Vom Dunkel und vom Licht von Vanhia (Das unaufhörliche Streben nach Glück und die Kellen die das Leben gibt) ================================================================================ Kapitel 12: Abgewiesen ---------------------- Regungslos hockte ich zwischen den Sträuchern und lauschte angestrengt. Mittlerweile hatten die Vögel in der Umgebung wieder angefangen zu singen und verkündeten auf diese Weise, dass ich allein war. Obwohl auf die Tiere mit großer Wahrscheinlichkeit Verlass war, traute ich dieser plötzlichen Ruhe nicht und noch weniger war ich schon bereit meine Deckung aufzugeben. Angespannt verharrte ich in meiner Position, unschlüssig was ich nun tun sollte, während sich in meinem Kopf die Gedanken nur so überschlugen. Sie hatten über die Chunin-Auswahlprüfungen gesprochen, soviel konnte ich erraten. Aber wie waren die einzelnen Gesprächsfetzen einzuordnen? Endrunde kommen....ausschalten. Wen wollten sie ausschalten? Du interpretierst zu viel hinein, hörte ich es in meinem Kopf. Wahrscheinlich sprachen sie nur davon, dass sie ihre Gegner in den Vorrundenkämpfen ausschalten müssen. Diese Erklärung klang, zugegeben, sehr wahrscheinlich. Wieso hatte ich dann aber so ein schlechtes Gefühl? Meine Muskeln begannen sich gegen die unbequeme Körperhaltung zu wehren und der beginnende Krampf holte mich zurück in die Wirklichkeit. Leise stöhnend richtete ich mich auf und massierte die verkrampften Stellen. Wie lange hatte ich nur so dagehockt? Mir war vollkommen mein Zeitgefühl abhanden gekommen. Nur das etwas schummrige Licht gab mir einen groben Anhaltspunkt, wie spät es ungefähr sein musste. 'Ich hoffe, dass du recht hast, aber zur Sicherheit sollte ich dennoch das Dorf informieren. Ich fühle mich unwohl bei dem Gedanken, es einfach dabei zu belassen. Irgendetwas war an den beiden mehr als nur faul. So klingt niemand, der nur an Ausscheidungskämpfen teilnimmt. Sie klangen absolut berechnend und kalt. Das waren keine einfachen Anwärter.' Bei deinem Glück werden sie dir im Dorf das gleiche sagen wie ich jetzt: Du hast zu wenig Anhaltspunkte um jemanden zu beschuldigen. Auf eine bloße Vermutung werden sie nicht hören. Unwillig musste ich mir eingestehen, dass es den Nagel so ziemlich auf den Kopf traf. Wer würde mir glauben, wo ich doch nicht einmal als vertrauenswürdig genug eingestuft wurde um weiterhin die Briefe des Hokage auszuliefern. 'Hiruzen wird mich ernst nehmen', erwiderte ich zuversichtlicher als ich mich fühlte. Mit einiger Verwunderung bemerkte ich, dass ich den Stein noch immer in der Hand hielt. Mit gerunzelter Stirn ließ ich ihn einfach auf den weichen Waldboden fallen, um mich gleich darauf zu bücken und das Buch von Iruka wieder an mich zu nehmen. Mein Blick wanderte von dem schwarzen Einband den Baum hinauf und blieb an einem dicken Ast, ein paar Meter über mir, hängen. Abgesehen von den natürlichen Tiergeräuschen war es unheimlich ruhig, erst als ein Windstoß die Blätter über mir zum Rascheln brachte, schaffte ich es mich loszureißen. Mein Herz schlug hart gegen meine Brust. Nein, ich war mir sicher richtig gehandelt zu haben. Irgendetwas war merkwürdig und auch, wenn ich die Ursache nicht direkt benennen konnte, auf meine Intuition war bisher immer Verlass gewesen. Wieso kümmert es dich, was hier passiert. Es ist nicht deine Aufgabe dich um die Sicherheit der Teilnehmer zu kümmern. Es war kein Vorwurf, sondern eine ernstgemeinte, beinahe verwunderte Frage. 'Weil ich das Gefühl habe, dass ich es muss.' Ich klopfte mir den Staub und die Erde von der Hose, faltete das Papier zusammen, das Iruka um das Buch gewickelt hatte, zusammen und steckte es in meine Hosentasche. Anstatt die freie Fläche vor mir, wie bei meiner Ankunft, auf direktem Weg zu überqueren hielt ich mich bei meinem Rückweg nah an der Baumgrenze. Es war mir ein ziemliches Rätsel, wieso die beiden Männer die Spuren an den Bäumen nicht gesehen hatten. Eine Möglichkeit war, dass sie unaufmerksam gewesen waren, was auf sie als Shinobi ein ziemlich schlechtes Licht warf. Die beunruhigende zweite Variante lautete, dass sie mich sehr wohl bemerkt hatten und nun irgendwo im Verborgenen lauerten und darauf warteten, dass ich einen Fehler machte. Bei diesem Gedanken spürte ich wie erneut Adrenalin durch meine Adern schoss und ich musste mich zusammenreißen damit ich nicht Hals über Kopf floh. Die Anspannung zerrte an meinem Nerven, die auch dadurch nicht besser wurde, dass ich darauf achtete so wenig verräterische Geräusche wie möglich zu verursachen, als ich die Lichtung verließ. Die dichte Bewaldung in dieser Gegend hatte mich glauben lassen, dass die Wahrscheinlichkeit äußerst gering sei auf einen Menschen zu treffen. Dafür war das Gebiet, meiner Meinung nach, zu weitläufig und ich hatte nichts entdecken können, dass einen Abstecher hierher nachvollziehbar machen könnte. Doch ich hatte die Mobilität unterschätzt die sie durch die Chakrakontrolle erhielten. Es bereitete den Ninjas weit weniger Probleme sich fortzubewegen als mir, die ich mich durch Büsche und Sträucher hatte schlagen müssen um überhaupt so weit in den Wald hineinzukommen. Meinen nächsten Trainingsort musste ich mir sorgfältiger aussuchen, wenn ich weitere Zusammentreffen vermeiden wollte. Erst als ich mich unmittelbar vor dem Tor von Konohagakure befand, war es mir möglich mich ein wenig zu entspannen und das Gefühl aufkeimender Panik größtenteils zu unterdrücken. Der Zwischenfall beunruhigte mich mehr als ich zugeben wollte. Es war reines Glück gewesen, dass ich unentdeckt geblieben war. Und auf Glück verließ ich mich nicht gern. Mir wurde klar, dass ich nachlässig geworden war, was vielleicht auch daran lag, dass sowohl die Routine meiner Einsätze von früher fehlten, sowie die Anspannung, die mich während der Reise zu jeder Zeit begleitet hatte. Auch hatte ich nicht, wie auf Hiruzens falscher Mission, damit gerechnet angegriffen oder überrascht zu werden. Meine Fantasie machte sich zunehmen selbstständig und malte in den prächtigsten Farben aus, was passiert wäre, wenn es sich bei den beiden Männern nicht um unaufmerksame Shinobi, sondern um Soldaten gehandelt hätte. Einen beinahe lächerlichen Kontrast zu meiner Überhand nehmenden Paranoia bildete die ausgeglichene Ruhe, die in dem kleinen Wachhaus herrschte. Sie saßen noch genauso da, wie ich sie vorfand, als ich das Tor in die andere Richtung verlassen hatte: Kotetsu mit dem Kopf auf seinen Armen schlafend und Izumo mit einem Buch in der Hand, in dem er nur mäßig interessiert las. Bei seinem Anblick kamen mir die Geschehnisse im Wald seltsam irreal vor. Gleichzeitig eröffnete sich mir eine Gelegenheit, die ich nicht ungenutzt lassen konnte. „Hey Haruka, da bist du ja wieder“, der Ausdruck des Chūnin änderte sich, als er sein Buch zur Seite legte. „Alles okay mit dir? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“ Ein wenig gequält versuchte ich zu lächeln, während ich mir eine Strategie überlegte, wie ich möglichst unauffällig an die Information kam, die ich haben wollte. „Danke, Izumo, alles in Ordnung. Ich habe mich bei meinem Spaziergang nur etwas erschrocken. Da war ein komisches Geräusch im Wald und ich dachte, es sei vielleicht ein Wolf. Aber da haben mir meine Ohren sicher einen Streich gespielt.“ Ich brachte sogar ein unsicheres Kichern zustande. Der Wachninja sah mich einen Moment nachdenklich an, bevor er herzhaft gähnte und sich streckte. „Ich glaube es ist Jahre her, dass Wölfe um Konoha herum gesichtet wurden. Aber du solltest trotzdem aufpassen. Es gibt auch andere wilde Tiere da draußen.“ Er kratzte sich das Kinn. „Vielleicht solltest du nicht immer alleine gehen.“ Da meine Angst weniger den Tieren, als viel mehr den Menschen galt, verwarf ich diesen Vorschlag sofort wieder, nickte aber um dem Shinobi das Gefühl zu geben darüber nachzudenken. „Kotetsu schläft ja immer noch", bemerkte ich und konnte es mir nicht verkneifen ihn mit dem Finger anzustupsen. Doch der Ninja mit der Stachelfrisur war viel zu weggetreten um auch nur irgendetwas zu bemerken. „Ja er hat sich schon seit Stunden nicht mehr bewegt. Schau mal, ob er noch lebt, Haruka.“ Obwohl ich mir sicher war, dass Izumo einen Witz machte, schien er doch aufrichtig besorgt zu sein. Um ihm den Gefallen zu tun, beugte ich mich nach vorne und lauschte. „Er schnarcht“, lautete mein nüchternes Urteil. „Gut, ich wüsste nicht wie ich es erklären soll, dass er hier beim Wache schieben gestorben ist“, verlegen rückte er sein Kopftuch zurecht und sah mich an. Bei der Vorstellung, wie sich ein total betröppelter Izumo vor dem Hokage zu rechtfertigen versuchte, musste ich grinsen. „Da hast du ja dann wohl noch mal Glück gehabt.“ Der Chūnin nickte mit einem todernstem Gesicht, das er aber nicht lange aufrecht erhalten konnte. Seine Mundwinkel zuckten verräterisch, da er wahrscheinlich an die gleiche Szene dachte. „Ah, mir ist eigentlich auch lieber, wenn er nicht ins Gras beißt. Sonst stehe ich ja mit den Vorbereitungen alleine da.“ Ich war froh, dass er dieses Thema von alleine ansprach. So war es für mich einfacher die Unterhaltung so zu lenken, dass ich eine gute Ausgangsposition hatte um ein wenig nachforschen zu können. „Wie läuft es denn?“ Der Ninja rieb sich mit einer Hand erst über das Gesicht und dann über den Nacken. Eine Geste die mir bereits zeigte, dass die Anspannung hoch war und die Nerven aller Beteiligten vermutlich blank lagen. „Ziemlich chaotisch, wenn ich ehrlich sein soll. Es sind einfach viel mehr Menschen gekommen, als wir erwartet haben. Alleine die Unterbringung ist ein ziemliches Problem. Dann natürlich auch, dass die Genin untereinander nicht sonderlich gut zurechtkommen.“ Er machte eine etwas hilflose Geste. „Ständig gibt es Reibereien. Es ist wirklich ziemlich unübersichtlich und ich bin froh wenn es vorbei ist. Dann kehrt hier wieder Ruhe ein.“ Er machte eine Pause und trommelte geistesabwesend mit seinen Fingern auf dem Holz herum. Für den sonst so ruhigen und gelassenen jungen Mann ein ziemlich ungewöhnliches Verhalten. „Am schlimmsten ist aber, dass sich keiner so wirklich an die Regeln halten will. Diese Jugendlichen machen was sie wollen. Ständig verschwinden sie aus dem Dorf und kommen wieder, wenn es ihnen passt.“ Er sah zu mir auf. “Ich habe in der einen Woche jetzt schon drei Anmeldelisten vollgeschrieben.“ „Warum das?“ Ich legte den Kopf schief und betrachtete das Heft, das aufgeschlagen vor ihm lag. „Weil ich sie jedes Mal wieder ein- und austragen muss. So sind die Vorschriften.“ Da sich mir wohl keine bessere Gelegenheit mehr bieten würde um einzuhaken, nutzte ich meine Chance. „Du sag mal Izumo, sind eben auch wieder ein paar Teilnehmer ins Dorf zurückgekommen?“ Überrascht zog der Ninja eine Augenbraue nach oben. „Ja, wieso fragst du?“ „Ich habe unterwegs ein paar Stimmen gehört und mich gefragt, ob sie vielleicht zu den Genin gehören die auch an den Prüfungen teilnehmen wollen.“ Izumo wollte gerade etwas sagen, als sich sein Partner bei einem lauten Schnarcher verschluckte, kurz hustete, den Kopf auf die andere Seite drehte und seelenruhig weiterschlief. Fasziniert beobachtete der Wachshinobi seinen Freund. „Weißt du aus welchem Ninjadorf sie kamen?“ Nahm ich das Thema wieder auf und machte ein unschuldiges Gesicht. Leider besaß ich keine riesengroße Augen, aber es funktionierte trotzdem. „Klar weiß ich das, wenn sie sich bei mir anmelden vermerke ich auch aus welchem Land sie gekommen sind. Weißt du denn wie viele es waren, die du gehört hast?“ „Ich denke, es waren vielleicht zwei.“ Der Chūnin legte eine Hand an sein Kinn und blätterte in seinem Anmeldebuch. „Dann können es nur entweder die beiden gewesen sein, die aus Otogakure gekommen sind, oder die anderen beiden aus Sunagakure.“ „Gab es sonst noch andere Genin die hier vorbeigekommen sind?“ Du treibst es zu weit. Es wird langsam auffällig, warnte mich die Stimme in meinem Kopf. Aber ich konnte jetzt einfach nicht klein beigeben. Wenn ich Hiruzen von dem Ereignis berichten wollte, musste ich wenigstens ein paar Informationen haben. „Nein, es waren die Einzigen. Der Rest waren Besucher und Händler“, wie es mir soeben vorhergesagt wurde, runzelte der Ninja seine Stirn und schien sich zu wundern was ich mit meiner Fragerei bezweckte. Einen Moment überlegte ich, ob es nicht sinnvoll wäre Izumo einfach die Wahrheit zu sagen. Doch ich konnte sowohl ihn, als auch seinen Kameraden nicht gut genug einschätzen um ihre Reaktion vorherzusagen. Es wäre sicherlich besser, zuerst mit Hiruzen darüber zu sprechen. Als Hokage konnte er immerhin die Angelegenheit mit unauffälligen Mitteln erforschen. Bei den beiden vor mir, glaubte ich eher an weniger subtile Maßnahmen. „Warum interessiert dich das so?“ Die aufmerksamen Augen des Chūnin schienen mich geradewegs zu durchleuchten. Mit einem Mal war keine Spur mehr von dem sonst eher etwas verplant wirkenden jungen Mann. Jetzt lass dir etwas einfallen, spottete es in mir. Nur leider fiel mir nichts ein. „Ich habe die beiden nicht gesehen, fand aber eine Stimme sehr anziehend“, holperte ich lahm. Überrascht riss der braun Haarige die Augen auf. Einen Moment lang herrschte absolute Stille, dann lachte er schallend los. „Haruka der Älteste von denen war vielleicht siebzehn. Ist das nicht vielleicht etwas jung?“ Wie vom Donner gerührt stand ich vor ihm und spürte augenblicklich ein heftiges Brennen in meinem Gesicht. „Was? Ja, das ist wirklich jung“, nuschelte ich und hätte mich am liebsten geohrfeigt. „Ich verrate es keinem“, zwinkerte er mir zu. „Immerhin hatten sie schon ziemlich tiefe Stimmen und wenn du sie nicht gesehen hast... Wenn sie noch mal vorbeikommen, kann ich für dich ja ein Treffen vereinbaren.“ Er wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. Es machte ihm sichtlich Spaß mich aufzuziehen. „Nein, danke. Nicht nötig.“ Mein ungnädiger Blick schien ihn keineswegs einzuschüchtern, sondern stachelte, im Gegenteil, seine Belustigung nur noch mehr an. „Hör auf so pervers zu grinsen“, bat ich den Shinobi mit einem flehenden Unterton, der keineswegs gespielt war. Selbst in meinem Kopf spürte ich grenzenlose Belustigung. „Ja... ehm, sofort.“ Izumo gab sich sichtlich Mühe ein beherrschtes Gesicht zu machen, brach jedoch immer wieder in leises Gelächter aus. Dankbar schickte ich ein Stoßgebet in den Himmel, dass ich mich wenigstens nur vor einem der beiden blamierte, wobei ich mir sicher war, dass Kotetsu davon erfuhr sobald er aufwachen würde. „Es tut mir wirklich leid, Haruka. Aber..das ist so komisch!“ Ein erneuter Heiterkeitsausbruch schüttelte ihn. Da sich nicht abzeichnete, dass der Ninja sich in der nächsten Zeit wieder beruhigte, beschloss ich das Weite zu suchen, bevor die Situation noch peinlicher wurde, als sie sowieso schon war. „Ich gehe dann mal, man sieht sich. Grüße an den Langschläfer wenn er aufwacht“, murmelte ich und hob, immer noch mit einem knallrotem Gesicht, die Hand als Abschiedsgruß. Während ich mich auf den Weg zum Hokageturm machte, führte ich mir vor Augen, was ich alles hätte sagen können, ohne mein Gesicht zu verlieren. Nimm es mit Humor, versuchte man mich aus meinem Inneren heraus zu beruhigen. 'Tu nicht so scheinheilig, ich kann ganz genau hören, dass du immer noch lachst.' Nach wie vor konnte ich meine Wangen brennen spüren und hoffte, dass ich genug Kraft hatte die Spötteleien über mich ergehen lassen zu können, die mich in der nächsten Zeit zweifelsfrei treffen würden. Natürlich hatte mein innerer Begleiter recht. Am klügsten war es, die ganze Sache nicht so ernst zu nehmen. Doch mein verletztes Ego war komplett anderer Meinung. Immerhin war es leicht zu sagen, etwas auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn man selbst nicht unmittelbar betroffen war. Izumos Gelächter klang mir immer noch in den Ohren und verfolgte mich wie ein übler Fluch. Seufzend blieb ich vor einem Laden stehen und legte mir meine Hände über das Gesicht. Sie fühlten sich angenehm kühl auf meiner heißen Haut an und ich wollte gar nicht wissen wie ich aussah. Sicherlich schlimmer als Iruka am frühen Nachmittag. Es war einfach nur furchtbar peinlich gewesen und in mir führte mein Ego noch immer einen erbitterten Kampf mit der Vernunft um die Vorherrschaft meiner endgültigen Meinung. Eher mäßig interessiert warf ich einen Blick auf die Auslage des Geschäfts und blieb daran hängen. Der Laden führte ausschließlich Masken der verschiedensten Art. Viele erinnerten mich an die Tiermaske die Tenzou getragen hatte. Neben Katzengesichtern gab es auch Nachbildungen von Hunden, Vögeln und Amphibien. Als besonders interessant empfand ich die Noh- und Dämonenmasken die an einer anderen Wand befestigt waren. „Kann ich dir helfen? Ansonsten würde ich den Laden jetzt schließen“, erklang eine Stimme neben mir. „Was ist das für eine Maske?“ Ich zeigte auf eines der verzerrten Gesichter. „Das ist eine Hannyamaske“, erklärte der Verkäufer während er mir die leichte Holzschale reichte. Der Mann mochte um die vierzig sein und machte ein freundliches Gesicht. „Es heißt, die Hannya war einmal eine wunderschöne junge Frau bis ein Dämon von ihr Besitz ergriffen hat und sie sich von einer sanftmütigen Person in ein Blut trinkendes Ungeheuer verwandelt hat. Gefällt sie dir?“ „Irgendwie schon“, gab ich zu und lächelte ihn schüchtern an. Ich musterte das hölzerne Gesicht, dass mich aus meiner Hand heraus anstarrte. Der obere Teil des Gesichtsschädels, an dem sich die Augenbrauen befanden, war unnatürlich ausgeprägt und verdeckten zu einem guten Stück die Augenhöhlen. Ein Ausdruck unendlicher Traurigkeit. Der Mund hingegen war zu einem grausamen Grinsen verzogen und zeigte dabei zwei Reihen spitzer Fangzähne. „Sie ist schön, aber auch irgendwie unheimlich. Das klingt merkwürdig, oder?“ „Nein“, meinte er lachend. „Das ist im Grunde die Natur der Maske.“ „Wie viel soll sie denn kosten?“ Ich begann in meiner Tasche nach dem Geld zu suchen, dass ich aus Gewohnheit immer hineinstopfte, wenn ich zu faul war, meine Geldbörse hervorzuholen. „Gar nichts. Ich schenke sie dir. Ihr beide seht euch irgendwie ähnlich.“ „Wie bitte?“ Mir klappte die Kinnlade herunter. Das warme Gefühl in meinem Gesicht war wie weggeblasen. Hatte dieser Mann mir soeben gesagt, dass ich wie ein Blut trinkendes Monster aussah? Ungläubig starrte ich ihn an, in der Hand immer noch das Geld, welches ich soeben aus meiner Hosentasche gezogen hatte. Dem Verkäufer schien indessen ebenfalls aufgefallen zu sein, dass seine Äußerung nicht gerade optimal bei mir angekommen war. Aufgeregt fuchtelte er mit den Händen in der Luft herum und versuchte die Lage noch irgendwie zu retten. „Du siehst der Frau aus der Legende ähnlich, nicht dem Dämon. Ich bitte vielmals um Entschuldigung!“ Wenig überzeugt nickte ich ihm zu und legte ein paar Scheine auf den Tresen. „Ich hoffe das reicht für die Maske. Tschüss“, sagte ich kühl. Der Typ hatte bei mir eindeutig verspielt. Während ich mich nun weiter in Richtung des Verwaltungsgebäudes bewegte betrachtete ich noch einmal die Holzschale in meiner Hand. Wenn die Mimik auch nichts menschliches mehr hatte, war sie doch irgendwie lebendig. Das Material war in einem Karamellton lackiert worden. An der Stelle wo sich die Pupillen befanden, waren kleine, kreisrunde Aussparungen. Der Rest der Augäpfel war in einem gelblichen Weiß und nur die Lippen zeigten einen Hauch rosa. Ich schüttelte mich, als ich von einem Schauer erfasst wurde. Das Gesicht war in der Tat wirklich faszinierend, gleichzeitig allerdings auch gruselig. Seufzend sah ich in den Himmel und kam nicht umhin den leuchtenden Sonnenuntergang zu bewundern. Im Gegensatz zu meiner Laune, die sich mittlerweile auf einem absoluten Tiefpunkt befand, strahlte dieser wie eh und je. „Heute ist echt nicht mein Tag“, murmelte ich. Fast erwartete ich eine Bemerkung aus meinem Kopf, doch es blieb erfreulicherweise still. Als ich schließlich an der Residenz des Hokages ankam, war die Dämmerung soweit vorangeschritten, dass die ersten Laternen mit einem mechanischem Surren ansprangen. Vor der Eingangstür standen zwei Shinobi, die ich nicht kannte. „Guten Abend. Kann ich den Hokage sprechen? Es ist wichtig.“ Freundlich, aber bestimmt schüttelten sie ihre Köpfe. „Leider nein, der Hokage darf nicht gestört werden.“ „Wann könnte ich denn zu ihm?“ Startete ich einen weiteren Versuch. „Das können wir dir leider nicht genau sagen, aber für die nächsten zwei Tage haben wir die Anordnung niemanden in das Gebäude zu lassen.“ Überrascht runzelte ich die Stirn. „Und wo finden dann die Anmeldungen für die Chunin-Auswahlprüfungen statt?“ Meine Hartnäckigkeit schien den einen zu amüsieren, den anderen zu nerven. Erfreulicherweise war es der Erstere der mir darauf antwortete. „Das wurde in die Akademie verlegt. Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?“ Höflich verneinte ich und wünschte den beiden Wächtern eine gute Nacht. Was nun? 'Ich weiß es nicht“, ratlos starrte ich hinauf zu dem Zimmer, in dem sich sonst Hiruzen aufhielt. Heute jedoch war es unbeleuchtet und abweisend. Wie von selbst setzten sich meine Füße in Bewegung und bevor ich selbst richtig verstand, wohin ich ging, wurde ich aus meinem Inneren heraus aufgeklärt. Homura und Koharu. Die beiden waren immerhin die Dorfältesten und selbst, wenn sie mich nicht mochten, nahmen sie doch die Sicherheit des Dorfes sehr ernst. Zweifel an meiner Idee überkam mich erst, als ich vor der Tür stand, zu der ich für gewöhnlich ihre Briefe brachte. Von außen hatte ich erkennen können, dass noch Licht brannte. Zögernd klopfte ich an und wartete darauf, dass man mir die Tür öffnete. Eine ganze Weile passierte gar nichts, so dass ich ein weiteres mal klopfte. Es bestand immerhin die Möglichkeit, dass sie mich nicht gehört hatten. Es vergingen weitere Minuten, bevor aus dem Inneren Schritte zu hören waren. Leider war es Homura, der mir öffnete und sofort wünschte ich mir, doch lieber zwei Tage gewartet zu haben um es noch einmal beim Sandaime zu versuchen. Der alte Mann brauchte einen Moment bis er mich in dem diffusen Licht ausmachen konnte. Erst überrascht, dann misstrauisch und schließlich mit einem Ausdruck offener Abneigung musterte er mich. Ich fragte mich ernsthaft, was ich verbrochen hatte, dass er mich so verachtete. „Was willst du?“ „Eine Meldung machen.“ „So? Dann mach deine Meldung.“ „Ich habe durch Zufall zwei Ninjas belauscht, die nicht aus diesem Dorf sind und sich merkwürdig verhalten haben.“ So genau wie möglich schilderte ich dem Goikenban was ich gesehen, gehört und von Izumo erfahren hatte. Nachdem ich geendet hatte herrschte unangenehme Stille. „Hast du es dem Hokage schon erzählt?“ „Nein, er ist beschäftigt, daher bin ich hierher gekommen.“ „Gut, dann belästige ihn auch nicht mit dem Unsinn.“ Ich konnte mich gerade noch daran hindern, dass mir die Kinnlade ein weiteres Mal an diesem Tag herunterfiel. „Verzeihung?“ „Der Sandaime hat genug mit den Vorbereitungen der Auswahlprüfung zu tun. Er hat keine Zeit sich auch noch um deine Hirngespinste zu kümmern“, hochmütig versuchte er sich ein wenig zu strecken um auf mich herunterblicken zu können. „Was du im Wald gehört hast, waren lediglich zwei Genin die sich über die Prüfungen unterhalten haben.“ „Aber-“ „Nichts aber. Konoha hat mit allen anderen Dörfern ein Friedensabkommen. Sie so unverschämt eines Komplotts zu beschuldigen kann für dich schwerwiegende Konsequenzen haben. Und wahrscheinlich glaubt dir der Hokage auch noch und gefährdet damit die diplomatischen Beziehungen“, er schnaubte. „Unsere besten Jōnin und Chūnin sichern das gesamte Areal ab und überwachen die Anwärter, meinst du nicht, dass sie viel eher davon wüssten, als du?“ Noch immer sprachlos starrte ich ihn an. Für Homura jedenfalls schien damit alles gesagt zu sein und ohne ein weiteres Wort schlug er mir die Tür vor der Nase zu. 'Na los sag es schon', brummte ich vor mich hin, als ich einige Minuten später wieder auf die Straße trat. Was soll ich sagen? 'Das du recht hattest.' Ich glaube nicht, dass ich mich darüber wirklich freuen kann. Er war wirklich mehr als nur unhöflich zu dir. Ich warf einen Blick auf die Maske in meiner Hand. Zu gern hätte ich sie aufgesetzt und den beiden eingebildeten Säcken gezeigt, was ich von ihnen hielt. Ich rauchte innerlich vor Zorn, denn mit so viel Ignoranz war man mir schon lange nicht mehr begegnet. „Was haben die beiden nur für ein Problem mit mir“, murmelte ich vor mich hin und blieb unter einer Laterne stehen. Über mir kreisten unzählige Mücken und Motten um das fahle Leuchtmittel. Da es mittlerweile dunkel war, schienen die Straßen wie ausgestorben, nur in einiger Entfernung hörte man hin und wieder ein verhaltenes Lachen aus dem Bereich der Kneipen und Restaurants einige Straßen entfernt von mir. Doch ich hatte den Umweg durch die Wohnviertel bewusst gewählt, konnte ich doch den Anblick von fröhlichen Mitbürgern im Augenblick nicht ertragen. Sie gehören sicher zu der Sorte Menschen, die jeden erst ein mal für minderwertig halten. Und je mehr du dich beweist, desto mehr wirst du von ihnen anerkannt , mutmaßte es in mir. 'Ich habe wahrscheinlich einfach doppelt verschissen', dachte ich bösartig.'Weil ich nicht nur kein Ninja bin, sondern auch noch ein dahergelaufener Flüchtling.' Das könnte zumindest der Grund sein, wieso sie dir gegenüber misstrauisch sind. Frustriert nahm ich einen Stein vom Boden auf und warf ihn mit aller Kraft in eine dunkle Gasse hinein. Der Aufschlag klang unnatürlich laut in der sonst friedlichen Umgebung. Leider half mir dieser Ausbruch überhaupt nicht weiter. Ich überlegte ob ich nicht vielleicht nach Hause gehen sollte, doch mir war klar, dass ich zu aufgebracht war um dort die Ruhe zu finden die ich brauchte. Ziellos lief ich durch die Gassen und landete schließlich vor einer Kneipe. Von drinnen hörte ich lautes Gelächter und tiefe Stimmen, einige davon nicht mehr ganz nüchtern. Wenn ich meinen Ärger schon herunter schlucken musste könnte ich das doch sicher auch mit einem alkoholischen Getränk tun. Der Laden war ziemlich verqualmt und es roch nach dem, was ich draußen gehört hatte: Alkohol und Mann. „Was darf es sein?“ Bockig wie ich war, würdigte ich dem Mann hinter dem Tresen kaum eines Blickes. „Was habt ihr denn?“ Fragte ich zurück, als ich mich direkt auf einem Hocker vor der Theke niederließ. „Alkoholisch oder Nicht-alkoholisch?“ Ging der Schlagabtausch weiter. Ohne auch nur den Mund aufzumachen hob ich eine Augenbraue und beließ den Rest meines Gesichts in absoluter Ausdruckslosigkeit. „Sake, Bier und Schnaps“, lachte er. „Dann nehme ich Sake. Den Rest kenne ich schon.“ „Dafür siehst du aber noch ziemlich nüchtern aus.“ Genervt musterte ich ihn. Er war noch recht jung, vielleicht um die Mitte zwanzig, mit kurzen schwarzen Haaren und einem fröhlichen Ausdruck auf dem Gesicht. Er versuchte mich aufzumuntern, weswegen ich die unfreundliche Bemerkung die mir auf der Zunge lag, wieder herunter schluckte. Es wäre zugegebenermaßen nicht sonderlich fair, meine miese Laune an dem Barkeeper auszulassen. „Ich habe noch nie Sake getrunken. Heute will ich mal etwas neues ausprobieren. Ich fühle mich richtig abenteuerlustig.“ Als Ergänzung zu meiner monotonen Stimme hob ich meine Hand und tat so, als ob ich mit einem Lasso etwas hinter dem Mann fangen wollte. Es war zwar nicht sonderlich witzig oder geistreich, aber dafür war ich auch gerade nicht in der richtigen Stimmung. Mit einem breiten Grinsen wandte sich der Kellner ab um mir das Verlangte zu holen. Während ich auf den Reiswein wartete fuhr ich mir durch die Haare und drehte eine Strähne zwischen meinen Fingern. Die brennende Wut war mittlerweile zwar verraucht doch das betrübte Gefühl war immer noch da. Unauffällig sah ich mich in der Bar um. Mit seinen holzvertäfelten Wänden und schmalen Nischen hatte es etwas rustikal-gemütliches. Die einzelnen Sitzbereiche waren durch Holzwände voneinander abgetrennt, so dass es ein wenig Privatsphäre an jedem Tisch gab. Mit etwas Belustigung, kam mir in den Sinn, dass es wohl kein Ort wäre, an den Frauen gerne kamen um ein wenig zu Tratschen. Alles hier drin schien auf männliche Kundschaft ausgelegt zu sein. Nach weiblichen Charme suchte man vergeblich. „Hier bitte, dein Sake“, der junge Mann stellte mir augenzwinkernd eine kleine Porzellanflasche und eine Trinkschale vor die Nase. „Harter Tag?“ „Beschissener Tag“, bestätigte ich und kam mir dabei vor wie ein alter Mann, der nach einem Tag auf den Feldern seinen wohlverdienten Absacker nahm. Bei dem Gedanken verzog ich das Gesicht, unschlüssig darüber ob dieser nun eigentlich lustig oder eher traurig war. Inzwischen hatte der Barmann eine zweite Sakeflasche hervorgeholt und auch eine weitere Trinkschale auf den Tresen gestellt. Er schenkte erst mir aus meinem Gefäß ein, dann sich selbst aus seinem. Ich ließ ihn Kommentarlos machen, da ich mir schlimmeres vorstellen konnte, als nicht allein zu trinken. „Muss ich irgendetwas beachten, wenn ich das trinke?“ Fragte ich. Lächelnd schüttelte der schwarz Haarige seinen Kopf und hob sein Schälchen in meine Richtung. „Kanpai!“ Ich tat es ihm gleich. „Kanpai.“ Der Geschmack des Getränks überraschte mich, denn er war klar und irgendwie fruchtig. „Und? Schmeckt er dir?“ Während er mich ansah, schenkte er uns beiden nach. Ich nickte, während sich in meinem Bauch ein wohlig warmes Gefühl ausbreitete, das die doch kühle Temperatur des Getränks Lügen strafte. „Ist es normal, dass der Wirt mit den Gästen trinkt?“ Er lachte. Es war angenehm tief und ziemlich ansteckend. Oder es war bereits der Alkohol der mir zu Kopf stieg. Genau konnte ich das nicht sagen. „Nun, es ist schlimm, wenn der Kellner während der Arbeit trinkt“, er zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Aber noch schlimmer ist es, eine Frau alleine trinken zu lassen.“ Ich lächelte und hob ein weiteres Mal meine Schale. „Na dann: Kanpai.“ „Kanpai.“ Drei Porzellanflaschen später trat ich wieder aus der Kneipe auf die Straße hinaus. Schon beim aufstehen hatte ich gemerkt, dass Sake eine ziemlich trügerische Angelegenheit war, aber auch dem Wirt erging es nicht besser. Ich wusste zwar nicht, wie viele Umdrehungen der Reiswein hatte, aber der Mann, der sich mir irgendwann als Akio vorstellte, vertrug ihn noch schlechter als ich. Am Ende hatte er sich so unauffällig wie möglich an der Theke festgehalten und hatte darauf beharrt nicht im mindesten betrunken zu sein. Ich kicherte. Du bist angetrunken, urteile es streng in meinem Kopf. 'Jupp. Lass mich doch.' flötete ich fröhlich zurück. Beschwingt hüpfte ich eine Straße weit, bevor sich in meinem umnebelten Kopf das Bild einer erwachsenen, hüpfenden Frau materialisierte. Schnell sah ich mich um, ob mich jemand beobachtete, doch weit und breit war niemand in Sicht. 'Siehst du? Sieht keiner!' Mit beschwingtem Schritt lief ich weiter und ignorierte erfolgreich den kleinen Teil in meinem Inneren, der hoffte, dass ich wirklich dort ankam wo ich hin wollte: nämlich nach Hause. Doch auch wenn mein Gehirn in einem glückseligem Nebel feststeckte, war doch zumindest noch auf meine Füße Verlass, die sich offenbar an den Weg erinnerten. Vor meiner Wohnungstür brauchte ich ein paar Anläufe um das Schlüsselloch zu finden. „Ahh Genma, nun weiß ich wie es dir ging... ganz schön flink das Wiesel“, grinste ich. „Ist aber auch blöd, dass es hier kein Licht gibt.“ Fahrig pfefferte ich meine Schuhe in eine Ecke, als ich es endlich geschafft hatte mir Zutritt zu meinem Apartment zu verschaffen. Überrascht sah ich auf die Uhr. Es war noch nicht einmal elf Uhr. Mein Blick wanderte weiter zu meinen Musikboxen und meinem Abspielgerät. Ich wollte Musik. Und das sofort und laut. Buch und Maske warf ich achtlos auf das Bett. Mit fahrigen Bewegungen verband die beiden Geräte mit einem Linkkabel und stellte die Musik auf eine ordentliche Lautstärke. Der Bass brach einen Augenblick später durch die kleine Anlage und überflutete mich. Ein merkwürdiges Glücksgefühl stieg in mir auf während ich darauf wartete, dass der Text begann. Ich griff nach den Knöpfen meiner Bluse während die erste Zeile in meinem Kopf wieder hallten: 'Du bist eine Frau, die mich reizt, eine Frau, die nicht mit ihren Reizen geizt..' Mit einem Sprung imitierte ich das Schlagzeug und riss mir den Stoff von den Schultern. Während ich mich weiter rhythmisch zu dem Lied auszog, schrie ich ungehemmt den Text mit. „Ich wünsche mir eine Frau, bei der alles passt, bei der sogar der liebe Gott vor Neid erblasst.... Du bist eine Frau, die mich kleidet, eine Frau, um die mich jeder Mann beneidet.“ Atemlos musterte ich mich einen Augenblick in dem Standspiegel. Wenn ich auch breiter und größer gebaut war als alle zarten Frauen in diesem Dorf, hässlich war ich nicht. Vielleicht auch nicht außergewöhnlich schön, aber wenigstens nicht komplett unansehnlich. Ich dachte an den Barkeeper aus der Kneipe. Auch, wenn ich es nüchtern niemals zugeben würde, hatte ich doch die Aufmerksamkeit genossen, die mir Akio geschenkt hatte. Es war das erste Mal nach all den Jahren, dass ich mich selbst wieder als Frau wahrnahm. Gleichzeitig spürte ich mein schlechtes Gewissen. Obwohl ich nichts schlimmes getan hatte, kam es mir doch vor, als würde ich Kristan verraten. Unwillig schüttelte ich meinen Kopf und verscheuchte somit die deprimierenden Gedanken. Mit den nächsten Bässen entledigte ich mich meines T-Shirts und stand nur noch in Unterwäsche gekleidet in dem Zimmer. Als mir eine neue Idee kam. Überall war polierter Holzfußboden und meine Socken trug ich noch. Mit einem freudigen Grinsen drehte ich die Musik noch ein Stück weiter auf, sicherlich würden die Nachbarn sich jeden Moment beschweren, aber die paar Minuten würden schon keinem wehtun. Ich stellte mich an das eine Ende meines sowieso kurzen Flurs und wartete auf mein Stichwort. „Du bist meine perfekte Droge. Du, du machst mich frei!“ Ich nahm Anlauf und schlitterte mit einem Jauchzen über den Boden. An der Tür zu meiner Küche hielt ich an und ließ mich lachend auf den Boden fallen. Schnell rappelte ich mich auf, als das Lied zu Ende war und das nächste Stück begann. Aber ich fand, dass meine Mitmieter genug unter meinem Musikgeschmack gelitten hatten und tanzte zu den Boxen um die Lautstärke herunter zu drehen. Ein merkwürdiges Prickeln auf meiner Haut veranlasste mich nach oben und durch das Fenster zu sehen. Ein unheimliches Gesicht starrte mich durch das Glas an, der Hannyamaske nicht unähnlich. Ich begann zu schreien, bevor ich mir die Hände vor den Mund schlagen konnte. Auf meinem Fensterbrett saß niemand anderes als Tenzou. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)