the flood that wrecked our home von Violie (LILY + LOUIS) ================================================================================ Kapitel 1: the universe and you ------------------------------- eins -- the universe and you lily + louis + In Lilys Leben gab es feste Regeln. Regeln, die sie selbst festgelegt hatte. Eine besagte beispielsweise, dass sie sich gesund zu ernähren hatte - kein Fast Food und keine Übermengen, lieber Salat und viel Wasser. Eine weitere untersagte es ihr, Alkohol zu trinken, Drogen zu konsumieren oder Zigaretten zu rauchen. Die nächste schrieb ihr vor, dass sie spätestens zehn Uhr abends zu schlafen hatte, um ihrem Körper die notwendige Ruhe zu gönnen. Dann kamen noch diverse Regeln hinzu, die es für Lily nicht einmal geben müsste, weil sie nicht im Traum daran denken würde, sie zu brechen. Etwa solche wie: habe keinen Freund (der dich ablenken würde), habe keinen Sex (der dir im Nachhinein beim Tanzen Schwierigkeiten bereiten könnte) und ganz besonders bekomme kein Kind (aus den offensichtlichen Gründen). Lily lächelte meist, wenn sie darüber nachdachte. Sie war in ihrem Leben noch niemals verliebt gewesen, hatte deswegen auch keinen Sex und über Kinder würde sie frühestens in fünfzehn Jahr einmal nachdenken. Andere konnten oft nicht nachvollziehen, wie Lily ihr eigenes Leben freiwillig so begrenzen und einschränken konnte und sie hatte immer die gleiche Antwort für jeden der sie fragte, wie sie das eigentlich durchhielt: „Es verlangt viel Disziplin, eine Primaballerina zu werden. Aber das ist mein Traum und deswegen fällt es mir nicht schwer, auf gewisse Dinge zu verzichten. Ich möchte irgendwann auf den größten und schönsten Bühnen der Welt tanzen. Deswegen mache ich das - deswegen trainiere ich von morgens bis abends, achte auf mich und meinen Körper, gebe ihm was er braucht und schütze ihn vor den Dingen, die ihm schaden. Ich will es bis an die Spitze schaffen und mein Körper ist mein Weg dorthin. Wenn ihm etwas passiert, dann ist alles vorbei. Und das würde ich niemals zulassen!“ Nicht wenige Menschen kehrten ihr nach dieser oder ähnlichen Reden sofort den Rücken zu und Lily verstand es, denn sie wirkte bei Merlin nicht immer normal wenn sie über das Ballett sprach. Aber das war schon in Ordnung. Lily hatte vor langer Zeit aufgehört, etwas anderes zu brauchen als das Tanzen. Aber dann kam Louis und das war der erste Tag, das war die erste Regel die sie brach, das war ihr erster Fehler und das war der Anfang des Endes. Irgendwie zumindest. + Lily hatte den ganzen Tag in einem der kleinen Studios der Academy trainiert - allein, denn es war ein Samstag und das bedeutete, dass kaum jemand in der Schule anzutreffen war. An drei Tagen in der Woche hatte sie Privatunterricht bei Monsieur Mathis und ansonsten Übungen mit ihrer Gruppe, bestehend aus sieben Mädchen, alle in etwa in ihrem Alter. Über die Wochenenden war es den Ballerinas freigestellt, zu tun was sie wollten. Lily wusste sehr genau, dass viele der Mädchen an den freien Tagen nach London fuhren und allen Stress in Canterbury zurückließen, um in der Stadt zu feiern, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und die ewig harte Arbeit von sich abschüttelten. Nicht jeder hatte derart strenge Regeln wie Lily selbst. Sie und Ruby waren für gewöhnlich die einzigen Mädchen, die auch am Wochenende in ihren Wohnungen nahe der Schule blieben um weiter zu trainieren. Das war einer der Gründe, warum Lily mit Ruby am besten auskam. Das zierliche, blonde Mädchen war genau so wie sie selbst: überaus ehrgeizig und immer mit dem großen Ziel im Blick. Mit einem fettarmen Joghurt in der Hand und der Wanduhr im Blick saß Lily an diesem Abend auf der Couch. Ihre Füße hingen in einer kleinen Wanne mit heißem Wasser und auf dem Fernseher, den ihr Tante Hermine und Onkel Ron zum Einzug geschenkt hatten, lief eine unsinnige Serie, die Lily manchmal schaute, wenn sie nichts Besseres zu tun hatte. Es war kurz vor neun Uhr und Lily fühlte sich ausgelaugt. Sie war am Morgen schon um sechs Uhr aufgestanden, weil sie keine Ruhe gefunden und sich die ganze Nacht nur herumgewälzt hatte. Für gewöhnlich schlief sie am Wochenende immer bis acht Uhr, bevor sie in die Academy ging, doch heute war sie, nach ihrem üblichen Frühstück (einer Tasse schwarzem Tee und einem Nussriegel), schon halb sieben aufgebrochen. Sie spürte deutlich, wie sehr ihr die zwei Stunden Schlaf fehlten. Isabell, eine der Figuren in der Serie die Lily am meisten verabscheute, schrie gerade tränenreich ihren Mann an, der sie nach zwanzig Jahren Ehe für eine Jüngere verließ (Was für ein Klischee!), als es an ihrer Tür klopfte. Ganz automatisch zogen sich Lilys Augenbrauen zusammen. Das sie Besuch bekam, war eine verdammt seltene Sache, was eventuell daran lag, dass sie nie Zeit hatte und sowieso kaum zu Hause war. Unwillig stellte sie ihren Joghurtbecher ab und trocknete ihre Füße mit einem Schwung ihres Zauberstabes, bevor sie sich erhob und mit leichten Schritten zur Tür ging. Ihre Füße schmerzten heute ungewöhnlich stark, weshalb sie sich das warme Bad gegönnt hatte. Lily hasste es, wenn ihr Körper ihr ihre Grenzen aufzeigte - vielleicht sollte sie sich morgen einen Tag Pause gönnen, doch allein der Gedanke machte sie nervös und rastlos. Sie wusste nicht, was sie erwartete, als sie die Tür öffnete - vielleicht ihre Eltern oder gar Albus, den sie schon seit Wochen nicht gesehen hatte. Sicherlich aber nicht einen Jungen, der vor fast zehn Jahren ihr bester Freund gewesen war und dann von einem Tag auf den nächsten nicht mehr mit ihr gesprochen hatte. Louis‘ Haare waren nass und auf seinen Lippen lag ein schräges Lächeln. Lilys Griff um die Türklinke wurde automatisch fester und sie hatte das Bedürfnis, sich irgendwo anzulehnen, Halt zu suchen. „Hallo Lily“, brach Louis das Schweigen und seine Stimme klang noch genauso sanft wie vor all den Jahren. Lily schluckte und fand es nicht in sich, auf seine Begrüßung zu erwidern. Sie wollte ihm die Tür ins Gesicht schlagen. „Was willst du hier?“, fragte sie mit brechender Stimme und sie konnte nicht glauben, dass er sie nach all der vergangenen Zeit noch immer so durcheinander bringen konnte. Das er nach all den Jahren, in denen er sich so verdammt erfolgreich aus ihrem Leben herausgehalten hatte, noch immer eine solche Wirkung auf sie hatte. „Kann ich reinkommen?“, stellte Louis die Gegenfrage und fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Wassertropfen liefen über seine Stirn und alles an ihm wirkte so vertraut und offen und einladend, dass es Lily fast um den Verstand brachte. Sie schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Nein, ich -- Louis, was machst du hier?“ Sie sah, wie er tief durchatmete und wünschte, er würde sich umdrehen und weggehen. Er hatte seit seinem zwölften Lebensjahr nicht mehr mit ihr geredet und jetzt stand er hier vor ihr und Lily hatte nicht die Kraft dafür, nicht heute und nicht morgen und einfach nie. „Lily, komm schon. Ich will nur -- ich meine, du weißt -- lass uns reden, okay?“ Lily schloss für eine Sekunde die Augen, versuchte sich zu sammeln und ihre Fassung zu behalten, um Louis nicht ins Gesicht zu schreien, was ihr gerade durch den Kopf ging. Nichts war okay. „Was zur Hölle willst du hier?“, fragte sie ein weiteres Mal und die Hand, die sie nicht um die Türklinke geschlungen hatte, verkrampfte sich zur Faust. Sie hatte Mühe ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. „Was denkst du dir dabei, hier einfach aufzutauchen und zu erwarten, dass ich dich in meine Wohnung lasse? Glaubst du wirklich, dass ich auch nur ein Wort hören will, von dem was du mir zu sagen hast?“ Louis schien sich von ihrem ärgerlichen Tonfall nicht abschrecken zu lassen und diese Tatsache machte Lily sprachlos. „Ich weiß, dass ich riesigen Mist gebaut habe“, erklärte er und Lily konnte sich ein ungläubiges Schnauben nicht verkneifen. Das war ja wohl die Untertreibung des Jahrtausends. „Lily, ich will nur -- ich würde wirklich gerne alles wieder in Ordnung bringen.“ „Und du glaubst, dass das so einfach ist?“ Diesmal war es an Louis, den Kopf zu schütteln. „Nein. Nein, natürlich ist das nicht, Lily, das weiß ich selbst. Ich will nur -- ich möchte nur so gerne, dass alles wieder wie früher wird.“ Bevor Lily den Mund öffnen und Louis sagen konnte, dass es nie, niemals wieder so werden würde, wie damals, kramte ihr Cousin einen Stapel Fotografien aus seiner Manteltasche. Lily erkannte auf den ersten Blick nicht, was auf ihnen zu sehen war, nahm nur die Bewegungen der kleinen Personen wahr. „Hier!“ Louis schob ihr die Bilder in die Hand und, überfordert und verwirrt wie sie war, nahm sie sie an. Mit einem halben, zufriedenen Lächeln auf den Lippen trat Louis einen Schritt zurück. „Ich würde sie mir gerne mit dir ansehen, aber da du das ganz offensichtlich nicht willst, schau sie dir selbst an. Ich habe sie letzte Woche bei Mum und Dad auf dem Dachboden gefunden.“ Lily würdigte den Bildern keines Blickes, ihre Augen waren noch immer scharf auf Louis fokussiert. „Was, hast du ein paar schöne Fotos von uns gesehen und plötzlich ist dir eingefallen, dass ich noch existiere? Rührend, Louis, wirklich!“ „Lily, wenn du mir eine Chance geben würdest, ordentlich mit dir zu reden“, begann Louis aufgebracht und seine Schultern hoben sich zu einem hilflosen Zucken. „Ich kann vieles nicht mehr gut machen und meine Erklärung rechtfertigt ganz offensichtlich nicht alles, aber es ist ein Anfang und -- Lily, es ist nicht so, als hätte ich dich aus meinem Leben verbannt und -- “ „Doch“, fiel ihm Lily harsch ins Wort. „Genau das hast du getan!“ Die Bilder in ihrer Hand zitterten. „Plötzlich und ohne irgendeinen Grund. Du hast nicht mehr auf meine Briefe geantwortet, nicht mehr mit mir gesprochen, wolltest mich nicht mehr sehen. Du hast von einer Sekunde auf die nächste aufgehört, mich wahrzunehmen. Also doch, du hast mich aus deinem Leben verbannt. Ein dummer Stapel Fotos kann das nicht wieder gutmachen, genau so wenig wie irgendeine beschissene Erklärung die du mir geben würdest. Nichts macht das wieder gut, Louis. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie ich mich damals gefühlt habe? Ich war zwölf verdammte Jahr alt und -- weißt du was, ich will darüber nicht reden. Nicht jetzt und auch nicht irgendwann anders. Wir sind fertig miteinander, Louis, und das hast du entschieden. Das war dein Wille! Mir egal was für weltbewegende Gründe du dafür hattest, deine beste Freundin zehn Jahre lang zu ignorieren, aber es interessiert mich nicht. Nicht mehr, verstanden? Wir sind fertig miteinander!“ Lilys Herz raste, als sie einen Schritt zurücktrat und die Tür in Louis‘ Gesicht schmiss. Sie fiel erstaunlich leise ins Schloss und Lily wusste, dass hinter ihrem Stoß nicht besonders viel Kraft gelegen hatte. Mit wackelnden Knien und bebenden Lippen sank sie auf den Boden. Sie fühlte sich so verletzt wie seit Jahren nicht mehr und sie hasste Louis dafür, dass er ihr das antat. Es dauerte eine Weile bis sie sich aus ihrer verkrampften Position erheben konnte und als sie auf die Uhr schaute, war es schon nach zehn Uhr. Sie wusste, dass sie ins Bett gehen sollte und sie fühlte sich furchtbar, weil sie ihre Regel gebrochen hatte, doch alle Müdigkeit war aus ihren Gliedern verschwunden und ihre Atmung ging noch immer zu schnell, zu hastig. Sie schloss die Augen und zählte langsam bis zehn, in der Hoffnung ihren Körper irgendwie zu beruhigen. Es funktionierte mäßig gut. Mit festen Schritten ging sie anschließend in die Küche, spürte die Schmerzen in ihren Füßen nicht einmal, zog dort eine der Schubladen neben dem Herd auf und schmiss die Bilder emotionslos hinein. Sie schaute nicht auf das sich bewegende, bunte Chaos, das nach ihrer Aufmerksamkeit verlangte, und stieß die Lade wieder zu. Zurück im Wohnzimmer griff sie nach ihrem Zauberstab, räumte alle Spuren des vergangenen Abends beiseite und löschte die Kerzen und Lichter mit einem gemurmelten „Nox“. Im Dunklen tastete sie sich ihren Weg ins Schlafzimmer. Sie machte sich nicht die Mühe, ihren Schlafanzug anzuziehen, fiel einfach in die weichen Decken und Kissen auf ihrem kleinen Bett und kniff die Augen fest zusammen. Der Schlaf ließ auf sich warten und Louis wirbelte durch jeden einzelnen ihrer verworrenen Träume. Und das war Tag eins. + Ich hoffe, das erste Kapitel hat euch gefallen. Vielen Dank für das Feedback und hoffentlich bis zum nächsten Kapitel! :) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)