the flood that wrecked our home von Violie (LILY + LOUIS) ================================================================================ Prolog: off i go ---------------- prolog -- off i go lily + louis + Lily war sich ziemlich sicher, dass alles mit Louis begonnen hatte. Louis, der plötzlich wieder in ihr Leben trat, aus dem er sich die letzten Jahre so erfolgreich herausgehalten hatte und mit seinem doofen Lächeln und seinem schrecklichen Charakter und seinem nervigen Enthusiasmus alles durcheinanderbrachte und Lily an jede einzelne ihrer Grenzen trieb. Louis, der eines Nachts vor ihrer Tür stand und ihr einen Stapel Fotos in die Hand drückte und von ihr verlangte, dass alles wieder so würde, wie es einmal gewesen war. Ja, sie war sich ziemlich sicher, dass alles mit Louis begann. + Ballett war Lilys Leidenschaft, jedoch nicht seit sie denken konnte. Nein, das kam erst mit der Zeit, aber dann war es unumkehrbar. Ihre Mum hatte sie mit vier Jahren zu ihrer ersten Tanzstunde geschleift und Lily wusste noch heute, wie sehr sie es damals verabscheut hatte. Sie fand die Lehrerin doof und die anderen Mädchen auch und sowieso war alles schrecklich, denn sie wollte viel lieber mit James‘ Besen durch den Garten fliegen (was ihre Mum nicht erlaubte) oder sich mit Albus durch den Schlamm wühlen (was ihre Mum ebenfalls nicht erlaubte). Ginny war damals der festen Ansicht, dass Lily ein wenig Zeit mit anderen Mädchen ihres Alters verbringen sollte, die nicht ihre Cousinen waren, und Tanzen erschien ihr genau das richtige zu sein. Also wurde Lily zwei Mal in der Woche nach London geschleift und musste in pinken Röckchen mit einem Dutzend anderer kleiner Hexen durch einen Raum mit großen Spiegeln hüpfen, ihre Füße immer anspannen und lernen, ihren Körper unter Kontrolle zu bringen. Kontrolle war damals nicht wirklich Lilys Ding. Lily bettelte ihre Mum jedes Mal aufs Neue an, doch bitte nicht zum Tanzen zu müssen, doch Ginny Potter ließ sich nicht erweichen und im Nachhinein war Lily ihr sehr, sehr dankbar. Denn mit der Zeit bekam sie den Dreh raus. Sie wusste, wie ihre Füße in den verschiedenen Positionen stehen mussten und sie beherrschte ihren Körper, kannte alle ihre Limits und hatte keine Angst, sie zu überschreiten und das alles verschaffte ihr ein verdammt befriedigendes Gefühl. Mit sieben Jahren war Lily das neue Wunderkind der Truppe und ihre Lehrerin lobte sie in den Himmel und empfahl Harry und Ginny die besten Einrichtungen, um Lilys Talent weiter zu fördern. Bis zu ihrem elften Lebensjahr tanzte Lily mit Passion und anstatt mit der Zeit die Lust zu verlieren steigerte sich ihr Ehrgeiz von Jahr zu Jahr. Sie hatte vier Mal in der Woche Training und übte Zuhause, wann immer es sich einrichten ließ. Lily verstand sehr früh, dass man Prioritäten setzen musste, wenn man etwas wirklich wollte. Und in ihrem zehnten Lebensjahr wusste sie ganz sicher, dass sie eines Tages eine Primaballerina werden und mit Stücken wie Schwanensee, Dornröschen und Coppélia ein riesiges Publikum begeistern wollte. Ihr Traum hatte sich seitdem nicht geändert - andere Dinge schon. Als sie jung war, hatte Lily viele Freunde gehabt. Hauptsächlich all ihre Cousins und Cousinen, und auch mit ihren Brüdern kam sie mehr als gut aus, außerdem natürlich die Scamander-Zwillinge, Alice Longbottom und andere Kinder von Freunden ihrer Eltern. Lily liebte es in großen Gruppen loszuziehen, durch die Wälder und Wiesen zu streifen und kompliziert erdachte Spiele zu spielen. Sie blühte auf, wenn sie von Menschen umgeben war. Heute war das alles anders. Lily konnte nicht sagen, wann sie Alice das letzte Mal gesehen hatte und sie wusste nicht, wie es Lorcan und Lysander ging. Sie konnte nicht einmal sagen, was Molly mit ihrem Leben anstellte und ob Fred mittlerweile den Scherzartikelladen seines Vaters übernommen hatte. Es war nicht so, als hätte Lily sich absichtlich von all den Menschen distanziert, die ihr zu einer anderen Zeit so viel bedeuteten hatten - es war einfach passiert. Lily ging wie alle anderen Kinder des Weasley-Potter-Clans nach Hogwarts. Sie wurde gemeinsam mit Louis und Hugo eingeschult, die damals ihre allerbesten Freunde gewesen sind, und für einige Wochen, Monate gar, war alles gut. Sie liebte das Schloss und ihr Haus Ravenclaw, verschlang den Unterricht mit Interesse, genoss ihre Freizeit in vollen Zügen. Doch Merlin, sie konnte kaum in Worte fassen wie sehr ihr das Ballett fehlte. In Hogwarts hatte sie keine Chance zu tanzen, nicht wirklich zumindest. Sie hatte keine Chance auf Unterricht, konnte das Schloss dafür auch nicht verlassen und es machte sie verrückt. Sie wusste, wenn sie jetzt nicht weitermachte, nicht härter trainierte und fester an sich glaubte, dann würde sie niemals zu einer Weltklasse-Ballerina werden. Zu ihrem zweiten Jahr kehrte sie nicht nach Hogwarts zurück. Harry war hilflos und Ginny war wütend, doch keine zehn Hippogreife hätten Lily in den Zug bewegen können. Viele Leute versuchten mit ihr zu sprechen, sogar die in Rente gegangene Professor McGonagall, doch Lily wollte nichts hören. Sie würde nicht nach Hogwarts zurückkehren und das Ballett erneut für Monate vernachlässigen. Sie hatte sowieso schon so viel nachzuholen. Ihre Tante Fleur brachte schließlich eine Lösung. Sie besuchte Harry und Ginny mit einer Handvoll Flyer von einem französischen Internat, welches sich auf diverse Künste spezialisiert hatte, unter anderem Ballett, nebenbei jedoch eine Grundausbildung für Hexen und Zauberer versicherte. Nach einigem Diskutieren und vielen flehenden Blicken von Lily brachte Harry sie, drei Wochen nach Schulbeginn, nach Frankreich und wünschte ihr eine tolle Zeit. Lily war ihren Eltern unendlich dankbar, dass sie ihr diese Möglichkeit gegeben hatten. Bis zu ihrem Abschluss nach sieben Schuljahren verbrachte sie ihre Zeit hauptsächlich im Internat. Sie kam natürlich über die Weihnachts- und Sommerferien nach Hause, doch es war beinahe so als wäre sie nicht da. Sie verbrachte jede freie Minute in einem Ballettstudio in ihrer Stadt und übte von früh morgens bis spät in die Nacht. Heute wusste sie, dass sie besonders ihrer Mum viel Kummer bereitet hatte, weil sie an kaum etwas anderem als Ballett Interesse zeigte, doch sie bereute es nicht. Denn all ihre harte Arbeit und ihre kurzen Nächte und der Verlust vieler Freunde hatte sich ausgezahlt - sie hatte einen der wenigen, überaus begehrten Plätze an der Canterbury Dance Academy ergattert und trainierte dort seit einem halben Jahr mit den besten Lehrern und Choreographen. Alle Mädchen und Jungen, die dort mit ihr tanzten, teilten ihre Leidenschaft, ihren Ehrgeiz, ihre Aufopferung für diese eine Sache. Jeder einzelne ihrer Mitstreiter verstand sie. Jeder wusste, dass es um verdammt viel ging. Denn Canterbury war ihr Sprungbrett - wenn die Scouts sie hier entdeckten und für eine Hauptrolle auserwählten, dann hätte sie einen Platz in einem echten Ballettensemble und wenn sie dann keinen Fehler machte, hatte sie die Chance die Primaballerina eben jenes Ensembles zu werden und im Mittelpunkt der Bühnen zu stehen. Und natürlich ging es hier nicht um die Kleinstadtbühnen - nein, es ging um die ganz großen, so wie es sie in London, New York, Paris und Moskau gab. Ja, das war Lilys Traum. Und dann kam Louis. + Willkommen zum Prolog meiner neuen Geschichte, von der ich selbst noch keinen wirklichen Plan, aber einige Ideen habe. Ich hoffe, das euch der kleine Einstieg vielleicht gefällt und ihr eventuell dran bleibt?! :) Kapitel 1: the universe and you ------------------------------- eins -- the universe and you lily + louis + In Lilys Leben gab es feste Regeln. Regeln, die sie selbst festgelegt hatte. Eine besagte beispielsweise, dass sie sich gesund zu ernähren hatte - kein Fast Food und keine Übermengen, lieber Salat und viel Wasser. Eine weitere untersagte es ihr, Alkohol zu trinken, Drogen zu konsumieren oder Zigaretten zu rauchen. Die nächste schrieb ihr vor, dass sie spätestens zehn Uhr abends zu schlafen hatte, um ihrem Körper die notwendige Ruhe zu gönnen. Dann kamen noch diverse Regeln hinzu, die es für Lily nicht einmal geben müsste, weil sie nicht im Traum daran denken würde, sie zu brechen. Etwa solche wie: habe keinen Freund (der dich ablenken würde), habe keinen Sex (der dir im Nachhinein beim Tanzen Schwierigkeiten bereiten könnte) und ganz besonders bekomme kein Kind (aus den offensichtlichen Gründen). Lily lächelte meist, wenn sie darüber nachdachte. Sie war in ihrem Leben noch niemals verliebt gewesen, hatte deswegen auch keinen Sex und über Kinder würde sie frühestens in fünfzehn Jahr einmal nachdenken. Andere konnten oft nicht nachvollziehen, wie Lily ihr eigenes Leben freiwillig so begrenzen und einschränken konnte und sie hatte immer die gleiche Antwort für jeden der sie fragte, wie sie das eigentlich durchhielt: „Es verlangt viel Disziplin, eine Primaballerina zu werden. Aber das ist mein Traum und deswegen fällt es mir nicht schwer, auf gewisse Dinge zu verzichten. Ich möchte irgendwann auf den größten und schönsten Bühnen der Welt tanzen. Deswegen mache ich das - deswegen trainiere ich von morgens bis abends, achte auf mich und meinen Körper, gebe ihm was er braucht und schütze ihn vor den Dingen, die ihm schaden. Ich will es bis an die Spitze schaffen und mein Körper ist mein Weg dorthin. Wenn ihm etwas passiert, dann ist alles vorbei. Und das würde ich niemals zulassen!“ Nicht wenige Menschen kehrten ihr nach dieser oder ähnlichen Reden sofort den Rücken zu und Lily verstand es, denn sie wirkte bei Merlin nicht immer normal wenn sie über das Ballett sprach. Aber das war schon in Ordnung. Lily hatte vor langer Zeit aufgehört, etwas anderes zu brauchen als das Tanzen. Aber dann kam Louis und das war der erste Tag, das war die erste Regel die sie brach, das war ihr erster Fehler und das war der Anfang des Endes. Irgendwie zumindest. + Lily hatte den ganzen Tag in einem der kleinen Studios der Academy trainiert - allein, denn es war ein Samstag und das bedeutete, dass kaum jemand in der Schule anzutreffen war. An drei Tagen in der Woche hatte sie Privatunterricht bei Monsieur Mathis und ansonsten Übungen mit ihrer Gruppe, bestehend aus sieben Mädchen, alle in etwa in ihrem Alter. Über die Wochenenden war es den Ballerinas freigestellt, zu tun was sie wollten. Lily wusste sehr genau, dass viele der Mädchen an den freien Tagen nach London fuhren und allen Stress in Canterbury zurückließen, um in der Stadt zu feiern, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und die ewig harte Arbeit von sich abschüttelten. Nicht jeder hatte derart strenge Regeln wie Lily selbst. Sie und Ruby waren für gewöhnlich die einzigen Mädchen, die auch am Wochenende in ihren Wohnungen nahe der Schule blieben um weiter zu trainieren. Das war einer der Gründe, warum Lily mit Ruby am besten auskam. Das zierliche, blonde Mädchen war genau so wie sie selbst: überaus ehrgeizig und immer mit dem großen Ziel im Blick. Mit einem fettarmen Joghurt in der Hand und der Wanduhr im Blick saß Lily an diesem Abend auf der Couch. Ihre Füße hingen in einer kleinen Wanne mit heißem Wasser und auf dem Fernseher, den ihr Tante Hermine und Onkel Ron zum Einzug geschenkt hatten, lief eine unsinnige Serie, die Lily manchmal schaute, wenn sie nichts Besseres zu tun hatte. Es war kurz vor neun Uhr und Lily fühlte sich ausgelaugt. Sie war am Morgen schon um sechs Uhr aufgestanden, weil sie keine Ruhe gefunden und sich die ganze Nacht nur herumgewälzt hatte. Für gewöhnlich schlief sie am Wochenende immer bis acht Uhr, bevor sie in die Academy ging, doch heute war sie, nach ihrem üblichen Frühstück (einer Tasse schwarzem Tee und einem Nussriegel), schon halb sieben aufgebrochen. Sie spürte deutlich, wie sehr ihr die zwei Stunden Schlaf fehlten. Isabell, eine der Figuren in der Serie die Lily am meisten verabscheute, schrie gerade tränenreich ihren Mann an, der sie nach zwanzig Jahren Ehe für eine Jüngere verließ (Was für ein Klischee!), als es an ihrer Tür klopfte. Ganz automatisch zogen sich Lilys Augenbrauen zusammen. Das sie Besuch bekam, war eine verdammt seltene Sache, was eventuell daran lag, dass sie nie Zeit hatte und sowieso kaum zu Hause war. Unwillig stellte sie ihren Joghurtbecher ab und trocknete ihre Füße mit einem Schwung ihres Zauberstabes, bevor sie sich erhob und mit leichten Schritten zur Tür ging. Ihre Füße schmerzten heute ungewöhnlich stark, weshalb sie sich das warme Bad gegönnt hatte. Lily hasste es, wenn ihr Körper ihr ihre Grenzen aufzeigte - vielleicht sollte sie sich morgen einen Tag Pause gönnen, doch allein der Gedanke machte sie nervös und rastlos. Sie wusste nicht, was sie erwartete, als sie die Tür öffnete - vielleicht ihre Eltern oder gar Albus, den sie schon seit Wochen nicht gesehen hatte. Sicherlich aber nicht einen Jungen, der vor fast zehn Jahren ihr bester Freund gewesen war und dann von einem Tag auf den nächsten nicht mehr mit ihr gesprochen hatte. Louis‘ Haare waren nass und auf seinen Lippen lag ein schräges Lächeln. Lilys Griff um die Türklinke wurde automatisch fester und sie hatte das Bedürfnis, sich irgendwo anzulehnen, Halt zu suchen. „Hallo Lily“, brach Louis das Schweigen und seine Stimme klang noch genauso sanft wie vor all den Jahren. Lily schluckte und fand es nicht in sich, auf seine Begrüßung zu erwidern. Sie wollte ihm die Tür ins Gesicht schlagen. „Was willst du hier?“, fragte sie mit brechender Stimme und sie konnte nicht glauben, dass er sie nach all der vergangenen Zeit noch immer so durcheinander bringen konnte. Das er nach all den Jahren, in denen er sich so verdammt erfolgreich aus ihrem Leben herausgehalten hatte, noch immer eine solche Wirkung auf sie hatte. „Kann ich reinkommen?“, stellte Louis die Gegenfrage und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Wassertropfen liefen über seine Stirn und alles an ihm wirkte so vertraut und offen und einladend, dass es Lily fast um den Verstand brachte. Sie schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Nein, ich -- Louis, was machst du hier?“ Sie sah, wie er tief durchatmete und wünschte, er würde sich umdrehen und weggehen. Er hatte seit seinem zwölften Lebensjahr nicht mehr mit ihr geredet und jetzt stand er hier vor ihr und Lily hatte nicht die Kraft dafür, nicht heute und nicht morgen und einfach nie. „Lily, komm schon. Ich will nur -- ich meine, du weißt -- lass uns reden, okay?“ Lily schloss für eine Sekunde die Augen, versuchte sich zu sammeln und ihre Fassung zu behalten, um Louis nicht ins Gesicht zu schreien, was ihr gerade durch den Kopf ging. Nichts war okay. „Was zur Hölle willst du hier?“, fragte sie ein weiteres Mal und die Hand, die sie nicht um die Türklinke geschlungen hatte, verkrampfte sich zur Faust. Sie hatte Mühe ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Was denkst du dir dabei, hier einfach aufzutauchen und zu erwarten, dass ich dich in meine Wohnung lasse? Glaubst du wirklich, dass ich auch nur ein Wort hören will, von dem was du mir zu sagen hast?“ Louis schien sich von ihrem ärgerlichen Tonfall nicht abschrecken zu lassen und diese Tatsache machte Lily sprachlos. „Ich weiß, dass ich riesigen Mist gebaut habe“, erklärte er und Lily konnte sich ein ungläubiges Schnauben nicht verkneifen. Das war ja wohl die Untertreibung des Jahrtausends. „Lily, ich will nur -- ich würde wirklich gerne alles wieder in Ordnung bringen.“ „Und du glaubst, dass das so einfach ist?“ Diesmal war es an Louis, den Kopf zu schütteln. „Nein. Nein, natürlich ist das nicht, Lily, das weiß ich selbst. Ich will nur -- ich möchte nur so gerne, dass alles wieder wie früher wird.“ Bevor Lily den Mund öffnen und Louis sagen konnte, dass es nie, niemals wieder so werden würde, wie damals, kramte ihr Cousin einen Stapel Fotografien aus seiner Manteltasche. Lily erkannte auf den ersten Blick nicht, was auf ihnen zu sehen war, nahm nur die Bewegungen der kleinen Personen wahr. „Hier!“ Louis schob ihr die Bilder in die Hand und, überfordert und verwirrt wie sie war, nahm sie sie an. Mit einem halben, zufriedenen Lächeln auf den Lippen trat Louis einen Schritt zurück. „Ich würde sie mir gerne mit dir ansehen, aber da du das ganz offensichtlich nicht willst, schau sie dir selbst an. Ich habe sie letzte Woche bei Mum und Dad auf dem Dachboden gefunden.“ Lily würdigte den Bildern keines Blickes, ihre Augen waren noch immer scharf auf Louis fokussiert. „Was, hast du ein paar schöne Fotos von uns gesehen und plötzlich ist dir eingefallen, dass ich noch existiere? Rührend, Louis, wirklich!“ „Lily, wenn du mir eine Chance geben würdest, ordentlich mit dir zu reden“, begann Louis aufgebracht und seine Schultern hoben sich zu einem hilflosen Zucken. „Ich kann vieles nicht mehr gut machen und meine Erklärung rechtfertigt ganz offensichtlich nicht alles, aber es ist ein Anfang und -- Lily, es ist nicht so, als hätte ich dich aus meinem Leben verbannt und -- “ „Doch“, fiel ihm Lily harsch ins Wort. „Genau das hast du getan!“ Die Bilder in ihrer Hand zitterten. „Plötzlich und ohne irgendeinen Grund. Du hast nicht mehr auf meine Briefe geantwortet, nicht mehr mit mir gesprochen, wolltest mich nicht mehr sehen. Du hast von einer Sekunde auf die nächste aufgehört, mich wahrzunehmen. Also doch, du hast mich aus deinem Leben verbannt. Ein dummer Stapel Fotos kann das nicht wieder gutmachen, genau so wenig wie irgendeine beschissene Erklärung die du mir geben würdest. Nichts macht das wieder gut, Louis. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich mich damals gefühlt habe? Ich war zwölf verdammte Jahr alt und -- weißt du was, ich will darüber nicht reden. Nicht jetzt und auch nicht irgendwann anders. Wir sind fertig miteinander, Louis, und das hast du entschieden. Das war dein Wille! Mir egal was für weltbewegende Gründe du dafür hattest, deine beste Freundin zehn Jahre lang zu ignorieren, aber es interessiert mich nicht. Nicht mehr, verstanden? Wir sind fertig miteinander!“ Lilys Herz raste, als sie einen Schritt zurücktrat und die Tür in Louis‘ Gesicht schmiss. Sie fiel erstaunlich leise ins Schloss und Lily wusste, dass hinter ihrem Stoß nicht besonders viel Kraft gelegen hatte. Mit wackelnden Knien und bebenden Lippen sank sie auf den Boden. Sie fühlte sich so verletzt wie seit Jahren nicht mehr und sie hasste Louis dafür, dass er ihr das antat. Es dauerte eine Weile bis sie sich aus ihrer verkrampften Position erheben konnte und als sie auf die Uhr schaute, war es schon nach zehn Uhr. Sie wusste, dass sie ins Bett gehen sollte und sie fühlte sich furchtbar, weil sie ihre Regel gebrochen hatte, doch alle Müdigkeit war aus ihren Gliedern verschwunden und ihre Atmung ging noch immer zu schnell, zu hastig. Sie schloss die Augen und zählte langsam bis zehn, in der Hoffnung ihren Körper irgendwie zu beruhigen. Es funktionierte mäßig gut. Mit festen Schritten ging sie anschließend in die Küche, spürte die Schmerzen in ihren Füßen nicht einmal, zog dort eine der Schubladen neben dem Herd auf und schmiss die Bilder emotionslos hinein. Sie schaute nicht auf das sich bewegende, bunte Chaos, das nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte, und stieß die Lade wieder zu. Zurück im Wohnzimmer griff sie nach ihrem Zauberstab, räumte alle Spuren des vergangenen Abends beiseite und löschte die Kerzen und Lichter mit einem gemurmelten „Nox“. Im Dunklen tastete sie sich ihren Weg ins Schlafzimmer. Sie machte sich nicht die Mühe, ihren Schlafanzug anzuziehen, fiel einfach in die weichen Decken und Kissen auf ihrem kleinen Bett und kniff die Augen fest zusammen. Der Schlaf ließ auf sich warten und Louis wirbelte durch jeden einzelnen ihrer verworrenen Träume. Und das war Tag eins. + Ich hoffe, das erste Kapitel hat euch gefallen. Vielen Dank für das Feedback und hoffentlich bis zum nächsten Kapitel! :) Kapitel 2: if only i -------------------- zwei -- if only i lily + louis + Ballett ist vor allem eines: reine Konzentrationsarbeit. Lily weiß das. Lily weiß, dass man sich darauf fokussieren muss, die Füße gestreckt zu halten, die Beine im richtigen Winkel zu drehen, die Arme in der vorgeschriebenen Position zu heben. Und ja, dass alles verlangte Können, Übung und Körperbeherrschung, aber ganz besonders einen Haufen Konzentration. Wenn Lily tanzte, wirbelten für gewöhnlich keine unruhigen und unangebrachten Gedanken durch ihren Kopf. Alles woran sie dachte, waren ihre nächsten Bewegungen, ihre nächsten Schritte. Sie sprang von einer Haltung in die nachfolgende, stand auf den Zehenspitzen und ließ sich Sekunden später in die fünfte Position zurückfallen, drehte ihr erstes Fouetté en tournant und -- setzte ihren Fuß falsch auf, was dazu führte das sie das Gleichgewicht verlor und abbrechen musste. „So ein Mist!“, fluchte sie laut und schloss die Augen, um sich selbst nicht in den vielen Spiegeln des Raumes sehen zu müssen. Ihre Atmung ging schwer, eine weitere Tatsache die sie über die Maßen ärgerte. Natürlich, das Training strengte an, aber Merlin, sie war seit ihrem vierzehnten Lebensjahr nicht mehr so aus der Puste gewesen, noch dazu wenn man bedachte, dass sie gerade eben erst mit den schwereren Schritten begonnen hatte. Lily könnte sich dumm stellen und behaupten, dass sie nicht wusste, warum an diesem Morgen nichts so klappte, wie es sollte, aber wo lag der Nutzen? Das alles war die Schuld von Louis Arschloch Weasley. Lily würde ihn erwürgen, wenn er in diesem Moment im Raum wäre. Enttäuscht von sich selbst, weil diese kurze Begegnung sie so aus der Fassung brachte, öffnete Lily die Augen und ging zurück zur Stange. Sie würde sich garantiert nicht einen Tag Training ruinieren lassen, nur weil Louis das Verlangen hatte, die Vergangenheit wieder aufzuarbeiten. Das konnte er vergessen! Lily atmete tief durch, nahm eine frontale Haltung zur Stange und zum Spiegel ein, festigte ihren Griff um das Holz und ging ins Plié, richtete sich auf, ging ins Grand-plié, richtete sich erneut auf und wiederholte den Vorgang ein Dutzend Mal. Sie wusste, dass sie die Erwärmung nicht noch einmal zu wiederholen bräuchte, wusste, dass ihr Körper schon lange bereit war die wichtigen Schritte und komplizierten Kombinationen zu üben, doch ihr Geist war es nicht. Und ohne die notwendige Konzentration brauchte sie gar nicht erneut anfangen. Also würde sie lieber noch einmal von vorne beginnen, mit den Pliés und Passés und den Dehnübungen für ihre Beine und Füße. Sie würde jede der fünf Positionen so oft durchgehen, bis sie vergessen hätte, wie man normal steht. Sie würde ihre Aufwärmübungen so oft wiederholen, bis Louis Weasley mit seinen furchtbaren blonden Haaren und seinem dämlichen schrägen Grinsen aus ihren Gedanken verschwunden war und sie sich ganz und gar ihrem Arabesque penchée und Grand jeté widmen konnte. + Unnötig zu erwähnen, dass Lily an diesem Sonntag nicht mehr viel auf die Reihe bekam. In ihrer Wut und Verzweiflung hatte sie schließlich die Spitzenschuhe von ihren Füßen gerissen und quer durch den Raum geworfen und ihr Training dann drei Stunden zu früh beendet. Seitdem hatte sie in ihrer Wohnung drei Tassen Tee getrunken und die Schublade, in welche sie die Bilder geworfen hatte, ununterbrochen mit einem mörderischen Blick fixiert. „Das ist alles eure Schuld“, erklärte sie aufgebracht und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. In diesem Augenblick wollte sie nichts lieber als aufstehen und die Fotos zu sich holen, sie anschauen und verstehen, warum sie Louis dazu veranlasst hatten so unerwartet aufzutauchen. Sie konnte sich nicht vorstellen, was auf diesen Bildern so weltbewegend sein sollte. Lily hatte sich schon halb erhoben, um tatsächlich zum Schrank zu gehen, als sie sich eines Besseren besann. „Nein“, sagte sie bestimmt und blinzelte, als sie realisierte, dass sie zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten mit sich selbst gesprochen hatte. Gut, offensichtlich musste sie hier raus, einfach weg. Sie kehrte ihrer Küche mit Nachdruck den Rücken zu und kramte im Flurschrank nach Schnürstiefeln und ihrem beigen Mantel. Vielleicht hätte es ihr früher auffallen sollen, doch erst als sie heute den kurzen Heimweg von der Academy angetreten hatte, war ihr wirklich bewusst geworden, dass bereits November war. Der Herbst war so gut wie vorüber und der kalte Wind kündigte laut pfeifend den Winter an. Ihre dünne Übergangsjacke und die billigen, abgetretenen Stoffschuhe würden jetzt offensichtlich nicht mehr genügen. Grummelnd wickelte sie einen Schal um ihren Hals und knotete die Bänder an ihren Schuhen zu ordentlichen Schleifen, bevor sie aus ihrer Wohnung trat und die Tür hinter sich abschloss. Zu Fuß ging sie die sechs Treppen bis zum Erdgeschoss hinunter und trat auf die leere Straße. Alles war grau und trüb und ein leichter Nieselregen fiel zu Boden, doch das hielt Lily nicht davon ab zum nächsten, vom Ministerium eingerichteten Apparationspunkt zu laufen. Er lag etwa zehn Minuten von dem Altbau entfernt, indem sich ihre Wohnung befand. Natürlich war es nicht vorgeschrieben, die Apparationspunkte zu nutzen - Lily hätte durchaus direkt vor ihrer Haustür disapparieren können, doch sie genoss den kurzen Weg durch ihre ruhige Nachbarschaft und wusste auch, dass ihr die frische Luft gut tat. Im Ballettsaal bekam sie davon nicht sehr viel ab. Sie wusste nicht genau, wohin sie eigentlich wollte. Als sie losgegangen war, hatte sie die feste Absicht gehabt, ihre Eltern zu besuchen und Tee mit ihnen zu trinken, ein wenig zu erzählen, aktiv am Leben teilzunehmen. Doch während des Gehens hatte sie diesen Gedanken verworfen. Sie hatte nicht wirklich das Verlangen nach Gesellschaft, was nicht überraschend war: Lily war gerne alleine. Und ja, viele Menschen konnten das nicht nachvollziehen, sowie die Menschen allgemein Probleme damit zu haben schienen, irgendetwas zu verstehen, was Lily Freude bereitete. Lily war nicht wie James. James, der zu jeder Zeit von seinen Freunden umgeben war und sogar in einer WG mit Dominique und zwei Kumpels lebte. Etwas, das Lily sich im Traum nicht vorstellen konnte. Sie hatte ihren ältesten Bruder nur einmal besucht und das ganze Chaos und die ständige Unruhe hatten sie vollkommen durcheinander gebracht. Auch Albus war selten allein, tummelte sich stattdessen jede Nacht auf einer anderen Party in einer anderen Stadt des Landes. Alles in Albus‘ Leben war immer in Aufruhr, er reiste herum und hatte keinen Platz, den er sein Zuhause nannte. Dieses Leben schien ihn glücklich zu machen, doch Lily brauchte Konstanten. Sie brauchte ein Haus, einen Arbeitsplatz und vor allem Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten. Doch während die Leute James‘ und Albus‘ Lebensstile zu akzeptieren schienen, konnte keiner Lily verstehen. Niemand wollte nachvollziehen, warum sie ihre selbstgewählte Isolation brauchte und wertschätzte. Aber das war in Ordnung. Lily lebte nicht, um es den Menschen in ihrer Umgebung recht zu machen. Am Apparationspunkt angelangt war ihr warm und sie begann, den Schal abzunehmen, um frische Luft an ihre Haut zu lassen. Sie wusste noch immer nicht, wohin sie eigentlich wollte. Vielleicht würde sie einfach in die Winkelgasse apparieren und sich ein wenig umschauen. Auf dem Rückweg könnte sie im Ballettladen ihres Vertrauens die eine oder andere Sache mitnehmen, eventuell nach neuen Schuhen schauen. Lily konnte nicht erklären, warum sie letztendlich vor der schrägen, abgenutzten Holztür des Fuchsbaus stand und leise anklopfte, bis ihre Oma Molly mit wirren roten Locken öffnete und sie in eine warmherzige Umarmung zog. „Lily, Engelchen, es ist schön, dass du uns besuchst. Hättest du doch etwas gesagt, dann hätte ich Kaffee und Kuchen für uns bereit.“ „Hallo Nana“, grüßte Lily zurück und löste sich langsam aus der Umklammerung ihrer Großmutter, bevor sie ins Haus trat und ihre Sachen ablegte. Molly eilte zurück in die Küche und Lily konnte hören, wie sie herumwerkelte und einen Kessel Wasser aufsetzte. Lily ging jedoch ins Wohnzimmer, wo sie sich sicher war ihren Großvater zu finden. Wie Lily es nicht anders erwartet hatte, saß Arthur in einem der bunten, nicht zusammenpassenden Sessel vor dem Feuer und hielt ein Buch in seinen gebrechlichen Händen. Auf seiner Nase saß eine dicke Lesebrille und es dauerte eine Weile bis er ihr Eintreten bemerkte. „Lily, mein Kind, das ist aber eine schöne Überraschung!“ Seine Stimme klang schwach und Lilys Herz schmerzte, als sie realisierte, wie alt und erschöpft ihr Großvater aussah. Er hievte sich aus seinem Sessel und Lily trat vor, um ihm die Wangen zu küssen. „Hallo Opa, wie geht es dir?“, fragte sie und setzte sich dann in einen Sessel neben ihm. „Nun, ich werde nicht jünger, aber ich komme schon zurecht“, meinte Arthur und sein Ton klang scherzend. „Wie ist es dir ergangen, Lily? Erzähl mir vom Ballett!“ Ein breites Lächeln legte sich auf Lilys Lippen und bevor sie sich auf die Zunge beißen und zurückhalten konnte, begann sie ihrem Großvater über all die Dinge zu berichten, die sie in den letzten Wochen erlebt und gelernt hatte. Es war nicht so, als würde sich keiner ihrer Verwandten und Angehörigen für ihre Leidenschaft zum Ballett interessieren, doch niemand hörte ihr so zu, wie Opa Arthur es tat. Er lehnte sich in seinem Sessel vor, faltete die Hände im Schoß und schenkte ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Und Lily wusste, dass er nicht heimlich dachte, dass sie verrückt und obsessiv sei, dass sie ihr Leben verschenkte, sich einem Traum opferte, der niemals in Erfüllung gehen würde. Sie wusste, dass ihr Großvater vom ersten Moment an an sie geglaubt hatte und sie immer unterstützen würde und sie hoffte, dass sie irgendwann auf der größten Bühne Englands stehen und ihm zuwinken konnte, um ihm zu zeigen, dass weder er noch sie Narren waren, nur weil sie für etwas kämpften, dass nicht einfach zu erreichen war. Erst als Oma Molly mit kräftigen Schritten ins Zimmer trat und die Arme in ihre übliche Position stemmte unterbrach Lily ihr aufgeregtes Geplapper. Sie warf Molly einen entschuldigenden Blick zu und folgte ihr in die Küche, wo Tee und Gebäck bereitlagen. Ihr Großvater kam mit langsamen Schritten hinterher. „Nun, Liebes, ich will natürlich auch alles erfahren. Was gibt es Neues? Wie ist es in Canterbury? Es kommt mir vor, als hätte ich dich Monate lang nicht gesehen, seit du an dieser vermaledeiten Schule angefangen hast!“ Lily biss sich kurz auf die Lippen, um ihrer Großmutter nicht über den Mund zu fahren. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn jemand so von der Academy sprach. Niemand verstand, dass dies nicht nur irgendein kleiner Tanzverein war - nein, dies war eine international anerkannte und renommierte Schule und es war eine Ehre für Lily, dass sie dort tanzen durfte. Und wenn die Trainer im Gegenzug von ihr verlangten, dass sie beim Tanzen alles gab, dann war das ein geringer Preis, den sie nur allzu bereit war zu bezahlen. Mit einem angestrengten Lächeln auf den Lippen begann Lily erneut vom Ballett zu berichten und versuchte nicht ständig die Augen zu verdrehen, wenn Oma Molly sie unterbrach und nach ihrem sozialen Leben fragte. + Lily hatte sich von ihrem Besuch bei ihren Großeltern nicht viel erwartet, hatte ihn ja nicht einmal geplant, und umso fröhlicher war sie, als sie am Abend nach Hause kam und ihr Kopf frei war. Ohne einen Gedanken an ihre heutigen Probleme beim Tanzen oder die bescheuerten Bilder in ihrer Küchenschublade zu verschwenden, nahm sie ein heißes Bad und kuschelte sich zeitig in ihr schmales Bett. Sie hexte sich irgendein Buch aus dem Regal im Wohnzimmer herbei, welches sie lange nicht gelesen hatte, und begann die Seiten zu überfliegen, während sie an einer Tasse grünem Tee nippte. Im Nachhinein konnte sie nicht erklären, was über sie kam. Es geschah von einer Sekunde auf die nächste, dass sie ihr Buch achtlos beiseite schmiss und ihren Tee so hastig auf dem Nachttisch abstellte, dass das heiße Getränk über den gesamten Tisch lief. Sie kümmerte sich nicht darum, stolperte stattdessen aus dem Bett und fand ihren Weg im Dunkeln zur Küche. Sie brauchte kein Licht anzuschalten, tastete sich lieber blind zu der Schublade vor, die ihr Kopfzerbrechen bereitete und öffnete sie mit einer flinken Bewegung. Ihr Zögern dauerte nur einen halben Augenblick, bevor sie mit sicheren Händen nach dem Stapel Fotografien griff und die Lade zuschmiss. In der Finsternis, die sie umgab, konnte sie absolut nichts auf den Bildern wahrnehmen, doch die dünnen Papierblättchen schienen in ihren Händen zu glühen und alles in ihr schrie danach, sie zurückzulegen oder wegzuschmeißen, sie einfach loszuwerden und niemals näher zu betrachten. Aber sie tat das Gegenteil. Mit festen Schritten ging sie zurück in ihr Schlafzimmer und ließ sich auf der Kante ihres Bettes nieder. Das Licht ihrer zierlichen Nachttischlampe schien auf das oberste Bild im Stapel und Lily erkannte sofort, wen sie vor sich sah, was für eine Situation vor ihren Augen ablief, welche Personen ihr so strahlend entgegen lächelten. Das Bild war nicht besonders überraschend oder schockierend, nichts, das sie nicht erwartet hatte, wirklich. Es war schlicht und simpel, doch löste es eine Welle von Sehnsucht, Verlangen und Vermissen in ihrer Brust aus, das ihre Atmung für einen Moment stockte. Diese Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, Erinnerungen die sie hart und bestimmt verdrängt hatte, waren alles, was sie in ihrem Leben nicht gebrauchen konnte. Sie war versucht, eine weitere ihrer Regeln zu brechen und nach einer Flasche Vodka zu suchen, nur um dieses Bild wieder aus ihrem Gedächtnis zu löschen. Lily ahnte, dass das alles in eine gefährliche Richtung verlief, doch das hielt sie nicht davon ab, das erste Bild wegzulegen und ihren Blick auf das kommende zu richten. Louis war ein verdammter Bastard! + Halli Hallo, ich hoffe ihr hattet Freude beim Lesen dieses Kapitels - keine Angst, es folgen weitere Erklärungen zum Ende des Kapitels im Nächsten! Danke für euer Feedback und liebste Grüße! :) Kapitel 3: the sound of fear ---------------------------- drei -- the sound of fear lily + louis + Lily hatte zwei Dutzend Bilder in ihren Händen und sie konnte damit zwei Stapel bilden und sie wusste, was Louis gemeint hatte. Sie wusste, warum er gekommen war. Sie wusste, warum ihm diese Fotografien so aus der Fassung gebracht hatten, dass er das Verlangen hatte, nach zehn Jahren an ihre Tür zu klopfen und sie zurück zu wollen. Die Bilder teilten sich so eindeutig und klar und unwiderruflich voneinander, wie Öl und Wasser. Sie waren nicht zu verbinden, nicht einmal ein kleines bisschen, und diese Tatsache ließ Lily keine Ruhe. Dabei war es so einfach. Auf einigen der Bilder war sie zu sehen. Und auf einem anderen, viel größeren Teil, nicht. Zunächst hatte sie es nicht verstanden. Die ersten Bilder, die sie betrachtet hatte, waren Bilder nur von Louis und ihr selbst, in Windeln im Gras und mit riesigen Sonnenhüten am Strand. Wenige Bilder, die sie in den lächerlichsten und kindischsten Situationen zeigten, mal nur die beiden, mal mit ihren Geschwistern, Cousins und Cousinen. Und sie hatte geglaubt, dass das alles sei. Das Louis ihr zeigen wollte, wie vertraut sie einmal gewesen sind - was sie einmal hatten. Doch dann folgten andere Bilder: Louis mit Fred, Roxanne, Hugo und Rose auf den Hogwarts-Ländereien, Louis mit Lysander und Lorcan in der Großen Halle, Louis mit seinem Arm um Alice‘ Schultern und einem verliebten Ausdruck in den Augen. Louis, zu Victoires und Teddys Hochzeit. Louis mit dem Rest des Potter-Weasley-Clans, mit Besen in den Händen und kämpferischen Ausdrücken auf den Gesichtern. Louis, mit all den wichtigen Menschen in seinem Leben. Louis ohne Lily. Und plötzlich wurde ihr klar, was ihr ehemaliger bester Freund ihr zeigen wollte. Nicht nur eine einzige Freundschaft, die sie verloren hatte - wessen Schuld auch immer das gewesen sein mag- sondern alle Freundschaften, die sie im Verlauf der letzten Jahre ohne mit der Wimper zu zucken aufgegeben hatte. Und nicht nur das: auch all die Momente, an denen sie nicht teilgehabt hatte. All die wichtigen Ereignisse im Leben ihrer engsten Vertrauten, die sie einfach an sich hatte vorübergehen lassen. All die Familienmomente, die sie verpasst hatte, gerade so, als würde sie nicht mehr zur Familie gehören. Lily wusste was Louis ihr mit diesen Bildern zeigen wollte. Es war das Leben, das sie hätte haben können, wenn sie nicht jede Sekunde eines jeden Tages nur ans Ballett gedacht hätte. Es war das Leben, das sie hätte haben können, wenn sie einen einzigen Augenblick im Jetzt gelebt und die Zukunft einfach auf sich zukommen lassen hätte. Und das Problem war, für einen Augenblick war Lily wütend auf ihren Cousin. Und dann, dann war sie verängstigt und unsicher und sie hatte das Gefühl, dass sie alles hinterfragen müsste. Komischerweise war es das Foto, das Louis und Alice so jung und verliebt und glücklich zeigte, welches Lilys Atmung wieder beruhigte und das wirbelnde Chaos in ihrem Kopf zum Stillstand brachte. Der kurze Moment des Zweifelns war vorüber und Lily konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Louis wusste selbst heute noch, wie er eine Reaktion in ihr auslösen konnte. Als würden die letzten Jahre nicht zählen und alles wäre irgendwie noch genau so wie damals, als sie zwölf Jahre alt waren. Lily schluckte und ihr Gesicht wurde wieder ernst und sie erinnerte sich, dass nichts mehr so war, wie zuvor. Louis hatte sie verlassen und das war alles, was sie dazu noch zu sagen hatte. Wenig später hatte sie die Bilder in einer Schreibtischschublade verstaut und das Nachttischlicht ausgemacht. Die Dunkelheit legte sich wie eine zweite Decke über sie und ihre Augen fielen zu. Sie schlief schnell ein und verschwendete dabei keinen weiteren Gedanken an die Fotografien. Doch in ihren Träumen erlebte sie jeden einzelnen Moment, den sie nicht mit Louis und Hugo und ihren Brüdern und den Scamander-Zwillingen und all ihren Cousinen erlebt hatte. Und sie sah sich selbst mit Louis‘ Arm um ihren Körper geschlungen und mit vor Freunde und Liebe strahlenden Augen. Als sie aufwachte, raste ihr Herz und auf ihrer Stirn klebte der Schweiß und sie versuchte, sich die vielen Träume ins Gedächtnis zurückzurufen, um sie dort zu behalten, doch je mehr sie es versuchte, desto schneller entglitten sie ihr und am Ende war sie dankbar. + Zu ihrer positiven Überraschung schienen die Bilder und jegliche Ablenkung, die mit ihnen verbunden waren, aus ihrem Kopf verbannt zu sein, sobald sie an diesem Montagmorgen das Studio betrat und den anderen Ballerinas freundlich zuwinkte. Sie suchte sich einen Platz an der Stange und begann ihre gewohnten Aufwärmübungen und Ruby gesellte sich bald darauf zu ihr, was zu einem oberflächlichen Gespräch über das vergangene Wochenende führte. „Meine Eltern haben mich besucht und deswegen war ich am Samstag nicht hier um zu trainieren. Dafür habe ich Sonntag zwei Stunden länger gemacht“, sagte Ruby mit ihrer gewohnt sanften Stimme. Lily hörte nur mit halbem Ohr zu, als sie erneut ins Plié ging. „Aber dich habe ich gestern überhaupt nicht gesehen. Ich bin später am Nachmittag zu deinem Studio gegangen, aber das war verlassen. Hast du dir auch mal einen Tag Pause gegönnt?“ „Natürlich nicht“, widersprach Lily und klang dabei gereizter als beabsichtigt. Die Tatsache, dass sie gestern nicht so hart und ausdauernd wie üblich trainiert hatte, setzte ihr noch immer zu und sie wollte sich möglichst nicht daran erinnern. „Ich habe nur etwas früher Schluss gemacht, um meine Großeltern zu besuchen“, setzte sie versöhnlicher hinzu und schenkte Ruby ein schmales Lächeln. „Hattest du denn einen schönen Tag?“, fragte diese mit einem erwiderten Lächeln auf den Lippen und Lily antwortete ihr so kurz und bündig wie möglich, ohne erneut unhöflich und schlecht gelaunt zu wirken. Sie war erleichtert als Madam Cortez mit ihrer Assistentin Valerie in den Ballettsaal trat und das Gemurmel und Geplauder zwischen den Mädchen augenblicklich verstummte. Die Madam begrüßte sie mit ihren üblichen Worten und forderte sie dann auf, mit den bekannten Übungen zu beginnen. Lily stürzte sich übereifrig in die Arbeit. + Am Mittwochabend, nach drei ganzen Tagen, denen Lily nur dem Ballett gewidmet hatte, betrat sie ihre Wohnung und sah sich ihrer Mum gegenüber. Lilys Magen machte einen unangenehmen Hüpfer, als sie die Tür leise hinter sich ins Schloss fallen ließ. Ein schlechtes Gefühl breitete sich in ihren Gliedern aus. Für gewöhnlich hielt ihre Mum über Briefe Kontakt mit ihr. Alles, was sie ihr zu erzählen hatte, quetschte sie auf zahllose Pergamentseiten und jede Einladung zu gemeinsamen Mittagessen oder Familienabenden versendete sie auf ordentlich beschriebenen, kleinen Karten. Ein unangekündigter Besuch am Abend war einfach untypisch. Lilys ungute Vorahnung bestätigte sich drastisch, als Ginny einige Schritte auf sie zutrat und Lily ihr Gesicht erkennen konnte, welches von rotumrahmten Augen gezeichnet war. „Mum“, brachte sie nur schwach hervor und ihre Hände begannen zu zittern und was auch immer über Ginnys Lippen dringen würde, Lily wusste, dass sie es nicht hören wollte. Am liebsten würde sie zurück zur Tür hinaus gehen und dann rennen, rennen, rennen, bis ihre Beine sie nicht mehr tragen konnten. „Oh Lily, Mäuschen, komm her“, begann Ginny und ganz automatisch schloss Lily die Lücke zwischen sich selbst und ihrer Mum, fiel in ihre Arme, obwohl alles in ihr sich dagegen sträubte und sie nur weg wollte. Nach einer schieren Ewigkeit sprach Ginny die gefürchteten Worte aus. „Dein Großvater ist heute Morgen gestorben, Lily. Er ist tot.“ Und Lily wusste nicht, was sie von sich selbst erwartet hatte. Sie hätte niemals im Leben sagen können, wie sie auf eine solche Nachricht reagieren würde und es war auch nicht wichtig, denn nichts in der Welt hätte sie vor dieser Welle voll Schmerz und Unglauben und Verlust bewahren können. Nichts hätte sie schützen können. „Nein“, schluchzte sie in die Schulter ihrer Mum und ihre Hände verkrampften sich in ihrer Bluse und ihr Herz schlug so schnell und schmerzhaft gegen ihren Brustkorb, dass sie nach Luft schnappen musste. „Nein“, sagte sie noch einmal, doch ihre Stimme war kaum in der Lage, die Worte zu formulieren und ihr Körper hatte nicht die Kraft, ihre Beine noch länger aufrecht zu halten. Ginny hielt sie gerade, obwohl Lily schon längst aufgegeben hatte und vollkommen haltlos in ihren Armen lag. Heiße Tränen rannen über ihre Wangen und sie wünschte, sie wäre gerannt, als sie die Chance dazu gehabt hatte. Sie wusste nicht, was dann passierte, nur, dass sie irgendwann in ihrem Bett lag und ihre Mum über ihr Gesicht streichelte und ihre Augen brannten, weil sie jede letzte Träne verweint hatte. Aber sie wusste, dass ihr Großvater ihren Kopf einnahm, als sie in einen unruhigen Schlaf fiel. Und sie fühlte sich plötzlich so allein und verlassen und hoffnungslos. Ihr geliebter, großherziger Opa, der immer an ihrer Seite gestanden und das Ballett so heldenhaft für sie verteidigt hatte - es erschien ihr unlogisch, geradezu unsinnig, dass er in diesem Moment nicht mehr Teil ihrer Welt war. Denn wirklich, sie konnte ihn nur in seinem Sessel vor dem flackernden Kaminfeuer sitzen sehen, mit seiner Lesebrille und einem Buch in den Händen. Lily konnte nicht glauben, dass der einzige Mensch, der sie voll und ganz verstanden hatte, nicht mehr da sein sollte. Sie wusste nicht, wie sie ohne ihren wundervollen Opa die Stärke finden sollte, weiterzumachen, weiterzukämpfen. + Lily erschien wie gewohnt zu ihrem Donnerstagstraining mit Monsieur Mathis. Und es war nicht so, als wäre ihr Großvater es nicht wert, dass sie für ihn eine Pause machte und, anstatt bis zur Ermüdung zu Tanzen, einen Tag im Bett blieb und sich ihrer Trauer hingab. Nur wusste Lily, dass ihr das nicht helfen würde. Sie wusste, dass dies der erste Schritt in die falsche Richtung wäre. Und sie wusste, dass ihr Opa es verstehen würde, verstehen würde, warum sie das so früh am Morgen Haus verließ, ins Studio ging und über Stunden hinweg Schritte, Bewegungen und Abläufe lernte. Ballett war nicht nur ihre Leidenschaft oder nur ihr größter Traum. Ballett war ihr Anker, ihr sicherer Hafen. Ballett war ihre Möglichkeit, Dinge für einen Moment zu vergessen, ihren Blick neu zu fokussieren, Kraft zu schöpfen und weiterzumachen. Ballett gab ihr neue Energie - eine andere Art von Energie, die nicht in Körperkraft und Anstrengung zu messen war. Ballett war nicht nur ihr Ziel, sondern auch ihr Antrieb und Weg dorthin. Also trainierte Lily am Donnerstag und am Freitag, beim Gruppentraining, ließ sie sich für einen Moment von Ruby im Arm halten, bevor sie jeden weiteren, betrüblichen Gedanken aus ihrem Kopf schob und sich konzentrierte. + Der kommende Samstag war der erste seit Monaten, an dem sie ihr freiwilliges Training ausfallen ließ. Stattdessen stand sie eine gute Stunde am Morgen unter der Dusche, ohne das sie es bewusst mitbekam. Das heiße Wasser war wie Balsam für ihre Seele und es war das erste Mal, dass sie darüber nachdenken konnte, dass ihr Großvater tot war und nie mehr wiederkehren würde. Und es tat weh, ja, aber Lily wusste auch, dass dies der Lauf des Lebens war. Und sie wusste, dass Arthur Weasley ein glückliches, erfülltes Leben geführt hatte und das er schmerzlos und zufrieden eingeschlafen war, ohne eine einzige Sorge. Und das war letztendlich doch alles, was sich Lily für ihn jemals wünschen könnte. Sie trocknete ihre Haare mit Hilfe ihres Zauberstabes und ließ sie in natürlichen, glatten Strähnen über ihren Rücken fallen - etwas, dass sie schon seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. Ihre Haare waren immer zu einem festen Knoten gebunden, so dass sie beim Tanzen nicht störten. Es war ungewohnt, immer eine lose rote Strähne vor den Augen zu haben, aber Lily würde den Tag überstehen. In den Tiefen ihres Kleiderschranks, hinter all den Trainingsanzügen und Bodys und Strumpfhosen, fand sie ein schwarzes Kleid, von dem sie nicht einmal wusste, dass sie es besaß. Sie konnte sich nicht erinnern, es jemals getragen zu haben und wusste demzufolge auch nicht, warum sie es jemals gekauft hatte. Natürlich nahm ihr das die Mühe, sich viele Gedanken über ein angemessenes Outfit zu machen. Mit geschlossenem Reißverschluss stellte sie sich schließlich vor den Spiegel und erkannte sich dabei selbst nicht wieder. Wie seltsam, dass eine andere Frisur und neue Kleidung einen Menschen so sehr verändern konnten. Lily mochte es nicht, aber es war eine Ausnahme. Eine einzige Ausnahme, für ihren Großvater. Sie atmete tief durch und sammelte sich, ballte ihre Hände für einen Moment zu Fäusten und verfluchte das Universum, bevor sie mit determinierten Schritten ihre Wohnung verließ und direkt vor der Tür apparierte. + Die Beerdigung fand auf dem Friedhof des Dörfchens Ottery St. Catchpole statt und Lily überblickte sofort, dass unendlich viele Menschen gekommen waren. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust und etwas wie Stolz schwoll in ihr heran. Es berührte sie, dass so viele Menschen ihren Opa gemocht und geschätzt hatten und ihm heute die letzte Ehre erweisen wollten. Er hatte, ihrer Meinung nach, auch nichts anderes verdient. Sie fühlte sich seltsam abgeklärt, als sie auf die Trauergemeinde zutrat und sich zu ihren Eltern stellte, um ihrer Mum die Hand zu halten. Sie sah ihre Tanten, Onkels, Cousins und Cousinen und sie wusste, dass später Zeit dafür sein würde, sich gegenseitig Trost zu spenden. Jetzt ging es nur um Opa Arthur. Die Worte des Predigers kamen ihr stumpfsinnig und leer vor. Es war eine Rede, die man jedem Menschen vortragen könnte - nichts Besonderes, nichts, das ihrem Großvater gerecht werden würde. Aber der Prediger war ein Muggel und Lily wusste, dass allein diese Tatsache ihrem Opa unendliche Freuden bereitet hätte. Lily weinte nicht - nicht, als der dunkle Holzsarg in die Erde gelassen wurde und nicht, als Blumen niedergelegt wurden und nicht, als die meisten Menschen sich langsam verabschiedeten und letztendlich nur noch die Familie und engste Freunde übrig blieben. Sie wusste, dass sie noch lange nicht genug Tränen vergossen hatte, aber dies war nicht der Ort und nicht die Zeit. Nicht für sie. Sie apparierte allein zum Fuchsbau, wo die anschließende Trauerfeier stattfinden sollte. + Hallo! Es tut mir leid, dass es mit dem Kapitel länger gedauert hat, aber ich hoffe, es gefällt euch und natürlich würde ich mich über Meinungen sehr freuen! Danke an alle bisherigen Favorisierer und Kommentierer! :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)