Auf den ersten Blick von -Luna- ================================================================================ Kapitel 2: OS - Auf der ersten Blick (Mamoru's Sicht) ----------------------------------------------------- Wie eigentlich jeden Tag hatte ich auch heute wieder meinen Stammplatz direkt am Tresen im Crown eingenommen, um meinen heißgeliebten Kaffee zu trinken und ein paar Neuigkeiten mit meinem besten Freund Motoki auszutauschen. Nach einer nervenaufreibenden und stressigen Frühschicht im Jubaan Krankenhaus war dies genau das, was ich jetzt brauchte. Heiß dampfend stand dieses herrliche Getränk nun vor mir und ich sog das angenehme Aroma tief durch die Nase ein. »Und gibt es etwas Neues bei dir und Reika?« Ich griff nach meinem Kaffee, nahm einen Schluck und blickte die Antwort abwartend neugierig zu Motoki. »Ob du es glaubst oder nicht, aber sie hat tatsächlich ja gesagt!« Freudestrahlend beugte er sich über den Tresen zu mir. Ich ahnte, was jetzt folgen würde, denn seine Augen leuchteten fast wie bei einem Kind, was zu Weihnachten gerade das tollste Geschenk aller Zeiten bekommen hatte. »Ich habe ja schon fast nicht mehr damit gerechnet, aber sie hat mir vorhin eine SMS geschickt, dass sie sich freuen würde, mit mir heute Abend zur Party zu gehen. Ist das nicht großartig?« Ich nickte schmunzelnd und nahm einen weiteren Schluck meines Kaffee's. Scheinbar kam Motoki gerade so richtig in Fahrt und schwärmte in den höchsten Tönen vom Objekt seiner Begierde. Schon vor Längerem hatte er ein Augen auf Reika geworfen, sich jedoch nie wirklich getraut, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und sie auf einen Kaffee einzuladen. Doch nun hatte er endlich den Mut gefasst und wurde belohnt. Seine derzeitige Hochstimmung sorgte auch dafür, dass er mal wieder wie ein Wasserfall und ohne Punkt und Komma redete, was wiederum dafür sorgte, dass ich nach kurzer Zeit ein wenig abschaltete. Sekunden später fuchtelte Motoki wild mit den Händen vor meinem Gesicht herum, ehe ich überhaupt registrierte, dass er mir eine Frage gestellt hatte. Irgendwie war ich genau ab dem Moment vollständig abgelenkt, als sich die Glastüren vom Crown automatisch geöffnet hatten und dieser blonde Engel eingetreten war. Ich musste scheinbar Sekundenlang total weggetreten sein, als sie schnurstracks an mir vorbei lief und sich an einen der hinteren Tische setzte. »Entschuldige Motoki, was hast du gerade gesagt?« »Ich habe dich gefragt, ob du nun eine Begleitung für heute Abend gefunden hast oder doch alleine kommst?«, wiederholte Motoki und schaute mich dabei stirnrunzelnd an. »Und nun raus mit der Sprache, was gerade der Grund deiner geistigen Abwesenheit war.« Ich drehte mich auf meinem Stuhl ein wenig seitlich, damit ich das Crown besser überblicken konnte. Wieder glitt mein Blick zum Tisch, an dem das blonde Mädchen Platz genommen hatte. Ich konnte meine Augen kaum von ihr nehmen, so sehr hatte mich ihr Anblick bereits in der ersten Sekunde ihres Eintretens verzaubert. So unauffällig wie möglich musterte ich sie genauer. Betrachtete ihre langen blonden Haare, ihr wunderschönes Gesicht mit den großen blauen Augen, der kleinen Stupsnase und den sinnlichen Lippen. Mein Blick wanderte tiefer und ich bestaunte ihre endlos langen Beine, die Dank des kurzen blauen Rocks gut sichtbar unter dem Tisch hervor lugten. Hey, ich war schließlich auch nur ein Mann... Und dann blickte sie genau in diesem Moment hoch und stutzte kurz, als sich unsere Blicke trafen, ehe sie an mir vorbei blickte und Motoki ein kurzes Handzeichen gab. Langsam drehte ich mich wieder zum Tresen zurück und verfolgte, wie Motoki still vor sich hin grinsend einen Milchshake zusammenmixte und in ein großes Glas füllte. Ohne dass ich bisher auf seine Nachfrage geantwortet hatte, war mir klar, dass ich mich wohl mit meinem Verhalten bereits verraten hatte. Immerhin hatte ich mich, was Frauen anging, bisher doch sehr bedeckt gehalten. »Kennst du sie?« »Natürlich. Bunny ist neben dir eine meiner ältesten Freunde.«, antwortete dieser noch immer breit grinsend und nahm den fertigen Milchshake, um ihn zu ihr zu bringen. Überrascht schaute ich ihm hinterher und nahm nur am Rande wahr, wie er ihr den Milchshake hinstellte und wieder zurückkam. Meine Gedanken spielten auf einmal völlig verrückt und ich fragte mich mehrfach, wie es denn sein konnte, dass sie mir bisher nie aufgefallen war. Wieso waren wir uns bisher nie über den Weg gelaufen? Oder hatte ich einfach nur Tomaten auf den Augen gehabt? Jedenfalls konnte ich es mir einfach nicht erklären und ertappte mich schon wieder dabei, wie ich den Kopf zur Seite drehte, um einen Blick auf sie erhaschen zu können. Zu meiner Verblüffung schaute sie ebenfalls gerade zu mir und schien mich mit unverhohlener Neugier zu mustern. Ich erwiderte ihren Blick und versank regelrecht in ihren strahlend blauen Augen. Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, in denen wir uns einfach nur anschauten und ich hätte wahrscheinlich nicht mal registriert, wenn eine Horde Nashörner an mir vorbei gezogen wäre. Doch dann drehte sie lächelnd den Kopf weg und verbarg ihr Gesicht vor mir. Bevor ich mich darüber wundern konnte, registrierte ich ihre Verlegenheit. Eine leichte Röte hatte sich auf ihre Wangen gelegt und ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie war einfach nur hinreißend... »Möchtest du deinen kalten Kaffee noch austrinken oder soll ich dir einen neuen bringen?«, riss mich Motoki nun aus meinen Gedanken. Neugierig wie er nun einmal war, hatte er mich die ganze Zeit beobachtet, nachdem er angefangen hatte seine Gläser zu polieren. Sein Grinsen reichte fast von einem Ohr zum Anderen und ich wollte gar nicht wissen, was gerade in seinen Kopf vorging. Oft genug hatte er die absurdesten Ideen und leider genauso oft musste ich das ausbaden, was er verzapft hatte. Um daher nicht schon wieder ein Opfer seiner verrückten Aktionen zu werden, griff ich nach meinem Portemonnaie und erhob mich von meinem Barhocker. »Ich denke, ich werde jetzt langsam den Heimweg antreten und mich auf's Ohr hauen. Aber vorab sag mir doch bitte, was du für meinen Kaffee und den Milchshake bekommst.« »Schade, dass du schon gehst. Ich hätte dir auch eine weitere Tasse heißen Kaffee direkt an Bunny's Tisch gebracht.« Er zwinkerte mir kurz zu und strich dann den Milchshake von seinem Notizblock auf dem er alle Bestellungen notierte. »Das macht dann für beide Getränke 818,419 JPY.« Ich legte ihm das Geld hin und schnappte meine schwarze Lederjacke. «Wir sehen uns dann heute Abend, sofern du mit Reika überhaupt soweit kommst.« Ich klopfte ihm grinsend auf die Schulter und ging dann zum Ausgang. Doch ehe ich nach draußen trat, drehte ich mich noch einmal zu ihr. Ich wollte noch einen letzten Blick auf sie erhaschen, ihr noch einmal kurz in ihre Augen schauen... Und als hätte sie meine Gedanken vernommen, hob sie gerade ihren Kopf und ich warf ihr einen kurzen aber vielsagenden Blick zu. Nie zuvor hatte mich eine Frau so verzaubert, wie sie. Und tatsächlich war sie - ich glaube, Motoki hatte sie Bunny genannt - seit Langem die Erste gewesen, die ernsthaft mein Interesse hatte wecken können und die mich mit einem einzigen Blick vollständig in ihren Bann gezogen hatte. Ich musste sie wiedersehen, komme was wolle. Bevor ich das Crown endgültig verließ, zwinkerte ich ihr noch einmal zu. Mir war natürlich bewusst, dass ich sie damit erneut in Verlegenheit brachte und ich genoss es, solch eine Wirkung auf sie zu haben. Grinsend wandte ich mich ab, schwang meine Lederjacke über die Schulter und trat nach draußen, während ich mir sicher war, dass sie mir hinterher blickte. Zu Hause angekommen, entledigte ich meiner Schuhe und Klamotten. Ich brauchte einfach dringend eine Dusche zur Entspannung und um den Krankenhausgeruch los zu werden. Es war ja nicht so, dass ich meinen Job nicht mochte; aber an manchen Tagen war es in der Notfallaufnahme im Unfallkrankenhaus einfach nur Kräftezehrend und Zermürbend. Tag für Tag kämpfte ich dort in der alltäglichen Hektik um das Leben von Menschen, verarztete ihre Wunden und war zeitgleich Seelsorger. Sicherlich sollte man nach erfolgreicher Approbation als Arzt keine großen Ansprüche stellen, doch ich hatte als Jahrgangsbester andere Vorstellungen, als dauerhaft in der Notaufnahme tätig zu sein. Daher war ich vor wenigen Wochen auch einer Empfehlung meines damaligen Uni-Professors gefolgt und hatte mich auf eine Stelle als Assistenzarzt für die Kinderstation im Shirakaba-dai-Krankenhaus von Sapparo beworben. Bisher hatte man mir aber lediglich mitgeteilt, dass man sich bezüglich eines Termins für ein persönliches Gespräch kurzfristig mit mir in Verbindung setzen würde. Nachdem ich meine Sachen in der Waschmaschine verstaut hatte, trat ich unter die Dusche. Heiß prasselte das Wasser auf mich nieder und ich ließ die letzten Stunden noch einmal Revue passieren, während ich mit geschlossenen Augen an den Fliesen lehnte. Wieder kamen mir die großen strahlend blauen Augen in den Sinn und ich nahm mir vor, Motoki noch heute Abend zu Bunny zu befragen und Näheres über sie zu erfahren. Vielleicht bestand ja die Chance, dass ich sie alsbald kennenlernen konnte... Über mich selber verwundert, schüttelte ich lachend den Kopf und trat, nachdem ich mich eingeseift und abgeduscht hatte, vor die Badewanne. Sofort griff ich nach dem bereitliegenden Handtuch und schlang es um meine Hüften, als das Telefon im Flur klingelte. »Chiba? ... Mit wem spreche ich? ... Ja, das wäre wunderbar! ... Ok, vielen Dank für Ihren Anruf. Bitte schicken Sie mir die weiteren Daten per eMail an "m.chiba@mail.yahoo.co.jp". Auf Wiederhören.« Zufrieden legte ich auf, denn ich war meinem persönlichen Ziel gerade ein Stück näher gekommen. Es war also definitiv die richtige Entscheidung gewesen, da man mir bereits indirekt für die Stelle in Sapparo zugesagt hatte. Von den Geschehnissen des heutigen Tages ein wenig beflügelt, nahm ich eine Melodie vor mich hinsummend mein Mineralwasser aus der Küche und verschwand im Schlafzimmer, um noch etwas zu schlafen. Doch es war in diesem Moment fast unmöglich zur Ruhe zu kommen, denn immer wieder hatte ich sie vor Augen. Nach einer halben Stunde lag ich immer noch hellwach in meinem Bett und starrte an die Decke. Auch das allseits bekannte Schäfchen zählen hatte bisher nicht geholfen. Im Endeffekt konnte ich später schon gar nicht mehr sagen, wann ich dann doch endlich mal eingeschlafen war. 4 1/2 Stunden später machte ich mich langsam für die bevorstehende Party bei Diamond und Esmeraude fertig. Ich schlüpfte in meine Bluejeans, schnappte mir ein schwarzes Shirt und zog meine Lederjacke drüber. Im Flur stand ich noch kurz vor dem Spiegel und richtete meine vom Nickerchen ein wenig durcheinander geratenen Haare, ehe ich nach meinem Schlüssel griff und die Tür hinter mir zuzog. Ich freute mich drauf, meine ehemaligen Kommilitonen alle wiederzusehen und war sicher, dass der Tag mit der Party einen würdigen Abschluss finden würde, zumal ich wusste, was mich dort erwarten würde. Sie hatten es schon immer verstanden unvergessliche Partys zu schmeißen und oft genug waren Motoki und ich erst bei Morgengrauen wieder daheim gewesen. Die Nachmittagssonne stand bereits tief und ich setzte meine Sonnenbrille auf, als ich von der U-Bahn-Station die Treppe nach oben lief. Nicht einmal die vielen gestressten und genervten Menschenmassen, die gerade ihren Feierabend antraten und nur noch nach Hause wollten, konnte meiner guten Laune etwas anhaben. Normalerweise mied ich den öffentlichen Verkehr um diese Zeit, denn oft genug kassierte man Ellenbogen in den Rippen oder irgendwelche fremden Frauen waren der Meinung ihre Finger nicht bei sich lassen zu können. Doch zum Glück war ich heute davon verschont geblieben und so lief ich gelassen den Rest zu Fuß, denn das Anwesen von Diamond und Esmeraude war zum Glück nicht weit von der U-Bahn-Station entfernt. Schon von Weiten konnte ich laute Musik und fröhliches Gelächter hören, während mir der Duft von frisch gegrilltem Fleisch in die Nase stieg. Sofort meldete sich mein Magen zu Wort, denn ich war bisher nicht wirklich dazu gekommen, etwas zu essen. Nachdem ich das riesige Anwesen betreten hatte, dauerte es keine 5 Sekunden bis Esmeraude mich entdeckt hatte. Freudestrahlend kam sie auf mich zugelaufen und umarmte mich herzlich. »Mamoru. Schön, dass du es doch geschafft hast. Los komm, Diamond wird sich ebenfalls freuen, dich zu sehen.« Ich hatte gar keine Gelegenheit etwas zu erwidern, da hatte sie schon meine Hand gepackt und mich mit sich gezogen. Diamond unterhielt sich gerade unweit der Cocktailbar mit Petzite, als er uns erblickte. »Ach, der werte Herr Doktor Chiba hat den Weg ja doch noch gefunden. Es freut mich, dich mal wieder zu sehen mein Freund.« Kurz klopfte er mir auf die Schulter, bevor ich auch Petzite begrüßen konnte, die sich dann aber direkt entschuldigte und zurück im Haus verschwand. Ich überblickte kurz die Anwesenden und hoffte, Motoki und Reika irgendwo ausmachen zu können. Tatsächlich erblickte ich die Beiden keine Minute später und schmunzelte. Sie hatten es sich auf einer der Sitzgelegenheiten bequem gemacht und knutschten wie zwei verliebte Teenager. Ich beschloss, sie vorerst nicht zu stören, in der Hoffnung, dass sie schon irgendwann von einander ablassen würden. »Möchtest du etwas trinken, Mamoru? Du kannst dir an der Bar einen Cocktail mixen lassen oder etwas anderes zu trinken holen, wenn du magst.« Esmeraude deutete auf die riesige auf Hochglanz polierte Theke und ich blickte kurz hinüber. Mein Herz setzte einen Moment aus, um dann sofort schneller zu schlagen, als ich erkannte, wer dort an der Bar saß und einen Cocktail trank. Nur, wie war das möglich, dass sie hier war? Natürlich war mir die Antwort darauf sofort klar gewesen... Motoki! Ich musste ihm später unbedingt danken. Schon im nächsten Augenblick hatte Bunny mich ebenfalls entdeckt und ich konnte an ihrem Gesichtsausdruck erst nicht recht erkennen, ob sie sich freute, mich wiederzusehen. Doch schon in der nächsten Sekunde schenkte sie mir ein zaghaftes Lächeln, was mein Herz berührte. Sie war einfach umwerfend und ich konnte nicht anders als ihr Lächeln zu erwidern. Kurz ließ ich meinen Blick über ihre Erscheinung gleiten und registrierte dieses wahnsinnig kurze rote Kleid, dass sie trug. Himmelherrgott, ich konnte meine Augen kaum von ihren übereinander geschlagenen Beinen nehmen. Doch dann fiel mein Blick direkt neben Bunny und ich sah Saphir, der sie unverhohlen von der Seite musterte. Obwohl ich sie noch nicht einmal wirklich kannte, konnte ich die aufsteigende Eifersucht einfach nicht unterdrücken. Missmutig und mit zusammengekniffenen Lippen sah ich, wie er mit einem breiten Grinsen etwas zu ihr sagte und sie sofort darauf antwortete. War sie doch nicht mit Motoki gekommen? Hatte ich mich etwa getäuscht und sie gehörte bereits zu Saphir? Ich wandte mich wieder den beiden Gastgebern zu und erkundigte mich nach ihren Zukunftsplänen. Freudestrahlend berichtete mir Esmeraude nun, dass sie bereits im vierten Monat schwanger war. Ich beglückwünschte die Beiden und wünschte ihnen von Herzen alles Gute. Es freute mich wirklich sehr, denn ich wusste von ihrem bisher unerfüllten Kinderwunsch. Während Esmeraude mir nun von ihren Schwangerschaftsgelüsten berichtete, hörte ich schon nur noch mit halben Ohr zu, denn im Augenwinkel sah ich Bunny an uns vorbei laufen. Neugierig blickte ich ihr hinterher wie sie auf den Seiteneingang in Richtung der Toiletten zusteuerte und ertappte mich dabei, wie ich ihr ungeniert auf den Po starrte. Was hatte sie nur an sich, dass ich mich wie ein liebestoller Gockel aufführte? Nachdem sie im Gebäude verschwunden war, drehte ich mich wieder zurück und sofort fiel Saphir in mein Blickfeld. Er hatte ihr scheinbar ebenfalls hinterher gegeifert und lächelte mir nun siegessicher entgegen. Plötzlich war ich nicht nur eifersüchtig sondern auch wütend. Wütend auf mich, dass ich sie nicht schon am Nachmittag im Crown angesprochen hatte und dass Saphir nun den Platz an ihrer Seite eingenommen hatte. Warum nur meinte es das Schicksal mal wieder nicht gut mit mir? Die Hände zu Fäusten geballt, entschuldigte ich mich bei den beiden Gastgebern und lief ein Stück in den hinteren Teil des Gartens. Hier fand ich gerade ein wenig Ruhe, nachdem gerade so viele unterschiedliche und verwirrende Gefühle von mir Besitz ergriffen hatten. Hier genoss ich einfach nur die Natur und beruhigte mich ein wenig, als ich zu diesem kleinen mit Rosenranken behangenen Pavillon kam, den ich schon bei früheren Partys immer wieder aufgesucht hatte. Gerade blühten unzählige der roten Rosen und der intensive Rosenduft stieg mir unweigerlich in die Nase. Um ins Innere zu kommen, musste ich jedoch erst eine tief hängende Ranke beiseite schieben. Kurz schloss ich die Augen und atmete tief durch. Ich hing gerade meinen Gedanken nach, als ich Schritte hörte und blickte überrascht auf, als ich ihm Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Neben der herunterhängenden Ranke erschien nun tatsächlich Bunny. Ich konnte es kaum glauben. War sie mich etwas suchen gegangen? »Oh entschuldige, ich wollte dich nicht stören...«, stammelte sie unsicher und wollte scheinbar gerade den Rückzug antreten. Doch ehe sie sich abwandte, machte ich auch schon einen Schritt auf sie zu. »Nein, warte... Bitte geh nicht!« Ich griff nach ihrem Handgelenk und hinderte sie so am weglaufen. Erschrocken blickte sie erst auf ihr Handgelenk, dass ich noch immer umklammert hielt und dann direkt hoch in mein Gesicht. Sofort ließ ich sie los, denn sie blickte mich mit weit aufgerissenen Augen an. »Es hat mich gefreut, dass ich dich hier wiedergesehen habe und ich würde mich nun freuen, wenn du mir etwas Gesellschaft leistest. Natürlich nur, wenn du magst…!?« Ich schaute sie fragend an und seufzte erleichtert, als sie zur Bestätigung kurz nickte. Minutenlang standen wir einfach nur beieinander, ehe sie einen Schritt auf eine der am Pavillon herabhängenden Ranken zu ging. In Gedanken versunken berührte sie eine der Rosenblüten und ich konnte es noch immer nicht glauben, dass sie gerade hier bei mir war. So nah, dass ich nur einen Schritt hätte machen müssen, um meinen Drang nachzugeben, sie in meine Arme zu ziehen und zu küssen. Ich verfolgte, wie ihre Finger vorsichtig über die Blüte strichen. »Schön, nicht?«, fragte ich in die Stille und registrierte, wie sie aus ihren Gedanken hochschrak. »Hmmm?« Sie war sichtlich irritiert und schaute mich nun fragend an. Ich trat direkt neben sie und zeigte auf die Blüte, die sie gerade sachte mit ihren Fingerspitzen berührte. »Die Rosen. Sie sind meine Lieblingsblumen.« Ich lächelte sie an und mein Herz schlug Purzelbäume, als sie mir in die Augen schaute und ebenfalls lächelte. Nach anfänglicher Unsicherheit war sie nach und nach ein wenig aufgetaut und wir hatten festgestellt, dass wir zwar einige Gemeinsamkeiten aber auch unzählige unterschiedliche Ansichten hatten, über die wir angeregt diskutierten. Ich genoss ihr herzliches Lachen, als ich ihr sagte, dass ich für Schokolade sterben würde und stimmte mit ein, als sie mir gestand, dass es ihr ebenfalls so erging. Es war seltsam, denn schon nach dieser kurzen Zeit spürte ich eine unglaubliche Verbundenheit zu Bunny. Hatte ich mit ihr endlich mein passendes Gegenstück gefunden? Wir unterhielten uns über Gott und die Welt und waren so vertieft in unser Gespräch, dass wir völlig die Zeit vergaßen und es schon langsam dämmerte. Tatsächlich registrierten wir erst, dass wir schon eine Weile hier saßen, als sich Bunny's Magen lautstark bemerkbar machte. Beschämt hielt sie sich sofort die Arme vor den Bauch, doch auch mir ging es ähnlich. Der anfängliche Hunger war in dem Moment vergessen gewesen, als ich sie an der Cocktailbar bemerkt hatte. »Wollen wir wieder nach vorne? Ich würde sagen, wir könnten beide dringend etwas zu Essen gebrauchen.« Ich hielt ihr meine Hand hin um sie von der Bank auf die Füße zu ziehen. Plötzlich stand sie so nah vor mir, dass ich die Wärme ihres Körpers spüren und ihren süßlichen Duft wahrnehmen konnte. Mit großen blauen Augen blickte sie zu mir auf, als ich ihr eine der Rosen ins Haar schob, die ich zuvor behutsam von den Ranken entfernt hatte. Mit den Fingerspitzen berührte ich dabei sanft ihre Wange und am liebsten hätte ich sie noch näher an mich gezogen. Doch ich griff nur nach ihrer Hand und zog sie mit mir... Als wir wieder vorn ankamen, streifte uns Saphir’s Blick und nun war ich es, der siegessicher lächelte. Doch es lag nichts Böses in seinem Blick. Nein, er nickte mir nur freundlich zu und widmete sich dann wieder seinem Gesprächspartner. Nach dem Bunny und ich etwas gegessen hatten, nahmen wir an der Feuerstelle Platz. Da die Sonne mittlerweile untergegangen war, waren das Lagerfeuer und diverse Fackeln ringsherum die einzigen Lichtquellen. Ich erzählte von meinem erfolgreich beendeten Studium und meiner Arbeit im Krankenhaus, während sie mir aufmerksam zuhörte. Das Flackern des Feuers spiegelte sich in ihren Augen wieder und ein angenehm warmes Gefühl durchströmte mich bei ihrem Anblick. Ein kurzer Luftzug ließ sie dann jedoch erschauern, denn ihre dünne Jeansjacke schien nicht sonderlich warm zu halten. Fröstelnd schlang sie die Arme um ihren Körper, was mir natürlich nicht verborgen blieb. Schnell zog ich meine Lederjacke aus, um sie ihr über die Schultern zu legen. »Danke!«, sagte sie nun leise und schmiegte sich in meine Jacke. Mittlerweile waren wir schon fast die Letzten auf der Party und als auch Motoki und Reika sich verabschiedeten, beschlossen Bunny und ich ebenfalls, uns langsam auf den Heimweg zu machen, auch wenn ich es ein wenig bedauerte, dass der schöne Abend schon rum war. Ich schüttelte mit dem Kopf, als sie mir meine Jacke wiedergeben wollte. »Ich bring dich noch nach Hause, Bunny.« Auffordernd hielt ich ihr meinen Arm hin, sodass sie sich unterhaken konnte. Der Weg zu ihrer Wohnung verlief schweigend und als wir vor dem Eingang standen, blickte sie verlegen auf den Boden. Ich wartete darauf, dass sie etwas sagen würde, denn auch mir fiel es schwer, mich von ihr zu verabschieden. Wie sollte ich ihr bloß zu verstehen geben, dass ich sie gerne wiedersehen würde, ohne dass es blöd klang? Unsicher standen wir uns minutenlang einfach nur gegenüber und ich blickte abwartend auf sie herab. Noch immer hielt sie den Kopf gesenkt und rührte sich nicht. Entschlossen machte ich nun einen Schritt auf sie zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht, Bunny. Ich danke dir für den schönen Abend!«, flüsterte ich nah an ihrem Ohr, ehe ich mich langsam von ihr entfernte und schweren Herzens los lief. »Mamoru, warte! Was ist mit deiner Jacke?«, rief sie mir hinterher. Beim Laufen drehte ich mich noch einmal kurz um und zwinkerte ihr zu. »Sieh es als Pfand dafür, dass wir uns sehr bald wiedersehen.«, antwortete ich ihr und verschwand lächelnd um die nächste Straßenecke. Zu Hause angekommen fiel ich geradewegs ins Bett und war binnen Sekunden eingeschlafen. Tatsächlich aber hatte mir mein Körper nur wenige Stunden Schlaf gegönnt, ehe ich wieder hellwach in meinem Bett lag und die Decke anstarrte. Jegliche Versuche noch einmal einzuschlafen scheiterten und so beschloss ich, es mir mit einer Tasse Kaffee und meinem Laptop auf dem Balkon gemütlich zu machen. Der Himmel war vom Sonnenaufgang in ein sattes Rot-Orange getaucht und die Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht, als ich nach draußen trat. Ich streckte mich genüsslich in meinem Liegestuhl und griff nach meinem Kaffee. Die Ruhe um diese Zeit war himmlisch und gedankenverloren ließ ich meinen Blick über die Skyline von Tokyo wandern. Irgendwo unter diesen Dächern schlummerte Bunny und der Gedanke an den gestrigen Abend ließ mich lächeln. In der Zwischenzeit war mein Laptop gestartet und ich rief mein eMail Programm auf. Freudig nahm ich zur Kenntnis, dass ich für den Folgetag um 13:00 Uhr eine Einladung für ein persönliches Gespräch mit dem Chefarzt der Kinderstation hatte. Dessen Sekretärin hatte mir bereits am Telefon in Aussicht gestellt, dass ich bei meinem bevorstehenden Gespräch vielleicht sogar schon meinen befristeten Arbeitsvertrag unterschreiben könne. Um Zeit zu sparen buchte ich das Ticket für die Hin- und Rückfahrt mit dem Hokutosei* (jap. 北斗星) Online. So konnte ich gewährleisten, dass ich ausgeschlafen und vor allem pünktlich am Vormittag in Sapparo ankam und auch meine Rückfahrt problemlos antreten konnte, ohne dafür fast 20 Stunden vom Tag zu verschenken, wenn ich mit dem Shinkansen gefahren wäre. Um 19:03 Uhr stieg ich im Bahnhof Ueno in den Hokutosei und begab mich direkt in mein Schlafabteil. Die Hinfahrt verlief ohne Probleme und Zwischenfälle, sodass ich pünktlich um 11:15 Uhr in Sapparo eintraf und sogar noch Zeit für ein ausgiebiges Frühstück hatte. Ganz in der Nähe des Shirakaba-dai-Krankenhauses hatte ich dafür in einem kleinen Café Platz genommen und genoss noch eine Tasse Kaffee, bevor ich mich langsam auf dem Weg zu meinem Termin machte. Auch der Termin mit dem Chefarzt verlief äußerst zufriedenstellend, doch entgegen meiner Erwartungen hatte ich noch keinen Arbeitsvertrag erhalten. Bereits gegen 15:00 Uhr hatte ich das Krankenhaus wieder verlassen und schlenderte noch ein wenig durch die Straßen von Sapparo, um bis 17:00 Uhr ein wenig die Zeit zu überbrücken. Um 17:15 Uhr ging es endlich los und ich nutzte den Abend und die Ruhe in meinem Schlafabteil, um noch etwas für die Arbeit zu recherchieren. Zu später Stunde übermannte mich dann aber doch der Schlaf. Die Ansage des Schaffners, dass wir in circa 30 Minuten Tokyo erreichen würden, riss mich aus einem wirren Traum. Völlig desorientiert blickte ich kurz um mich, ehe ich registrierte, dass ich mich noch immer im Hokutosei befand und gleich aussteigen musste. Schnell schnappte ich meine Reisetasche, verstaute meinen Laptop und griff nach meiner Jacke, denn wir fuhren bereits im Bahnhof Ueno ein. Nachdem ich meine Reisetasche zu Hause abgestellt und mich umgezogen hatte, beschloss ich noch einen Abstecher ins Crown zu machen. Auf dem Weg dorthin kam ich an einem kleinen Blumenladen vorbei und sofort fielen mir die roten Rosen auf. Wieder dachte ich an Bunny und ehe ich mich versah, hatte ich eine der Rosen gekauft. Ich musste sie endlich wiedersehen und nahm mir vor, ihr nach einem Kaffee im Crown einen Besuch abzustatten. Doch es kam wie immer unerwartet, denn als ich das Crown betrat, entdeckte ich Bunny bei Motoki an der Bar. Sie wirkte traurig und ich erkannte, dass sie meine Lederjacke bei sich trug. Womöglich hatte sie die letzten Tage hier auf mich gewartet und das schlechte Gewissen plagte mich plötzlich. Schließlich waren seit unserem gemeinsamen Abend bereits drei Tage vergangen, in denen ich mich nicht bei ihr gemeldet oder mich im Crown hatte blicken lassen. Ich trat hinter sie und hielt ihr die Rose direkt vor das Gesicht. »Warum so traurig?«, fragte ich, auch wenn ich wusste, dass es wegen mir war. Nachdem Bunny realisiert hatte, dass ich es war der hinter ihr stand, sprang sie vor Freude regelrecht vom Barhocker auf und nahm lächelnd die Rose entgegen. »Ich muss doch noch meinen Pfand einlösen.«, sagte ich und blickte schmunzelnd auf sie hinab. Sie nickte verstehend und griff nach meiner Jacke, die sie mir nun reichte. Wir setzten uns an einem der Tische gegenüber und schauten uns für einige Sekunden einfach nur in die Augen, bis ich mich kurz räusperte. »Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt blicken lasse. Aber ich hatte noch etwas Wichtiges zu klären und bin erst heute wieder zurückgekommen.« Entschuldigend schaute ich zu ihr. »Jetzt bist du ja da...« entgegnete Bunny leise und lächelte schüchtern. Mein Herz quoll in diesem Moment über vor Glückseligkeit. In den folgenden Tagen verbrachten wir jede freie Minuten miteinander. Ich kochte oft für uns, nachdem ich festgestellt hatte, dass Bunny in dieser Hinsicht völlig talentfrei war und eher alles in Brand gesetzt hätte, als etwas Essbares zu zaubern ... Wir schauten DVD’s, diskutierten stundenlang oder unternahmen irgendetwas. Es war einfach schön in ihrer Nähe zu sein und ich genoss es in vollen Zügen. Sie hatte mein Leben mit ihrer wundervollen Art und Herzlichkeit bereichert und ich fühlte mich so wohl wie nie zuvor. Und doch hing ein kleiner Schatten die ganze Zeit über dieser unbeschwerten Zeit... Ich konnte die Tatsache, dass ich bald weg war, nicht länger von mir weg schieben und war dementsprechend bedrückt, als der Tag meiner Abreise immer näher kam. Bisher hatte ich mich jedoch nicht überwinden können, Bunny davon zu berichten. Es kam der Freitagabend vor meinem letzten Wochenende in Tokyo und scheinbar spürte sie, dass mit mir etwas nicht in Ordnung war. Bisher war ich ihr jedoch ausgewichen, doch als ich in die Küche verschwand um den Wein zu holen, kam sie mir direkt nachgelaufen. »Was ist los, Mamoru?«, fragte sie und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Kühlschrank, an den ich gerade wollte. Argwöhnisch betrachtete sie mich und ich wusste, dass ich ihr nicht länger ausweichen konnte. »Ich werde für eine unbestimmte Zeit nach Sapporo gehen, Usako.« Ich hielt den Kopf gesenkt, denn ich hätte es nicht ertragen, ihr in diesem Moment in die Augen zu schauen. Kurz herrschte eine Totenstille und ich wagte einen Blick auf Bunny. Sie stand wie vom Donner gerührt da. »Wann?«, fragte sie mit belegter Stimme und hielt nun ebenfalls den Blick gesenkt. Nervös fuhr ich mir durch meine Haare. »Am Montag.«, flüsterte ich und sah, wie sie kurz mit sich rang und nach Luft schnappte. Auch die Tränen in ihren Augen entgingen mir nicht. Und dann stürzte sie halb aus der Küche direkt in das angrenzende Badezimmer. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Ich hatte sie in mein Leben gelassen, um nun alle Brücken abzureißen und woanders ein neues Leben zu beginnen. Warum nur hatte ich so egoistisch gehandelt? Nur damit ich noch ein paar letzte schöne Tage in Tokyo verbringen konnte? Ich konnte mir mein Verhalten selbst nicht erklären und fühlte mich mies, weil ich der Grund für ihre Tränen war. Mit hängenden Schulter trat ich auf meinen Balkon und lehnte mich an die Brüstung. Ich war völlig durcheinander, denn ich ließ sie ungern hier zurück und nun begriff ich, was mein Herz mir schon die ganze Zeit zu verstehen geben wollte... Warum ich mich so sehr zu ihr hingezogen fühlte und mich ihre Gegenwart alles andere vergessen ließ. Und doch konnte ich es nicht aussprechen. Traurig blickte ich über Tokyo's Skyline und bekam tief in Gedanken versunken nicht sofort mit, dass Bunny zu mir auf den Balkon getreten war. Erst als sie neben mir stand, spürte ich ihre Wärme. »Warum hast du nicht eher was gesagt?«, fragte sie nun mit brüchiger Stimme. Genau vor diesen Moment hatte ich mich gefürchtet ... der Moment, wo sie nach meinen Beweggründen fragen würde. »Bitte verzeih mir, Usako. Ich habe einfach immer auf den richtigen Augenblick gewartet, um es dir zu sagen. Ich wusste, dass ich dir damit vor den Kopf stoße und hab es ständig vor mir her geschoben. Du musst mir glauben, dass ich dich nicht belügen oder dich täuschen wollte...« Der restliche Abend war von unserer bedrückten Stimmung gezeichnet. Der Appetit war mir vergangen und auch Bunny stocherte mehr oder weniger Appetitlos auf ihrem Teller rum. Keiner von uns sagte ein Wort und ich merkte, dass sie jeglichen Blickkontakt mit mir vermied. Wie hätte ich es ihr auch übel nehmen können? Nachdem wir gemeinsam den Abwasch gemacht und abgetrocknet hatte, wollte ich eine DVD einlegen, doch Bunny blieb mitten im Raum stehen und schüttelte mit dem Kopf. »Bitte sei nicht böse, aber ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.« »Sehen wir uns denn die Tage noch einmal, bevor ich fahre?« Unsicher stand ich mit der DVD in der Hand im Wohnzimmer und schaute zu ihr. Doch sie zuckte nur mit den Schultern und ich konnte nichts anderes tun, als sie gehen zu lassen. Das gesamte Wochenende verbrachte ich damit, meine Sachen in Kisten zu packen, damit sie mir nachgeliefert werden konnte. Zwischendurch hatte Motoki mir noch einen Besuch abgestattet und mir von seinem Telefonat mit Bunny berichtet, was jedoch nur dazu führte, dass ich mich noch schlechter fühlte. Er hatte Recht damit, als er mir vorwarf, dass ich ihr von Anfang an hätte reinen Wein einschenken müssen. Als er sich bei mir verabschiedete, versprach er mir, dass er und Reika mich noch zum Bahnhof bringen würden. Sonntagabend entschloss ich mich dazu, Bunny eine SMS zu schicken. Lange überlegte ich hin und her, was ich genau schreiben sollte. 5 Minuten später drückte ich auf Senden und blickte danach noch einige Sekunden auf das Handy in meiner Hand. Mir war klar, dass ich keine Antwort von ihr erhalten würde, doch ich hoffte zumindest, dass sie sich verabschieden kam. SMS an Bunny: "10:45 Uhr, Bahnsteig 8. Ich hoffe, du gibst mir morgen noch die Gelegenheit, dass ich mich bei dir Verabschieden kann. Mamoru" Meine Nacht war von Schlaflosigkeit geplagt und ich war bereits früh aufgestanden, um ein letztes Mal die Aussicht von meinem Balkon zu genießen, während sie Sonne aufging. Wie schön wäre es gewesen, wenn ich ihn mit ihr hätte erleben können... Gegen 10:25 Uhr stand ich mit Motoki und Reika auf dem Bahnsteig 8 und wartete auf den einfahrenden Zug nach Sapparo. Immer wieder blickte ich zur Treppe und hoffte, dass Bunny doch noch erscheinen würde. Die Minuten vergingen und ich wurde immer unruhiger und mein Herz immer schwerer. Motoki legte seine Hand auf meine Schulter. »Sie wird kommen. Vertrau mir!« Und dann sah ich sie und mein Herz machte einen Satz, als sich unsere Blicke trafen. Langsam kam sie auf uns zu und ich bemerkte ihr Zögern, weshalb ich an Motoki und Reika vorbei trat und ihr entgegenlief. Direkt voreinander blieben wir stehen und blickten uns einfach nur an, als ich nach ihrer Hand griff. »Schön, dass du doch noch gekommen bist, Usako.« Sanft strich ich mit dem Daumen über ihren Handrücken. »Wie hätte ich dich fahren lassen können, ohne dir auf Wiedersehen zu sagen?« entgegnete Bunny leise und noch immer blickten wir uns tief in die Augen. »Hör mal... ich habe mir überlegt, dass du mich ja hin und wieder mal besuchen kommen könntest oder ich über das Wochenende zu dir komme.« Hoffnungsvoll blickte ich zu ihr, doch außer ein schwaches Kopfnicken brachte sie nichts zu Stande. Wieder sammelten sich Tränen in ihren Augen und behutsam fing ich sie mit meinem Finger auf. »Tränen stehen dir nicht, Usako. Also weine nicht... - schon gar nicht um mich!« Wir wurden vom einfahrenden Zug unterbrochen. Noch immer hielt ich ihre Hand in meiner, als wir zu Reika und Motoki liefen, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten. Da war er also gekommen, der Abschied und ich fühlte mich furchtbar. Nacheinander verabschiedete ich mich erst von Reika, dann von Motoki ... und schlussendlich stand ich vor Bunny und sah, wie sie sich auf die Lippe biss, um nicht doch noch in Tränen auszubrechen. Es brach mir das Herz, sie so leiden zu sehen, doch ich konnte nicht mehr zurück. »Mach’s gut, meine kleine Usako. Die letzten Tage mit dir waren wirklich wunderschön und ich verspreche dir hiermit hoch und heilig, dass wir uns bald wiedersehen werden.« Ich hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Wange und drückte sie noch einmal fest an mich. Kurz stutzte ich, als sie mir dabei einen Zettel in die Hand schob. »Bitte erst im Zug lesen.«, flüsterte sie mir zu und ich bedauerte es, als ich mich von ihr lösen musste. Schwermütig griff ich nach meiner Tasche und lief dann langsam auf das gegenüberliegende Gleis. Noch ein letzte Mal drehte ich mich um und winkte ihnen zum Abschied. Nachdem ich hinter dem Zug verschwunden war, stand ich kurz vor den offenen Zugtüren und haderte mit mir. War es tatsächlich der richtige Entschluss, Tokyo vollständig den Rücken zu kehren? Bestand tatsächlich keine Chance, hier nicht doch noch glücklich zu werden? Warum machte ich das eigentlich von einem Job abhängig, wo ich doch gerade erst mein Herz verloren hatte? Tausende Gedanken stürzten auf mich ein und dann kam ich zu der Erkenntnis, dass ich nicht glücklich werden könnte, wenn Bunny nicht bei mir war. Der Zettel kam mir wieder in den Sinn und ich faltete ihn schnell auseinander. "Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen. Aber nur das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen." ~Auf den ersten Blick~ Ich liebe Dich! Sie liebt mich? Ich hielt es schwarz auf weiß in meinen Händen und es fühlte sich an, als wäre ich noch einmal vom Blitz getroffen worden. Nun war er für mich unmöglich geworden, auch nur einen Fuß in den Zug zu setzen. Wie hätte ich das mit meinem Herzen vereinbaren können? Von weiten hörte ich den Schaffner »Einsteigen bitte!« rufen und das Signal ertönte, als sich die Türen schlossen. Der Zug setzte sich in langsam Bewegung und allmählich fuhr er an mir vorbei. Ich stand noch immer an der selben Stelle und blickte nun hinüber auf den anderen Bahnsteig. Dort stand Bunny und ließ sich von Motoki und Reika trösten. Als sie sich von den beiden abwandte und gehen wollte, erblickte mich Motoki. Ich sah, wie er sie am Ärmel packte und zurückziehen wollte. In der Zwischenzeit hatte mich auch Reika gesehen, doch Bunny weigerte sich noch immer. Erst als Motoki sie mit Nachdruck aufgefordert hatte, sich umzudrehen, reagierte Bunny endlich. »Träume ich?« Hörte ich sie sagen und schmunzelte, als sie sich in kurz in den Arm kniff. Völlig ungläubig blickte sie zu mir und erst als Motoki sie ein wenig in meine Richtung schubste, setzte sie sich langsam in Bewegung. Wir liefen aufeinander zu und Bunny stürzte halb in meine Arme. »Du bist hier geblieben…«, schluchzte sie an meiner Brust und ich legte meine Arme um ihren zierlichen Körper. Langsam hob sie ihren Kopf und in ihren Augen glänzten Tränen. Doch diesmal waren es Tränen der Freude. Ich nickte lächelnd und senkte leicht meinen Kopf. »Weil ich mich ebenfalls auf den ersten Blick in dich verliebt habe.« erwiderte ich leise, ehe ich mich langsam ihren Lippen näherte und sie zärtlich küsste. ENDE _______________________________________ *http://de.wikipedia.org/wiki/Hokutosei Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)