Dark Night von Zip-Zalp ================================================================================ Kapitel 1: Rettung in Not ------------------------- Ein weißer, dichter Nebel zog mit dem Morgengrauen auf. Das Gras wehte in dem dunklen Schatten einer grau-schwarzen Gestalt, dir ihre Pranken vor Panik auf den harten, frostigen Boden schlug. An einer tiefen, kalten Schlucht blieb sie schließlich stehen und drehte sich um. Ihr Blick war voll Entsetzen und Furcht auf ihren doppelt so großen Verfolger gerichtet, der sie zuvor lange, gnadenlos durch den Wald gehetzt hatte. Nun saß sie in der Falle. Unter der Last des Angreifers und den Attacken, die es immer wieder ausführte, brach plötzlich der Felsvorsprung unter den Hinterpfoten der Verfolgten weg und zersprang, wie eine Glasscherbe an der steilen Wand der Schlucht in tausend Teile. Wild versuchte sie mit ihren scharfen Krallen Halt im rauen, steinigen Boden zu finden. Einen Herzschlag lang sah es so aus, als würde sie aufgeben wollen, bis sich der Nebel lichtete und ein tiefes Grollen an den Felswänden widerhallte. Ein großer, massiver Felsbrocken bewegte sich mit einer hohen Geschwindigkeit auf den Verfolger zu und riss ihn nur wenige Augenblicke später mit einem dumpfen Ton in die Tiefe. Ein letztes Mal war der Schrei dieses Pokémon zu hören, bis er verstummte und alle Geräusche verebbten. Die Verfolgte zog sich den Felsvorsprung hinauf und blickte zu der Stelle wo bis vor kurzem noch der Felsbrocken war, der das Cerapendra mit in die tiefe Schlucht riss. Das letzte, was sie von dem Pokémon sah, was den Fels gelöst hatte, war ein weißer, langer Pelz und ein dunkelblauer, sichelförmiger Schweif. Sie zögerte nicht lange und lief diesem Pokémon hinterher, doch seine Fährte endete in einem langen, breiten Fluss. Ein trauriger Blick überzog ihr Gesicht und ihre wunden, müden Pfoten trabten langsam zu ihrem Bau, wo sie vor Erschöpfung einschlief. Kapitel 2: Der Retter --------------------- Inzwischen war es Nachmittag und das Magnayen, was am frühen Morgen noch von einem Cerapendra verfolgt wurde, kehrte mit einem Dusselgur in den Fängen in ihren Bau zurück und verspeiste es dort genüsslich. Als sie fertig war, leckte sie sich das Blut von den Lippen, erhob ihren schlanken Körper von dem kühlen Boden und trabte zum Fluss. Sie tauchte ihre Schnauze ins Wasser und begann zu trinken. Aber unterbrach abgrubt, als sich ein heller Pelz im Fluss widerspiegelte. Es war der Pelz von heute früh, das erkannte das Magnayen sofort. Sie setzte sich auf und lief dem weißen Pelz mit schnellen Sätzen hinterher. Immer schneller lief sie, ohne auch nur einen Atemzug zu wagen, der sie langsamer machen könnte. Das Einzige, an was sie dachte war ihren Retter einzuholen und ihm danken zu können. Aber warum war es ihr denn wirklich so wichtig? Leider war sie zu langsam und folgte nun hechelnd der Fährte, bis sie mit dem Kopf gegen ein Erdhügel stieß. Beim genaueren Betrachten erkannte sie, dass der Erdhügel einen Eingang hatte und der Bau dieses Pokémons gewesen sein musste. Sie war sich sicher, doch wagte sich nicht in den dunklen Bau hinein. »Hallo, ist da je-« Sie wollte ihren Satz zu Ende bringen, doch ehe sie die letzten Wörter herausbrachte stachen ihr vier scharfe Eckzähne in die Kehle und drückten sie zu Boden. Ihr blieb fast die Luft weg und mit letzter Kraft rief sie: »Aufhören, bitte!« Die Stimme hörte sich kratzig und fast gehaucht an, dennoch schien das Pokémon mit dem weißen Pelz verstanden zu haben und ließ sie los. Das Magnayen holte tief Luft und hustete einmal kräftig, bis sie wieder genug Kraft hatte um sich aufzurichten. Als alle ihrer vier Pfoten wieder Boden spürten, öffnete sie ihre Augen und sah ein ernstes Gesicht vor ihr. Es war also ein Absol. Er verzog plötzlich das Gesicht, so dass seine Miene nicht mehr so ernst aussah, sondern eher besorgt. »Alles Okay?«, waren die ersten Worte, die er hinausbrachte. »Ich hab ganz schön doll zugebissen, was? Macht der Gewohnheit.« Das Absol fing langsam an zu lächeln. Dann prüfte er die Luft und sah das Magnayen noch einmal genauer an. Er wirkte erleichtert: »Dann lag ich also doch richtig. Verzeih mir, ich dachte… Ach, schon gut.« »Es ist ja nicht so als wäre ich dran gestorben…«, sagte das Magnayen belustigt und ergänzte in Gedanken: …aber wäre ich fast. »Was wolltest du eben sagen?«, fragte sie verwundert und legte den Kopf leicht schief. Das Absol überlegte kurz und antwortete dann: »Ich werde es dir erklären, wenn du versprichst es niemandem zu sagen und auch nicht wo ich wohne. Ist das klar?« Sie nickte nur kurz. »Okay, dann komm rein.«, bat das Absol. Kapitel 3: Vergangenheit ------------------------ den mit Moss und Gras gepolsterten Boden. »Du bist das Magayen von heute früh, richtig?«, begann das Absol. »Ja. Danke! Ich saß echt in der Klemme.«, antwortete sie so, dass es sich schon fast ein wenig verlegen anhörte. »Dachtest du wirklich ich lass dich einfach so von einem Cerapendra zermatschen?« »Wer weiß?«, war die freche Antwort des Magnayens. Auch das Absol schmunzelte ein wenig. »Okay, fangen wir an:«, fuhr er wieder erst fort. »Alles begann als ich noch klein war. Meine Mutter, Geschwister und ich waren gerade im Bau während mein Vater auf die Jagt ging. Als er zurückkam, trug er keine Beute in der Schnauze, sondern einen grauen Stein, der an ein Seil gebunden war und ein paar komische Einkerbungen hatte. Er sagte, er hätte es in den Klauen eines anderen Absols gefunden, dessen Kehle durch einen heftigen Biss durchtrennt war und Blut quoll. Mein Vater meinte, dass das Absol nach Kiefern roch, die es aber nur im Norden gab. Wahrscheinlich stammte es daher aus dem Süden und flüchtete von dort aus in den Norden. Neben ihm lag ein totes Magnayen, dessen Kopf eine blutige Schramme aufwies. Bei ihm konnte mein Vater den Geruch leider nicht zuordnen. Nun kümmerten wir uns jedenfalls um diesen mysteriösen Stein. Noch wussten wir nichts über ihn, bis uns einige Tage später zwei Magnayen angriffen. Ich wusste nicht, wie sie es schaffen konnten, aber sie töteten meine Mutter, all meine Geschwister und richteten meinen Vater schwer zu. Dennoch schaffte er es den Stein und mich zu verteidigen. Kurz bevor er am Ende war fragte er die beiden Magnayen warum sie den Stein unbedingt haben wollten. Darauf antworteten sie: „Wir sind aus dem Osten. Dort wo sich niemand hinwagt. Unser Anführer hat uns geschickt um diesen Stein zu holen. Er will das Pokémon nutzen, was sich darin verbirgt um das ganze Land für sich zu nutzen. Dafür, was wir gleich tuen wird er uns ein Stück von diesem Land abgeben." Danach schlugen sie erneut auf meinen Vater ein, der mir schließlich den Befehl gab: "Lauf weg! Mit dem Stein! Soweit du kannst! Aber auf keinen Fall in den Osten!". Kurz starrte ich meinen Vater einfach nur an und merkte er dann, dass er es wirklich erst meinte. Und ich lief auch. In den Westen. Soweit mich meine Pfoten trugen. Die beiden Magnayen folgten mir zwar, aber mein Vater schlug sie beide nieder. Doch sie waren nicht tot. Und in der Ferne hörte ich dann, wie mein Vater laut brüllte. Dann war alles still. Auf einer Lichtung, die ganz weit weg war, von meinem Vater brach ich schließlich zusammen und schlief ein. Und am nächsten Morgen bin ich in genau in dieser Höhle aufgewacht. Seit dem was damals passiert ist, verfolgen mich immer wieder Magnayen, die ich meistens abhänge oder zur Not sogar töte.« »Muss sicher hart sein seine ganze Familie auf einen Schlag zu verlieren.«, sagte das Magnayen, als er fertig gesprochen hatte. »Ja, aber ich habe mich schnell dran gewöhnt.« »Warum hast du mir dann eigentlich geholfen, wenn ich doch einer von denen sein können?« »Diese Magnayen haben einen ganz anderen Geruch als du, aber sie sind schon ziemlich ähnlich. Deshalb hätte ich dich vorhin auch fast getötet.«, war seine Antwort. »Verstehe.« »Nun erzähl mir doch mal was du hier ohne Rudel machst. Magnayen leben doch für gewöhnlich in Rudeln, oder?«, forderte das Absol sie auf. »Ja, dass stimmt schon. Ich musste von zu Hause weg, weil ich sonst getötet worden wäre.«, antwortete das Magnayen leise mit gesenktem Kopf. »Erzähl es mir!«, das Absol wollte mehr wissen. Das Magnayen überlegte kurz. Irgendwie bin ich ihm ja was schuldig. »Okay, alles begann so:... Kapitel 4: Zufall oder Schicksal? --------------------------------- Einst lebte ich mit meiner Familie und allen anderen Rudelmittgliedern im Felsrudel. Gerade als ich geboren wurde herrschte eine harte Trockenzeit und wir hatten kaum genug Wasser für alle. Das Küstenrudel, das die meisten Flüsse und Seen hatte, nutzte die Gelegenheit um seine Jagtfläche zu vergrößern. Sie griffen bereits das Tal- und das Wiesenrudel an, bei denen sie bei beiden Erfolg hatten und stark an Kriegern zunahmen. Normalerweise hätte das Küstenrudel so etwas nie getan, schließlich war es der beste Freund von unserm Rudel. Doch seitdem der alte Anführer des Küstenrudels angeblich verschwunden war, benahmen sie sich immer rätselhafter. Dann kamen sie auch zu uns. Zuerst kampflos. Sie sagten: "Gebt uns euer Land, oder wir holen uns es mit Gewalt!" Wir sagten, dass wir unser Revier behalten wollten und sie griffen uns tatsächlich an. Wir waren in der Unterzahl, aber noch gaben wir nicht auf. Als alles verloren schien, befahl uns unser Anführer alle Mütter mit ihren Kindern und die Ältesten in Sicherheit zu bringen. Kaum hatte ich realisiert, was er gesagt hatte, packte mich meine Mutter am Genick und lief los. Den großen Felsen hinunter, bis zur Schlucht, wo sie es problemlos hinüberschaffte. Dann musste sie ein steiles Tal hinab und als sie sprang, passierte es. Einer der Krieger aus dem Küstenrudel packte meine Mutter am Hals und tötete sie so schnell, dass einem fast schwindelig wurde. Ich fiel aus ihrem erstarten, offenem Maul und landete weich auf Moos. Ich guckte kurz auf meine Mutter und des dauerte einen Moment, bis ich merkte, dass sie wirklich tot war. Dann kam meine Großmutter angelaufen und packte mich. Man merkte, dass sie nichtmehr so gut laufen konnte, aber besser als alle anderen Rudelmittglieder in ihrem Alter. Neben einem breiten Fluss machte sie kurz Halt und lauschte. Sie hörte das Kampfgeschrei von Küstenrudelkriegern, die ihrer Fähre blitzschnell folgten. Sie packte mich fester und schlüpfte auf der anderen Seite des Flusses in eine Höhle. Dort versprach sie mir, dass wenn ich meine Mutter eines Tages rächen werde, dass sie auf mich aufpassen würde, bis ich alle Jagttechniken selbst beherrsche. Und das tat sie auch und ich hielt das Versprechen ein. Als ich dann nach vielen Monaten alles beherrschte, kam sie nicht mehr von der Jagt zurück. Am nächsten Morgen fand ich sie mit aufgeschlitztem Bauch halb im Fluss liegend. Dennoch blieb ich bei dem Bau, wo ich die längste Zeit meines Lebens war um meine Mutter eines Tages zu rächen.« »Mhm...«, es schien so, als wollte das Absol etwas sagen. »Klar, Das Küstenrudel wurde von den Magnayen übernommen, die diesen Stein haben wollen. Sie ziehen andere Rudel auf ihre Seite, um gegen mich leichter anzukommen. Das wollte sie auch bei eurem Rudel machen. Jetzt verstehe ich. Deshalb riechst du so ähnlich, wie manche Magnayen, die mich überfallen.« Seine Antworten kamen so schnell wie ein Wasserfall geflossen. »Meinst du?«, fragte das Magnayen voller Erstaunen. »Das wäre eine logische Erklärung, für das, was mit dem Anführen des Küstenrudels passiert ist und warum dieses Rudel auf einmal so seltsam drauf war.« »Da kannst du Recht haben.«, meine sie. »Ob mein Rudel noch lebt, und wenn ohne der Herrschaft des Küstenrudels? Vielleicht könnten sie dir helfen gegen diese Magnayen mit dieser Macht endgültig zu besiegen. Ich werde dir auf jeden Fall helfen, da ich bei denen ja eh noch ne Rechnung offen hab.« »Das wäre super. Wie wär’s mit morgen?«, sagte das Absol begeistert. »Dann muss ich endlich nicht mehr allein gegen diese dummen Viecher antreten.« »Wie morgen? Losgehen zu meinem Rudel? 1. ist das nicht eben mal ein Kleoparda-sprung, wenn man nicht gerade auf er Flucht ist und 2. Kenn ich den Weg auch gar nicht mehr.«, protestierte das Magnayen hastig. »Gut, gut. Ich lasse dir Zeit zum Überlegen. Es ist schon spät. Willst du bei mir übernachten? Ich hab auch noch ein ganzes Kronjuwild zum Abendessen, das ich allein gar nicht schaffen würde.« »Bei diesem Angebot sage ich nicht nein.«, antwortete sie glücklich und leckte sich die Schnauze. Das Magnayen blieb zum Abendessen. Dann legten sich beiden auf das Moos und reckten sich. »Wir haben uns ja noch gar nicht vorgestellt. Mich nennen die meisten Shadow, aber du kannst mich Nikan nennen.« »Mein Name ist Night.«, sagte das Magnayen und rollte sich einmal auf die andere Seite. »Schlaf gut, Nikan.«, waren die letzten Worte von Night für diesen Tag. »Du auch, Night.«, waren Nikan‘s letzte Worte. Dann schlossen beide die Augen und schliefen ein. Kapitel 5: Der Schatten am Fluss -------------------------------- Night hob ihren Kopf an und sah sich mit ihren bernsteinfarbenen Augen in dem Bau um, der bereits von den ersten Sonnenstrahlen des Tages erhellt war. Sie reckte sich, gähnte einmal lautlos und richtete sich auf alle Viere um sich das Moos aus dem Fell zu schütteln. Mit dem Kopf aus dem Höhleneingang gesteckt, hoffte sie darauf, dass Nikan bald mit etwas zu Essen zurückkehren würde. »Nikan!«, rief Night freudig, als sie sah, wie er mit einem Staravia in den Fängen zwischen zwei trockenen Bäumen hervorkam, die bewiesen, dass es lange nicht mehr geregnet hatte. »Waf if?«, murmelte das Absol durch die fast schwarzen und grauen Federn hindurch. »Haft du ekwa gegacht isch lass dik allein?« Night sah ihn mit einem dunklen Blick an. Jedoch hinterließ sie ein Grinsen in ihren Gesicht: »Nochmal bitte! Diesmal aber so, dass ich dich verstehe.« Nikan verdrehte die Augen und spuckten den schlaffen, leblosen Körper aus. »Ich habe gesagt: Was ist? Denkst du etwa ich lass dich allein?«, wiederholte er so, dass man ihn diesmal verstand. »Nein. Aber du weißt genau, dass hier überall Magnayen lauern, die nicht zu zögern dich zu töten. Du hättest mich wenigstens wecken können.«, Ihre Stimme klang besorgt und zugleich ernst und sauer. So wie eine Mutter mit ihrem Jungen reden würde. »Schon gut. Nächstes Mal weck ich dich halt.«, antwortete er genervt und schaffte es fast einen Seufzer zu unterdrücken, was er aber anscheinend nicht bemerkte. Er nahm das dunkelgraue Pokémon wieder zwischen die Zähne und spazierte damit, mit geradeaus gerichtetem Blick an Night vorbei in seinen Bau. Warum hat er mir nicht widersprochen?, fragte sie sich. War es seine Angewohnheit nicht zu widersprechen und es einfach hinzunehmen? Noch nie hat ihr jemand nicht widersprochen, egal was sie sagte. Nie wurde ihr ein Wort gelassen. Sollte sie jetzt darüber glücklich sein, so ein Pokémon wie Nikan zu treffen? Night beschloss sich die Fragen einfach zu vergessen und schüttelte sich den Kopf, in der Hoffnung sie würden hinausfallen. Dann verkroch sie sich ebenfalls unter die Erde. »Nikan.« »Was ist?«, fragte er mit den Backen voll Federn. »Ich gehe kurz zum Fluss, etwas trinken«, antwortete sie gelassen. Nikan fragte weiter: »Willst du nichts essen?« »Nein, ich habe gerade keinen Hunger. Lass mir etwas übrig.« Er schien noch eine Frage zu haben, doch Night war bereits verschwunden und machte sich auf um etwas zu trinken. Als sie beim Fluss ankam, nahm sie ein paar Tropfen mit der Zunge auf, bis sie einen grauen Schatten neben sich aufblitzen sah. Ihr Kopf wanderte hektisch von der einen Seite zur anderen. ihren Körper wagte sie aber nicht zu bewegen. Doch so schnell wie er gekommen war, verschwand er auch wieder. Das dachte sie zumindest. Den Schatten sah Night nicht mehr, aber sie spürte ganz seichte Pfotenschritte, die auf sie zukamen und bewiesen, dass er noch da war. Oder war es bloß Nikan, der ihr einen Streich spielte? Sie wagte kaum zu atmen und hörte ihr Blut in den Ohren rauschen. Das Herz hämmerte so heftig gegen ihre Brust, als würde es gleich hinausspringen. Ein letztes Mal drehte Night ihren Kopf zur Seite, dann riss sie ihre Augen vor Entsetzten weit auf und wollte von ihrer erstarrten Pose zum Weglaufen wechseln. Doch es war bereits zu spät. Vier dolchartige Zähne verfehlten nur ganz knapp ihr Genick, das sie blitzschnell wegzog, als sie den grauen Angreifer neben sich sah. Kaum hatte Night den Kopf drehen können, oder die Chance gehabt wegzulaufen, setze er erneut zum Sprung an, um sich ihre Kehle zu krallen. Schnell wich sie zurück und der Angreifer traf mit einem dumpfen, kräftigen Schlag ihr Gesicht. Ein lautes Jaulen ertönte im Wald und trieb alle Flug-Pokémon in die Lüfte. Blut tropfte wie bei einem undichten Wasserhahn zu Boden und färbte Nights graues Fell rot. Sie blickte mit einem Auge hoch zu ihrem Angreifer, der triumphierend den Kopf in die Höhe hielt. Dann senkte er den Kopf etwas weiter und vier scharfe Eckzähne stachen unter seinen Lippen hindurch, die er zu einem bösartigen Zähnefletschen verzogen hatte. Nikan, so hilf mir doch. Bitte!, flehte Night. Mit ihren Hinterbeinen versuchte sie sich freizukämpfen, doch vergebens. Sie begriff, dass nur noch Nikan sie retten könnte, als die Eckzähne des Angreifers in ihren Hals stachen und immer tiefer zupackten. Bald, so dachte sie, würde ich nichts mehr spüren. Kapitel 6: Das Versprechen -------------------------- Der Druck auf Nights Kehle erhöhte sich und schien nie wieder nachzulassen. Sie schloss die Augen in der Hoffnung Nikan würde sie nicht im Stich lassen. Ihre Flanke bewegte sich kaum noch und ihre Kraft ließ nach. Sie fühlte sich schwach. So schwach und hilflos, wie sie sich noch nie gefühlt hatte. Auf einmal war alles herum um sie schwarz. Nur schwarz. Nichts anderes außer schwarz und ein wie aus dem nichts aufziehender weißer Nebel, der sie umhüllte. Dichter und tiefster, weißer Nebel, der sich in ihr zerzaustes, schwarzes Fell setzte. Eine dunkle Gestalt bewegte sich durch den weißen, unendlich scheinenden Schleier auf Night zu und guckte sein Gegenüber mit ernster Miene an. »Großmutter!«, rief Night vor Begeisterung. »Du lebst?« »Nein, meine Kleine. Ich komme um dich an etwas sehr wichtiges zu erinnern. Erinnerst du dich noch an unser Versprechen?« »Du meinst, dass du solange bleibst, bis du mich alles gelehrt hast?« »Erinnere dich an den zweiten Satz.«, befahl das alte Mangayen ruhig. Night fuhr zusammen und riss die Augen auf. Dann knirschte sie mit den Zähnen und rief: »Ich werde meine Mutter rächen!« Ein paar Tränen sammelten sich in Nights Augen. Nights Großmutter lächelte. »Aber vergiss nicht: Erst Nachdenken und dann handeln. Um weiter zu kommen muss man nicht gleich töten. Und allein erreichst du nichts.« Nach diesen Worten verschwand die alte Gestalt wieder im tiefen Nebel. Night lief ihr hinterher, doch vergebens. Neben Nebel und Einsamkeit stand nur noch sie. Sie und sonst keiner. Langsam fing Night an zu weinen, Die Tränen rollten ihr über das Gesicht und vermischten sich mit dem Blut, das aus der Verletzung am Auge floss. Dann gaben ihre Pfoten nach und sie brach zusammen. Völlig erschöpft und hilflos. Sie schloss ihre Augen und wollte nie wieder aufwachen. Sie konnte nichts mehr tun. Das Versprechen musste sie brechen. Es tut mir Leid, Grossmutter. Für einen Moment begleitete tiefstes Schwarz das Schweigen, was herrschte. Das erste, was Night spürte war ein seichter Stups in die Flanke. Danach hörte sie wieder. Sie hörte was um sie herum passierte. Sie hörte, dass jemand ihren Namen rief. Die Stimme kam ihr bekannt vor und sie versuchte die Augen zu öffnen. Zuerst sah Night nur verschwommen, aber sie sah etwas. Sie wusste, dass sie lebte. Ob Nikan ihre Bitte erhört hatte und ihr zu Hilfe geeilt war? Sie sah wieder scharf. Sie konnte alles erkennen. Die Uferböschung, das Blut, was aus ihrer Wunde am Auge auf den Boden tropfte, auf dem sie gefühlte zwei Stunden lag und… Nikan! Night lächelte benommen und schaute ihn mit Freude ins Gesicht. »Alles okay?«, fragte er mit tiefer Sorge. »Ich... argh.«, Night wollte antworten, doch ihr Hals schmerzte so sehr, dass sie nicht mehr als ein Wort herausbrachte. »Schon gut«, sagte Nikan ruhig. »Dieses Magnayen wird noch bereuen, was es getan hat.« Nikan lief einmal um Night herum, dann knurrte er das Magnayen auf der anderen Seite an, dass Night fast umgebracht hätte. Das Magnayen leckte sich kurz ein paar Schrammen. Als es damit fertig war wirbelte es herum und knurrte zurück. Nikan spürte einen leichten Luftzug, als die Pranke von dem Magnayen an seinem Gesicht vorbeibrauste. Night drehte sich auf die Seite, hievte sich mit Mühe hoch und schrie, trotz ihres schmerzenden Halses: »Halt! Stopp! Aufhören!« Die beiden Kämpfer blieben erstarrt stehen und hörten damit auf sich die Pfoten um die Ohren zu schlagen und richteten ihre Augen auf Night, die damit kämpfte auf den Beinen zu bleiben. Mit klaffender Bisswunde im Hals und auf wackligen Pfoten kam sie auf die beiden zu gestolpert und öffnete das Maul um etwas zu sagen. Kurz war alles still. Dann führ sie fort... Kapitel 7: Freund oder Feind? ----------------------------- »Was bringt es noch mehr kostbares Blut zu vergiessen?«, fing Night an. »Das ist doch alles komplett hirnrissig. Und… und das alles mach ihr nur wegen so einem blöden Stein? Das ist verdammt unnötig. Aber nein, einer muss ja immer die Weltherrschaft übernehmen. Wenn ich mich recht entsinne kamen wir ohne diesen blöden Stein sogar besser zurecht hals mit ihm. Ohne diesen Stein würde ich jetzt noch mit meiner Familie in dem Felsrudel leben. Doch diese blöden Küsten-magnayen, haben mir alles genommen. Alles!« Auf einmal stand Night nur mit wenigen Zentimetern Abstand vor dem anderen Magnayen und guckte es böse an. Trotzdem hat man gemerkt, dass sie gleich hätte losheulen können. Als Night den letzten Satz herausbrachte, fuhr das Magnayen wie vom Blitz getroffen zusammen und kurz überhaschte ein tiefes Gefühl von Schuld sein Gesicht. Dies dauerte aber nur kurz. Dann bleckte er wieder die Zähne, knurrte Night an und schrie heraus: »Du weißt gar nichts! überhaupt gar nichts!« Nikan sah das Magnayen verärgert an und stand angespannt da. Er wich zurück, als Night ihn einmal kurz böse anguckte. Danach wandte sie sich wieder dem Magnayen zu: »Es mag sein, dass ich nicht besonders viel weiß. Aber eine ganz bestimmte Sache weiß ich: DU bist schuld daran, dass meine Familie jetzt tot ist! Und willst du auch mich umbringen?!« Night gab nicht nach. »Nein,... ich war es nicht, der deine Familie getötet hat. Es war jemand anders, der deine Familie umgebracht hat. Ich hab damals auch mitgekämpft, aber ich hab niemandem umgebracht.«, während er sprach verzog er keine Miene. »Außerdem mach ich das hier nicht ganz freiwillig. Schon als kleines Fiffyen war hab ich immer davon geträumt frei zu sein, aber ich hatte meinen Vater enttäuscht. Er meinte dies wäre meine allerletzte Chance frei zu werden. Und ich will ihn diesmal nicht enttäuschen.« »Du bist echt ein Idiot. Du könntest frei sein. Du könntest jetzt einfach abhauen und dich den Schatten-magnayen oder einem anderen Rudel anschließen.« Nikan saß immer noch unbeteiligt da und hörte aufmerksam zu. »Ich würd es ja gern, aber es gibt da ein kleines Problem.« gestand das Magnayen und ließ seine Stimme wieder friedlich klingen. »Verräter werden in unserem Rudel sofort getötet. Verrat ist das schlimmste was man in unserem Rudel tun kann. Keiner von ihnen wird mich verschonen.« »Komm doch mit uns, dann-«, wollte Night gerade vorschlagen, als Nikan sich empört einmischte: »Bist du jetzt auf einmal von allen guten Geistern verlassen? du bist ja wohl verrückt geworden! Er hätte dich beinahe umgebracht!« »Das stimmt schon, aber bei uns muss er nicht mehr töten. Für niemanden mehr. Und er kann trotzdem frei sein.« »Hm... na gut, aber wehe ich merke, dass irgendwas nicht mit ihm stimmt, muss er gehen oder ich werde mich selbst darum kümmern.«, knurrte Nikan in einem unfreundlichen Ton. Ohne weiteres verschwand er hinter den Bäumen in Richtung Bau. »Ist der immer so drauf?«, fragte das Magnayen Night, die die Frage ignorierte, obwohl sie sich das gleiche gefragt hatte. »Warte kurz hier, ich rede mal mit ihm.« Schon verschwand auch sie zwischen den Bäumen. »Nikan, warte!«, rief sie, als sie den weißen Pelz von Nikan sah. »Was ist?«, fragte er genervt. Night stellte sich neben ihn und antwortete: »Du kannst das Staravia aufessen. ich besorge das Abendessen.« »Danke dir.«, Nikans Stimme wurde etwas freundlicher. »Und ich danke dir, dass du heute gekommen bist. Ohne dich wär ich echt aufgeschmissen gewesen.« Nikan lächelte. Dann spazierte er an Night vorbei in seinen Bau. Kapitel 8: Misstrauen --------------------- Night hatte vergessen, was sie Nikan eigentlich fragen wollte. Nun kam es ihr wieder in den Kopf geschossen und ihr wurde übel, als sie Nikan und sich dem fremden Magnayen vorstellen wollte. Nikan oder Schadow? Sie war sich unsicher. Ob Nikan böse wäre, wenn sie seinen richtigen Namen erwähnen würde. Night hob den Kopf an und lächelte verlegen: »Äää… ich heiße Night und ää der von vorhin das war Ni- ää Schadow. « »Mein Name ist Cash.«, sagte das Magnayen ruhig, während Night erschreckt zusammenzuckte, weil Cash ihre Verlegenheit völlig zu ignorieren schien. Beide Magnayen schwiegen, bis Cash sie zum Eigentlichen zurückholte. »Wollten wir den heute Abend noch etwas essen?« Night nickte. Sofort begaben sich die beiden auf Futtersuche. »Wir sind wieder da!« , rief Night am Eingang der Höhle freudig. Cash zog hinter sich riesiges Tauros, das er gerade in Nikans Höhle ziehen wollte. »Ich hab keinen Hunger. Ihr könnt dass, was ihr erlegt habt selber essen.«, entgegnete Nikan, der immernoch keinen Muskel bewegt hatte und zusammengerollt mit dem Kopf zur Wand lag. Das ist also der Dank für einen so guten Fang?, dachte sich Night und trabte langsam hinaus, wo Cash und sie ihr Tauros verzehrten. Den Rest verdeckten sie für Nikan, falls er sich es noch anders überlegen sollte. »Meinst du nicht wir sollten noch ein paar Sinelbeeren für morgen früh besorgen? », schlug Cash Night vor. Night schüttelte den Kopf: »Das wird nicht nötig sein. In der Nähe wachsen sehr viele. Wir sollten jetzt lieber schlafen gehen. Langsam wird es dunkel.« »Hast recht.« Doch kaum in Nikans Bau angekommen, hörte Cash, wie Nikan seine Zähne bleckte. Cash war verwirrt. Night tauchte neben ihm auf und flüsterte ihm zu: »Ich glaube es wäre besser wenn du heute Draußen schläfst.« Cash verstand und bewegte sich ruhig auf die andere Seite des Baues. Night sah Cash noch eine Weile nach, bis sie sich zu Nikan zum Schlafen legte. Night wachte auf. Der Bau war leer. Auch draußen konnte sie niemanden entdecken. Selbst dort wo Cash schlief, lang niemand. Sie war verwirrt. Die beiden sind doch wohl unmöglich zusammen auf die Jagt gegangen?! Oder etwa doch? Aber so wie sich Nikan gestern Cash gegenüber noch benommen hat? Naja, die beiden werden schon zurückkehren,… irgendwann, dachte Night sich ging wie jeden Morgen üblich zum Fluss um zu trinken. »Achso, willst du gar nicht mitessen? « Night erschrak, rutschte mit einer Pfote aus und landete sofort im Wasser. »Ah, dann wolltest du noch vorher duschen.« Night sah auf und entdeckte sofort das Gesicht von Cash, was vor Schadenfreude nur so strahlte. Sie hingegen war nicht so angetan davon. Tropfnass richtete sich Night auf. »Sag mal, übertreibst du es nicht ein bisschen?«, fragte Night und deutete auf ein Zebritz, das Cash erbeutet hatte. Er schaute nur verdutzt zurück. „Du meinst das Zebritz?« »Wir haben doch noch immer den Rest von diesem riesigen Tauros. « »Besser zu viel haben, als zu wenig.“, entgegnete Cash. Dann war er ruhig und stand starr dort. Er lauschte auch irgendetwas in der ferne. Dann prüfte er ein paar Mal die Luft. »Scheiße. Die anderen sind da.« »Wie die anderen?«, fragten Nikan und Night fast zeitgleich. Cash riss die Augen auf. »Seid, leise. Versteckt euch. Irgendwo.« Doch die beiden standen immer noch fragend in der Gegend herum, so als hätte Cash nie was gesagt. »Los jetzt. Oder wollt ihr dem Küsten-rudel als Bau-deko dienen?« Diesmal verstand nur Night. Sie ging an Nikan vorbei und berührte dabei kurz seine Schulter. Es war wie ein Anticken. Komm jetzt, wollte Night damit sagen. Sofort reagierte Nikan und folgte ihr in den Bau. Sie sahen Cash hinter ein paar Bäumen verschwinden. Dann hörten sie nur noch. Sie hörten die Stimmen von ein paar anderen Magnayen und von Cash. Aber lange dauerte es nicht und Cash kam wieder zurück. »Wer war das?“«, fragte Nikan in einem knurrendem Ton. Cash drehte den Kopf langsam zu Nikan. »Das waren ein paar aus meinem Rudel. Nur die Kontroll-gruppe, weiter nichts.« Nikan bleckte die Zähne: »Weiter nichts?! Was hast du ihnen erzählt?« »Mach dir nicht gleich ins Fell. Ich hab sie angelogen- Irgend nen Mist erfunden.«, eine Weile schwiegen alle. »Glaub mir.« Nikan misstraute ihm noch immer. Wandte sich dann aber schweigend von ihm ab und verschwand im Wald. Cash ebenfalls. Genau in die andere Richtung. Night wusste nicht, wem sie folgen sollte. Also beschloss sie beim Bau zu bleiben. Lange weg bleiben können sie ja nicht, dachte sich Night. Voll daneben. Sie wartete, und wartete, und wartete. Und als sie in der Dämmerung endlich Cash zurückkehren sah, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Doch keine Reaktion von ihm. Mit gesenktem Kopf, ignorierte er sie völlig und ging auf die andere Seite des Baues, wo er sich niederließ. Night wollte zu ihm gehen, doch noch bevor sie einen Schritt machen konnte, zog Nikan vor ihr vorbei. Genau im gleichen Tempo wie Cash. Auch er legte sich zum Schlafen nieder. Beleidigt sah Night ihm nach. Dann zuckte sie kurz mit den Schultern und legte sich genau in die Mitte der beiden- auf die Spitze des Erdhügels. 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