Sauhitze von _Delacroix_ (Eine "Legend of the Seeker"-Fanfic) ================================================================================ Sauhitze -------- Ganz D'Hara kochte. Seit Tagen schon brannte die Sonne mit einer Intensität als wollte sie das ganze Land ausdörren und man konnte meinen, sie wäre dabei erfolgreich. Die Hitzemeldungen überschlugen sich. Da waren Bauern, die auf offener Straße umfielen, Bauern, die in einem Fluss ertranken, Bauern, die einfach noch mehr stanken als gewöhnlich. Und da waren Bauern, denen die Hitze scheinbar den letzten Rest Verstand aus dem Schädel gebrannt hatte. Anders konnte er sich nicht erklären, was sich seit einer geschlagenen Stunde vor seinen Augen abspielte. Er hatte überlegt es zu unterbinden, ernsthaft, aber es hätte bedeutet sich bewegen zu müssen und Bewegung war an Tagen wie diesen ein Luxus, den er sich nicht leisten wollte. Neben der Tür begann der Speer seiner Wache zu zittern. Wahrscheinlich war der Mann kurz davor einfach einzuschlafen oder unter seinem Helm einem Hitzschlag zu erliegen. Nicht das der Unterschied ein sonderlich bedeutsamer gewesen wäre. Immerhin konnte er so oder so nicht darauf hoffen, dass die Wache ihm Erlösung verschaffte. Die monotone Stimme eines Bauern erfüllte den Raum und hüllte ihn in einen schläfrigen Schleier aus Belanglosigkeiten, nur gelegentlich unterbrochen von den entrüsteten Ergänzungen seines Begleiters, die freundlicherweise dafür sorgten, dass er nicht genauso endete wie die Wache. Worum es eigentlich ging, wusste er nicht mehr. Falls er es überhaupt je gewusst hatte, denn kurz nachdem der Bauer zitternd den Mund geöffnet hatte, hatte er angefangen die Schweißperlen auf der Stirn des Mannes zu zählen und die vielen gleich klingenden Worte zu ignorieren. Der Bauer war klein, rotwangig und langweilig und auch sein Begleiter war nicht wirklich das, was er unterhaltsam genannt hätte. Wie ein Ochse trampelte er von einer Provokation in die Nächste hinein und schien nicht einmal zu bemerken, dass er damit keinen Millimeter von der Stelle kam. Am allerliebsten hätte er gegähnt, oder wenigstens gefragt wer die beiden Witzfiguren eigentlich zu ihm vorgelassen hatte, aber auch das hätte bedeutet, sich in der Sache engagieren zu müssen oder wenigstens hinzuhören wenn seine Wachen versuchten sich herauszureden und dafür war es ganz eindeutig viel zu heiß in diesem Raum. Ein Schmatzen erklang, mischte sich mit dem Gerede des Bauern und riss ihn spontan aus seiner Lethargie. Sein Blick huschte von dem verschwitzten Mann zu seinem Begleiter und von ihm weiter zu der Wache an der Tür. War es einer von ihnen gewesen? Ein Zeichen dafür, dass die Hitze ein weiteres Opfer forderte? Nein, wohl eher nicht. Das Geräusch war aus einer ganz anderen Richtung gekommen und passte weder richtig zu sterbenden Wachen, noch zu nervigen Bauern. Das konnte er aus Erfahrung sagen. Betont langsam drehte er den Kopf in die Richtung, in der er die Geräuschquelle vermutete, ignorierte den kalten Schweiß, der spontan seinen Rücken hinunterlief und erstarrte mitten in der ungeliebten Bewegung. Was er sah, ließ ihn für einen Augenblick die unerträgliche Wärme vergessen. Er hatte mit vielem gerechnet: Mit dem Sucher, der sich eingeschlichen hatte um zu tun, was die Dämse alleine anscheinend nicht vollbringen konnte. Mit einem Diener, den die Wärme noch nicht zu einer unfähigen Puppe hatte werden lassen. Ja sogar mit einem Kätzchen, das hier herumrannte um die Räume mäuse- und vor allem rattenfrei zu halten. Aber eines war ihm nicht in den Sinn gekommen: Ein Schwein. Ja, in seinem aktuellen Thronsaal stand ein Schwein! Kein kleines, pinkes Ferkel, sondern ein großes, fettes, ausgewachsenes und vor allem lebendiges Schwein. Und eben dieses Schwein fraß gerade einen Vorhang. - Seinen Vorhang um genau zu sein. „Wie kommt dieses Schwein hier rein?“, hörte er sich fragen und bemerkt aus den Augenwinkeln, wie die Wache eiligst wieder Haltung annahm. Hatte die Hitze sie wirklich alle so teilnahmslos werden lassen, dass sie ein hundert Kilo schweres Schwein übersehen hatten? Wut stieg in ihm auf. Wenn sich ein Schwein zu ihm ins Zimmer schleichen konnte, konnten es auch Attentäter, Meuchelmörder, Sucher und andere Gestalten, die er eigentlich lieber außerhalb seiner Mauern wissen wollte. „Durch die Tür, Lord Rahl“, hörte er den Bauern mit seiner monotonen Stimme antworten und für einen Augenblick war er versucht dem Mann seine Tür auf eine Art vorzustellen, die dieser sicher nicht vergessen hätte. Aber der andere Bauer, der der immer dazwischen quakte, nutzte die Gelegenheit um prompt ein „Wir dachten, wir bringen Schneeflocke mit, damit Ihr Euch ein Bild von ihr machen könnt“ zu ergänzen. Ein Bild machen - Tzz. Als ob er nicht genau wusste wie so ein Schwein aussah. Es hatte vier Beine, eine komisch geformte Nase, Schlappohren, einen Ringelschwanz und die Farbe wechselte je nachdem in welcher Ecke von D'Hara man gerade in ein Matschloch kroch. Schneeflocke hatte ihren Namen offensichtlich von dem weißen Fleck auf ihrem Rücken. Vielleicht war der Name „Braten“ aber auch einfach schon vergeben gewesen. Wen interessierte das? Viel wichtiger war doch wohl die Frage, wieso zwei dahergelaufene Bauern glaubten, dass er ein Bild von einem Schwein benötigte, wenn er zeitgleich zu einer Pfütze zerfloss. Er schenkte den Männern einen fragenden Blick, doch keiner der Beiden schien es für nötig zu halten ihm das Ganze näher zu erläutern. Stattdessen starrten sie das mampfende Schwein an als wäre es die Schöpferin persönlich und nötigten ihn so erneut zu einer Bewegung, die er eigentlich hatte vermeiden wollen. Es war ein Wink mit der Hand. Nichts Großes, nur eine stumme Aufforderung das Ganze weiter auszuführen und doch war auch diese Geste eine schmerzliche Erinnerung daran, dass es einfach viel zu warm war, um ernsthaftes Interesse an irgendwas zu bekunden. Selbst wenn dieses Irgendwas ein Schwein war von dem er nicht wusste, wie oder wann es hereingekommen war. Das Tier schmatzte in einem seltsamen Rhythmus, der die Vermutung nahelegte, dass der Vorhang appetitlich war und beinahe wären ihm die klaren Gedanken wieder entglitten, doch dieses Mal ließ er sich nicht von gleichförmigen Tönen und Wärme einlullen. Im Gegenteil, er erwartete eine Erklärung. Irgendeine und er würde bei Sinnen bleiben, zumindest bis er den Anfang selbiger vernommen hatte. Vor ihm wechselten die zwei Bauern einen skeptischen Blick, bevor der kleine, rotwangige sich umständlich räusperte und tatsächlich wieder das Wort ergriff: „Wie ich bereits sagte“, leierte er herunter und er machte sich mental eine Notiz, dass ihm der Tonfall nicht sonderlich gefiel, „sind wir hier, weil Ihr entscheiden sollt, wem Schneeflocke gehört. Gehört sie mir, weil mir das Schwein gehörte, dass sie geworfen hat -“ „Oder mir, weil ich sie füttere“ quakte Nummer Zwei erwartungsgemäß dazwischen und hätte er es nicht besser gewusst, er hätte schwören können, dass die Wache gerade ein kaum hörbares Seufzen ausgestoßen hatte. Fast als fürchtete sie, sich noch einmal einen stundenlangen Schweinevortrag hören zu müssen. Womöglich war die Sorge berechtigt, aber er hütete sich so etwas wie Sympathie für den Mann zu entwickeln, der überhaupt Schuld daran war, dass diese Gestalten hier standen. Immerhin war auch er nicht erpicht darauf noch einmal eine Stunde lang dieser Stimme zu lauschen, wie sie sich für den Besitz eines Schweines rechtfertigte. Wer war er denn? Eine Konfessor? Sicher hätte nicht mal die den beiden Streithähnen zugehört. Nicht bei dieser Hitze. Nicht in ihrem engen, weißen – Nein, darüber wollte er jetzt nicht nachdenken. Er war keine Konfessor und er musste nicht urteilen wie eine Konfessor. Er musste nur irgendeine Lösung finden, damit die zwei traurigen Gestalten endlich verschwanden. Ein Urteil, eine Lösung, ein - Seine Mundwinkel zuckten, während er sich ruckartig aufsetzte um die Beiden mit neuem Interesse zu mustern. Nicht das sie nicht immer noch langweilig und unansehnlich gewesen wären, aber er hatte da eine Idee. Eine, die ihm den Tag vielleicht doch noch versüßen würde. „Dieses Schwein wurde in D'Hara geboren?“, fragte er und die beiden Männer nickten schüchtern. Hatte sein plötzliches Interesse die Beiden etwa erschreckt? - Amüsant. „Wenn das so ist, liegt das Ganze auf der Hand“, sprach er weiter und nahm sich sogar die Zeit für eine Kunstpause, um die Hoffnung in den Gesichtern der Bauern zu genießen. Offensichtlich sah sich jeder der Beiden im Recht und glaubte, dass er ihn zum Besitzer des Tieres ernennen würde. Langsam fuhr er sich mit der Zunge über die Lippen. Alle Anwesenden hingen an ihnen, dessen war er sich sehr wohl bewusst und was jetzt kam, würde wahrlich ein Vergnügen werden. „Es ist mein Schwein“, verkündete er mit einem Lächeln und genoss es dabei zuzusehen, wie beiden Männern spontan die Farbe aus dem Gesicht wich. Sie tauschten einen unsicheren Blick, fast als erwarteten sie, dass er erklärte, er habe gescherzt, doch nichts lag ihm ferner als eben das zu tun. „A-Aber -“, rang sich der Dazwischenquaker einen schwachen Protest ab, wurde jedoch spontan von seinem Kontrahenten zum Schweigen gebracht. Da hatte wohl Jemand vernommen, dass man seinem Urteil besser nicht widersprach. - Bedauerlich. „Sonst noch etwas?“, schnurrte er und lehnte sich langsam wieder zurück um dabei zuzusehen, wie der Rotwangige seinen noch immer ungläubigen Kameraden in Richtung Tür von dannen zerrte. Hätte er geahnt, dass das so einfach werden würde, er hätte das Tier von Anfang an für sich beansprucht. Apropos Tier. Ein weiteres Mal an diesem Tag wandte er sich den Vorhängen und damit dem schmatzenden Schwein zu. Was sollte er jetzt damit machen? Eine Suppe vielleicht? Oder einen Braten? Nein, dafür war es viel zu heiß und Hunger hatte er auch keinen – Aber vielleicht sollte er das Tier wirklich behalten. Zumindest bis zur nächsten Woche, wenn Egremont seinen Sold einfordern würde. Sicher würde er nie wieder über die Stückelung der Münzen klagen, wenn er erst einmal in Schwein ausgezahlt worden war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)