Red bleeding news von VampirePsych ================================================================================ Kapitel 1: Red -------------- Okay ich wollte es nicht tun und habe es doch getan. Zu meiner Verteidigung sei gesagt das meine Finger von selbst tippen und ich nichts (oder nicht viel) dafür kann. Es wird noch ein zweiter Teil erscheinen (ursprünglich sollte es ein OS werden...), der hoffentlich alles klären wird.... Aber bis dahin wird es wohl noch dauern. Viel Spaß beim lesen! Eure Vampire ________________________________ Fasziniert hatte ich die rote Flüssigkeit verfolgt die an seinem Arm hinab lief. Vor lauter Freude über sein leises Wimmern hätte ich beinahe mit ihm gesprochen. Im letzten Moment konnte ich es verhindern, dass ein unbedachtes Wort meine Lippen verließ. Auch wenn er schrie würde ihn hier niemand hören. Dafür stand dieses Haus zu weit abseits, nahe einem kleinen Wald. Erneut fuhr ich mit der Klinge über seinen entblößten Oberkörper. Sein zitternder Körper hätte fast das nächste kostbare Rot verursacht. Doch diesmal schnitt ich ihn nicht. Er sollte leiden. Schließlich war er der Grund dafür, dass er mich nicht beachtete. Immer hatte er nur Augen für dich. Aber das ist jetzt vorbei! Ab diesem Tag wirst du nur noch mich ansehen. Mit der Klinge ritzte ich erneut die Haut des Mannes auf, der für mich mehr als nur ein Ärgernis bedeutete. Er würde keine Narben davon tragen…noch nicht. Ich sah dabei zu wie die kleinen, roten Tropfen erst einzeln und einen Moment später zusammen aus dem Schnitt quollen. Hauchzart strich ich mit dem Finger über die Stelle, zeichnete mit seinem Blut Muster. Spürte wie er vor Angst zitterte. Der Knebel verhinderte seine Schreie aber andererseits hatte ich seine Stimme immer gemocht. Schlussendlich musste er doch nur Leiden weil er mir deine Aufmerksamkeit entzogen hatte. Und du, ja du, hast nicht das gemacht was ich zu Dir gesagt habe. Immer wieder habe ich dich aufgefordert dich von diesem Mann fern zu halten. Hast du auf das gehört was ich dir sagte? Erneut ein kleiner Schnitt, diesmal direkt unter seinem Herzen. Eine einzelne Träne schlich sich unter dem Tuch, was seine Augen bedeckte, hervor. Sein Wimmen, gedämpft durch den Knebel, nahm an Beständigkeit zu. Nein du hast nie gehört auf das was ich dir gesagt habe. Stattdessen bist du immer öfter in seine Arme gerannt! Ich konnte es nicht länger ertragen! Aber nun wirst du auf mich hören nicht? Du wirst endlich das tun was ich will. Deine Augen nicht länger auf diese jämmerliche Gestalt gerichtet halten, die nichts kann außer dich mit ihrer Stimme zu verwirren. Noch ein winziger Schnitt. Er schrie, was mich zum lächeln brachte. Ein kurzer Blick auf die Uhr an der Wand verriet mir, dass es nun Zeit war dir erneut ein Geschenk zu hinterlassen. Ich ergriff mein iPhone und brauchte einen kleinen Moment bis ich die Fotoeinstellungen gefunden hatte. Nur weil du dieses Telefon so liebst habe ich mir auch eines gekauft. So viele Gemeinsamkeiten… Endlich fand ich was ich suchte, strich dem geknebelten Mann sanft über das Haar und flüsterte ihm sanft ein paar Worte ins Ohr. „Nun wollen wir ihm deine Wertlosigkeit zeigen. Sicherlich wird sich mein Geliebter über dieses Geschenk freuen.“ Geräusche des Protestes drangen aus seinem Mund. Erneut strich ich ihm über das Haar und lächelte. Ja mit Sicherheit wird er sich über dieses Geschenk freuen. Du bedeutest ihm schließlich sehr viel. Ein weiteres Mal zog ich die Klinge über seinen Körper und hielt das glitzernde rot seines Blutes auf einem Foto fest….   Noch fünfzehn Minuten bevor sie hier sein würden. Wie sehr werde ich diese Räume vermissen. Aber es scheint meine einzige Möglichkeit zu sein. Daran hat dieser Irre keinen Zweifel gelassen. Ich fror bei dem Gedanken an diese Person. Er bestimmte mein Leben vollkommen. Nicht einmal die Gesetzeshüter konnten etwas gegen diesen Verrückten ausrichten. Es war noch nicht ausreichend genug das er in meinem Haus ein- und ausgehen konnte wie er wollte. Die Schlösser auszutauschen hatte ebenfalls nichts gebracht. Nicht einmal in einem Hotel war ich vor ihm sicher. Ich hatte alles ausprobiert. Einzig bei meinen Freunden war ich sicher. Aber das ist kein Leben. Dieser Cut war der vernünftigste Ausweg. Ich spielte auf meiner Violine als Shinya den Raum betrat. Er war fröhlich wie immer und der kleine Fleck auf seinem Hemd verriet mir das er gerade aus einem Restaurant kam. „Hey Yu! Du musst mich unbedingt mal begleiten! Der Laden wird dir auch gefallen.“ Sagte er zu mir und achtete zum Glück nicht auf die Melodie meines Stücks. Mein Spiel verstummte als ich die Violine zur Seite legte. Er darf nichts merken. Das dürfen sie alle nicht. „Irgendwann wirst Du noch mal auf die Bühne gerollt werden Shinya.“ Ich lachte. Wir kannten uns schon so lange, hatten unsere Karrieren zusammen begonnen. Der Weg bis hier her war manchmal hart und steinig gewesen, aber zusammen hatten wir es geschafft. Shinya verdrehte die Augen. „Na besser als wie Du fast in der Mitte entzwei zu brechen!“ neckte der Drummer mich und setzte sich auf den Stuhl in meiner Nähe. „Sind die anderen noch nicht da?“ ich schüttelte den Kopf. „Sie müssten aber jeden Moment eintreffen. J hat mich vor einer halben Stunde angerufen. Da war er gerade auf dem Weg zu Inoran.“ Shinya nickte. Wir unterhielten uns noch einige Minuten über Shinyas Familie. Sein kleiner Sohn machte ihn Stolz, erzählte sein Freund. So klein wie er noch war er würde der nächste Drummer in der Familie werden oder aber ein Chefkoch. Da war sich Shinya noch nicht ganz sicher. Ich lächelte, konnte so für einen kurzen Augenblick meine Probleme vergessen. Als die Tür aufgerissen wurde fuhren wir zwei zusammen und mussten dann darüber lachen. Inoran sah ein wenig wütend aus. Der Grund dafür schien ihm auf dem Fuß zu folgen. J grinste uns schelmisch an, bevor er uns begrüßte. „Nie wieder fahre ich mit dir mit Jun!“ anscheinend hatte J ihn mit seinem Motorrad abgeholt. Beide legten ihre Helme zur Seite und setzten sich auf das Sofa in ihrer Nähe. „Komm schon Ino, dass sagst du jedes Mal. Und trotzdem fährst du dann wieder bei mir mit. Wo ist eigentlich Ryu? Der ist doch sonst immer pünktlich?“ wunderte sich J. Ich seufzte. Nun war es wohl soweit. „Ryu kommt nicht. Ich treffe mich später mit ihm.“ fing ich an zu erklären. Vorsichtig legte ich meine Violine in ihren Koffer. Die Schlösser klickten leise in ihre Scharniere. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und schluckte schwer bevor ich mich wieder umdrehte. „Ich will nachher allein mit ihm reden.“ Inorans wütende Miene wich einem besorgten Gesichtsausdruck. Es hatte schon mal eine ähnliche Situation gegeben, aber wie gesagt sie glich sich nur Oberflchlich. „Was hast Du?“ fragte der Gitarrist mich. „Die ganze Zeit schon. Irgendwas stimmt nicht mit dir Yuune.“ Inoran hatte recht und so wie J mich ansah ahnte auch er etwas. Nur Shinya wirkte leicht verwirrt. Wieder erklang ein leiser Seufzer von mir. Lange sah ich meine Freunde, die ein Stückweit eine Familie für mich waren, an. Natürlich hätte ich alles meinem Management überlassen können, doch sie hatten versucht es mir auszureden. „Entschuldigt.“ flüsterte ich als mein i-Phone mir ankündigte eine neue Nachricht empfangen zu haben. Ein kurzer Blick zu meinem Telefon sagte mir eine Nachricht erhalten zu haben. Doch ich öffnete sie nicht. Stattdessen richtete ich meinen Blick auf ein Photo an der Wand. Es zeigte uns in unserer Anfangszeit. Kurz lächelte ich, bevor mein Gesicht wieder jeden Ausdruck verlor. „Entschuldigt. Es…Ich …. Ich werde Luna Sea verlassen. Warte Inoran!“ sagte ich als dieser aufsprang und auf mich zu kam. „Glaube mir, ich habe lange überlegt. Mein Entschluss steht fest. Ich liebe Luna Sea und werde nie die Entscheidung bereuen euch beigetreten zu sein. Es war wirklich eine der schönsten Zeiten die ich hatte.“ Inoran hatte innegehalten. Shinya schüttelte ungläubig den Kopf. Er wollte nicht glauben was er hörte. Und er würde auch nie alles verstehen können. Jun sah mich nur aus zusammen gekniffen Augen an, als hätte er eine Ahnung. „Es tut mir leid. Ich kann einfach nicht mehr. Mein Körper macht mir einen Strich durch die Rechnung.“ Das klang vielleicht auch für Jun normal genug um es zu glauben. Ich deute auf meinen erst seit kurzen vom Gips befreiten Fuß. Niemand ahnte wie der Unfall wirklich ausgesehen hatte. Und so würde es auch bleiben. „Die Knochen sind zu brüchig meint mein Arzt. Er sagte, dass es nur schlimmer werden wird. Deshalb werde ich mich komplett zurück ziehen aus der Branche.“ Nun schien es Inoran zu reichen und er packte mich am Kragen. „Das ist nicht dein ernst Yuune! Verarsch mich doch nicht!“ schrie er mich an. Ihn so aus der Fassung gebracht zu sehen erschütterte mich. Ich hätte gedacht dass er es am besten aufnehmen würde. „Du lebst für deine verdammte Musik und willst mir nun sagen das du aufhörst weil deine Knochen nicht mehr mitspielen?!!“ J war aufgestanden und hatte Inorans Hände ergriffen, versuchte sie von mir zu lösen. Ich erwiderte seinen Blick. „Es ist wie ich gesagt habe. Mein Management und das von Lunacy wissen bereits Bescheid. In drei Tagen wird es eine offizielle Verkündung geben. Und nun…“ sagte ich mit schneidender Kälte in der Stimme, „…lass mich los. Ich habe nicht mehr zu sagen. Und ihr werdet mich auch nicht umstimmen.“ Es sah so aus als würde aller Mut aus Inoran weichen. Er schüttelte Juns Hände ab und drehte mir den Rücken zu. Ich versuchte weiter mein Gesicht starr wirken zu lassen. Niemand sollte den Schmerz sehen der in mir tobte und mich förmlich von innen heraus zerfraß. „Wenn das so ist….“ sagte er mit wutverzerrter Stimme, „…dann verschwinde auf der Stelle aus diesem Studio!“ Shinya sprang auf. „Inoran nun mach mal langsam! Yuune bitte überleg es dir noch mal. Wir können doch auch kürzer treten. Du musst doch nicht gleich die Band verlassen.“ Ich wandte den Blick ab, ergriff meine Sachen und ging zur Tür. „Shin glaub mir ich wäre nur eine Last für Euch. So wie es momentan ist geht es nicht. Lebt für unseren Traum.“ Ich flüsterte die letzten Worte bevor die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Insgeheim hatte ich wohl gehofft das Shinya sie noch gehört hat. Ich hoffte das Ryu es besser verkraften würde als Ino es tat. Der Irre, der offenbar jeden meiner Schritte kannte, hatte schlussendlich das bekommen was er wollte. Ich hatte Luna Sea verlassen, gab mein Leben völlig auf. Yoshiki konnte ich nicht auch noch unter die Augen treten und ihnen sagen, dass ich X verlassen würde. Er würde es am wenigsten verstehen. Deshalb hatte ich eine E-Mail an ihn geschickt. So beschäftigt wie er war, würde er diese frühestens in ein paar Tagen lesen und bis dahin hätte ich alle Verbindungen bereits gekappt. Ich nutzte den Hinterausgang, da am vorderen meistens doch ein paar Paparazzi warteten. Für einen Moment lehnte ich mich an die Wand und schloss die Augen. Von nun an würde alles gut werden. Das Klingeln meines Telefons ließ mich zusammenschrecken. Wer rief mich jetzt an? „Moshi Moshi.“ meldete ich mich. Es war nur ein lautes knirschen zu hören. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Der Panik nahe blickte ich mich um. Das konnte doch nicht sein. Ich habe doch nun alles getan was dieser Verrückte wollte! „Wer ist da?“ fragte ich und wunderte mich über den ruhigen Klang meiner Stimme. Erneutes knirschen und dann ein für meine Ohren grausames Lachen. „Hast Du mein Geschenk erhalten Liebster?“ fragte eine verzerrte Stimme. „Wer sind sie? Warum verfolgen sie mich?“ doch darauf bekam ich keine Antwort. „Du hast selbst Schuld mein Engel. Er leidet nun nur wegen Dir. Und dabei habe ich seine Stimme immer gemocht.“ Erneutes Schweigen. Ich rutschte an der Wand hinab, während mein Herz noch an Geschwindigkeit zuzunehmen schien. Was redete er? Er leidet nur wegen mir? Dabei mochte er seine Stimme? Ein Bild des Grauens erschien vor meinem inneren Auge. Ich hatte Ryuichi seit unserem letzten Telefonat nicht mehr erreichen können, hatte mir dabei aber nicht viel gedacht. Es geschah häufiger, dass wenn wir uns verabredet hatten, der andere erst am Tag der Verabredung wieder etwas von sich hören ließ. „Aber weißt Du, ich fange an seine gedämpften Schreie zu lieben. … Der Knebel stört ein wenig beim Klang aber man kann nicht alles haben. Und nun sag endlich wie dir mein Geschenk gefällt? Wo ich es doch extra an der Rezeption des Studios abgegeben habe.“ Ich legte auf. Mein Herz raste noch immer, als ich mit zitternden Beinen versuchte zurück ins Studio zu gelangen. „Sugizo-sama. Ist irgendetwas passiert? Shinya-sama kam völlig aufgeregt hier entlang und suchte Sie.“ Fragte mich die Dame am Empfang. Ich schüttelte den Kopf und fragte ob etwas für mich abgegeben wurde und ob sie gesehen hatte wer es abgegeben hatte. „Es war eine Kurierfirma. Mögen sie schwarze Rosen? Der Strauß ist riesig.“ Fragte sie als sie in einem Nebenraum hinter dem Empfang verschwand und einen Moment später mit ein wirklich großen Strauß und einem Paket zurück kehrte. Mein Gesicht verlor den letzten Rest an Farbe. In der Mitte des Straußes befand sich eine weiße Rose. Sie war einmal weiß gewesen. Man sah es am unteren Ende. Der Rest der Rose war in blutiges rot gefärbt. Ich nahm beides entgegen, einzig die Rose in der Mitte anstarrend. Hoffentlich war es nicht das wonach es aussah. „Welcher Meeting-Raum ist frei?“ fragte ich mit belegter Stimme. „Einen Moment. Ah, der direkt vor ihrem Studio.“ Antwortete sie mir. Schwankend betrat ich den Raum, lies Paket und Strauß auf den Tisch fallen. Mein Atem entwich stoßweise meinem Körper, während meine Hände versuchten an der Tischkante Halt zu finden. Ich sah wie sehr sie zitterten. „Verdammt!“ mein Blick verweilte erneut auf der Rose und es gab keinen Zweifel das sie mit Blut getränkt wurden war. Ich wollte nicht wissen was in dem Paket steckte. Mit zitternder Hand öffnete ich es. Meine Beine gaben unter mir nach, mein Magen rebellierte. Auch mein letzter Widerstand brach, als ich mich in den nahestehenden Mülleimer erbrach. Ich schlug die Hände vor mein Gesicht, wiegte mich hin und her. Tränen rannen unkontrolliert über meine Wangen und die leisen Schluchzer dröhnten in meinen Ohren. Ich bekam nicht mit das jemand den Raum betrat. Auch nicht das die Person versuchte mit mir zu reden. Erst als ich an eine starke Brust gezogen wurde und spürte wie die Person immer und immer wieder meinen Namen rief beruhigte ich mich soweit das ich meine Umwelt wieder wahrnahm. „Schsch. Yuune was verdammt noch mal ist mit dir los?“ „Er hat ihn…Oh Gott…..“ meine Stimme war nicht mehr als ein heißeres krächzen. „…es ist alles meine Schuld.“ Ich krallte mich in sein Hemd, bekam das zittern nicht unter Kontrolle. Erneute Übelkeit ergriff mich. Ich schaffte es gerade so mich loszureißen, um auch noch den letzten Rest meines Mageninhaltes los zu werden bis ich nur noch bittere Galle schmeckte. Raue Hände hielten mir die Haare aus dem Gesicht. Ich hörte wie die Tür erneut geöffnet wurde und ein erst wütender, dann besorgter Ausruf erfolgte. „Was ist hier los Jun?“ es war Inoran der den Raum betreten hatte. Jun blickte mich einen Moment besorgt an, aber es würde nichts mehr aus meinem Magen rauskommen. Ich lehnte mich an einen Stuhl und vergrub erneut mein Gesicht in den Händen. „Wenn ich das mal wüsste.“ Gab der gefragte nur zurück und schaute skeptisch auf den Strauß und das geöffnete Paket. Gerade als Inoran in das Paket hineinschauen wollte klingelte mein Telefon. „Oh bitte nicht….“ Durch meine zitternden Hände fiel es mir schwer das Telefon aufzuheben. Inoran der scheinbar noch immer wütend war schaute mich fragend an. Doch es gelang mir nicht das iPhone zu bedienen. Eine Augenbraue hebend half Jun mir. Ich schloss meine Augen bevor ich etwas sagte. „Moshi moshi.“ Es waren die gleichen Geräusche wie erst zu hören. Dann ein Schrei. „Oh bitte… „ flüsterte ich, kurz bevor die Stimme von vorhin wieder zu hören war. „Es ist wie Musik. Mein Engel freust du dich über meine Geschenke?“ ich ließ das Telefon fallen. Der Schrei… ich habe die Stimme eindeutig erkannt. Dieser kranke Irre hat Ryuichi in seiner Gewalt. Jun hob das Telefon auf ohne etwas zu sagen und lauschte. Ein erneuter Schrei. „Er singt nur für dich. Vielleicht siehst du mich ja jetzt mit anderen Augen. Jetzt da ich im Besitz dessen bin was du am meisten begehrst.“ J zog scharf die Luft ein als ein erneuter Schrei zu vernehmen war. Tränen rannen unkontrolliert über mein Gesicht. Inoran sah Juns entsetztes Gesicht, bevor er in die Kiste schaute. Ich sah wie sich sein Gesicht verzog und er sich im nächsten Moment einfach übergab. „Fuck!“ fluchte Jun und beendete den Anruf. Er stand auf und näherte sich nun ebenfalls der Kiste. „Jun nicht…“ sagte ich unter Tränen, doch da hatte er bereits gesehen was in dem Paket war. Er schluckte schwer und wandte den Blick ab. Er wollte seinen Augen nicht trauen, wollte nicht glauben was er da sah. Auf schwarzen Rosenblättern gebettet lag ein Herz. Daneben mit einer roten Flüssigkeit gefüllte Phiolen und die Ränder der Kiste zeigten einen menschlichen Torso, aufgenommen aus verschiedenen Perspektiven. Und auf jedem Bild waren deutlich die Schnitte zu erkennen. Inorans Magen hatte sich nun ein wenig beruhigt und angeekelt ging er auf die andere Seite des Raumes. Das Klingeln meines Telefons ließ uns zusammenschrecken. „Moshi moshi…“ es waren stetige Schreie zu hören. „Du bist böse mein Engel. Wer ist bei dir? Weißt du, dass du alles nur noch schlimmer machst? Bald werden die Spuren für immer sichtbar bleiben. Befolge meine Anweisungen und ich lasse diese kleine Ratte hier vielleicht gehen.“ Das Telefon in meiner Hand zitterte. Jun hatte mir das Telefon aus der Hand genommen und den Lautsprecher eingeschalten, sodass die Schreie die Stille die im Raum herrschte unangenehm laut durchbrach. „Verlasse diese kleine Gruppe Maden!“ schrie die Stimme zwischen den einzelnen Schreien. „Du bist etwas Besseres! Du brauchst sie nicht um zu Strahlen!“ ich schluchzte auf und konnte nicht fassen dass dies alles wirklich geschah. „Bei mir ist niemand.“ Meine Stimme wurde durch die Tränen getrübt. „Ich habe Luna Sea verlassen! Ich habe es doch getan! Was willst du von mir!?!“ schrie ich ins Telefon. Es machte klick und das Gespräch war beendet. Warum musste Jun und Inoran gerade jetzt bei mir sein? Oh bitte lass es Ryuichi gut gehen. Jun schüttelte den Kopf und ergriff sein eigenes Telefon. „Ich habe keine Ahnung was hier gespielt wird. Aber ich rufe jetzt die Polizei! Yuune der Typ ist Irre!“ Ich konnte nichts sagen. Es war zu spät.  Kapitel 2: ----------- Eine halbe Stunde später tauchte ein Polizist in Zivilkleidung auf.  Jun hatte Inoran und mich in unser Studio gebracht. Jun zeigte dem Beamten das Paket und die Rosen, bevor sie zu uns zurück kamen. Die Spurensicherung würde sich darum kümmern. Inoran hatte in der ganzen Zeit kein Wort, wo wir allein im Studio saßen, gesagt. Oder ich hatte es nicht gehört. Vor meinen inneren Augen bildeten sich die schlimmsten Horrorszenarien.  In einer davon sah ich Ryuichi Tod am Boden liegen, mit aufgeschnittenem Brustkorb. Als ich laut aufschluchzte und mir erneut die Tränen unkontrolliert über das Gesicht rannen kam Inoran schweigend zu mir und zog mich in seine Arme. Es konnte nicht sein. Ryuichi konnte nicht Tod sein! So schlimm das Ganze auch war, doch habe ich eindeutig seine Schreie erkannt. Er war am Leben, musste es sein. Jun betrat, gefolgt von dem Beamten unser Studio. „Sugihara-san.“ Begann der Beamte. Ich nickte, nicht fähig meiner Stimme zu trauen. Yamamoto-san, so lautete der Name des Polizisten er hatte sich bei seinem Eintreffen vorgestellt, setzte sich Inoran und mir gegenüber. „Sie müssen mir jetzt einige Fragen beantworten. Fühlen Sie sich dazu in der Lage?“ erneut nickte ich, obwohl alles in mir „Nein“ schrie. „Gut. Dieses …“ er zögerte kurz bevor er weiter sprach. „…Geschenk, ist es das erste was sie bekommen haben?“ Ein Beben ging durch meinen Körper, meine Hand krallte sich in Inorans Shirt fest. „Nein.“ Ein flüstern, in dem ansonsten so stillem Raum. Ich hörte wie Jun und auch Inoran scharf die Luft einsogen. „Sie haben also schon mehrmals diese Art von Geschenken erhalten?“ ein nicken, „Können sie mir sagen wann und womit dies ungefähr angefangen hat?“ ich zwang mich meine Finger von Inorans Shirt zu lösen und rückte ein Stück von ihm ab. „Vor über einem Jahr.“ Ich starrte auf meine Hände, nicht fähig einen meiner Freunde oder den Polizisten anzuschauen. „Sie können auf dem Präsidium anrufen, ich habe schon einmal Anzeige erstattet.“ Nun blickte ich doch auf und sah den verwunderten Blick Yamamotos. Die Tür wurde geöffnet und Ishikawa-san betrat den Raum ihrem Kollegen leicht zunickend. „Die Spurensicherung ist unterwegs.“ Ihre Augen leuchteten als sie uns anblickte. Als die beiden Polizisten eingetroffen waren hatte ich gehört wie Yamamoto zu seiner jungen Kollegin gesagt hatte, sie solle professionell arbeiten. Sie war wahrscheinlich ein Fan. „Gut.“ Nickte nun Yamamoto und schenkte mir wieder seine volle Aufmerksamkeit. „Sie haben schon eine Anzeige erhoben?“ ich nickte. Ja das hatte ich, nachdem mein Wohnzimmer mit Blut besudelt gewesen war. Ich sah es wieder vor meinen Augen als wäre ich jetzt in diesem Moment dort. Die roten Spritzer auf der schneeweißen Couch, die Worte „Du gehörst mir!“ auf der Wand und der tote Hund auf den glänzend hellen Fließen. Leise erzählte ich den Beamten die ganze Geschichte von Anfang an. Wie ich nach einem Konzert einen Strauß schwarzer Rosen bekam, zusammen mit einer einzelnen roten. Wie diese Sträuße alltäglich wurden und auch ihre Karten dazu. Wie neben den Karten plötzlich SMS kamen, die jedoch nicht nach verfolgbar waren. Bilder die mich in Alltagssituationen zeigten oder auf öffentlichen Anlässen. Bilder aus meinem Haus. Nacktbilder. Der kleine, tote Hase und dann später mein verwüstetes Wohnzimmer. Der Bühnenunfall der keiner war während meiner Solotour im letzten Jahr. Die stetigen Aufforderungen mich Ryuichi nicht länger zu nähern und die Band zu verlassen. Das Attentat bei dem Ryuichi fast sein Leben verloren hätte, nur weil er mich aus dem Weg stieß. Und das all dies nicht ausreichte für die Polizei um zu ermitteln. Dass sie nichts unternehmen könnten, solange mir nichts passiert.   Ich brach ab, das Gesicht in den Händen vergraben. Wie könnte ich Ihnen jetzt nur je wieder ins Gesicht sehen? „Und nun hat dieser Irre Ryuichi. …Er hat ihn. Ich habe seine Schreie erkannt! Es ist alles meine Schuld…hätte ich Luna Sea doch nur früher verlassen.“ Meine letzten Worte waren kaum zu verstehen gewesen, doch anhand von Ishikawa-sans Reaktion wusste ich, dass sie all meine letzten Worte nur zu gut verstanden hatte. Inoran und Jun ergriffen gleichzeitig das Wort. Sie benutzten viele Flüche und vor allem schienen sie mich anschreien zu wollen. Inoran riss mich zu sich herum, verlangte das ich ihn ansah. „Du bist der größte Vollidiot auf Erden! Schlimmer noch als Yoshiki und der verdient den Titel weitaus häufiger. Warum hast du uns nie etwas davon gesagt?“ ich sah seinen wutverzerrten Blick. Ob er nun auf mich, sich selbst oder etwas anderes wütend war konnte ich nicht mehr sagen. Antworten konnte ich ihm nicht, sah zu Boden. „Verdammt  Yuune! Was glaubst Du wer wir für dich sind?“ Inoran drückte mich zurück in das Sofa, sah mich mit Tränen in den Augen an. „Inoue hör auf.“ J‘s Stimme drang wie aus weiter Ferne zu mir. Ich sah nur die Tränen die Inoran nun vergoss. Das hatte ich nicht gewollt.  Mein Körper gehorchte mir nicht. So lag ich nur da und wurde von seinen Tränen benetzt. Sah am Rande wie Jun ihn an den Schultern packte und zurückzog. Hörte wie Yamamoto-san sich räusperte als Ishikawa-san näher kommen wollte.  Und doch sah ich nur noch seine Tränen. Einen kurzen Moment später sah ich Jun‘s Gesicht über meinem. „Inoue hat Recht.“ Stellte er ruhig fest, zog mich wieder in eine sitzende Position.  „Wer sind wir für dich, hm? Wir haben über die Hälfte unseres Lebens miteinander verbracht und in so einer Situation ziehst du dich zurück? Willst uns oder vielmehr Dir einreden das es das Beste wäre Lunacy zu verlassen?“ auch sein Gesicht war wütend, doch auf eine andere Art als Inorans.  Yamamoto-san räusperte sich erneut. „Entschuldigen sie, aber fühlen sie sich noch in der Lage weiter zu machen?“  Jun trat zur Seite, überließ mir die Entscheidung.  Ich brauchte mehrere Versuche bevor ich ihm den Rest erzählte. Inoran ballte die Hände zur Faust, sah mich nicht an. „Werde ich es noch einmal wiederholen müssen?“ fragte ich mit leiser Stimme. Der Polizist nickte. „Leider werden wir Ihnen das nicht ersparen können Sugihara-san.“ Ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, erzählte dann mit monotoner Stimme von den letzten Tagen.  Jun wurde immer blasser um seine Nase. Am Ende sagte Yamamoto-san  das ich am nächsten Tag auf das Revier kommen solle und auch mein iPhone mitbringen sollte. Die Spurensicherung war da und nahm alles mit was sie für relevant hielten. Mir war es egal, meine einzige Sorge galt Ryuichi.   Was wird seine Frau sagen wenn sie es erfährt?  „Oh Gott….“ Ich schlug die Hände vor mein Gesicht. Mit meiner Selbstsucht habe ich sein Leben zerstört.  „Es wird besser sein, wenn Sie ihn nicht allein lassen.“ Hörte ich die Stimme des Polizisten, während ich mich vor und zurück wiegte. Ich musste etwas unternehmen. Sah die blutigen Bilder vor mir. Yamamoto-san und Ishikawa-san verabschiedeten sich von uns, nachdem sie noch einmal mit Jun und Inoran gesprochen hatten. Wie in Trance erhob ich mich, nahm meine Sachen und verließ das Studio. Aber ich kam nicht weit. Eine Hand schloss sich um meinen Oberarm. Der Griff schmerzte. „Wo glaubst du jetzt hinzugehen Yuune?“ J’s Stimme war hart, doch ein Blick in seine Augen sagte mir dass er Angst hatte.   In meinem Kopf herrschte völlige Leere. Ich wusste nicht wohin ich wollte, nur das ich hier weg musste. Er wollte dass ich Luna Sea verließ. Vielleicht würde er Ryuichi dann gehen lassen? Er musste ihn gehen lassen wenn ich tat was er wollte. Er würde aufhören Ryu zu verletzen, ihm Schmerzen zu zufügen. An nichts anderes durfte ich denken.  Aber dafür musste ich hier weg. „Ich muss gehen. Jun ich muss gehen!“  Jun schüttelte den Kopf. „Du bleibst bei uns. Inoran und ich bleiben heute bei dir. Wir haben unsere Termine abgesagt. Wir lassen dich jetzt nicht allein.“ Und damit zog er mich zurück ins Studio. Inoran telefonierte gerade. Seine Stimme war mehr als aufgebracht und duldete keine Kompromisse.  „Nein. Es werden für die nächsten Tage alle Termine abgesagt! … Dann sagt das ich die Grippe habe oder sonst was. Nein.  Nichts was ich bekannt geben möchte. …Ja. Ich melde mich.“ Wir bekamen nur die eine Seite des Gespräches mit. Inoran hatte sich die Tränen getrocknet, sah auch nicht mehr so blass aus. „Ich habe Shinya Bescheid gegeben. Er fährt erst einmal zu seiner Familie. Kumi konnte ich noch nicht erreichen.“  Ich konnte seinen Blick nicht erwidern.  „Wir fahren zu mir. Da haben alle genug Platz. Komm Yuune.“ Und so verließ ich zum zweiten Mal an diesem Tag das Studio durch den Hinterausgang. Inoran redete kein Wort mit mir. Aber ich spürte seinen Blick die ganze Zeit auf mir ruhen. Jun delegierte uns in sein Wohnzimmer. Seine Unordnung beruhigte mich ein wenig. Überall lagen Musik- und Motorradzeitschriften rum, in einer Ecke stand sein Lieblingsbass umringt von Notenblättern. "Du schaffst es keine zwei Tage Ordnung zu halten, wenn dir keiner hinterher räumt, oder?“ fragte Inoran und begann das Chaos zu ordnen. Ich hörte Jun lachen. Er war in die Küche gegangen, um ums etwas zu trinken zu holen. „Du warst das letzte Mal vor zwei Tagen hier. Erwartest du wirklich Ordnung?“ sagte er und kam mit einem Tablett zurück, auf dem drei dampfenden Tassen standen. „Yuune lass dich von Kiyonobu nicht verwirren. Sobald er alles aufgeräumt hat, beruhigt er sich wieder.“ Jun grinste frech in die Richtung des Gitarristen, bevor er geschickt einem Pantoffel, der in seine Richtung flog, auswich. Ich setzte mich auf die äußerste Ecke der Couch, starrte weiter in den Raum ohne etwas genauer zu betrachten. Wie konnte ich von Ihnen wegkommen? Es musste eine Möglichkeit geben. Offenbar konnte man mir meine Gedanken vom Gesicht ablesen, denn Jun griff nach meinem Arm und sprach mit leicht verärgerter Stimme. „Denk noch nicht einmal daran! Yuune du wirst hier bleiben. Wenn du gehst, bekommt dieser Irre doch nur das was er haben will. Und keiner gibt dir die Gewissheit das er Ryu dann gehen lässt.“ Er hatte es gesagt. Das gesagt was mir mein Unterbewusstsein schon die ganze Zeit mitteilen wollte. Ich schüttelte den Kopf, durfte nicht auf J‘s Worte hören. „J hat Recht Yuune. Mach jetzt ja keinen Scheiß. …“ Inoran hatte sich auf die freie Couch fallen lassen. „Warum wurdest du verfolgt?“ ich schaute den Gitarristen völlig perplex an. Offenbar war ich nicht der einzige der die Frage seltsam fand. „Woher soll er das wissen Kiyo? Entscheidender ist doch eher ob er eine Vermutung hat wer es sein könnte.“ Ich hielt meinen Kopf fest. Vor meinen Augen verschwamm die Sicht, die Geräusche dröhnten in meinen Ohren. „Ich weiß es nicht. … Ich weiß es einfach nicht!“ ich stand auf. Dabei stieß ich an den Tisch, riss die Tassen um. „Bitte, ich bin müde.“ Jun nickte, während Inoran aus der Küche ein paar Tücher holte, um die verschüttete Flüssigkeit aufzuwischen. Ich schwankte ein wenig, hielt mich an Jun fest. „Verdammt, Yu. Wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen und gegessen?“ Ich zuckte mit den Schultern. Es war in letzter Zeit alles zu viel gewesen. Neben den ganzen regulären Terminen, war die ständige Angst vor neuen Überraschungen. Und sie kamen täglich, in Formen von Nachrichten oder Geschenken. Jun führte mich in sein Gästezimmer. Er überprüfte noch einmal, dass die Fenster richtig geschlossen waren bevor er die Vorhänge zuzog. „Hier kannst du in Ruhe Schlafen. Morgen werden wir weiter sehen.“ Er drückte mich kurz an sich, lies mich dann allein. Ich verschwand kurz in das angrenzende Badezimmer, legte mich danach in das Bett. Das dröhnen in meinen Ohren wurde immer schlimmer, die Welt um mich herum wurde immer unschärfer. Es dauerte eine Weile bis ich bemerkte das Tränen erneut meinen Blick verschleierten. Meine Gedanken gingen immer wieder zu Ryuichi. Nur weil ich seine Nähe gesucht habe und ihn immer heimlich beobachtete geriet er in das Visier dieses Irren. Warum habe ich nicht sofort gehandelt? Das Vibrieren meines iPhones riss mich aus meinen Gedanken. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und nahm mit zitternden Händen das Telefon in meine Hand. „Unbekannt…“ flüsterte ich. Mit einem Mal verschwand das Dröhnen in meinen Ohren und ich hörte nur noch das leise Summen des Vibrationstons. Ich schloss meine Augen, das iPhone langsam an mein Ohr haltend. „Moshi Moshi…“ flüsterte ich und lauschte. Alles was ich hören konnte war ein immer lauter werdendes Stöhnen und unterdrückte Schreie. Ketten raschelten, als versuchte jemand sich loszureißen. Mit vor Lust verschleierter Stimme, das Stöhnen nicht unterdrückend sprach er zu mir. „Er fühlt sich gut an. Weißt du mein Engel, nur weil du dein Schweigen gebrochen hast muss dein geliebter Ryuichi ….“ Stöhnen, „….dieses Stück Scheiße… dafür büßen. Hör ihn…“ ein Rascheln, das Stöhnen des Verrückten und dann Ryuichis Schreie. „…Ich weiß das du nicht zu Hause bist. Wo immer du dich auch versteckst, es wird seine Lage nur verschlimmern.“ Ich schlug mir meine Hand vor den Mund, um nicht laut zu schreien. Jun und Inoran sollten nichts mitbekommen. „Warum? Wer bist du? Was willst DU?!!“ ich konnte nicht verhindern das ich lauter wurde. Dennoch glaubte ich nicht, dass die Zwei mich gehört hatten. Das Stöhnen wurde lauter, Ryuichis Schreie herzzerreißender. „Stell dir vor wie mein Schwanz in seinen Arsch stößt… immer und immer wieder. Wie meine Finger durch die blutigen Striemen an seiner Brust fahren, das Blut immer weiter verschmieren. Er schmeckt süß…“ ich schüttelte den Kopf, wollte es nicht hören. „Hör auf. Bitte hör auf!“ ich flehte, bettelte ihn an. „Ich mache alles was du willst aber bitte, bitte hör auf!“ Ein Lachen, gefolgt von noch mehr Stöhnen war die Antwort auf mein flehen. „Geh zurück in dein Haus und warte auf meinen nächsten Anruf.“  Ryuichis Schrei war das Letzte was ich hörte bevor die Leitung Tod war. Ich schmeckte nur noch Galle, mein Magen hatte nichts mehr in sich um sich zu übergeben. Mit schwankendem Schritt lief ich die Straße entlang, zurück zu meinem Haus. Es war die einzige Möglichkeit gewesen. Mit fahrigen Bewegungen hatte ich mich angezogen und dann aus Jun seinem Apartment geschlichen. Ich hatte gehört wie meine Freunde über mich geredet hatten. Sie machten sich Sorgen. Aber ich konnte Ryuichi nicht mehr leiden lassen. Der Verrückte wollte mich. Kapitel 3: Red bleeding ----------------------- Er stieß ihn angeekelt in das kleine Loch im Boden. Eine Weile sah er in die vor Angst geweiteten Augen, auf den zerschundenen Körper.  Doch noch war der Sänger nicht gebrochen, er sah es in seinem Blick. Denn trotz der Angst war da noch immer ein kleiner Funken Stärke. Glaubte er wirklich frei zu kommen? Wenn mein Geliebter nicht zu mir kam, würde auch der Sänger nie den Weg in die Freiheit finden.  „Als Spielzeug bist du recht interessant.“ Flüsterte ich ihm die Worte entgegen.  „Aber mein Engel wird nie mit dir spielen. Dafür sorge ich. Er wird sich von dir abwenden, dich in deinem eigenen Dreck verrotten lassen!“  ich wusste, dass meine Augen förmlich glühten. Meine Lippen verzogen sich zu einem irren Grinsen, als ich hörte wie Ryuichi erneut versuchte durch seine Knebel zu schreien.  Er wand sich in dem kleinen Loch, schaffte es aber nicht weit.  „Weißt du, mein Schatz hat schon seit ein paar Stunden kein Geschenk mehr von mir erhalten. Er wird sich fragen, ob ich ihn noch Liebe!“ das Entsetzen war aus meiner Stimme herauszuhören. Ich kniete mich neben das Loch, strich dem Sänger über die nackte Haut, krallte mich in die noch immer blutenden Schnitte und entlockte ihm somit Schreie des Schmerzes. Es war Musik in meinen Ohren. „Was könnte ich ihm von Dir schicken? Er ist so darauf bedacht keinen falschen Schritt zu machen, es dich nicht merken zu lassen. Aber weißt du… er schaut nur dich an.“  Die Augen Ryuichi’s weiteten sich, doch nicht aus Schmerz. Meine Worte drangen bis auf den Grund seiner Seele. Er schüttelte den Kopf, versuchte zu  sprechen. „Na na, man spricht nicht mit geknebelten Mund. Hat dir das niemand beigebracht?“  ich stand auf und holte aus dem Nebenzimmer einen Strauß weißer Rosen, legte sie zum dem Sänger. Mit akribischer Genauigkeit achtete ich darauf seine Wunden nicht zu verdecken, die weißen Blütenblätter nur leicht an den Rändern der zerstörten Haut zu legen. Zufrieden mit meiner Arbeit  wendete ich mich erneut ab um nach meinem Handy zu suchen. Mein geliebter Yuune musste lange genug ohne eine Nachricht von mir ausharren.  Als ich mich umdrehte sah ich mit Genugtuung, dass die Rosen sich bereits dunkel verfärbten. Die weißen Blütenblätter sogen gierig das Blut des Sängers auf. Rosen waren faszinierend. Ihre samtene Beschaffenheit machten sie Ideal  für meine Zwecke. Keine andere Blume brachte Blut so schön zum Strahlen.  Ich fotografierte diese Einzigartigkeit aus verschiedenen Perspektiven, sollten doch nur die zwei perfektesten Bilder an den Gitarristen gehen. „Bleib ruhig liegen!“ schrie ich den sich windenden Sänger an. Er zerstörte die sorgsam angerichteten Rosen. Nach einer schieren Unendlichkeit sandte ich zwei der Bilder zu meinem Engel. Er würde sich freuen. Ihm würden die Bilder gefallen.  „Jetzt Schlaf, du kleine Made. Schlaf, bis ich wieder da bin und die Spiele erneut beginnen.“  Ich schloss das Gitter, sorgte dafür dass niemand auch nur erahnen würde, dass der Sänger hier unter seinen Füßen lag. Nachdem ich auch die Bretter wieder an ihren Platz gelegt hatte und somit auch den letzten Rest der kleinen Zelle versteckt hatte, entschied ich mich dafür Yuune einen Besuch abzustatten. Ihm würden die gefärbten Rosen gefallen. Über eine Stunde benötigte ich, um zurück in die Stadt zu kommen. Den Strauß sorgsam verborgen in Papier. Es war mittlerweile Nacht. Die Lichter der Stadt verbargen die Sterne. Aber bald würde ich diese mit Yuune zusammen betrachten können. Leise, immer darauf bedacht das niemand mich sah, schlich ich in der Straße umher. Blickte mich suchend um. Doch die Frontseite des kleinen Hauses war unbeleuchtet. Ich blieb in einer dunklen Ecke stehen, der Kegel der Straßenlaterne erreichte mich nicht. Nachdenklich legte ich meinen Kopf schief. „Wo bist du nur?“ flüsterte ich und suchte das Grundstück ab. Aber ich konnte keine Bewegung sehen. „Böser Yuune. Versteckst dich vor mir.“ Fenster für Fenster schaute ich mir an, suchte nach einer kleinen Bewegung. Frustriert wollte ich das ermüdende Spiel aufgeben, als endlich ein kleiner Funke auftauchte.  Es war ein kurzes Aufleuchten gewesen, was rasend schnell nach unten verschwand. „Mein Geschenk. Du hast es gefunden.“ Ich lächelte, schlich mich nun dichter an das Haus heran und nutzte dabei die Schatten aus. Ein leises, fast schon krankhaftes lachen konnte ich nicht unterdrücken. Jeder der mich sah musste auch den Wahnsinn sehen. Das Telefon womit ich ihm die SMS geschickt hatte, lag tief auf dem Grund eines Flusses. Ich musste mir demnächst ein neues Modell besorgen. Es benötigte nur noch wenige Schritte und ich konnte durch das Fenster sehen, wo ich einen Moment zuvor den Lichtschein gesehen hatte. Meine Augen glitten nervös von rechts nach links auf der Suche nach meinem Geliebten. Aber Yuune befand sich nicht in dem Raum. Nur der Schein des zu Boden gefallenen iPhones erhellte diesen und zeigte die Verwüstung, die ich selbst vor ein paar Tagen dort hinterlassen hatte. Wütend schlich ich um das Haus herum, nachdem ich meinen Engel in keinem der Räume entdecken konnte. Lange blickte ich durch die Terrassentür, aber auch in der dort angrenzenden Küche war kein Zeichen von ihm. Also öffnete ich mit ein paar geschickten Griffen die Tür, welche lautlos aufschwang. Ich musste erneut ein Lachen unterdrücken und verschloss die Tür hinter mir. Nicht das Yuune noch auf den falschen Gedanken kam. Dass der Gitarrist hier war spürte ich. Dafür hatte ich mit dem Anruf gesorgt. Außer dem steten Ticken der Uhr hörte ich kein Geräusch. Vorsichtig schlich ich zur Eingangstür des Hauses, den Blick immer nach einer Bewegung suchend die mir verriet, wo Sugizo sich versteckte. Ein Knacken ließ mich innehalten. Ich lauschte doch es wiederholte sich nicht. Ich sorgte dafür, dass es für Yuune auch durch die Vordertür kein Entkommen gab. Wir hatten lange genug gespielt. Er schlich von Zimmer zu Zimmer in der unteren Etage. Jedoch rechnete er gar nicht damit seinen geliebten Yuune hier unten zu finden. Die Angst, dieses allumfassende Gefühl was ihn binden würde, hatte ihn mit Sicherheit in die hinterste Ecke seines Hauses getrieben.  Geduldig entfernte er das Papier was die Rosen bis jetzt vor allzu neugierigen Blicken geschützt hatte. In der Dunkelheit kam die Schönheit nicht richtig zur Geltung. Aber er wollte kein Aufsehen erregen. Leise vor sich hin summend, stieg er die Treppen hinauf. Mit jeder Stufe steigerte sich seine Laune. Am oberen Rand der Treppe angekommen, verstummte ich. Lauschte noch einmal, gierig auf ein Geräusch was mir verriet wo Yuune ist. „Nichts.“ Sagte ich leise und öffnete langsam die erste Tür im Obergeschoss.  „Eins, zwei, drei, vier, Eckstein…“ ich stieß Stühle um, leerte mit der Hand dabei den Schreibtisch und summte erneut den alten Kinderreim. „…alles muss versteckt sein…“ es war niemand hier. Einen der Stühle stellte ich summend unter die Klinke der Verbindungstür, betrat dann das nächste Zimmer. Suchte mit meinen Augen nach Yuune. „Yuune, Yuune, Yuune…“  erneut ließ ich nichts an seinem Platz, suchte jeden Fleck nach meinem Gitarristen ab. Enttäuscht, weil er auch hier nicht ist begab ich mich zur vorletzten Tür des Obergeschosses. „Hinter mir und vorder mir gilt es nicht. …“ ich stockte kurz überlegte wie die nächste Zeile lautet, während ich in das Zimmer ging. „ ah… ich weiß es. Hinter mir und vorder mir gilt es nicht und an beiden Seiten auch nicht!“ Wort für Wort lauter werdend, schlich ich in dem Zimmer umher, stieß Pflanzen und Regale um. Hörte auf noch jedes kleine Geräusch.  Und da war es. Ich hörte den stoßweise kommenden Atem. Es verzückte mich ihn zu hören.  „Yuune, Yuune, Yuune. Und wir wollten doch kein Verstecken mehr spielen.“  Sagte ich mit erhobenem Zeigefinger und schüttelte leicht den Kopf. Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung und wich dem Schlag aus der folgte. „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn.“ Sagte ich grinsend. „Ich komme!“ und damit warf ich mich auf den Gitarristen. Er versuchte auszuweichen und dabei schrie er vor Angst laut auf. Doch mitten in der Nacht würde ihn hier niemand hören. Mein Lachen hallte durch das Haus, als ich Yuune einen Schlag verpasste. Er taumelte zurück, bevor er versuchte zu fliehen. Ich ließ ihn rennen, machte so das Spiel noch mehr Spaß. Er konnte nicht entkommen. Jeder der Ausgänge war verschlossen. Das auch die Fenster sich nicht öffnen ließen, würde der Gitarrist noch früh genug mitbekommen.  Langsam lief ich die Treppen hinunter, hatte ich ihn doch herunterstürzen hören. Das Rütteln an der Tür ließ mich erneut lachen. „Da geht es nicht hinaus, mein Schatz!“ rief ich zu ihm hinunter. Und nun ging das Versteckspiel erneut los. Ich drängte den Gitarristen in immer neue Zimmer. „Wo willst du hin? Schau dir diese Rosen an. Sie sind wunderschön. Schau Dir an, wie das Blut sie rot gefärbt hat.“ Doch ich hörte nur wie er panisch die Luft einsog und weiter zurück wich. Angeekelt von dem Sänger, der dieses reine Weiß vernichtet hatte, durch seinen besudelten Körper, warf ich die Rosen zu Boden.  „Ich wollte sie Dir schenken. Aber diese Made hat sie besudelt. Sie waren so rein wie du es bist, bis er sie berührt hatte.“ Erzählte ich Yuune und verzog dabei mein Gesicht. Mein Engel stand mit dem Rücken zur Wand und zitterte. Sein Blick zeigte mir die Wut und Verzweiflung die er verspürte.  Ich trat dicht an ihn heran, schlug ihm in den Bauch. Ein unterdrückter Schrei. Als er sich vor Schmerz krümmte, griff ich in einer schnellen Bewegung nach seinen Händen und hielt ihn so an der Wand fest.  Meine Lippen berührten sein Ohr, meine Zunge schnellte kurz hervor, ehe ich zu ihm sprach. Mich wunderte, dass er nicht um Hilfe schrie. Aber er wusste wahrscheinlich das es Zwecklos war. „Weißt du…“ flüsterte ich, „…ich war der Erste der diese kleine Made je genommen hat.“ Jetzt kam doch Leben in Yuune. Er versuchte sich zu befreien. Ich lachte nur in sein Ohr, wich ihm geschickt aus als er versuchte nach mir zu Schnappen. „Aber, aber… mein Engel. Wir wollen doch keine Gewalt anwenden. Das Resultat würde dir nicht gefallen.“  Yuune schrie jetzt laut um Hilfe, wollte wissen wo ich Ryuichi gefangen hielt.  „Keine Angst. Du wirst diesen Dreckhaufen noch früh genug wieder sehen. Jetzt sei bitte ruhig. Du weckst die Nachbarn, Liebling.“ Doch mein Engel gab seine Gegenwehr nicht auf.  Yuune bekam einen Arm frei und schlug nach mir. Ich taumelte zurück, schüttelte den Kopf und blickte Yuune wütend hinter her. Er versuchte erneut zu fliehen. Nur hatte auch meine Geduld ein Ende. Ich holte ihn mit ein paar Schritten ein. Er hatte meinen Schlag nicht kommen sehen und stolperte durch die Wucht des Aufpralls.  Ich schlug ihn noch einmal, damit er endgültig das Bewusstsein verlor. Seine Schreie verstummten.  Ich kniete mich zu ihm hinunter, strich die wirren Haarsträhnen aus seinem Gesicht und betrachtete seine nun schlafende Gestalt. „Das du aber auch nie hören kannst.“ Ich stand auf und fing in aller Ruhe an ein Seil zu suchen. Kapitel 4: Red bleeding part 2 ------------------------------ Sollte ich das nächste Mal ein Haus verwüsten würde ich vorher alles bereit legen was mir noch nützlich sein könnte. Es hatte mich wertvolle Zeit gekostet nach dem Seil zu suchen. Mein Geliebter regte sich nach all der Zeit, die verstrichen war, jedoch nicht. Ich fühlte seinen Puls, besorgt doch zu hart zugeschlagen zu haben. Doch mein Engel war stark. Sein Puls schlug regelmäßig gegen meine Finger. Ich beugte mich über sein Gesicht, kostete seine Lippen. Es war ein Rausch des Glücks. „Endlich bist du mein. Wie lange habe ich darauf gewartet deine Lippen zu kosten?“ Ich strich ihm eine Strähne seines Haares aus dem Gesicht, bevor ich ihm die Fesseln anlegte. Zart strich ich mit den Fingern über seine Lippen und biss mir auf die eigenen, als schlussendlich ein Knebel Yuunes zartes Fleisch verdeckte. „Ich will dir das nicht antun.“ Eine einzige Träne lief an meiner Wange hinab. Es schmerzte mich meinen Geliebten so daliegen zu sehen. „Aber du verstehst einfach nicht wie sehr ich dich Liebe! Wenn du es nur auch sehen würdest.“ Flüsterte ich in sein Ohr, während meine Hand über seinen Körper fuhr und ihn an Stellen berührte, wo niemand sonst ihn je berühren sollte. Das Geräusch zerspringenden Glases ließ mich inne halten. Ich lauschte in die Stille, beobachtete weiterhin Yuune. Und wieder war das Klirren, berstenden Glases, zu hören. Wütend verzog ich mein Gesicht. Mit harschen Bewegungen hob ich Yuune auf meine Arme, stieg die Treppen hinauf und legte ihn in sein Bett. Das Laken war verklebt mit dem Rot meines letzten Geschenkes, die schwarzen Blütenblätter bereits vertrocknet. Es machte mich wütend, dass er mein Geschenk nicht zu würdigen wusste. Aber für meine Wut war später noch Zeit. Leise schloss ich die Tür des Schafzimmers, verriegelte diese von außen und verstaute den Schlüssel sicher in meiner Tasche. Auf leisen Sohlen lief ich die Treppen hinab, um der Quelle der Geräusche nach zu gehen. Stimmen flüsterten, jedoch nicht leise genug. Ich ärgerte mich über dermaßen dilettantische Einbrecher. Wie konnten Sie es wagen in das Haus meines Geliebten einzubrechen? Eng an die Wand gepresst lief ich Richtung der Wohnzimmertür. „Bist du sicher, dass er nicht doch zu Hause ist?“ flüsterte eine der Stimmen. „Ja. Ich habe das Haus den ganzen Tag beobachtet. Der Typ ist nicht hier.“ Ich hörte ein angstvolles, doch zustimmendes Brummen. Verärgert warf ich einen Blick zurück zur Treppe und hoffte das mein Engel noch eine Zeit lang schlafen würde. Es würde mich mehr als nur ein wenig wütend machen, wenn er sich gerade jetzt dazu entschied sich bemerkbar machen zu wollen. „Scheiße…“ meine Aufmerksamkeit glitt wieder zurück. Ich hörte wie die Einbrecher scharf die Luft einsogen. Der Strahl einer Taschenlampe streifte kurz den Rahmen der Tür. „Was ist hier passiert? War schon jemand vor uns hier?“ fragte der Angsthase. Ich wagte einen Blick in das Zimmer und sah zwei schmächtige Gestalten, der eine nur ein paar Zentimeter größer als der Andere. Alles in allem wirkten sie wie zwei Teenager bei einer Mutprobe. Ich sollte mir keine allzu großen Sorgen machen. Wenn sie jedoch auch nur ein Wörtchen von dem ausplauderten was sie hier sahen, würde man mir auf die Schliche kommen. Allerdings wie sollten sie Wissen das ich für das Chaos verantwortlich war? Nein, das konnten sie nicht. Es war egal dass sie hier waren. „Sollten wir vielleicht die Polizei rufen? Schau wie das hier aussieht. Das waren Profis.“ Ich fühlte mich ein wenig geehrt. War ich doch kein Profieinbrecher. Der andere zischte, zu leise für meine Ohren, seiner Begleitung etwas entgegen. „Quatsch!“ schimpfte der Angsthase nun lauter. „Ich will immer noch eine von Sugizos Gitarren haben! Aber schau wie es hier aussieht!“ anscheinend hatte der Angsthase doch Mumm in den Knochen. Ich veränderte meine Position nur ein paar wenige Millimeter, um die zwei Einbrecher besser sehen zu können. Im letzten Moment wich ich zurück, als der Strahl der Taschenlampe erneut die Tür traf. „Entweder wir holen uns diese Gitarren jetzt oder gar nicht. Glaubst du es wird, wenn der dieses Chaos hier sieht, einfacher hier rein zu kommen?“ ein fiepen entwich den Angsthasen als ihm diese Tatsache bewusst wurde. Ich schüttelte den Kopf. Wussten diese beiden denn nicht, dass mein Engel hier ausziehen würde? Das er mit mir zusammen leben würde? „Komm jetzt! Lass uns seine Gitarren suchen!“ schnell wich ich in die dunkelste Ecke des Flurs zurück. Mein Yuune bewahrte all seine geliebten Instrumente bei sich im Schlafzimmer auf. Er konnte nicht ohne sie sein. Die lauter werdenden Schritte zeigten mir, dass die Beiden näher kamen. Was sollte ich nur machen? Mein Engel lag noch immer bewusstlos in seinem Bett, hinter verschlossenen Türen, diese Möchtegerneinbrecher schlichen hier unerlaubt herum und wussten in wessen Haus sie sich befanden. Mein Blick verdüsterte sich mit jeder Sekunde. Ich konnte Yuune so nicht hier heraus bringen. Es war unmöglich. Ich erstarrte als der Strahl der Taschenlampe mich traf, wich zurück und lächelte als ich sah, dass diese Idioten noch immer in ihrem Streit vertieft waren. Mit zwei, drei schnellen Schritten war ich bei Ihnen und schlug den Ersten nieder. Er ging stöhnend zu Boden. Der Zweite ließ vor Schreck die Taschenlampe fallen. Es wirkte wie in einem der guten Horrorfilme, die ich so sehr mochte. Die Taschenlampe schlug auf den Boden auf und ihr Licht erlosch. Ich holte erneut aus, um den Burschen eine zu verpassen, wurde aber von dem am Boden liegenden festgehalten und geriet dadurch aus dem Gleichgewicht. Ich ärgerte mich nicht hart genug zugeschlagen zu haben, als mich auch schon die Faust des zweiten mitten im Gesicht traf. Mit einem Grunzen wich ich zurück und der nächste Schlag ging ins Leere. In der kurzen Zeit hatte sich der zweite Einbrecher vom Boden erhoben und stürzte sich ebenfalls auf mich. „Verdammt.“ Knurrte ich. Es hatte keinen Sinn. Momentan war ich den Beiden unterlegen. Der kleine Kampf mit Yuune hatte mich doch mehr Kraft gekostet, wie ich gedacht hatte. Fluchend floh ich. Kapitel 5: Red bleeding part 3 ------------------------------ Unruhig warf ich mich hin und her. Wir lagen nun schon seit ein paar Stunden im Bett, doch ich konnte nicht schlafen. J neben mir stieß resigniert die Luft aus. „Lieg doch still. Ich will schlafen.“ Flüsterte er, zog mich noch ein Stück näher an sich heran. „Ich kann nicht. Dieser Verrückte… er hat Ryuichi in seiner Gewalt! Und er will Yuune.“ Ich vergrub meinen Kopf an J’s Brust. Dieser hielt mich nur noch fester in seinen Armen. Ich spürte wie er leicht zitterte. „Keine Angst. Yuune wird nicht in seine Hände fallen und Ryu bekommen wir wieder. Es wird alles gut.“ Ich betete inständig, dass Jun Recht behielt. Wir schwiegen eine Weile, doch ich spürte dass Jun noch wach war. Er seufzte und verließ im nächsten Moment das Bett. „Wo…?“ ich erkannte gerade mal die Umrisse des Bassisten, als dieser erneut seufzte. „Ich kann auch nicht schlafen. Lass uns mal nach Yuune sehen. Wenn wir schon nicht schlafen können…“ er lies den Satz offen, war bereits halb zur Tür hinaus. Ich folgte ihm und hörte ihn kurz darauf auch schon laut fluchen. Jun schaltete das Licht an und rannte auch schon an mir vorbei. „Yuune!?“ schrie er durch das gesamte Haus. Verwirrt betrat ich das hellerleuchtete Gästezimmer und benötigte einen Moment um zu realisieren das Yuune nicht hier war. „Yuune?“ flüsterte ich. Meine schlimmste Befürchtung bestätigte sich als Jun einen Moment später bei mir war und den Kopf schüttelte. „Nichts. Er ist im gesamten, verdammten Haus nicht!“ Jun griff zu seinem Handy, wählte Shinyas Nummer. Eine gefühlte Ewigkeit später ging ihr Drummer ans Telefon. „Moshi Moshi…“ ich hörte wie müde ihr Freund klang und auch sein entsetzen als Jun ihm die Situation schilderte. „Wie könnt ihr ihn allein lassen!“ Jun hatte den Lautsprecher seines Telefons angeschaltet. Im Hintergrund konnten wir Aya hören, die versuchte ihren Mann zu beruhigen. „Er hatte sich hingelegt! Verdammt, wir können doch nicht ahnen das er abhaut.“ Jun schrie nun zurück. Ein kurzes Rascheln dann war Shinyas Frau am Apparat. „Jun-kun, es tut mir leid. Shinya nimmt eure gesamte Situation mit. Er ist wütend weil er nichts mitbekommen hat.“ Sagte sie mit ruhiger Stimme. Ich verstand warum Shinya sie geheiratet hatte. Man konnte noch so wütend sein, ihre Stimme beruhigte einen sofort. „Was ist mit Yu-chan?“ Jun schloss die Augen und erzählte kurz noch einmal die aktuelle Situation. „Ihr müsst die Polizei verständigen. Könnte er zu seinem Haus gegangen sein? Oder gibt es einen Hinweis in deinem Haus?“ ich sah mich in Juns Gästezimmer um, doch es gab keinen Hinweis. Wann hatte Yuune sich hinaus geschlichen? „Wir müssen zu seinem Haus, Jun.“ Meine Stimme hörte sich rau an. Jun nickte. „Jun-kun, Kiyo-kun ich muss mich um Shin kümmern. Er weckt mir sonst noch die Kleinen. Bitte ruft uns an, sobald ihr etwas Neues wisst.“ Damit legte sie auf. „Und nun?“ fragte Jun, starrte zwischen Gästezimmer und Telefon hin und her. Ja, was konnten wir als nächstes tun? War es möglich das er einfach nur nicht schlafen konnte und spazieren war? Diesen Gedanken verwarf ich schnell wieder. Ich hatte Yuune gesehen, hatte gehört was er dem Polizisten erzählt hatte und war noch immer entsetzt über das Ausmaß des ganzen. „Lass uns zu seinem Haus fahren. Ich glaube nicht das er einfach spazieren gegangen sein könnte.“ Meinte ich zu Jun, der bereits auf den Weg in sein Wohnzimmer war. Ich hörte ihn fluchen. „Wo ist diese verdammte Nummer?“ ich zog eine Augenbraue hoch. Welche Nummer suchte er. „Kiyo, wo hab ich die Nummer von Yamamoto-san? Ich hatte sie doch hier hingelegt.“ Jun durchsuchte weiter das Chaos von Blättern, welches er auf dem Wohnzimmertisch bereits veranstaltet hatte. „Warte. Ich habe sie einstecken. Probiere Yuune auf seinem Telefon zu erreichen. Vielleicht geht er ran.“ Ich glaubte nicht, dass er abnehmen würde, sollte er wirklich mit Vorsatz weggegangen sein. Aber es bestand noch Hoffnung. Vielleicht machten wir uns ganz umsonst Sorgen. Im Schlafzimmer angekommen nutzte ich die Chance mir etwas anzuziehen, bevor ich mit der Nummer in der Hand zurück zu Jun ging. Dieser blickte mich verzweifelt an. „Nichts. Er geht einfach nicht ran.“ Stumm reichte ich dem Bassisten die Nummer des Polizisten. Doch mittlerweile zitterten Juns Hände zu stark, als das er die Nummer hätte in das Display hätte eingeben können. „Warte. Ich mach das. Geh dich anziehen. Wir werden ihn suchen.“ Jun nickte, drückte mich kurz an sich und überließ mir dann sein Handy. Ich wählte die Nummer Yamamotos und es schien mir eine wie eine Ewigkeit bis der verschlafen klingende Polizist am Apparat war. „Moshi, moshi. Yamamoto hier.“ Ich war kurz verwundert das er seinen Titel wegließ aber das spielte keine rolle. „Yamamoto-san, hier ist Inoue. Yuune… ich meine Sugizo ist verschwunden!“ meine Stimme zitterte leicht, als ich die Worte aussprach. Der Polizist war sofort hellwach. Stellte mir Fragen. Seit wann wir ihn vermissten. Wo wir waren, als er zuletzt mit uns zusammen gewesen ist. Ob wir eine Vermutung hätten wo der Gitarrist hingegangen sein könnte. Die Masse an Fragen brach nicht ab. Ich versuchte sie ihm so gut und ausführlich wie möglich zu beantworten. Doch auf einige Fragen wussten weder Jun noch ich eine Antwort. „Wir wollen bei ihm zu Hause nachsehen.“ Ich hörte wie Yamamoto kurz mit jemanden sprach, bevor er wieder am Telefon war. „Entschuldigung. Meine Frau beschwert sich immer wenn ich in der Nacht einen Anruf bekomme. Haben sie einen Schlüssel für Sugihara-sans Wohnung?“ fragte er mich. Ich besaß keinen, wusste aber dass Jun einen Zweitschlüssel zum Haus des Gitarristen besaß. „Ja wir haben einen. Sollen wir uns wieder bei ihnen melden?“ fragte ich und sah wie Jun bereits nach dem Schlüssel suchte. „Ich werde sie vor Ort treffen. Sie gehen unter keinen Umständen allein in dieses Haus. Soweit wir momentan wissen, ist der Täter unzurechnungsfähig. Er wird auch vor ihnen nicht halt machen.“ Ich nickte und bemerkte erst dann das Yamamoto dies nicht sehen konnte. „Ja, selbstverständlich.“ Wir beendeten unser Gespräch kurze Zeit darauf. Jun und ich fuhren schweigend zu Yuunes Haus. Es lag in völliger Dunkelheit. „Hier ist niemand.“ Flüsterte ich Jun zu, nachdem wir seinen Wagen verlassen hatten. Der Bassist drückte kurz meine Hand und überblickte die Straße. Sie war spärlich beleuchtet, es wäre ein leichtes sich im Schatten zu verstecken. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter als ich Yuunes Haus in dieser Dunkelheit erblickte. „Schau dort. Das sieht seltsam aus.“ Jun deutete auf ein Fenster im Erdgeschoss. Doch es war zu dunkel um es genauer erkennen zu können. Der Lichtkegel eines herannahenden Autos erfasste uns, blieb kurz vor uns stehen. „Guten Morgen.“ Begrüßte uns Yamamoto, der nicht viel besser aussah wie wir uns fühlten. Auf der Beifahrerseite stieg seine Kollegin aus, verneigte sich leicht vor uns und hörte auf die Anweisungen ihres Vorgesetzten. „Können wir endlich da rein gehen? Ich habe ein schlechtes Gefühl.“ Ich flüsterte, traute mich nicht lauter zu sprechen. Jun zeigte dem Polizisten was er erst schon erspäht hatte. Anscheinend waren meine Augen schlechter als seine, denn ich erkannte immer noch nichts. Der überraschte Ausruf Yamamotos jedoch bestärkte Jun in seiner Annahme, dass mit dem Fenster etwas nicht stimmte. „Okay. Ishikawa und ich gehen zu diesem Fenster. Sie werden mit Inoue-san den Vordereingang benutzen. Aber bitte seien sie vorsichtig. Wir wissen nicht womit wir es hier zu tun haben. Oder ob Sugihara-san überhaupt hier ist.“ Jun nickte. Ich jedoch fühlte mich angegriffen, konnte mir dieses Gefühl jedoch nicht recht erklären. „Yuune wäre niemals aus freien Stücken von uns abgehauen! Das können sie mir glauben!“ meine Stimme war eisig. Jun drückte kurz meine Schulter. „Kiyo, das weiß Yamamoto-san doch. Aber du hast Yu selbst gesehen…“ er lies offen was er noch hätte sagen wollen. Ich verstand ihn auch so. Wusste das Yuune abgehauen wäre, wenn er nur für einen Moment überzeugt gewesen wäre, dadurch Ryuichi zurück zu bekommen. Sein eigenes Leben war ihm egal, wenn es um den Sänger ging. Er seufzte. „Entschuldigen sie, Yamamoto-san. Es belastet mich nur so ungemein.“ Der Polizist nickte verständnisvoll. „Lassen sie uns nun gehen. Wenn er nicht hier ist, müssen wir überlegen wo ihr Freund noch sein könnte.“ Damit begaben wir uns zu unseren jeweiligen Positionen. Wir hörten wie Ishikawa einen laut des Erstaunens von sich gab und gleich darauf das zischen ihres Kollegen. „Los jetzt, Kiyo.“ Damit schloss Jun die Tür auf, hielt jedoch verwundert inne. „Sie geht nicht auf. Da blockiert irgendetwas von Innen.“ Sagte er und rüttelte mehrmals an der Tür. „Was können wir machen?“ fragte ich der Panik bereits sehr Nahe. Es mochte sein das ich auf Yuune wütend war, weil er uns nichts erzählt hatte, jedoch würde ich es mir nie verzeihen wenn ihm etwas passieren würde. Er war mein Bruder. Der Familie durfte nichts passieren! Jun lief ein paar Schritte zurück und nutzte den Anlauf den er dadurch gewann, um mit seiner Schulter voran durch die Tür zu brechen. Sie bewegte sich kein Stück. Er probierte es mehrmals, bis sie endlich ein wenig nachgab. „Du hast es gleich, Jun.“ Er benötigte noch zwei weitere Versuche, bis sie mit einem lauten Krachen komplett aufbrach. „Jun!“ rief ich aus, besah mir den Schaden an seiner Schulter. Er zuckte zusammen als ich sie leicht drückte. „Lass gut sein, Kiyo. Es geht schon.“ Er versuchte mich anzulächeln, jedoch verzog er dabei sein Gesicht. Ich schaltete das Licht im Flur ein und erschrak fürchterlich. Die Einrichtung ihres Gitarristen lag vollkommen zerstört vor ihnen. Vorsichtig betraten wir das innere des Hauses, schalteten überall die Beleuchtung ein, als wir Schreie hörten. „Was?“ fragte Jun und lief in Richtung des Tumults. Sie hörten wie Yamamoto schrie. „Achtung, Sie kommen Richtung Tür!“ und schon rannte ein halbwüchsiger direkt in Juns Arme. Refelxartig packte er diesen und schaffte es ihn bewegungsunfähig zu machen. Der Aufschrei einer zweiten Person zeigte das Yamamoto seine Arbeit aufgenommen hatte. Einen kurzen Moment später standen sie alle in helles Licht getaucht. Ich sog scharf die Luft ein, als ich das Chaos sah was sich vor uns präsentierte. „Was ist hier geschehen? Wo ist Yuune?“ schrie ich die beiden Halbwüchsigen an, bevor ich mich bremsen konnte. Der eine beteuerte bereits seine Unschuld und das er doch nur eine Gitarre besitzen wolle. Der andere schwieg. „Kiyo, beruhige dich. Habt ihr dieses Chaos hier veranstaltet?“ fragte Jun und bedeutete mir ruhig zu bleiben. Yamamoto räusperte sich, hielt noch immer den einen Einbrecher am Arm fest. „Wir waren das hier nicht! Ich schwöre! Als wir hier rein sind, sah es schon so aus!“ redete der kleine drauf los. Ich glaubte ihm. Zumindest das es hier schon so ausgesehen hatte. Die zwei hätten keinen Grund gehabt die Tür zu verbarrikadieren. „Und wer soll das hier dann angerichtet haben?“ fragte Ishikawa-san und verdeutlichte ihre Aussage indem sie auf das zerstörte Inventar wies. „Hier war noch ein anderer Typ.“ Knurrte der etwas größere der Beiden und versuchte sich aus Juns Griff zu befreien. „Wie sah er aus?“ fragte Yamamoto, ohne auf die Bemühungen des Jungen einzugehen. „Keine Ahnung. Der hat mich zu Boden geschlagen. War aber nicht hart genug.“ Er zuckte mit den Schultern. Jun schien den Druck auf seinen Oberarm zu erhöhen, denn er beschwerte sich lautstark. „Hey du Arsch! Du brichst mir meinen Arm!“ Jun schnaubte, unbeeindruckt von diesem Ausruf. „Wie sah der Typ aus und war noch jemand bei ihm, wurdest du gefragt?“ ich zog erstaunt eine Augenbraue hoch. Jun hätte Polizist werden sollen. So wie jetzt hatte ich ihn noch nie reden hören. Seine Stimme jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. „Wurde ich gar nicht Opa! Und noch mal. Ich hab nichts gesehen. Es war dunkel! Und nun lass mich los!“ Jun dachte nicht daran ihn los zu lassen. Auch Yamamoto bekam nichts weiter aus den zwei Halbwüchsigen heraus. Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchten zwei Beamte auf, die die beiden mit auf die Wache nahmen. Sie würden die Nacht im Gefängnis verbringen. Der Kleine der beiden weinte die ganze Zeit und flehte nicht ihre Eltern zu informieren. Doch da würden sie wohl nicht drum herum kommen. Ishikawa trat auf Yamamoto zu, nachdem die Beamten mit den Einbrechern verschwunden waren. Er seufzte. „Ich glaube nicht das die Zwei was mit der Sache hier zu tun haben. Das war einfach nur ein dummer Zufall.“ Ich nickte und sah mich noch einmal im zerstörten Erdgeschoss um. „Hier unten ist Yuune-sama nirgendwo. Auch oben habe ich ihn nicht gefunden.“ Berichtete Ishikawa, die die Zeit genutzt hatte, um nach dem Vermissten zu suchen. „Haben sie wirklich alle Räume durchsucht?“ fragte Jun, nachdem er meine Hand ergriffen hatte. Ich zitterte, mein ungutes Gefühl wurde immer größer. „Es sieht in allen Räumen ähnlich aus wie hier. Das komplette Inventar wurde verwüstet. Nur in einen Raum am Ende des Obergeschosses bin ich nicht hinein gekommen.“ Berichtete die Polizistin. Ich drückte Juns Hand, meine Stimme überschlug sich. „Das ist Yuunes Schlafzimmer. Er schließt es nie ab!“ Jun bestätigte meine Aussage. Yamamoto nickte und Ishikawa berichtete dass sie angeklopft hätte, jedoch keine Regung aus dem Zimmer kam. Doch das überzeugte mich nicht. Ich ließ die Hand los, die mir die ganze Zeit über Halt gegeben hatte und rannte ins Obergeschoss. Wie ein Verrückter hämmerte ich an die Tür, schrie Yuunes Namen. Jun war mir, zusammen mit den Polizisten, gefolgt. Ich hörte wie er scharf die Luft einsog, als er die Verwüstung sah welche ich nur am Rande wahrgenommen hatte. „YUUNE!“ schrie ich erneut, lauschte auf eine Reaktion. Doch sie blieb aus. Es gab außen an der Tür keinen Schlüssel sodass ich mich, wie Jun erst an der Haustür, mit Kraft dagegen warf. Yamamoto wollte mich aufhalten. „Hören sie doch auf. Er scheint nicht da drin zu sein.“ Wütend blickte ich den Polizisten an. „Yuune befindet sich in einer Ausnahmesituation. Sie haben keine Ahnung wie es in ihm aussieht! Was glauben Sie würde er in dieser Situation machen?“ fuhr ich ihn an. Jun hielt mich an der Schulter fest. „Kiyo, beruhige dich. So bringt das nichts.“ Er blickte den Polizisten an. „Aber bitte lassen sie uns auch in diesem Raum nachsehen. So klein die Chance auch erscheinen mag, Yuune hier zu finden.“ Mir rannen Tränen der Wut und Verzweiflung an der Wange hinab. Ich hatte Yuune heute beschimpft, ihm Vorhaltungen gemacht und nun war er weg. Ich wusste, dass ich mich vielleicht umsonst so aufregte, dass er eventuell bereits wieder im Gästezimmer meines Geleibten lag und schlief. Aber mein Bauchgefühl sagte mir das ich mich irrte. Yuune hätte das Haus nicht allein verlassen. Nicht in der Situation und schon gar nicht mitten in der Nacht. Zudem war er allein gegangen. Jun und auch ich haben ihm doch deutlich gemacht, das wir ihn nicht allein würden gehen lassen. Wo war ihr Gitarrist. „Inoue-kun treten sie zur Seite. Ich öffne die Tür.“ Mit diesem Satz riss mich Yamamoto aus den Gedanken. Mein Herz schien ebenso die Luft anzuhalten wie ich es tat, als der Polizist Anlauf nahm und sich gegen die Tür warf. Kapitel 6: Bloodknife --------------------- Mit einem lauten Krachen flog die Tür gegen die Wand. Ich stürmte an Yamamoto-san vorbei, bereute es im nächsten Moment jedoch sofort. Der Geruch in diesem Raum machte dass Atem zur Qual. „Was ist das für ein Gestank?“ ich hörte wie Ishikawa würgte und den Raum verließ.  Ich weiß nicht wer den Lichtschalter betätigte, aber der Wunsch das ein Stromausfall mich retten würde blieb unerfüllt. „Oh Himmel!“ flüsterte der Gitarrist ehe er sich zu mir drehte und sein Gesicht an meiner Brust vergrub. Ich legte schützend meine Arme um ihn, beobachtete den Polizisten.  Das Schlafzimmer glich einer Schlachtbank.  Überall herrschte ein heilloses Durcheinander, die weißen Laken waren dreckig braun. Beim näheren betrachten wurde mir schlecht. Es war eindeutig getrocknetes Blut. An manchen Stellen schimmerte es noch rot, da wo der Stoff es nicht mehr geschafft hatte, alles aufzusaugen. „Sind das Blütenblätter?“ Yamamoto sprach mehr zu sich selbst als mit uns, weshalb ich Kiyo auch nicht aus meinen Armen gehen ließ.   Er sollte sich das Ausmaß hier nicht noch einmal anschauen. Neben dem Bett lag Yuunes Kleidung wahllos zerstreut auf den Boden, die Tür des Schrankes war nur an einer Seite befestigt, die Keramiktöpfe seiner Pflanzen lagen als einziger Scherbenhaufen vor der Wand. >Er gehört mir!< stand in großen Lettern da . Prangerten uns an, das wir kein Recht auf Yuune hatten.  „Das ist keine Farbe.“ Murmelte Yamamoto und griff nach seinem Handy. Er orderte Verstärkung an. „Scheiße…“ ich flüsterte die Worte, doch Kiyo hatte sie gehört, wollte sich umdrehen. „Nicht.“ Meinte ich zu ihm, sah in die panisch, fragenden Augen. „Damals…“ ich stockte kurz, doch es ergab plötzlich Sinn. „… als ich dir erzählte das Yuune nun zum Exzentriker wird. Erinnerst du dich?“ Kiyo nickte, wartete das ich fortfuhr. Mein Blick hing an dem Polizisten, der die Tür zum angrenzenden Badezimmer öffnete. „Yuune ist nicht Exzentrisch gewesen. Er hat versucht dieses Grauen zu beseitigen. Sein Wohnzimmer damals…“ Inorans Augen weiteten sich, er fügte nun auch die Situationen von damals zusammen. „Rufen Sie einen Rettungswagen!“ der Schrei Yamamotos, durchbrach unser Gespräch.Es waren Bruchteile von Sekunden, die zwischen dem öffnen der Tür und Yamamotos Aufschrei lagen.   Das Szenario was sich uns bot… es fällt mir schwer Worte dafür zu finden. Wenn wir erst morgen früh nach Yuune gesehen hätten, ich will es mir nicht einmal im Traum ausmalen. Es fiel mir bereits jetzt schwer genug, die zusammengekrümmte Gestalt als einen meiner besten Freunde zu erkennen. Seine  Handgelenke und Knöchel waren mit einem blutverschmierten Seil zusammengebunden, das Haar hing ihm wirr ins Gesicht. Der Knebel der seine Lippen versiegelte war von meiner Position aus nur zu erahnen. Kiyo kniete neben Yuune, achtete nicht darauf dass seine Kleidung sich mit dem Blut des Gitarristen verfärbte. Ich sah Inorans Tränen und wie er versuchte die wirren Haarsträhnen aus seinem Gesicht zu streichen. „Bewegen Sie ihn nicht, Inoue-san!“ Yamamoto hielt ihn auf, ließ nicht zu das er Yuune auf den Rücken drehte. Ich taumelte näher heran, fiel neben Kiyo auf den Boden und betrachtete Yuunes leblose Gestalt. Was hatte dieser Irre mit Yuune gemacht? Wenn er ihn besitzen wollte wie es bis jetzt den Anschein hatte, warum versuchte er dann ihn umzubringen? Damit niemand Yuune zu Nahe kommen konnte, wenn er es nicht könnte. „Das ist doch Wahnsinn!“ meine Stimme versagte. Mit fahrigen Bewegungen versuchte ich ihn von den Fesseln zu befreien, die Sicht von meinen Tränen behindert. Finger schlossen sich um meine Handgelenke, hielten mich davon ab. „Bewegen sie ihn nicht. Wir wissen nicht wie schwer er verletzt ist.“ es war Yamamotos Stimme, die mich davon abhielt weiter an den Fesseln zu zerren. „Yuune…“ flüsterte Inoran immer und immer wieder. „Warum sind wir nicht bei ihm geblieben?“ der kleinere griff nach mir, vergrub das Gesicht an meiner Schulter.   „Wir waren doch beisammen. Kiyo wie hätten wir wissen können, dass Yuune aus meiner Wohnung verschwindet? Wir waren bei ihm!“  versuchte ich den aufgelösten Gitarristen zu beruhigen, doch es gelang mir nicht. Yamamoto bellte irgendwelche Befehle in sein Funkgerät, welches er plötzlich in den Händen hielt, kontrollierte immer wieder Yuunes  Atmung und Puls. „Onose-kun, bitte bewegen sie ihn nicht. Ich gehe nach unten und suche ein Messer, um die Fesseln lösen zu können.“ Sein gereizter Blick zeigte mir deutlich, dass er diesen Satz nun schon mehrmals zu mir gesagt hatte. Ich nickte, nicht mehr in der Lage  meine Stimme zu gebrauchen. Inoran ließ seinen Tränen freien lauf. Ich sah wie sich das Blut um ihn verteilte, wollte dass es aufhört. Ungeachtet von Yamamotos Befehl wollte ich Yuune bewegen und sah im letzten Moment das aufblitzen eines Gegenstandes. Vorsichtig schob ich den Rand von Yuunes Jacke zur Seite, bevor ich im nächsten Moment zurück stürzte. „Jun, was ist los?“ schrie Inoran mich an. Doch nun hatte ich verstanden, warum wir ihn nicht bewegen sollten. Aus unserer Position heraus hatten wir es nicht sehen können. In Yuunes Bauch steckten zwei Fleischermesser. Ich kannte die Messer und auch wenn Yuunes selbst nicht kochen konnte, sorgte er dafür dass das Küchenequipment in tadellosen Zustand war. Seine Messer waren alle geschärft. Und nun steckten zwei eben jener Messer im Körper des Gitarristen.       Als ich Kiyo nicht antwortete, beugte sich dieser über Yuune. Ich riss den Kleinen zurück, wollte nicht dass er es sah. „Nicht! Kiyo, bitte mach das nicht.“  Meine Stimme zitterte. Ich zog ihn in meine Arme, hielt ihn dort gefangen. Wir hörten ein leises Wimmern. „Yu!!!!“ Inoran schob ihm erneut ein paar Strähnen aus dem Gesicht, sah das der Gitarrist seine Augen einen Spalt geöffnet hatte. Tränen liefen unkontrolliert über seine Wangen. „Ganz ruhig, Yuune! Wir sind da. Jun und ich sind da. Und die Polizei auch! Dir passiert jetzt nichts mehr!“ Kiyo strich ihm sanft über die Wange, bekam er den Knebel der seine Lippen verdeckte nicht gelöst. Das Yuune vor seiner Hand zurückzuckte bekam der Jüngere nicht mit. „Yamamoto-san holt ein Messer. Dann befreien wir dich! Dieser Irre wird dich nicht bekommen.“  Yuune hustete, schrie gequält auf. Der Schrei wurde durch den Knebel gedämpft, der sich langsam begann rot zu verfärben. „Scheiße! Yuune beweg dich nicht! Bitte bleibe ruhig liegen.“ Ich setzte mich auf seine andere Seite, versuchte seinen Blick einzufangen. Mit Schrecken erkannte ich, dass er nicht mitbekam was um ihn herum geschah. Ein erneuter Hustenanfall schüttelte den Gitarristen, bevor er sein Bewusstsein erneut verlor. „Yuune!“ schrie Inoran.   Yamamoto betrat den Raum. In seiner Hand hielt er ein Messer und befreite den Sänger mit drei schnellen Schnitten durch die Knebel. Hinter ihm sah ich zwei Sanitäter, mit angespannten Gesichtern. Anscheinend hatte Yamamoto es ihnen schon gesagt. „War Sugihara-san bei Bewusstsein?“ fragte uns der Polizist. Mechanisch nickten wir. „Kurz. Er hat uns nicht erkannt.“ Yamamoto seufzte, schickte uns dann aus dem Bad hinaus. Er bat uns auch das obere Stockwerk zu verlassen, Ishikawa würde unten auf uns warten. Wie in Trance begaben wir uns zu der Polizistin, die nicht weniger bleich um die Nase war wie wir. Wie hatte es nur soweit kommen können? Ich machte mir Schuldgefühle obwohl ich wusste, dass ich für eben jenes nichts konnte.  Wir hörten wie erneut Einsatzkräfte nach oben rannten, beobachteten wie sie einen kleinen Kasten bei sich trugen. „Oh, Gott. Ein Defibrillator.“ Flüsterte Inoran und brach auf seine Knie zusammen. Wie paralysiert starrte er zu der Treppe, ignorierte die junge Polizistin die ihn aus dem Haus führen wollte. Auch ich bewegte mich nicht, starrte nach oben und betete dass ein Wunder geschah. Ich hatte die Verletzung gesehen, hatte gesehen wie sich die kleine Pfütze  immer weiter um den bewusstlosen Körper ausbreitete. „Was sollen wir Ryu sagen?“ Kiyo starrte mich an. Sein Gesicht, seine gesamte Haltung wirkten verzweifelt. Ich wusste keine Antwort. Denn wie sollten wir Ryuichi sagen, dass etwas Schreckliches passiert war? Er war in den Händen des Wahnsinnigen, der auf Yuune eingestochen hatte.   Eine schiere Unendlichkeit später kamen zwei der Sanitäter nach unten, kümmerte sich um uns. Wir standen unter Schock und bekamen dadurch nicht mit wie sie die Trage mit Yuune nach unten brachten. Aufgeschreckt von den plötzlich einsetzenden Sirenen befreiten wir uns von den Helfern. Wir rannten ins freie und sahen wie das Blaulicht des Krankenwagens, um die nächste Ecke bog. „Yuune!“ meine Stimme war kaum mehr ein krächzen, den lauten Knall neben mir nahm ich erst viel später war. Die Sanitäter knieten bereits neben Inoran, als ich meinen Kopf langsam wendete. „Yuune…“  nur am Rande nahm ich war das mich zwei starke Arme hielten, bevor alles um mich herum schwarz wurde. Kapitel 7: Thunder wake me up ----------------------------- Das laute Knallen des Donners riss mich aus den Krallen der Bewusstlosigkeit. Ich hörte das Piepen mehrerer Geräte und ein leise geführtes Gespräch. Die Frauenstimme versuchte ruhig zu klingen, jedoch konnte man ihr die Panik in der Stimme anhören. Sie unterhielt sich mit einem Mann, aus dessen Stimme die pure Verzweiflung klang. Nach und nach ergaben ihre Worte Sinn.  „Shinya, jetzt beruhige dich doch! Wir können nur warten. Ich weiß, dass dir das nicht gefällt! Aber denk doch bitte auch an Rimu, Sona und Youta! Es hilft weder unseren Kindern, noch dir oder Yuune wenn du hier durchdrehst!“  das Schnaufen Shinyas war deutlich zu hören und auch wie er auf und ab lief. Wo war ich hier? Ich öffnete langsam die Augen, blickte mich verwirrt um. Wie kam ich in ein Krankenhaus? Im Bett neben mir sah ich Inoran liegen. Er hatte noch immer seine Augen geschlossen. Ein scharfes stechen fuhr durch meinen Kopf als die Erinnerung zurückkam. Yuune!  „Yuune wird seit drei Stunden Notoperiert! Seit DREI verdammten Stunden! Und die Schwestern die aus dem OP kommen sagen mir nichts!“ Shinya fuhr sich verzweifelt mit der Hand durch die Haare, bekam das eintreten des Polizisten nicht mit. Aya wirkte blass, als sie ihm zunickte. Ich beobachtete still wie der Polizist eine kleine, schlafende Gestalt in das freie Bett neben Inoran legte. „Er ist ein kleiner Wirbelwind, ihr Youta.“ Für einen kurzen Moment hielt Shinya inne und nickte lächelnd. Er war stolz auf seinen Sohn.  „Sind Onose-san oder Inoue-san aufgewacht? Ich glaube der Schock war zu groß.“ Aya wollte verneinen, als sie bemerkte dass ich sie beobachte. „Jun!“ rief sie aus und eilte an ihrem Mann vorbei. Ihre kleinen Hände wanderten über mein Gesicht, bis ich ihr ein dünnes lächeln schenkte. „A-chan. Es geht mir gut.“ Sie seufzte erleichtert, ergriff meine Hand und drückte sie kurz. „Gott sei Dank, Jun.“ Meinte sie, trat einen Schritt zurück als ihr Mann an mein Bett trat. Shinya sah fürchterlich aus.  „Du siehst Scheiße aus.“  Meinte ich zu ihm, setzte mich langsam auf.  „Sagt der Typ der blass wie ne Leiche hier im Bett liegt. Und das seit ein paar Stunden.“ Shinya versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht. Mein Blick suchte den des Polizisten, doch dieser wich ihm gekonnt aus. „Was ist mit Yuune?“  ich flüsterte, wagte es nicht die Worte laut auszusprechen. Auch die Antwort wollte ich nicht hören hatte ich doch das Gespräch der beiden mitbekommen. Shinyas Gesichtszüge fielen in sich zusammen, sein Blick wurde leer. „Wir wissen es nicht, Jun. Wir wissen es nicht.“ Flüsterte der Drummer und sank einen Moment später in die Arme seiner Frau. Sie wirkte erleichtert, als sie den schluchzenden Mann in ihren Armen hielt, formte mit ihren Lippen ein ´Endlich´. Ihre traurigen Augen blickten mich mitleidig an, ihre Stimme war brüchig.  „Die Schwestern sagen uns nicht das Geringste. Yuune ist seit frei Stunden im OP. …“ sie schloss die Augen, drückte Shinya, der sie um einiges überragte, noch fester an sich. „…Sie mussten Yuune im Rettungswagen dreimal reanimieren….“ Ich schüttelte den Kopf, versuchte das was Aya sagte zu verarbeiten.  „Nein…“ hauchte ich. Wollte nicht, dass es auch nur ansatzweise der Wahrheit entsprach. Ein zögerliches Klopfen unterbrach unser Gespräch. Ishikawa-san betrat den Raum. Aya äußerte einen Laut der Besorgnis, denn die Polizistin sah nicht wirklich besser aus als der Rest von uns. „Hallo.“ Sie verneigte sich kurz, nickte dem Polizisten zu, der daraufhin den Raum verließ. „Gibt es Neuigkeiten?“ fragte ich leise, doch sie schüttelte den Kopf.  „Es tut mir leid. Ich kann Ihnen keine Neuigkeiten bringen. Mein Kollege, Yamamoto, kommt nun ebenfalls hier her. Sie stehen ab sofort unter Polizeischutz. Das bedeutet, dass sie keinen Schritt aus diesem Zimmer machen, ohne nicht einen Kollegen von uns an ihrer Seite zu haben.“ Sie zögerte kurz, ehe sie fortfuhr. Betrachtete die drei schlafenden Gestalten neben Kiyo. „Yamada-san sie bekommen noch einen Extra-Schutz für ihre Familie. Wer auch immer Sugihara-san verfolgt hat, er ist geistig nicht zurechnungsfähig. Deshalb bitte ich sie nur mit größter Vorsicht ihr Haus zu verlassen. Wenn irgend möglich vermeiden sie jeden öffentlichen Auftritt.“ Aya nickte, ihre Hände zitterten am Rücken ihres Mannes. Ich stand vorsichtig auf, die besorgten Ausrufe der zwei Frauen ignorierend. Langsam ging ich zu Kiyos Bett, strich ihm die Tränen aus dem Gesicht. Er hatte unser Gespräch mitbekommen.  „Kiyo, es wird alles gut werden.“ Er schüttelte langsam seinen Kopf, flüsterte seine nächsten Worte. „Wie soll alles gut werden, Jun? Wir haben nicht richtig auf Yuune aufgepasst. Was wäre gewesen, wenn wir erst morgen früh nach ihm gesehen hätten?“ er ließ die Frage im Raum schweben. Ich brauchte ihm nicht antworten, wussten wir alle was das Resultat gewesen wäre. Vorsichtig ergriff ich die Hand des Gitarristen, vorsichtig darauf bedacht nicht die Infusionsnadel zu berühren.  „Aber wir haben nach Yuune gesehen.“ Versuchte ich zu beschwichtigen, hatte damit aber wenig Erfolg. Kiyo unterdrückte seine Tränen nicht.  „Ishikawa-san, wie sollen wir alle unsere öffentlichen Auftritte vermeiden? Wir sind Personen die im Rampenlicht stehen. Es dürfte Fragen aufwerfen, wenn wir plötzlich alle von der Bildfläche verschwinden.“ Ich blickte die junge Frau über die Schulter hinweg an. Sie sah ratlos aus. Es wird so schon schwierig genug für das Management, Ryuichis Entführung zu vertuschen.  Wie sollten wir nun auch Yuunes… ich schüttelte den Kopf. Daran war nicht zu denken. Die Tür des Krankenzimmers ging auf und ein mir unbekannter Mann betrat den Raum. „Wie ich sehe sind sie aufgewacht, Onose-san. Wie geht es ihnen, Inoue-san?“ der Mann sah unsere verwirrten Blicke. „Entschuldigen Sie! Ich bin Miyahara, Takeyuki. Ihr behandelnder Arzt.“ Er verneigte sich leicht und lächelte schüchtern. Inoran ignorierte die Frage des Arztes. „Wie geht es Yuune?“ ich hielt ihn gerade eben davon ab aus dem Bett zu springen, drückte ihn zurück in die Kissen. „Bleib liegen, Kiyo.“ Der Arzt zog eine Augenbraue hoch und wies mit einem Nicken in Richtung meines Bettes. „Mir geht es gut, Sensei. Bitte sagen sie uns, gibt es etwas Neues?“ Dr. Miyahara seufzte und untersuchte uns kurz, bevor er antwortete.  „Ihr Freund ist noch immer im OP. Laut meinem letzten Sachstand wurden mehrere   Stichverletzungen festgestellt. Die Vitalfunktionen von Sugihara-san setzten während der halbstündigen Fahrt ins Klinikum dreimal aus, sodass wir bereits annehmen mussten, dass er eine große Menge an Blut verloren hat und auch innere Verletzungen eine tragende Rolle spielen würden. Nach seiner Einlieferung haben wir aufgrund der bisherigen Anamnese eine  Thoraxaufnahme machen lassen und sahen uns in unserer Annahme bestätigt, dass einige der Stichverletzungen die Sugihara-san erlitten hat schwerwiegender sind, als wir zuerst angenommen hatten.“  Shinya saß auf dem Rand meines Bettes, drückte seine weinende Frau eng an sich.  Er schüttelte immer wieder den Kopf. „Wie konnte es nur soweit kommen? Warum hat er nie etwas gesagt?“  flüsterte ihr Drummer und wirkte völlig verzweifelt. Sie schwiegen eine Weile, erschraken als es an der Tür klopfte. Ishikawa öffnete sie vorsichtig, trat dann mit einem erleichterten Gesichtsausdruck zur Seite. „Yamamoto.“ Sagte sie und ließ den Rest ihrer Gedanken unausgesprochen. Hinter dem Polizisten betrat Kumi den Raum, blickte sich verwirrt um. Auf ihren Armen schlief ihr Sohn. Sie wirkte verwirrt, trat auch sofort auf mich zu. „Jun, was geht hier vor? Ich erreiche Ryuichi seit Tagen nicht!“ Sie blickte sich im Raum um und stockte. „Wo ist Yuune?“ sie erfasste Aya mit einem Blick und eilte zu ihrer langjährigen Freundin, immer darauf bedacht ihren Kleinen nicht zu wecken. „Aya, was ist denn los?“   doch diese sah Kumi nur kurz an, suchte dann wieder Schutz bei Shinya. Verständnislos blickte ich Yamamoto an. Hatte er es ihr nicht gesagt?  Wie hatte er sie dann hier her bekommen? „Haben Sie Kumi nicht gesagt, warum Sie sie mitten in der Nacht aus dem Bett holen und in ein Krankenhaus bringen?!“ fragte ich wütend, beachtete Kiyos Hand nicht die mich mit ihrer Berührung zu beruhigen versuchte. Yamamoto blickte zur Seite. „Es tut mir leid.“ Ich kochte innerlich. Was war das für eine Polizei? Sie taten nichts als es noch möglich war und schafften es nicht einer Frau mitzuteilen dass ihr Mann gekidnappt wurde von einem Irren?  „Kumi… es geht um Ryu…“ sie erbleichte augenblicklich. „Nein! Bitte sage mir nicht dass er Tod ist! Was ist geschehen? Jun! Shin? Kiyo??“ sie blickte uns an, ihr Gesicht glich der eines Geistes. „Nein, Kumi! Ryu lebt…das beten wir zumindest.“  „Was?“ ihre Stimme wurde schrill.  „Yuune wurde verfolgt. Dieser Irre brachte Yuune immer neue ….“ Ich schluckte, hatte ich Bilder vor Augen die mir mein Verstand ausmalte, „…Geschenke, abartige Geschenke. Und dieser Typ…“ wie sollte ich es ihr nur erklären? Wie sollte ich Ryuichis Frau erklären, das dieser Irre dachte Ryuichi würde ihm Yuune wegnehmen. „…er glaubt das Ryu ihm Yuune wegnehmen würde.“ Flüsterte plötzlich Kiyo neben mir. „ Kumi es tut mir leid. Yuune scheint mehr für ihn zu empfinden.  Deswegen wurde Ryu entführt…“ Kiyo flüsterte die letzten Worte nur noch, blickte Kumi stumm an. Ihr Gesicht konnte nicht noch mehr Farbe verlieren, als es schon verloren hatte. „Er liebt ihn tatsächlich? Seit ihr euch sicher?“ fragte sie flüsternd, blickte in jedes einzelne Gesicht. Wir nickten gleichzeitig. Ein sanftes lächeln zierte ihr Gesicht. „Ryu, er wird es nicht glauben können.“  Wir sahen sie verwundert an. „Ryu…“ sie brach ihre Worte in einem herzzerreißenden Schluchzen ab. Tränen begannen unkontrolliert sich ihren Weg über Kumis Gesicht zu bahnen. Ishikawa hatte ihren kleinen Sohn bereits zu den anderen Kindern gelegt und wachte über deren ruhigen Schlaf. Sie bekamen von dem ganzen Drama um sie herum nichts mit. Ich nahm Kumi in die Arme, wartete bis sie sich ein wenig beruhigt hatte. Miyahara hatte nach einer Schwester gerufen, die bereits mit einer Beruhigungstablette das Zimmer betrat. Kumi lehnte diese jedoch ab. „Und wo ist Yuune? Warum seit ihr alle hier …in einem Krankenhaus?“ ihre Stimme zitterte. „Yuune… er ist im OP. Er war mit Kiyo und mir zusammen in meiner Wohnung. Wir dachten er schläft. Dabei ist er in sein Haus zurück geschlichen…“ ich brach ab, konnte nicht weiter reden, sah ich noch zu deutlich wie er vor uns auf dem Boden lag. Yamamoto räusperte sich, beendete den kurzen Bericht. Er wirkte noch immer peinlich berührt, Kumi unwissend zu uns gebracht zu haben. „Sugihara-san wurde nach derzeitigen Ermittlungsergebnissen von einer, uns, bisher unbekannten Person überfallen und niedergestochen und ist derzeit noch im Operationssaal.“ Er ließ einen Großteil dessen aus was wir gesehen hatten.  Aber das war auch gut so. Aya und Kumi mussten nicht alles hören.  „Oh Himmel!“ flüsterte Kumi. „Warum musste das passieren?“ fragte sie.  Ich setzte mich zu Kiyo auf das Bett, lies zu das er in meine Arme sank. Es war mir mittlerweile egal das hier mehr Menschen zugegen waren als es gut für uns war. Kumi hatte Ayas Hand ergriffen und schüttelte immer wieder den Kopf. „Wir wissen es nicht. Aber wir müssen Ryuichi finden.“ Meine Worte lösten eine weitere Welle des Schweigens aus, bis eine Schwester den Raum betrat und  Dr. Miyahara etwas übergab. Er überflog das Blatt kurz und dankte dann der Schwester. Sein Blick wirkte getrübt.  „Meine Herren, meine Damen…“  ich schwankte leicht, ergriff Kiyos Hände. Sie fühlten sich mit einem Mal kalt an. Ich spürte wie auch sein Herz raste.  Shinya umschloss Aya und Kumi mit seinen Armen, sein Blick irrte zwischen uns hin und her. „Bitte…“ flüsterte er.  Tränen bildeten sich in all unserer Augen, warteten wir auf das was der Arzt zu sagen hatte. Es war uns allen klar dass es Neuigkeiten von Yuune sein würden. Ob diese nun gut oder schlecht ausfallen würden. Miyahara holte noch einmal tief Luft, wählte seine nächsten Worte sorgfältig aus.  „Es tut mir Leid….“  Ein Donnerknall verschluckte die Worte des Arztes. Das Gewitter was mich vor zwei Stunden geweckt hatte und welches ich völlig ausgeblendet hatte, tobte direkt über uns.  Kapitel 8: Black soul won't allow... ------------------------------------ Es war soviel der kostbaren roten Flüssigkeit! Sie glitzerte wie ein Beweis unserer unendlichen Liebe. Aber warum lief sie ohne Unterlass aus dem regungslosen Körper meines Geliebten?  Ich hatte ihn stoppen müssen! Er wollte schreien, auch wenn ihm dies durch die Knebel fast unmöglich gewesen war. Wenn aber doch ein Ton über seine Lippen geflossen wäre, hätten sie uns erwischt. Dann hätten sie uns beide getrennt. Das hatte ich nicht zulassen können. Nicht in diesem und auch nicht im nächsten Leben, kann ich so etwas zulassen. Schließlich gehörte er mir.  Der laute Klang der Sirenen ließ mich aufblicken. Mit stiller Verzweiflung beobachtete ich wie Sanitäter in das Haus rannten, kurze Zeit nachdem dieser widerliche Bassist mit seinem Schoßhündchen, welches ihn in letzter Zeit ständig verfolgte, das Haus betreten hatte. Und sie waren nicht allein gewesen! Wütend traf meine Faust auf die neben mir stehende Mauer auf, die Schmerzen die daraufhin meinen Arm hinauf jagten spürte ich kaum. Hatte mein Geliebter etwa doch die Polizei informiert? Ich hatte ihn gehört. Gehört, dass Jun bei ihm war als er mein liebevoll, eingepacktes Geschenk erhalten hatte. Hatte dieses Subjekt, welches um Yuune herum geschwirrt war die Bullen gerufen? Ich traute es meinem Geliebten nicht zu. Er hätte mich nicht verraten können. Dafür liebte er mich doch viel zu sehr!  Ein weiterer Wagen hielt vor dem Haus meines Gitarristen. Es war der Notarzt. Hatte diese kleine Made es gewagt meinem geliebten Yuune etwas anzutun? Hatte er ihn verletzt? Sollte der Bassist oder sein Hund es gewagt haben Hand an ihn zu legen, würden sie es bitter bereuen. Meine Hand krampfte sich um die Violine. Yuune hatte sie mir gegeben. Vorsichtig berührte ich die wunde, schmerzende Stelle an meinem Hinterkopf. Er hatte nur ein wenig zu viel Schwung in die Bewegung gelegt, als er sie mir überreichte. Angewidert verzog ich das Gesicht. Trotz der Finsternis konnte ich die dunklen Flecken auf meinen Fingerspitzen entdecken. Mein Geliebter war ausgerutscht, nur dadurch hatte er mich verletzen können. Es war nie seine Absicht gewesen.  Eine erneute Bewegung am Hauseingang lies mich innehalten. Die Sanitäter trugen eine Person eilig in den Rettungswagen. Sie wurden begleitet von  einem Notarzt. Mehrere Minuten stand der Einsatzwagen noch bewegungslos da, bevor einer der Männer sich nach vorn ans Steuer setzte und den Motor startete. Ich wollte näher heran, wollte sehen wer die Person auf der Trage gewesen ist, doch der Klang von mehreren Sirenen sorgte dafür mich in meiner dunklen Ecke festzuhalten. So konnte ich nur erahnen wen sie in dem Rettungswagen behandelten, auch wenn mein Herz mir deutlich zu verstehen gegeben hatte das es nur einer sein konnte.  Nachdem der Krankenwagen, zusammen mit einer Eskorte der Polizei davon gefahren war, erschienen weitere Personen im Rahmen der Eingangstür. Meine Augen zusammenkeifend versuchte ich zu erkennen wer es war. Das Licht stand im Rücken eben jener Personen, doch anhand der Größe wusste ich das Yuune nicht dabei war. Es war dieses abartige Schwein und sein Hund. Sie hatten heute Nachmittag dafür gesorgt das Yuune nun leiden musste. Sie waren an alle dem Schuld. Sie und diese aberwitzigen Gören, die in das Haus meines Liebsten einbrechen mussten. Ich sah wie die beiden zu Boden gingen, wobei die restlichen Sanitäter schnell bei ihnen waren.  Der innere Drang nach Hause zu fahren überwältigte mich. Schließlich musste ich meine Kleidung wechseln, konnte ich doch nicht mit dem Beweis der Liebe meines Geliebten in das Krankenhaus gehen. Und ich musste ihn doch besuchen, ihm einen neuen Beweis erbringen, dass unsere Liebe keine Hindernisse kennt.  Ich nutzte alle in der Dunkelheit liegende Abkürzungen die ich kannte, um zu meinem Apartment zu gelangen. Viel zu lange war ich nicht hier gewesen. Es war eine Schande. Ich betete inständig, dass meine geliebten Rosen noch immer gedeihen würden. Hatte mich die kleine Made von einem Sänger doch abgehalten regelmäßig nach ihnen zu sehen. Ich betrat die in völliger Finsternis liegende Wohnung und vergeudete keinen Moment damit das Licht einzuschalten. Es wäre nicht nötig. Die silberne Violine  legte ich behutsam auf meinem Bett ab, immer darauf bedacht ihr keinen Schaden zuzufügen. Mit raschen Bewegungen entledigte ich mich meiner Kleidungsstücke. Die Sorge um Yuune machte mich schier krank. Ich achtete nicht darauf was ich anzog, hatte ich es mittlerweile doch viel zu eilig. Ich wollte zu meinen Gitarristen. Erst wenn ich mit eigenen Augen sehen würde dass diese Ratten ihm nichts angetan haben, ja erst dann konnte ich meine Ruhe finden. Ich ließ die Violine auf meinem Bett liegen. Dort würde kein anderer sie sehen. Niemand sollte Yuunes Beweis seiner Liebe zu mir jemals sehen.  Der Geruch Tausender Rosen erdrückte mich. Meine Finger fanden von allein dem Lichtschalter. Das grelle weiß der Deckenleuchte blendete mich für ein paar Momente. Nachdem sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, betrachtete ich meinen kleinen privaten Rosengarten. Ich würde diesmal keine rote Rose für Yuune haben, aber er würde mir diesen Flüchtigkeitsfehler verzeihen, wo ich es doch eilig hatte ihn zu sehen. Auch meine schwarzen Lieblinge gediehen prächtig. Es dauerte nur ein paar wenige Momente, bevor ich einen Strauß zusammengebunden hatte. Einen Strauß bestehend aus fünfzig, schwarzer Rosen. Vor einiger Zeit hatte ich bereits kleine, dazu passende Karten vorbereitet. Karten zu jeder Gelegenheit, war mein kleiner Engel doch manchmal zu sehr in Gedanken und verletzte sich einfach. Mit Schrecken erinnerte ich mich an den Abend seines Konzertes wo er sich seinen Fuß gebrochen hatte. Er war über ein Kabel gestolpert, welches unachtsame Tontechniker liegen gelassen hatten. Sie hatten es mitten auf der Bühne liegen lassen, ohne an seine oft verträumte Art zu denken. Ich hatte es für ihn hochgehalten damit er es sah, doch da stürzte er bereits unglücklich zu Boden, brach sich den Knöchel. Panisch hatte ich den Notruf betätigt, denn es schien als hielte es niemand für nötig dies zu tun. Sein Knöchel schwoll auf das doppelte seines normalen Umfanges an, verfärbte sich dunkelviolett.  Ich schüttelte die Erinnerung an dieses Ereignis von mir, konzentrierte mich darauf die Rosen mit Sorgfalt zu verpacken.  Es kostete mich weitere wertvolle Minuten heraus zu finden welches Krankenhaus ich nun aufsuchen musste. Der Peilsender, den ich in die Kleidung meines Liebsten angebracht hatte, zeigte mir momentan keinen genauen Standpunkt an. Dies konnte an den technischen Gerätschaften im Krankenhaus liegen oder es war schlicht weg und ergreifend ein schwarzes Loch welches eine Übertragung unmöglich machte. Jedoch konnte ich die letzten Stunden zurückverfolgen und so sah ich ganz genau welchen Weg Yuune genommen hatte. Lächelnd begab ich mich auf den Weg. Es würde nicht mehr lange dauern und wir wären wieder vereint. Ich sah unsere traute Zweisamkeit bereits genau vor meinem inneren Auge. Die getrockneten Blutspritzer in meinem Gesicht nahm ich, bei einem letzten Blick in den Spiegel bevor ich die Wohnung verließ, nicht wahr. Kapitel 9: Seasons Call ----------------------- Mir selbst war nach einem Nervenzusammenbruch. Aber ein Blick in die verstörten Gesichter meiner Freunde, hinderte mich daran auch den letzten meiner Nervenstränge zu durchtrennen. Es würde vieles vereinfachen, dachte ich. Nicht mehr mit zu bekommen wie A-chan und Kumi-chan weinten. Wie sehr auch Shinya und Inoran versuchten ihre Tränen zu verstecken und letztendlich scheiterten. Ich brauchte jetzt eine Zigarette. Benötigte den giftigen Qualm, um mich auf das bevorstehende Telefonat vorzubereiten. Wir hatten in all der Hektik vergessen ihnen bescheid zu geben.  Wollte dieser Tag denn nie ein Ende nehmen? Ich seufzte und durchsuchte meine Tasche nach einer Packung Zigaretten. „Wo sind diese verdammten Dinger nur?“ der Polizist der mich begleitete reichte mir sein eigenes Päckchen, welches ich dankend annahm.  Wir liefen langsam an der Rezeption vorbei, wo ein aufgebrachter Mann mit der Dame dahinter sprach. Wahrscheinlich kam er zur Geburt seines ersten Kindes zu spät. Das würde auch den riesigen Strauß erklären, den er wie wild vor dem Gesicht der jungen Frau schwenkte. „Sie müssen mir doch sagen können, zu welchem Zimmer ich muss!“ hörte ich ihn förmlich schreien bevor wir nach draußen traten und somit das Geschrei des Mannes verbannten. Auch der Polizist hatte den gleichen Gedanken gehegt wie ich. „Ist wohl sein erstes Kind? Beim nächsten und übernächsten wird er es nicht mehr so eilig haben.“ Wir mussten beide grinsen. Ich nickte und inhalierte den Rauch. Wie sehr er mich doch beruhigte. Yuune würde es nicht gut heißen wenn er es sehen könnte. Aber er würde es nie… ich schüttelte den Kopf, wollte nicht daran denken.  Der Polizist beobachtete die Umgebung und warf auch mir immer häufiger Blicke zu. „Wie halten sie es nur aus? Wäre ich in ihrer Position… ich glaube ich würde mir eine Kugel verpassen. Mal vom professionellen Aspekt den ich als Vorteil hätte, abgesehen. Nie wäre ich in der Lage das auszuhalten.“ Erstaunt sah ich ihn an. Im ersten Moment wollte ich ihn auch fragen ob er wirklich so etwas zu mir sagen sollte. Schließlich sollte ich ihm im Fall eines Falles mein Leben anvertrauen.  Doch andererseits leuchtete mir seine Frage auch ein.  „Keine Ahnung. Bis zum gestrigen Morgen wusste ich noch nicht einmal das einer meiner besten Freunde in so einer Lage steckt. Und nun sind wir alle da mit hineingezogen wurden, hatten keine Chance ob wir nun wollten oder nicht. Ich weiß nicht ob ich es aushalte. Aber es würde doch nichts bringen wenn wir alle die Nerven verlieren würden.“ Ich zog erneut an meiner Zigarette, warf den Stummel dann in den Ascher. Es wurde Zeit die schwierigste Aufgabe in die Hand zu nehmen. Am liebsten würde ich nun doch das Angebot von  Ishikawa-san annehmen und sie diesen Anruf tätigen lassen. Aber das konnte ich weder Yuunes Tochter, noch Alex antun. Sie sollten es nicht von einer fremden Person erfahren. Ich scrollte langsam durch mein Telefonbuch mein Finger schwebte lange über Lunas Nummer, bevor ich dann doch die von Alex wählte.  Ich würde kein Wort herausbekommen sollte Luna ans Telefon gehen.  Eine schiere Unendlichkeit passierte nichts. Das monotone Geräusch des Freizeichentons erschallte unnatürlich laut in meinen Ohren. Irgendwo in der Nähe erklang eine Turmuhr, sagte uns dass es nun schon weit nach Mitternacht war und der neue Tag bald anbrechen würde. Die Eingangstür hinter uns flog auf und der Mann von vorhin, der scheinbar bis eben noch mit der Rezeptionsdame gestritten hatte, stürmte an uns vorbei. Völlig wütend warf er seinen Strauß in den nächsten Mülleimer und lief davon. „Scheinbar doch das falsche Krankenhaus.“ Meinte der Polizist neben mir und zuckte mit seinen Schultern. Ich nickte leicht, konzentrierte mich wieder auf das stetige Geräusch meines Telefons. Ein knacken, eine atemlose Stimme und das kichernde Geräusch im Hintergrund sagte mir das ich nun allen Mut zusammennehmen musste den ich noch besaß.  „Wissen Sie wie spät es ist?“ erscholl nun die Stimme von Yuunes Es-Frau. Ich benötigte mehrere Versuche, ehe meine Stimme auch nur Ansatzweise nach mir selbst klang. „Alex, hier ist Jun.“ Ich sparte mir die Förmlichkeiten, sie würde schließlich auch darauf verzichten. „Jun?“ ihre Stimme klang überrascht. Natürlich, schließlich würde ich sie sonst nie anrufen. Wir hatten uns noch nie besonders nah gestanden, nicht als Yuune mit ihr zusammen gekommen war, noch als sie geheiratet hatten. Ich hasste sie nicht, aber sympathisch war sie mir auch nie gewesen. Immer hatte ich das unterschwellige Gefühl, dass sie ihm eines Tages das Herz brechen würde. Es kam schlussendlich ein wenig anders. Wir hatten einfach ein anderes Szenario vor Augen als sie sich trennten. Das sie ihn vor die Wahl stellen würde, die Musik oder sie, vermutete keiner von uns.  „Was willst du? Und weißt du wie spät es ist? Luna nein! Ich telefoniere!“ ein kurzes Gerangel war zu hören und dann war Yuunes, mittlerweile im Teenager-alter angekommene Tochter am Apparat. „J-chan! Warum rufst du Mama so spät noch an?“ ihre fröhliche Stimme trieb mir die Tränen in die Augen. Verdammt! Ich durfte diesen Gefühlen nun nicht nachgeben. „Arti, meine Kleine.“ Sagte ich und bemerkte wie meine Stimme zu brechen drohte. Luna blieb ruhig am Telefon, ich hörte wie sie kurz mit ihrer Mutter sprach und diese dass Telefon wieder in die Hand nahm. „Jun, was ist los?“  ich sah Luna vor mir, wie sie die Nachricht hörte. „Ist es zu spät Luna aus dem Raum zu schicken?“ fragte ich resigniert, hörte förmlich wie Alex die Erkenntnis traf. Die Erkenntnis dass ich nicht ohne Grund bei ihr anrief, nicht um diese Uhrzeit und schon gar nicht auf ihrem Telefon. Hätte ich nur mir Luna reden wollen, hätte ich sie anrufen können. Ihre Nummer besaß ich und das wusste auch Alex.  Ich hörte wie sie ihre Tochter in einem etwas zu scharfen Ton aus dem Zimmer schickte und auch wie sehr Luna protestierte. Es herrschte eine ganze Zeit eisernes Schweigen auf beiden Seiten des Telefons, nur das Knallen der Tür war zu hören als Luna den Raum verließ.  Ich hörte wie Alex Luft holte, bevor sie sprach. „Was ist es, Jun?“ ich wusste nicht wie ich es ihr sagen sollte. Wusste nicht wie man der Ex eine solche Nachricht überbringen sollte. Und vor allem wollte ich mir nicht vorstellen wie sie es Luna sagen musste. Doch es war unvermeidlich dass eben dieses Geschehen musste. Wir hatten mit der Polizei geredet. Die Alternative wäre gewesen, dass sie es ihr am Telefon gesagt hätten. Aber das konnten wir nicht über uns bringen. „Jun! Jetzt sage doch etwas! Was ist los? Geht es um Yuune?“  ihrer Stimme hörte man die Ungeduld an.  „Alex… kannst du mit Luna herkommen? Ich ….“ Tränen benetzten meine Wange. Tränen der Verzweiflung. Meine Stimme brach, klang nun tränenerstickt. „…Ich kann es dir am Telefon nicht sagen. Bitte nehmt den nächsten Flieger. Bitte…“ ich sackte zusammen, fuhr immer wieder mit meiner freien Hand über mein Gesicht in der Hoffnung diese unendliche Flut aus Tränen, die sich nun ihren Weg über meine Wange bahnten, zu stoppen.  Ich flehte sie an herzukommen, nur um dann mit in diese Abwärtsspirale gezogen zu werden. Es war nicht fair von mir, aber sie mussten es erfahren.  Alex Stimme klang verwundert, gar ängstlich. Ich ahnte dass sie sich nun die schlimmsten Ideen in ihren Kopf ausbreiten würden und konnte es nicht verhindern. Denn ich konnte es ihr nicht sagen. „Jun, sag mir verdammt noch mal was los ist! WAS IST MIT YUUNE!“ die letzten Worte schrie sie, doch meine Stimme versagte. Ich wusste dass es unfair war, doch ich legte einfach auf, schaltete mein Handy ab.  Wie sollten wir  es ihnen nur sagen?  Wie? Kapitel 10: Death Symphony -------------------------- Eine Stunde zuvor. Tränen bildeten sich in all unserer Augen, warteten wir auf gebannt auf die Worte des Arztes. Die nächsten Minuten würden über unser aller Leben entscheiden. Und keiner von uns wollte die Worte wirklich hören. Inoran drückte meine Hand, auch ihm ging mit Sicherheit das Bild von Yuunes lebloser Gestalt durch den Kopf. Wie er für einen kurzen Moment bei Bewusstsein war und uns doch nicht erkannte. Miyahara holte noch einmal tief Luft, wählte seine nächsten Worte sorgfältig aus.  „Es tut mir Leid….“  Ein Donnerknall verschluckte die Worte des Arztes.  „Bitte“ war das erste Wort welches ich nach dem  heftigsten Donnergrollen vernahm. Anscheinend war der Himmel wütend. Wütend über diese unwirkliche Situation.  Shinya flüsterte dieses eine Wort unaufhörlich, wie ein Gebet.  Auch Inoran flüsterte leise Worte, die ich jedoch nicht verstand, obwohl  ich direkt neben ihm war. Miyahara-sensei seufzte, sein Blick wirkte gequält. Als würde er es nicht erneut wiederholen wollen.  „Es tut mir leid ihnen das mitteilen zu müssen. Ich wünschte wirklich, wir hätten etwas Derartiges verhindern können.“ Ein erneutes Donnergrollen ließ ihn kurz verstummen. Kumi und Aya konnten ihre Gefühle nicht mehr unterdrücken. Der mitleidige Blick des Arztes war zu viel für uns.  Die Stille um uns herum wurde immer erdrückender.  Es war nichts zu hören außer den weinenden Frauen, den leise gemurmelten Worten Shinyas und dem tosenden Gewitter außerhalb dieser Mauern.  „Während des Noteingriffes gab es Komplikationen. Sugihara-san hatte bereits eine große Menge an Blut verloren, sein allgemeiner Zustand wirkte sehr schlecht. Die Messerstiche haben mehrere innere Organe verletzt.“ Er blickte auf das Krankenblatt, wählte seine nächsten Worte sehr genau.  Die Anspannung drohte mich zu ersticken. Ich konnte nicht mehr länger still sitzen, lief deshalb zum Fenster und beobachtete den Sturm. Meine Aufmerksamkeit lag jedoch bei Miyahara-sensei.  Ich hörte das Rascheln seines Arztkittels. Ein kurzer Blick sagte mir dass er sich verneigte, während ein erneuter Donnerschlag die Stille zerschnitt.  „Wir konnten sämtliche Blutungen innerhalb des Bauchraumes stoppen, die betroffenen Gebiete versorgen. Von diesem Punkt her, war Sugihara-san stabil. Was uns Sorgen breitete war jedoch sein Herz. Während der Fahrt ins Krankenhaus wurde Sugizo-san bereits dreimal reanimiert. Sein Zustand schien stabil, als wir mit der OP begannen.“ Nach und nach blickte Miyahara-sensei jeden von uns ins Gesicht. Ich stand mit dem Gesicht noch immer abgewandt zu den anderen. Jedoch trafen sich unsere Blicke in der Spiegelung des Glases, welches für einen kurzen Moment hell erleuchtet wurde durch einen erneuten Blitz, dicht gefolgt vom Grollen des Donners. Es war nur eine minimale Bewegung seines Kopfes die dafür sorgte, dass meine Beine nachgaben. Seine Worte ließen mein Herz aussetzen. „Es tut mir wahrlich leid. Wir haben Sugihara-san verloren. Die Operation war gut verlaufen, aber sein Herz war zu schwach. Er ist auf dem Weg vom OP auf die Intensivstation verstorben. Alle erneuten Versuche ihn zu reanimieren sind gescheitert.. Es tut mir leid.“ Ein greller Blitz zerriss die Nacht, erhellte sie für einen kurzen Augenblick. Nichts durchschnitt die Stille die auf die Worte des Arztes folgten. Ein ungläubiges Schweigen entstand. Wir alle waren wie erstarrt. Ich drehte mich um, blickte in die Gesichter meiner Freunde und sah nichts als die pure Fassungslosigkeit. Trauer breitete sich in meiner Brust aus.   „Yuune…“ meine Stimme klang seltsam monoton in meinen Ohren. Aber ich musste diese Frage stellen.  „Yuune ist… ist tot?“  Der mitleidige Blick den Miyahara-sensei mir zuwarf, zerfraß mich. Ich sah ihm an dass er sich nicht wiederholen wollte. Sah auch das Inoran und Shinya mit ihren Tränen kämpften. Es war ein aussichtsloser Kampf.  Ich zog mich am Rahmen des Fensters nach oben, taumelte anschließend zu Inoran und zog den bebenden Körper an mich. „Yuune!“ seine Stimme, war nur ein Hauchen, die Schluchzer zerrissen mein Herz. Shinya hatte die beiden Frauen an sich gedrückt, versuchte sie zu beruhigen. Kumi löste sich leicht aus seinen Armen, blickte uns verzweifelt an. „Was ist mit Arti? Habt ihr es ihr schon gesagt?“ erneut hatte ich das Gefühl das sämtliche Klänge im Raum verstummten und auf diese eine Antwort warteten. Ich schüttelte langsam den Kopf, fuhr mir nervös mit der Hand durch die Haare. Wann hätten wir es der Kleinen sagen sollen? Und was hätte es gebracht, wenn sie es gewusst hätte? Gewusst, dass ihr Vater verfolgt, gar bedroht wird von einem Irren. Es hätte sie nur geängstigt. Das wäre nicht in Yuunes Sinn gewesen. Er hatte es doch sogar uns verschwiegen. „Wer… wer sagt es ihr?“ die Frage kam von Inoran. Ein Blick auf ihn sagte mir, dass er es auf keinen Fall mitteilen konnte und auch Shinya würde es nicht über sich bringen. Die Polizisten im Raum boten sich an, die Familie zu informieren. Es sei schließlich ihr Job dies zu übernehmen. Wir sahen uns einen langen Augenblick schweigend an, bevor einer nach dem anderen dieses Angebot ablehnte. „Es ist freundlich von ihnen diese schwere Aufgabe übernehmen zu wollen, aber das können wir Luna nicht antun. Sie und Alex haben etwas anderes verdient.“ Meinte Aya, traurig lächelnd.  Kumi nickte und fügte hinzu, „Ihnen soll kein fremder Mensch mitteilen das der geliebte Vater und…“ sie stockte für einen kurzen Moment, „und Ehemann tot ist.“ wir sahen Kumi ein wenig verwundert an. Alex und Yuune hatten sich scheiden lassen. Das wurde damals sogar von den Medien übertragen.  „Kumi, was…“ fragte ich in die darauffolgende Stille hinein. Sie lächelte schwach. Anscheinend war da etwas, was selbst wir nicht wussten über Yuune.  Sie senkte ihren Blick, betrachtete eine halbe Ewigkeit ihren Ehering. „Yuune und Alex haben vor dreieinhalb Jahren erneut geheiratet. Entschuldigt, es muss nun „hatten geheiratet“ heißen. Sie hatten eine Lösung für sich gefunden…“ sie schwieg und ich hörte wie Shinya scharf die Luft einsog. „Ryu...“  er warf nur das eine Wort in den Raum.  In meinem Kopf kreisten die Gedanken. Yuune und Alex waren verheiratet? Aber Yuune liebte doch eindeutig Ryuichi.  „Yuune liebt Ryu, nicht Alex!“  brauste Inoran auf. Er hatte damals auch gesehen, wie schlecht es ihm nach der Trennung gegangen war. Das die beiden einen zweiten Versuch gestartet haben sollen, ohne dass sie es wussten, hielt er für unwahrscheinlich.  Kumi schüttelte den Kopf. „Kiyo, ich weiß. Man sah es Yuune doch an! Er hat sich vor zwei Jahren plötzlich zurückgezogen von Alex. Yuune hat mit niemanden geredet…nicht einmal mit ihr. Und sie hätte ihn doch verstanden.“ flüsterte sie.  Ich seufzte, löste mich von Inoran.  „Ich werde sie anrufen, … es ihr sagen.“ Kiyo ergriff meine Hand. Er wollte mich nicht gehen lassen. „Kiyo, lass mich diesen Anruf machen. Bitte.“ Ich flüsterte, traute meiner Stimme nicht. Der Schmerz in meiner Brust wurde immer schlimmer, drohte mich zu ersticken. Von den anderen wäre keiner in der Lage es ihnen mitzuteilen. Und wenn ich nur noch ein paar Momente länger warten würde, wäre auch ich nicht mehr imstande diesen Anruf zu tätigen. Das wusste auch Kiyo, weshalb er meine Hand losließ, den Blick abwandte. Selbst wenn er in der Lage gewesen wäre, hätte er jetzt nicht mit Alex oder Arti reden wollen. Die Worte die nötig waren, hätten seine Lippen nie verlassen.  Ein Polizeibeamter folgte mir, die anderen blieben bei meinen Freunden. Wir würden die nächste Zeit nie ohne einen der Beamten sein. Zu gefährlich erschien ihn mittlerweile die gesamte Situation. Ich schüttelte den Kopf, unterdrückte die Trauer und Wut die sich in mir bildete.  Denn jetzt wo Yuune, der förmlich nach Hilfe geschrien hatte, nicht mehr unter uns weilte, jetzt verschärften sie unseren Schutz.  Ich verstand es nicht.  Kapitel 11: Symphony of Surprises --------------------------------- ~ Alex ~  Seit mehreren Minuten starrte ich auf das Display des Telefons und versuchte mir darüber klar zu werden was das eben gewesen ist.  Und warum er nun sein Telefon ausgeschalten hatte.  Juns Worte hallten in meinem Kopf wieder. Arti stand wieder vor mir und verlangte zu wissen was los ist. Es war völlig irrational, dieses Gefühl in meinem Inneren. „Mum, was ist los? Warum ruft Jun um diese Zeit bei uns an? Dad?“ ich blickte von dem schwarzen Bildschirm in meiner Hand auf in das Gesicht meiner Tochter. Ihre Augen waren geweitet und ihre Stimme zitterte bei jedem Wort, hatte Arti doch das Gespräch vom Flur aus belauscht. Es war nicht allzu schwer gewesen, schließlich hatte ich Jun angeschrien. Und dieser hatte einfach aufgelegt. Ich schüttelte den Kopf, versuchte dieses seltsame Gefühl welches mich überkam abzuschütteln.  „Arti, ich habe keine Ahnung. Jun, er sagte nur dass wir den nächsten Flieger nehmen sollen. Mehr nicht.“ Meine Stimme war ruhig. Die Augen meiner Tochter huschten unruhig hin und her, sie bemerkte nicht einmal das leise Winseln von Abbey.  Kurz streichelte ich ihr über das Fell, bevor ich mein Handy einschaltete und die Nummer von Yuune wählte. Doch außer dem Freizeichenton hörte ich nicht das Geringste.  „Er schläft wahrscheinlich. Es ist ja auch mitten in der Nacht.“ Ich schaute zur Uhr und berechnete die Zeitdifferenz zwischen uns.  „Dein Otō-san schläft nicht viel, aber um drei Uhr morgens doch relativ oft. Mach dir keine Gedanken. Geh jetzt schlafen. Ich versuche Shin oder Ryu zu erreichen, damit sie J nach Hause bringen. Er wird zu viel getrunken haben.“  Aber irgendetwas sagte mir das dies nicht stimmte. Auch sah ich, dass Artemis mir nicht einen Moment glaubte. Ich folgte ihr in den Flur, rannte förmlich in sie hinein. „Warum bleibst du stehen, Süße?“ ich blickte an ihr vorbei und sah den Grund. „Yu-chan!“  rief Artemis und ließ mich an ihr vorbei. Ich hockte mich neben ihn, zog das kleine zitternde Bündel an mich. „Was ist denn los? Hast du schlecht geträumt?“  beruhigend strich ich ihm über den Rücken, flüsterte leise auf ihn ein.  Er schluchzte ungebremst und versuchte  zwischen Tränen und Schniefen zu erzählen was ihn so geängstigt hatte. Ich seufzte leise und hob ihn auf meine Arme. „Mama, können wir heute Abend bei dir bleiben?“ Luna war an uns heran getreten, ich zog sie mit in die Umarmung. „Ja, ihr könnt bei mir schlafen. Und morgen früh rufe ich euren Otō-san an damit dieser Jun rund macht.“ Ich verwarf den Gedanken jetzt noch mal einen der anderen Freunde Yuunes anzurufen. Es wurde Zeit das Yuune ihnen die Wahrheit erzählte und wir endlich wieder vereint waren.  Es war kein Zustand so lange von ihm getrennt zu sein.  Auch wenn ich befürchtete das unser Glück nicht in der Zweisamkeit endete die ich wirklich gerne gehabt hätte. Yuunes Herz gehörte nicht nur mir allein. Ich wusste es seit Jahren und doch…Ich liebte diesen Chaoten. Daran war unsere Ehe damals nicht gescheitert. Es war eher so dass ich nicht in der Lage gewesen bin ihn zu teilen. Ich wollte diesen Mann allein für mich haben. Er jedoch entschied sich für die Musik, konnte nach wie vor nicht ohne sie Leben. Im Laufe der Zeit war jedoch ein weiterer Grund hinzugekommen, den er bis heute noch wild leugnete. „Mama.“ Wimmerte Yu-chan und ich gab ihm einen Kuss auf den Kopf.  „Ich bin hier. Lasst uns schlafen gehen.“  Ich versuchte mich abzulenken, nicht an dieses beklemmende Gefühl zu denken, welche sich wie eine klebrige, schwarze Masse in mir ausbreitete. Jun konnte mich nicht leiden. Dies beruhte ein wenig auf Gegenseitigkeit, jedoch konnte  er mir die Trennung von Yuune damals nicht verzeihen. Das Yuune mir schon längst vergeben hatte und wir einen erneuten Bund eingegangen sind wusste er nicht. Ich unterdrückte einen weiteren Seufzer. Luna war eine sehr gute Beobachterin und ihr Blick ruhte bereits die ganze Zeit auf mir. Wir betraten das Schlafzimmer, welches nur von gedimmten Licht erleuchtet wurde.  Yu-chan rutschte in die Mitte des Bettes, streckte die Arme nach seiner Schwester aus und kuschelte sich dann an diese. Ich seufzte. „Ich bin gleich wieder da. Wir haben vergessen das Licht auszuschalten.“    ~ Luna ~ „Geht es wieder Yu-chan?“ fragte ich die kleine, noch immer zitternde Gestalt. Er wischte hastig über seine Augen, zog die Nase hoch bevor er nickte.  „Ja. Es war ein böser Traum, Onē-san!“ er zog das übergroße Shirt enger an sich heran. Es war eines von Vater. Er hatte es bei seinem letzten Besuch hier liegen lassen und Yu-chan wollte es nicht mehr hergeben. „Es war nur ein Traum. Ein Traum kann dir nicht wehtun.“ Er nickte eifrig und ich strich ihm über die Wange, überlegte was Jun gesagt haben könnte, das Mama so sehr verwirrt. Sie hatte ihn angeschrien, das hatte ich deutlich gehört. Selbst wenn ich nicht hinter der Tür stehen geblieben wäre hätte ich es ganz gut hören können.   „Magst du mir davon erzählen, Yu-chan? Von deinem Traum?“ er, drückte das schwarze Shirt an sich, vergrub kurz den Kopf darin und nickte dann. „Ich war im Land der Riesen! Sie sahen alle so aus wie Papas Freunde! Der Onkel mit dem großen Bauch hat total laut gelacht.“ Ich musste schmunzeln. Yu-chan meinte bestimmt Shinya. Er war drei Jahre alt und hatte eine blühende Fantasie.  „Hat er das? Hast du dich dann vor ihm erschrocken? Weil er so sehr gelacht hat?“ Yu-chan schüttelte seinen Kopf, seine Augen weiteten sich. „Nein, Onē-san. Da war ein Monster! Es war ganz grün und hatte blaue Streifen auf dem Gesicht!“ er beschrieb es mit Händen und Füßen, versteckte sich immer wieder in Papas T-Shirt. „Als es kam, da sind Papas Freunde verschwunden. Nur Papa war noch da. Papa hatte genauso eine Angst wie ich vor dem Monster.“ Ich drückte ihn fester an mich, da erneute Tränen über sein Gesicht liefen. Yu-chan hing total an Papa. Wahrscheinlich weil er ihn so selten sehen konnte. Die Telefonate reichten ihm oft nicht aus und er weinte bitterlich, wenn sie aufgelegt hatten. Mir reichten die Anrufe auch nicht, oft stritt ich mit ihm. Doch er lächelte zum Schluss immer und sagte wie sehr er mich, Mama und Yu-chan liebte.  „Was hat das Monster gemacht?“ fragte ich meinen kleinen Bruder, der seine Hände in meine Kleidung gekrallt hatte. Mama betrat leise die Schlafstube, ohne das Yu-chan es mitbekommen hatte. „Er ist Papa nachgelaufen. Ganz lange. Und dann hat er ihn gegessen.“  Er verstummte, versteckte sein Gesicht in dem schwarzen Shirt. „Das war nur ein böser Traum, mein Liebling.“ Meinte Mutter, als sie ins Bett kam. Yu-chan löste sich von mir und rutschte an ihre Seite.  „Das Monster hat Papa nicht gegessen?“ Mama verneinte seine Frage, erzählte ihm dass Papa jedes böse Monster vertreiben würde und er keine Angst haben müsse. „Papa ist stark. Und morgen früh werden wir ihn gleich als erstes anrufen, einverstanden? Da kannst du ihm dann von dem Monster erzählen. Er wird dir auch sagen das er stärker ist als jedes Monster auf der Welt.“   Yu-chan nickte zufrieden und schloss die Augen. Es dauerte nicht lange und er schlief wieder tief und fest. Wir schwiegen eine ganze Weile, aber ich wusste das Mama noch wach war. „Mama, kannst du nicht schlafen?“ leise raschelte die Bettdecke als sie sich zu mir umwandte. Ich spürte ihren Blick auf mir. „Ich kann ihn einfach nicht erreichen, Arti. Er geht zu jeder Tageszeit an sein Telefon, wenn er sieht dass wir ihn anrufen. Aber er geht nicht ran. Und Jun hat sein Telefon ausgeschalten.  Ich mache mir Sorgen.“ Ihre Stimme jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Jun klang traurig als ich mit ihm gesprochen hatte und nicht als hätte er zu viel getrunken. Sie hatte mich erst angelogen. „Was machen wir?“ flüsterte ich, darauf bedacht Yu-chan nicht zu wecken. Mum ergriff in der Dunkelheit kurz meine Hand, drückte sie sacht. „Wir nehmen die erste Maschine nach Japan morgen früh. Wir haben Yuune schon viel zu lang nicht mehr gesehen. Es wird Zeit das wir nach Hause gehen, oder?“ das waren die Worte meiner Mutter. Sie hatte vor langer Zeit mal gesagt, dass sie nie wieder in Japan leben will und auf einmal wollte sie zurück?  Warum hatte ich das Gefühl, das es besser wäre wenn wir nicht nach Japan fliegen würden? Was stimmte hier nicht?   Kapitel 12: Troublesome Check In -------------------------------- Sie hatte in der vergangenen Nacht wenig geschlafen. Mich hätte es nicht verwundert wenn sie gar kein Auge zugetan hatte. Irgendwann hatte mich die Müdigkeit übermannt und ich war in einen unruhigen Schlaf gefallen. Ich konnte mich an meinen Traum nicht mehr erinnern, wachte aber mit einem beklemmenden Gefühl im Magen auf. Neben mir lag mein kleiner Bruder noch immer fest schlafend. Nur Mum konnte ich nirgends entdecken. Vorsichtig verließ ich das Bett und begab mich auf die Suche nach ihr. Meine Schritte verlangsamten sich als ich ihre Stimme hörte. Sie wirkte aufgebracht und ich fragte mich was der Grund dafür sein könnte.   „Kumi warum will mir niemand erzählen was hier eigentlich nicht stimmt? Und bitte fertige mich jetzt nicht auch noch damit ab!“ Mutters Stimme verstummte und eine lange Zeit geschah nichts. Ich lauschte der Stille und hoffte doch etwas verstehen zu können. Vergebens. Leise betrat ich die Küche in der sie mit dem Gesicht zum Fenster stand. Sie sah mich in der Reflexion des Glases, rührte sich aber dennoch nicht, lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung. Seufzend schüttelte sie den Kopf, „Kumi, hör doch auf um den heißen Brei zu reden. Was ist los?“ Wieder lauschte sie eine Weile bevor sie resigniert seufzte. Ich bereitete in der Zeit einen Tee zu und sah auf ihrem Laptop die geöffnete Seite von ANA, All Nippon Airways. Anscheinend hatte sie bereits drei Flüge gebucht. „Bitte hör auf. Erkläre mir einfach warum ich Yuune nicht erreichen kann und warum in aller Welt Jun mich anruft!“ mittlerweile klang sie genervt. Es würde nicht mehr lange dauern und sie würde das Gespräch beenden. Ich kannte meine Mutter. Die dampfende Tasse vor sie stellend und meine eigene fest umklammernd beobachtete ich sie. Doch Kumi schien ihr einfach nicht antworten zu wollen. Was war in Japan los? Wir hatten von keiner Naturkatastrophe gehört, also konnte es weder ein Tsunami, Taifun noch ein Erdbeben gewesen sein.   Abbey war mir in die Küche gefolgt und verlangte nun leise nach ihrem Frühstück. Yu-chan würde sauer sein wenn ich ihr jetzt schon etwas geben würde. Schließlich wollte er sie immer füttern.   „Okay, du hast gewonnen! Ich habe bereits drei Flüge gebucht. Aber ich rate Euch allen, dass es wirklich einen Grund gibt, der euch dazu bewegt uns nach Japan fliegen zu lassen.  Luna hat Schule und ich habe auch noch einen Beruf!“ sie hörte Kumi noch einen Moment zu und gab ihr dann unsere voraussichtliche Landung durch bevor sie auflegte. „Was sagt Kumi-san?“ fragte ich zögerlich, gab Abbey ihr Frühstück. Mutter fuhr sich zerstreut durch ihre Haare, nahm einen Schluck des noch immer dampfenden Tees und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. „Nichts. Sie hat mir nicht mal ansatzweise irgendetwas Vernünftiges gesagt.“ Sie schüttelte den Kopf, strich mir kurz über mein Haar.  „Arti, packe doch bitte schon einmal deine Sachen. Wir müssen in anderthalb Stunden am Flughafen sein. Solange werde ich auch brauchen um alles Wichtige zu klären.“ Damit verließ sie die Küche, gefolgt von Abbey die scheinbar spürte dass irgendetwas an diesem Morgen anders war.   Ich leerte meine Tasse und schaffte es innerhalb kürzester Zeit meine eigenen, sowie Yu-kuns Sachen einzupacken.  Mum hatte ihre eigenen wahllos in den Koffer geworfen, während sie einen Anruf nach dem anderen tätigte. Und mit jedem Gespräch wurde sie ungehaltener. Ein Blick auf die Uhr sagte mir dass es Zeit wurde Yu-kun zu wecken.  Doch dieser tapste mir auf nackten Sohlen mit Abbey auf dem Arm schon entgegen. „Mama ist zu laut! Und du warst weg!“ es klang wie ein Vorwurf aus dem Mund meines dreijährigen Bruders. Ich lächelte und erzählte ihm dass wir uns ein wenig beeilen mussten. Schließlich wollte er doch auch zu Papa mitkommen. „Papa?“ damit hatte ich die volle Aufmerksamkeit von meinem kleinen Bruder. „Ja, wir wollen Papa besuchen bei seiner Arbeit.“ Vor lauter Aufregung ließ der Kleine Abbey los. Ihr Glück war das es nicht weit zum Boden war. Trotzdem gab sie einen Laut ihres Widerwillens obgleich des unsanften Absetzen von sich.   Unsere Mutter schien den letzten Anruf getätigt zu haben, denn sie fing nun an uns anzutreiben. Die Fahrt würde auch noch mal zwanzig Minuten in Anspruch nehmen. Frühstücken würden wir im Flieger, sodass Mutter meinem Bruder kurzerhand nur eine Banane in die Hand drückte, damit dieser nicht mit vollkommen leeren Magen das Haus verließ und wir endlich losfahren konnten. Trotz all unserer Bemühungen konnten wir den Verkehr nicht beeinflussen und so erreichten wir den Check In, unseres Fluges, wenige Minuten nachdem dieser geschlossen hatte. Ich sah zu wie das Gesicht von meiner Mutter innerhalb weniger Sekunden dunkelrot anlief. Zwar war sie generell eher der ruhige Typ aber halt nicht immer. Sie legte sich nun förmlich mit der Fluggesellschaft an und die arme Dame hinter dem Check In schrumpfte von Minute zu Minute weiter in sich zusammen. Sie griff nach dem Telefon. „Okāsan, bitte nicht so laut. Dann nehmen wir den nächsten Flug.“  Doch anscheinend wollte sie das nicht. Ungeduldig trommelte sie mit ihren Fingern auf den Tresen herum. Keinen Moment später tauchte ein recht stämmiger Mann neben uns auf und erkundigte sich relativ freundlich wo das Problem liege. Meine Mutter erläuterte es ihm mit ihrem wunderschönsten Lächeln. „Aber das Flugzeug hat bereits die Türen geschlossen, werte Dame. Sie hätten wie alle Passagiere eher hier sein müssen.“ Yu-kun hörte aufmerksam den Wortwechsel zu. Seine Augen schimmerten bereits feucht. „Mama, wir können nicht zu Papa?“ fragte er und erneut blickte er zwischen Mutter und dem Mann hin und her, fing nun lautstark an zu weinen.   Ich hörte wie Mutter seufzte und Yu auf ihre Arme hob. „Wenn sie, Mister…“ sie blickte einen Moment auf das Namensschild welches viel zu klein wirkte an dem Mann, „…Latte, die nächsten sechs Stunden meinen Sohn beruhigen und ihm erklären wollen warum er jetzt nicht im Flieger zu seinem Vater sitzt, lassen sie uns hier stehen. Wenn sie dem ganzen aus dem Weg gehen wollen…“ mein Bruder steigerte wie auf Kommando seine Lautstärke und verlangte dass er zu unserem Papa durfte. „…dann sorgen sie lieber dafür dass das Flugzeug noch einmal seine Türen öffnet.“ Yu-kun legte noch eine Oktave dazu und ich war mir sicher dass unser Vater stolz auf ihn wäre.  Wobei diese Tonlage wirklich in den Ohren schmerzte. Das fand offenbar auch der Mann, denn er griff nun selber zum Telefon und bellte ein paar kurze Befehle in den Hörer.   Sichtlich stolz auf ihren Sohn wiegte Mutter ihn auf ihren Armen hin und her, redete beruhigend auf ihn ein. Das der Mann sie nun nicht mehr verstand, da es für sie ganz natürlich war mit uns auf Japanisch zu reden fiel ihr nicht auf. Auch nicht als er eine Frage mehrmals wiederholte und Mutter ihm auf Japanisch antwortete. Ich musste lächeln. „Tut mir leid, Mister Latte, für die Umstände die meine Mutter ihnen dadurch bereitet. Aber wir müssen wirklich dringend diese Maschine nehmen.“ Ich lächelte ihn zurückhaltend an und verneigte mich als er uns durch den Check In führte.   Mit der Bitte dass wir doch bitte Yu-kun beruhigen sollten, der noch einmal seine Tonlage gesteigert hatte da wir Abbey für die Dauer des Fluges abgeben mussten, führte uns der Mann direkt ins Flugzeug, direkt in die First Class. Fast war ich mir sicher das Mutter uns normale Plätze gebucht hatte, aber sie sagte nichts dazu. „Bitte die Dame. Ich hoffe sie werden mit ihrer Familie einen angenehmen Flug haben.“ Seine Stimme sagte deutlich aus das er uns nicht so bald wiedersehen wolle. Meine Mutter lächelte ihn freundlich an und bedankte sich höflich für sein bemühen. Mit einem seufzen ließen wir uns in unsere Sitze gleiten. Mutter setzte Yu-kun zwischen uns, welcher sich mit großen Augen im Flieger umschaute. Yu zog an meinem Ärmel, in seiner Stimme war die Ungeduld zu hören. Es war sein erster Flug. Bis jetzt war er noch nie aus L.A. heraus gekommen. „Das Monster bringt uns zu Papa?“ ich hörte das leichte zittern in seinen Worten und lächelte ihn aufmunternd zu. „Ja, das Flugzeug bringt uns zu Papa. Aber ein wenig musst du dich gedulden.“ Nun schaute er unsere Mutter an, welche uns lächelnd beobachtete. „Mama! Wann sind wir bei Papa?“   „Wir brauchen einen halben Tag mit dem Flugzeug. Wenn du deinen Mittagsschlaf gemacht hast sind wir fast da.“ Mein Bruder verzog das Gesicht. Er mochte seinen Mittagsschlaf nicht sonderlich und oft schlich er sich einfach zu mir. Nur um dann in meinem Bett die Augen nicht mehr offen halten zu können, während ich meine Schulaufgaben erledigte oder Gitarre übte. „Dann mache ich jetzt meinen Mittagsschlaf! Dann bin ich bald bei Papa!“ ich musste lachen, da seine kindliche Logik einfach nur niedlich war. Die Ansage der Stewardess lies ihn für ein paar Minuten verstummen. Schließlich war das alles höchst spannend.  Die kleinen Leuchtschilder über unseren Sitzen sprangen an und bedeuteten uns dass es gleich losgehen würde und wir die Sicherheitsgurte anlegen mussten. Erneute Tränen bildeten sich in seinen Augen als der Flieger mit lauten Getöse startete. Es war ihm nicht geheuer. Seine kleinen Hände umklammerten die unseren und zitterten immer stärker. Der Flieger erreichte keine zehn Minuten später seine optimale Flughöhe und damit wurde auch die Geräuschkulisse kleiner. Ein leiser Piep-Ton und die erloschenen Schilder bedeuteten uns dass wir die Sicherheitsgurte wieder ablegen konnten.   Nach einiger Zeit kamen zwei Stewardessen und verteilten das Frühstück. Yu-chan schaute sie aus großen Augen an. „Na du kleiner Mann.“ Die Frau strich ihm über sein schwarzes Haar, was seine Augen noch größer werden ließ. „Möchtest du mal in das Cockpit und dir vom Piloten alles zeigen lassen?“ fragte sie freundlich. Yu blickte zwischen Mutter und mir hin und her, unschlüssig ob er dieses Angebot wirklich annehmen sollte oder ob die fremde Frau ihn nur hinters Licht führen wolle.  „Du kannst deine große Schwester auch mitnehmen.“   Ich sah förmlich wie es in dem kleinen Kopf meines Bruders arbeite. Und anscheinend kam er zu der Entscheidung, dass ein Besuch beim Piloten mit mir keine Gefahr darstellen konnte. Kleine Finger umschlossen meine Hand, zogen mich hinter sich her. Die Stewardess öffnete die Tür zum Cockpit und sprach kurz mit dem Piloten bevor sie uns hereinwinkte. Der Pilot betätigte einige Knöpfe, nickte seinen Co-Piloten kurz zu und setzte seine Kopfhörer ab um uns zu begrüßen. „Guten Tag. Mein Name ist Steve Taylor. Wie heißt du denn?“ fragte er Yu in fast akzentfreien japanisch. Ich blickte ihn leicht verwundert an, aber es war ja keine Seltenheit das  Piloten mehrere Sprachen beherrschten. Yu versteckte sich hinter mir und brauchte mehrere Anläufe um dem Piloten zu antworten. „Y…Y….Yu…Yuu…“ der Pilot lächelte. „Yuu? Ein schöner Name. Komm doch mal her da kann ich dir alles zeigen.“ Nur zögernd trat der Kleine hinter mir hervor und sah den Piloten nach wie vor skeptisch an. „Onēsan… der Mann ist unhöflich!“ beschwerte sich mein kleiner, dreijähriger Bruder.   Ich musste lachen. Der ernste Ausdruck in Yu-chans und der völlig überraschte im Gesicht des Piloten waren einfach nur komisch.  „Sie müssen meinen Bruder entschuldigen. Aber Okāsan schimpft ihn immer aus wenn er uns nicht aussprechen lässt. Das hat er von ihr übernommen.“ Der Pilot schien verwirrt, lächelte aber trotzdem weiter. Mein Bruder war inzwischen neben ihn angekommen, begutachtete die vielen Knöpfe. „Wofür sind die bunten Lichter?“ fragte er mit weit aufgerissenen Augen und ließ sich nun alles in Ruhe erklären. Ich stand stumm hinter ihnen und beobachtete einfach wie sehr mein Bruder sich freute als er das Flugzeug steuern durfte, mithilfe des Piloten.    Für mich verging eine gefühlte Ewigkeit, bis wir zu unseren Plätzen zurückkehrten, trotz dass wir nur eine gute Stunde im Cockpit verbracht hatten. Yu-chan hatte den Hut des Piloten noch immer auf, zeigte ihn stolz unserer Mutter. „Wo hast du den denn her?“ fragte sie neugierig und half ihm die Hashi richtig zu halten.  „Steve-san hat ihn mir geschenkt!“ erzählte er freudestrahlend und ich nickte nur bestätigend. Der Kleine hatte sich innerhalb der letzten Stunde in das Herz des Piloten gearbeitet, mit seinen neugierigen Fragen und dem kindlichen Drang alles ausprobieren zu wollen. Nachdem Yu-chan stolz von seinem Ausflug berichtet hatte, konnte Mutter ihn endlich überzeugen ein wenig zu frühstücken. Immer wieder unterbrach er seine Mahlzeit, um ihr noch einmal zu erzählen was er glaubte vorher vergessen zu haben.  Ich lehnte mich zurück in den Sitz und stöpselte mir die Kopfhörer meines iPods in die Ohren. Betrachtete verträumt die Wolken, registrierte nur am Rande das Yu sich an mich kuschelte, bevor auch mir die Augen zu fielen. Die Zeit im Flugzeug erinnerte mich immer an das Warten im Vorraum eines Arztes. Es war zermürbend und machte einfach nur müde. Kapitel 13: Mirage ------------------ Zwei Stunden waren vergangen, seitdem der letzte Polizist der Spurensicherung das Haus verlassen hatte. Aya und Kumi waren beide  am Ende mit ihren Nerven, wollten nicht länger in diesem Haus bleiben. In einem Haus wo, trotz Polizeischutz, ein nicht zurechnungsfähiger Täter scheinbar nach Belieben ein und ausgehen konnte. Sie hatten berechtigte Angst um ihre Kinder. Kiyo war nach dem Öffnen des Paketes zusammengebrochen. Ein Arzt hatte ihn ruhig gestellt, nachdem er  einen hysterischen Anfall erlitten hatte als es hieß er müsse mit ins Krankenhaus. Nur mit Mühe hatten wir den Arzt davon abhalten können ihn Zwangseinweisen zu lassen. Ich seufzte schwer, denn die Alternative, in diesem Haus bleiben zu müssen, war in Anbetracht der Umstände genauso wenig zuträglich für ihn. Soweit ich es mitbekommen hatte, haben die ersten Ergebnisse der Spurensicherung nicht das Geringste ergeben. Sie hatten auch in Yuunes Haus keine brauchbaren Fingerabdrücke oder andere verwendbare Spuren gefunden. Dieser Irre muss alles haarklein geplant haben.  Die Spurensicherung hatte das Geschenk mitgenommen, konnte uns aber noch keine genaueren Angaben geben. Eigentlich bezweifelte ich das wir überhaupt erfahren würden was die Ergebnisse aussagen würden.   Yamamoto sah nach wie vor unglücklich, über den Lauf der Dinge, aus. Als er zusammen mit einem Kollegen hier eintraf wirkte er noch zerknirschter wie vergangene Nacht. Sein ehemals weißes Hemd zierten vermehrte  eingetrocknete Kaffeeflecken, die sonst akkurat sitzende Krawatte hing auf Halbmast um seinen Hals. Unter seinen Augen begannen sich dunkle Ringe zu bilden und seine Augen wirkten grimmig. Er hatte uns über mehrere Stunden hinweg befragt, einen nach dem anderen. „Und sie wissen wirklich nicht wann dieses Paket ankam?“ fragte er mich nun schon zum gefühlt hundertsten Mal. Ich schüttelte bedauernd den Kopf. Shinya blickte Yamamoto wütend an. „Was glauben sie tun sie hier? Verdammt! Keiner von uns hat auch nur das Geringste mitbekommen. Und wenn sie uns tausendmal dieselbe Frage stellen wir haben keine Antwort! Finden Sie Ryuichi!“ beschwichtigend legte ich meine Hand auf seinen Arm.   Shinya stand auf, positionierte sich mit verschränkten Armen vor dem Fenster. Wir sahen alle die Tränen, welche er versuchte zu verbergen. Wir schwiegen uns für einige Augenblicke an. Dieses Frage- und Antwortspiel was Yamamoto mit uns betrieb hatte keinen Sinn. Wahrscheinlich fühlte er sich jedoch besser wenn er uns befragte, da auch er nur warten konnte bis die Spurensicherung irgendwelche Hinweise fand. Und ein Polizist seines Ranges war keinesfalls begeistert den Babysitter für zwei hysterische Frauen, drei zum Teil weinende und unruhige Kinder sowie für drei dem Nervenzusammenbruch nahe Musiker zu spielen. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir bald losfahren mussten. Alex und Luna würden in zwei Stunden landen.  „Wir müssen zum Flughafen. Alex, Yuunes Fra…“ ich biss mir auf die Lippen blickte zur Seite. „…seine Witwe landet in zwei Stunden mit der gemeinsamen Tochter.“ Yamamoto nickte und erhob sich. Augenblicklich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Das sinnlose Warten schien für den Moment ein Ende zu haben.   „Ich möchte Kiyonobu nur ungern allein hier zurücklassen, aber auch die Kinder und Frauen sollten wir nicht unbedingt mitnehmen.“ Leise Schritte näherten sich der Küche. Kumi blickte uns entschlossen an. „Ich werde euch begleiten. Alex und Luna sie werden jemanden brauchen.“ Flüsterte sie. Shinya würde mit Aya und den Kindern im Haus bleiben, umgeben von noch mehr Polizeischutz. Ich weiß das Kiyonobu mit zum Flughafen wollte, doch war er für mehrere Stunden außer Gefecht gesetzt. Shinya würde über ihn wachen.   Die Stille im Wagen, auf dem Weg zum Flughafen, war schier unerträglich. Aber was hätten wir auch groß besprechen sollen? Ich machte mir Sorgen um Kiyo, der den Verlust von Yuune und das Verschwinden von Ryuichi nicht einfach wegstecken konnte.  Ich blickte zu Kumi, welche unentwegt aus dem Fenster starrte. Ihre Tränen waren versiegt. Ich konnte nur erahnen wie es ihr wirklich ging. Wie würde Alex das ganze aufnehmen? Würden wir es ihr direkt am Flughafen mitteilen? Mein Kopf platzte vor lauter Fragen, aber wie sonst sollten wir ihr den Polizeischutz erklären und das Yuune sie nicht abholte. Meine Mitteilung an sie war zu undeutlich gewesen. „So schwer es ihnen fallen dürfte, ich würde sie bitten gleich mit offenen Karten zu spielen. Erfahrungsgemäß macht es die Situation nicht besser wenn man die Situation nicht gleich beim Namen nennt.“ Durchbrach Yamamoto die Stille. Kumi und ich blickten unseren Fahrer an. Wir wussten beide das es das Beste sein würde und doch schockte es uns das Yamamoto es ausgesprochen hatte.   Er parkte seinen Dienstwagen direkt vor dem Eingang des Flughafens. Innerlich schüttelte ich darüber den Kopf. Auffälliger ging es natürlich nicht mehr. Hinter und vor uns parkten zwei weitere Streifenwagen und zogen sofort die Blicke der umstehenden Menschen auf sich. „Ihnen ist schon klar, dass man Jun erkennen wird? Es ist ja nicht so das da vorn kein Plakat in Übergröße hängt, auf dem jeder einzelne Member der Gruppe abgebildet ist?“ fragte Kumi monoton. Auch ihr schien die teilweise stümperhafte Art der Beamten aufgefallen zu sein. Yamamoto drehte sich zu uns um, draußen standen bereits die Streifenpolizisten die uns begleiteten. „Das ist mir bewusst. Aber egal wo ich diesen Wagen abgestellt hätte, man hätte Onose-san erkannt, nicht wahr?“   Ich nickte ergeben und machte Anstalten den Wagen verlassen zu wollen. Natürlich hatte ich kein Glück, denn die Türen konnten nur von außen geöffnet werden. Ein dienstbeflissener Beamter öffnete mir jedoch die Tür, sodass ich Yamamoto ein Kommentar über seine Aussage ersparte. Es wäre zurzeit so oder so nichts Freundliches aus meinem Mund gekommen. Kumi folgte mir sofort, hakte sich bei mir unter. Ich spürte wie sehr sie zitterte. „Wir finden Ryu. Dein Sohn wird nicht ohne seinen Vater aufwachsen. Schlimm genug das wir Luna sagen müssen das sie ihren Dad nie wieder in die Arme schließen wird.“ Dass auch Alex nie wieder das Lächeln ihres Mannes sehen würde, sprach ich nicht aus. Es war noch immer unwirklich für mich das die beiden erneut geheiratet haben sollen. „Ich weiß. Aber ich frage mich, ob Ryu in eine Welt ohne Yuune zurückkommen möchte. Was muss er erleiden, Jun?“ auf diese Frage wusste ich keine Antwort. Auch wenn ich eine schreckliche Befürchtung hatte was mit Ryu geschehen würde wenn dieser Irre herausfindet was mit Yuune geschehen ist. Würde er es auf Ryuichi schieben? Würde dieser Killer Ryu dafür verantwortlich machen, dass Yuune nicht mehr am Leben war.   „Hier entlang bitte. Ich werde gleich mit der Grenzkontrolle reden. Damit sie uns einen Raum zur Verfügung stellen, um mit Sugihara-sans Frau zu sprechen.“ Wir nickten, blickte n ihm hinterher, als er uns mit den Streifenpolizisten allein ließ. Diese schwiegen und so suchten wir an der Tafel das Gate mit dem Flug aus Los Angeles. Lange mussten wir nicht suchen und sahen, dass die Maschine vor wenigen Minuten gelandet war. Mit langsamen Schritten begaben wir uns dorthin. Keiner von uns beiden hatte es wirklich eilig diese Nachricht zu überbringen. Auch wenn Alex sofort wissen würde das etwas ganz und gar nicht stimmte, wenn sie nur Kumi und mich sah. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis die ersten Passagiere der Maschine die Kontrolle am Flughafen verließen. Yamamoto-san hatte sich uns, zusammen mit zwei weiteren Polizisten, mittlerweile wieder angeschlossen. Wir versuchten die Blicke der umstehenden Massen zu ignorieren, was aufgrund der Situation nur recht schwer gelingen wollte. Ich fragte mich warum man Alex nicht gleich am Flugzeug abfing, es hätte bei weitem weniger Aufsehen erregt.   „Müssen wir hier stehen? Noch mehr Aufmerksamkeit geht nicht.“ Flüsterte nun Kumi und sprach damit das aus was ich dachte. Yamamoto grummelte etwas in seinen Bart, das mehr als zwei Personen mit dem Namen Sugihara im Flugzeug saßen und er nicht alle in einen Raum bitten konnte, nur um sie dann wieder weg zu schicken. Ich schüttelte den Kopf über diese Aussage und blickte erneut auf die geschlossenen Türen hinter denen sich Alex und Luna befanden. Es dauerte noch ein paar weitere quälend, lange Minuten bis die automatischen Türen auseinanderglitten und wir nun endlich Alex erblickten. Sie blieb ein paar Meter vor der Tür stehen, blickte sich suchend um. Luna trat neben sie, sprach sie offensichtlich an denn sie zuckte nur ratlos mit den Schultern. Eine kleine Hand trat an den Rand unseres Blickfeldes, eine kleine Hand die beherzt in den Stoff von Alex Shirt griff und daran zog bis diese den Blick senkte.   Kumi sog scharf die Luft ein, flüsterte das es nicht sein kann. Ich folgte dem Blick der lächelnden Frau und konnte das Bild nicht unterdrücken welches sich mir aufdrängte. Yuune der ein Photo  betrachtete und glückselig dabei lächelte. Ich erhaschte damals nur einen kurzen Blick darauf, dachte dass ich mich getäuscht hatte. Ich hatte Alex, Luna und Yuune erkannt und ein weiteres kleines Kind, welches ich aber nicht zuordnen konnte. Ein Junge von vielleicht anderthalb Jahren, der nur langsam dem in meinen Augen immer gleichen Aussehen eines Babys nur langsam entwuchs und die Züge eines eigenständigen Wesens annahm. Mit Augen welche mich täglich mal lachend, mal tadelnd oder leidend ansahen. Mit einer Haarfarbe die ich nur noch aus unserer Jugend kannte, wo Yuune noch nicht seine Leidenschaft für wilde Farbkreationen freien Lauf gelassen hatte. Und einem Lächeln den man nur selten etwas abschlagen konnte. Damals habe ich mir nichts weiter dabei gedacht, schließlich waren Familienbilder auch nach der Trennung von Alex keine Seltenheit geworden. Dafür liebte Yuune das Fotografieren viel zu sehr. Damals dachte ich wirklich ich bildete mir etwas ein. Doch diese Einbildung stand nun leibhaftig vor uns. Der kleine Junge, welche die Aufmerksamkeit von Alex und Luna beanspruchte und seine freie, kleine Hand in unsere Richtung erhob. Er redete aufgeregt auf Alex ein, die ihn lächelnd zu beruhigen versuchte. Luna kniete sich neben den Jungen, versuchte seinen Redeschwall zu unterbrechen, doch seine Energie schien unerschöpflich zu sein. Luna folgte nun den Blick des Jungen und ein strahlen breitete sich auf ihren Zügen aus. Sie stand auf, lief direkt auf uns zu, blickte dabei immer wieder an uns vorbei als würde sie jemanden suchen. Natürlich suchte sie jemanden. Nur würde sie ihren Vater nie wieder sehen. Kapitel 14: It's true... ------------------------ „Wo ist ChiChi?“ Luna fiel mir förmlich um den Hals, schockierte mich damit für einen kurzen Moment. Ihr Leben in den USA färbte immer mehr auf sie ab. Die Umarmung hielt nur kurz, dann blickte sie sich wieder suchend um. Mein Herz zog sich zusammen. Zum Glück hatten wir Kiyonobu bei Shinya gelassen. Er hätte diesen Anblick erst recht nicht verkraftet. Alex trat mit dem kleinen Jungen an uns heran. Er versteckte sich, blickte aber immer wieder neugierig hinter ihren Beinen hervor. „JunJun, wo ist ChiChi?“ Luna wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum, lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Kumi begrüßte Alex mit einer kurzen Umarmung, wich ihren fragenden Blick aus. Mehr wie ein kurzes nicken brachte ich ihr gegenüber nicht zustande. „Dein Vater ist nicht hier, Kleine.“ Fragend richtete sich Alex Blick auf mich. Yamamoto-san erwartete nun hoffentlich nicht, dass ich es ihnen sagen würde. Wir waren hier in einer belebten Halle. Um keinen Preis der Welt würde ich ihnen hier die Wahrheit erzählen. Lunas Gesicht verdunkelte sich. Ich erschrak ein wenig als eine kleine Hand kurz mein Bein berührte und dann wie ein Blitz wieder verschwand. Aus großen Augen blickte der Kleine mich an. Kumi schwieg sich aus und so kniete ich mich neben den Jungen, blickte abwechselnd zwischen den drei Neuankömmlingen hin und her. Darauf hoffend, dass sie mir nicht bestätigten was nur schwer zu übersehen war. „Hallo Kleiner. …“ „Yu-chan stell dich vor. Das ist einer von Dad‘s Freunden.“ Alex zog ihn ein wenig hinter sich hervor. Auch sie schien von dem Kleinen zu erwarten das er selbst sprach. „Du bist nicht der di… dicke, lachende Onkel der mit ChiChi auf einem Bild ist!“ der Kleine richtete anklagend einen Finger auf mich. Perplex blickte ich den Kleinen an. Rund um uns herum war es mucks Mäuschen still, obwohl das rege Treiben nicht gestoppt hatte. „Mama das ist nicht der Onkel!“ Alex hob den Kleinen auf ihre Arme, das Schmunzeln in ihrem Gesicht war nicht zu übersehen. Auch Luna lachte, steckte damit Kumi und mich an. Es war ein befreiendes Gefühl, ließ uns für einen kurzen Moment das Geschehene vergessen. „Nein das ist nicht Shinya, Yu-chan. Jun ist auch ein Freund deines Vaters, mein Kleiner. Und nun stelle dich vor.“ Diese Antwort schien ihn fürs erste zufrieden zu stellen, denn er nickte nur einmal kurz. „Okay, Mama. Mein Name ist Yukio Khonshu Sugihara.“ Er versuchte sich zu verneigen, beließ es aber bei einer kurzen Andeutung, da Alex ihn noch immer auf ihren Armen hielt. „Khonshu? Woher kommt dieser Name?“ fragte Kumi mit hochgezogener Augenbraue. Alex lächelte, stellte ihren Jüngsten wieder auf seine eigene Füße. „Yuune fand das er zu Artis Namen passt. Khonshu wurde einst der ägyptische Mondgott genannt. Ich konnte ihm schlecht diesen Namenswunsch abschlagen. Schließlich ist er sein Sohn.“ Mit diesen Worten besiegelte sie was wir alle schon längst gesehen hatten. Yuune hatte einen Sohn, von dem wir bis eben noch nichts gewusst hatten. Geistesgegenwärtig ergriff ich Kumis Arm, als diese das Bewusstsein verlor. Anscheinend hatte auch sie davon nichts gewusst. „Kumi!“ ich hob sie auf meine Arme, blickte mich suchend um. Yamamoto hatte bis eben schweigend neben uns gestanden. Er räusperte sich leicht. Ein Blick in sein Gesicht verriet mir das er diese neue Situation genauso verabscheute wie ich. „Entschuldigen sie bitte. …“ begann Yamamoto-san sich nun endlich bemerkbar zu machen. Luna drückte ihren Bruder an sich, blickte verschreckt zu Kumi und mir. Keiner hörte ihm wirklich zu. Diese ganze Situation glich einem nicht enden wollenden Schauspiel. Mittlerweile hatten mich auch einige der Passanten erkannt, was es nicht einfacher machte. „Jun, wo ist Yuune?“ fragte Alex, nachdem sie sich überzeugt hatte das es Kumi den Umständen entsprechend gut ging. Sie hatte mittlerweile ihre Augen wieder geöffnet. „Er…“ Yamamoto-san unterbrach mich, indem er sich nun direkt neben mich stellte und so die Aufmerksamkeit von Alex erregte. Er zeigte ihr kurz seine Dienstmarke, stellte sich nun endlich vor. „Sugihara-san, mein Name ist Yamamoto. Ich bin Hauptkommissar der hiesigen Polizeidienststelle. Könnten wir sie einen Moment sprechen. …Ohne den Kindern.“ Ich sah wie sämtliche Farbe aus ihrem Gesicht wich. Auch Luna wirkte merklich blasser als noch vor wenigen Sekunden. Anhand von Alex Blick wusste ich, dass sie bereits vom Schlimmsten ausging. Warum auch sonst hätte ich sie so dringend nach Japan beordert. Die Polizei holte niemanden ohne Grund ab. Und das Yamamoto-san kein einfacher Personenschützer war, hatte sie spätestens an der Dienstmarke erkannt. „Jun, bitte sage mir wo Yuune ist.“ ihre Stimme klang beinahe flehend. „Onose-san würden sie mit den Kindern und Kawamura-san hier warten? Ich lasse ihnen meine Männer hier. Sugihara-san wenn sie mir bitte folgen würden.“ Wie in Trance befolgte Alex die Worte, hörte nicht einmal als Luna und Yukio nach ihr riefen. Ich war froh nicht an der Stelle des Kommissars zu sein. Aber noch viel weniger wollte ich gerade an meiner eigenen Stelle sein. Luna würde es nun wissen wollen. Sie würde sich nicht damit zufrieden geben das wir es ihr später sagen würden. Es würde jetzt geschehen. „Jun, lässt du mich bitte wieder runter? Es geht wieder.“ Skeptisch betrachtete ich Kumi, kam aber ihren Wunsch nach. Yukio klammerte sich an seine große Schwester, blickte seiner Mutter ängstlich hinter her. „Jun-chan was geht hier vor. Warum werdet ihr von der Polizei begleitet?“ fragte Arti. Ihre Stimme bebte, als würde sie es ahnen. „Lasst uns was trinken gehen, meine Kleine. Yamamoto-san muss mit Alex reden. Wir können dir nichts sagen. Gomen.“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf, suchte in der Menge nach ihrer Mutter. Mit sanfter Gewalt zog ich Luna und ihren Bruder zu Starbucks, bestellte für den Kleinen eine heiße Schokolade, für Kumi und mich einen Kaffee. Luna wollte partout nichts haben. Angespannt beobachtete sie ihre Umgebung, zählte die mittlerweile recht ordentlich gewachsene Anzahl Polizisten die uns bewachte. „Du machst mit ChiChi Musik, oder Onkel?“ ich nickte mechanisch. Der Kleine strahlte über das ganze Gesicht und begann aufgeregt eine Geschichte zu erzählen. „Du schaust wohl die ganze Zeit die Konzerte deines… deines Dad’s?“ es viel mir schwer Yuune als seinen Vater zusehen, auch wenn die Ähnlichkeit unbestreitbar war. Nur ein blinder würde keine Ähnlichkeit erkennen. „Kumi… würdest du kurz auf Yukio…“ kaum hatte ich seinen Namen ausgesprochen unterbrach er mich. „Yu-chan! Mama und Onē-chan nennen mich immer Yu-chan!“ ich musste lächeln bei seinen Worten. Gleichzeitig zog sich auch mein Herz zusammen. Nicht nur er wurde häufig so gerufen. „Okay, Yu-chan. Würdest du einen Moment bei Kumi-san bleiben? Ich möchte mir kurz deine Nē-san ausleihen. Wir gehen auch nicht weit weg. Schau dort drüben. Siehst du den freien Platz, ganz hinten an der Wand?“ Yu-chan reckte sich ein wenig und nickte dann. Ja er sah den Platz welchen ich meinte. „Ich werde mich dort kurz mit Arti unterhalten. Wir sind auch gleich wieder da.“ Er zog die Stirn in Falten, betrachtete seine Schwester einen kurzen Augenblick. Sie hatte bei meinen Worten inne gehalten. Ich glaube selbst wenn Yukio nicht einverstanden war, Luna würde trotzdem nach diesen Gespräch verlangen. Kumi sah mich fragend an. Ich schüttelte leicht den Kopf. Nein, natürlich war ich mir nicht sicher ob ich Luna die Wahrheit sagen sollte, geschweige denn durfte. Alex würde es ihr aber nicht verheimlichen wollen, dessen bin ich mir sicher. Inmitten einer Starbucks-Filiale auf dem Narita Airport zu erfahren, dass der eigene Vater tot ist, ist bestimmt nicht der beste Ort. Aber welcher Ort wäre für eine Nachricht diese schon der richtige? Da Yamamoto noch immer nicht mit Alex zurück war, hatte ich aber keine andere Möglichkeit. Luna war Yuunes größter Schatz gewesen. In ihrem Blick lagen tausende Fragen und abertausende Befürchtungen. Ich wünschte sie nicht bestätigen zu müssen. „Ihr geht nur da hinten hin? Und dann bringst du mir Onē-chan zurück?“ ich bestätigte ihm mein Vorhaben. „Gut. Onē-chan wenn was ist dann schreist du. Ich passe auf dich auf!“ kaum hatte Yukio diese Worte gesprochen, hörte ich ein unterdrücktes Schluchzen neben mir. Kumi rang sichtbar um Fassung. Kurz drückte ich ihre Hand. Schweigend folgte Luna mir zu dem leeren Tisch, blickte mich nur bittend an. Wie sollte ich es ihr nur am besten sagen? Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Hoffte auf eine Eingebung, betete um Beistand. „J-chan was ist hier los? Warum wollt ihr es uns nicht sagen? Was ist mit Papa?“ „Arti, das… es ist eine lange Geschichte. Wenn du das später möchtest werde ich es dir und Alex ganz genau erzählen. Vor einigen Tagen wollte Yuune, wollte dein Vater, die Band verlassen. Kiyonobu und ich waren damit nicht einverstanden, doch er war davon nicht abzubringen. Wir dachten er wäre gegangen, fanden ihn dann aber in einem der Meetingräume. Er wurde… er wurde anscheinend schon länger verfolgt. Also haben wir ihn mit zu uns genommen. Yuune sollte im Gästezimmer übernachten, da wir ihn nicht allein lassen wollten. …“ „Was ist mit Papa?“ ihre Augen waren schreckgeweitet, die Stimme nur ein leiser Hauch den ich kaum über den Lärmpegel der umliegenden Tische verstand. „ Er ist in der Nacht gegangen. Warum wissen wir nicht wirklich. Kiyonobu und ich sind ihn suchen gegangen, als es uns aufgefallen ist. Wir brauchten zu lange. Uns war nicht klar wo er hingegangen sein könnte. Zu spät ist uns in den Sinn gekommen er hätte nach Hause gehen können. Luna, es tut mir leid… es tut mir so schrecklich leid.“ Meine Stimme brach, ich brauchte einen Moment ehe ich weiter sprechen konnte. Ich war der Erwachsene, musste jetzt stärker sein wie das Mädchen die junge Frau welche mir gegenüber saß und deren zitternder Körper versuchte keine Schwäche zu zeigen. Denn sie wusste, dass sie damit ihrem kleinen Bruder verschrecken würde. Ich wusste nicht woher ich die Kraft nehmen sollte weiter zu sprechen. „…Er wurde überfallen in seinem Haus. Wir kamen zu spät um ihn davor zu bewahren. Später im Krankenhaus… die Ärzte haben wirklich alles versucht…“ meine Stimme brach, ich konnte den Satz nicht beenden. Aber es war auch gar nicht nötig. Luna hatte meine Worte verstanden. Sie schüttelte den Kopf, ihr aufschluchzen war durch das gesamte Starbucks zu hören. Die Köpfe aller Anwesenden drehten sich in unsere Richtung, im Augenwinkel sah ich, wie Kumi den kleinen Yu auf ihren Schoß zog und beruhigend auf ihn einsprach. Sie hielt ihn fest, damit er nicht zu uns kam. „Nein, Jun…nein!“ sie schrie nicht, doch durch die eingetretene Stille war sie überall zu verstehen. „Bitte… bitte… du lügst! Du musst lügen! Du musst einfach…“ ich zog ihren bebenden Körper in meine Arme, strich beruhigend über ihren Rücken. In diesem Moment gab es für sie keinen Trost. Der einzige der ihn ihr hätte geben können weilte nicht länger unter uns. Luna würde ihn nie wieder sehen. Ich vergrub mein Gesicht in ihren Haaren, flüsterte Worte die ihr doch keinen Hoffnungsschimmer geben konnten. „ Es tut mir leid Artemis. Yuunes Verletzungen waren zu schwer. Hätten Kiyonobu und ich es eher bemerkt, hätten wir es vielleicht verhindern können. Aber wir dachten er schläft in unserem Gästezimmer.“ Ihr Schluchzen war herzzerreißend. Immer und immer wieder rief sie Yuunes Namen. Hilflos blickte ich zu Kumi, an deren Tisch Alex stand. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, mit Mühe hielt sie ihren Jüngsten an sich gedrückt. Nur am Rande bekam ich mit das die Polizei den Laden räumte, uns von neugierigen Blicken abschirmte. Es war nur eine Frage der Zeit bis die Presse von Yuunes Tod erfuhr. Würde er einen ebenso großen Hype auslösen wie damals hide? Ein Gedanke der mich schauern ließ. Kapitel 15: NEWS ---------------- POV Stalker   Wo versteckten sie meinen Liebsten? Egal wo ich ihn suchte, immer wurde ich weggeschickt! Dabei wusste ich doch genau in welchem Krankenhaus er lag. Ich hatte den Krankenwagen verfolgt. War mehr als nur ein Mal erstarrt da er anhielt und kurze Zeit später weiterfuhr. Aus gebührender Entfernung habe ich beobachtet, wie sie ihn in die Klinik gebracht hatten.  Es war zu dunkel gewesen, ich habe ihn nicht genau erkennen können und doch gab es keinen Zweifel, dass es mein Engel war. Was hatte dieser ekelhafte Bassist Yuune angetan? Er hatte doch nur geschlafen. Sein Puls hatte kräftig geschlagen, seine Lippen fühlten sich warm an. Oder war es dieser penetrante Gitarrist gewesen? Hatte er meinem Liebling etwas angetan? Ja, er war es bestimmt gewesen. Er war wütend auf Yuune. Vielleicht sollte ich ihm noch ein Geschenk zukommen lassen. Eine weitere kleine Warnung, dann würde er sich fernhalten. Denn die erste Warnung die er von mir erhalten hatte, verfehlte ihre Wirkung anscheinend vollkommen. Bevor ich dieses kleine Präsent jedoch ausliefern kann, muss ich jedoch noch diese kleine Ratte versorgen. Mein Engel liebt ihn nach wie vor, nur aus diesem Grund werde ich ihn am Leben erhalten.     Ich betrat die Hütte und verstaute die mitgebrachten Lebensmittel in den Schränken, beachtete das Wimmern und Schlagen nicht. Hier draußen würde diese Ratte sich kein Gehör verschaffen können. Nicht umsonst habe ich ihn an diesen verlassenen Ort gebracht. Er sollte sich sein Essen verdienen. Ob Yuune eine neue Fotostrecke gefallen würde? Oder doch lieber ein kurzes Video indem er Ryuichis wunderbare Stimme hören könnte? Abschneiden sollte ich ihm lieber nichts, denn das würde mir nur noch mehr Arbeit machen. Und wer wusste schon ob er mir nicht an dem Schock starb? Nein, dann würde Yuune mich hassen. Und das konnte ich nicht zulassen.   Trotz der Knebel in seinen Mund versuchte diese kleine, undankbare Ratte noch immer zu schreien. Eigentlich sollte er dafür bald keine Kraft mehr haben. Er versuchte noch immer den im Boden eingelassenen Käfig aufzubrechen in denen er seit mehreren Tagen lag. Doch schien er dafür mittlerweile schon weniger Kraft zu besitzen. Anscheinend hatte es ihm gut getan anderthalb Tage da drin eingepfercht zu sein. Es lag ein leichter Uringeruch in der Luft, der wahrscheinlich von ihm stammte. Ihn zu säubern schien unabdingbar zu sein. Zum Glück besaß ich einen Hochdruckreiniger. Damit könnte ich sowohl die Ratte, wie auch den Käfig gründlich sauber machen. Ryuichi hatte meine Gnade nicht verdient, aber ein wenig Zuwendung brauchte wohl auch er. So legte ich, den unter den Bodendielen liegenden, Käfig frei und betrachtete ihn eine geraume Weile. Das Blut war an seinem nackten Körper getrocknet, bildete einen unschönen Kontrast zu seiner sonst makellosen Haut. Seine Haare kleben ihn strähnig im Gesicht, seine Augen wirken fahl.  Er hatte sich auch erleichtern müssen, hatte er doch keine Möglichkeit gehabt aus seinem Käfig zu entkommen. „Weißt du, nicht nur du sorgst dafür, dass mein Engel nicht zu mir darf. Dieser Köter und sein Herrchen bewachen ihn ebenfalls mit Argusaugen. Sie müssen ihm etwas angetan haben.“   Meine Stimme klang weinerlich, allein bei dem Gedanken, dass sie ihm was angetan hatten und er nun deswegen im Krankenhaus verweilen musste. Und keiner sagte mir auf welchem Zimmer er lag. Wie gern hätte ich ihn doch besucht. Ich öffnete den Käfig und zerrte den Sänger an seinen Haaren heraus.  „Was soll mein Engel nur von mir denken wenn er dich so sehen würde? Nicht das du etwas anderes verdient hättest.“ Mit diesen Worten zerrte ich ihn hinter mir her. Wir befanden uns hier mitten im Niemandsland. Selbst wenn es dieser Made gelingen sollte zu fliehen, würde er mehrere Kilometer zurücklegen müssen, um einen anderen Menschen über den Weg zu laufen. Ich stieß ihn in die Garage, wo ich den Hochdruckreiniger aufbewahrte. Aufgrund der Knebel verlor er das Gleichgewicht und stürzte mit dem Kopf voran auf den blanken Asphalt, wo er benommen liegen blieb. Er benötigte wirklich eine Reinigung. So würde ich ihn nicht mehr anfassen.   Summend schloss ich den Gartenschlauch an dem Gerät an, bevor ich mit der akribischen Reinigung des Sängers begann. Er versuchte sich vor dem eiskalten Strahl des Hochdruckreinigers in Sicherheit zu bringen, war aber zu geschwächt um es längere Zeit durchzuhalten. Es machte mich wütend, dass er mir immer nur seinen Rücken zudrehte, benötigte er doch eine Komplettsäuberung. Ich trat so lange nach ihm bis er sich wimmernd drehte. Das getrocknete Blut hatte keine Chance gegen den unaufhörlichen Wasserstrahl der den Körper des Sängers traf. Durch meinen Säuberungswahn angetrieben verlor ich jegliches Zeitgefühl und stoppte erst als sich nicht mehr rührte. Seufzend stellte ich das Gerät aus und kontrollierte seinen Puls. Dieser schlug stark und regelmäßig gegen meine Fingerkuppen.  Da er gerade nicht davon laufen konnte, entschied ich mich dazu seinen Käfig sauber zu machen. Schließlich war ich kein Unmensch und würde nur meine gerade verrichtete Arbeit zunichtemachen, wenn ich ihn so wie er war beließ. Die Made wäre so dreckig wie vorher und würde damit jegliche Geschenke an meinen Liebsten zerstören. Es wären keine schönen Fotos.   Ich schleifte den Sänger in die Sonne, kettete ihn an den Zaun für den Fall das er doch erwachen sollte.  Hier konnte er ein wenig trocknen, das frische Blut gerinnen. Im Haus angekommen schaltete ich das Radio ein, welches nun leise im Hintergrund lief.  Während meiner Arbeiten überlegte ich wie sie mich doch zu meinem Engel lassen würden. Fragen funktionierte nicht im Geringsten, wie ich nach mehreren Versuchen hatte feststellen müssen. Egal ob persönlich an der Information des Krankenhauses oder via Telefon. Die Schwestern hielten sich verdächtig genau an ihre Schweigepflicht. Den Bassisten und seinen Hund konnte ich auch vergessen. Sie würden mir nicht mitteilen wo Yuune ist. Es brachte scheinbar auch nichts Warnungen an sie zu verschicken. Nach dem kleinen Geschenk, tauchten nur noch mehr Polizisten im Haus des Drummers auf. Diese Option fiel also auch aus.   Nachdem der Käfig gesäubert war, holte ich den Sänger hinein. Auf dessen Haut hatte sich eine Gänsehaut gebildet, sein noch immer bewusstloser Körper zitterte vor Kälte. Stöhnend erlangte er langsam sein Bewusstsein wieder, blickte mich aus trüben Augen heraus an. Ich trat nach ihm, störte mich sein unablässiges Stöhnen dabei weiter darüber nachzudenken wie ich zu meinem Engel gelangen konnte.  Im Radio liefen mittlerweile die Tagesnachrichten, welche ich aufmerksam verfolgte. Es würde Ryuichi nicht gut tun wenn mein Engel oder einer der Anderen der Öffentlichkeit mitgeteilt hatte, dass der Sänger verschwunden war. Gerade als ich dies dachte erklang der Name der Band meines Liebsten im Radio. Zähneknirschend drehte ich das Radio lauter, beachtete den mittlerweile erwachten Sänger nicht länger.   „Wie uns soeben mitgeteilt wurde gibt es aus noch nicht bestätigten Quellen die Nachricht das Sugizo, Gitarrist der Band Luna Sea, in der vergangenen Nacht durch einen noch unbekannten Täter niedergestochen wurde. Mein Kollege Ryuuta Watanabe steht vor dem Krankenhaus in dem der Gitarrist derzeit behandelt wird. Wie steht es um ihn?“   „Hallo Masato. Derzeit gibt es noch keine Bestätigung seitens des Managements oder Krankenhauses, welches den Vorfall bestätigt. Das einzig gewisse ist, das Passanten in den frühen Morgenstunden, mehrere Member der Band gesichtet haben wie sie das Krankenhaus verlassen haben. Nach Angaben jener war Sugizo nicht dabei. Auch die Polizei gibt derzeit keinerlei Pressemitteilungen heraus.“   „Es ist also noch völlig unklar ob es sich tatsächlich um den Gitarristen handelt?“   „Ja, das ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider noch völlig ungewiss.“   „Danke, Ryuuta. Wie mir soeben durch meinen Aufnahmeleiter mitgeteilt wird, wurden vor wenigen Minuten zwei Member der Band am Narita Airport gesichtet wurden. Wir werden sie über die weiteren Vorkommnisse auf den Laufenden halten. Jetzt zum Wetter…“   Rasend vor Wut schleuderte ich das Radio gegen die nächste Wand. Woher besaßen diese Taugenichtse diese Informationen? Wenn keiner deiner sogenannten Freunde geplaudert hatte und auch die Polizei nichts hat durchsickern lassen, woher wussten dann diese Medienheinis davon? Warum behaupteten  sie es sei ein unbekannter Täter gewesen? Es war dieser arrogante Bassist mit seinem Hund! Sie haben Schuld! Ein Wimmern lenkte meine Aufmerksamkeit auf den Sänger, den ich völlig vergessen hatte. Er lag wimmernd auf dem Boden, starrte die Überreste des Radios an und schüttelte den Kopf. „Dein Bassist mit seinem Köter haben meinen Engel wehgetan Wo ich ihn verlassen hatte, schlummerte er friedlich! Er hat mir das schöne Rot seines Blutes gezeigt bevor ich gegangen bin! Diese Zwei müssen ihn verletzt haben!“ Ich riss Ryuichi an den Haaren nach oben, stieß ihn zurück in seine kleine Zelle. Seine Schmerzensschreie waren mir gleichgültig. Das einzige was momentan zählte war mein kranker Engel. Zu ihm. Ich musste komme was da wollte zu ihm. Keiner würde mich aufhalten ihn zu sehen. Fahrig schloss ich den Käfig, warf die Dielen achtlos zurück an ihren Platz und verließ dann das Haus, um mich auf den Weg zu meinem Engel zu machen.  Kapitel 16: Love even in death ------------------------------ POV J   Das Verlassen des Flughafens glich einem Spießrutenlauf. Die Polizei versuchte uns vergebens an, die mittlerweile eingetroffenen Reporter vorbei zuführen. Wir hatten Yu-chan durch ein Tuch verdeckt, schützten ihn so vor den Kameras. Uns war bewusst, dass es dadurch noch mehr Gerüchte geben würde. Alex und Luna trugen übergroßen Sonnenbrillen, die  jedoch nicht die Tatsache verheimlichen konnten das noch immer Tränen ihr Gesicht hinab rannen. Luna drückte sich eng an mich, wollte mir einfach nicht von der Seite weichen. Sie hatte die doch eigentlich Schutzgebende Umarmung ihrer Mutter abgelehnt und sich stattdessen an mich angelehnt. Der Zorn würde nach der ersten Trauerphase kommen. Sie würde realisieren dass Kiyonobu und ich versagt hatten. Ich scholl mich selbst einen Narren, denn die Schuld an seinem Tod lag nicht bei uns und doch fühlte es sich genauso an. Wir hatten versagt auf Yuune zu achten.   Die Fahrt über war nichts außer den Schluchzern von Luna und Yu im Wagen zu vernehmen. Alex fuhr mit Yamamoto in einem separaten Wagen mit. Sie und Kumi, die sie begleitete, würden erst später wieder zu uns stoßen. Ihr Weg führte sie zuerst ins Krankenhaus. Auch wenn die Identität Yuunes zweifelsfrei feststand, musste Alex ihn identifizieren. Eine Aufgabe um die sie niemand beneidete. Wir sollten es Yu-chan noch nicht sagen. Alex hatte uns mit gebrochener Stimme darum gebeten. Sie hatte die leise Hoffnung das Shinya genug Ablenkung für den Kleinen bieten würde. Sie meinte, dass er Shinya schon immer mal kennenlernen wollte. Kumi und ich hofften das wir ihn wirklich genug ablenken konnten.   Die Wagenkolonne hielt vor Shinyas Anwesen und wie ich es erwartet hatte ging just in den Moment die Tür auf, als die Motoren ausgeschaltet wurden. Aya zog Luna in eine innige Umarmung, bedachte Yu-chan nur eines kurzen, überraschten Blickes. Der Kleine weinte noch immer, wollte von seiner großen Schwester getröstet werden, die ihm jedoch keine Aufmerksamkeit schenkte. Er fühlte sich verlassen in einer fremden Umgebung. Seine Schwester die in ihrem eigenen Schmerz versunken war und ohne Mutter die ihm hätte Sicherheit geben können. Er verstand die Welt nicht mehr. Dass er nun dem großen dicken Onkel gegenüberstand den er vorhin erwähnt hatte bemerkte er gar nicht. Shinya warf mir einen fragenden Blick zu, doch ich schüttelte nur den Kopf. Mein Blick glitt hoch zu dem Fenster hinter dem Kiyonobu hoffentlich noch immer schlief. Wie lange würde er dem Anblick des Miniaturebenbildes von Yuune ausweichen können? „Kleiner Mann, warum weinst du denn?“ Shinya versuchte  nun den Kleinen direkt anzusprechen, was nach mehreren Versuchen von Erfolg gekrönt wurde. Noch immer liefen ihm die Tränen über die Wangen, jedoch hörte das herzzerreisende Schluchzen schlagartig auf. Stattdessen blieb ein vereinzelter Schluckauf. Die Augen des Jungen waren geweitet.   Er blickte ungläubig Shinya an, welcher ihn nur aufmunternd anlächelte. Die kleinen Ärmchen gaben mich frei, streckten sich hin zu dem Drummer der ihn noch immer lächelnd in die Arme nahm. „Ah, na endlich hörst du auf zu weinen. Wollen wir ins Haus gehen? Du hast doch sicherlich viel zu erzählen oder?“ wie hypnotisiert nickte der Kleine, berührte Shinya immer wieder im Gesicht als würde er nicht glauben können statt der Fotografie den leibhaftigen Shinya vor sich zu haben. „Großer, dicker Onkel! Du bist mit Papa auf dem Bild drauf!“ juchzte er erfreut und lächelte den Drummer nun freudestrahlend an. Seine Tränen waren für den Moment versiegt und ich schüttelte auf Shinyas fragenden Blick hin nur den Kopf. Wir würden es ihm später erklären. Wenn er nicht das Puzzle alleine zusammensetze.  Aya hatte Luna schon vor ein paar Minuten in das Haus geführt, sodass wir ihnen nun langsam folgten. „Dicker Onkel? Ich bin nicht dick, Kleiner.“     Skeptisch betrachtete er ihn. „Du bist dick! Und lachst immer so laut! Aber ich bin nicht “Kleiner“! Ich heiße Yu!“ Shinyas Schultern bebten vor unterdrücktem lachen. Er setzte den Jungen auf die Arbeitsfläche der Küche und goss ihm ein Glas Limonade ein. „Okay, Kleiner. Können wir uns darauf einigen dass ich dich Yu-chan nenne und du mich Onkel? Von mir aus auch Shinya.“ Der Junge verzog seine Lippen zu einem Schmollmund. Es war schwierig nicht laut loszulachen, da beide versuchten einen ernsten Blick aufzusetzen. Sie blickten sich eine ganze Weile schweigend an. Der Junge drehte das Glas in seinen Händen hin und her, drang ab und an einen kleinen Schluck bevor er kräftig nickte. „Einverstanden, Teddy-Onkel! Du darfst mich Yu nennen. Wo hast du meinen Papa versteckt?“ mit dieser Frage verflog schlagartig die leichte Fröhlichkeit die dieses Geplänkel zwischen den beiden bei mir ausgelöst hatte. „Tut mir leid Yu-chan. Du hast mir noch gar nicht verraten wer dein Papa ist. Und deine Mama? Hat dich der Onkel da drüben einfach von Flughafen mitgenommen?“  Shinya stand noch immer vor dem Jungen und strahlte ihn an.   Es musste ihm doch förmlich entgegen schreien wer der Vater war. „Shin-chan… das ist mein kleiner Bruder. Papa wollte ihn euch immer vorstellen.“ Lunas Worte waren leise. Shinya nickte verstehend, hob den kleinen Mann auf seine Arme und zog Luna in eine Umarmung. Sie schien sich etwas beruhigt zu haben, obwohl ihr gesamter Körper noch immer zitterte. „Schwesterchen, was ist denn los? Warum bist du so traurig, seit der falsche Onkel uns abgeholt hat?“ Yu strich seiner Schwester über das Haar, welche ihren Kopf aber nur noch tiefer an Shinyas Brust vergrub. „Weißt du, Arti wird einfach nur müde sein von eurem Flug. Wie wäre es wenn Artemis sich ein wenig ausruht, während ich dich mit meinen Kindern bekannt mache. Ihr werdet euch super verstehen. Genauso wie dein Papa und ich. Weißt du ich kenne deinen Papa schon seit unserer Kindheit.“ Die Augen des jungen begannen zu strahlen, was mich ungemein erleichterte. Artemis löste sich von Shinya und nickte ihrem Bruder zu. Sie versuchte zu lächeln, scheiterte aber kläglich. „Wo ist Kiyo?“ fragte ich Shinya bevor jener den Raum verlassen tat. „Noch immer unter den Beruhigungsmitteln im Bett.“ Ich nickte ihm kurz zu und wandte mich dann an das Mädchen was so unglaublich viel von ihrem Vater besaß.   „Möchtest du dich auch etwas hinlegen, Arti? Es wird sicherlich noch dauern bis deine Mutter wieder hier ist. Du kannst dich mit zu Kiyonobu legen. Allein zu sein ist momentan keine gute Idee.“ Und dies in zweierlei Hinsicht, dachte ich bei mir. Einerseits war es für ihre Verfassung nicht gut, und auch wenn Kiyo durch das Medikament außer Gefecht gesetzt war, so war er dennoch da und gab ihr die Gewissheit nicht allein zu sein und andererseits wussten wir noch immer nicht wie dieser Irre hier ins Haus gekommen war. Der Gedanke ließ mich einfach nicht los, dass er es nun auf Luna oder ihren Bruder abgesehen haben könnte. Sie waren Yuunes Fleisch und Blut und das konnten beide nicht leugnen. „Ich weiß nicht, Jun. Es fühlt sich so vollkommen falsch an. Pa… Papa kann nicht weg sein. Das ist einfach unmöglich. Wie kann er einfach…“ sie schüttelte den Kopf, nun wieder Tränen in den Augen. „Kleines, er wollte euch nicht verlassen. So etwas hätte er nie in Erwägung gezogen. Glaube mir! Yuune liebt euch. Er hat gekämpft bis zum Schluss. Sein Lebenswille war ungebrochen. Er hat nur einen Fehler begangen und den hat er teuer bezahlen müssen.“ Bevor ihr die Beine versagen konnten, führte ich sie in das Wohnzimmer wo sie sich auf einen der Sessel setzen konnte die Shinya erst vor wenigen Monaten gekauft hatte.   Shinya trat kurze Zeit später ebenfalls leise ein, bedeutete mir das Aya und einige der Polizisten bei den Kindern blieben. Hier im Wohnzimmer befanden sich derzeit nur wir drei. Jedoch wusste ich, dass sie das Haus von Innen wie von außen akribisch bewachten.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)