und meine Familie steckte, als die bloße Gier der Senatorin nach mir.
 

Erschrocken zuckte ich zusammen, als mir ein Kissen unsanft ins Gesicht geschlagen wurde. Überrascht und verwirrt schoss ich in die Höhe.

Mir war gänzlich entfallen, dass Naruto in meinem Bett schlief, während ich hier in meinem Schlafsack auf dem Boden daneben lag.

Der Genin, hatte offensichtlich gerade einen Punkt seiner Schlafphase erreicht in der er das Erlebte verarbeitete.

„Nein, Sakuraaaa........ich werde Hokage. Schau..der Mantel steht mir super........mache.... Sasuke fertig.....Blödmann... gib … Nudelsuppe!“ Dabei drehte er sich von links nach rechts und zog das Kissen wieder an sich, welches er daraufhin umarmte. Perplex, sah ich ihn an, als er kurz darauf begann darauf einzuschlagen.

„Dich mach ich fertig..... stärkster Ninja.... ein Held!“

Was zum Teufel träumte er denn für einen merkwürdigen Unsinn?
 

Frustriert schielte ich auf die Uhr, die mir verriet, dass es kurz nach zwei in der Früh war.

'Schlaf endlich', befahl ich mir selbst und drehte mich kategorisch zur Seite. Zu meinem Verdruss fing der kleine Mann in meinem Bett nun auch noch horrend zu Schnarchen an.

Wie war das bei so einem Zwerg nur möglich? Bei der Lautstärke konnte man meinen, dass in seinen Träumen ein ganzer Wald das zeitliche segnete. Nachdenklich drehte ich mich wieder zu ihm um und betrachtete das Gesicht. Von dem schrecklichen Getöse mal abgesehen, schlief er mittlerweile ruhig, doch die Vermutung lag nahe, dass es sich mit erreichen der nächsten Schlafphase wieder ändern würde. Wollte ich also überhaupt noch schlafen wäre jetzt die beste Gelegenheit.

Schmunzelnd bemerkte ich, dass ihm bei seinem Kissenangriff auf mich, sein Stirnband heruntergerutscht war. Vorsichtig, zog ich es unter seinem Kopf hervor und legte es neben ihm auf den kleinen Beistellschrank.

Das was er erlebt hatte, war sicher nicht ohne Spuren an ihm vorübergegangen und für einen Jungen in seinem Alter hatte er es bemerkenswert gut weggesteckt. Bewundernd sah ich in seine entspannten Gesichtszüge.

Lag es an seinem positiven Gemüt oder daran, dass die Kinder von Konoha früh dazu erzogen wurden erwachsen zu sein? Langsam ließ ich mich zurück sinken und über meine Grübeleien hinweg schlief ich irgendwann ein.
 

Der Morgen kam sowohl für Naruto als auch für mich viel zu überraschend und für meinen Geschmack viel zu schmerzhaft.

Punkt fünf Uhr klingelte mein Wecker, was den kleinen Ninja nicht nur unsanft aus dem Schlaf riss, sondern ihm auch einen ordentlichen Schreck versetzte, der dadurch, dass er in einer für ihn fremden Umgebung aufwachte dazu veranlasste mit einem Schrei aus dem Bett zu springen.

Er landete geradewegs in meiner Magengrube, woraufhin ich wie ein Messer zusammenklappte und ihn aus Reflex mit aller Kraft nach vorne stieß.

Mit einem weiteren Schrei, der mich zur Besinnung kommen ließ, schlug er neben der Tür in die Wand ein.

„Oh Verdammt, Naruto?Es tut mir wirklich leid, hast du dir etwas getan?“

Schnell schälte ich mich aus meinem Kokon und stolperte zu ihm hinüber. Der Genin war völlig abwesend und auf seiner Stirn zeigte sich bereits eine schnell wachsende blaugrüne Beule.

„Heh, Naruto. Los, wach auf“, flehte ich ihn an und patsche ihm leicht mit der Hand gegen das Gesicht.

„Woah, Haruka, was war das denn?“

„Du bist mir in die Magengrube gesprungen. Ich hab mich erschrocken und dich von mir runtergeworfen.“

„Achso, man hab ich Kopfschmerzen, echt jetzt.“

Das konnte ich mir gut vorstellen und inspizierte seinen Kopf gründlich. Aber er hatte Glück.

„Du hast einen ziemlich robusten Kopf“, verkündete ich überrascht. „Es blutet nicht einmal.“ Damit ließ ich seinen Kopf los und stand auf, während der Blonde sich überrascht umsah.

„Wo bin ich eigentlich?“

„Na immer noch bei mir, du warst so müde, dass du gestern im sitzen eingeschlafen bist.“

„Oh.“ Verschämt blickte er auf den Boden vor sich.

„Und du hast deswegen extra auf dem Boden geschlafen?“

„Das war kein Problem für mich, ich hab ja noch meinen Schlafsack. Es ist also halb so schlimm. Hast du Lust auf Frühstück?“ Mir fiel ein, dass ich gar nichts zum frühstücken da hatte, das seinen Gewohnheiten auch nur im entferntesten entsprach.

„Ich hab aber nur eine selbstgemachte Getreidemischung da“, erklärte ich ihm und wie erwartet sah er mich skeptisch an.

„Ne danke, das klingt irgendwie nicht so toll.“ Schief grinste er mich an und warf dann einen Blick auf die Uhr.

„Es ist ja erst fünf Uhr, da hätte ich ja noch weiterschlafen können!“ Entrüstet riss er die Augen auf. Mit hoch gezogener Augenbraue musterte ich ihn.

„Aber dann kann ich noch mal nach Hause gehen und mich umziehen, wir kriegen heute bestimmt eine neue Mission vom alten Mann. Da muss ich gut aussehen.“

'Sein Ego hätte ich gerne' grinste ich in mich hinein.'Aber solange er keine anderen Probleme hat, geht es ihm wohl prächtig.'

„Warte, soll ich deine Beule nicht noch etwas verarzten?“

„Nein nicht nötig, die geht von alleine wieder weg. Du weißt doch, bei mir heilt alles immer ganz schnell. Ich besuche dich bald wieder, ja?“ Ohne meine Antwort abzuwarten, schlüpfte er durch die Wohnungstür und ich konnte ihn durch den ganzen Hausflur springen hören.

Um mich herum war es auf einmal leer und ohne den quirligen Knirps merkwürdig still.
 

Das Zimmer ähnelte einem Schlachtfeld, mein Bett war ein einziges Chaos, Decke und Kissen lagen verstreut im Raum herum. Mein Schlafsack hatte Ähnlichkeiten mit einer abgeworfenen Tierhaut und ich hätte schwören können, dass an der Stelle, wo Narutos Kopf in die Wand eingeschlagen war ein kleiner Riss in dem Beton zu sehen war.
 

Nachdem ich mein Bett gemacht, den Schlafsack, zusammengerollt, wieder unter das Bett geschoben und die Delle in der Wand gekonnt ignoriert hatte, zog ich mir meine Trainingssachen an um meine morgendliche Trainingsrunde in Angriff zu nehmen.

Und einkaufen musste ich schließlich auch noch, nicht zu vergessen meine Sachen waschen zu lassen und das mit dem Chakra spüren wollte ich auch noch üben.

„Na dann mal los“, murmelte ich und stemmte voller Tatendrang die Hände in die Seite, warf meinem Spiegelbild eine Grimasse zu und verließ das Haus mit vielen guten Vorsätzen und dem laut aufgedrehten Bass in meinen Kopfhörern.
 

Später würde ich zum Hokage gehen und mich erkundigen, ob es etwas für mich zu tun gab.

Zu meiner Erleichterung hatte Hiruzen nämlich entschieden, dass ich weiterhin die Botengänge übernehmen würde, während Genma die längst überfälligen Akten im Archiv sortierte.

Mit leisen Gewissensbissen, dachte ich daran, dass der Shinobi nicht gerade den Eindruck eines Menschen machte, der sich gerne im Staub vergangener Zeiten aufhielt und fügte eine weitere Aufgabe zu meiner Tagesliste hinzu: nämlich bei Iruka in der Akademie vorbeizuschauen und ihn zu fragen, ob er mir Lesen und Schreiben beibringen konnte.

Alleine der Gedanke daran jagte mir einen Schauer über den Rücken.
 

Natürlich gab es für mich eigentlich keinen plausiblen Grund mich deswegen zu schämen. Doch allein bei der Vorstellung wie ein Grundschulkind in einem Klassenraum zu sitzen, verursachte mir Unbehagen.

Aber wie hatte der Sandaime gesagt : Man war nie zu alt um etwas Neues zu lernen.

Kapitel 10 - Das Gebiet hinter dem Park

Nach meiner Trainingsrunde, holte ich, wie ich es mittlerweile gewohnt war, meine frisch gewaschene Kleidung aus dem Salon ab und brachte sie zusammen mit ein paar eingekauften Lebensmitteln nach Hause um nach einer erfrischenden Dusche weiter zum Hokageturm zu schlendern.

Trotz des noch frühen Tages waren ungewöhnlich viele Menschen unterwegs. Erst beim näheren Hinsehen, erschien mir ihre Kleidung doch ein wenig zu exotisch um Bewohner des Dorfes zu sein und je näher ich meinem Ziel kam, desto mehr wurden es, so dass ich mich am Ende sogar zwischen ihnen hindurch schlängeln musste.

Bisher war Naruto in seinem leuchtend orangefarbenen Trainingsanzug das exzentrischste Beispiel für unkonventionelle Kleidung gewesen, doch wie ich nun feststellte, war er damit keinesfalls alleine. Die Sachen, die sie trugen, waren wirklich eine bunte Mischung an Stilen: einige trugen lange, weiße Umhänge und Haremshosen, andere eher ausgefallene Kombinationen aus Netzshirts und anderen Kleidungsstücken. Darüber hinaus war ich mir sicher irgendwo einen kurzen Blick auf einen monströsen Flaschenkürbis geworfen zu haben. Aber vermutlich spielten mir meine Augen an dieser Stelle einen fiesen Streich.
 

Am auffälligsten war jedoch das Alter innerhalb der Menge, denn kaum jemand schien hier erwachsen zu sein.

Die meisten waren Jugendliche, wobei ich hin und wieder auch ein paar Kinder sah, die vielleicht in Narutos Altersstufe lagen. Genau wie ich, steuerten sie auf das Verwaltungsgebäude zu.

Was war hier nur los?

Das sind Geninteams, wurde ich aufgeklärt.

'Wie kommst du darauf?'

Schau mal genau hin, sie sind zwar dem ersten Blick nach fast alle aus einem Dorf, aber sie bewegen sich dennoch in Dreier- Gruppen und sie tragen alle Stirnbänder.

Darauf aufmerksam gemacht, fiel es auch mir auf: Obwohl es doch eine beinahe homogene Masse war, schienen sich die Jugendlichen um mich herum in Teams zu teilen. Immer drei Genin zusammen. Dann ein wenig mehr Platz und wieder Drei.

Neugierig besah ich mir einige der jungen Ninjas von vorne und stellte fest, dass sie definitiv nicht aus Konoha sein konnten. Die Plaketten zeigten nicht das mit bekannte Blattzeichen.

Viele der Symbole sahen mit viel Fantasie aus, wie ein 'i', andere hatten einfach nur mehrere Längsstriche hintereinander oder etwas das einem Pfeil ähnlich war. Ich hielt Ausschau nach den Konohashinobi, wurde aber enttäuscht. Keiner dieser jungen Menschen schien von hier zu kommen.

Auch etwas anderes sprang mir ins Auge: Das waren mit Sicherheit nicht alles nur einfache Genin. Manchen von ihnen sah man ihre Kampferfahrung förmlich an, zumal sie auch keinen Hehl daraus machten.

Selbstbewusst drängten sich die Größten und Ältesten durch die Jüngeren um sich vor der Turmtür in eine Schlange einzureihen, die immer schneller anwuchs.

In Kürze würden sie vermutlich sogar bis zur Eingangstür des Hauses stehen, in dem ich meine Wohnung hatte.

„Entschuldigung, lasst mich bitte durch.“

Mühsam zwängte ich mich zwischen zwei ziemlich unfreundlich dreinschauenden Jugendlichen hindurch, die keine Anstalten machten, ein wenig zur Seite zu gehen.

„Heh! Stell dich gefälligst hinten an. Wir warten auch schon seid zwei Stunden“, grunzte einer von den Beiden und versuchte mich rüde an der Schulter wieder wegzuschieben. Er war etwas größer als ich und meiner Schätzung nach mochte er vielleicht siebzehn oder achtzehn sein. Gelassen blieb ich vor ihm stehen und betrachtete einen Moment lang seine Hand, die er auf meiner Schulter platziert hatte.

„Das ist schön für dich. Aber ich hab meinen Job in diesem Haus und deshalb muss ich da rein, also sei doch so nett und lass mich durch“, erwiderte ich höflich.

„Das ist mir völlig egal. Vor mir kommt keiner in das Gebäude.“ Seine Hand begann meine Haut zu quetschen und mir wurde klar, dass der Junge hier seine Macht demonstrieren wollte.

Ach ja die Pubertät.
 

Lächelnd umfasste ich seine Hand mit meiner eigenen und drückte nun meinerseits zu. Sein überhebliches Grinsen, dass er mir eben noch gezeigt hatte, verschwand sofort, als er seine Knochen leise knackten hörte.

Übertreib' es nicht, meldete es sich aus meinem Kopf.

'Werde ich nicht, aber solche Schnösel kann ich einfach auf den Tod nicht ausstehen. Und anfassen lasse ich mich auch nicht von so einem halbgewalkten Balg.'

„Wenn du willst kann ich noch ein wenig doller drücken. Ich hoffe du bist kein Rechtshänder und hast vor die Hand in der nächsten Zeit zu benutzen.“ Meine Worte waren leise, sodass nur die Jungen, die vor und hinter uns standen, sie hören konnten. Sofern sie überhaupt auf uns achteten. Wie aufs Stichwort stieß der Teamkollege des Möchtegerns ihm mit dem Ellbogen in die Seite, während ich den Druck noch ein wenig mehr verstärkte und ich anstatt des überraschten nun ein schmerzverzerrtes Gesicht zu sehen bekam.

„Hey, Kisho. Das ist kein Genin, wahrscheinlich nicht einmal eine Kunoichi. Guck doch mal, sie trägt nich ma' ein Stirnband.“

„Nein, da hast du Recht. Ich bin kein Ninja“, erklärte ich dem Zweiten freundlich.

„Also Kisho, willst du meine Schulter jetzt nicht loslassen?“ Sprach ich in meinem besten Plauderton.

Der angesprochene Ninja stöhnte erstickt auf, als ich noch ein wenig mehr Druck ausübte.

Abwartend sah ich ihm in die Augen und bemerkte amüsiert, dass er versuchte mich bösartig anzustarren und sich dabei das Blinzeln verkniff.

'Wie lächerlich', dachte ich und hätte am liebsten mit den Augen gerollt. Just in diesem Augenblick schien der Junge seine Niederlage zu akzeptieren, und das keine Minute zu früh, da ich langsam merkte wie seine Fingerknochen aus ihren Gelenkkapseln gedrückt wurden. Ein widerliches Gefühl, wie ich fand, aber für ihn ein sicher höllischer Schmerz, der eine kurierende Wirkung hatte.

Er löste seinen Griff.

„Das war die richtige Entscheidung Kisho.“ Freundlich nickte ich ihm zu.

„Lässt du mich jetzt bitte vorbei? Oder wollen wir uns einfach noch mal die Hand reichen?“

Heftig den Kopf schüttelnd trat er von der Tür zurück.

„Ich danke dir.“

Hinter mir hörte ich ein leises Stöhnen, als er sich so unauffällig wie möglich seine Hand rieb, gefolgt von seinem offensichtlich verwunderten Begleiter: „Was'n los Kisho? Haste dir wehgetan?“

„Ach halt's Maul!“ War das letzte was zu mir drang, bevor sich die Tür hinter mir schloss.

Das hätte nun wirklich nicht sein müssen, du hast ihm beinahe die Hand gebrochen. Deutlich spürte ich den Vorwurf.

'Ich hätte sie ihm nicht gebrochen', dachte ich schnaubend. 'Zumindest nicht gleich. Zuerst hätte ich seine Gelenke noch weiter auseinander geschoben. Die wieder einzurenken hätte ihm sicher viel Freude bereitet.'

Eigentlich war ich ganz zufrieden mit mir, denn hätte ich dem Jungen tatsächlich die Hand gebrochen, wären die Schäden weitaus größer gewesen, als bei ein paar ausgerenkten Fingerknochen. Die konnte man wieder richten und er könnte seine Arbeit als Ninja ohne Probleme weiterführen. Doch Knochen, die einmal gebrochen waren, blieben, selbst verheilt, an diesen Stellen immer sensibel und das Risiko für einen erneuten Bruch erhöhte sich erheblich.

Oben angekommen, war mir das Glück hold, denn die Tür zum Audienzzimmer öffnete sich und drei Kinder kamen heraus, die tatsächlich Genin sein mussten, jeder von ihnen mit einem Blatt Papier in der Hand.

„Hey ihr Drei, seid ihr fertig?“ Die Antwort war ein verschüchtertes Nicken, vielleicht hatte der Hokage ihnen ja Angst eingejagt. Der Gedanke führte zu einem verhaltenen Heiterkeitsausbruch meinerseits und ich grinste die Genin an, was sie allerdings noch mehr zu erschrecken schien.

„Seid so gut, und sagt Kisho unten, dass ich vor ihm dran bin, ja? Er muss noch ein wenig warten.“ Ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben, nickten sie eifrig und liefen in einem Tempo zur Treppe das beinahe mit einer Flucht zu vergleichen war.

Kopfschüttelnd klopfte ich an die Tür.

„Herein“, erklang die Stimme des Sandaime genervt.
 

Hiruzen zeigte sich ziemlich überrascht über mein Erscheinen.

„Oh. Hallo Haruka, was machst du denn hier?“ Verwundert blieb ich ein paar Schritte vor seinem Schreibtisch stehen.

„Ich will die Schriftrollen und Briefe abholen, die ausgeliefert werden müssen.“

„Achso, warte einen Augenblick.“ Schwerfällig erhob sich der alte Mann, während ich mit hochgezogener Augenbraue das Chaos in dem Zimmer wahrnahm. Außer mir waren noch drei weitere Shinobi im Raum, was ich lediglich daran erkannte, dass nicht nur auf dem Tisch des Hokages ein wahrer Blätterkrieg ausgebrochen war, sondern auch auf drei weiteren. Genau, wie der Sandaime selbst wurden sie von einer Unmenge an Papierbögen einfach verborgen.

„Was ist hier denn nur los? Unten stehen sicher an die hundert Jugendliche und wollen alle hier rein.“ Hinter mir raschelte es lautstark, als Hiruzen in einem Schrank herumwühlte.

„Ja, wo hab ich denn...“, hörte ich ihn murmeln.

Indessen nutzten die drei Untergeben an den Schreibtischen vor mir die kurze Pause um hektisch Akten in die verschiedensten Ordner zu heften. Das verrieten mir zumindest die schnellen Abfolgen eines Geräuschs das wohl daher rührte, dass drei Personen, beinahe synchron, nicht gerade sanft auf einen Tacker einhackten. Kurz darauf wieder rascheln und dann klappende Ordnerdeckel.

Neugierig trat ich einen Schritt näher.

„Was ist das alles?“, fragte ich interessiert und konnte auf einem der Zettel ein Foto erkennen.

„Das sind die Anmeldungen der Genin für die Chūnin – Auswahlprüfungen“, erklärte mir einer der Shinobi, den ich als Aoba erkannte. Ich reckte den Hals um noch mehr von den Fotos zu Gesicht zu kriegen. Hinter mir hörte ich die Tür gehen und stellte fest, dass Hiruzen den Raum verlassen hatte, sicher um die Liefertasche zu holen, die er mir für gewöhnlich gab.

„Was müsst ihr denn hier alles machen?“ Aoba sah mich mit einem gequälten Gesicht an.

„Wir müssen alle Teilnehmer aus den anderen Dörfern registrieren und ihnen Aufenthaltsgenehmigungen ausstellen. Wir haben uns extra einen Monat Zeit eingeräumt, damit die Dörfer ihre Genin nacheinander herschicken. Aber wer kann denn wissen, dass alle gleichzeitig hier auftauchen?“ Frustriert wedelte er mit einem Stapel Papier vor meiner Nase herum. Hinter einem anderen Aktenstapel ertönte nun eine Stimme die ich gut kannte.

„Mal davon abgesehen, dass wir nicht mal wissen wo die alle schlafen sollen!“

„Izumo?“, fragte ich vorsichtig. Das Quietschen eines Stuhlbeins über den Boden zeigte mir an, dass er wohl aufgestanden war.

„Untersteh' dich eine Pause zu machen“, giftete es hinter dem dritten Stapel.

„Was willst du, Kotetsu? Ich brauch neue Büroklammern.“

„Hier hast du welche!“ Verdattert betrachtete ich die Schachtel, die in hohem Bogen von links nach rechts durch den Raum flog. Dabei sah ich nicht einmal die Hand, die sie geworfen haben musste. Ein Seufzen ertönte und ein zweites Schnarren hölzerner Stuhlbeine erklang, als sich der Wachninja wieder hinsetzte.

„Danke, Kotetsu.“ Die Antwort des Anderen war etwas, das ich wohl wohlwollend mit 'Hmpf' umschreiben konnte und alles bedeuten mochte. Hinter mir ging ein weiteres Mal die Tür.

„Oh Haruka“, ertönte es zerstreut.“Was machst du denn hier? Ich habe Genma heute schon mit den Briefen losgeschickt.“ Verwirrt drehte ich mich zu Hiruzen um.

„Wie, was mache ich hier?“ Bevor ich noch ein weiteres Wort sagen konnte, spürte ich wie Aoba um den Tisch herumgegangen war und sich neben mich stellte und den Kopf schüttelte.

„Vergiss es einfach, der Hokage ist heute nicht ganz beisammen“, flüsterte er.

„Ich kann dich sehr gut hören!“ Erschrocken versteifte er sich.

„Und was mach ich dann jetzt?“

„Sie könnte uns doch bei der Erfassung der Daten helfen, Meister Hokage.“ Kam es hoffnungsvoll vom Ninja neben mir. Einen Moment schien der alte Mann darüber nachzudenken. Seufzend kratzte er sich unter seinem Hut und zog seine Pfeife aus der Tasche.

„Meister Hokage?“ begann ich entgeistert. „Deine Pfeife brennt nicht.“

„Hm? Oh. Du hast recht.“ Der Sandaime schien völlig abwesend zu sein, holte nun aber seinen Tabak aus einer Schublade und stopfte es in das Köpfchen.

„Ein wenig Hilfe wäre wirklich nicht schlecht. Nimm dir einen Stuhl und einen Stift und nimm dir ein paar Akten vom Tisch.“

„Ich glaube, das geht nicht“, erwiderte ich unglücklich.

„Wieso denn nicht? Wir haben knapp einhundert Genin aus anderen Ninjadörfern. Die aus Konoha noch nicht eingerechnet.“

„Ich würde ja gerne helfen“, druckste ich einen Moment herum. „Aber ich kann die Schrift weder lesen noch schreiben.“ Betreten sah ich zu Boden.

„Aber ich könnte die Notizen in einer Sprache schreiben, die ich kenne. Wie wäre das?“ Fügte ich dann hinzu.

„Die kann keiner außer dir“, urteilte der Hokage ohne viel Federlesen. Enttäuschtes Seufzen ertönte im Chor hinter allen vier Aktenbergen.

„Dann hast du heute wohl frei“, überraschenderweise schien der alte Mann für einen Moment aus dem Chaos seines Kopfes aufzutauchen, denn er musterte mich mit einem wachen Blick.

„Erinnerst du dich noch daran, was du mich damals gefragt hast, wegen dem Stein?“

Stein? Welcher Stein? In meinem Kopf ging es kurz drunter und drüber, bis mir das Gespräch im Park wieder einfiel, bei dem ich Hiruzen gebeten hatte ein Grab für meine Familie anzulegen.

„Ja.“

„Gut, dann würde ich sagen, du könntest sie mal besuchen gehen.“ Er griff sich einen weiteren Stapel und begann zu lesen.

Ein wenig überrumpelt stand ich inmitten des Raumes und wusste nicht, was ich tun sollte. Nur langsam realisierte ich, dass mich das Dorfoberhaupt aus der Unterredung bereits entlassen hatte. Meine Entschlussfreudigkeit, nebst meinen motorischen Fähigkeiten erschienen just wieder, als der Sandaime gedankenverloren die noch glühende Asche auf einem offiziellem Schreiben entleerte und in einer Art und Weise zu fluchen anfing, die ich bei ihm nie für möglich gehalten hätte.

Schleunigst sah ich zu, dass ich Land bekam.
 

Ratlos trat ich einige Minuten später in den Sonnenschein vor der Residenz. Kisho und sein Freund behaupteten weiterhin ihren Platz an der Tür mit Vehemenz und wie es aussah auch mit Gewalt. Einem Jungen, der zwei Positionen hinter den Beiden stand, blühte ein herrliches Veilchen und auch sonst sah er ziemlich lädiert aus, vermutlich hatte der Ältere seine Wut an ihm ausgelassen. Als er mich sah, verzog er seine Mundwinkel zu einem überheblichen Grinsen.

„Endlich fertig da drin? Hat ja ewig gedauert.“ Großspurig wollte er sich an mir vorbei drücken und griff nach der Türklinke, doch ich hielt sie mit meiner Hand davon ab, sich weit genug zu öffnen. Kalt sah ich ihm in die Augen.

„Sollte ich noch einmal mitbekommen, dass du hier jemanden zusammenschlägst Kisho-“

„Was dann?“, höhnte er. Ich stellte mich ein wenig auf die Zehenspitzen und beugte mich nach vorne, so dass sich mein Mund genau neben seinem Ohr befand.

„Zum einen, werde ich es natürlich melden. Und ich darf dir sagen, dass Kampfhandlungen innerhalb des Dorfes verboten sind. Zuwiderhandlung hat den Ausschluss von den Auswahlprüfungen zur Folge.“ Natürlich log ich was das Zeug hielt, ich hatte nicht im Mindesten eine Ahnung was im Dorf erlaubt war oder nicht, aber der Junge wusste es mit Sicherheit auch nicht.

„Und zum anderen, ist der Junge hinter dir wie alt? Zwölf? Eine wirklich großartige Leistung, jemanden zu verprügeln, der viel jünger ist als du.“

„Woher willst du denn wissen, das ich das überhaupt war“, knurrte er zurück.

„Du bist nicht sehr schlau, was?“ Meine Stimme war noch immer monoton.

„Deine Knöchel sind geschwollen und auf deinen Händen sind noch Blutreste zu sehen. Genau wie bei deinem Freund.“ Einen Moment musterte ich über seine Schulter seinen Begleiter, der das Gespräch natürlich mitbekam und ein wenig betreten dreinschaute.

'Ein Mitläufer', dachte ich verächtlich.

„Was du hier machst und tust, ist mir völlig egal, aber solltest du noch einmal unerlaubt Hand an jemanden legen und ich bekomme das mit, werde ich dir persönlich zeigen wie groß Schmerz sein kann.“ Meine Drohung schien Wirkung zu zeigen, denn immerhin hielt der Bengel seinen Mund.

„Du kannst jetzt gerne deine Anmeldung machen. Viel Spaß.“ Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen ging ich an ihm vorbei.

Die Schlange die sich gebildet hatte, war zwar noch nicht lang genug, um bis zu meiner Haustür zu reichen, aber sie war dennoch weiter gewachsen.

Ich achtete gar nicht auf meine Füße, sondern hing meinen eigenen Gedanken nach, bis besagte Gliedmaßen irgendwann vor einem Blumenladen anhielten. Mehr mechanisch als geistig involviert, kaufte ich mir ein Bündel mit roten Schnittblumen und nickte der fröhlichen Verkäuferin bei jedem Satz, den sie sagte, einfach nur zu.

Zusammen mit meiner Ausbeute trat ich wieder auf die sandige Straße des Dorfes und bemerkte, dass ich mich in der Nähe des Parks aufhielt, in dem der Sandaime mit mir bei unserem damaligen Gespräch gewesen war.

Wenn du durch den Park gehst, kommst du zum Friedhof von Konohagakure, bemerkte es die Stimme in meinem Kopf plötzlich.

Oder du gehst außen herum, dann bist du vielleicht schneller.

'Ich weiß, aber-' ich stockte.

Hast du Angst?Die Frage war ernst und ich konnte keinen Spott spüren.

'Nein.. ich meine ja.... es fühlt sich so merkwürdig an', gab ich zögerlich zu.

Dann solltest du durch den Park gehen, vielleicht beruhigt dich das etwas.

'Ja, vielleicht'.
 

Ich fühlte mich tatsächlich sicherer bei dem Gedanken, dass ich mich den Toten nicht sofort stellen musste. Der Weg durch die Grünanlage verschaffte mir Zeit, bis sich mein Herz wieder auf eine normale Geschwindigkeit herunter geregelt hatte.

Im Augenblick hatte es mehr von einem Schlagbohrer, denn von einem Organ.

Beruhige dich, der Tonfall war beinahe sanft. Du hast nichts zu befürchten. Die Toten hegen nur selten Groll gegen die Lebenden und du hast nichts falsches getan um ihren Zorn auf dich zu ziehen.

„Danke“, flüsterte ich und bemerkte eine alte Frau die mir einen scheelen Blick zuwarf.

Sicherlich hielt sie mich für verrückt, da ich nicht nur mit mir selbst redete, sondern auch noch in einer anderen Sprache.

'Ich vermute sie wird zu Hause gegen die Dämonen in mir beten' zynisch hob ich eine Augenbraue und sah ihr hinterher, wie sie aus dem Parkt hinaus eilte, den ich soeben betreten hatte.

Angestrengt versuchte ich mich damit abzulenken, dass ich mir versuchte vorzustellen wie die Alte ihr Heim mit Weihrauch zuräucherte, leider ohne wirklich großen Erfolg.

Je tiefer ich in die Grünanlage hineinkam, desto tiefer schien mein Magen zu rutschen. Mein nächster Versuch, mich auf andere Gedanken zu bringen, galt dem Gelände selbst.

Das gesamte Areal hatte einen riesigen Ausmaß und schon bald musste ich mir keine Mühe mehr geben verloren zu gehen.

Etwas hilflos stand ich an einer Weggabelung. Natürlich hätte ich den Weg einfach zurückgehen können, doch mein Stolz wollte davon nichts wissen, weswegen ich schließlich einfach den Rechten nahm. Irgendwann würde mir sicherlich ein Spaziergänger begegnen, den ich nach dem Weg fragen konnte.

Doch meine Hoffnungen erwiesen sich als trügerisch, denn zu dieser frühen Tageszeit, schien es nicht gerade viele Menschen in den Park zu ziehen. Weit und breit war niemand in Sicht. Wären wenigstens die Bäume um mich herum nicht so hoch gewesen, dann hätte ich mich an den Gebäuden orientieren können, die in der Entfernung außerhalb des Zauns standen. So aber blieben mir nur zwei Möglichkeiten: die erste war weitergehen und die andere auf einen Baum klettern. Und auf das Letztere hatte ich momentan einfach überhaupt keine Lust.

Mit geschürzten Lippen sah ich mich um. Mein überraschter Blick blieb an dem schwarze Stein hängen, auf den mich der Sandaime bereits während unseres ersten Besuchs aufmerksam gemacht hatte. Endlich wusste ich, wo ich mich befand.

Ich nutzte die sich bietende Gelegenheit um näher an das Denkmal heranzutreten. Wenn man den schwarzen glatten Stein nur flüchtig betrachtete, hatte er gewisse Ähnlichkeit mit einer Sonnenuhr. Ein massiver Keil blauschwarzen Gesteins auf einer Bodenplatte, die aus dem gleichen Material bestand.

Der Vergleich erschien mir selbst bei Tage als makaber und ich bat die Verstorbenen, die ihre letzte Ehrung auf dieser Skulptur erhalten hatten, um Verzeihung.
 

Von weitem hatte sie beinahe unscheinbar ausgesehen, doch von Nahem konnte ich nicht anders, als die Arbeit zu bestaunen. Das Material war glatt und glänzte beinahe feucht im Sonnenlicht. Der Block selbst, war gegen meine erste Annahme nicht schwarz mit blauem Schimmer, sondern durch den schwarzen Stein zogen sich feine, kaum erkennbare Adern aus glänzendem, Perlmutt gleichem, blauem Erz. Bewundernd kniete ich mich vor dem Block und strich mit meiner freien Hand über die Platte.

Sie war, trotz der für Konoha gewohnten Wärme überraschend kühl. Sanft zog ich mit meinem Finger einige der eingravierten Schriftzeichen nach.

Genauso wie das feine blaue Netz hatte man sie aus der Entfernung nicht gesehen, doch meine Fingerspitzen sendeten mit jeder neuen Einkerbung einen weiteren Impuls in mein Gehirn. Jedes dieser Zeichen war einmal ein Name, ein Mensch gewesen.

Und nun war es das Einzige was noch von den Gefallenen übrig war.

Männer und Frauen, die ihr Leben für dieses Dorf hingegeben hatten, damit es in Frieden leben und sich entfalten konnte. Mir fielen die Kinder wieder ein, die den alten Mann damals gegrüßt hatten. Waren vielleicht auch ihre Eltern hier verewigt?

Nachdenklich ließ ich meine Hand auf dem kalten, schimmernden Stein liegen, bis sie seine Temperatur angenommen hatte.

„Suchst du einen bestimmten Namen?“

Verwundert drehte ich meinen Kopf um herauszufinden, wer gesprochen hatte.

„Nein, eigentlich nicht. Waren das alles Konohashinobis die hier geschrieben stehen?“

Der Mann trat einen Schritt näher heran und betrachtete neben mir ebenfalls die eingravierten Namen. Er trug die gleichen Sachen wie Genma, Kotetsu und Izumo, weswegen es nicht sonderlich schwer war ihn als Ninja zu erkennen.

„Ja, dieser Gedenkstein ist ausschließlich für die Kämpfer, die Konoha bei Missionen verloren hat.“

„So viele Namen“, murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu dem Mann, dieser hörte mich dennoch und nickte wortlos.

„Der Stein ist wirklich passend für eine Gedenkstätte der gefallenen Kameraden,“ bemerkte ich sanft. Seine hochgezogene Augenbraue war Antwort und Frage zugleich und ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.

„Dem Pseudokrokydolith“, dabei machte ich eine Handgeste, die das gesamte Werk umfasste.“ wird nachgesagt, dass er hilft den geistigen Überblick zu behalten, zu beruhigen und beim Nachdenken zu helfen. An so einem Ort irgendwie passend.“

„Du scheinst ja viel Ahnung davon zu haben.“, sagte er überrascht.

„Nein eher nicht. Wahrscheinlich ist es nicht einmal der Stein für den ich ihn halte“, lachte ich leise und beugte mich vor um noch einmal über das glatte Material zu streichen.

„Pseudokro-?“

„Pseudokrokydolith“, half ich ihm. „Man nennt ihn auch Falkenauge.“

„Aber er ist doch gar nicht gelb.“ Ernst schüttelte ich den Kopf.

„Nein, er heißt nicht so, weil er aussieht wie ein Falkenauge, sondern weil manche glauben, dass er bei Sehschwäche hilft.“ Weiter ließ ich mich nicht auf das Thema ein. Ich zog ein paar Blumen aus dem Bündel in meiner Hand und legte sie auf den Stein, wobei ich sorgsam darauf achtete keine Schriftzeichen zu verdecken und stand auf.

„Sind hier Namen von Menschen eingraviert die du kennst?“ Fragte ich stattdessen. Mein gegenüber schob seine Hände in die Hosentaschen und nickte.

„Ja, viele Freunde von mir stehen auf diesem Stein.“ Er drehte seinen Kopf so, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte, merkte aber, dass die Zeit gekommen war, sich zu verabschieden.

„Nun, ich hoffe, ich habe nichts falsches gesagt“, begann ich zögerlich.“Wenn ja tut es mir leid. Ich suche eigentlich den Weg von hier aus zum Friedhof. Vielleicht kannst du mir sagen, wie ich dahin komme?“

Bevor der Ninja etwas sagen konnte, folgte ich meiner Intuition, die mir just in diesem Moment befahl, den Verstorbenen mit Ehrerbietung gegenüber zu treten und neigte meinen Oberkörper leicht nach vorn, wobei ich mir des irritierten Blickes des Shinobis mehr als nur deutlich bewusst war.

„Sie alle sind für das gestorben, das ihnen wichtig war. Sie verdienen weit mehr als nur unseren Respekt“, erwiderte ich schlicht. „Nur leider können wir ihnen nicht mehr geben.“
 

Nun da ich mich wieder in die Richtung des Friedhofs bewegte, war auch, pünktlich wie ein Uhrwerk, das merkwürdige Gefühl wieder da. Als ich die ersten Grabsteine vor mir aufragen sah, hatte ich das dringende Bedürfnis auf dem Absatz kehrt zu machen.

Ich schimpfte mich einen Feigling und ging weiter.

An dem Punkt an dem ich die Grabanlage betreten hatte, standen die Familien- und Clangräber.

Zu gern hätte ich die Inschriften gelesen die von liebenden Menschen für ihre dahingeschiedenen Verwandten hinterlassen worden waren, aber obwohl ich sie nicht verstand strahlten sie alle eine stille Erhabenheit aus.

So versunken in die stillen Trauerträger wanderte ich die Reihen entlang. An einigen der Gräber waren gerade einige Angehörige, meistens Ältere, dabei die Andenken zu pflegen. Interessiert sah ich einen Moment dabei zu, denn offensichtlich gab es auch dabei eine Etikette die eingehalten werden musste, die alleine damit begann, dass man den Grabstein mit einer Kelle Wasser sauber spülte. Kurz blieb ich noch stehen um mich dann wieder in Bewegung zu setzen.

Während ich weiter an einzelnen Grabmälern vorbeiging fiel mir auf, dass auf einigen Fotos hinterlassen worden waren. Natürlich waren viele alte Menschen darunter, hin und wieder aber auch jüngere Männer und Frauen und manchmal sogar Kinder. Reihe um Reihe wiederholte sich das Bild.

Ich hatte nun beinahe die andere Seite der Anlage erreicht und sah mir die Grabsteine nun noch genauer an. Meine Hoffnung war, dass der alte Mann die Namen wenigstens so hatte eingravieren lassen, dass ich sie lesen konnte und hatte auch, wenn man es so nennen konnte, Glück.

Im Gegensatz zu den großen Familienschreinen gab es für meine Familie lediglich eine Bodenplatte. Der Stein war hell und unverbraucht und bildetet die passende Grundlage für das schlichte Zeugnis, das darauf verewigt war:

Mahn. Ewar. Mehr nicht.

Flüchtig suchte ich nach Kristan's Namen und fand ihn schließlich auf einer separaten Tontafel, die vorne an dem Gravurstein angebracht worden war.

Ich wunderte mich wegen dieser Trennung und nahm mir vor den Sandaime danach zu fragen, wenn ich ihn das nächste Mal sah. Irgendjemand, vermutlich Hiruzen selbst, hatte ein paar Blumen hinterlassen und ein paar Kränze aus weißen Blüten zierte den Stein. Auf dem Weg waren mir ein paar Kinder aufgefallen, die diese geflochtenen Blumen überall verteilten, eine Geste die mir das Herz erwärmte.

Unfähig weiter auf den Füßen zu bleiben, ließ ich mich auf die Knie sinken. Den Strauß mit den roten Schnittblumen legte auf den Sockel.

„Hallo Mama. Hallo Papa. Hallo mein Schatz“, flüsterte ich und strich mit zittrigen Fingern über ihre Namen.
 

Ich blieb lange am Grab meiner Familie und als ich schließlich ging, war ich mir nicht einmal sicher wie spät es eigentlich schon war.

Eilig verließ ich den Friedhof und gelangte schließlich auf die Straße die zur Akademie führte. Iruka wusste nicht, dass ich heute vorbeikommen würde, daher sollte ich da sein, bevor die Schule endete. Sonst würde ich ihn sicherlich verpassen.

'Ich sollte mir wirklich eine Uhr zulegen', sagte ich ungnädig zu mir selbst.

Meine Befürchtungen lösten sich in Luft auf, sobald das Gelände in Sicht kam, denn wie es üblich war, hing über der Eingangstür eine Uhr, die jedem Anwärter verriet, ob er sich noch im Zeitrahmen befand. Glücklicherweise hatte ich ein Zeitgefühl, auf dass ich mich verlassen konnte. Zwar war ich noch immer ein wenig zu früh, aber ich würde lediglich eine halbe Stunde warten müssen. Beim Betreten des Gebäudes fühlte ich wieder das lästige Unbehagen, wenn ich daran dachte, wie ein Schüler auf einer Holzbank zu sitzen.

Während der Sprachstunden hatten wir es glücklicherweise so gehalten, dass wir durch Konoha spaziert waren und der Lehrer hin und wieder auf Objekte und Gegenstände gezeigt hatte um mir die Namen und Bedeutungen zu nennen. Nachdem ich die meisten Begriffe abgespeichert hatte, wechselten wir zu Diskussionen in denen ich den Satzbau vermittelt bekam. Dazu nutzten wir die Geschichte des Kontinents, sowie hier übliche Sagen und Märchen. Alles drei Themen, die sich nicht zu schnell erschöpften und genug Material boten.

Doch wie ich mir denken konnte, würde das beim Schreiben nicht funktionieren, weswegen das Drücken der Schulbank eine unausweichliche Konsequenz darstellte.
 

Die Wände in den Gängen waren Schmuck- und Farblos. Das Einzige was ich als dekorative Maßnahme werten konnte, waren einzelne dünne Holzleisten und ein etwa hüfthohes Holzpaneel das über den nackten grauen Stein gezogen war. Zumindest war der Gang lichtdurchflutet.
 

Im Gegensatz zu den mir bekannten Schulgebäuden, die auf beiden Seiten Klassenräume beherbergten und somit eine recht düstere Atmosphäre erschufen, war hier ein klare Trennung vorgenommen worden.

Auf der einen Seite war eine gigantische Fensterfront, auf der anderen die Klassenräume, die so größer ausfielen und mehr Studenten Platz boten. Man schlug also zwei Fliegen mit einer Klappe.

Seufzend sah ich aus dem Fenster. Draußen war strahlender Sonnenschein und ich wäre lieber wieder hinaus gegangen, als ab sofort meine Nachmittage in diesen Räumen zu verbringen. Ich erinnerte mich noch deutlich an meinen eigenen Schulabschluss und an die Inbrunst mit der ich behauptet hatte, nie wieder eine Schule von innen zu sehen.

Und trotzdem stehst du hier vor einem Klassenzimmer, spöttelte es in mir.

'Wohl wahr', seufzte ich gedanklich und ließ den Kopf hängen. Es war ein wirkliches merkwürdiges Gefühl, vor allem, da ich hier draußen Irukas Stimme deutlich hören konnte, wie er gerade etwas über die Handzeichen erzählte, die man brauchte um das Jutsu des Doppelgängers anwenden zu können.

Als die Stunde endete, ertönte irgendwo ein dunkler Gong und beinahe gleichzeitig wurde neben mir die Tür aufgerissen und ein Junge rannte in mich hinein.

„Hoppla. Entschuldigung!“, rief er als er in einem Tempo davon sauste, dass ich gut nachvollziehen konnte: Hauptsache raus.

Ein paar andere Schüler rannten ihm schreiend hinterher und ich änderte meine Position zum Durchgang, damit ich nicht noch mitgerissen wurde.

Eine kleine Gruppe schlenderte, fröhlich durcheinander redend, gemächlich nach draußen. Hinter mir hörte ich nun auch die anderen Klassen nach draußen strömen, auch wenn es die meisten Kinder nicht so eilig hatten, wie der kleine Wirbelwind von eben.

„Willst du zu Sensei Iruka?“, fragte mich ein Junge mit blauem Schal, nachdem er ebenfalls aus dem Klassenzimmer herausgetreten war und mich neugierig ansah. Hinter ihm gesellten sich ein weiterer Junge, mit blassen Gesicht und ein Mädchen mit einer wirklich abgefahrenen Frisur zu uns.

„ Ja, das stimmt“; lächelte ich den Knirps an.

„Bist du seine Freundin?“ Vor Schreck verrutschte mein Lächeln.

„W-was?“

„Na, bist du seine Freundin? Du wartest schließlich hier auf ihn.“ Anscheinend schien er meine entgleisten Gesichtszüge direkt als Zugeständnis interpretierte, denn seine Augenbrauen wippten anzüglich nach oben.

„Nein, ich bin nicht seine Freundin“, stotterte ich, als ich mich wieder gefangen hatte.

„Sensei Iruka hilft mir nur ein wenig, deswegen bin ich hier.“ Sein Schüler schien mit dieser Antwort nicht sonderlich zufrieden zu sein, und kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe. Ich konnte ihm am Gesicht ansehen, wie sich ein Geistesblitz anbahnte.

Doch die Art und Weise wie er Luft holte, ließ mich nichts gutes ahnen.

„Also bist du eine Kunoichi, ja? Gibt dir Iruka etwa Nachhilfe? Dann musst du aber wirklich schlecht sein!“

„Ich muss dich enttäuschen, ich bin auch kein Ninja“,bemerkte ich nüchtern.

„Aber du hast recht, ich bin wirklich hier um bei deinem Sensei Nachhilfe zu nehmen“, seufzte ich und schenkte ihm ein Lächeln.

„Dein Lehrer bringt mir Lesen und Schreiben bei.“ Die Augen des Jungen wurden tellergroß.

„Kannst du nicht lesen, oder was?“ Hilflos sah ich mich um. Es war schließlich auf eine schreiende Art und Weise richtig und falsch zugleich. Um uns herum hatte sich der Gang merklich geleert und nur vereinzelt standen noch die einen oder anderen Jungen und Mädchen beisammen und tratschten. Hoffentlich wurde das hier keine allgemeine Zurschaustellung meines Unvermögens, denn der Kleine war nicht gerade leise.

Insgeheim wünschte ich mir in diesem Moment, dass man mir deutlicher ansah, dass ich Ausländer war. Es würde alles viel einfacher machen. Wobei das eigentlich unsinnig war. Es war doch eindeutig, dass ich nicht von hier kam, oder? Wieso sah das keiner? Ich beschloss Iruka bei Gelegenheit danach zu fragen.

„Doch ich kann Lesen und Schreiben, aber nur in anderen Sprachen“, erklärte ich ihm geduldig. „Ich lebe erst seid kurzem hier und habe deswegen noch etwas Probleme mit den Zeichen.“

„Boah, voll krass und wie viele Sprachen kannst du sprechen?“

„Ich spreche sechs verschiedene Sprachen und das hier ist meine siebte.“

„Echt? Das ist ja voll cool! Sag mal was.“

'Sag mal was', war ein Satz der auf meiner Hitliste der am meisten gehassten Aufforderungen ganz weit oben stand. Ich könnte alles mögliche sagen, ob es nun der Richtigkeit entsprach oder nicht, sie würden eh nicht wissen, ob es stimmte. Kurz überlegte ich, ihnen diesen Streich zu spielen, besann mich dann aber anders. Das Thema hatte nun auch das ungeteilte Interesse seiner beiden Freunde auf sich gezogen. Ich konnte in allen drei Gesichtern sehen, dass sie nicht eher Ruhe geben würden, bis ich mich ihrem Willen gebeugt hatte.

Ich überlegte kurz und entschied mich für eine etwas fragwürdige Lebensweisheit:

„Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht, dann soll man den Kopf nicht hängen lassen.“

„Und was heißt das?“, fragte das Mädchen mit den orangenen Zöpfen. Ergeben übersetzte ich den Spruch und wie ich gehofft hatte, mochten sie ihn. Verschwörerisch grinsten sie sich untereinander an.

„Und in einer anderen Sprache?“ Schaltete sich nun auch der Junge ein, der bisher eher schüchtern hinter den beiden anderen Kindern gestanden hatte.
 

„Jetzt reicht es aber, Konohamaru, Moegi, Udon. Ihr setzt der armen Haruka ja ganz schön zu.“ Lachend kam der junge Lehrer aus dem Klassenzimmer und stemmte mit gespielter Ernsthaftigkeit die Hände in die Hüfte. Endlich war meine Rettung gekommen, erleichtert warf ich ihm einen Blick zu, den er mit einem Zwinkern quittierte.

„Es wird Zeit für euch. Sensei Ebisu wartet sicher schon auf euch. Vor allem auf dich Konohamaru“, fügte er streng hinzu. Wer auch immer 'Sensei Ebisu' war, seine Schützlinge schienen bei dem Gedanken nicht sonderlich begeistert zu sein.

„Der ist sicher gerade wieder dabei die Frauen bei den heißen Quellen zu bespannen“, entgegnete der Angesprochene maulig.

„Wie bitte? Was erzählst du denn da?“ Nun waren auch dem braunhaarigem Lehrer die Gesichtszüge nach unten gerutscht. Belustigt sah ich von dem Einem zum Anderen und beschloss einzugreifen, damit sich der Ältere wieder fangen konnte.

„Einen Spruch gebe ich euch noch, er ist vielleicht nicht so lustig wie der andere, aber er ist wichtig für das Leben: Um etwas Großes zu erreichen, darf man nicht vergessen, den kleinen Dingen sein Herz zu schenken.“ Nachdem ich es übersetzt hatte, schienen sie tatsächlich enttäuscht zu sein. Lustige Sprüche waren, egal in welchem Land man sich befand, immer beliebter als die ernsten. Aber zumindest das Mädchen, dass Moegi hieß, schien darüber nachzudenken.

„Der ist doof“, nölte Konohamaru. „Sag uns noch einen lustigen“, verlangte er in Befehlston.

„Nun aber Schluss Konohamaru, macht dass ihr rauskommt.“ Schaltete sich der braunhaarige Lehrer wieder ein. Mittlerweile hatte er seine Mimik wieder unter Kontrolle gebracht.

„Beim nächsten Mal etwas lustiges“, versprach ich zwinkernd. Ob die Drei nun wollten oder nicht, mussten sie sich doch damit zufrieden geben.

„Na dann Team Konohamaru!“ Rief der Kleine plötzlich. „Abrücken! Lasst uns Sensei Ebisu suchen!“

Ein synchrones „Jawohl!“ erklang und polternd rannten sie ihren Klassenkameraden nach draußen hinterher. Iruka sah ihnen einen Augenblick gedankenverloren nach.
 

„Können wir?“ Holte ich ihn aus seinen Gedanken.

„Ja natürlich. Ich hab mich schon gewundert, wo du geblieben bist.“ Täuschte ich mich oder schwang da ein kleiner Hauch Vorwurf in seiner Stimme mit?

„Ganz der Lehrer, nicht wahr?“, witzelte ich, woraufhin er sich ertappt am Kopf kratzte.

„Der Hokage hat mich einen Brief überbringen lassen und die Strecke war etwas weiter als gedacht.“

„Achso. Na dann. Hast du schon etwas bestimmtes im Kopf, dass du erklärt haben willst?“

„Das hab ich tatsächlich. Ich würde gerne Lesen und Schreiben lernen. Sprechen geht ja schon ziemlich gut, oder?“ Strahlend sah ich ihn an, als er zustimmend nickte.

„Dann besorgen wir uns mal ein paar Bücher, damit wir gleich anfangen können.“ Sein pragmatischer Elan steckte an und lachend traten wir aus dem Schulgebäude hinaus in die strahlende Sonne.

Kapitel 11 - Konzentration, Konzentration und noch mal von vorn

Meinen ehrwürdigen Vorsatz, die hiesigen niedergeschriebenen Texte lesen zu können, verfluchte ich alsbald voller Inbrunst und aus tiefsten Herzen.

Wie sich herausstellte war das Erlernen der Schriftbilder nämlich nichts für ungeduldige Schüler.

Dummerweise war ich, was das anging, offensichtlich genau das: ungeduldig.
 

Unwirsch tunkte ich den Pinsel in die Tinte und ließ ihn über das Papier wandern, das vor mir auf dem Schreibtisch lag.

„Nein, das heißt was anderes“, kam es von dem jungen Mann, der sich über meine Schulter beugte. Genervt, klopfte ich mit dem Fuß in rhythmischen Abständen auf den Boden, in der Hoffnung ein wenig meiner Anspannung loszuwerden.

Leider ging das so ziemlich in die Hose und ich machte nicht nur mich selbst, sondern auch den braun-haarigen Chūnin unnötig nervös.
 

„Jetzt heißt es Vogel....“ Ich schrieb es noch einmal.

„Suppe“, stöhnte er und griff sich an den Kopf. Bei meinem nächsten Versuch sagte er gar nichts mehr sondern lief an wie eine Tomate.

„Was? Was habe ich jetzt geschrieben?“, fragte ich ihn frustriert.

„D-Das kann man nicht laut aussprechen“, stieß er gepresst hervor und drehte sich weg.

Ich konnte nur raten, was er hinter mir trieb, tippte aber, dass er sich verzweifelt die Haare raufte.

Angestrengt versuchte ich mich zu zwingen ruhig zu bleiben, doch das letzte bisschen meiner Selbstbeherrschung war schon vor Tagen über Bord gegangen. Spätestens ab dem Punkt, als zu den Kanji auch noch Hiragana und Katagana hinzugekommen waren, hatte sich mein Hirn buchstäblich in Rauch aufgelöst.

Säuerlich warf ich das Schreibgerät vor mir auf den Tisch und zerknüllte das Papier.

„Noch mal von vorn!“ drang seine, um Fassung bemühte, Stimme zu mir.

„Zuerst das Zeichen für Feuer...“
 

Irgendwann könnte ich vielleicht einmal über diese ganze Situation lachen. Falls ich jemals meinen Humor wiederfinden sollte, der sich wohl ins Blaue aufgemacht hatte. Mit verkrampften Fingern griff ich erneut den schmalen Holzstiel und setzte die Spitze auf den Untergrund. Das hier hatte nichts, aber auch gar nichts mit der mir bekannten Tätigkeit zu tun. Wieso man hier auch unbedingt mit einem Pinsel schreiben musste, war das Nächste, was mich auf die Palme brachte.

'Wieso kann ich nicht einfach einen Stift nehmen', maulte ich in mich hinein und erhielt prompt die dazu passende Antwort.

Weil man hier eben mit einem Pinsel schreibt.
 

'Ganz ruhig, ich schaffe das. Es ist nur das Zeichen für Feuer. Das habe ich schon hundert Mal gesehen.'

Und sicherlich genauso oft hat er es dich schreiben lassen. Der amüsierte Unterton in meinem Kopf entging mir nicht.

'Still da drin', erwiderte ich unfreundlich und richtete meine Konzentration wieder auf die unmittelbare Aufgabe.

Mühsam schrieb ich - nein – ich malte das Zeichen für Feuer vor mir auf das Blatt Papier.

„Gut, jetzt das Zeichen für Hokage.“

Das ging schon eine Ewigkeit so.
 

Wenn man es objektiv betrachtete waren meine Fortschritte in der einen Woche, die ich bisher Unterricht nahm gar nicht mal übel gewesen. Zusammen mit Iruka hatte ich zuerst begonnen eine Art Grundwortschatz zusammenzustellen der die grundlegendsten Ausdrücke enthielt.

Gewappnet mit diesem Utensil war es mir bereits möglich gewesen die ersten Texte in den Büchern zu lesen, die Iruka für den Unterricht gekauft hatte. Das war allerdings auch nicht sonderlich schwer, da es Bilderbücher waren.

Wir beide hatten unser Vorhaben ziemlich unterschätzt und das erste Hindernis hatte darin bestanden, dass es so etwas wie Lehrbücher überhaupt nicht gab. Daher hatten wir in dem Buchladen kurzerhand improvisieren müssen und waren auf die Kinderliteratur gestoßen.

Zumindest was mich anging, war ich anfangs froh über diesen einfachen Einstieg, denn wenn ich einmal nicht weiterwusste, lieferten mir meist die Illustrationen einen guten Hinweis.
 

Meinem Lehrer war das natürlich aufgefallen. Und wie ich feststellen musste, stellte raten für Iuka keine Option dar. Ich unterstellte ihm, Spaß daran gehabt zu haben, als er mir diese Flausen auf mehr oder weniger pädagogischen Weg austrieb. Ertappt, hatte ich von da an fügsam gelernt und jedes mir unbekannte Wort in die Liste eingetragen. Es war nicht einfach, aber ich hatte wenigstens einen Erfolg verzeichnen können. Beim Schreiben biss ich mir jedoch die Zähne aus. Und da war meine grausige Handschrift wohl noch das geringste Übel.

Ständig setzte ich einen Strich zu weit unten oder oben an, woraus direkt neue Bedeutungen entstanden und wenn ich ehrlich sein sollte: es trieb mich in den Wahnsinn.
 

Ich atmete ein paar Mal tief ein und aus und schrieb das nächste Wort, dass der Ninja von mir verlangte auf den Zettel.

„Hey, das sieht gut aus“, versuchte er mich aufzumuntern.

Ich quittierte sein Lob mit zusammengepressten Lippen, da ich befürchtete, dass sich eine Schimpf- und Fluchkanonade entladen würde, sobald ich meinen Kiefer auch nur etwas lockerte.
 

Eigentlich hatte ich immer gedacht, dass Zurückhaltung eine meiner größten Stärken sei. Hier allerdings kam ich definitiv an meine Grenzen.

Dummerweise war ich es selbst gewesen, die Narutos Sensei um diesen Unterricht gebeten hatte, herumjammern brachte also faktisch gar nichts. Und noch weniger konnte ich Iruka die Schuld dafür geben, dass es so schlecht lief.
 

„Bei dem Wort musst du den Strich weiter unten setzten.“ Ich hatte mich wieder vermalt, wer wusste, was es nun hieß. Konzentriert schloss ich die Augen.

Also dann. Noch einmal von vorn.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit schlug der Ältere eine Pause vor, der ich erleichtert zustimmte. Ausgelaugt lehnte ich mich in den Stuhl zurück und streckte mich ausgiebig, während Iruka kurz verschwand um mit zwei dampfenden Bechern zurückzukehren.

„Es ist sicher nicht leicht für dich“, kommentierte er, als er mir einen Tee reichte.

Verwirrt sah ich ihn an.

„Was meinst du?“

„Nun, es ist knapp zwei Monate her, dass du nach Konoha gekommen bist. Eine neue Umgebung, neue Sprache, neue Menschen. Das ist sicher nicht einfach.“ Während er sprach, drehte er den Stuhl neben mir verkehrt herum und ließ sich auf ihn sinken. Seine Arme legte er auf der Stuhllehne ab.

„Nun“, sagte ich langsam und stockte.
 

Das weiße Blatt vor schien mit einem Mal wirklich unglaublich interessant zu sein. Die schwarzen und unsicheren Striche auf dem hellen Untergrund schickten ihre stumme Anklage gegen mich. Schuldbewusst riss ich mich von dem kläglichen Anblick los und meine Augen streiften weiter ziellos durch den Raum.

Schon bei meinem ersten Besuch war mir aufgefallen, dass die Einrichtung in Irukas Wohnzimmer relativ schmucklos gehalten war. Eine Eigenschaft, die mich gerade für die Räumlichkeiten eines Lehrers, ein wenig verwunderte.

Es gab den Schreibtisch, den ich seid einer Woche okkupiert hatte, eine Couch mit dazugehörigem Tisch, ein paar Stühle und mehrere Regale.

Alles war bis zur Perfektion aufgeräumt. Nirgendwo lag auch nur eine verirrte Socke herum. Allerdings waren mir ein paar zusammengerollte Papiere aufgefallen die auf der Innenseite verdächtig bunt aussahen.

Sicherlich Bilder die ihm seine Schüler einmal geschenkt hatten.
 

Anfangs hatten wir noch in seinem Klassenzimmer gearbeitet, doch zum einen waren die Sitzplätze nicht unbedingt für ausgewachsene Menschen geeignet und zum anderen wurde es dem Chūnin irgendwann doch zu unangenehm geworden, die bohrenden Fragen seiner Schüler zu beantworten. Allen voran natürlich Konohamaru der ihn, zusammen mit seinen Schatten Moegi und Udon, ständig löcherte ob wir nun mittlerweile ein Paar seien.

Grüblerisch legte ich den Kopf schief, als mich ein leises Räuspern wieder in die Realität zurückholte.

Siedend heiß fiel mir wieder ein, dass ich dem Chūnin noch eine Antwort schuldete und drehte meinen Kopf wieder in seine Richtung.
 

„Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, was ich sagen soll“, gab ich leise zu.

Überrascht blinzelte er. „Wieso das?“

„Ich vermisse meine Familie wirklich sehr, aber abgesehen davon fehlt mir niemand.“
 

Wenn man, so wie junge Lehrer und ich, beinahe jeden Tag der letzten beiden Monate zusammen verbrachte, war es nur eine Frage der Zeit gewesen bis er mich nach meiner Vergangenheit gefragt hätte. Bisher war es mir zwar möglich gewesen jede Situation zu umgehen, die darauf abzielte etwas über mich preiszugeben. Doch die Schwachstelle, die meinem ursprünglichen Plan innewohnte, hatte sich deutlich bei den Übungsstunden gezeigt.

Iruka stellte sich nämlich als überraschend hartnäckig heraus, wenn es darum ging jemanden auszuquetschen. Und je weniger ich mich kooperativ zeigte um so misstrauischer schien er zu werden, bezüglich der Leichen die ich im Keller hatte. Wenn ich also vermeiden wollte, dass er Vermutungen anstellte, die in eine falsche Richtung liefen, musste ich mich ein Stück weit fügen. So hatte ich ihm schlussendlich in einer abgespeckten Form die gleiche Geschichte wie dem Daimyō erzählt. Der Gesichtsausdruck des Shinobi war sehr betreten gewesen, doch als Erklärung erschien es ihm auszureichen, da er danach nicht weiter gefragt hatte.
 

In die Augen des sanftmütigen Mannes trat ein mitfühlender Ausdruck, was mich leicht erraten ließ, wohin seine Gedanken soeben gewandert waren. Seine vermeintlich freundliche Geste, rief bei mir Unbehagen und Widerwillen hervor. Ich wollte kein Mitleid, denn es war zu verführerisch sich selbst darin zu ertränken.

„Ich denke, ich sollte doch irgendetwas spüren. Verlust oder Schmerz für die Menschen die ich nie wieder sehen werden. Aber da ist nichts“, betont emotionslos sah ich ihn an.

'Bis auf das tiefe Loch in meiner Brust und den Träumen', fügte ich in Gedanken hinzu.

Schon alleine an seiner Körperhaltung konnte ich erkennen, dass der junge Lehrer überrascht war. Sicherlich hatte er nicht mit einer so direkten Antwort meinerseits gerechnet.
 

„Nun ich denke, du hast einfach das Beste aus deiner Situation gemacht. Diese Menschen zu vermissen würde dir hier nichts bringen.“

Stumm erwiderte ich seinen Blick, bis er verlegen in eine andere Richtung sah. Damit war das Thema glücklicherweise auch schon wieder am Ende, denn der Lehrer hatte durchaus Verständnis dafür, dass ich nicht gern näher darauf eingehen wollte. Ich warf einen Blick auf den Zettel der still leidend von meinen Schreibversuchen kündete und dachte an all die anderen Dinge, die nicht so liefen, wie ich sie gern hätte.
 

„Iruka?“

„Ja was denn?“

„Ehm, wie läuft es denn mit den Vorbereitungen für die Chūnin-Auswahlprüfungen?“ Ich biss mir auf die Zunge.

Zu weit war ich meinen Gedankengängen gefolgt um nun am Ende des Weges bei meinen Problemen mit der Chakramanipulation anzukommen.

Und während ein Teil meines Gehirns sich die letzten Versuche vor Augen führte, war der andere bereits zu einem Entschluss gekommen: nämlich den Chūnin nach Hilfe zu fragen. Fairerweise musste ich zugeben, dass er schon allein aus beruflicher Hinsicht dafür geeignet war. Immerhin unterrichtete er die Anfänger, die ebenfalls noch nicht auf ihr Chakra zugreifen konnten. Ich spielte noch einen Moment lang mit der Überlegung, wurde jedoch von meinem inneren Begleiter unterbrochen.

Wenn du ihn fragst, wird es zu unangenehmen Fragen kommen.

'Ich weiß, aber alleine komme ich nicht weiter. Es hängt immer an dem gleichen Punkt.'
 

Genau wie bei dem ersten Versuch mit Tenzou, schaffte ich es zwar mir das Energienetzwerk vor Augen zu führen und zu spüren. Auch brauchte ich mich mittlerweile weder hinzusetzen, noch musste ich die komplette Meditationsübung machen. Aber das war es auch schon mit meinem Erfolgserlebnis. Das Problem war, dass dieses Bewusstsein sofort abbrach, sobald ich abgelenkt wurde. Es reichte schon ein flüchtiger Gedanke und ich musste von vorne anfangen. Ein weiterer Grund wieso meine Geduld heute ein relativ dünner Faden war. Irgendwas musste ich falsch machen.
 

Ein wenig verwundert sah mich Iruka an, natürlich hatte er meinen mehr als nur plumpen Ablenkungsversuch durchschaut, ging aber zu meinem Glück nicht näher darauf ein. Nachdenklich legte er den Kopf schief.

„Na ja, es ist alles ziemlich chaotisch. Aber ich habe selbst mit den Vorbereitungen nicht so viel zu tun. Ich glaube, was die Einzelheiten angeht weißt du wohl mehr als ich.“ Prüfend sah er mich an.

„Nein“, ich schüttelte den Kopf. „Im Gegenteil. Die Dorfältesten und der Hokage haben mich fürs erste von meiner Arbeit freigestellt.“ Ein überraschter Ausdruck flog über das Gesicht des braun-haarigen Lehrers.

„Wieso das denn?“

„Na ja. Ich gehöre nicht zu den Konohaninjas und habe keine Verpflichtung über das, was ich sehen oder hören könnte, Stillschweigen zu bewahren. So haben sie sich jedenfalls ausgedrückt.“

Bei dem Gedanken an die beiden Alten, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich war bisher meistens von dem zweifelhaften Privileg verschont geblieben, sie öfter zu sehen. Doch mir reichten schon die wenigen Male, bei denen ich ihnen Dokumente gebracht hatte. Jedes Mal erdolchten sie mich mit ihren Blicken und es war nur zu offensichtlich, dass sie mir nicht trauten. Darüber hinaus war es ihnen ein Dorn im Auge, dass Hiruzen mir meine Anstellung ohne Absprache mit ihnen gegeben hatte. Sie hatten es geduldet, solange ich nur belanglose Briefe und Missionsberichte der Klassifizierungen D bis B ausgeliefert hatte.

Da es aber nun um Korrespondenzen ging, die die Sicherheit von Genin und Besuchern aus mehreren verschiedenen Dörfern gewährleisten sollten, war ich als potenziellen Informationsleck einzustufen.

Auch Iruka schien das einzuleuchten denn er nickte versonnen.
 

„Leider erfahre ich dadurch auch nicht mehr, was passiert.“ Setzte ich noch hinzu und machte in der Hoffnung, dass das den braun haarigen Lehrer zum sprechen bringen würde, ein geknicktes Gesicht.

„Das Letzte was ich mitbekommen habe ist, dass es wohl Zwischenfälle unter den Teilnehmern gab. Das war es aber auch schon wieder.“

Gespannt beobachtete ich seine Mimik und konnte ihm seine Gedankengänge beinahe vom Gesicht ablesen.

„Nun, wenn die Dorfleitung beschlossen hat, dir nicht mehr zu sagen, sollte ich mich wohl auch zurückhalten.“

Das saß.
 

Natürlich war mir bewusst, dass ich nicht in der Position war irgend eine Forderung zu stellen.

„Oh. Na gut.“ Ich drehte mich wieder zu meinem Papier und griff nach dem Pinsel. Unzufrieden drehte ich ihn zwischen den Fingern.
 

„Nun guck doch nicht so. Es ist nicht so, dass es dir nichts sagen will. Aber die Wahrheit ist, dass ich selbst nicht viel weiß. Zumindest nichts von den interessanten Sachen. Die Organisation übernehmen Jōnin und einige wenige ausgewählte Chūnin.“ Sein Tonfall hatte etwas bittendes. Anscheinend konnte es Iruka nicht ertragen, wenn er jemanden enttäuschte. Ich seufzte.

„Es ist in Ordnung. Ich bin nur ziemlich neugierig, weißt du?“ Ich schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, obwohl ich es doch war, die etwas Zuspruch gebrauchen konnte. Schließlich sah es gerade ziemlich düster aus: Tenzou war immer noch nicht wieder aufgetaucht und ich befürchtete, dass es auch so bleiben würde. Meine Schreibbemühungen waren alles andere als fruchtbar und selbst meinen Job hatte ich hergeben müssen.

Zwar hatte mir der Hokage versichert, dass er meiner Befreiung nur zugestimmt hatte um seine Ruhe vor den beiden Alten zu haben, aber gut fühlte ich mich deswegen trotzdem nicht. Im Gegenteil, es machte mir überhaupt einmal mehr bewusst, welchen Weg ich für mich selbst gewählt hatte. Grüblerisch malte ich Kringel auf die Fläche vor mir.

„Es gab tatsächlich Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern“, durchbrach Iruka schließlich die Stille. Ich hörte ein ergebenes Seufzen. Überrascht drehte ich mich wieder zu ihm um.

„Iruka, du musst mir nichts erzählen. Ich kann das verstehen, wirklich.“

„Ich muss nicht, aber ich kenne Naruto. Er wird es sowieso im halben Dorf herumschreien, sobald er von etwas Wind bekommen wird.“ In seinen Augen blitzte es.

„Da kann ich dir auch direkt sagen, was ich weiß.“

Dass Naruto in der vergangenen Woche ein paar Mal bei mir vorbeigekommen war, schien ein offenes Geheimnis zu sein. Vermutlich hatte der Chaot selbst dafür gesorgt, dass es Leute wie Iruka und der Hokage wussten. Ersterer saß nun entspannt neben mir und zuckte mit den Schultern.

„Ich kann dir zu den momentanen Vorgängen nur sagen, dass ein paar der Teilnehmer miteinander gekämpft haben und disqualifiziert wurden. Zwar herrscht zwischen den einzelnen Dörfern Frieden aber sie brennen geradezu darauf sich miteinander zu messen und zu beweisen.“

„Wird Naruto auch an diesen Prüfungen teilnehmen?“

„Theoretisch könnte er, aber das liegt ganz im Ermessen seines Senseis. Wie auch bei all den anderen Teams, die im ersten Jahr sind, entscheiden ihre Teamführer über die Eignung. Ich denke aber, dass Naruto noch nicht so weit ist.“

Deutlich konnte ich seine Sorge erkennen. Mir ging es auf merkwürdige Art genauso. Nachdem ich das zweifelhafte Vergnügen gehabt hatte, Kisho kennenzulernen, war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich diese ganze Chūnin-Prüfungen wirklich gut fand.

„Ich kann dich gut verstehen, er macht nicht den Eindruck gegen die Genin bestehen zu können, die ich bei der Anmeldung gesehen habe. Alleine der Altersunterschied ist bedenklich."

Iruka schien der gleichen Meinung zu sein, denn er nickte ernst.

"Ja, das denke ich auch. Selbst, wenn er schon viele Fortschritte gemacht haben mag, seit er in dem Geninteam ist, wird es mit Sicherheit nicht für die Auswahlprüfungen reichen."

"Was meinst du denn mit 'selbst wenn er Fortschritte gemacht hat'?"
 

Die Frage schien dem Lehrer ziemlich unangenehm zu sein, denn er er sah mich mit einem gequälten Ausdruck an.

"Es ist nicht so, dass Naruto, als er noch mein Schüler war, keine Mühe gegeben hätte", begann er vorsichtig. "Aber er hat immer ziemlich viel Mist gebaut. Im Unterricht war sein größter Erfolg sein Sexy Jutsu, das du ja schon kennengelernt hast. Alles andere hat er nicht wirklich erfolgreich hinbekommen." Bei dem Gedanken an Narutos Spezialjutsu huschte ein merkwürdiger Schatten über Irukas Gesicht, den ich nicht richtig deuten konnte.

“Nun, ich hatte den Eindruck, dass er mittlerweile den Ehrgeiz entwickelt hat um seine Fähigkeiten so schnell wie möglich zu verbessern“, warf ich ein.

Der Shinobi lächelte.

„Du meinst wegen Sasuke?“ Überrascht sah ich ihn an, was ihn dazu brachte leicht die Augen zu verdrehen.

„Ich hatte sie beide in meiner Klasse. Daher kenne ich auch ihn ganz gut. Er ist das komplette Gegenteil von dem kleinen Chaoten. Und sie mochten sich damals schon nicht besonders. Wie es jetzt bei ihnen im Team ist... nun, da kann ich nur raten.“ Mit einem stummen Blick forderte ich ihn auf weiterzusprechen.

„Sasuke ist ein Uchiha und daher schon von Natur aus sehr begabt. Sein Bruder, Itachi, soll ein Genie gewesen sein, bis...“ Ein wenig verlegen brach er ab.

„Bis was?“ Meine leise Frage stand wie eine Säule im Raum. Sicher war es dem Chūnin unangenehm, da er gerade dabei war Dinge auszusprechen, die eindeutig Privatsache waren. Dennoch schien ein Teil von ihm darauf zu brennen, dieses besondere Stückchen Klatsch weiterzugeben. Im Dorf selbst wusste es mit Sicherheit jeder, so dass man damit keinen Blumentopf gewinnen konnte. Kurz sah ich hinter seinen Augen diese beiden Antriebe miteinander ringen.

„Bis er seinen ganzen Clan ermordet hat.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause.

Da ich jedoch weder in Ohnmacht fiel, noch anderweitig meine Bestürzung bekundete fuhr er ein wenig enttäuscht fort.

„Nur seinen Bruder hat er verschont. Ich habe von Kakashi gehört, dass Sasuke wild entschlossen ist, sich dafür an Itachi zu rächen.“

„Da jagt dann wohl ein Fuchs den Anderen“, murmelte ich.

„Was meinst du damit?“ Interessiert beugte sich der junge Mann zu mir um mich besser verstehen zu können.

„Du sagst, dass der Junge sich an seinem Bruder rächen will und wenn dieser Itachi ein Genie war, dann wird sein kleiner Bruder versuchen ihm nachzueifern um ihn irgendwann zu übertreffen. Und Naruto hat sich an Sasuke dran gehängt um seinerseits seinen Rivalen zu übertreffen.¨

„Hat er denn etwas über Sasuke erzählt?“ Nun war es Iruka, der ein neugieriges Gesicht machte. Unwillkürlich musste ich an den Abend vor einer Woche denken, an dem Naruto mich geradezu mit Bemerkungen über den Uchiha-Jungen bombardiert hatte.

„Nein, nicht wirklich. Aber er scheint von den Fähigkeiten des Jungen wirklich beeindruckt zu sein. Es spornt ihn ziemlich an, wenn er bei einer Trainingseinheit den Kürzeren zieht.“ Ich konnte den Genin vor mir sehen, wie er jedes Mal wild gestikulierte, während er sich über den anderen Jungen mokierte und gleichzeitig Essen in sich hinein schaufelte. Von Tischmanieren hatte Naruto wirklich noch nie etwas gehört.

„Ich hoffe nur, dass er er keinen Unsinn macht, wenn er erfährt, dass er an den Auswahlprüfungen nicht teilnimmt.“

„Laufen denn die Anmeldungen für die Genin aus Konoha auch schon? Ich hätte gedacht, das die erst kurz vor Beginn angenommen werden.“

Überrascht hob er eine Augenbraue.

„Ich dachte, Homura und Koharu haben dich ausgeschlossen, damit du nicht zu viele interne Informationen bekommst?“

„Haben sie auch.“ Ich konnte mir ein spitzbübisches Grinsen nicht verkneifen.

„Na da bin ich jetzt aber mal gespannt.“

„Du glaubst doch nicht im ernst, dass ich irgendetwas verrate? Ich will niemandem Probleme machen“, witzelte ich und machte ein ernstes Gesicht.

In seinem Kopf arbeitete es sichtbar und ich war mir ziemlich sicher, dass er überlegte eine Verteidigungsrede auf interne Verschwiegenheit zu halten. Er holte tief Luft, nur um sie einen Moment später geräuschvoll wieder auszustoßen.

„Ich kann mir schon denken, wer es war. Kotetsu und Izumo richtig?“

Stumm wie ein Fisch saß ich vor ihm. Natürlich lag er gar nicht mal so falsch, aber ich würde die Beiden um keinen Preis ans Messer liefern, wenn sie mir nach meinen morgendlichen Trainingsrunden ein wenig von den Fortgang der Vorbereitungen erzählten.
 

Ich für meinen Teil hatte großes Mitleid mit ihnen, denn sie hatten sich nicht nur mit den Genin herumzuschlagen, sondern mussten darüber hinaus auch ihren normalen Wachdienst weiterführen.

Man sah ihnen förmlich an, dass sie dringend Schlaf brauchten. Vor allem Kotetsu schien mit diesen unfreiwilligen Überstunden seine Probleme zu haben, denn unter seinen Augen zeigten sich mittlerweile tiefschwarze Augenringe. Auch sonst wirkte sich die viele Arbeit ziemlich auf den sonst so quirligen Chūnin aus, denn selbst Izumos gelegentliche Sticheleien nahm er gleichgültig hin.

Was Iruka darüber hinaus nicht wissen konnte, war dass, auch wenn ich keine Briefe mehr auslieferte, dennoch hin und wieder in den Hokageturm ging, um ein wenig mit dem alten Mann zu reden. Vorausgesetzt er hatte ein wenig Zeit übrig.

Gerade aber daran fehlte es zunehmen, da sich das Dorf unmittelbar vor einem organisatorischen Desaster befand.
 

Niemand hatte mit der Masse an Schaulustigen gerechnet, die die kleine Stadt geradezu überflutete.

Nicht nur die Genin selbst kamen aus ihren Dörfern, sondern je näher der Termin des Spektakel rückte, desto mehr Bewohner zog es aus dem Umland nach Konoha. Auch aus den anderen Ninjadörfern kamen viele Gäste und wenn ich tippen müsste, glaubte ich beinahe, dass das Dorf momentan sicher das Doppelte seiner normalen Einwohnerzahl besaß. Und das, obwohl bis zum eigentlichen Start noch zwei Wochen Zeit war. Sicher platzten bis dahin sämtliche Gasthäuser und Herbergen aus allen Nähten.
 

„Du musst es mir auch nicht sagen, ich weiß trotzdem von wem es kommt. Den beiden werde ich etwas erzählen“, hörte ich den Chūnin schimpfen.

„Sie müssen mir gar nichts erzählen, das hier ist ein Ninjadorf", amüsiert hob ich eine Augenbraue. "Dass die Genin erst später zu ihren Anmeldungen zugelassen werden, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Selbst die Alten reden von nichts anderem mehr.“

„Wirklich? Das habe ich gar nicht mitbekommen.“

„Manches klingt ziemlich interessant“, begann ich betont langsam. „Stimmt es, dass vor ein paar Jahren die Akademieabsolventen für zwei Wochen in ein Höhlensystem gesperrt wurden?¨

Meine Ablenkung funktionierte.

„Wer erzählt denn so einen Unsinn?“ Perplex verschluckte er sich an seinem Tee.

„So ein paar alte Frauen haben sich darüber unterhalten, als ich gestern auf dem Heimweg war. Also sag schon. Ist es wahr?“

„Nein natürlich nicht, aber ich muss zugeben das Auswahlverfahren ist nicht überall gleich.“

„So? Wie ist es denn in den anderen Dörfern?¨

„Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht so genau. Aber es geht das Gerücht dass es in Kirigakure ziemlich grausame Prüfungen gab. Es heißt man hat alle Genin gegeneinander bis zum Tod kämpfen lassen und die die es überlebt haben wurden dann Chūnin.¨

Der Mann mit der großen Narbe im Gesicht erhob sich und ging ein paar Schritte zu dem Fenster, das den gesamten Raum in warmes Licht tauchte. Er schloss die Augen und ließ sich die Sonne auf das Gesicht scheinen.

„Wenn ich es mir recht überdenke, gibt es die gleichen Gerüchte über den Anbukern“, hörte ich ihn murmeln.

„Was ist der Anbukern?“

Der junge Mann machte den Anschein sich jeden Moment die Zunge abbeißen zu wollen.

„Schon gut.“Ich hob die Hände um ihn zu beruhigen. Ich wollte wirklich nicht dafür verantwortlich sein, dass er Seppuku beging, nur weil ihm etwas rausgerutscht war.

“Ich habe nichts gehört.“ Mit einem Gefühl, dass beinahe an endlose Frustration und unermessliche Unlust grenzte, drehte ich mich wieder zum Schreibtisch zurück. Testweise befahl ich meinen Fingern den Pinsel wieder in die Hand zu nehmen, aber wie ich es befürchtet hatte passierte - nichts. Absolut gar nichts. Keiner meiner Finger zeigte überhaupt ein Zucken. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich in mein Schicksal zu ergeben.

Leicht stöhnend erhob ich mich. Das lange Verharren in einer Position hatte meinen Muskeln und Bändern nicht gut getan. Steif stakste ich ein paar Schritte durch das Zimmer und drückte mir meine Daumen gegen die Rückenwirbel, die sich am schlimmsten anfühlten. Die Pressur linderte das unangenehme Ziehen ein wenig.

Es schrie geradezu nach einem schönem heißem Bad.
 

„Es tut mir wirklich leid Iruka, aber ich glaube, für heute bin ich fertig.“

Mit spitzen Fingern räumte ich die Blätter zusammen. Die die vorzeigbar waren legte ich auf einen Stapel zusammen. Der Rest wanderte auf direktesten Weg in den Mülleimer. Ungnädig betrachtete ich die ungleiche Verteilung zwischen Erfolg und Misserfolg.

Morgen würde ich hoffentlich wieder mehr Energie für die Sache aufbringen können. Auch Iruka schien erleichtert, auch wenn er, ganz Lehrer, versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

„Bist du sicher?“

„Ja ziemlich. Ich werde morgen einfach etwas mehr lernen.“ Das verschraubte Tintenfass stellte ich an seinen angestammten Platz in der hinteren rechten Ecke des Schreibtischs.

„Bevor ich es vergesse, ich habe noch etwas für dich“, der Shinobi verschwand aus dem Zimmer. Etwas verwundert blieb ich einen Moment regungslos stehen. Doch so schnell wie er verschwunden war, schlüpfte er auch schon wieder ins Zimmer, in der Hand ein kleines ,in Papier gewickeltes, Paket.

„Hier das ist für dich. Ich habe es im Laden gesehen und musste sofort an dich denken.“ Mit einem breiten Lächeln hielt er es mir entgegen.

„Was ist das?“ Probeweise schüttelte ich es vorsichtig.

„Das wirst du sehen, wenn du es aufmachst.“ Während der Chunin mich zur Tür begleitete, befühlte ich immer wieder das quadratische Objekt in meinen Händen.

Die Oberfläche gab ein wenig nach, wenn man darauf drückte, und doch schien der Inhalt des Geschenks kompakt zu sein. Auch war es weder schwer noch leicht, weswegen ich schwer einschätzen konnte, was es wirklich war.

Wie ich den braun haarigen Lehrer einschätzte war es ein Buch, aber das Format erschien mir doch ein wenig zu ausgefallen.

Ich verabschiedete mich und schlug vor dem Haus den Weg ein, der mich aus den Stadtmauern hinaus bringen sollte.

Die Luft um mich herum schwirrte nur so vor Leben, da die größte Hitze des Tages bereits vorüber war.

Bis zur Dämmerung hätte ich noch ein paar Stunden Zeit und ich entschied noch ein wenig spazieren zu gehen. Nach der ganzen Zeit in Irukas Wohnung, schien mir frische Luft das beste Mittel gegen meinen Frust zu sein. Während ich durch die Straßen von Konoha wanderte, versuchte ich immer wieder mich auf mein Chakra zu konzentrieren. Doch es blieb weiterhin dabei: Sobald sich auch nur ein flüchtiger Gedanke in meinem Kopf herausbildete, brach die Verbindung ab.

Genervt trat ich gegen einen kleinen Stein.

Das konnte doch beim besten Willen nicht so schwer sein?
 

Vielleicht liegt es an den Bolzen?

'Die Idee habe ich auch schon gehabt. Aber es muss doch trotzdem möglich sein', antwortete ich der Stimme resigniert.

'Immerhin kann ich durch den ersten entfernten Stift auch mehr Kraft aufwenden. Irgendwo muss sie also zirkulieren.'

Ich glaube, du vergisst, dass die Kraft, die durch das Metall zurückgehalten wird, nicht die gleiche ist, die du von Natur aus in deinem Inneren hast. Der Einwand war gar nicht mal so dumm, denn ich war tatsächlich davon ausgegangen, dass es sich dabei um die gleiche Quelle handelte. Woher sollte ich es auch wissen, schließlich gab es dafür nirgendwo einen Experten, den ich hätte befragen können.

'Vielleicht bin ich so an die eine Quelle gewöhnt, dass es mir um so schwieriger fällt auf eine andere zuzugreifen', mutmaßte ich.

Mittlerweile hatte ich das Stadttor passiert war auf der Lichtung angekommen, auf der ich mein morgendliches Training absolvierte. Als ich meinen Blick über das Areal schweifen lies, musste ich mir eingestehen, dass es wohl nötig war, den Platz zu wechseln. Abgebrochene Äste und Markierungen an den Bäumen und Sträuchern zeugten neben einigen anderen Spuren unweigerlich davon, dass dieser Ort für Kampfübungen benutzt wurde.

Obwohl ich davon ausging, dass sich nicht viele Dorfbewohner hierher verirrten, wollte ich doch vermeiden, dass man mich hier antraf.

Doch für für meine jetzigen Absichten würde es reichen. Der Wald um mich herum war absolut still und friedlich. Nur einige Vögel waren irgendwo über mir zu hören, als ich mir einen Platz suchte, der sowohl bequem, als auch genug Deckung bot, für den Fall, dass doch jemand kam. Zu diesem Zweck wählte ich mir einen Baum aus, der zwischen mehreren dicht belaubten Sträuchern wuchs.

Der Waldboden war mit weichem Moos bedeckt und ich gratulierte mir für meine Eigenart mit Vorliebe dunkle Hosen zu tragen.

Dieser Platz war mein persönlicher Rückzugsort geworden. Ich lehnte meinen Kopf an den Baumstamm hinter mir und schloss die Augen um die Umgebung auf mich einwirken zu lassen.

Die Luft um mich herum roch nach Sonne und Staub, das sich mit dem Geruch des Waldes vermischte. Tief sog ich sie in mich ein und hatte das Gefühl, mitsamt der Luft auch Energie zu inhalieren. Um mich herum pulsierte das Leben. Insekten, Vögel und kleinere Tier strichen durch das Unterholz.

Mit einem Lächeln öffnete ich meine Augen wieder und entspannte mich vollkommen. Mein Blick fiel auf das Paket, das mir Narutos Sensei gegeben hatte. Ich hatte es beim hinsetzen neben mir auf den Boden gelegt, doch nun holte es sich mit Macht meine Aufmerksamkeit zurück.

Wie automatisch griff meine Hand danach und befühlten das Papier. Immer wieder strich ich über die raue Oberfläche.
 

Fasziniert bemerkte ich die Unebenheiten in dem Material, das Geräusch, das entstand, wenn meine Finger darüber fuhren.

Ich entfernte das Band, das die Verpackung zusammenhielt und hielt die Luft an.

Zum Vorschein kam tatsächlich ein Buch. Es roch nach Papier, Buchbindeleim und Tinte.

Neugierig drehte ich es hin und her bis ich auf dem Buchrücken den Titel erkannte. Mühsam reimte ich mir zusammen, dass das Werk von Mythen und Sagen handelte und musste unwillkürlich an meine Sprachstunden mit Iruka denken.

Offensichtlich hatte er mein Interesse an diesem Thema bemerkt. Ich schlug die erste Seite auf und begann zu lesen.
 

Mein eigentliches Vorhaben war vergessen. Für heute hatte ich eindeutig genug gelernt, geübt und trainiert.

Ich war noch nicht weit gekommen, als mich ein plötzliches Geräusch aufmerken ließ. Oder eher: das Fehlen jeglicher Geräusche.

Die Vögel über mir hatten aufgehört zu zwitschern und das konnte nur bedeuten, dass ich nicht mehr allein war.

Langsam schloss ich den Buchdeckel und konzentrierte mich. Ein merkwürdiges Gefühl überkam mich, so dass ich mich leise aufrichtete um in einer knienden Position zu kauern.

Sollte ich wider erwarten kämpfen müssen, wäre ich in sitzender Haltung eindeutig im Nachteil.

Gedanklich verfluchte ich, dass ich nicht mehr wie gewohnt, wenigstens eines meiner Messer bei mir trug. Auch um mich herum gab es nichts, was sich als Waffe eignen könnte. Daher musste es der faustgroße, runde Stein tun, der vor mir auf dem Boden lag. Angestrengt lauschte ich auf etwaige Äste, die bewegt wurden oder Zweige die brachen um herauszufinden, wer oder was sich in der Nähe aufhielt und wie nah derjenige mir war.

Überrascht zuckte ich zusammen, als nicht hinter mir, sondern über mir Bewegung eintrat.

Scheiße, fluchte ich lautlos und versuchte mich weiter in den Schatten der Sträucher zu drücken.

Unmittelbar über mir stand jemand auf einem Ast und ich betete, dass dieser jemand nicht nach unten sah.
 

„...Endrunde kommen.... ausschalten.“, vernahm ich eine Stimme. Über hörte ich ein erneutes Tappen, das mir verriet, dass zu dem ersten noch ein zweiter Ninja hinzugekommen war. Dann zweifelsfrei waren sie genau das, wenn sie nicht wie normale Menschen auf dem Boden sondern, die Äste entlang sprangen.

„Halt die Klappe, du Vollidiot“, zischte jemand. Mir kam die Stimme merkwürdig bekannt, vor. Irgendwo musste ich sie schon einmal gehört haben. Einen Moment überlegte ich, ob ich es riskieren könnte, einen Blick nach oben zu werfen. Vielleicht waren es Konohaninjas, vor denen ich mich nicht zu verstecken brauchte.

„Wegen deiner Dummheit, geht der ganze Plan noch schief.“

Der Angesprochene gab einen unwirschen Laut von sich.

„Hier ist kein Schwein. Wer soll uns hören.“ Das verächtliche Schnauben ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Der Ton in der Stimme war eindeutig grausam und ich ballte meine Faust ein wenig fester um den kleinen Fels.

„Sei einfach ruhig und komm mit, bevor jemand merkt, dass wir weg waren.“
 

In einiger Entfernung raschelten ein paar Blätter, kurz darauf noch einmal und dann war es still.

Abgewiesen

Regungslos hockte ich zwischen den Sträuchern und lauschte angestrengt. Mittlerweile hatten die Vögel in der Umgebung wieder angefangen zu singen und verkündeten auf diese Weise, dass ich allein war.

Obwohl auf die Tiere mit großer Wahrscheinlichkeit Verlass war, traute ich dieser plötzlichen Ruhe nicht und noch weniger war ich schon bereit meine Deckung aufzugeben.

Angespannt verharrte ich in meiner Position, unschlüssig was ich nun tun sollte, während sich in meinem Kopf die Gedanken nur so überschlugen.
 

Sie hatten über die Chunin-Auswahlprüfungen gesprochen, soviel konnte ich erraten. Aber wie waren die einzelnen Gesprächsfetzen einzuordnen?

Endrunde kommen....ausschalten.
 

Wen wollten sie ausschalten?

Du interpretierst zu viel hinein, hörte ich es in meinem Kopf. Wahrscheinlich sprachen sie nur davon, dass sie ihre Gegner in den Vorrundenkämpfen ausschalten müssen.
 

Diese Erklärung klang, zugegeben, sehr wahrscheinlich. Wieso hatte ich dann aber so ein schlechtes Gefühl? Meine Muskeln begannen sich gegen die unbequeme Körperhaltung zu wehren und der beginnende Krampf holte mich zurück in die Wirklichkeit.
 

Leise stöhnend richtete ich mich auf und massierte die verkrampften Stellen.

Wie lange hatte ich nur so dagehockt?

Mir war vollkommen mein Zeitgefühl abhanden gekommen. Nur das etwas schummrige Licht gab mir einen groben Anhaltspunkt, wie spät es ungefähr sein musste.

'Ich hoffe, dass du recht hast, aber zur Sicherheit sollte ich dennoch das Dorf informieren. Ich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, es einfach dabei zu belassen. Irgendetwas war an den beiden mehr als nur faul. So klingt niemand, der nur an Ausscheidungskämpfen teilnimmt. Sie klangen absolut berechnend und kalt. Das waren keine einfachen Anwärter.'
 

Bei deinem Glück werden sie dir im Dorf das gleiche sagen wie ich jetzt: Du hast zu wenig Anhaltspunkte um jemanden zu beschuldigen. Auf eine bloße Vermutung werden sie nicht hören.

Unwillig musste ich mir eingestehen, dass es den Nagel so ziemlich auf den Kopf traf. Wer würde mir glauben, wo ich doch nicht einmal als vertrauenswürdig genug eingestuft wurde um weiterhin die Briefe des Hokage auszuliefern.

'Hiruzen wird mich ernst nehmen', erwiderte ich zuversichtlicher als ich mich fühlte.
 

Mit einiger Verwunderung bemerkte ich, dass ich den Stein noch immer in der Hand hielt. Mit gerunzelter Stirn ließ ich ihn einfach auf den weichen Waldboden fallen, um mich gleich darauf zu bücken und das Buch von Iruka wieder an mich zu nehmen.

Mein Blick wanderte von dem schwarzen Einband den Baum hinauf und blieb an einem dicken Ast, ein paar Meter über mir, hängen.

Abgesehen von den natürlichen Tiergeräuschen war es unheimlich ruhig, erst als ein Windstoß die Blätter über mir zum Rascheln brachte, schaffte ich es mich loszureißen.

Mein Herz schlug hart gegen meine Brust.

Nein, ich war mir sicher richtig gehandelt zu haben. Irgendetwas war merkwürdig und auch, wenn ich die Ursache nicht direkt benennen konnte, auf meine Intuition war bisher immer Verlass gewesen.

Wieso kümmert es dich, was hier passiert. Es ist nicht deine Aufgabe dich um die Sicherheit der Teilnehmer zu kümmern. Es war kein Vorwurf, sondern eine ernstgemeinte, beinahe verwunderte Frage.

'Weil ich das Gefühl habe, dass ich es muss.'
 

Ich klopfte mir den Staub und die Erde von der Hose, faltete das Papier zusammen, das Iruka um das Buch gewickelt hatte, zusammen und steckte es in meine Hosentasche.

Anstatt die freie Fläche vor mir, wie bei meiner Ankunft, auf direktem Weg zu überqueren hielt ich mich bei meinem Rückweg nah an der Baumgrenze.

Es war mir ein ziemliches Rätsel, wieso die beiden Männer die Spuren an den Bäumen nicht gesehen hatten.

Eine Möglichkeit war, dass sie unaufmerksam gewesen waren, was auf sie als Shinobi ein ziemlich schlechtes Licht warf. Die beunruhigende zweite Variante lautete, dass sie mich sehr wohl bemerkt hatten und nun irgendwo im Verborgenen lauerten und darauf warteten, dass ich einen Fehler machte.

Bei diesem Gedanken spürte ich wie erneut Adrenalin durch meine Adern schoss und ich musste mich zusammenreißen damit ich nicht Hals über Kopf floh.

Die Anspannung zerrte an meinem Nerven, die auch dadurch nicht besser wurde, dass ich darauf achtete so wenig verräterische Geräusche wie möglich zu verursachen, als ich die Lichtung verließ. Die dichte Bewaldung in dieser Gegend hatte mich glauben lassen, dass die Wahrscheinlichkeit äußerst gering sei auf einen Menschen zu treffen. Dafür war das Gebiet, meiner Meinung nach, zu weitläufig und ich hatte nichts entdecken können, dass einen Abstecher hierher nachvollziehbar machen könnte. Doch ich hatte die Mobilität unterschätzt die sie durch die Chakrakontrolle erhielten.

Es bereitete den Ninjas weit weniger Probleme sich fortzubewegen als mir, die ich mich durch Büsche und Sträucher hatte schlagen müssen um überhaupt so weit in den Wald hineinzukommen.

Meinen nächsten Trainingsort musste ich mir sorgfältiger aussuchen, wenn ich weitere Zusammentreffen vermeiden wollte.
 

Erst als ich mich unmittelbar vor dem Tor von Konohagakure befand, war es mir möglich mich ein wenig zu entspannen und das Gefühl aufkeimender Panik größtenteils zu unterdrücken. Der Zwischenfall beunruhigte mich mehr als ich zugeben wollte. Es war reines Glück gewesen, dass ich unentdeckt geblieben war. Und auf Glück verließ ich mich nicht gern.
 

Mir wurde klar, dass ich nachlässig geworden war, was vielleicht auch daran lag, dass sowohl die Routine meiner Einsätze von früher fehlten, sowie die Anspannung, die mich während der Reise zu jeder Zeit begleitet hatte.

Auch hatte ich nicht, wie auf Hiruzens falscher Mission, damit gerechnet angegriffen oder überrascht zu werden.

Meine Fantasie machte sich zunehmen selbstständig und malte in den prächtigsten Farben aus, was passiert wäre, wenn es sich bei den beiden Männern nicht um unaufmerksame Shinobi, sondern um Soldaten gehandelt hätte.
 

Einen beinahe lächerlichen Kontrast zu meiner Überhand nehmenden Paranoia bildete die ausgeglichene Ruhe, die in dem kleinen Wachhaus herrschte.
 

Sie saßen noch genauso da, wie ich sie vorfand, als ich das Tor in die andere Richtung verlassen hatte: Kotetsu mit dem Kopf auf seinen Armen schlafend und Izumo mit einem Buch in der Hand, in dem er nur mäßig interessiert las. Bei seinem Anblick kamen mir die Geschehnisse im Wald seltsam irreal vor. Gleichzeitig eröffnete sich mir eine Gelegenheit, die ich nicht ungenutzt lassen konnte.
 

„Hey Haruka, da bist du ja wieder“, der Ausdruck des Chūnin änderte sich, als er sein Buch zur Seite legte.

„Alles okay mit dir? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“

Ein wenig gequält versuchte ich zu lächeln, während ich mir eine Strategie überlegte, wie ich möglichst unauffällig an die Information kam, die ich haben wollte.

„Danke, Izumo, alles in Ordnung. Ich habe mich bei meinem Spaziergang nur etwas erschrocken. Da war ein komisches Geräusch im Wald und ich dachte, es sei vielleicht ein Wolf. Aber da haben mir meine Ohren sicher einen Streich gespielt.“

Ich brachte sogar ein unsicheres Kichern zustande. Der Wachninja sah mich einen Moment nachdenklich an, bevor er herzhaft gähnte und sich streckte.

„Ich glaube es ist Jahre her, dass Wölfe um Konoha herum gesichtet wurden. Aber du solltest trotzdem aufpassen. Es gibt auch andere wilde Tiere da draußen.“ Er kratzte sich das Kinn.

„Vielleicht solltest du nicht immer alleine gehen.“

Da meine Angst weniger den Tieren, als viel mehr den Menschen galt, verwarf ich diesen Vorschlag sofort wieder, nickte aber um dem Shinobi das Gefühl zu geben darüber nachzudenken.

„Kotetsu schläft ja immer noch", bemerkte ich und konnte es mir nicht verkneifen ihn mit dem Finger anzustupsen.

Doch der Ninja mit der Stachelfrisur war viel zu weggetreten um auch nur irgendetwas zu bemerken.

„Ja er hat sich schon seit Stunden nicht mehr bewegt. Schau mal, ob er noch lebt, Haruka.“ Obwohl ich mir sicher war, dass Izumo einen Witz machte, schien er doch aufrichtig besorgt zu sein. Um ihm den Gefallen zu tun, beugte ich mich nach vorne und lauschte.

„Er schnarcht“, lautete mein nüchternes Urteil.

„Gut, ich wüsste nicht wie ich es erklären soll, dass er hier beim Wache schieben gestorben ist“, verlegen rückte er sein Kopftuch zurecht und sah mich an.

Bei der Vorstellung, wie sich ein total betröppelter Izumo vor dem Hokage zu rechtfertigen versuchte, musste ich grinsen.

„Da hast du ja dann wohl noch mal Glück gehabt.“ Der Chūnin nickte mit einem todernstem Gesicht, das er aber nicht lange aufrecht erhalten konnte. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, da er wahrscheinlich an die gleiche Szene dachte.
 

„Ah, mir ist eigentlich auch lieber, wenn er nicht ins Gras beißt. Sonst stehe ich ja mit den Vorbereitungen alleine da.“

Ich war froh, dass er dieses Thema von alleine ansprach. So war es für mich einfacher die Unterhaltung so zu lenken, dass ich eine gute Ausgangsposition hatte um ein wenig nachforschen zu können.

„Wie läuft es denn?“

Der Ninja rieb sich mit einer Hand erst über das Gesicht und dann über den Nacken. Eine Geste die mir bereits zeigte, dass die Anspannung hoch war und die Nerven aller Beteiligten vermutlich blank lagen.

„Ziemlich chaotisch, wenn ich ehrlich sein soll. Es sind einfach viel mehr Menschen gekommen, als wir erwartet haben. Alleine die Unterbringung ist ein ziemliches Problem. Dann natürlich auch, dass die Genin untereinander nicht sonderlich gut zurechtkommen.“ Er machte eine etwas hilflose Geste.

„Ständig gibt es Reibereien. Es ist wirklich ziemlich unübersichtlich und ich bin froh wenn es vorbei ist. Dann kehrt hier wieder Ruhe ein.“ Er machte eine Pause und trommelte geistesabwesend mit seinen Fingern auf dem Holz herum. Für den sonst so ruhigen und gelassenen jungen Mann ein ziemlich ungewöhnliches Verhalten.

„Am schlimmsten ist aber, dass sich keiner so wirklich an die Regeln halten will. Diese Jugendlichen machen was sie wollen. Ständig verschwinden sie aus dem Dorf und kommen wieder, wenn es ihnen passt.“ Er sah zu mir auf. “Ich habe in der einen Woche jetzt schon drei Anmeldelisten vollgeschrieben.“

„Warum das?“ Ich legte den Kopf schief und betrachtete das Heft, das aufgeschlagen vor ihm lag.

„Weil ich sie jedes Mal wieder ein- und austragen muss. So sind die Vorschriften.“

Da sich mir wohl keine bessere Gelegenheit mehr bieten würde um einzuhaken, nutzte ich meine Chance.
 

„Du sag mal Izumo, sind eben auch wieder ein paar Teilnehmer ins Dorf zurückgekommen?“ Überrascht zog der Ninja eine Augenbraue nach oben.

„Ja, wieso fragst du?“

„Ich habe unterwegs ein paar Stimmen gehört und mich gefragt, ob sie vielleicht zu den Genin gehören die auch an den Prüfungen teilnehmen wollen.“

Izumo wollte gerade etwas sagen, als sich sein Partner bei einem lauten Schnarcher verschluckte, kurz hustete, den Kopf auf die andere Seite drehte und seelenruhig weiterschlief.

Fasziniert beobachtete der Wachshinobi seinen Freund.
 

„Weißt du aus welchem Ninjadorf sie kamen?“ Nahm ich das Thema wieder auf und machte ein unschuldiges Gesicht. Leider besaß ich keine riesengroße Augen, aber es funktionierte trotzdem.

„Klar weiß ich das, wenn sie sich bei mir anmelden vermerke ich auch aus welchem Land sie gekommen sind. Weißt du denn wie viele es waren, die du gehört hast?“

„Ich denke, es waren vielleicht zwei.“

Der Chūnin legte eine Hand an sein Kinn und blätterte in seinem Anmeldebuch.

„Dann können es nur entweder die beiden gewesen sein, die aus Otogakure gekommen sind, oder die anderen beiden aus Sunagakure.“

„Gab es sonst noch andere Genin die hier vorbeigekommen sind?“

Du treibst es zu weit. Es wird langsam auffällig, warnte mich die Stimme in meinem Kopf. Aber ich konnte jetzt einfach nicht klein beigeben. Wenn ich Hiruzen von dem Ereignis berichten wollte, musste ich wenigstens ein paar Informationen haben.

„Nein, es waren die Einzigen. Der Rest waren Besucher und Händler“, wie es mir soeben vorhergesagt wurde, runzelte der Ninja seine Stirn und schien sich zu wundern was ich mit meiner Fragerei bezweckte.
 

Einen Moment überlegte ich, ob es nicht sinnvoll wäre Izumo einfach die Wahrheit zu sagen. Doch ich konnte sowohl ihn, als auch seinen Kameraden nicht gut genug einschätzen um ihre Reaktion vorherzusagen. Es wäre sicherlich besser, zuerst mit Hiruzen darüber zu sprechen. Als Hokage konnte er immerhin die Angelegenheit mit unauffälligen Mitteln erforschen.

Bei den beiden vor mir, glaubte ich eher an weniger subtile Maßnahmen.
 

„Warum interessiert dich das so?“ Die aufmerksamen Augen des Chūnin schienen mich geradewegs zu durchleuchten. Mit einem Mal war keine Spur mehr von dem sonst eher etwas verplant wirkenden jungen Mann.

Jetzt lass dir etwas einfallen, spottete es in mir. Nur leider fiel mir nichts ein.
 

„Ich habe die beiden nicht gesehen, fand aber eine Stimme sehr anziehend“, holperte ich lahm. Überrascht riss der braun Haarige die Augen auf. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, dann lachte er schallend los.

„Haruka der Älteste von denen war vielleicht siebzehn. Ist das nicht vielleicht etwas jung?“

Wie vom Donner gerührt stand ich vor ihm und spürte augenblicklich ein heftiges Brennen in meinem Gesicht.

„Was? Ja, das ist wirklich jung“, nuschelte ich und hätte mich am liebsten geohrfeigt.

„Ich verrate es keinem“, zwinkerte er mir zu. „Immerhin hatten sie schon ziemlich tiefe Stimmen und wenn du sie nicht gesehen hast... Wenn sie noch mal vorbeikommen, kann ich für dich ja ein Treffen vereinbaren.“ Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. Es machte ihm sichtlich Spaß mich aufzuziehen.

„Nein, danke. Nicht nötig.“ Mein ungnädiger Blick schien ihn keineswegs einzuschüchtern, sondern stachelte, im Gegenteil, seine Belustigung nur noch mehr an.
 

„Hör auf so pervers zu grinsen“, bat ich den Shinobi mit einem flehenden Unterton, der keineswegs gespielt war. Selbst in meinem Kopf spürte ich grenzenlose Belustigung.

„Ja... ehm, sofort.“ Izumo gab sich sichtlich Mühe ein beherrschtes Gesicht zu machen, brach jedoch immer wieder in leises Gelächter aus. Dankbar schickte ich ein Stoßgebet in den Himmel, dass ich mich wenigstens nur vor einem der beiden blamierte, wobei ich mir sicher war, dass Kotetsu davon erfuhr sobald er aufwachen würde.

„Es tut mir wirklich leid, Haruka. Aber..das ist so komisch!“ Ein erneuter Heiterkeitsausbruch schüttelte ihn.
 

Da sich nicht abzeichnete, dass der Ninja sich in der nächsten Zeit wieder beruhigte, beschloss ich das Weite zu suchen, bevor die Situation noch peinlicher wurde, als sie sowieso schon war.

„Ich gehe dann mal, man sieht sich. Grüße an den Langschläfer wenn er aufwacht“, murmelte ich und hob, immer noch mit einem knallrotem Gesicht, die Hand als Abschiedsgruß.
 

Während ich mich auf den Weg zum Hokageturm machte, führte ich mir vor Augen, was ich alles hätte sagen können, ohne mein Gesicht zu verlieren.

Nimm es mit Humor, versuchte man mich aus meinem Inneren heraus zu beruhigen.

'Tu nicht so scheinheilig, ich kann ganz genau hören, dass du immer noch lachst.'
 

Nach wie vor konnte ich meine Wangen brennen spüren und hoffte, dass ich genug Kraft hatte die Spötteleien über mich ergehen lassen zu können, die mich in der nächsten Zeit zweifelsfrei treffen würden. Natürlich hatte mein innerer Begleiter recht. Am klügsten war es, die ganze Sache nicht so ernst zu nehmen. Doch mein verletztes Ego war komplett anderer Meinung. Immerhin war es leicht zu sagen, etwas auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn man selbst nicht unmittelbar betroffen war. Izumos Gelächter klang mir immer noch in den Ohren und verfolgte mich wie ein übler Fluch.
 

Seufzend blieb ich vor einem Laden stehen und legte mir meine Hände über das Gesicht. Sie fühlten sich angenehm kühl auf meiner heißen Haut an und ich wollte gar nicht wissen wie ich aussah. Sicherlich schlimmer als Iruka am frühen Nachmittag.

Es war einfach nur furchtbar peinlich gewesen und in mir führte mein Ego noch immer einen erbitterten Kampf mit der Vernunft um die Vorherrschaft meiner endgültigen Meinung.

Eher mäßig interessiert warf ich einen Blick auf die Auslage des Geschäfts und blieb daran hängen.

Der Laden führte ausschließlich Masken der verschiedensten Art.

Viele erinnerten mich an die Tiermaske die Tenzou getragen hatte. Neben Katzengesichtern gab es auch Nachbildungen von Hunden, Vögeln und Amphibien. Als besonders interessant empfand ich die Noh- und Dämonenmasken die an einer anderen Wand befestigt waren.

„Kann ich dir helfen? Ansonsten würde ich den Laden jetzt schließen“, erklang eine Stimme neben mir.

„Was ist das für eine Maske?“ Ich zeigte auf eines der verzerrten Gesichter.

„Das ist eine Hannyamaske“, erklärte der Verkäufer während er mir die leichte Holzschale reichte. Der Mann mochte um die vierzig sein und machte ein freundliches Gesicht.

„Es heißt, die Hannya war einmal eine wunderschöne junge Frau bis ein Dämon von ihr Besitz ergriffen hat und sie sich von einer sanftmütigen Person in ein Blut trinkendes Ungeheuer verwandelt hat. Gefällt sie dir?“

„Irgendwie schon“, gab ich zu und lächelte ihn schüchtern an. Ich musterte das hölzerne Gesicht, dass mich aus meiner Hand heraus anstarrte. Der obere Teil des Gesichtsschädels, an dem sich die Augenbrauen befanden, war unnatürlich ausgeprägt und verdeckten zu einem guten Stück die Augenhöhlen. Ein Ausdruck unendlicher Traurigkeit.

Der Mund hingegen war zu einem grausamen Grinsen verzogen und zeigte dabei zwei Reihen spitzer Fangzähne.

„Sie ist schön, aber auch irgendwie unheimlich. Das klingt merkwürdig, oder?“

„Nein“, meinte er lachend. „Das ist im Grunde die Natur der Maske.“

„Wie viel soll sie denn kosten?“ Ich begann in meiner Tasche nach dem Geld zu suchen, dass ich aus Gewohnheit immer hineinstopfte, wenn ich zu faul war, meine Geldbörse hervorzuholen.

„Gar nichts. Ich schenke sie dir. Ihr beide seht euch irgendwie ähnlich.“

„Wie bitte?“ Mir klappte die Kinnlade herunter. Das warme Gefühl in meinem Gesicht war wie weggeblasen.

Hatte dieser Mann mir soeben gesagt, dass ich wie ein Blut trinkendes Monster aussah? Ungläubig starrte ich ihn an, in der Hand immer noch das Geld, welches ich soeben aus meiner Hosentasche gezogen hatte.

Dem Verkäufer schien indessen ebenfalls aufgefallen zu sein, dass seine Äußerung nicht gerade optimal bei mir angekommen war. Aufgeregt fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum und versuchte die Lage noch irgendwie zu retten.

„Du siehst der Frau aus der Legende ähnlich, nicht dem Dämon. Ich bitte vielmals um Entschuldigung!“

Wenig überzeugt nickte ich ihm zu und legte ein paar Scheine auf den Tresen.

„Ich hoffe das reicht für die Maske. Tschüss“, sagte ich kühl.

Der Typ hatte bei mir eindeutig verspielt.
 

Während ich mich nun weiter in Richtung des Verwaltungsgebäudes bewegte betrachtete ich noch einmal die Holzschale in meiner Hand. Wenn die Mimik auch nichts menschliches mehr hatte, war sie doch irgendwie lebendig. Das Material war in einem Karamellton lackiert worden. An der Stelle wo sich die Pupillen befanden, waren kleine, kreisrunde Aussparungen. Der Rest der Augäpfel war in einem gelblichen Weiß und nur die Lippen zeigten einen Hauch rosa.
 

Ich schüttelte mich, als ich von einem Schauer erfasst wurde. Das Gesicht war in der Tat wirklich faszinierend, gleichzeitig allerdings auch gruselig.

Seufzend sah ich in den Himmel und kam nicht umhin den leuchtenden Sonnenuntergang zu bewundern. Im Gegensatz zu meiner Laune, die sich mittlerweile auf einem absoluten Tiefpunkt befand, strahlte dieser wie eh und je.

„Heute ist echt nicht mein Tag“, murmelte ich. Fast erwartete ich eine Bemerkung aus meinem Kopf, doch es blieb erfreulicherweise still.

Als ich schließlich an der Residenz des Hokages ankam, war die Dämmerung soweit vorangeschritten, dass die ersten Laternen mit einem mechanischem Surren ansprangen.

Vor der Eingangstür standen zwei Shinobi, die ich nicht kannte.
 

„Guten Abend. Kann ich den Hokage sprechen? Es ist wichtig.“

Freundlich, aber bestimmt schüttelten sie ihre Köpfe.

„Leider nein, der Hokage darf nicht gestört werden.“

„Wann könnte ich denn zu ihm?“ Startete ich einen weiteren Versuch.

„Das können wir dir leider nicht genau sagen, aber für die nächsten zwei Tage haben wir die Anordnung niemanden in das Gebäude zu lassen.“ Überrascht runzelte ich die Stirn.

„Und wo finden dann die Anmeldungen für die Chunin-Auswahlprüfungen statt?“ Meine Hartnäckigkeit schien den einen zu amüsieren, den anderen zu nerven. Erfreulicherweise war es der Erstere der mir darauf antwortete.

„Das wurde in die Akademie verlegt. Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?“ Höflich verneinte ich und wünschte den beiden Wächtern eine gute Nacht.
 

Was nun?

'Ich weiß es nicht“, ratlos starrte ich hinauf zu dem Zimmer, in dem sich sonst Hiruzen aufhielt. Heute jedoch war es unbeleuchtet und abweisend.

Wie von selbst setzten sich meine Füße in Bewegung und bevor ich selbst richtig verstand, wohin ich ging, wurde ich aus meinem Inneren heraus aufgeklärt.

Homura und Koharu.

Die beiden waren immerhin die Dorfältesten und selbst, wenn sie mich nicht mochten, nahmen sie doch die Sicherheit des Dorfes sehr ernst.

Zweifel an meiner Idee überkam mich erst, als ich vor der Tür stand, zu der ich für gewöhnlich ihre Briefe brachte. Von außen hatte ich erkennen können, dass noch Licht brannte.

Zögernd klopfte ich an und wartete darauf, dass man mir die Tür öffnete. Eine ganze Weile passierte gar nichts, so dass ich ein weiteres mal klopfte. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass sie mich nicht gehört hatten. Es vergingen weitere Minuten, bevor aus dem Inneren Schritte zu hören waren.

Leider war es Homura, der mir öffnete und sofort wünschte ich mir, doch lieber zwei Tage gewartet zu haben um es noch einmal beim Sandaime zu versuchen.

Der alte Mann brauchte einen Moment bis er mich in dem diffusen Licht ausmachen konnte. Erst überrascht, dann misstrauisch und schließlich mit einem Ausdruck offener Abneigung musterte er mich.

Ich fragte mich ernsthaft, was ich verbrochen hatte, dass er mich so verachtete.

„Was willst du?“

„Eine Meldung machen.“

„So? Dann mach deine Meldung.“

„Ich habe durch Zufall zwei Ninjas belauscht, die nicht aus diesem Dorf sind und sich merkwürdig verhalten haben.“ So genau wie möglich schilderte ich dem Goikenban was ich gesehen, gehört und von Izumo erfahren hatte. Nachdem ich geendet hatte herrschte unangenehme Stille.
 

„Hast du es dem Hokage schon erzählt?“

„Nein, er ist beschäftigt, daher bin ich hierher gekommen.“

„Gut, dann belästige ihn auch nicht mit dem Unsinn.“ Ich konnte mich gerade noch daran hindern, dass mir die Kinnlade ein weiteres Mal an diesem Tag herunterfiel.

„Verzeihung?“

„Der Sandaime hat genug mit den Vorbereitungen der Auswahlprüfung zu tun. Er hat keine Zeit sich auch noch um deine Hirngespinste zu kümmern“, hochmütig versuchte er sich ein wenig zu strecken um auf mich herunterblicken zu können.

„Was du im Wald gehört hast, waren lediglich zwei Genin die sich über die Prüfungen unterhalten haben.“

„Aber-“

„Nichts aber. Konoha hat mit allen anderen Dörfern ein Friedensabkommen. Sie so unverschämt eines Komplotts zu beschuldigen kann für dich schwerwiegende Konsequenzen haben. Und wahrscheinlich glaubt dir der Hokage auch noch und gefährdet damit die diplomatischen Beziehungen“, er schnaubte. „Unsere besten Jōnin und Chūnin sichern das gesamte Areal ab und überwachen die Anwärter, meinst du nicht, dass sie viel eher davon wüssten, als du?“

Noch immer sprachlos starrte ich ihn an.

Für Homura jedenfalls schien damit alles gesagt zu sein und ohne ein weiteres Wort schlug er mir die Tür vor der Nase zu.
 

'Na los sag es schon', brummte ich vor mich hin, als ich einige Minuten später wieder auf die Straße trat.

Was soll ich sagen?

'Das du recht hattest.'

Ich glaube nicht, dass ich mich darüber wirklich freuen kann. Er war wirklich mehr als nur unhöflich zu dir.

Ich warf einen Blick auf die Maske in meiner Hand. Zu gern hätte ich sie aufgesetzt und den beiden eingebildeten Säcken gezeigt, was ich von ihnen hielt.

Ich rauchte innerlich vor Zorn, denn mit so viel Ignoranz war man mir schon lange nicht mehr begegnet.

„Was haben die beiden nur für ein Problem mit mir“, murmelte ich vor mich hin und blieb unter einer Laterne stehen. Über mir kreisten unzählige Mücken und Motten um das fahle Leuchtmittel. Da es mittlerweile dunkel war, schienen die Straßen wie ausgestorben, nur in einiger Entfernung hörte man hin und wieder ein verhaltenes Lachen aus dem Bereich der Kneipen und Restaurants einige Straßen entfernt von mir. Doch ich hatte den Umweg durch die Wohnviertel bewusst gewählt, konnte ich doch den Anblick von fröhlichen Mitbürgern im Augenblick nicht ertragen.
 

Sie gehören sicher zu der Sorte Menschen, die jeden erst ein mal für minderwertig halten. Und je mehr du dich beweist, desto mehr wirst du von ihnen anerkannt , mutmaßte es in mir.

'Ich habe wahrscheinlich einfach doppelt verschissen', dachte ich bösartig.'Weil ich nicht nur kein Ninja bin, sondern auch noch ein dahergelaufener Flüchtling.'

Das könnte zumindest der Grund sein, wieso sie dir gegenüber misstrauisch sind.

Frustriert nahm ich einen Stein vom Boden auf und warf ihn mit aller Kraft in eine dunkle Gasse hinein. Der Aufschlag klang unnatürlich laut in der sonst friedlichen Umgebung.

Leider half mir dieser Ausbruch überhaupt nicht weiter. Ich überlegte ob ich nicht vielleicht nach Hause gehen sollte, doch mir war klar, dass ich zu aufgebracht war um dort die Ruhe zu finden die ich brauchte.

Ziellos lief ich durch die Gassen und landete schließlich vor einer Kneipe. Von drinnen hörte ich lautes Gelächter und tiefe Stimmen, einige davon nicht mehr ganz nüchtern.
 

Wenn ich meinen Ärger schon herunter schlucken musste könnte ich das doch sicher auch mit einem alkoholischen Getränk tun.

Der Laden war ziemlich verqualmt und es roch nach dem, was ich draußen gehört hatte: Alkohol und Mann.

„Was darf es sein?“ Bockig wie ich war, würdigte ich dem Mann hinter dem Tresen kaum eines Blickes.

„Was habt ihr denn?“ Fragte ich zurück, als ich mich direkt auf einem Hocker vor der Theke niederließ.

„Alkoholisch oder Nicht-alkoholisch?“ Ging der Schlagabtausch weiter.

Ohne auch nur den Mund aufzumachen hob ich eine Augenbraue und beließ den Rest meines Gesichts in absoluter Ausdruckslosigkeit.

„Sake, Bier und Schnaps“, lachte er.

„Dann nehme ich Sake. Den Rest kenne ich schon.“

„Dafür siehst du aber noch ziemlich nüchtern aus.“ Genervt musterte ich ihn. Er war noch recht jung, vielleicht um die Mitte zwanzig, mit kurzen schwarzen Haaren und einem fröhlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Er versuchte mich aufzumuntern, weswegen ich die unfreundliche Bemerkung die mir auf der Zunge lag, wieder herunter schluckte. Es wäre zugegebenermaßen nicht sonderlich fair, meine miese Laune an dem Barkeeper auszulassen.

„Ich habe noch nie Sake getrunken. Heute will ich mal etwas neues ausprobieren. Ich fühle mich richtig abenteuerlustig.“ Als Ergänzung zu meiner monotonen Stimme hob ich meine Hand und tat so, als ob ich mit einem Lasso etwas hinter dem Mann fangen wollte. Es war zwar nicht sonderlich witzig oder geistreich, aber dafür war ich auch gerade nicht in der richtigen Stimmung.

Mit einem breiten Grinsen wandte sich der Kellner ab um mir das Verlangte zu holen.

Während ich auf den Reiswein wartete fuhr ich mir durch die Haare und drehte eine Strähne zwischen meinen Fingern.

Die brennende Wut war mittlerweile zwar verraucht doch das betrübte Gefühl war immer noch da.
 

Unauffällig sah ich mich in der Bar um. Mit seinen holzvertäfelten Wänden und schmalen Nischen hatte es etwas rustikal-gemütliches. Die einzelnen Sitzbereiche waren durch Holzwände voneinander abgetrennt, so dass es ein wenig Privatsphäre an jedem Tisch gab.

Mit etwas Belustigung, kam mir in den Sinn, dass es wohl kein Ort wäre, an den Frauen gerne kamen um ein wenig zu Tratschen. Alles hier drin schien auf männliche Kundschaft ausgelegt zu sein. Nach weiblichen Charme suchte man vergeblich.
 

„Hier bitte, dein Sake“, der junge Mann stellte mir augenzwinkernd eine kleine Porzellanflasche und eine Trinkschale vor die Nase.

„Harter Tag?“

„Beschissener Tag“, bestätigte ich und kam mir dabei vor wie ein alter Mann, der nach einem Tag auf den Feldern seinen wohlverdienten Absacker nahm. Bei dem Gedanken verzog ich das Gesicht, unschlüssig darüber ob dieser nun eigentlich lustig oder eher traurig war.
 

Inzwischen hatte der Barmann eine zweite Sakeflasche hervorgeholt und auch eine weitere Trinkschale auf den Tresen gestellt. Er schenkte erst mir aus meinem Gefäß ein, dann sich selbst aus seinem. Ich ließ ihn Kommentarlos machen, da ich mir schlimmeres vorstellen konnte, als nicht allein zu trinken.

„Muss ich irgendetwas beachten, wenn ich das trinke?“ Fragte ich. Lächelnd schüttelte der schwarz Haarige seinen Kopf und hob sein Schälchen in meine Richtung.

„Kanpai!“ Ich tat es ihm gleich.

„Kanpai.“

Der Geschmack des Getränks überraschte mich, denn er war klar und irgendwie fruchtig.

„Und? Schmeckt er dir?“ Während er mich ansah, schenkte er uns beiden nach. Ich nickte, während sich in meinem Bauch ein wohlig warmes Gefühl ausbreitete, das die doch kühle Temperatur des Getränks Lügen strafte.

„Ist es normal, dass der Wirt mit den Gästen trinkt?“ Er lachte. Es war angenehm tief und ziemlich ansteckend. Oder es war bereits der Alkohol der mir zu Kopf stieg. Genau konnte ich das nicht sagen.

„Nun, es ist schlimm, wenn der Kellner während der Arbeit trinkt“, er zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Aber noch schlimmer ist es, eine Frau alleine trinken zu lassen.“

Ich lächelte und hob ein weiteres Mal meine Schale.

„Na dann: Kanpai.“

„Kanpai.“
 

Drei Porzellanflaschen später trat ich wieder aus der Kneipe auf die Straße hinaus. Schon beim aufstehen hatte ich gemerkt, dass Sake eine ziemlich trügerische Angelegenheit war, aber auch dem Wirt erging es nicht besser. Ich wusste zwar nicht, wie viele Umdrehungen der Reiswein hatte, aber der Mann, der sich mir irgendwann als Akio vorstellte, vertrug ihn noch schlechter als ich. Am Ende hatte er sich so unauffällig wie möglich an der Theke festgehalten und hatte darauf beharrt nicht im mindesten betrunken zu sein.

Ich kicherte.
 

Du bist angetrunken, urteile es streng in meinem Kopf.

'Jupp. Lass mich doch.' flötete ich fröhlich zurück.

Beschwingt hüpfte ich eine Straße weit, bevor sich in meinem umnebelten Kopf das Bild einer erwachsenen, hüpfenden Frau materialisierte.

Schnell sah ich mich um, ob mich jemand beobachtete, doch weit und breit war niemand in Sicht.

'Siehst du? Sieht keiner!' Mit beschwingtem Schritt lief ich weiter und ignorierte erfolgreich den kleinen Teil in meinem Inneren, der hoffte, dass ich wirklich dort ankam wo ich hin wollte: nämlich nach Hause.

Doch auch wenn mein Gehirn in einem glückseligem Nebel feststeckte, war doch zumindest noch auf meine Füße Verlass, die sich offenbar an den Weg erinnerten.
 

Vor meiner Wohnungstür brauchte ich ein paar Anläufe um das Schlüsselloch zu finden.

„Ahh Genma, nun weiß ich wie es dir ging... ganz schön flink das Wiesel“, grinste ich. „Ist aber auch blöd, dass es hier kein Licht gibt.“

Fahrig pfefferte ich meine Schuhe in eine Ecke, als ich es endlich geschafft hatte mir Zutritt zu meinem Apartment zu verschaffen.

Überrascht sah ich auf die Uhr. Es war noch nicht einmal elf Uhr. Mein Blick wanderte weiter zu meinen Musikboxen und meinem Abspielgerät.

Ich wollte Musik. Und das sofort und laut. Buch und Maske warf ich achtlos auf das Bett.

Mit fahrigen Bewegungen verband die beiden Geräte mit einem Linkkabel und stellte die Musik auf eine ordentliche Lautstärke.

Der Bass brach einen Augenblick später durch die kleine Anlage und überflutete mich. Ein merkwürdiges Glücksgefühl stieg in mir auf während ich darauf wartete, dass der Text begann.

Ich griff nach den Knöpfen meiner Bluse während die erste Zeile in meinem Kopf wieder hallten: 'Du bist eine Frau, die mich reizt, eine Frau, die nicht mit ihren Reizen geizt..'

Mit einem Sprung imitierte ich das Schlagzeug und riss mir den Stoff von den Schultern. Während ich mich weiter rhythmisch zu dem Lied auszog, schrie ich ungehemmt den Text mit.
 

„Ich wünsche mir eine Frau, bei der alles passt, bei der sogar der liebe Gott vor Neid erblasst.... Du bist eine Frau, die mich kleidet, eine Frau, um die mich jeder Mann beneidet.“ Atemlos musterte ich mich einen Augenblick in dem Standspiegel. Wenn ich auch breiter und größer gebaut war als alle zarten Frauen in diesem Dorf, hässlich war ich nicht. Vielleicht auch nicht außergewöhnlich schön, aber wenigstens nicht komplett unansehnlich. Ich dachte an den Barkeeper aus der Kneipe.

Auch, wenn ich es nüchtern niemals zugeben würde, hatte ich doch die Aufmerksamkeit genossen, die mir Akio geschenkt hatte. Es war das erste Mal nach all den Jahren, dass ich mich selbst wieder als Frau wahrnahm. Gleichzeitig spürte ich mein schlechtes Gewissen. Obwohl ich nichts schlimmes getan hatte, kam es mir doch vor, als würde ich Kristan verraten. Unwillig schüttelte ich meinen Kopf und verscheuchte somit die deprimierenden Gedanken.

Mit den nächsten Bässen entledigte ich mich meines T-Shirts und stand nur noch in Unterwäsche gekleidet in dem Zimmer. Als mir eine neue Idee kam.

Überall war polierter Holzfußboden und meine Socken trug ich noch. Mit einem freudigen Grinsen drehte ich die Musik noch ein Stück weiter auf, sicherlich würden die Nachbarn sich jeden Moment beschweren, aber die paar Minuten würden schon keinem wehtun. Ich stellte mich an das eine Ende meines sowieso kurzen Flurs und wartete auf mein Stichwort.

„Du bist meine perfekte Droge. Du, du machst mich frei!“ Ich nahm Anlauf und schlitterte mit einem Jauchzen über den Boden. An der Tür zu meiner Küche hielt ich an und ließ mich lachend auf den Boden fallen.

Schnell rappelte ich mich auf, als das Lied zu Ende war und das nächste Stück begann. Aber ich fand, dass meine Mitmieter genug unter meinem Musikgeschmack gelitten hatten und tanzte zu den Boxen um die Lautstärke herunter zu drehen.
 

Ein merkwürdiges Prickeln auf meiner Haut veranlasste mich nach oben und durch das Fenster zu sehen. Ein unheimliches Gesicht starrte mich durch das Glas an, der Hannyamaske nicht unähnlich. Ich begann zu schreien, bevor ich mir die Hände vor den Mund schlagen konnte.

Auf meinem Fensterbrett saß niemand anderes als Tenzou.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hey, ich freue mich, dass ihr hergefunden habt. Leider denke ich, dass ich sicherlich den einen oder anderen Rechtschreibfehler übersehen haben. Bei gröberen Fehlern, schreibt mir doch eine ENS, damit ich es ausbessern kann.
Darüber hinaus, freue ich mich natürlich auch über Feedback, je mehr Menschen sie gefällt, um so glücklicher bin ich. Bis zum nächsten Kapitel
Liebe Grüße Vanhia Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Song: "Perfekte Droge" Megaherz aus dem Album Herzwerk II (25. März 2002) Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (34)
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Von:  Samehada92
2014-02-25T22:56:29+00:00 25.02.2014 23:56
Hey hey...
Sry, dass der Kommentar erst so spät kommt... Hab's irgendwie versäumt einen zu verfassen... :-/
Auf jedenfall war es wieder einmal ein gelungenes Kapitel.^^
Bin schon sehr gespannt wie's weitergeht.
LG Vantastic_Vlo
Von:  fahnm
2014-01-26T23:08:55+00:00 27.01.2014 00:08
Hammer Kapi^^
Von:  Aibera
2014-01-26T16:24:25+00:00 26.01.2014 17:24
=D Der Tag verläuft bis zum bitteren Ende perfekt! Tenzou ist bestimmt schwer beeindruckt von der Tanzeinlage =D
Freue mich auf die Fortsetzung und auf ein weiteres gutes Kapitel ^^
lg
Aibera
Antwort von:  Vanhia
26.01.2014 19:35
Huhu Aibera,
Vielen lieben Dank, dass du mir auch in diesem Kapitel wieder treu bist :)
Es motiviert mich sehr, dass du, fahnm und Vantastic_Vlo immer kommentiert und schreibt. Auch wenn ich am Anfang noch geprahlt habe, dass ich die Geschichte ja nur für mich schreibe.
Mit positiven Feedback geht es doch deutlich besser!
Und welcher Mann wäre nicht beeindruckt... oder verstört hahahaha

Liebe Grüße
Vanhia
Von:  Aibera
2014-01-26T16:12:43+00:00 26.01.2014 17:12
Endlich zum Lesen gekommen - herrje...
Gutes Kapitel - ich leide mit ihr, die neue Sprache/ Schrift zu lernen. Bin grade am Klausuren Lernen..-.-
Praktisch für sie auch, dass man ihr Chakra nicht spürt, sonst wäre sie jz vermutlich... in Problemen^^
Gleich mal weiterlesen...
lg
Aibera
Von:  Samehada92
2014-01-23T10:45:20+00:00 23.01.2014 11:45
Und wieder ein tolles Kapitel.
Bin schon sehr gespannt wie's weitergeht. :-)
LG Vantastic_Vlo
Von:  Aibera
2014-01-22T23:39:46+00:00 23.01.2014 00:39
=) Und so begann sie, als Erwachsene freiwillig die Schulbank zu drücken... =D
Schönes Kapitel, les gleich mal weiter
lg
Aibera
Von:  fahnm
2014-01-22T22:15:17+00:00 22.01.2014 23:15
Klasse Kapi^^
Von:  fahnm
2014-01-11T03:10:27+00:00 11.01.2014 04:10
Klasse Kapi^^
Mach weiter so^^
Von:  Samehada92
2014-01-10T22:19:09+00:00 10.01.2014 23:19
Wieder ein super Kapitel ^^
Bin schon mal gespannt, ob bzw. welche Rolle Haruka bei der Chunin-Auswahlprüfung spieln wird. :-)
Von:  Shadow100
2014-01-06T00:56:48+00:00 06.01.2014 01:56
Nicht schlecht du konntest es ja so machen das sie ihm beibringt sich mit dem fuchs zu vertragen und frieden zu schließen so das er ihn akzeptiert


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