Auf den ersten Blick von -Luna- ================================================================================ Kapitel 1: OS - Auf der ersten Blick (Bunny's Sicht) ---------------------------------------------------- Jetzt starrte mich der Typ, der bei Motoki am Tresen saß, schon die ganze Zeit völlig ungeniert an. Hatte ich etwa irgendwas im Gesicht? Reste vom Essen oder so? War meine Mascara verlaufen? Es irritierte mich schon ein wenig und so blickte ich kurz zu meinem Spiegelbild im Fenster. Aber nein... ich sah aus wie immer. Hm, ob ich unter einem Vorwand kurz zu Motoki an den Tresen gehen und den Typen dann ganz beiläufig fragen sollte, ob er ein Autogramm haben wollte? Schnell verwarf ich den Gedanken wieder, denn so selbstbewusst und schlagfertig war ich nun auch wieder nicht. Erneut blickte ich zum Tresen und prompt trafen sich unsere Blicke. Was für unglaublich schöne blaue Augen er doch hatte... Ein Seufzer kam mir über die Lippen und ich erschauerte, als sich unser Blickkontakt vertiefte. Doch dann spürte ich auch schon, wie mir das Blut in den Kopf schoss und ich seinem intensivem und durchdringenden Blick nicht länger standhalten konnte. Zu sehr brauchte er mich einfach aus der Fassung. Schnell drehte ich mein Gesicht zur Seite, um meine glühenden Wangen vor ihm zu verbergen. Doch zu spät. Er hatte meine Verlegenheit bemerkt. Im Augenwinkel sah ich, wie sich ein smartes Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete. Doch es wirkte in keiner Weise unverschämt auf mich; oh nein ... es bewirkte eher das Gegenteil. Mein Herz schlug nun noch einen Tick schneller. Den Blick starr auf meine Finger gerichtet, versuchte ich verzweifelt, mich abzulenken und an etwas anderes zu denken. Doch schon im nächsten Augenblick ertappte ich mich schon wieder dabei, wie ich meinen Kopf ein wenig hob und verstohlen zu ihm schaute. Ich konnte einfach nicht anders. Dieser faszinierende und unglaublich gut aussehende Mann mit der glänzend schwarzen Haaren, den strahlend-blauen Augen, dem athletisch-muskulösen Körper ... Er hatte mich einfach völlig in seinen Bann gezogen und ich geriet ein wenig ins Schwärmen ... Wobei – ein wenig??? Seufz… Doch warum starrte er ausgerechnet mich an? Es gab wirklich genug andere Frauen, die 1000-mal besser aussahen wie ich. Seufzend griff ich wieder nach meinem Schoko-Milchshake und zog geräuschvoll daran, bis er leer war. Erneut lugte ich zum Tresen und war ein wenig enttäuscht, als ich sah, wie dieser gut aussehende Typ gerade aufstand und nach seiner schwarzen Lederjacke griff. Kurz verabschiedete er sich bei Motoki, sagte wohl noch irgendetwas zu ihm, was ihn grinsend nicken ließ und ging dann zum Ausgang. Hm, interessant. Wie es den Anschein hatte, kannte Motoki ihn wohl näher… Als ich kurz in Gedanken war, musste ich wohl unbewusst den Kopf gehoben und unverhohlen zu ihm gestarrt haben, denn er drehte sich beim Hinausgehen noch einmal in meine Richtung und zwinkerte mir zu. Wenn ich eben schon rot geworden war, so musste ich wohl nun die Farbe einer Tomate haben und im Dunkeln leuchten. Er hatte mir… JA – MiiiiiR! - Bunny Tsukino … wirklich zugezwinkert. Ich konnte mein Glück kaum fassen und war plötzlich wie beflügelt. Ob ich Motoki einfach mal nach ihm fragen sollte? Nur wie, ohne dass es auffiel? Natürlich entschied ich mich wieder dagegen und ging dann nur zu ihm um zu bezahlen und mich zu verabschieden, doch Motoki schüttelte lächelnd mit dem Kopf, während er weiterhin seine Gläser polierte. »Du kannst dein Geld wieder einstecken, Bunny. Der Milch-Shake geht heute auf meinen besten Freund, der vor ein paar Minuten gegangen ist.« Völlig verdattert schaute ich ihn an. »Äääääh? Willst du mich auf den Arm nehmen, Motoki? Warum sollte er so etwas tun?«, fragte ich ungläubig. Kurz tippte ich mir überlegend mit meinem Zeigefinger an die Lippen. »Hm, ich kann ihm ja nicht einmal dafür danken…«, murmelte ich mehr zu mir selbst und runzelte die Stirn. Motoki fand meinen Gesichtsausdruck wohl sehr amüsant, denn er lachte direkt los. »Nein, es war ernst gemeint. Er hat dein Getränk vorhin mitbezahlt, nachdem er mich gefragt hat, was du trinken würdest.«, sagte er immer noch halb glucksend und stellte dann das fertig polierte und glänzende Glas beiseite, um sich ein wenig über den Tisch zu lehnen. »Wenn du ihn wiedersehen und dich bedanken möchtest… er kommt morgen um dieselbe Zeit wieder her, um seinen Kaffee zu trinken.«, flüsterte er verschwörerisch und zwinkerte mir kurz zu, bevor er sich wieder dem Polieren seiner Gläser widmete. »Aber…aber…Motoki, warum hat er das getan? Er kennt mich doch überhaupt nicht und zudem gibt es hier genug andere viel hübschere Mädchen wie mich, die er hätte einladen können.« Ich zuckte mit den Schultern und nahm dann doch nochmal am Tresen Platz. Warum rollte Motoki jetzt mit den Augen? »Na was denn? Ist doch so…«, murmelte ich und verzog dabei das Gesicht. Seufzend schüttelte Motoki mit dem Kopf. »Mein Gott, Bunny… verkauf dich doch nicht immer unter Wert! Du bist ein wunderschönes und äußerst liebenswertes Mädchen. Also, warum sollte Mamoru dich nicht interessant und attraktiv finden? …und außerdem seh‘ ich dir an der Nasenspitze, dass er dir auch gefällt. Deinem alten Freund Motoki kannst du so etwas schließlich nicht verheimlichen.« Mamoru? So hieß er also… Aber egal was kam und egal wie es mir schmeichelte, was Motoki da eben gesagt hatte, ich konnte dieses Gefühl einfach nicht ablegen. »Ach verdammt Motoki, ich weiß ja auch nicht…« Schwerfällig wollte ich mich gerade vom Barhocker erheben, als er seine Hand auf meinen Arm legte. »Pass auf Bunny, heute Abend gibt es ein Treffen unserer ehemaligen Kommilitonen. Mamoru wird auch da sein. Wenn du möchtest, dann nehme ich dich mit hin.«, schlug er vor. Nach kurzer Überlegung stimmte ich seinem Vorschlag zu und wir verabredeten uns zu 17:00 Uhr vor dem Crown, da wir beide nur ein paar Querstraßen voneinander entfernt wohnten. Ich hatte zwar keine Ahnungen, wohin es ging und was mich dort erwarten würde, aber ich wollte Mamoru ja schon gern wiedersehen und mich dann auch für den Milch-Shake bedanken. Und so ging ich heim, um mich für den Abend fertig zu machen… Zum Glück hatte ich nicht lange in meinem Kleiderschrank wühlen müssen, um das richtige Kleid zu finden. Da Motoki auch nichts von einem Dress Code erwähnt hatte, entschied ich mich kurzerhand für mein kurzes rotes Kleid und meine blaue Jeansjacke - das wirkte weder under- noch overdressed. Zufrieden betrachtete ich mich im Spiegel und drehte mich um die eigene Achse, bevor ich meine Haarbürste nahm und mich durch meine langen blonden Haare kämpfte. Irgendwie hatte ich gerade keine Lust auf meine Odangos und entschied mich für einen schlichten geflochtenen Seitenzopf. 10 Minuten nach 17:00 Uhr kam ich völlig außer Atem am Crown an. Natürlich war ich wie immer ein wenig zu spät dran. Doch seltsamerweise stand Motoki noch gar nicht da und so konnte ich kurz verschnaufen. Keine 5 Minuten später trat er jedoch mit einer Frau an seiner Seite aus dem Crown. »Oh Bunny, du bist ja schon da. Entschuldige, wenn du warten musstest, aber Reika musste noch einmal kurz zur Toilette.«, erklärte Motoki und die Erwähnte reichte mir auch schon die Hand. »Hallo Bunny, mein Name ist Reika und ich bin eine ehemalige Kommilitonin von Motoki. Er hat mir eben schon berichtet, dass du uns heute ebenfalls begleitest.« Ich musterte sie kurz und nahm dann zögerlich ihre Hand, um mich ebenfalls vorzustellen. »Freut mich, dich kennen zu lernen, Reika. Ja, ähm… Motoki hat mich mehr oder weniger dazu gedrängt, mitzukommen.« Mir war nun ein wenig unwohl bei dem Gedanken, dass ich mehr oder weniger das Dritte Rad am Wagen war; zumal mir nicht entging, dass Motoki Reika mit einem sehr verliebten Blick ansah. Ich hoffte bloß, dass ich den Abend jemand zum Reden fand, falls es entgegen meiner Erwartung nichts mit dem Kennenlernen von Mamoru werden sollte und Motoki nur noch Augen für Reika haben würde. Wie sich nach 20 Minuten herausstellte, fand die Feier auf einem Anwesen einer anderen ehemaligen Kommilitonin und deren Ehemann statt. Fast ein wenig ehrfürchtig stand ich vor dem großen Haus… oder eher der großen Villa; und schon hier hörte man, dass die Party bereits voll im Gange war. Als wir hinten angekommen waren, staunte ich erneut nicht schlecht, als ich meinen Blick über den riesigen Garten gleiten ließ. Meine Güte, die Eigentümer mussten wirklich unglaublich viel Geld haben… vor uns tanzten, quatschten und chillten bestimmt um die 30 bis 40 Leute. Etwas weiter hinten stand ein Monster-BBQ-Grill… und sogar eine eigene Bar hatten die hier im Garten. Ich war so vertieft darin, mir alles anzuschauen und zu bestaunen, dass ich gar nicht mitbekam, wie sich Reika und Motoki nacheinander von mir entfernten. Und dann realisierte ich, dass ich -wie befürchtet- plötzlich allein da stand. Wo waren die Beiden bloß abgeblieben? Ohne ein Wort hatten sie mich wirklich einfach so stehen lassen. Und dass obwohl ich hier noch nicht einmal jemanden kannte. Frustriert und auch ein wenig sauer ließ ich mich an der Bar nieder und bestellte mir erst einmal einen Tequila Sunrise. Ich erschrak ein wenig, als sich plötzlich jemand neben mich setzte und ich im Augenwinkel schwarze Haare ausmachte. Doch zu meiner Enttäuschung war es nicht Mamoru… »Ganz allein hier?«, fragte mich der schwarzhaarige Unbekannte und drehte sich direkt zur mir. Ich nickte und nahm einen kräftigen Schluck von meinem Cocktail. Hui, war der Stark. »Ja, eigentlich bin ich mit Motoki und Reika gekommen, aber die sind plötzlich verschwunden. Naja, und da ich hier sonst Niemanden kenne…« Ich brach ab, als ich hinter dem Unbekannten von weiten Motoki und Reika ausmachte, jedoch wollte ich nicht unhöflich sein und drehte mich nun zu meinem neuen Gesprächspartner. »Ich bin übrigens Bunny.«, sagte ich und reichte ihm meine Hand. Ein freundliches Lächeln breitete sich auf dem Gesicht meines Gegenübers aus. »Angenehm, Bunny… Ich bin Saphir.« Ich unterhielt mich eine Weile wirklich sehr Nett mit Saphir und erfuhr dabei, dass er der Bruder vom Besitzer dieses Anwesens war. Da mir Motoki keine Namen genannt hatte, fragte ich natürlich noch nach, wer denn die Besitzer waren, worauf hin Saphir mir seinen Bruder Diamond und dessen Frau Esmeraude zeigte. Ich folgte mit den Augen der Richtung, in der seine Hand zeigte und hielt kurz die Luft an. Bei den Beiden stand Mamoru… Auch er hatte gerade in meine Richtung geblickt und schon trafen sich unsere Blicke wieder. Ich sammelte meinen ganzen Mut zusammen und schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln, welches er erwiderte und mein Herz sofort höher schlagen ließ. Doch als er Saphir neben mir sah, änderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Er wirkte auf einmal irgendwie eifersüchtig, aber das konnte nicht sein… oder doch? »Oh, du scheinst Mamoru zu kennen?«, hörte ich Saphir neben mir sagen und es klang ein wenig belustigt. Ich konnte kaum den Blick von Mamoru abwenden, so sehr faszinierte er mich schon wieder. »Ich… also, nein. Nicht direkt. Ich bin ihm heute Nachmittag eigentlich das erste Mal begegnet, aber ich muss mich noch bei ihm für etwas bedanken.» Während ich sprach, drehte ich mich langsam wieder zu Saphir, der mich intensiv musterte... Oh oh, wie kam ich denn aus dieser Situation wieder raus? Ich konnte ihn ja gerade einfach so sitzen lassen und mich vom Acker machen. »Entschuldigst du mich bitte? Ich müsste mal kurz auf die Toilette.« Gut gerettet, jetzt musste ich nur nicht allzu überstürzt wirken. Mit gesenktem Haupt ging ich schnellen Schrittes Erleichtert seufzend lehnte ich an der Toilettentür, nachdem ich den Waschraum endlich gefunden hatte. Als ich 5 Minuten später wieder von der Toilette kam, saß Saphir immer noch an der Bar, aber Mamoru stand nicht mehr dort, wo ich ihn vorhin gesehen hatte. Schnell lief ich ein Stück weiter in den hinteren Teil des Gartens und suchte mit den Augen das gesamte Grundstück nach ihm ab, doch ich konnte ihn nicht finden. Ein wenig enttäuscht darüber, dass er scheinbar nicht mehr da war, lief ich einfach weiter. Sicherlich hätte ich einfach umdrehen und zurück zur Bar laufen können, wo Saphir auch mich wartete, aber gerade in diesem Augenblick bevorzugte ich das Alleinsein. Langsam lief ich den Weg über die hellgrauen Steinplatten entlang und genoss den Anblick der unberührten Natur, die sich mir hier bot. Die Bäume waren dichter, das Gras höher und alles ein bisschen verwilderter. Ein Stückchen weiter entdeckte ich einen wunderschönen mit Rosenranken behangenen Pavillon. Vorsichtig schob ich eine der Ranken beiseite und trat ins Innere, wo ich jedoch abrupt stehen blieb, denn vor mir stand Mamoru… »Oh entschuldige, ich wollte dich nicht stören…«, stammelte ich und wollte gerade den Rückzug antreten, als er einen Schritt auf mich zuging. »Nein, warte... Bitte, geh nicht!« Er griff nach meinem Handgelenk und hielt mich so am Weiterlaufen. Ich musste ihn wohl etwas erschrocken angeschaut haben, denn er lächelte ein wenig schief und ließ dann mein Handgelenk wieder los. «Es hat mich gefreut, dass ich dich hier wiedergesehen habe und ich würde mich nun freuen, wenn du mir etwas Gesellschaft leistest. Natürlich nur, wenn du magst…!?« Mit seinen blauen Augen schaute er mich fragend an und ich konnte einfach nicht anders, als zur Bestätigung zu Nicken. Ich war auf einmal total nervös und seine Nähe verunsicherte mich einerseits, jedoch spürte ich auch eine angenehme Wärme in mir aufsteigen, als ich bei ihm stand. In Gedanken strich ich über eine der Rosenblüten und nahm kaum war, wie Mamoru mich wieder intensiv musterte. »Schön, nicht?« fragte er in die Stille und ich schrak aus meinen Gedanken hoch. »Hmmm?« Er zeigte auf die Blüten, die ich soeben sachte mit meinen Fingerspitzen berührte. »Die Rosen. Sie sind meine Lieblingsblumen.« Das Lächeln, was er mir nun schenkte, war einfach nur umwerfend. Auch wenn ich Mamoru kaum kannte, aber es war einfach unglaublich wie sehr ich mich zu ihm hingezogen fühlte. Die Zeit verging wie im Fluge und wir redeten über Gott und die Welt. Erst, als sich mein Magen lautstark bemerkbar machte, beschlossen wir, wieder zu den Anderen zu gehen. Zuvor entfernte Mamoru jedoch behutsam eine der Rosen und schob sie mir ins Haar. Seine Finger berührten dabei sanft meine Wange und ein wohliger Schauer lief über meine Rücken, während ich zu ihm aufblickte. Ich hätte kaum beschreiben können, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte… Als wir wieder vorne waren, streifte ich Saphir’s Blick und fühlte mich ein wenig unbehaglich, weil ich vorhin einfach verschwunden war. Ich formte mir den Lippen ein „SORRY“ und sein ehrliches Lächeln verriet mir, dass er mir nicht böse war. Da Mamoru direkt neben mir stand, hatte er sich vermutlich schon denken können, dass er der Grund meines Fernbleibens war. Nach dem Mamoru und ich etwas gegessen hatten, nahmen wir an der Feuerstelle Platz. Da die Sonne mittlerweile untergegangen war, waren das Lagerfeuer und diverse Fackeln ringsherum die einzigen Lichtquellen. Aufmerksam hörte ich Mamoru zu und beobachtete dabei, wie sich das Flackern des Feuers auf seinem Gesicht wiederspiegelte. Ein kurzer Luftzug ließ mich jedoch für einen Augenblick erschauern, denn die dünne Jeansjacke hielt leider nicht besonders warm und so schlang ich die Arme um meinen Körper. Natürlich hatte Mamoru es bemerkt und zog kurzerhand seine Jacke aus, um sie mir über die Schultern zu legen. »Danke!«, sagte ich leise und atmete tief seinen betörenden Duft ein, welcher mir ein wenig die Sinne vernebelte. Mittlerweile waren wir schon fast die Letzten auf der Party und als auch Motoki und Reika sich verabschiedeten, beschlossen Mamoru und ich ebenfalls, uns langsam auf den Heimweg zu machen, auch wenn ich es ein wenig bedauerte, dass der schöne Abend schon rum war. Ich wollte ihm gerade seine Jacke wiedergeben, doch er schüttelte mit dem Kopf. »Komm, ich bring dich noch nach Hause, Bunny.« Auffordernd hielt er mir seinen Arm hin, sodass ich mich unterhaken konnte. Der Weg zu mir verlief schweigend und als wir vor meiner Wohnung standen, blickte ich ein wenig verlegen auf den Boden. Wie sollte ich mich von ihm verabschieden und wie sollte ich ihm sagen, dass ich ihn gerne wiedersehen würde? Unentschlossen standen wir uns gegenüber und ich traute mich kaum, meinen Kopf zu heben und ihm in die Augen zu schauen. Meine Nerven waren fast bis zum Zerreißen gespannt, als er einen Schritt näher auf mich zu trat und mir dann einen Kuss auf die Wange gab. »Gute Nacht, Bunny. Ich danke dir für den schönen Abend!«, flüsterte er nah an meinem Ohr und diesmal erschauerte ich nicht, weil mir kalt war. Erst als er sich schon ein paar Schritte von mir Entfernt hatte, löste ich mich aus meiner Starre. »Mamoru, warte! Was ist mit deiner Jacke?« rief ich ihm nach. »... und ich muss mich doch auch noch bei dir bedanken, dass du mein Getränk bezahlt hast«, murmelte ich schnell hinterher. Tatsächlich drehte er sich im Laufen noch einmal kurz um und zwinkerte mir wieder zu. »Sieh es als Pfand dafür, dass wir uns sehr bald wiedersehen.«, antwortete er mir und verschwand dann um die nächste Straßenecke. Die nächsten vier Tage zogen sich wie Kaugummi und ja, sie waren fast unerträglich. Zusehends bekam ich immer schlechtere Laune, denn obwohl Motoki noch zu mir gesagt hatte, dass Mamoru bei ihm täglich seinen Kaffee trinken würde, so traf ich ihn nicht einmal im Crown oder anderswo an. Er war wie vom Erdboden verschluckt, sodass ich am fünften Tag beschloss, Motoki nach Mamoru zu befragen und nahm direkt am Tresen auf einem Barhocker Platz. »Du sag mal Motoki, hast du etwas von Mamoru gehört?« »Nein, tut mir leid Bunny. Aber irgendwie hat er sich seit der Party nicht mehr blicken lassen oder sich bei mir gemeldet. Eigentlich kommt er fast jeden Tag und trinkt hier seinen Kaffee oder holt sich zumindest einen für Unterwegs«, antwortete er Kopfschüttelnd. Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen. »Ich versteh das nicht. Er hatte mir doch gesagt, dass wir uns wiedersehen…« Traurig nahm ich seine Jacke, die ich wie fast jeden Tag bei hatte, und atmete tief seinen Duft ein. Überrascht schrie ich dann jedoch kurz auf, als mir jemand direkt etwas vors Gesicht hielt. Ich musste zweimal blinzeln, um zu erkennen, dass es eine rote Rose war… Halt! Eine rote Rose? Das konnte doch nur...... »Warum so traurig?«, hörte ich auch schon Mamoru’s Stimme hinter mir und sprang vor Freude regelrecht vom Barhocker auf. ENDLICH! Mit einem breiten Grinsen stand er da und hielt mir die Rose hin, die ich lächelnd entgegen nahm. »Ich muss doch noch meinen Pfand einlösen…« Ich nickte kurz und griff nach seiner Jacke, die ich ihm nun reichte. Wir setzten uns an einem der Tische gegenüber und schauten uns für einige Sekunden einfach nur in die Augen, bis Mamoru sich räusperte. »Entschuldige, dass ich mich erst jetzt blicken lasse. Aber ich hatte noch etwas Wichtiges zu klären und war drei Tage nicht in der Stadt.« Entschuldigend schaute er zu mir. »Jetzt bist du ja da…«, entgegnete ich und spürte, wie sich meine Wangen rot färbten. Kein Tag, keine Stunde und keine Minute waren vergangen, wo ich nicht an ihn gedacht hatte und die mir bewusst werden ließen, dass ich mich bereits auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Wenn ich in diesem Augenblick jedoch geahnt hätte, dass er demnächst für einige Zeit aus der Stadt verschwinden würde, hätte ich mich meinen Gefühlen wohl nicht so hingegeben. In den folgenden Tagen verbrachten wir jede freie Minuten miteinander… er kochte für uns, wir schauten DVD’s oder wir unternahmen irgendetwas. So gesehen gingen wir in der Wohnung des Anderen fast ein und aus. Es war einfach schön in seiner Nähe zu sein und ich genoss es in vollen Zügen, denn von Mal zu Mal verliebte ich mich mehr in ihn. Doch ich hatte einfach nicht den Mut, es ihm zu sagen. Und dann, es war ein Freitagabend und Mamoru hatte wieder für uns gekocht, spürte ich schon die ganze Zeit seine merkwürdige Stimmung. Bisher war er mir jedoch ausgewichen, doch nun war er gerade in die Küche verschwunden und ich lief ihm hinterher, schließlich wollte ich wissen, was ihn bedrückte. »Was ist los, Mamoru?«, fragte ich und lehnte mich mit verschränkten Armen an den Kühlschrank, an den er gerade wollte. Mit undurchdringlicher Miene schaute er mich an und ließ dann seufzend die Schultern hängen. »Ich werde für eine unbestimmte Zeit nach Sapporo gehen, Usako.«, sagte er mit gesenktem Kopf, um mir nicht in die Augen schauen zu müssen. Entsetzt blickte ich zu ihm. Das konnte jetzt nicht sein Ernst sein? Schlimmer konnte es nicht kommen… gerade jetzt wo sich das mit uns beiden so gut entwickelte. Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten. »Wann?«, fragte ich mit Tränen erdrückter Stimme und hielt nun ebenfalls den Blick gesenkt. Ich sah im Augenwinkel, wie er sich kurz rührte und nervös durch die schwarzen Haare fuhr. »Am Montag…«, flüsterte er. Mir schnürte sich regelrecht die Kehle zu und die Tränen brannten heiß in meinen Augen. Ich musste hier raus und stürzte halb aus der Küche direkt in das angrenzende Badezimmer, wo ich mich einschloss und an der kalten Wand auf den Boden gleiten ließ. Es war mir egal, was er jetzt dachte, aber ich wollte einfach nicht, dass er sah, wie ich wegen ihm weinte. Wieso ließ er es erst zu, dass wir uns so nahe kamen und würde nun einfach so verschwinden? Was dachte er sich bloß dabei? Ich konnte es einfach nicht verstehen und noch weniger verstand ich, warum er es mir erst jetzt gesagt hatte. Mit angezogenen Beinen saß ich auf den kalten Fliesen und ließ meinen Tränen freien Lauf. Warum musste ich blöde Kuh mich auch in ihn verlieben? Das Ganze war doch wieder nur zum Scheitern verurteilt. Vermutlich hatte er von Anfang an nichts Ernstes im Sinn gehabt. Als ich mich endlich ein wenig beruhigt hatte und die schwarzen Mascara-Spuren, die die Tränen auf meinem Gesicht hinterlassen hatten, entfernt hatte, schloss ich langsam die Tür vom Bad auf. Ich konnte mich hier schließlich nicht ewig verbarrikadieren. Mamoru entdeckte ich auf dem Balkon, wo er an der Brüstung lehnte. Irgendwie wirkte er doch sehr niedergeschlagen, und ich verwarf meinen Gedanken, dass er es mir bewusst verheimlicht hatte. Leise trat ich auf den Balkon und stellte mich neben ihn. »Warum hast du nicht eher was gesagt?«, fragte ich mit brüchiger Stimme. Er drehte seinen Kopf zu mir und ich bemerkte seine leicht glasigen Augen. »Bitte verzeih mir, Usako. Ich habe einfach immer auf den richtigen Augenblick gewartet, um es dir zu sagen. Ich wusste, dass ich dir damit vor den Kopf stoße und hab es ständig vor mir her geschoben. Du musst mir glauben, dass ich dich nicht belügen oder dich täuschen wollte…« Der restliche Abend war von unserer bedrückenden Stimmung gezeichnet. Obwohl das Essen von Mamoru hervorragend war, stocherte ich appetitlos auf meinem Teller rum. Keiner von uns sagte ein Wort und ich konnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Nachdem ich ihm beim Abwasch geholfen und abgetrocknet hatte, wollte er eine DVD einlegen, doch ich blieb stehen und schüttelte mit dem Kopf. »Bitte sei nicht böse, aber ich denke, es ist besser, wenn ich jetzt gehe.« »Sehen wir uns denn die Tage noch einmal, bevor ich fahre?« Traurigkeit war aus seiner Stimme zu hören. Wie ein kleiner verlorener Junge stand er gerade mit der DVD in der Hand im Wohnzimmer und schaute zu mir. Ich zuckte nur kurz mit der Schulter. Es tat mir weh und ich wusste nicht, ob ich es ertragen könnte, ihm weiterhin so nahe zu sein, wo mir nun bewusst war, dass er am Montag nicht mehr da sein würde. Deshalb war es besser für mich, wenn ich ging. Das gesamte Wochenende verbrachte ich völlig zurückgezogen in meiner Wohnung und kam eigentlich gar nicht aus dem Bett. Nachdem ich Samstag nicht auf Motoki's SMS geantwortet hatte, rief er Nachmittags auf meinem Festnetz an und ich berichtete ihm mit kurzen Worten, was passiert war. »Ach Bunny, ich kann ja verstehen, dass es dich mitnimmt. Aber Igel dich doch bitte nicht ein. Geh unter Leute und lenk dich etwas ab ... zum Beispiel bei deinem guten alten Freund Motoki. Es wartet auch dein heißgeliebter Schoko-Milchshake auf dich.« »Ich weiß deine Bemühungen ja zu schätzen, Motoki. Aber bitte hab Verständnis, wenn ich dein Angebot heute ablehne. Ein anderes Mal gern wieder, ok?« Ich verabschiedete mich von ihm und legte auf. Mir war einfach nicht nach Gesellschaft, wo ich gespielt fröhlich sein musste und zudem wollte ich keinem mit meiner schlechten Stimmung auf die Nerven gehen. Sonntagabend erhielt ich eine SMS von Mamoru. Anfangs wollte ich sie gar nicht lesen, doch irgendwann siegte meine Neugier. '10:45 Uhr, Bahnsteig 8. Ich hoffe, du gibst mir morgen noch die Gelegenheit, dass ich mich bei dir Verabschieden kann. Mamoru' Meine Nacht war unruhig und ich lag ständig wach da und grübelte. Sollte ich wirklich morgen zum Bahnhof? War ich so stark, mich von ihm zu verabschieden? Ich wusste, dass es mir das Herz zerreißen würde und doch konnte ich ihm seine Bitte nicht abschlagen. Um 8:00 Uhr stieg ich unter die Dusche und machte mich langsam fertig. Ich entschied mich bewusst für eine schwarze enge Jeans, ein schwarzes Shirt und schwarze Stiefel, denn so war meine Stimmung… düster und bedrückt. Meine Haare band ich nur kurz zu einem Pferdeschwanz nach oben und machte mich gegen 10:00 Uhr mit dem Bus auf den Weg zum Bahnhof. Gegen 10:25 Uhr war ich am Bahnhof angelangt. Mit einem mulmigen Gefühl stieg ich aus dem Bus und lief langsam und mit schwerem Herzen in die große Eingangshalle, vorbei an den ersten 7 Bahnsteigen. An der Treppe zu Bahnsteig 8 blieb ich kurz stehen und schaute nach oben. Am liebsten wäre ich wieder umgekehrt, doch nun war ich hier um mich von dem Mann zu verabschieden, dem ich gerade erst mein Herz geschenkt hatte. Seufzend lief ich eine Stufe nach der Anderen oben und konnte vom oberen Treppenabsatz schon Motoki und Reika ausmachen. Sie standen mit dem Rücken zu mir und als Reika einen Schritt beiseite trat, sah ich Mamoru. Als wenn er meine Anwesenheit gespürt hatte, sah er nun genau in meine Richtung… und wieder trafen sich unsere Blicke. Nur zögerlich lief ich weiter, doch auch Mamoru war los gelaufen - direkt auf mich zu. Wir blieben voreinander stehen, blickten uns sekundenlang einfach nur an, bis er meine Hand ergriff. »Schön, dass du doch noch gekommen bist, Usako.« Seine Hände waren eiskalt, doch in mir lösten sie unglaublich viel Wärme aus. Sanft strich er mit dem Daumen über meinen Handrücken und ich verlor mich wieder in seinen blauen Augen. Nichts wünschte ich mir in diesem Moment sehnlicher, als ihn nie wieder los zu lassen. Doch ich musste. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Und ich konnte ja schlecht von ihm verlangen, dass er wegen mir hier blieb. »Wie hätte ich dich fahren lassen können, ohne dir auf Wiedersehen zu sagen?«, entgegnete ich leise. Noch immer blickten wir uns tief in die Augen. »Ich habe mir überlegt, dass du mich ja hin und wieder mal besuchen kommen könntest oder ich über das Wochenende zu dir komme.« Ich sah die Hoffnung in seinen Augen. Doch außer ein schwaches Kopfnicken brachte ich nichts zu Stande. Wieder sammelten sich diese verdammten Tränen in meinen Augen und sanft fing Mamoru sie mit seinem Finger auf. »Tränen stehen dir nicht, Usako. Also weine nicht… - schon gar nicht um mich!« Wir wurden vom einfahrenden Zug unterbrochen und ich konnte nur mit Mühe und Not die weiteren Tränen unterdrücken. Doch ich wollte für ihn tapfer sein und schluckte schwer. Da war er also gekommen, der Abschied. Noch immer hielt er meine Hand in seiner, als wir zu Reika und Motoki liefen, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten. Nacheinander verabschiedete sich Mamoru erst von Reika, dann von Motoki… schlussendlich stand er vor mir und ich biss mir auf die Lippe, um nicht doch noch in Tränen auszubrechen. »Mach’s gut, meine kleine Usako. Die letzten Tage mit dir waren wirklich wunderschön und ich verspreche dir hiermit hoch und heilig, dass wir uns bald wiedersehen werden.« Er hauchte mir einen sanften Kuss auf die Wange und drückte mich noch einmal fest an sich. Kurz nutzte ich die Chance und schob ihm meinen vorbereiteten Zettel in die Hand. »Bitte erst im Zug lesen«, flüsterte ich ihm zu und bedauerte es, als er sich von mir löste, um nach seiner Tasche zu greifen und dann langsam auf das gegenüberliegende Gleis zu laufen. Noch einmal drehte er sich um und winkte uns zum Abschied zu. Nachdem er aus unserem Sichtfeld hinter dem Zug verschwunden war, konnte ich einfach nicht mehr und ließ meinen Tränen freien Lauf. Motoki zog mich in seinen Arm um mich zu trösten, während Reika ein wenig betreten neben uns stand, dann aber auch verstehend meine Schulter drückte. Wir hörten den Schaffner »Einsteigen bitte!« rufen und das Signal ertönte, ehe sich der Zug langsam in Bewegung setzte. Da fuhr er, mein geliebter Mamoru… und er hatte mein Herz mitgenommen. Völlig aufgelöst und wie betäubt wandte ich mich ab. Ich wollte hier weg… wollte allein sein, doch Motoki hielt mich zurück. »Bunny…!!!«, sagte er energisch und zog mich an der Schulter zurück. Ich hörte auch, wie Reika »Oh!« sagte, doch es war mir egal. Was sollte ich noch hier? »Bunny, nun guck doch endlich…«, knurrte Motoki nun fast, was mich inne halten ließ. Es widerstrebte mir, hier noch länger zu verweilen und doch drehte ich mich um. Ich sah erst in das ungläubige Gesicht von Reika und dann zu Motoki, dessen Blick ich nun folgte. »Träume ich?« Ich kniff mir kurz in den Arm, doch der Schmerz war so real, dass ich nur fassungslos auf die andere Seite blicken konnte. Mamoru stand dort; neben ihm seine Tasche und in der Hand… - ja, in der Hand hielt er meinen Zettel. Motoki zog mich am Arm mit sich und auch Mamoru hatte sich bereits in Bewegung gesetzt. Doch ich war immer noch wie paralysiert. Ungläubig blickte ich ihm entgegen. Er war nicht gefahren. Nein, er war hier geblieben. Nach und nach kam wieder Bewegung in meinen Körper, je mehr ich es realisierte und irgendwann rannte ich einfach los. Wir liefen aufeinander zu und ich stürzte mich in seine Arme. »Du bist hier geblieben…«, schluchzte ich an seiner Brust und hob kurz meinen Kopf. Er nickte lächelnd und senkte leicht seinen Kopf. »…weil ich mich ebenfalls auf den ersten Blick in dich verliebt habe!«, sagte er leise, ehe er sich langsam meinen Lippen näherte und mich endlich küsste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)