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Sonnenuntergang am Meer

One-Shot Sammlung
von

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Sonnenuntergang am Meer

Einsam saß das Mädchen am Strand. Sie beobachtete wie die Sonne am Horizont verschwand und den Himmel in ein sanftes rot verwandelte. Es begeisterte sie jedes Mal wo sie dies sah und natürlich versuchte sie diesen Anblick so oft wie möglich zu sehen um es eines Tages besser beschreiben zu können oder um es eventuell irgendwie einmal zeichnen zu können, wobei ihre Zeichenkünste wohl eher einer Zeichnung von einem Kleinkind ähnelten.

Diese warmen Farben und der Anblick wie sich die Sonne im Meer spiegelte, erinnerte sie immer wieder an einen bestimmten Moment und an die Nähe von einer bestimmten Gestalt, welche sie erhoffte bald wieder zu sehen. Doch sie wusste nicht, wo sich diese Gestalt momentan aufhielt oder ob diese doch tatsächlich existierte und wenn ja, ob sie einen Namen trug.

Das Mädchen konnte sich erinnern, dass sie vor einiger Zeit im Meer schwimmen war, doch das Wetter veränderte sich. Ein starker Wind zog auf wodurch die Wellen immer stärker wurden. Natürlich versuchte sie dagegen anzukämpfen und sich über Wasser zu halten, doch irgendwann waren ihre Kraftreserven aufgebraucht. Die Wellen drückten den Körper des Mädchen nach unten bis es sein Bewusstsein verlor.

Das nächste woran sich das Mädchen erinnern konnte, war, dass sie auf etwas festem lag. Die Sonnenstrahlen bahnten sich durch ihre geschlossenen Augen, doch kurze Zeit darauf hatte etwas die Sonnenstrahlen unterbrochen. Sie versuchte ihre Augen zu öffnen, doch schaffte sie es nicht wirklich. Über ihr war etwas gebeugt, sie konnte nur die Umrisse erkennen und somit nicht sagen, wobei es sich hierbei handelte, es hätte ein wildes Tier sein können, welches sie im nächsten Moment fressen würde oder jemand, der sie im Meer gesehen hatte und somit sie dem sicheren Tod entrissen. Nur wenige Momente war sie bei klarem Verstand gewesen, um dieses zu bemerken bevor sie wieder bewusstlos wurde.

Wie viel Zeit genau vergangen war, konnte niemand sagen als das Mädchen wieder zu sich kam. Unsicher taste sie mit ihren Fingern um sich herum und merkte, dass sie auf Holz lag und sie mit einer Decke bedeckt war. Sogleich schlug sie die Augen auf und sah sich ein wenig um. Wo war diese Gestalt nun welche sie gerettet hatte? Langsam setzte sie sich auf mit der Angst, dass dies nur ein Traum war und sie doch eigentlich nicht mehr unter den Lebenden weilte.

Unsicher blickte sie ein weiteres Mal um sich herum, vielleicht hatte sie die Gestalt übersehen als sie dort lag. Doch dann fiel ihr Blick Richtung Meer. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie am Strand lag unter einem Felsvorsprung. Jemand hatte sie dort auf die Holzbretter gelegt und sie mit einer Decke warm gehalten. Es war noch finster und dennoch starrte sie Richtung Meer.

Einige Augenblicke fiel dem Mädchen auf, dass es dort heller wurde. Der Horizont wurde in solch sanfte Farben getaucht wie sie es zuvor noch nie gesehen hatte. Die Farben berührten ihr Herz und ohne es zu merken, hatte das Mädchen angefangen zu weinen während sie den Sonnenaufgang beobachtete. Jetzt hatte sie erst wirklich realisiert, dass sie gerettet war, dass sie nicht dort irgendwo am Meeresgrund lag und dies alles nur träumte. Sie dankte ihrem Retter und schwor sich, in Gedenken an ihn, jeden Sonnenuntergang mitzuverfolgen um so ihrem Retter ein wenig näher zu sein. Den Sonnenaufgang zu beobachten war ihr ein wenig zu früh, da sie doch gern ein wenig länger schlief.

Wie viel Zeit nun wirklich seit diesem Vorfall vergangen war, konnte das Mädchen bis heute nicht mehr genau sagen, sie wusste nur, dass sie es jedes Mal genoss, wenn die Sonne den Horizont und das Meer in diese wunderschönen Rottöne tauchte. Jedes Mal schlug ihr Herz in diesen Momenten schneller, da dies sie immer wieder an den Vorfall erinnerte.

Jeden Abend erhoffte sich das Mädchen ihren Retter einmal dort zu begegnen wo er sie zurückgelassen hatte, doch kam er leider nie. Tagtäglich wartete sie dort. Nie verließ sie diesen Ort und nie wandte sie ihren Blick von diesem Horizont ab. Es war immer das selbe Bild was sie dort vor sich sah, nie veränderte es sich.

Doch als sie eines Tages einen kleinen Moment wegblickte, merkte sie, dass es überall regnete und die Sonne bereits komplett untergegangen war. „Irgendwo weint ein Engel...“, flüsterte sie in diesem Moment während ihr die Tränen, wie damals, als sie den Sonnenaufgang das erste Mal sah, herunterliefen ohne das sie es merkte.

Plötzlich legte jemand seinen Arm um sie, doch sie konnte nicht sagen wer dies war. Sie spürte zwar den Arm um sich liegen, doch war wie gelähmt. „Komm, mein Engel... Es wird Zeit der Wahrheit ins Gesicht zu blicken...“, sagte ihr eine ruhige Stimme.

Das Mädchen begriff in diesem Moment, dass sie all die Sonnenuntergänge nie richtig gesehen hatte, sondern, dass dies eine Erinnerung von ihrer Vergangenheit war, welche man ihr immer wieder zeigte.

Sie blickte zu der Gestalt herum und sah dieser in die Augen. Dort konnte sie die Wahrheit sehen. Ja, sie war damals im Meer schwimmen gewesen, doch es hatte sie eigentlich nie jemand gerettet. Sie war damals nur nicht bereit mit dem Tod mitzugehen. Der Tod hatte sie eigentlich gerettet und beschützt vor der Wahrheit und sie somit noch einige Zeit hier verweilen lassen, damit sie es langsam begreifen würde. Doch leider hatte das Mädchen die Lügengeschichten und Träume, welche ihr der Tod gab für die Wahrheit gehalten, an welcher sie sich festhielt um die Tatsachen, welche bereits vor langer Zeit passiert waren zu ignorieren.

Freiheit

„Wirst du deine neu gewonnene Freiheit genießen?“, hatte mich meine Mitbewohnerin mit einem Lächeln gefragt als ich meine letzten Sachen abholte und somit auszog, anstatt ihr zu antworteten, stand ich wie versteinert da. Mit dieser Frage hätte ich nie gerechnet und somit konnte ich auch nicht direkt antworten. Stumm hatte ich mich umgedreht und war gegangen. Wie unangenehm mir dieser Moment doch war. Viele Jahre hatten wir zusammengelebt und nun, nun würde ich ausziehen, würde sie nie wieder sehen. Freunde waren wir nie geworden. Wenn wir in der Woche vielleicht zwanzig Minuten miteinander redeten war dies wirklich viel und eine seltene Ausnahme, welche vielleicht einmal im Jahr vorgekommen war. Normalerweise schwiegen wir uns an, ignorierten einander und lebten aneinander vorbei. Womöglich hatte mich genau deswegen diese Frage so sehr verwirrt und schockiert. Eigentlich war ich doch frei, obwohl wir zusammen wohnten. Oder etwa nicht?
 

Als ich vor einigen Jahren hier eingezogen war, hatte ich schon früh bemerkt, dass meine Mitbewohnerin etwas seltsam war. Sie hatte mich nicht mit einem Lächeln begrüßt und mir auch keinen Kaffee oder etwas angeboten. Damals hatte sie mir nur die Tür geöffnet um mich herein zu lassen um sich kurz darauf auf der Couch vor dem Fernseher fallen zu lassen. Genüsslich griff sie zur Chipstüte um sich eine Hand voll in den Mund zu schieben. Ihr Körper war nicht gerade sehr schlank, aber auch nicht gerade sehr fest, es war wohl eher so eine Art Mittelmaß. Vorgestellt hatte sie sich nicht, nicht einmal ein einziges Wort hatte sie in diesem Augenblick zu mir gesagt.

Ich schloss hinter mir die Tür und sah mich ein wenig in der Wohnung um. Es war zwar nicht gerade groß, aber immerhin war es schön eingerichtet. Die Küche und der Essbereich waren in einem Raum und in braun gehalten. Das Wohnzimmer war mit einer roten Couch, ein paar Kästen, einem Fernseher und diversen kleinen Krimskrams geschmückt. Die Couch wirkte auf mich einladend. Nur meine Mitbewohnerin verdarb mir diesen Anblick. Das Shirt hatte sie bis zu ihren Brüsten hochgeschoben, ihr Bauch schwabbelte ein wenig herum und die graue Jogginghose mit diversen Essensflecken waren auch nicht gerade sehr appetitlich. Das sie breitbeinig auf der Couch lag gab meinem Magen den Rest, welcher sofort anfing zu rebellieren. Ich musste wirklich mit mir selbst kämpfen, damit ich nicht gleich anfing mich zu übergeben. Gern hätte ich meinen Blick abgewendet, doch ich konnte es nicht. Es war faszinierend und ekelhaft zu gleich.

Verstehen konnte ich es nicht wirklich, wie man sich so gehen lassen konnte. Auch wenn sich niemand hier in der Nähe außer uns beiden aufhielt, so braucht man sich dennoch nicht so gehen lassen. Ich konnte nur ahnen, dass sie von ihrem Freund verlassen wurde oder das sie sich um ihr eigenes Aussehen kaum kümmerte. Womöglich war es ihr egal, was die anderen über sie dachten oder redeten.

Vorsichtig näherte ich mich der Couch. Irgendwie hatte ich Angst, dass sie mich anbrüllen oder anspringen würde, wenn ich ihr zu nahe kam. Doch nichts dergleichen passierte. Ihr ungepflegtes Auftreten machte mir ein wenig Angst. Sie war für mich in diesem Moment einfach unberechenbar, denn immerhin kannte ich sie auch nicht. Fremde Personen sind doch für einen immer unberechenbar, oder nicht? Vorsichtig setzte ich mich an das andere Ende der Couch und beobachtete sie heimlich im Augenwinkel. Ihren Blick hatte sie nicht von dem Fernseher gewandt.

Vorsichtig wandte ich meinen Kopf zu ihr um und fragte: „Wie heißt du eigentlich?“ Es vergingen einige Augenblicke bis sie ihre Hand hob und mir ihren Mittelfinger zeigte. Verwundert blickte ich sie an und fragte mich, ob sie wohl noch alle Tassen im Schrank hätte. Freundlichkeit war für sie womöglich wirklich ein Fremdwort. Für gewöhnlich wurde man nett begrüßt wenn man wo ankam und man stellte sich auch vor. Doch so etwas wie sie hier hatte ich bis zu diesem Tag noch nie erlebt gehabt. Vielleicht würde sie sich noch ändern, dachte ich mir, vielleicht braucht sie eine Weile bis sie auftaut.

Einige Tage waren bereits vergangen seitdem ich in diese Wohnung eingezogen war, an den Anblick meiner Mitbewohnerin hatten sich weder ich noch mein Magen gewöhnt und mir wurde immer noch dabei schlecht. Deshalb blickte ich fast immer auf den Boden oder wo anders hin wenn wir uns im selben Raum befanden. Doch als wir einmal wieder gemeinsam vor dem Fernseher gammelten während sie wieder ihre Chips verdrückte und ich inzwischen meine Nase ins Buch steckte, hörte ich zum ersten Mal ihre Stimme. „Angie“, kam es aus ihrem mit Chips vollgestopften Mund. Verwundert blickte ich von meinem Buch auf und sah sie an. Sie erwiderte meinen Blick und sagte nochmals: „Angie. Mein Name ist Angie.“ Dann wandte sich ihr Blick zurück zum Fernseher. Ich lächelte und sagte: „Freut mich, ich heiße...“ Doch bevor ich zu Ende sprechen konnte kam von ihr ein genervtes: „Schnauze!“ Und still flüsterte ich noch ein „Nina“ bevor ich meine Nase wieder in meinem Buch vertiefte.

Die darauf folgenden Wochen waren ohne einen wirklich großartigen Wortwechseln dahingeplätschert. Langsam gewöhnte ich mich an den Anblick von Angie, obwohl es mir gelegentlich noch den Magen umdrehte bei ihrem Anblick, war es nicht mehr so schlimm wie am Anfang wo ich mich manchmal nachts auf die Toilette schlich und mich übergab. Damit es ihr am nächsten Tag nicht auffiel, putzte ich diese darauf hin immer gleich. Doch dadurch, dass ich mich anfangs immer übergeben hatte, hatte ich sehr an Gewicht verloren. Unser Kühlschrank war fast immer leer, da Angie sich hauptsächlich von ihren geliebten Chips ernährte, zumindest kam es mir so vor. Irgendwann hatte ich dann entschlossen zumindest den Kühlschrank ein wenig zu füllen, damit ich etwas zu essen zu Hause hatte. Irgendwann fiel mir dann jedoch auf, dass der Kühlschrank immer wieder leer wurde, obwohl ich kaum etwas aß. Angie war wirklich verfressen und dies erklärte somit womöglich ihre Figur.

Einige Zeit später zog der Herbst ein. Nach der Arbeit gingen einige meiner Kollegen auf ein Bier und boten mir an, auch mit zu kommen, dennoch lehnte ich dankend ab. Es war der erste Tag in diesem Jahr, an welchem der Herbst die Blätter der Bäume in goldbraune und rote Farbe tauchte. Solche Tage liebte ich besonders. Deshalb entschied ich mich einen langen Spaziergang durch den Park zu machen. Dort sah ich einige verliebte Paare und einige Leute mit ihren Freunden herumspazieren.

Irgendwie schmerzte mich dieser Anblick. Wie gern hätte ich einen Partner, dem ich vertrauen konnte, der mich liebte und mich unterstützte bei meinen Entscheidungen oder zumindest eine gute Freundin mit der ich über alles reden konnte. Doch vielleicht würde ich mich noch mit meiner Mitbewohnerin anfreunden, denn Hoffnung stirbt zu Letzt.

Eines Abends als ich zurück in die Wohnung kam, war diese wie ausgestorben. Angie war nicht da, ich fand auch keine Nachricht in der Wohnung um daraus zu schließen wo sie sich befinden konnte. Für gewöhnlich war sie im Wohnzimmer, lag auf der Couch und starrte auf den Fernseher. Es war in den letzten Monaten nie vorgekommen, dass dies nicht der Fall war.

Anstatt darüber nach zu denken wo sie denn sein könnte, ließ ich mir schließlich ein Schaumbad ein. Es hatte keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen. Sie hatte mich auch nie gefragt, wo ich war wenn ich einmal später nach Hause kam. Eigentlich interessierte sie sich nicht für mich, nur der Fernseher war für sie interessant und natürlich ihre Chips. Es würde mich zwar interessieren, welche Hobbys Angie hat, doch ich wusste, dass es unnötig war sie anzusprechen. Immer wenn ich versuchte sie etwas zu fragen, bekam ich nur ihren Mittelfinger oder ein „Schnauze!“ an den Kopf geworfen.

Am nächsten Tag kam Angie gegen Mittag nach Hause. Verwundert blickte ich sie an. Sie sah nicht so heruntergekommen wie sonst aus, obwohl ihre Haare komplett zerzaust und ihr Make-up verschmiert war. Der kurze Rock, der gerade noch so ihre Unterwäsche bedeckte, hatte keinen einzigen Fleck und das rote Shirt mit dem tiefen Ausschnitt war auch sehr unüblich für sie. Womöglich hatte sie gestern Abend ein Date, welches wohl auf mehr hinausführte. Zumindest sah es so aus.

„Männer sind Spielzeuge und Arschlöcher. Lass dir von ihnen nichts anderes einreden“, war ihre Begrüßung und wohl auch die einzigen Worte, welche ich an diesem Tag noch hören sollte, zumindest dachte ich dies. Angie warf ihre rote Handtasche in eine Ecke im Vorraum und verschwand im Badezimmer, welches sie die nächsten Stunden nicht verließ. Ich fragte mich ernsthaft, ob etwas schlimmes vorgefallen war. So kannte ich sie noch gar nicht und dies obwohl wir mittlerweile schon fast ein Jahr zusammenlebten.

Als Angie später aus dem Bad kam, hatte sie sich wieder in ihr normales Shirt und in ihre verdreckte Jogginghose geschmissen. Sie setzte sich in die Küche und machte sich einen Kaffee. Leise schlich ich mich in die Küche und setzte mich zu ihr an den Tisch. Ihr Blick war gesenkt und in ihren Händen hielt sie eine Tasse gefüllt mit Kaffee. Der Duft verströmte sich im ganzen Raum.

„War gestern bei meinem Freund. Der Arsch hat mit mir gefickt um gleich darauf Schluss zu machen und mich raus zuwerfen. Er meinte, ich wäre ihm zu fett geworden...“ Ihre Stimme klang brüchig und obwohl ich ihr Gesicht nicht sehen konnte, konnte ich ahnen, dass sie weinte. Zwar wusste ich nicht wie lange sie mit ihrem Freund zusammen war, doch sie war wirklich verletzt und enttäuscht. Ich konnte dies alles nicht nachempfinden. Noch nie hatte ich einen festen Freund gehabt, zwar war ich manchmal bereits verliebt gewesen, doch hatte ich nie den Mut aufgebracht, es der Person zu sagen, was ich für sie empfand. Womöglich hatte ich auch einfach nur Angst vor Zurückweisung.

Vielleicht half es Angie wenn ich ein wenig bei ihr saß, zwar wusste ich nicht, wie ich sie womöglich aufmuntern konnte, aber vielleicht würde mir noch etwas einfallen, wenn ich bei ihr saß und ein wenig Zeit mit ihr verbringen würde. Als sie aufblickte und mich ansah, merkte ich, dass sie wirklich weinte. „Hast du eigentlich einen Freund... öhm...“, kam es von ihr. Anscheinend hatte sie meinen Namen vergessen, was mich eigentlich auch nicht wirklich verwunderte so viel wie wir miteinander redeten.

„Nina und nein, ich habe keinen Freund.“

„Ist wohl auch besser so. Glaub mir. Ich habe drei Jahre mit ihm herum geschissen. Hab versucht ihm alles recht zu machen, ihn glücklich zu machen. Anfangs meinte er, er möchte viel Freiraum haben, welchen ich ihm natürlich auch gab. Womöglich war es auch zu viel Freiraum. Immerhin sahen wir uns gerade mal ein- bis zweimal in der Woche für ein paar Stunden wenn wir beide frei hatten. Womöglich hatte er mich sowieso von Anfang an betrogen, wer weiß das schon... Ach scheiß auf den Kerl!“, beendete sie ihr Selbstmitleid und war aufgestanden. Ihre Kaffeetasse gab sie in den Geschirrspüler um gleich darauf aus einem der Kästchen zwei Gläser und eine bräunliche Flasche zu nehmen. Die Flasche hatte kein Etikett wodurch ich nicht genau wusste was sich darin befand. Das einzige was ich zu wissen glaubte war, dass es sich hierbei um Alkohol handelte.

Angie stellte die Flasche mit den Gläsern auf den Tisch und schenkte uns großzügig ein. „Auf das Single Leben!“, rief sie laut, hob das Glas einen kleinen Moment hoch um dieses gleich auf Ex zu leeren während ich zögerlich an meinem Glas nippte.

Meine Mitbewohnerin schenkte sich immer wieder selbst nach und trank fast die ganze Flasche leer. Irgendwann lallte sie nur noch etwas unverständliches daher und hätte dabei schon fast den Tisch vollgekotzt. Schnell hatte ich sie mir geschnappt und sie ins Bett gebracht. Irgendwie machte ich mir Sorgen um sie, obwohl es mir eigentlich komplett egal sein hätte können. Ich ging wieder zurück in die Küche und trank mein Glas leer. Es war noch immer das erste Glas von mir gewesen. Dann sah ich noch ein wenig aus dem Küchenfenster hinaus und beobachtete die Lichter der Stadt.

Am nächsten Morgen ging mir Angie komplett aus dem Weg. Sie verkroch sich in ihrem Zimmer. Ob sie sich wohl schlecht fühlte, weil sie sich bei mir gestern so ausgeweint hatte oder hatte sie vielleicht doch einen Kater von dem ganzen Alkohol den sie gestern Abend getrunken hatte? Genau konnte ich es nun wirklich nicht sagen und ehrlich gesagt, lies es mich auch kalt. Normalerweise war ich nicht solch eine kaltherzige Person, doch Angie interessierte sich ja auch nicht für mich wenn es mir mal dreckig ging.

Die nächsten Tage hatte ich sie gar nicht gesehen als ich zu Hause war, womöglich verschwand sie immer in ihrem Zimmer wenn sie hörte wie ich die Wohnungstür aufsperrte. Dies sollte mir allerdings nur recht sein, denn somit konnte ich wenigstens in diesen Tagen das im Fernsehgerät sehen, was ich wollte und nicht, was sie immer wieder einschaltete. Endlich konnte ich einmal all das tun was ich wollte, diese wenigen Tage, an welchen ich Angie nicht sah, machten mich wirklich glücklich.

Die Monate verflogen so schnell wie eine Woche Ferien für Schulkinder. Es kam mir so vor, als würde ich erst seit einigen Wochen hier wohnen, doch es stellte sich heraus, dass es bereits zwei lange Jahre geworden waren. Eigentlich hatte ich anfangs gehofft, dass ich mich mit Angie anfreunden könnte, doch dies war bis jetzt noch nie passiert und schön langsam gab ich die Hoffnung auf, dass es dazu auch noch eines Tages kommen würde. Wir redeten kaum miteinander, lebten aneinander vorbei und genossen es dafür um so mehr, wenn der jeweils andere nicht zu Hause war.

Es war bereits wieder Herbst und ich machte mich nach der Arbeit auf den Weg zur Bibliothek. Gerne hätte ich Bücher über Bücher gekauft und zu Hause gelesen, doch leider war dies nicht möglich. Das bisschen Geld, welches ich verdiente, floss hauptsächlich in die Wohnung und in die Lebensmittel ein. In diesen zwei Jahren wo ich bereits in der Wohnung wohnte, sorgte immer nur ich für Lebensmittel. Die Miete war zwar billig, doch so oft wie ich den Kühlschrank füllen musste, da meine liebe Mitbewohnerin mal wieder alles leer gegessen hatte, desto mehr Geld musste ich eigentlich in die Wohnung stecken.

Ich durchforstete die Bibliothek nach einem bestimmten Buch, welches ich bereits vor Wochen erblickt hatte, als ich das letzte Mal hier war, doch bevor ich es greifen konnte, hatte es jemand anderes mitgenommen. Vielleicht hatte ich ja Glück und die Person hatte das Buch in den letzten Tagen wieder zurückgebracht. Doch als ich das Regal durchsuchte um das Buch zu finden, wurde meine Vorfreude zerstört. Das Buch war nicht da. Geknickt sah ich zu dem leeren Platz wo es sich befinden hätte sollen und seufzte.

„Entschuldige, suchen Sie vielleicht dieses Buch?“, hörte ich jemand hinter mir sagen. Ich drehte mich um. Hinter mir stand ein junger Mann, welcher in etwa meinem Alter entsprach und hielt mir das Buch entgegen. Mein Gesicht hellte sich auf und eifrig fing ich an zu nicken. „Ja! Dieses Buch suche ich bereits seit Wochen!“

„Oh, tut mir leid, dann habe ich es Ihnen wohl weggeschnappt. Es war so spannend, ich habe es mehrmals gelesen und deswegen bringe ich es auch erst jetzt zurück.“

„Das ist schon okay“, gab ich von mir und nahm dankend das Buch entgegen. Leise setzte ich mich an einen der Tische um es zu lesen, doch leider konnte ich das Buch an diesem Abend nicht mehr fertig lesen, da die Bibliothek bald schloss. Also entschied ich mich die nächsten Abende wieder hinzugehen um das Buch weiter zu lesen.

Einige Wochen vergingen bis ich das Buch zu ende gelesen hatte, ich war immer schnell nach der Arbeit zur Bibliothek geeilt, damit niemand das Buch nehmen konnte. Als ich es gerade in das Regal zurückstellen wollte, hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir: „Hey, wie hat Ihnen das Buch gefallen?“ Vorsichtig gab ich das Buch zurück an seinen Platz und drehte mich um. Es war wieder dieser Mann, der mir damals das Buch überreichte.

„Es war wirklich spannend. Immer wieder war es eine Qual für mich es wegzulegen und nach Hause zu gehen.“

„Aber warum nehmen Sie es nicht mit?“

„Ich hab leider nicht das Geld dafür mir das Buch auszuleihen. Die Wohnungsmiete ist ziemlich hoch, ich kann froh sein, dass ich nach der Arbeit immer her kommen kann um etwas zu lesen.“

„Oh, ich verstehe. Dürfte ich Ihnen vielleicht ein Buch vorschlagen?“, fragte mich der Mann freundlich und ich nickte dankend.

Die nächsten Monate war ich jeden Abend in der Bibliothek und kaum hatte ich ein Buch zu Ende gelesen, war wieder dieser Mann da und empfahl mir ein Neues. Eines Abends schlug er mir vor, dass wir uns doch einmal außerhalb der Bibliothek treffen könnten auf einen genüsslichen Tee oder etwas dergleichen. Natürlich nahm ich sein Angebot dankend an und einige Tage später trafen wir uns in einem netten kleinen Kaffee.

Ich stand einen kleinen Moment vor dem kleinen Kaffee und atmete tief durch. Noch nie hatte ich mich zuvor mit einem Mann alleine getroffen. Leise und still fiel der Schnee herab während ich hier draußen stand und zögerte.

Angst, irgendwie hatte ich Angst. War er denn wirklich gekommen oder hatte er mich hergeschickt damit ich da stehe wie eine Dumme? Ein weiteres Mal atmete ich tief ein und blies die kalte Rauchwolke aus meinem Mund, welche sich durch die Kälte bildete. Als ich die Tür öffnete wurde ich freundlich von einer Angestellten begrüßt. Ich gab meine Kapuze herunter und klopfte mir den Schnee von den Schuhen und der Jacke. Der süßliche Duft von Weihnachtsbäckereien lag in der Luft.

Ich ging ein paar Schritte in das Kaffee und erblickte ihn dort. Dort war Jens, er saß an einem kleinen Tisch beim Fenster und beobachtete den Schnee beim fallen. Leise schlich ich mich zu ihm und nahm gegenüber von ihm platz. Auf dem Tischchen stand ein kleiner Teller mit Weihnachtsleckereien. Langsam rückte doch tatsächlich Weihnachten näher. Als die Kellnerin kam bestellte ich mir eine heiße Schokolade und Jens einen Kamillentee. Schnell merkte ich, dass ihm der Winter zusetzte und er ein wenig erkältet war. Während wir auf unsere Bestellung warteten, blickten wir aus dem Fenster und beobachteten den Schnee beim Fallen.

Bald war wieder Weihnachten und ich würde wahrscheinlich wieder alleine feiern. Mit Angie konnte ich nicht wirklich feiern. Sie war an Weihnachten nicht da, womöglich war sie bei ihren Eltern oder Verwandten. Es schmerzte mich immer wieder, dass ich an den Feiertagen allein sein musste. Gerne hätte ich jemanden bei mir, doch ich musste mich damit abfinden.

Als unsere Bestellung kam, nippte ich an meiner heißen Schokolade während mich Jens ansah. „Du hast gerade so traurig geschaut als du die Schneeflocken ansahst, stimmt etwas nicht?“, fragte er ehrlich berührt.

„Nun ja... Es ist ja bald wieder Weihnachten und ich werde es womöglich wie immer alleine feiern. Meine Eltern sind vor einigen Jahren verstorben und mein einzig verbleibender Verwandte ist mein Bruder, der jedoch im Ausland lebt und selbst eine Familie hat. Wir haben uns schon vor langer Zeit aus den Augen verloren. Leider... Und meine Mitbewohnerin... Naja... Mit der verstehe ich mich nicht wirklich. Wir wohnen zwar schon einige Jahre zusammen, doch wir reden kaum miteinander. Sie ist etwas eigen. Was sie an Weihnachten macht, weiß ich nicht, ich weiß nur, dass sie nicht in der Wohnung ist. An diesen Tagen bin ich immer alleine.“

„Oh... Mein Beileid... Das wusste ich nicht... Hast du denn keine Freunde mit denen du womöglich eine kleine Weihnachtsfeier machen könntest?“

„Nein.... Weil... Naja... Ich habe keine Freunde, also keine richtigen... Zwar unternehme ich gelegentlich etwas mit meinen Arbeitskollegen, aber deswegen würde ich sie auch nicht gleich als meine Freunde bezeichnen, weißt du? Ich bin es schon gewohnt, dass ich an Weihnachten alleine feiern werde. Für mich ist das nichts Besonderes mehr. Zwar stimmt es mich traurig, wenn ich glückliche Familien und Paare in den wunderschön geschmückten Kaufhäusern sehe wie sie für ihre Liebsten Geschenke kaufen, aber irgendwie komme ich immer darüber hinweg“, sagte ich und versuchte zu lächeln. „Warum lügst du?“, fragte mich Jens betrübt und strich mir mit der Hand über die Wange. Dadurch merkte ich erst, dass mir eine einzelne Träne über die Wange floss, weil mich dies eigentlich traurig stimmte und ich nur versuchte mich selbst zu belügen.

Endlich hatte ich jemanden zum Reden gefunden. Ich vertraute Jens an diesem einen Tag, in diesen wenigen Stunden die wir das erste Mal so verbrachten, alles an. Mein ganzes Leben, meine Geheimnisse und alles was mich interessierte konnte ich ihm erzählen. Wie lange hatte ich darauf gewartet, solch einen Menschen zu finden. Jens hörte mir aufrichtig zu und erzählte mir auch von sich alles. Jens war bereits einmal verheiratet, doch hatte sich schon vor Jahren von seiner Frau scheiden lassen. Seinen Sohn sah er meistens jedes zweite Wochenende. Er wusste wie es war an Feiertagen allein zu sein und deshalb bot er mir an, dass wir zusammen Weihnachten verbringen könnten. Natürlich nahm ich dieses Angebot dankend an. Es machte mich wirklich glücklich nach Jahren endlich mal wieder Weihnachten nicht allein zu sein.

Die wenigen Tage bis an den Weihnachtsabend waren sehr schnell vergangen und waren mit ein viel Stress verbunden, denn ich hatte vergessen Jens etwas zu kaufen oder besser gesagt, wusste ich nicht genau was ich ihm kaufen sollte. Doch als ich an einem Tag an einem Buchladen vorbei ging fiel mir etwas ein. Jens hatte mir immer wieder Bücher vorgeschlagen und zwar waren diese immer von dem selben Autor. Somit kaufte ich ihm das neueste Buch des Autors und ließ es schön einpacken.

Als ich bei ihm ankam, war sein Haus sowohl außen als auch innen festlich geschmückt. Ein großer Weihnachtsbaum zierte das Wohnzimmer und es duftete nach Apfelzimt und Orangen, man könnte auch sagen es roch nach Weihnachten. Heimlich legte ich sein Geschenk unter den Weihnachtsbaum als er uns etwas zauberhaftes kochte. Selten hatte ich jemals einen Mann gekannt der so wunderbar kochen konnte.

Nach dem Essen gingen wir in sein Wohnzimmer und tauschten unsere Geschenke aus. Jens schenkte mir ein kleines Silberkettchen mit einem Herzanhänger. „Du hast dich in mein Herz geschlichen“, sagte er leise während er es mir umhängte. Bei diesen Worten wurde ich rot wie eine Tomate. Damit hatte ich in diesem Moment gar nicht gerechnet gehabt. Er drehte mich zu sich um und stahl mir einen Kuss. Die Feiertage über blieb ich bei Jens und wir genossen unsere Zweisamkeit.

Silvester verbrachten wir ebenfalls zusammen bei ihm und er bot mir an diesem Tag an, dass ich doch zu ihm ziehen könnte. „Mein Haus ist viel zu groß für mich alleine. Ich genieße deine Nähe wirklich sehr. Nina... Ich habe mich ernsthaft in dich verliebt und möchte mit dir zusammen sein. Möchtest du vielleicht zu mir ziehen?“, fragte er mich als gerade das Feuerwerk losging. Dies war wirklich überraschend für mich. Natürlich ging es mir wie ihm. Ich hatte mich schon von dem Tag an verliebt, als wir beide gemeinsam in dem Kaffeehaus saßen. „Gerne“, antwortete ich und umarmte ihn.

Am nächsten Tag teilte ich Angie mit, dass ich ausziehen würde. Sie lag in ihrer üblichen Pose auf der Couch und futterte ihre Chips wie sonst etwas. Eine Antwort bekam ich natürlich nicht von ihr, was mich auch verwundert hätte. Doch ich hoffte zumindest, dass sie es gehört hatte.

In den nächsten Tagen packte ich meine ganzen Habseligkeiten zusammen und brachte sie der Reihe nach zu Jens. Als ich die letzten Sachen nahm, sagte ich zu Angie: „Danke, dass ich hier solange wohnen durfte. Viel Glück.“ Angie nickte, lächelte und sagte: „Wirst du deine neu gewonnene Freiheit genießen?“ Womöglich meinte sie dies sarkastisch. Ich wusste es nicht genau, das einzige was ich wusste war, dass ich hier weg wollte und dass ich nun glücklich mit Jens sein wollte.



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