Das Lied im Automaten von pandine ================================================================================ Kapitel 21: Neue Zeichen ------------------------ Alyne seufzte. Sie zählte die Nächte nicht, die an ihr vorbeizogen, denn sie bemerkte sie schlichtweg nicht. Sie streunte durch den Wald, legte sich manchmal zur Ruhe, schlief ein und wachte auf, doch alles sah so aus wie vorher. Schlief sie einfach zu lange? Davon abhalten konnte sie sich jedenfalls nicht, regelmäßig nickte sie inmitten des weichen Grases ein, inmitten der sanften Brise und den streifenden Gedanken, die rastlos waren. Sie dachte in diesen Tagen viel nach. Auf einmal konnte sie nachvollziehen, warum Feliff – erstaunlicherweise ergab sich ihr der Name wieder, doch sie wusste nicht, warum sie ihn vergessen hatte – so geworden war, wie er war. In diesem Wald bekam man über kurz oder lang das Gefühl, dass Zeit keine Rolle spielte und Gedanken waren zumeist das Einzigste, womit man sich beschäftigen konnte. Man konnte unendlich lange nachdenken, ein richtiges Gefühl von Zeit wurde einem nicht vermittelt. Als wäre man in Endlosigkeit gefangen. Das Hauptthema, um das ihre Gedanken kreisten, war meistens der Baum, die Frucht, das Lichtwesen, die Welt und ihre eigene Rolle darin. Sie glaubte der Lichtgestalt nicht. Mit jedem weiteren Gedanken, der verstrichen war, kam es ihr unwirklicher vor. Unwirklicher und unwirklicher, es schien ihr wie ein Traum. Es konnte nicht sein, dass sie etwas Besonderes war. Obwohl dieses Denken nicht zu ihr passte, konnte sie nichts dagegen tun. Denn wenn man etwas schon fast täglich zu hören bekommt, nimmt man es irgendwann einfach an. Und anstatt sich an diese Leine an diesen schönen Glauben zu klammern, möchte man doch viel lieber noch tiefer sinken, nicht? Nein. Doch Alyne war sich unsicher und sie wusste einfach nicht, wo sie stand. Ihr ganzes Leben war seit der Begegnung mit dem reinblütigen Elf komplett umgeworfen worden. Nun konnte sie die Scherben sehen, die ihr altes Leben gebildet hatten. Fein säuberlich aufgereiht lagen sie doch vor ihr, gedanklich in ihrem Kopf verstreut. Sie musste sie nur neu zusammensetzen, oder? Zögernd sah sie den Bach vor sich an, der immer noch im Licht glitzerte und dieses funkelnd reflektierte. War es wirklich so einfach? Vielleicht. Gedankenverloren hielt sie eine Hand in das kühle Nass, ihre Fingerspitzen durchbrachen die Wasseroberfläche. Wenn es so einfach wäre, wäre es schön. Wirklich schön. Sie beobachtete das Wasser dabei, wie es von einem Punkt zum anderen floß. Die Durchsichtigkeit des Wassers ließ sie an das Mädchen in der Frucht denken. Wieso es wohl dort war? Die Erinnerung daran rief in ihr einen Wunsch wach, von dem sie nicht einmal geahnt hatte, dass er existieren würde. Wie schön es wäre, das Mädchen noch einmal zu sehen. Unmöglich war es nicht. Zwar sah alles in diesem Wald irgendwie gleich aus, doch sie würde es doch schaffen, dorthin zu gelangen, oder? Vielleicht war die Lichtgestalt ja auch da und konnte ihr ihr Schwert wiedergeben, dass sie immer noch nicht wieder erhalten hatte. Und was es mit dem Monster nun auf sich hatte, traute sie sich gar nicht wirklich zu fragen. Eine einzige, klare Antwort zu erhalten wäre schon schwer genug. Voller neuem Tatendrang hievte sie ihren Körper hoch und schüttelte ihre eingeschlafenen Glieder durch. Das Kribbeln ignorierte sie, während sie in die Richtung ging, in der sie einmal dem Licht gefolgt war. Vielleicht würde ein kleiner Besuch bei dem riesigen, wahrscheinlich uraltem Baum ihre Gedanken auf eine richtige Spur bringen. Es wäre jedenfalls zu wünschen, denn sie wusste einfach nicht wohin mit sich. Manchmal dachte sie doch daran, dass es so viel einfacher wäre, wenn sie einfach die Wahrheit des Lichtwesens annahm. Darüber dachte sie jedoch nicht nach, als sie die Strecke ging. Ihre Augen und Beine orientierten sich an verschiedenen Gesichtspunkten der Umgebung, hier ein Stein, dort ein Baum mit Moos. Es erstaunte sie, wie zielstrebig und sicher sie diesen Merkmalen folgte, ohne zu zweifeln, ob der Weg der Richtige war. Doch andererseits war es doch immer ihre Natur gewesen, so zu handeln. Sie seufzte. Es war wirklich viel zu kompliziert, viel nachzudenken. Es entsprach doch eigentlich nicht ihrem Wesen, doch diesen Gedanken unterbrach sie abrupt. Sie sollte mal wieder intuitiver werden, das war ja schrecklich! Sie war ja schon ein richtiger Zweifler geworden. Entschlossen verfolgte sie den Weg und verdrängte jeden Gedanken, der dem Ziel, den Baum zu erreichen, nicht dienlich war. Ihre Augen fixierten den Weg vor sich, nichts Anderes. Irgendwann war sie auch wieder dazu übergegangen, ihre Konzentration auf ihren Körper zu lenken. Bewusst koordinierte sie ihre Arme, Beine, alles. Mit größter Sorgfalt führte sie Bewegungen aus, steckte mal mehr, mal weniger Kraft in einen Schritt. Nun wieder vollkommen in ihrem Training versunken, fuhr sie ihren Weg fort, nicht auf ihre Umgebung wirklich achtend, nur einer inneren Intuition folgend. Wenn sie falsch lag, lag sie eben falsch. Dann würde sie eben einen anderen Weg probieren, irgendwann kam sie ja wohl an. Ja, das klang wirklich viel mehr nach ihr. Mit einem zufriedenem Lächeln setzte sie ihren Weg fort, immerzu dem Ziel entgegen. Sie merkte kaum als der Wald sich vor ihr lichtete und sie den Blick auf einen ihr schon bekannten Stamm bekam. Erst, als sie vor den ersten Wurzeln stand, richtete sie ihren Blick in die Ferne, weg von sich selbst. Eine Welle des Stolzes unterdrückend setzte sie ihr Training mit den Wurzeln fort. Sie sprang, sie hüpfte, sie kletterte. Es war wie beim ersten Mal, als sie noch mit Nirom Eruaf hier gewesen war. Es wirkte alles gleich. Der eigentümliche Baum, der sanfte Regen der verwelkten Blätter, den sie erst jetzt so richtig bemerkte, und die Geräusche. Diese Stille, die doch mit dem Rauschen des Windes erfüllt war. Ein wahrlich friedlicher Ort, genauso wie der ganze Wald. Alyne hielt einen Moment lang in ihrer Bewegung inne, sie hatte schon die Hälfte des Weges geschafft. Eine kleine Pause, um das durch die Baumkrone fleckenhaft auf den Wurzelboden scheinende Licht zu genießen. Sie hatte noch nie bemerkt, wie sehr sie Frieden liebte. Und dieser schien momentan bedroht, flammte es in ihrem Kopf wieder auf. Das Schattenwesen... es schien sich zu regen. Es stand etwas bevor. Und sie sollte eine Schlüsselfigur sein? Wieder erschien es ihr einfach nur lächerlich, unwirklich. So unreal. Sie passte doch überhaupt nicht in dieses Bild einer Heldin, die die Welt rettete. Wieder unterbrach sie ihren Gedankengang. Schließlich war sie wegen etwas Anderem gekommen. Entschlossen machte sie sich an den weiteren Weg, der ihr noch bevorstand, ehe sie den Stamm erreichen würde. Hoffentlich kam sie überhaupt rein, dachte sie auf einmal. Es würde schon gehen, beruhigte sie sich aber schnell. Wesentlich war momentan, dass sie überhaupt da ankam. Mit stillschweigender Ruhe überwand sie den Rest des Weges, es kam ihr sogar vor, dass sie dieses Mal schneller vorankam als das letzte Mal. Bildete sie sich das nur ein? Vielleicht hatte sie ja Übung bekommen, doch nach einem einzigen Mal schien ihr das etwas unrealistisch. Egal, nun stand sie also endlich vor dem Stamm. Sie zögerte nicht lange, sondern streckte ihre Hand nach dem warm pulsierenden Holz aus. Mit etwas Druck ließ es sie durch. Es war alles wie beim letzten Mal, außer der Tatsache, dass sie diesmal alleine war. Wieder empfing sie diese allumfassende Wärme, als ihr ganzer Körper in den Stamm eintauchte. Nun war sie mehr oder minder auch auf das gewappnet, was danach kommen würde. Als sie die Augen öffnete, erbot sich der gleiche Anblick wie zuvor. Die Lichter flogen in unermüdlichen Bahnen ruhig um ihr Zentrum, dem sanften Glimmen des Mädchens. Behutsam stieg sie hinab, zu dem Mädchen in der Frucht hin. Mit jedem weiteren Schritt fiel es ihr unheimlich schwer, ihre Schritte zu zügeln und nicht loszurennen. Es war, als würde einer sie von hinten schieben und ein anderer sie von vorne ziehen. Sie stolperte angetrieben durch diesen Druck, den sie spürte, mehr schlecht als recht über den unebenen Boden, verwirrt und gleichzeitig mit einem vor Aufregung pochenden Herzen. Als sie schließlich angekommen war, hielt sie inne und betrachtete das friedlich schlafende Gesicht des Mädchens still. Es war ein wirklich schönes, junges Mädchen. Das Leuchten ihres Haares schien unwirklich, genauso wie das pulsierende Glimmen, welches sie umgab. Generell wirkte dieser Ort unwirklich warm, hell. Geborgen. Ja, das war wohl der passendste Ausdruck dafür. Sie fühlte sich an diesem Ort geborgen. „Du hast es gut, an so einem Ort aufzuwachsen...“, entfuhr es Alyne sehnsuchtsvoll. Sie sah sich mit nachdenklichem Blick um, nahm die warmen Farben in sich auf, ebenso wie das sanfte Licht. „Aber weißt du, wenn du immer nur so da liegst, bringt dir dieser Anblick auch nicht viel.“ Sie zögerte noch ein wenig, ehe sie ihre Hand einem Impuls folgend nach der Frucht ausstreckte. Ihre Fingerspitzen berührten die erstaunlich weiche und zarte Haut der Frucht, in die das Mädchen eingeschlossen war. Sie strich sanft mit ihren Fingerspitzen über die Frucht, ihre Augen waren zärtlich dem Mädchen zugewandt. Wie gerne sie sehen würde, wie es wuchs und mit anderen spielte, das Leben kennen lernte und sich vielleicht auch verliebte. Doch war das überhaupt möglich? Sie erinnerte sich an das, was die Lichtgestalt gesagt hatte. Sie sollte ihr dabei helfen, ihre Schwester endgültig zu besiegen. Das hieße, dass sie das niemals würde erleben können, oder? Ihre Hand wanderte zu dem Punkt, wo es so schien, als ob sie die Wange des Kindes berühren würde. In ihr waren mütterliche Gefühle erwacht, die sie so noch nie gekannt hatte. Konnte man einem Kind wirklich solche Dinge zumuten? Sie wusste es nicht, doch als sie anfing zu singen, war ihre Stimme nicht unheilvoll oder traurig. Sie sang das Lied, welches ihr plötzlich wieder in den Kopf gekommen war. Ruhig wechselte sich eine Note mit der anderen ab, beruhigend und sanft war die Melodie, in der ein alt klingender Text eingebettet war. Dieses eine Lied, welches ihre Eltern so geliebt hatten und welches der Auftakt dieser Reise gewesen war. Vielleicht war sie ja endlich am Ziel angekommen. Es war derselbe Tag, an dem Chael in der Morgendämmerung im Dorf ankam, an dem er auch empfangen wurde. Man stellte ihm in seinem Zimmer in einer kleinen, aber feinen Holzhütte am Rand des Dorfes Wechselkleidung zur Verfügung. Feine Seide aus elfischer Machart mit ebenso verschnörkelten und detailverliebten Mustern in schwacher Goldfarbe. Er fuhr sich noch einmal mit dem goldenen Kamm durch seine kurzen, dunkelbraunen Haare und besah sich kritisch im Spiegel. Sein Erscheinungsbild müsste passen. Zwar waren seine Gesichtszüge im Vergleich zu Elfen ein wenig plump, sein Haare zu matt und seine Haut zu unrein, doch das sollte ihn nicht stören. Wenn alles glatt verlaufen würde, würde er diese Bürde des Menschseins sowieso hinter sich lassen. Es war nur eine leidige Miterscheinung, nichts weiter. Ein Zustand, der vergehen würde, er musste nur Geduld haben. Doch nun galt es, die Herrschaften nicht länger warten zu lassen. Sicheren Schrittes schritt er einfach durch das Elfendorf. Ihm wurde keinerlei Beachtung geschenkt, man kannte ihn und respektierte ihn irgendwie auch. Man empfand ihn zwar als seltsam, doch die eigene Art so geschmeichelt zu sehen ließ viele doch milder werden. Während er auf dem Weg von der hintersten Ecke des Dorfes zum Zentrum dessen war, hatte er Zeit, sich noch einmal zu besinnen. Wobei es nichts gab, worüber er noch großartig hätte nachdenken können. Sein Vorhaben war wie in Stein gemeißelt, sein Wunsch klar und der Weg ebenso. Es gab nichts, worüber er sich hätte Sorgen machen müssen. Es war alles klar und ohne irgendeine Frage. Er verspürte auch keine Angst oder Nervosität, schließlich hatten die Elfen ihn akzeptiert. Das war ihm genug. Er erreichte schließlich den Baum, den er hoch erklimmen musste, um in den Saal zu gelangen, in dem die Audienz stattfinden würde. Endlich konnte er seinem Traum ein Stück näher kommen, ein wenig näher in Richtung Ewigkeit. Und bald würde er vollkommen sein. Die nachfolgende Audienz fand bei Tisch statt, es wurden Häppchen gegessen und ein wenig Wein getrunken. Die Besprechung erfolgte bei lockerer Stimmung, als wäre das Thema nicht von nationaler Bedeutung. Es ging um die Frage des nächsten Schachzuges. Die Spielfiguren waren platziert, einige sogar schon vorgerückt. Doch inwiefern sollte man sich nun weiter regen? In den Gesichtern der Elfen und des Menschens herrschte ein ausgelassener Ernst, als sie sich, schon etwas angetrunken, dieser Frage widmeten. Die Mehrheit befürwortete ein Sturmvorrücken, um die Rebellen zu fassen, ehe sie etwas unternehmen konnten. Man hörte in der Gegend vermehrt von Rebellenübergriffen und Regungen ihrerseits. Die meisten waren für eine sofortige Offensive. Die andere Seite war für ein Abwarten. Man konnte nicht wissen, was die Rebellen vor hatten und wann sie zuschlagen würden. Was, wenn diese nur darauf gewartet hatten? Man musste abschätzen, was in diesem Moment, in dieser Situation am vorteilhaftesten war. Und das war oft nicht auf den ersten Blick klar. Die Besprechung hatte am frühen Morgen begonnen und endete erst am späten Abend, aber immerhin hatten sie nun einen Beschluss. Man solle sich rüsten und gleichzeitig mehr Spione um das Gebiet verteilen. Auch war ihnen der Aufenthaltsort der Rebellen noch nicht bekannt, ein schwerwiegendes Problem. Dieses sollte so schnell wie möglich beseitigt werden. Chael selbst spielte eine wichtige Rolle bei den Informationen, wie zuvor die Jahre auch schon. Nachdem die Rede der Anführerin geendet war, war verstärktes Murmeln durch die Reihen gegangen und die Menge hatte sich in viele Kleingruppen zerstreut. Doch nun waren drei Tage vergangen. Die Anführerin der Rebellen wollte gerade einen Boten losschicken, der die beiden Hofelfen holen sollte, um sie in die Pläne einzuweihen, als sie mitten im Satz von einem auf die Lichtung stolpernden anderen Boten unterbrochen wurde. Sie eilte schnell zu dem atmungslosen, eher schmächtig wirkenden Rebellen, dessen Haar und Kleidung schweißverklebt war. Sie erkannte den Boten an seinem Gesicht, seiner dunklen Haut. Sie hatte ihn vor wenigen Tagen in der Nähe des Elfendorfes positioniert, wo auch der Elfenkönig sich aufhielt, um Informationen auf direkter Nähe erfahren zu können. „Was ist passiert?“, fragte sie mit sanfter, aber bestimmter Stimme. Ihre Stirn war zu Sorgesfalten verzogen. Sie konnte keine körperlichen Schäden sehen, doch in den Augen des Botens war nur die blanke Angst zu sehen. „D-di-die E-elfen...“, keuchte er, „sie ba-bauen eine Armee...“ Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie rief jemanden der umstehenden Rebellen her, der sich um den verstörten Boten kümmern sollte. „Alles wird gut“, versicherte sie ihm noch mit fester Stimme, ehe eine andere Rebellin sich um ihn kümmerte. Dann widmete sie sich einer anderen Frage zu. Die Nachricht, dass die Elfen seit Hunderten von Jahren wieder eine Kampfkraft aufbauten und sich regten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf. Und auch Erfline und Futave blieben nicht von dieser Botschaft ausgeschlossen. Durch das halb geöffnete Fenster drangen die lauten Stimmen zu ihnen hoch, die wirr durcheinander redeten. Sie hatten die Nachricht schon mit den ersten Sätzen vernommen, als sie beide auf dem Bett sitzend den Stimmen gelauscht hatten, um den Grund für die Aufregung herauszufinden. Nun stand Futave entschlossen auf und schloss das Fenster wieder, doch die Nachricht war angekommen. Erfline stützte ihren Kopf auf ihre Hände, sie fühlte sich unglaublich müde und schwach. War es denn nun wirklich passiert? Und was war nun mit dem Monster? Doch das spielte momentan auch keine Rolle mehr. Es gab nun ein viel, viel größeres Übel, das die beiden nicht miteinbezogen hatten. Ein endgültiger Krieg zwischen den Rebellen und den Elfen. Es blieb vermutlich nicht mehr viel Zeit, um das Blatt zu wenden. Erfline schluckte, als sie sich des Ausmaßes bewusst wurde, in das all das gehen konnte. „Futave. Du musst gehen.“ Die Worte kamen kratzig aus ihrem Hals heraus, unsicher wackelnd und wankend. Er nickte, doch wirkte ebenso besorgt. „Ich werde gehen. Kommst du klar?“, fragte Futave sie sorgvoll. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Mir geht es gut. Es ist alles in Ordnung.“ Im ewig dunklen Wald herrschte nur selten Licht, im Grunde nie. Inmitten der Dunkelheit waren Wesen gewachsen, die das Licht scheuten. Sie nährten sich aus der Dunkelheit, fraßen sie regelrecht und saugten sich mit der Finsternis voll. Sie lungerten an jedem Busch, der verrottete, an jedem Baum, der gerade noch lebte. Und inmitten dieser tierischen Welt, die eigentlich nur aus dem Gesetz des Stärkeren bestand, lebte noch jemand, der schon lange ein Bewohner dieses Waldes war. Ein Junge, der kaum älter als zehn wirkte. Von vermutlich kleiner, schmächtiger Gestalt, so genau sah man ihn in der Dunkelheit nicht, und mit tiefschwarzem Haar. Ausgestattet mit wachsamen Augen und einer besonderen Fähigkeit verbrachte er die Tage in Ainrafe damit, mit seinen Freunden, den Schattenbestien, zu spielen. Sicher bewegte er sich in der Dunkelheit des Waldes mit Augen, die dem Licht selbst abgeneigt waren. Ein Junge, der nur die Dunkelheit kannte. Inmitten dieser Einöde war auf einmal eine fremde Person gekommen. Ein Elf, wie er schloss, aus der Welt draußen, die böse war. Doch das, was seine Augen nun zum ersten Mal erblickten, faszinierte ihn ungemein. Licht. Es war nur das schwache Leuchten gewesen, dass von dem Elfen kurzzeitig ausgegangen und verschwunden war, doch es reichte, um das Interesse dieses Kindes zu wecken. Es wollte nicht verstehen, wieso seine Mutter, Faure Morin, ihn so schnell wieder wegzog. Doch er widersprach ihr nicht sondern gab ihr ein Versprechen, dass er das nie wieder tun würde. Weit gefehlt. Schon bei der nächsten Gelegenheit sprach er das Wesen mit dem komischen Licht an. Es blendete ihn, doch er ließ sich nichts anmerken. Es tat in seinen Augen weh, doch das zeigte er nicht. Er unterhielt sich mit dem komischen Wesen als wäre nichts, obwohl das Licht brannte und seinen Blick blendete. Und dann war wieder seine Mutter gekommen und hatte dieser Konversation ein abruptes Ende bereitet. Er streunte ein wenig im Wald herum, ehe er schließlich irgendwo im Schutze eines grobschlächtigen Wesens einschlief, welches, wie jedes der Wesen hier, seinen Schlaf bewachte. Als er wieder aufwachte, spürte er etwas Kaltes neben seiner Hand. „Guten Morgen“, sagte er und streckte sich, während er sich in eine sitzende Position brachte. Guten Morgen. Hast du gut geschlafen? Er wischte sich den Schlaf aus den Augen und nickte. „Ist irgendetwas Wichtiges los?“ Das Wesen schüttelte verneinend einen der Fühler, die sich in der Nähe seiner Hände befanden. Nein, nichts, wieso? „Es kam mir nur so vor. Wer ist dieser Fremde? Warum ist er hier?“ Der Junge sah das Wesen aus neugierigen Augen an, er wollte wissen, was nun endlich los war. Nun. Der Fremde ist niemand Besonderes, nur jemand, der sich bis hierhin verirrt hat, nichts weiter. Aber ich möchte dich trotzdem darum bitten, nicht einfach so mit fremden Leuten zu reden, okay? Eine angenehme Kälte legte sich um ihn, einer Decke nicht unähnlich. „Ist in Ordnung, Mutter.“ Erneut gähnte er. „Ich glaube, ich schlafe noch ein wenig.“ Mach das, mein Kleiner. Schlaf gut und meide diesen Fremden, okay? „Jaja...“ Erneut entfuhr ihm ein Gähner, er legte sich wieder hin und ließ sich in eine Welt gleiten, die vielleicht noch schwärzer als das ihn Umgebende war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)