Fremdkörper von -wolke- ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Fremdkörper Kapitel 1- Unvergessen Weicher Sand unter seinen Händen. Warm von der Sonne. Er war überall. Auf seinem Gesicht, in seinen Haaren, in seinen Kleidern, Schuhen. Der Wind wehte ihm weitere Körner ins Gesicht, während er so mit geschlossenen Augen da lag. Es war Nachmittag. Ab und zu schob sich eine Wolke vor die Sonne und es wurde etwas kühler. Seine Zunge gleitet über die ausgetrockneten Lippen. Er hatte Durst. Keine Ahnung, wie lange er schon hier lag, aber nun schien ihn sein Körper zum Aufstehen zwingen zu wollen. Eigentlich wollte er sich nicht bewegen. Er war so müde. Langsam setzte er sich auf und spürte, wie die Sandkörner an ihm herab rieselten. Er öffnete seine Augen und war geblendet von dem Licht. Ein wenig Zeit verging, bis seine Augen sich wieder an das Licht gewöhnt hatten. Vor ihm lag das Meer ruhig da und seine Wellen streiften unweit von seinen Füßen den Sand. Näher ging er niemals ans Wasser, denn er mochte nicht baden. Wasserscheu. So nannten das seine Freunde. Naja, unrecht hatten sie nicht. Kurz blinzelte er in die Sonne. Es war so still hier. Weit und breit niemand. Er genoss die Stille. An diesem Ort konnte einen die Zeit verlassen. Trotzdem nötigte er sich selbst, auf sein altes, abgenutztes Handy zu schauen. Keine Nachrichten für ihn. Das war nichts Neues. Halb fünf. Er sollte sich langsam auf den Weg machen. Mühsam erhob er seinen Körper aus dem Sand und schüttelte sich. Trotzdem fühlte er das leicht brennende Reiben des Sandes überall auf seiner Haut. Noch einmal blickte er sich um. Hier hatten sie sich das letzte Mal gesehen. Hier hatte sich Ben von ihm verabschiedet. Wenn man das so nennen konnte. Ganz kurz sah er ihn vor sich stehen. Hoch gewachsen, sportlich, gebräunte Haut, braune Augen und braune Wuschelhaare, ein wenig ausgeblichen von der Sonne. Ben und er waren ein Unterschied, wie Tag und Nacht. Der andere war kräftig, lebensfreudig, ständig am grinsen, aktiv. Spielte Basketball und ab und zu Volleyball am Strand. Ben war ein aufgeschlossener, freundlicher Mensch, der mit jedem gut klar kam. Der ultimative Kumpeltyp. Beliebt. Er dagegen war… nicht so. Abgesehen davon, dass er etwas kleiner war, schmächtiger mit heller Haut, dunklen Augen und schwarzen Haaren, war er auch viel ruhiger und zurückhaltender. Schüchterner. Er mochte keine Menschenmassen. Er mochte nicht im Mittelpunkt stehen. Er mochte auch die meisten Menschen nicht. Er mochte Musik und Fotografie. Ab und zu spielte er ein wenig auf seinem Bass. Manchmal probte er mit seiner Band. Seit der Grundschule waren sie Freunde gewesen. Dass es mehr wurde, war nicht geplant gewesen. Anfangs dachte er, er wäre damit allein gewesen. Wäre dem auch so gewesen, hätte er nichts gesagt gehabt. Niemals. Er hätte die Freundschaft nicht riskieren wollen. Aber es war Ben, der auf ihn zu kam. Ben, der ihm gestand, dass er mehr von ihm wollte, als Freundschaft. Es war nicht alltäglich. Es war sogar recht schwierig, denn Bens Vater war sehr…konservativ. Er war in einer großen Firma Abteilungsleiter oder so etwas und erwartete von seinem Sohn, in seine erfolgreichen Fußstapfen zu treten. Ein Schwiegersohn wäre ihm alles andere, als recht gewesen. Er setzte Ben unter Druck, mehr zu leisten. Immer mehr unter Druck. Eine Weile war es gut gegangen. Eine kleine Weile war er glücklich gewesen. Und dann- von heut auf morgen- war Ben weg gewesen. Einfach so. Von seiner Mutter erfuhr er, dass Ben seine Schule in Amerika beenden würde, bei verwandten. Er hatte seinem Vater nachgegeben. Er hatte einen Brief erhalten, irgendein Gewäsch, das es ihm leid täte. Dass er Zeit für sich bräuchte. Zum Nachdenken. Und so weiter. Er war schwer enttäuscht gewesen. Keine Erklärungen, nichts. Ben hatte ihn einfach sitzen gelassen und nicht mal den Mut gehabt, sich ordentlich von ihm zu trennen, feige Sau. Er spürte, wie sein hals kratzig wurde und sich ein Klos bildete. Er schüttelte den Kopf und räusperte sich. Scheiße. Ruppig drehte er dem Wasser den Rücken zu und lief zum Weg über die Düne. Er zog eine Zigarette hervor und zündete sie sich an. Im Gehen rauchend dachte er an den zweiten Brief, den Ben ihm geschrieben hatte. Fast zwei Jahre später. Auch diesen Brief hätte er gern zerrissen, doch er besaß sie beide noch. Ben würde wieder kommen. Heute, um genau zu sein. Sie waren verabredet. Am Zugbahnhof. Warum ausgerechnet da, wusste er nicht. Er wusste auch nicht, warum er hinging. Was erwartete er? Dass sie sich um den Hals fielen, wie in diesen kitschigen Filmen, die seine Mum immer sah? Das er wieder da war und alles würde wieder gut? Nichts war gut. Seufzend verließ er die Düne und machte sich auf den Weg. Beim Bahnhof angekommen, setzte er sich in die Bahnhofshalle und wartete. Ihm gegenüber war die elektronische Anzeigetafel, die um 18:05 einen Zug anzeigte. Das musste wohl Bens sein. Nervös biss er auf seinem Unterlippenpiercing herum. In fünf Minuten würden sie sich wieder sehen. …Oder auch nicht. Mittlerweile war es acht Uhr durch und er war immer noch am Bahnhof. Wie pathetisch. Wie masochistisch kann man sein, dachte er. Warum tat er sich das hier an? Offensichtlich hatte Ben ihn versetzt- wenn nicht vergessen. Er wartete jetzt zwei Stunden. Mittlerweile war er nach draußen gewechselt und rauchte seine letzte Zigarette. Seine Nervosität war vergangen, nur Frust und Wut waren geblieben. Er war verletzt und traurig. Scheiße, dass der Mistkerl ihm immer noch weh tun konnte… Dabei hatte er gedacht, er wäre darüber hinweg. Pustekuchen. Fahrig strich er sich durch die Haare und brachte sie dadurch noch mehr in Unordnung. Es brachte nichts. Hier zu warten war Schwachsinn. Zeit zu gehen. Das hatte sich jetzt erledigt. Zum millionsten Mal schaute er auf sein Handy, während er sich zum Aschenbecher umdrehte. Hinter ihm bog ein Auto gefährlich rasant in den Bahnhof ein und bremste mit quietschenden Reifen, bevor es parkte. Türen wurden aufgerissen und zugeschmissen. Jemand lief fluchend in Richtung Bahnhofshalle, während ein anderer ihn anmeckerte, er solle nicht so mit den Türen knallen. Nachdem er seine Zigarette ausgedrückt hatte, wandte er sich um zum Gehen und prallte frontal mit einem von beiden zusammen. „Pass doch auf!“, zischte er, während er ein paar Schritte zurück stolperte, um das Gleichgewicht zu verlieren. Dann schaute er auf, mit wem er zusammengestoßen war. Vor ihm stand ein Kerl, bestimmt einen halben Kopf größer als er, dunkelhaarig, zwei Ringe durch die Unterlippe gezogen, einen weiteren durch die Nasenscheidewand. In seinen Ohren prangten schwarze Tunnels mit über einem Zentimeter Weite. Grüngraue Augen schauten ihn mit einer Mischung aus Überraschung und Ärger an. Er kannte ihn nicht und wollte sich an ihm vorbei schieben, als sein Begleiter am Arm packte und aufhielt. Genervt sah er zu dem anderen Kerl. Na, schau einer an. Er war noch größer geworden. Mittlerweile bestimmt einen ganzen Kopf größer, als er selbst (und er war auch gewachsen). Ansonsten hatte sich nicht viel verändert. Braune Wuschelhaare, braune Augen, sportliche Statur- raue Hände. Es kostete ihn alle Kraft, ruhig zu bleiben. Wieder bildete sich ein Kloß in seinem Hals. Bens Mund bewegte sich, aber er konnte ihn nicht hören- er trug seine Kopfhörer und hörte seine Musik auf voller Lautstärke. Er senkte den Blick und betont langsam nahm er die Kopfhörer ab und legte sie sich in den Nacken. „-gar nicht glauben, dass du noch hier bist! Wahnsinn! Ich dachte, ich hätte dich verpasst, Noah.“, sprudelte es aus ihm raus. Er antwortete nichts. Sah ihn nur einfach an. Sah, wie eng die beiden beieinander standen. Wie scharf ihn der Fremde beobachtete- und wie besorgt. So war das also. Mittlerweile war Ben verstummt und schaute nun nervös drein. Er schien sich mit mal ausgesprochen unwohl zu fühlen und zu warten, dass er etwas sagte. Er wusste gar nicht, was er sollte. Eigentlich wollte er nur noch weg. Das hier war sinnlos. Er hätte gar nicht her kommen sollen. Langsam wandte er sich ab und ging weiter. „Noah, hey!“, rief Ben hinter ihm und hielt ihn wieder auf- diesmal, indem er ihn an der Schulter fasste. „Sag doch was!“ Noah schloss für einen Moment die Augen, dann wandte er sich halb zu den anderen um. Vorsichtig entfernte er die Hand von seiner Schulter. Dann schaute er Ben in die Augen. „Du bist einfach abgehauen. Ohne ein Wort. Zwei Jahre habe ich nichts von dir gehört. Und jetzt kommst du an mit deinem Neuen machst ein auf Friede, Freude, Eierkuchen. Danke, darauf habe ich keine Lust. Das nächste Mal, wenn du dich einfach verpisst, vergiss nicht, vorher Schluss zu machen, Feigling. Ich habe dir nichts mehr zu sagen.“ Die Worte kamen ruhig und tonlos aus seinem Mund, leise aber deutlich. Sie schmeckten wie Asche auf seiner Zunge. Aber er hatte genug. Diesmal wandte er sich endgültig um, setzte sich wieder die Kopfhörer auf und hob seine Kapuze über den Kopf. Dann entfernte er sich. Diesmal wurde er nicht aufgehalten. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Kapitel 2 Hinter ihm knallte die Tür ins Schloss. Er kickte sich die Schuhe von den Füßen und lief die Treppe hoch ins erste Stockwerk, in sein Zimmer. Wieder knallte hinter ihm die Tür. Zum Glück war seine Mutter nicht da. Er sank auf den Boden, wo er gerade stand, atmete heftig, wie unter Schmerzen. Seine Augen brannten. Sein Hals fühlte sich zugeschwollen an, als könnte er nicht mehr atmen. In seiner Brust war ein stechender Schmerz. Er krümmte sich leicht, schlang die Arme um seinen Körper. Er hatte gedacht, er hätte es hinter sich gelassen. Er hatte gedacht, es wäre vorbei. Zwei Jahre- zwei Gottverdammte Jahre… Und alles war wieder da. Als wäre keine Zeit vergangen. Der Schmerz schoss durch ihn durch, als wäre es erst gestern gewesen, dass ihm Bens Mutter gesagt hätte, dass ihr Sohn weggegangen ist. Es war zum verzweifeln. Zittrig schnappte er nach Luft, versuchte zwanghaft, sich zu beruhigen, als er etwas gegen sein Fenster prallen hörte. Wieder ein leises klackern, wie von kleinen Kieseln, die jemand gegen sein Fenster warf. Das konnte nur einer sein. Schwankend kam er auf die Beine und stolperte zum einzigen Fenster im Raum, riss es auf und schaute hinunter. Im Garten stand ein Mädchen. Selbst im dämmrigen Licht des Abends konnte er ihre kirschrot gefärbten Haare sehen. Sie trug eine schwarze Plüschfelljacke mit Teddyohren auf der Kapuze, darunter eine Latzhose aus Jeans mit weiten Beinen, die in roten Chucks steckten. Sie hatte eine Hand in der Jackentasche vergraben und mit der anderen warf sie immer zu einen Kiesel in die Luft und fing ihn wieder auf. Sie hatte ein blasses, rundes Gesicht mit großen, dunklen Augen, die frech funkelten. Ihr Mund war zu einem ewig spöttischem Lächeln verzogen. „Na?“, rief sie zu ihm hoch. „Komm rum.“, kam Noahs kraftlose Antwort. Sie runzelte die Stirn und nickte, setzte sich in Bewegung. Noah schloss das Fenster und ging zur Haustür, um sie zu öffnen. Vor ihm stand Mell und schaute ihn an. „Deine Mum?“ „Nachtschicht.“, brummte er und ging von der Tür weg. Wesentlich leiser, als er zuvor, schloss sie die Tür hinter sich und zog sich im stehen umständlich die Schuhe aus und stellte sie neben seine. Dann folgte sie Noah in sein Zimmer. Sie fand ihm vor seinem Bett sitzend, die Beine lang ausgestreckt, leicht gespreizt, die Amre lose an sich herunter hängend, die Augen Blicklos auf das Fenster gerichtet. Na, super. Leise seufzend setzte sie sich neben ihn im Schneidersitz und wartete. Ihn auszuquetschen brachte nichts. Wenn Noah nicht reden wollte, redete er nicht. Wie eine Miesmuschel. Irgendwann zog er die Knie an die Brust und ließ seinen Körper gegen sie kippen, sein Kopf landete auf ihrer Schulter. Sie lehnte ihre Wange an seinen Haarschopf. Sie hörte ihn schwerer Atmen, spürte, wie sich sein Körper immer wieder verkrampfte, der leise, tonlose, stockend ausgestoßene Atem. Es war, als würde er mit aller Macht seine Schreie unterdrücken. Noah weinte nie laut. Sie kannte ihn jetzt seit irgendwas bei zwei Jahren. Als sie sich kennenlernten, war er mehr ein Wrack, als alles andere. Eigentlich hatte sie ihn seitdem nie wieder so am Boden erlebt. Sie spürte, wie ihre Jacke und das T-Shirt langsam nass wurden. Nach einer Weile beruhigte sich das Zittern, das durch Noahs Körper ging. Langsam verlagerte er sein Gewicht wieder von sich weg, stand auf und ging zu seinem Nachttisch, um aus der obersten Schublade nach Taschentüchern zu suchen. Er wischte sich die Augen trocken und schnäuzte sich. Dann wandte er sich um und schaute zu Mell, die immer noch vor seinem Bett saß und ihn wortlos anschaute. Abwartend. Sie verwunderte ihn immer wieder. Wenn er sie brauchte, erschien sie einfach aus dem Nichts, ohne, dass er sie kontaktieren musste. Sie war ziemlich ausgeflippt und scherte sich einen Scheißdreck um die Meinung anderer. Während er seinen Abschluss machte, arbeitete sie in dem Plattenladen ihres Vaters. Kennengelernt hatte er sie, als Sophie ihn vor zwei Jahren in die Band mitgebracht hatte. Kurz nach dem Ben weg war. Irgendwie war sie binnen kürzester Zeit seine beste Freundin geworden, als wäre sie sein Gegenstück. Und das auf eine ganz unromantische Weise. Er hatte keine Beziehungen mit Frauen, und sie hatte keine Beziehungen. Sie meinte, wichtige Beziehungen hatte sie zu ihren Freunden, alles andere war Triebbefriedigung. Von Liebe hielt sie nicht viel. Und Noah beneidete sie um diese zwanglose Einstellung. Er schlurfte zu ihr rüber und ließ sich neben sie fallen. Bei ihr konnte er sich entspannen. Sie drängte ihn nicht, quetschte ihn nicht aus, wartete geduldig und hörte zu, ohne lästige psychoanalytische Kommentare. Sie war einfach herrlich unkompliziert. Und ehrlich. Sie sagte ihm klipp und klar ins Gesicht, was sie dachte, auch, wenn sie ihm damit weh tat. Er selbst war viel zurückhaltender. Aber das war ok. „Er ist wieder da.“, flüsterte er leise. Seine Stimme klang kratzig und rau, wie eingerostet. „Zwei Jahre war er weg, und jetzt taucht er wieder auf. Will sich mit mir treffen. Und bringt zur Feier des Tages seinen Neuen gleich mit!“ Er lachte freudlos auf, es klang ziemlich verzweifelt in seinen Ohren. „Ich habe ihn geliebt, weißt du, so sehr geliebt. Und er wirft mich einfach weg. Und jetzt taucht er wieder auf, einfach so!“ Er brach ab, er konnte einfach nicht ausdrücken, welcher Sturm in ihm tobte- fand wie so oft die richtigen Worte nicht. Vorsichtig schaute er zu Mell, ob sie ihm folgen konnte. Sie sah ihn schief lächelnd an. Auf ihre merkwürdige Art und Weise verstand sie ihn einfach, ohne dass er groß reden musste. „Hast du ihm überhaupt eine Chance gelassen, sich zu erklären?“, fragte sie ihn. Er schüttelte den Kopf. „Konnte es nicht ertragen, ihn zu sehen.“; brummelte er. Sie schnaufte. „Du hattest dir Hoffnungen gemacht.“, stellte sie fest. Er schaute sie an. „Verrückt, oder? Ich dachte, es wäre vorbei, ich wär drüber hinweg. Dabei habe ich auf ihn gewartet, wie…“ Er wusste nicht, wie. Auf jeden Fall fühlte er sich schlecht, furchtbar kitschig. „Ich bin wie diese dummen Frauen aus Mums Romanen und Liebesfilmen.“, knurrte er endlich. Jetzt lachte Mell neben ihm laut auf. Irritiert schaute Noah zu ihr. Dann musste er ebenfalls lachen. Dann stand er auf. „Komm, ich hab Durst.“, meinte er und ging runter in die Küche, gefolgt von Mell. Er goss sich und seiner Freundin Saft in zwei Gläser, reichte ihr eins und lehnte sich an die Arbeitsfläche neben der Spüle, während sie am Türrahmen gelehnt stehen geblieben war. Sie trank einen Schluck, bevor sie etwas sagte. „Ich denke, ihr solltet schon ein klärendes Gespräch führen. Du solltest zulassen, dass er die seine Gründe nennt.“, meinte sie schließlich. Den Vorschlag mochte er gar nicht. Er hatte keine Lust mehr, sich mit Ben zu treffen. Aber Mell bewies wieder, wie gut sie ihn kannte. „Oder du ignorierst ihn und schließt endgültig mit ihm ab. Lässt ihn los und sagst, dir ist der ganze Scheiß wumpe.“ Er zuckte mit den Schultern und grinste sie schief an. Sie rollte mit den Augen und seufzte, ließ das Thema aber fallen. Das brachte jetzt nichts. „Kommst du morgen zu Probe?“, fragte sie. „Mein Dad hat vielleicht einen Gig für uns.“ Er nickte und nahm einen großen Zug aus seinem Glas. „Denke.“, meinte er. „Bei dir?“ „Wie immer. Wo Sonst?“, meinte Mell lachend. „Sophies Garage…“ „-Ist wohl kaum geeignet!“ Sie trank kopfschüttelnd ihr Glas aus und stellte es mit einem Klacken an den Rand der Spüle. „Warum bist du eigentlich her gekommen?“, fragte Noah endlich. Sie zuckte mit den Schultern. „Wollte fragen, ob du Zeit hast. Mir war langweilig.“, meinte sie nur leichthin. Sie zuckte mit den Schultern. „Papa wollte einen auf Familienabend mit Theresa machen- und das ist mir einfach nichts.“, murmelte sie. Sie liebte ihren Vater über alles, und sie kam mit ihrer Stiefmutter auch ganz gut klar. Nur sah sie nicht ein, warum sie Familie spielen sollte, denn: `Sie ist nicht meine Mum. Punkt.‘ Er machte es ihr nach und leerte ebenfalls sein Glas. „Na, dann wird ich jetzt wieder. Ist auch schon spät.“, brummelte sie mit einem Lächeln. Noah nickte. „Hey, du kannst ausschlafen. Ich hab gleich zur ersten Stunde.“ „Selber schuld. Was machst du auch Abi?“, erwiderte sie frech, um ihn zu necken. Er grinste. „Um Musik zu studieren.“, antwortete er. Sie schnaubte nur. Dann wandte sie sich um, indem sie ihr Gewicht auf ihre Hacken verlagerte und auf ihnen drehte sie sich um hundertachtzig Grad. Noah folgte ihrem leicht hüpfenden Gang weniger beschwingt und etwas schlurfend. „Ach ja!“, sagte sie, als sie an der Tür stand und sich umständlich die Schuhe im stehen anzog, auf einem Bein hüpfend. „Bald ist wieder Modenshow. Bist du wieder mein Partner?“, fragte sie. Er lachte. „Vergiss es. Ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen. Das weißt du. Aber ich schaue es mir gerne an.“ Sie lachte. „Aber auf der Bühne stehen.“, neckte sie ihn. Er zuckte mit den Schultern. „Das ist was anderes.“, brummte er. Sie zuckte mit den Schultern und umarmte ihn zum Abschied. Er schaute zu, wie sie die Straße hinab hüpfte, bis sie aus seiner Sicht verschwand. Dann schloss er die Haustür und ging hinauf und ging ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen und kurz zu duschen. Als er aus der Dusche trat und sich abgetrocknet hatte, zog er sich seine Boxershorts zum Schlafen an. Dann beugte er sich über das Waschbecken, um sich die Zähne zu putzen. Als er fertig war und wieder aufsah, schaute ihm sein Spiegelbild unglücklich in die Augen. Er betrachtete sich selbst. Er war dünn, fast mager. Seine Haut war fast unnatürlich blass. Die schwarzen Haare klebten nass an seinem Hals. Seine Augen waren zwei dunkle Löcher in seinem Gesicht. So dunkel, dass man kaum sah, dass sie eigentlich blau waren. Eine gerade, schmale Nase, schmale, ebenmäßige Lippen. Sein Gesicht war ebenso schmal. Nichts besonderes, fand er. Vielleicht war dass das Problem, vielleicht war er einfach nichts besonderes. Vielleicht war Ben deswegen gegangen. Kurz sah er den Fremden wieder vor sich stehen. Groß, kräftig, sportlich, gutaussehend. Ein kleinwenig exotisch. Sie sahen schon gut zusammen aus. Es tat weh. Er wandte sich ab und verließ das Bad, ging in sein Zimmer und ließ sich in sein Bett fallen, um in einen unruhigen Schlaf überzugehen. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Der Wecker riss ihn aus seinem Schlaf, so abrupt, wie immer und doch so brutal plötzlich. Verschlafen murrend suchte er vor sich hinmurmelnd blind den Wecker mit seiner Hand, schlug nach ihm und ließ ihn verstummen. Wenigstens für die nächsten fünf Minuten. Die wiedereingekehrte Stille genießend vergrub er seinen Kopf wieder in sein Kissen. Aber kaum war er wieder dabei, abzudriften, schrie ihn das gottverdammte Mistvieh wieder an. Wieder schlug er blind danach und rollte sich seufzend auf den Rücken. Dann kapitulierte er schließlich und setzte sich auf. Er fühlte sich, wie gerädert. Die Nacht war nicht besonders erholsam gewesen. Er gähnte und stand auf, schnappte sich seine schwarze Jeans vom Boden, außerdem eine Boxer und ein Shirt aus dem Hümpel auf dem Schreibtisch, den seine Mutter dort abgeladen hatte, damit er ihn in den Schrank sortiere. Noch bevor der Wecker zum dritten Mal kreischend zum Leben erwachen konnte, verließ er sein Zimmer und schlurfte über den Flur hinüber zum Bad. Dort angekommen, erledigte er alles Notwendige der Morgenhygiene und verließ das Bad, ohne in den Spiegel geschaut zu haben. Gähnend ging er zurück in sein Zimmer, nahm sich seine Sachen und lief die Treppe runter. Als er unten ankam, hörte er, wie sich in der Haustür der Schlüssel drehte. Er schaute auf die Uhr. Zehn nach sieben. Sie hatte wieder Überstunden machen müssen. Müde und abgekämpft kam seine Mutter durch die Tür in den Flur und schmiss ihn auf die dort stehende Kommode. Sich gleichzeitig die Schuhe von den Füßen kickend und den Mantel über die Schultern ziehend, schaute die Krankenschwester auf und erblickte ihren Sohn, der sie abwartend beobachtete. Ein kleines Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Hallo, Noah. Hast du gut geschlafen?“ Fragte sie mit ihrer sanften Art. Er zuckte mit den Schultern. Sie strich sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatte und schaute dabei auf ihre Armbanduhr. „Du musst los. Hast du was gegessen?“ Ihm einen Blick zuwerfend schnaubte sie und schüttelte den Kopf. „Nein, warum auch. Hast du wenigstens das Essen mitgenommen, dass ich dir gemacht hab?“ Er nickte. „Klar, Mama.“, meinte er. Egal, wie sehr sie im Stress war, sie vergaß niemals, ihm Essen für die Schule zu machen. Wieder lächelnd nickte sie und trat auf ihn zu. „Viel Spaß in der Schule.“, meinte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Dabei kam er sich wieder vor, wie ein Grundschüler. Unwillig brummte er und entlockte ihr ein leises Lachen. Sie ging an ihm vorbei in Richtung Treppe. „Nacht, Mama.“, rief er ihr nach. Sie drehte sich auf der untersten Stufe zu ihm um. „Nacht, Noah:“, sagte sie lächelnd und stieg weiter hinauf. Noah warf sich seine Jacke über und verließ endlich das Haus. In der Schule wurde er geweckt, als sich jemand neben ihn plumpsen ließ. Müde drehte er seinen Kopf auf seinen Unterarmen ein wenig nach rechts. Neben ihm saß Sophie und grinste ihn an. „Na, Schlafmütze? Wieder wach?“ Seine gegrummelte Antwort sorgte bei ihr nicht für Verdruss. Sie lachte nur leicht. „War Geschichte so schlimm?“, meinte sie. Zur Antwort drehte er seinen Kopf wieder zurück, sodass er weiterschlafen hätte können- wenn Sophie ihn denn gelassen hätte. Stattdessen rüttelte sie an seiner Schulter. „Hoch mit dir! Wir haben Musik- du wolltest doch dein Leistungskurs da drin schreiben!“ Murrend gab er schließlich nach- sie hätte ihm ja doch keine Ruhe gegönnt. Sich aufsetzend, schaute er sich um. „Wir haben einen neuen Schüler.“, eröffnete das Mädchen neben ihm. Sophie wäre allen von ihren Farben her unscheinbar gewesen, wäre nicht ihre überschwängliche, energiegeladene Persönlichkeit gewesen. Ihre leicht gewellten Haare lagen irgendwo zwischen dunkelblond und hellbraun, Straßenköterblond nannte sie das. Ihre Augen waren grün- fast olive und ihre Haut leicht gebräunt. Sie trug ein grünes Oberteil und eine olivfarbene Leinenhose, die einen tiefen Schritt und ein bisschen an die Hosen von Bauchtänzerinnen erinnerte. Sie wäre etwas formlos gewesen, wenn sie nicht um die Hüfte mit Bändern gestrafft worden wäre. So war sie vorn etwas straff gezogen und umspannte eng ihren Hintern. Nein, sie war bei weitem nicht hässlich. Und mit ihren leichten Sommersprossen sogar süß. Aber sie hatte mit den Männern noch weniger Glück, als er. Während es bei ihm schlicht und ergreifend nicht klappte, geriet sie immer, wenn überhaupt, an die ganz Falschen. Wie den Typen, der mehrgleisig fuhr- und dann noch mit Frauen und Männern. „Hörst du mir überhaupt zu?!“, fragte sie ihn in diesem Moment vorwurfsvoll. „Hmmmmm?“, kam es von ihm, als er wieder aus seiner Gedankenwelt auftauchte. Sie rollte mit den Augen. „Unser neuer Schüler.“, meinte sie. „Wir haben einen neuen Mitschüler bekommen, kurz vorm Abi- Hammer, oder? Ich meine, wow, ganz schön mutig. Er war zwei Jahre in Amerika, ist voll nett, und, Mann, sieht er gut aus!“, schwärmte sie, während ihm gerade ganz schnell ganz schlecht wurde. „Er heißt Ben und ist super nett.“ Supergau. Ganz stumpf drehte er seinen Kopf wieder zum Tisch und ließ ihn in die Tischplatte einrasten. „Was ist denn mit dir?“, fragte sie leicht pikiert. Klar konnte sie seine Reaktion nicht deuten. Sie hatten sich erst in der Abiturstufe kennengelernt. Ben war schon Ende der 10. Klasse weg gewesen. „Ben“, antwortete er, „ist der Ben.“ Mit spezieller Betonung auf dem „der“. „Was?“, kam es erstaunt und verblüfft von Sophie. Dann einen Moment nichts. Dann: „Nee, oder?“ Er schwieg einfach. Sein Schulleben war grad von nervig zur Hölle aufgestiegen. „Scheiße, wusstest du davon?“ Natürlich nicht- sonst wäre er früh genug ausgewandert. Wieder das nervige An-der-Schulter-Rütteln. „…Nein…“, gab er leise aber grantig von sich. „Ach, das ist doch Mist.“, brachte sie die Situation auf den Punkt- wobei er nicht „Mist“ gewählt hätte. Er richtete mich auf. „Und was jetzt?“, fragte er die Tischplatte. „Na, nix. Mach weiter, ignorier ihn. In ein paar Wochen is Abi, bis dahin musste durchhalten und dann haste deine Ruhe. Dann biste eh weg.“, antwortete die Tischplatte. Er seufzte. „Ich hab keine Lust, auf ihn zu treffen.“ Er wusste durchaus, dass er sich wie ein Kleinkind verhielt. Zum Glück rieb ihm das die Tischplatte nicht unter die Nase. „Brauchst du nicht. Geh ihm einfach aus dem Weg.“ Kluge Tischplatte. „Jetzt hör auf zu schmollen, der Unterricht fängt an.“ Blöde Tischplatte, auch wenn sie recht hat. Den weiteren Tag brachte er recht Ereignislos hinter sich. Ja, er entspannte sich sogar ein wenig. Aber, wie sagt man so schön? Es war noch nicht aller Tage Abend. Er war gerade auf dem Weg zu seinem Spind, als Sophie ihn von hinten einholte. Sie gingen zusammen zur Probe. An seinem Spind angekommen, sortierte er, was er brauchte ein und was nicht aus. Er war in Gedanken bei den Hausaufgaben, als hinter ihm ein leises „Oh-oh.“ Erklang. Sofort stellten sich seine Nackenhaare auf. Jup, genau wie in Filmen ist es immer ganz schlecht, wenn jemand in deinem Umfeld aus einem (noch) nicht ersichtlichen Grund diesen Laut von sich gibt. Langsam verschloss er seinen Spind. Ebenso langsam drehte er sich zu Sophie, die von ihm zu einem Punkt hinter ihm hin und her schaute und sich dabei auf die Unterlippe biss. Sie sah besorgt aus- nicht gut. Leicht holte er Luft und schaute über die Schulter. Vom anderen Ende des Flures kam uns Ben entgegen. Noch hatte er sie nicht bemerkt, denn er unterhielt sich mit einem Mädchen, das ihm an den Lippen hing wie Superkleber. Noah erkannte Eifersucht, als er sich angeekelt fühlte. Er drehte sich wieder weg, schloss die Augen und schluckte. „Lass uns weg hier.“, brachte er leise und heiser heraus, seine Kehle war mit Mal merkwürdig trocken. Sophie nickte mitfühlend und sie setzen sich in Bewegung. Als wie Ihn passierten, schaute Ben auf und ihn an, doch Noah ignorierte ihn und ging an ihm vorbei. So sah er nicht, wie Ben sich nach ihm umdrehte, während das Mädchen neben ihm weiter auf ihn ein quasselte. Die Probe war der reinste Reinfall, total frustrierend. Er bekam nichts hin. Schließlich beschlossen die anderen eine Pause. Noah saß auf der Treppe im Hinterhof des Proberaums und rauchte, als sich Mell neben ihn fallen ließ. Eine Weile sagte sie nichts. Dann „Sophie hat erzählt, was in der Schule los war.“, meinte sie leise. Anders, als Mell, wusste Sophie nicht viel von Ben und ihm. Sie wusste, dass Ben sein Ex war und dass es unschön auseinander gegangen war. Nur Mell war bei ihm gewesen, als er endgültig zusammen gebrochen war. Fast ein halbes Jahr später. „Schaffst du das?“, fragte sie mitfühlend. Ich schnaubte und grinste freudlos. „Hab ich ne Wahl?“, fragte ich leise und sarkastisch. „Er hat echt n geiles Timing.“, murrte ich. „Kurz vorm Abi.“, meinte sie. „Kurz, bevor ich weg bin. Ein paar Monate später, und ich wäre weg gewesen. Aber nein. Warum sollte es denn so einfach sein.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Du schaffst das. Du bist stärker.“, meinte sie optimistisch. Er schnaubte. „Klar.“ Mell kicherte leise und sprang auf die Füße. „Komm, die andern wollen weiter machen. Und streng dich gefälligst n bisschen an!“, neckte sie ihn, während sie ihn an den Händen auf die Beine zog. Leicht grinsend ließ er sich ziehen und folgte ihr zurück in den Probenraum. Kapitel 4: Kapitel4 ------------------- Kapitel 4 Er lag am Strand, wieder. Mit geschlossenen Augen lag er in der Sonne, seine Kopfhörer auf den Ohren und lang ausgestreckt. Das war der einzige Ort, an dem niemand nach ihm suchte, der einzige Ort, wo ihn niemand vermutete. Und diejenigen, die wussten, dass er hier war, ließen ihn dankenswerter Weise in Ruhe. Es war heiß, der Strand war gut gefüllt. Deswegen lag er weiter Oben, als sonst, fast an der Düne. Weil er früh genug hier her gekommen war- gleich nach der Schule- hatte er noch einen freien Platz ergattern können. Er musste schon Stunden hier sein. Die Sonne brannte. Vielleicht wurde er ja dieses Jahr tatsächlich braun. Langsam bekam er Durst, aber er hatte keine Lust, nach seinem Rucksack und der dort enthaltenen Flasche zu greifen- sie war eh schon warm. Hier konnte er entspannen, nachdenken, einfach sein. Entweder war hier kein Schwein, dass ihn hätte bemerken können und der Strand war wie ausgestorben, oder es war, wie jetzt, so überfüllt, dass er schlichtweg in der Masse unterging. Klar war seine Definition von „ungestört sein“ etwas ungewöhnlich, wenn er einen völlig überlaufenen Strand dazu zählte, aber für solche Fälle hatte er ja seine Kopfhörer. Und tatsächlich kam er hier zur Ruhe. Er ließ seine Gedanken kreisen und fortwehen. Seit Wochen wartete er. Auf den großen Absturz. Auf schlaflose Nächte, Nervenzusammenbrüche, Apathie. Auf das Sich-innerlich-tot-fühlen, auf das innere Zerrissen-sein. Nichts passierte. Alles war gut. Naja, nicht richtig gut. Erträglich. Merkwürdig erträglich. Er hatte gedacht, seine Welt würde einstürzen- noch einmal. Und dann hatte er erkannt, dass sein Alltag ganz normal weiterlief- nichts war anders, nichts hatte sich verändert. Er würde immer noch gehen. Sobald das Abi durch war, sobald die Sommerzeit rum war und sein Studium begann, war er weg. In Berlin. Drei oder vier oder fünf Stunden weit weg. Die Insel würde ihm fehlen. Alles würde ihm fehlen. Aber er würde ja wieder kommen. Irgendwann. Wenn es nicht mehr so weh tat. Wenn er darüber hinweg war. Wenn er weg war. Irgendwas ließ sein Gewicht neben ihn plumpsen, sodass der Sand aufspritzte. Dieses es war wohl ein Mensch, denn es streckte die Beine aus und grub sie in den Sand. Obwohl er seine Kopfhörer trug, hörte er es- oder spürte es mehr. Dann passierte eine Zeit lang nichts, außer, dass ein Blick merklich auf ihm lag. Nach ein paar Momenten gab er auf und schlug die Augen auf. Er hasste es, angestarrt zu werden. Neben ihm saß, die Hände hinter sich aufgestützt, ein junger Mann in ungefähr seinem Alter, der ihn schief angrinste. Er erkannte ihn nicht auf Anhieb. Menschen waren nie sein Ding gewesen. Er war wahrscheinlich sehr groß, wenn er stand, größer als er selbst, hatte schwarzes, wuscheliges Haar, das in der Sonne einen leichten Braunstich hatte, noch nass vom Salzwasser. Grüngraue Augen. Von der Sonne gebräunt und gut trainiert- wie man unschwer erkennen konnte, da er nur eine Badehose trug. Offensichtlich kam er grad aus dem Wasser, er war noch komplett nass. Schwarze Tunnel in den Ohren. Ein schwarzer Ring in der Nasenscheidewand und zwei in der Unterlippe, jeweils einer unweit jedes Mundwinkels. Er hatte vergessen, wie diese Art Piercings hießen. Hatte ihn nie großartig interessiert. Jetzt allerdings halfen sie ihm auf die Sprünge. Bens Neuer. Es war grad mal ein paar Tage her, vielleicht zwei Wochen, als Ben zusammen mit ihm wieder in sein Leben eingebrochen ist. Der Kerl wackelte auffordernd mit den Augenbrauen, was reichlich albern aussah. Innerlich stöhnend nahm Noah seine Kopfhörer runter. „Was macht jemand, der Wasserscheu ist, am Meer?“, fragte mich der Idiot. Er lächelte. Freundlich, nett, aufgeschlossen. Sportlich. Wahrscheinlich sahen ihm die Mädchen genauso hinterher, wie Ben. Tatsächlich ähnelten sie sich ein wenig. Groß, schlank, trainiert- nicht so übermäßig, wie in Bodybuilder oder Typen in Hollywoodfilmen á la „Biss zum Ende (das hoffentlich bald kommt)“. Er konnte sich gut vorstellen, wie er auf einem Basketballfeld mit ein paar Kumpels ein paar Körbe warf und nebenher ein wenig mit den Mädels flirtete. Ben hatte das oft genug getan. Egal, ob Noah das mochte, oder nicht. Musste toll sein, einen Partner zu haben, der sich für seinen Kram genauso interessierte, statt einem Trauerklos, er nur am Rand saß und zuschaute. Der Idiot (er war dazu über gegangen, ihn Idiot oder Kerl zu nennen- Bens Neuer tat zu sehr weh) sah wirklich nicht schlecht aus. Und war wahrscheinlich umwerfend im Bett- ähnlich den Kerlen aus den Schmuddelbüchern, die Mell immer laß. Wie nannte sie das? Fantasy-Romance? Bücher voller riesiger, muskulöser, gutbestückter (sie waren immer UNGLAUBLICH gut bestückt), scheiße gutaussehender Männer, die geheimnisvoll, mysteriös, undglaublich stark und sehr brutal waren. Krieger, Kämpfer, Kreaturen. Was immer man wollte- Vampire, Werwölfe, Gestaltenwandler, Feen, Elfen, Zwerge, Engel, Dämonen- what ever. „Krieg ich heut noch ne Antwort?“ Er war wohl mit seinen Gedanken abgeschweift. Hups. Die ganze Zeit seinen Gegenüber anzustarren und mit den Gedanken ganz woanders sein kam nicht so gut- passierte ihm ständig. Vor allem, wenn er sich vor dem Gespräch drücken wollte. War von seiner Betrachtung zu Spekuöationen rüber zu Mells Liebesromanen geglitten. Er blinzelte. Was wollte der überhaupt? Vielleicht sollte er ihm die Frage stellen. Den Kopf wieder zum Himmel drehend und sie Augen wieder schließend, tat er das auch: „Was willst du?“ Hier, von mir, und warum ausgerechnet in diesem Universum?! „Mit dir Reden.“ Wozu denn den Scheiß? Um seiner Ungläubigkeit Ausdruck zu verleihen, hob er mit geschlossenen Augen eine Augenbraue. „Hey, komm schon. Das is letztens ja wohl ziemlich schlecht gelaufen.“ , meinte Mister Fantastic unbekümmert. Resignierend (der andere würde so oder so nicht aufhören, zu nerven- er kannte die Art Mensch) machte er die Augen wieder auf und schaute ihn an. „Ich bin Alex.“, sagte der Idiot und hielt ihm seine Hand hin. Noah ließ seine, wo sie waren- unter seinem Kopf. Staubtrocken wie der Sand unter ihm entgegnete er „Hallo, Alex.“ Und schaute seinen hoffnungsfrohen Gesprächspartner ausdruckslos an. Der bekam erst mal einen Lachflash. Oh. Mann. „Du bist genau, wie er gesagt hat!“, prustete er endlich. Ben, natürlich. „Und was hat er gesagt, wie ich bin?“, fragte er schließlich doch resigniert, als sich der Lachflash des Idiotens zu einem Kichern beruhigt hatte. „Unfreiwillig komisch. Verschlossen. Schüchtern.“, sagte er freimütig. Irgendwie wurde ihm grad flau im Magen. „Aha.“, war die tonlose Antwort. „Er hat ziemlich viel von dir erzählt. Ehrlich gesagt, dachte ich anfangs, du wärst n Mädchen. Aber dann hat er mir ein Foto von dir gezeigt- und du warst definitiv kein Mädchen!“, lachte der Kerl ungezwungen. Mir viel auf, dass sein amerikanischer Akzent sich ziemlich in Grenzen hielt für einen waschechten Amerikaner. „Ist es nicht merkwürdig, wenn dein Freund so viel von seinem Ex labert und ihm auch noch ein Foto von ihm zeigt?“ Ein Foto. Ben hatte tatsächlich noch Fotos von ihm. Er sicherlich auch noch- seine Mutter hatte garantiert das meiste von dem Zeug gerettet, das er weggeschmissen hatte. Dann vermoderte es eben jetzt auf dem Dachboden. Auch gut. „Wir waren nie zusammen.“, gestand der Kerl freimütig und hatte mit diesem einfachen Satz sofort und zum ersten Mal in diesem Gespräch seine volle Aufmerksamkeit. Eine kleine Pause entstand, infolge derer er hilflos mit den Schultern zuckte. „Glaub mir, is nich so mein Ding.“, meinte er. Er musste wohl sehr ungläubig drein geschaut haben. Nun, dass überraschte ihn. „Er hat dich nicht vergessen, weißt du?“ Alex (ja, jetzt konnte er ihn so nennen, sollte ihn doch wer verklagen) grinste ihn schief an. „Ich glaub schon, dass er noch was von dir will.“ Er schnaubte. „Und deswegen ist er gegangen, einfach so, ohne einen Mucks- und hat nicht den Arsch in der Hose gehabt, sich zu melden? Ich musste seine Mutter fragen- seine Mutter!- damit ich rausbekam, was los war- denn er war nicht zu erreichen, nicht per Anruf, nicht per SMS, nicht per E-Mail, gar nicht. Jup, das hört sich sehr danach an.“ Oh. Er war wohl wütend geworden. Alex sah ihn merkwürdig an, erstaunt ob der Menge an Worten, die Noah von sich gegeben hatte und betroffen. Ja, is Scheiße, ne? Das war jetzt irgendwie nicht so, wie geplant. Unruhig geworden, ruckte der andere mit seinem Hintern im Sand hin und her. „Naja…“, murmelte er unsicher, „Aber er hat noch Gefühle für dich.“ Wieder schnaubte Noah. „Du kannst mir nicht erzählen, er wäre die zwei Jahre allein geblieben.“ Ein wenig verlegen schaute Alex. „Du etwa nicht?“, fragte er nach einer kleinen Pause. Mit einem Mal war Noah unglaublich müde, sein innerstes fühlte sich taub und leer an, sein Kopf mit Watte ausgestopft. Er wandte den Kopf ab. „Glaub mir, ich hab‘s versucht.“, antwortete er leise und bitter. Dieses von vornherein ungewollte Gespräch hatte mit einem Mal seinen letzten Reiz verloren. Er schob sich die Kopfhörer wieder über die Ohren und rollte sich von Alex weg. Nach einer ganzen Weile stand der andere auf und ging. Da konnte Noah endlich die angehaltene Luft ausstoßen. Er musste eingeschlafen sein, denn als er das nächste Mal die Augen öffnete, war die Sonne schon untergegangen und ihm fröstelte. Es war nicht richtig kalt, aber der Wind frischte auf. Seine Kopfhörer waren verstummt, der Akku von seinem MP3-Player musste alle sein. Er griff in seinen Rucksack und zog seinen Kapuzenpulli raus, den er eingesteckt hatte. Dabei berührten seine Finger die Flasche. Mit einem Mal hatte er einen ungeheuren Durst. Er erinnerte sich, dass er am Nachmittag schon mal durstig gewesen war, allerdings zu faul, sich zu bewegen und dann… Danach hatte er keine Lust mehr auf irgendwas gehabt und musste eingeschlafen sein. Den Pulli auf seinen Schoß legend, schnappte er sich die Flasche öffnete sie und kippte die warme Flüssigkeit in sich rein. Als er sie wieder absetzte, war die Flasche zur Hälfte geleert. Mit dem Handrücken wischte er sich über die Lippen, ehe er sie wieder zuschraubte und in dem Rucksack verstaute. Dann warf er sich den Pulli über und ging runter zum Wasser, um am Strand entlang nach Hause zu gehen. Am Ufer, kurz nachdem die Wellen sich vom Sand zurückzogen, wartete eine Überraschung auf ihn. Gleich die zweite heute. Die Gestalt saß dort genau wie sonst Noah, komplett in schwarz, die Füße genau so weit von Wasser weg, dass es die Schuhe nicht berührte, nach vorn gebeugt und in Gedanken versunken. Leise wollte er sich um denjenigen herumschleichen, um ihn nicht zu stören, doch dann schaute er auf und ihn an. Seine Farben waren im Dunkel schwer zu erkennen. Er sah nur das Gesicht, die Augen halb vom Pony verdeckt, von der Kapuze umrandet. Alles mehr als schemenhaft. Und doch… Und doch hätte er ihn immer und überall erkannt. Sein Magen verknotete sich. Jetzt war‘s nicht mehr taub. Jetzt tat‘s weh. Ben kam auf die Füße und auf ihn zu, blieb aber stockend und unsicher mehrere Schritte vor ihm stehen. Seine Hände baumelten hilflos an seinen Seiten. So hatte Noah ihn noch nie gesehen. Das musste eine Prämiere sein. „Hey.“, kam es atemlos von dem Größeren. Er erwiederte nichts, blieb aber stehen und sah Ben an. Der fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. Weiter kam er wohl nicht. So viel Ungesagtes. So viel Unausgesprochenes lag zwischen ihnen wie eine Schlucht ohne Brücke. Noah setzte sich wieder in Bewegung. Er hatte Ben fast passiert, da hielt die Stimme des Größeren ihn wieder zurück. „Können wir nicht…“, fing er an. Als Noahs Blick in traf, brach er ab und begann nochmal. „Kann es nicht wieder so sein, wie früher? Können wir nicht einfach wieder… Freunde sein?“ Ben klang hilflos, ein wenig verzweifelt und ein wenig hoffend. Noah war fassungslos. Er brauchte mehrere Sekunden, ehe er seine Stimme fand und dann noch ein paar, bis er wusste, was er sagen sollte. „Was?“, fragte er und fühlte sich, als hätte man ihn mitten im Schlaf mit Eiswasser übergossen. Erschreckt, wütend und desorientiert. „Nach all dem, was zwischen uns passiert ist? Nach dem, was du mir angetan hast?“, kam es schnell aus ihm heraus. Er wurde nicht laut- er wurde nie laut. Ben sah ihn merkwürdig flehend an. „Bitte!“ Noah schloss mit gerunzelter Stirn die Augen und schüttelte langsam den Kopf. „Nein. Einfach…“ Die Augen wieder öffnend, sprach er weiter. „…einfach nein.“, sagte er schwach. Dann drehte er sich um und ging zügig nach Hause. Ben kam ihm nicht hinterher. Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Es war heiß... stickig. Um ihn herum zuckte die Beleuchtung rhythmisch durcheinander. Blau, gelb, grün, rot,weiß.Er schwitzte.Das leichte T-Shirt, dass er für heute ausgesucht hatte, war schweißdurchtränkt. Er konnte die Menge, die vor ihm in der Dunkelheit sein musste- er konnte ihr Gröhlen hören- nicht erkennen, und das war gut so. Desswegen machte es ihm nichts aus, auf der Bühne zu stehen- er sah das Publikum nicht. Kolja auf der anderen Seite gab sein bestes an der zweiten Gitarre. Der lange, dürre Kerl hatte etwas merkwürdig hypnotisches, wie er sich bewegte. Grüne Haare, wild in die Höhe gegeelt, ein schwarzes Tanktop und weite Army-Hosen plus Springerstiefel komplettierten seine Erscheinung. In seinem Gesicht glitzerten Piersings an der rechten Augebrauhe und eine sicherheitsnasdel im rechten Mundwinkel, von der eine Kette zu seinem Ohrring führte. Hinter ihm schlug Mell auf das Schlagzeug ein, sie hatte sich zur feier des Tages Rastas in ihre kirschroten Haare flechten lassen und diese zu einem Zopf gebunden, und nun tanzten sie im bunten Licht um sie herum. sie trug ein Oberteil, das knapp unterhalb ihres busens aufhörte und eine weite Hose aus schwarzem, derben Stoff mit Löchern. Die Schuhe konnte er nicht sehen, das Schlagzeug verbarg sie. Doch die größte Veränderung machte wohl jedes Mal die Sängerin von den "Happy Dead Rabbits". Nichts an Sophie glich dem sanften, bodenständigen Mädchen aus dem Alltag. Eine enge schwarze Jeans umspannte ihre schöenen beine, die in hochhackigen Stieffeletten endeten. Das graue Oberteil hatte ein Wasserfalldekolleté und einen freien Rücken nebst Spinnenwebenprints. Doch am meisten hatte sich ihre Ausstrahlung verändert- ihre Haare waren eine fast hüftlange, wilde Mähne, Ihre Augen Katzenartig geschminkt und ihre Lippen rot lackiert, hatte sie etwas ungeheuer intensives. In Ihre sanfte Stimme hatte sich etwas raues und etwas verletzliches gemischt, wärend wir ihr Lieblingslied von den Cranberries spielten- Zombie, natürlich. Er konzentrierte sich und schloss die Augen. So spielte er am besten. Seine Finger glitten fast intuitiv über die Saiten seines Basses.Ab und zu öffnete sich sein Mund, um im Background mitzusingen- Kolja und er waren sozusagen Sophies Backgroundsänger. "Another mother's brackin' heart is tacking over When the violence 'causes silence We must be mistaken" Gerade der richtige Grad an Verletzlichkeit. Sie hatten ewig geprobt, um dieses Lied hin zu bekommen- es war verdammt schwer zu singen, wenn es sich gut anhören sollte. So viel harte Arbeit, aber es hatte sich gelohnt. "It's the same old theme since 1916 In your head, in your head they're still fighting With their tanks and their bombs And their bombs and their guns In your head, in your head they are dying..." Er lässt sich treiben. Die Musik füllt ihn aus und in ihm ist für nichts mehr Platz, außer für Töne. Die Welt ist verschwunden, er denkt nicht mehr. Es gitb nur noch ihn, die Musik und Sophies Stimme, die ihn durch diesen Strudel dirigiert. In your head, in your head Zombie, zombie, zombie Hey, hey, hey What's in your head, in your head Zombie, zombie, zombie? Hey, hey, hey, hey! Oh, oh, oh oh, oh, oh, oh, hey, oh, yaa, yaa....." Zum Finale gab er noch mal alles, dann ließen sie gemeinsam das Lied ausklingen und die Elektrezität, die seinen Körper beherrscht hatte, ebbte ab. Mittlerweile spürte er eine Leichte Erschöpfung, die sich nach dem Gig in bleierne, aber zufriedene Müdigleit wandeln würde. Jetzt war er noch zu aufgeladen. Ein Beifallsturm. Sophie strahlte das Publikum an. Dann führte sie das Mikro an die Lippen. "Hey, Leute, ihr seid so klasse!", ruft sie den Leuten entgegen und bekommt sofort das Dankeschön zurück. Sie grinste. "Aber leider, leider..."- ein kollektives Stöhnen- "...geht auch dieser Abend irgendwann zu Ende." Immer mehr laute Unmutsbekundeungen aus dem Publikum. Sie grinste. "Wollt´ihr noch was hörn?", fragte sie frech und bekommt einen Begeisterungssturm zur Antwort. "Wollt ihr 'ne Zugabe?" Während die Menge ihr entusiastisch zustimmt, bekommt Noah ein flaues Gefühl im Magen. "Und wer soll singen?", fragt Sophie, seine Nemesis, und natürlich antwortet das Publikum, das eben doch oft aus den immergleichen Leuten besteht: "Noah!Noah!Noah!" ...Eigentlich war diese Idee dem angetrunkenen Hirn Mells entsprungen bei einer ihrer Bandparties, zu denen sie Proben umfunktionierten, wenn sie früh fertig waren oder keinen Bock hatten. Und irgendwie hatte diese Idee es vom alkohoilumnebelten Mell-Hirn ans Band-Reißbrett und über die Proben auf die Bühne geschafft. Die Idee war: Noah singt die Zugabe. Ob Noah das eigentlich wollte, wurde nie als Teildes Problems betrachtet. Also wurde er mehr oder weniger über seinem Kopf hinweg entschieden, dass er für die Zugaben zuständig sei. Und so war es nun seitdem. Mittlerweile ging es. Die ersten Male hatte er ungeheure Panik geschoben, es zu vermasseln. Aberr diese komplett bescheuerten Leute, die sich in den Clubs und Bars einfanden, in denen sie gelegentlich spielten, gefiel es, ihn auf der Bühne und am Mikro zu sehen. Naja. Es half ja nichts. Tief atmete er durch, dann tauschte er langsam mit Sophie die Plätze, sorgsam darauf achtend, dass sich ihre Kabelnciht verhedderten. Noch einmal tief Luft holen, dann ging es los. "Never made it as a wise man I couldn't cut it as a poor man stealing Tired of living like a blind man I'm sick of sight without a sense of feeling" Und auf einmal war wieder alles weg. Auf einmal hat er weieder alles ausgeblendet und war wieder nur Musik. Seine Stimme war rau und tief, unerwartet, denn da er sie sonst nie erhebte, hörte man das sonst nicht aus seiner leisen Sprechstimme heraus. In seinem Kopf lief zu dem Text ein ganz anderer Film. Beim Singen spürte er die Worte in sich drinnen, als würden sie aus ihm herausgerissen. Da war Schmerz. Immernoch Schmerz. "And this is how you remind me This is how you remind me Of what I really am This is how you remind me Of what I really am " Er spürte, wie seine Stimme sich in ihm erhob, wie ein Tier, dass nach einem langen Schlaf erwachte und nun kraftvoll hervorbrach und alles mit sich riss. Er sah ihn vor sich. Ben. Wieder Ben. Immer Ben. "It's not like you to say sorry I was waiting on a different story This time I'm mistaken for handing you a heart worth breaking" Er hatte ihn einfach verlassen, einfach allein gelassen, ohne ein Wort. Hatte alles kaputt gemacht. Träume, Hoffnungen. Zukunft. Er hatte ihm sein Herz geschenkt. "and I've been wrong, i've been down, been to the bottom of every bottle these five words in my head scream "are we having fun yet?" " Er war am ende gewesen. Ganz unten. Fast wäre er nicht mehr hochgekommen. Aber, gottverdammt, erste Liebe hin oder her, das Leben ging weiter. Er stand wieder auf, wie der Phönix aus der Asche. "Yeah, yeah, yeah, no, no yeah, yeah, yeah, no, no it's not like you didn't know that I said I love you and I swear I still do And it must have been so bad Cause living with me must have damn near killed you" War es so gewesen? Hatte ihn seine Liebe erdrückt? War sie ihm nur eine Last gewesen? Was es das gewesen, Ben? Ist er desswegen einfach abgehauen, konnte ihm nichtmal in die Augen schauen beim Abschied? Er hatte ihn geliebt- war das der Grund? "And this is how, you remind me Of what I really am This is how, you remind me Of what I really am" Schmerz, heiß und brennend, in seiner Brust, und er gab ihm eine Stimme. "It's not like you to say sorry I was waiting on a different story This time I'm mistaken for handing you a heart worth breaking and I've been wrong, i've been down, been to the bottom of every bottle these five words in my head scream "are we having fun yet?" Yet, yet, yet, no, no yet, yet, yet, no, no yet, yet, yet, no, no yet, yet, yet, no, no" Immer wieder zuckten Bilder von Ben um ihm vor seinem Inneren Auge vorbei...Dann herrschte Stille in seinem Kopf, als das Solo erklang. Er öffnete langsam die Augen und schaute in die Menge, die auf einmal unangenehm deutlich zu sehen war. Seine Augen schienen ziellos umher zu wandern. Suchend, nicht findent. "Never made it as a wise man I couldn't cut it as a poor man stealing And this is how you remind me This is how you remind me This is how you remind me Of what i really am This is how you remind me Of what I really am" Der merkwürdige Sturm in ihm kam langsam zur Ruhe, blieb aber unterschwellig in ihm. Wie GLut, die nur auf den richtigen Windstoß hofft, um ein neues Feuer zu entfachen. Seine Augen suchten sich irgendeinen Fixpunkt in der Menge. Und dann brach der Sturm wieder los. "It's not like you to say sorry I was waiting on a different story This time I'm mistaken for handing you a heart worth breaking" Er schrie diesemFixpunkt die Zeilen entgegen, sah aber nur ein anderes Gesicht vor sich. Braune Wuschelhaare, braune Augen, gebräunte Haut. Lachfältchen, ein breites grinsen, ein neckisches funkeln in den Augen. Er hatte ihn geliebt. "And I've been wrong, I've been down, been to the bottom of every bottle these five words in my head scream "are we having fun yet?"" Er hatte ihn geliebt. Hatte ihm sein Herz geöffnet. Und wofür? "Yet, yet are we having fun yet Yet, yet are we having fun yet Yet, yet are we having fun yet" Es war genug. "No-no..." Mit dem verklingen der letzten Gitarrenklänge wich die Spannung aus seinem Körper und er fühlte sich völlig ausgelaugt. Ihm war leicht schwindelig. Er trat ein, zwei Schritte nach hinten und prallte mit den rücken an Kolja und Sophie, die hinter ihm Stellung bezigen hatten. In der Menge brachen Begeisterungsstürme aus. Anscheindend hatte er seine Sache gut gemacht. Die Verabschiedung und den Abgang von der Bühne bekam er kaum ncoh mit. Als er aus seinem Nebel erwachte, saß er mit Mell in einer Ledernen Sitzecke am Rand der Bar, Sophie und Kolja ihm gegenüber und vor ihm ein Wodka-O. Zumindest hoffte er das. Und er hoffte, dass das sein erster und letzter war. "Das war hammer-geil!", rief Sophie über den Lärm hinweg. "Oder? Die sind richtig abgegangen!" Er geinste in sich hinein. Ja. Das war ein guter Abend gewesen. Musik war für ihn besser, als jede Droge. Noah lehnte sich zurück, nachdem er mit den anderen angestoßen hatte und genoss die Atmosphäre. Mell, Kolja und Sophie unterhielten sich noch über den Gig und er warf gelegentlich eine Bemerkung ein. Hier fühlte er sich wohl. Richtig. Alles war gut. Endlich war alles gut. "Noah?" Alles in ihm wurde starr und es war, als stünde die Welt um ihm genauso still. Als sich Mell neben ihm versteifte, bestätigte sich seine Befürchtung. Obwohl er die Stimme überall erkannt hätte. Da er an der Wand saß, schaute er an Mell vorbei an den Rand des Tisches. Dort stand er, schaute ihn an. »Können wir nicht… Kann es nicht wieder so sein, wie früher? Können wir nicht einfach wieder… Freunde sein?«, hallte es in Noahs Kopf wieder. »Bitte?« Sein Mund wurde staub trocken. Sein Körper fühlte sich taub an. Er wollte nur noch weg, doch er wusste, sein Körper würde sich nicht bewegen. In diesem Moment fiel ihm auf, dass Kolja und Sophie ebenfalls still geworde waren und das Geschehnis skeptisch beonbachteten. Mell fixierte Ben mit einem wütendenm Blick. "Sag mal, spionierst du ihm nach? Was willst du?", knurrte sie ihn an. Ben ignorierte sie alle, er fixierte nur Noah, der sich am liebsten unruhig gewunden hätte, aber nur erstarrt da saß, wie ein Karnienchen vor der Schlange. "Noah, wir müssen reden!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)