Fremdkörper von -wolke- ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Kapitel 3 Der Wecker riss ihn aus seinem Schlaf, so abrupt, wie immer und doch so brutal plötzlich. Verschlafen murrend suchte er vor sich hinmurmelnd blind den Wecker mit seiner Hand, schlug nach ihm und ließ ihn verstummen. Wenigstens für die nächsten fünf Minuten. Die wiedereingekehrte Stille genießend vergrub er seinen Kopf wieder in sein Kissen. Aber kaum war er wieder dabei, abzudriften, schrie ihn das gottverdammte Mistvieh wieder an. Wieder schlug er blind danach und rollte sich seufzend auf den Rücken. Dann kapitulierte er schließlich und setzte sich auf. Er fühlte sich, wie gerädert. Die Nacht war nicht besonders erholsam gewesen. Er gähnte und stand auf, schnappte sich seine schwarze Jeans vom Boden, außerdem eine Boxer und ein Shirt aus dem Hümpel auf dem Schreibtisch, den seine Mutter dort abgeladen hatte, damit er ihn in den Schrank sortiere. Noch bevor der Wecker zum dritten Mal kreischend zum Leben erwachen konnte, verließ er sein Zimmer und schlurfte über den Flur hinüber zum Bad. Dort angekommen, erledigte er alles Notwendige der Morgenhygiene und verließ das Bad, ohne in den Spiegel geschaut zu haben. Gähnend ging er zurück in sein Zimmer, nahm sich seine Sachen und lief die Treppe runter. Als er unten ankam, hörte er, wie sich in der Haustür der Schlüssel drehte. Er schaute auf die Uhr. Zehn nach sieben. Sie hatte wieder Überstunden machen müssen. Müde und abgekämpft kam seine Mutter durch die Tür in den Flur und schmiss ihn auf die dort stehende Kommode. Sich gleichzeitig die Schuhe von den Füßen kickend und den Mantel über die Schultern ziehend, schaute die Krankenschwester auf und erblickte ihren Sohn, der sie abwartend beobachtete. Ein kleines Lächeln legte sich auf ihre Lippen. „Hallo, Noah. Hast du gut geschlafen?“ Fragte sie mit ihrer sanften Art. Er zuckte mit den Schultern. Sie strich sich eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatte und schaute dabei auf ihre Armbanduhr. „Du musst los. Hast du was gegessen?“ Ihm einen Blick zuwerfend schnaubte sie und schüttelte den Kopf. „Nein, warum auch. Hast du wenigstens das Essen mitgenommen, dass ich dir gemacht hab?“ Er nickte. „Klar, Mama.“, meinte er. Egal, wie sehr sie im Stress war, sie vergaß niemals, ihm Essen für die Schule zu machen. Wieder lächelnd nickte sie und trat auf ihn zu. „Viel Spaß in der Schule.“, meinte sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu drücken. Dabei kam er sich wieder vor, wie ein Grundschüler. Unwillig brummte er und entlockte ihr ein leises Lachen. Sie ging an ihm vorbei in Richtung Treppe. „Nacht, Mama.“, rief er ihr nach. Sie drehte sich auf der untersten Stufe zu ihm um. „Nacht, Noah:“, sagte sie lächelnd und stieg weiter hinauf. Noah warf sich seine Jacke über und verließ endlich das Haus. In der Schule wurde er geweckt, als sich jemand neben ihn plumpsen ließ. Müde drehte er seinen Kopf auf seinen Unterarmen ein wenig nach rechts. Neben ihm saß Sophie und grinste ihn an. „Na, Schlafmütze? Wieder wach?“ Seine gegrummelte Antwort sorgte bei ihr nicht für Verdruss. Sie lachte nur leicht. „War Geschichte so schlimm?“, meinte sie. Zur Antwort drehte er seinen Kopf wieder zurück, sodass er weiterschlafen hätte können- wenn Sophie ihn denn gelassen hätte. Stattdessen rüttelte sie an seiner Schulter. „Hoch mit dir! Wir haben Musik- du wolltest doch dein Leistungskurs da drin schreiben!“ Murrend gab er schließlich nach- sie hätte ihm ja doch keine Ruhe gegönnt. Sich aufsetzend, schaute er sich um. „Wir haben einen neuen Schüler.“, eröffnete das Mädchen neben ihm. Sophie wäre allen von ihren Farben her unscheinbar gewesen, wäre nicht ihre überschwängliche, energiegeladene Persönlichkeit gewesen. Ihre leicht gewellten Haare lagen irgendwo zwischen dunkelblond und hellbraun, Straßenköterblond nannte sie das. Ihre Augen waren grün- fast olive und ihre Haut leicht gebräunt. Sie trug ein grünes Oberteil und eine olivfarbene Leinenhose, die einen tiefen Schritt und ein bisschen an die Hosen von Bauchtänzerinnen erinnerte. Sie wäre etwas formlos gewesen, wenn sie nicht um die Hüfte mit Bändern gestrafft worden wäre. So war sie vorn etwas straff gezogen und umspannte eng ihren Hintern. Nein, sie war bei weitem nicht hässlich. Und mit ihren leichten Sommersprossen sogar süß. Aber sie hatte mit den Männern noch weniger Glück, als er. Während es bei ihm schlicht und ergreifend nicht klappte, geriet sie immer, wenn überhaupt, an die ganz Falschen. Wie den Typen, der mehrgleisig fuhr- und dann noch mit Frauen und Männern. „Hörst du mir überhaupt zu?!“, fragte sie ihn in diesem Moment vorwurfsvoll. „Hmmmmm?“, kam es von ihm, als er wieder aus seiner Gedankenwelt auftauchte. Sie rollte mit den Augen. „Unser neuer Schüler.“, meinte sie. „Wir haben einen neuen Mitschüler bekommen, kurz vorm Abi- Hammer, oder? Ich meine, wow, ganz schön mutig. Er war zwei Jahre in Amerika, ist voll nett, und, Mann, sieht er gut aus!“, schwärmte sie, während ihm gerade ganz schnell ganz schlecht wurde. „Er heißt Ben und ist super nett.“ Supergau. Ganz stumpf drehte er seinen Kopf wieder zum Tisch und ließ ihn in die Tischplatte einrasten. „Was ist denn mit dir?“, fragte sie leicht pikiert. Klar konnte sie seine Reaktion nicht deuten. Sie hatten sich erst in der Abiturstufe kennengelernt. Ben war schon Ende der 10. Klasse weg gewesen. „Ben“, antwortete er, „ist der Ben.“ Mit spezieller Betonung auf dem „der“. „Was?“, kam es erstaunt und verblüfft von Sophie. Dann einen Moment nichts. Dann: „Nee, oder?“ Er schwieg einfach. Sein Schulleben war grad von nervig zur Hölle aufgestiegen. „Scheiße, wusstest du davon?“ Natürlich nicht- sonst wäre er früh genug ausgewandert. Wieder das nervige An-der-Schulter-Rütteln. „…Nein…“, gab er leise aber grantig von sich. „Ach, das ist doch Mist.“, brachte sie die Situation auf den Punkt- wobei er nicht „Mist“ gewählt hätte. Er richtete mich auf. „Und was jetzt?“, fragte er die Tischplatte. „Na, nix. Mach weiter, ignorier ihn. In ein paar Wochen is Abi, bis dahin musste durchhalten und dann haste deine Ruhe. Dann biste eh weg.“, antwortete die Tischplatte. Er seufzte. „Ich hab keine Lust, auf ihn zu treffen.“ Er wusste durchaus, dass er sich wie ein Kleinkind verhielt. Zum Glück rieb ihm das die Tischplatte nicht unter die Nase. „Brauchst du nicht. Geh ihm einfach aus dem Weg.“ Kluge Tischplatte. „Jetzt hör auf zu schmollen, der Unterricht fängt an.“ Blöde Tischplatte, auch wenn sie recht hat. Den weiteren Tag brachte er recht Ereignislos hinter sich. Ja, er entspannte sich sogar ein wenig. Aber, wie sagt man so schön? Es war noch nicht aller Tage Abend. Er war gerade auf dem Weg zu seinem Spind, als Sophie ihn von hinten einholte. Sie gingen zusammen zur Probe. An seinem Spind angekommen, sortierte er, was er brauchte ein und was nicht aus. Er war in Gedanken bei den Hausaufgaben, als hinter ihm ein leises „Oh-oh.“ Erklang. Sofort stellten sich seine Nackenhaare auf. Jup, genau wie in Filmen ist es immer ganz schlecht, wenn jemand in deinem Umfeld aus einem (noch) nicht ersichtlichen Grund diesen Laut von sich gibt. Langsam verschloss er seinen Spind. Ebenso langsam drehte er sich zu Sophie, die von ihm zu einem Punkt hinter ihm hin und her schaute und sich dabei auf die Unterlippe biss. Sie sah besorgt aus- nicht gut. Leicht holte er Luft und schaute über die Schulter. Vom anderen Ende des Flures kam uns Ben entgegen. Noch hatte er sie nicht bemerkt, denn er unterhielt sich mit einem Mädchen, das ihm an den Lippen hing wie Superkleber. Noah erkannte Eifersucht, als er sich angeekelt fühlte. Er drehte sich wieder weg, schloss die Augen und schluckte. „Lass uns weg hier.“, brachte er leise und heiser heraus, seine Kehle war mit Mal merkwürdig trocken. Sophie nickte mitfühlend und sie setzen sich in Bewegung. Als wie Ihn passierten, schaute Ben auf und ihn an, doch Noah ignorierte ihn und ging an ihm vorbei. So sah er nicht, wie Ben sich nach ihm umdrehte, während das Mädchen neben ihm weiter auf ihn ein quasselte. Die Probe war der reinste Reinfall, total frustrierend. Er bekam nichts hin. Schließlich beschlossen die anderen eine Pause. Noah saß auf der Treppe im Hinterhof des Proberaums und rauchte, als sich Mell neben ihn fallen ließ. Eine Weile sagte sie nichts. Dann „Sophie hat erzählt, was in der Schule los war.“, meinte sie leise. Anders, als Mell, wusste Sophie nicht viel von Ben und ihm. Sie wusste, dass Ben sein Ex war und dass es unschön auseinander gegangen war. Nur Mell war bei ihm gewesen, als er endgültig zusammen gebrochen war. Fast ein halbes Jahr später. „Schaffst du das?“, fragte sie mitfühlend. Ich schnaubte und grinste freudlos. „Hab ich ne Wahl?“, fragte ich leise und sarkastisch. „Er hat echt n geiles Timing.“, murrte ich. „Kurz vorm Abi.“, meinte sie. „Kurz, bevor ich weg bin. Ein paar Monate später, und ich wäre weg gewesen. Aber nein. Warum sollte es denn so einfach sein.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Du schaffst das. Du bist stärker.“, meinte sie optimistisch. Er schnaubte. „Klar.“ Mell kicherte leise und sprang auf die Füße. „Komm, die andern wollen weiter machen. Und streng dich gefälligst n bisschen an!“, neckte sie ihn, während sie ihn an den Händen auf die Beine zog. Leicht grinsend ließ er sich ziehen und folgte ihr zurück in den Probenraum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)