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Pirates

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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- Treffen -

Der Wind fegte über das Deck der Siren’s Call und peitschte Isabela den Regen ununterbrochen in das Gesicht. Sie hatte Mühe überhaupt ihre Augen offen zu halten, ihre Finger nicht von dem glitschigen Holz des Steuers abrutschen zu lassen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen Sturm von dieser Stärke so schnell aufziehen sehen. In ganz Thedas nicht. Dunkle Wolken hatten sich soweit das Auge reichte am Himmel gesammelt. Sie hatten den Tag zur Nacht werden lassen.

„Holt verdammt noch mal die Segel ein!“, brüllte Isabela, ihre Stimme beinahe vollkommen von dem heulenden Wind verschluckt, der an ihrer Kleidung und ihren schwarzen Haaren zerrte. Über ihr ertönte das Geräusch von reißendem Stoff, während einige Männer nach den Seilen griffen, damit die anderen Segel nicht von demselben Schicksal ereilt wurden.

Ihr erster Offizier kam über die Planken gerannt, kam mehr als einmal ins Straucheln, als seine Stiefel wegrutschten. „Captain!“, rief er und hielt sich an dem Mast neben Isabela fest, als er versuchte zu Atem zu kommen.

„Was ist? Spuck’s schon aus, Mitch!“, fuhr Isabela ihn ein, die sich mit dem gesamten Gewicht gegen das Steuer lehnte, damit es ihr nicht endgültig aus den Händen gerissen wurde. Dabei genügte ein Blick in die Augen ihres Offiziers, um zu wissen, dass er schlechte Nachrichten mit sich brachte. Die Angst stand ihm in dem bärtigen Gesicht geschrieben und entstellte es noch mehr als die Narbe auf seiner linken Wange es tat.

„E-Ein riesiger Strudel, Captain...“, brachte er schließlich atemlos hervor. Isabela las es von seinen Lippen ab, da die Worte sie bei dem Sturm nicht erreichten. „Direkt vor uns... zu groß... nicht auszuweichen...“

Die Augenbrauen der Dunkelhäutigen verengten sich. „Was? Und damit rückst du erst jetzt raus?“ Angestrengt blickte sie geradeaus, obwohl der fallende Regen zu dicht war, die See zu aufgewühlt, um überhaupt etwas zu erkennen.

Im nächsten Moment türmte sich eine Welle links von ihnen auf – unnatürlich hoch, so viel höher als die Siren’s Call es war. Männer schrieen, griffen nach etwas zum Festhalten, als das Ungetüm über sie hereinbrach, um sie zu verschlingen. Das Wasser traf Isabela mit voller Wucht, einem gut gezielten Faustschlag nicht unähnlich und doch tausend Mal so stark. Fortgerissen stieß sie sich den Kopf an der Reling, bevor sie gänzlich über Bord und in den tobenden Ozean gespült wurde. Eisiges Wasser umschloss sie und tosende Wellen begruben Isabela unter sich, als ihr schwarz vor Augen wurde.
 


 


 

„Geht man etwa so mit einer Lady um?“ Diese Frage enthielt Belustigung ebenso wie Provokation und war das erste, was Killian Jones an die Ohren drang, als er die Türen zu der Taverne aufstieß.

Um das Sternentaler rankten sich so einige Geschichten und Legenden, die in der gesamten Ortschaft verbreitet waren und es zu dem berühmtesten Schankraum der Gegend machten. Allerdings war es fraglich, was ein Mädchen, welches durch seine guten Taten wie durch ein Wunder reichlich belohnt worden war, mit einer Taverne wollte. Nein, wenn Killian sich diesen Schuppen ansah, sah er keinen Profit, sondern die üblichen nichtsnutzigen Männer, die ihre traurigen Schicksale in einem Glas Rum oder etwas anderem zu ertränken versuchten.

Umso auffälliger war die Frau, die von einigen Männern umringt an der Bar stand. Ihre Haut war dunkel und ihre Augen tiefgeschminkt, während ihr schwarzes Haar von einem dunkelblauen Tuch zurückgehalten wurde. Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf den splitternden Tresen ab, hinter dem die Wirtin mit ängstlichen Augen kauerte, und präsentierte den Männern einen ausgiebigen Blick auf ihre üppige Oberweite, die durch das weiße Korsett gut hervorgehoben wurde. Auch Killians dunkle Augen wanderten kurzzeitig dorthin, ehe sie wieder zu ihrem markanten Gesicht zuckten. Diese Frau hatte Feuer. Das konnte er deutlich in dem kecken Lächeln, sowie dem Funkeln in ihren Augen ablesen.

„Niemand bescheißt uns und kommt damit durch“, brummte einer der umstehenden Männer mit fettig herunterhängendem Haar. In der Hand hielt er ein Messer, dessen Spitze auf die Kehle der Frau zeigte.

Jene lachte kehlig auf, ohne den Blick von ihrem Gegenüber zu nehmen. „Ich hab' gewonnen, offen und ehrlich. Was kann ich bitteschön dafür, dass ihr schlechte Verlierer seid?“

Ihre Aussage schien der Tropfen zu sein, der das Fass zum Überlaufen brachte, da auch seine Kumpanen nun ihre Waffen hervorzogen. Sie blitzten in dem Sonnenlicht, das durch die dreckigen Scheiben ins Innere der Taverne fiel.

„Captain?“

Doch Killian würgte den kleinen Mann neben sich mit einer unwirschen Bewegung seiner beringten Hand ab. „Nicht jetzt, Smee.“ Seine eigenen Männer hatten sich unlängst an einigen der freien Tische niedergelassen, während Killian nun mit langsameren Schritten folgte, Smee im Schlepptau.

„Ihr solltet eure süßen Waffen wegpacken, bevor ihr euch noch wehtut“, hörte er die Dunkelhäutige sagen, als er sich auf einem der Stühle niederließ. Von seinem Platz hatte er einen guten Blick auf das Geschehen, obgleich es glatt ein wenig ärgerlich war, dass die Bedienung ausblieb.

Just in diesem Moment stürzte sich der Anführer der kleinen Gruppe auf die im Vergleich schmächtige Frau. Elegant wie ein Panther stieß diese sich von dem Tresen ab und wich zur Seite aus, um den zweiten Hieb des Messers mit ihrem Dolch aus der Hocke heraus zu blocken. Diesen hatte sie mit seinem Zwilling in einer Halterung auf dem Rücken getragen, von ihrem dicken Haar bedeckt. Bevor der Mann ihr gegenüber reagieren konnte, wandte sie sich und kickte ihm die Beine weg. In derselben Bewegung richtete sie sich auf – und nun war es ihre Klinge, die auf einen Hals zeigte, während ihre freie Hand in der Nähe ihres zweiten Dolches lauerte, um den Kampf gegebenenfalls ein für alle Mal zu beenden. „Überlegt euch, ob euch ein verlorenes Kartenspiel tatsächlich so viel wert ist. Meine beiden Freunde hier, Heartbreaker und Backstabber“, begann sie und nickte in die Richtung ihrer Waffe, das Gesicht inzwischen ernst und wachsam, „brennen immer auf einen Kampf, aber eine wirkliche Herausforderung sehe ich nicht.“

„Die Kleine hat ganz schön Mumm“, entrann es einem der Männer neben Killian und er lachte rau auf. Killian musste ihm zustimmen. Wenn man die anhaltende Stille, die von den zahlreichen Gästen des Sternentalers ausging, richtig interpretierte, hielten so einige den Atem in Spannung an.

Schließlich ließ der Kerl mit den fettigen Haaren sein Messer sinken und kämpfte sich ächzend und unter dem Blick seiner Gegnerin auf die Beine. „Fein“, presste er widerwillig hervor und verzog das Gesicht zu einer Grimasse, so dass sich tiefe Furchen in seine Mundwinkel gruben. „Aber nächstes Mal—“

Die Eingangstür wurde aufgestoßen, mit so viel Schwung, dass sie gegen die Wand dahinter krachte und die Stille mit einem Mal zerbrach. Zwei Männer in feinpolierter Rüstung kamen mit grimmigen Blicken ins Innere marschiert und brachten Killian dazu interessiert eine Augenbraue zu heben. Ein derartiges Spektakel hatte er nicht erwartet, als er seinen Männern befohlen hatte, im Hafen den Anker auszuwerfen. Sie hatten eigentlich nur ihre Vorräte auffüllen und etwas trinken wollen. Scheinbar meinte es das Schicksal heute gut mit ihnen, denn einer der Gäste musste sich ins Freie geschlichen haben, um die königlichen Wachen zu alarmieren.

Die Ritter würdigten den Anwesenden keines Blickes, schienen sich ihrer Sache vollkommen sicher, als sie auf die schwarze Kämpferin und ihre Gegner zutraten und sich vor ihnen aufbauten. „Im Namen der Bösen Königin, wer ist für die Ruhestörung hier verantwortlich?“, forderte einer von ihnen zu wissen. Er trug einen dichten Vollbart, der seine Lippen vor fremden Augen versteckte. Seine Hand lag auf dem Griff seines Schwertes und sein Blick wechselte zwischen den Männern und der Frau hin und her.

„Dieses Weib hat beim Kartenspielen geschummelt, um sich unser Vermögen unter den Nagel zu reißen“, sagte einer der umstehenden Männer.

Andere nickten, begannen untereinander zu murmeln, bis ein zweiter fortfuhr: „Und nun, wo sie aufgeflogen ist, will sie es nicht herausrücken.“ Bei diesem Stichwort schob ihr Anführer die Hand mit seinem Messer hinter seinen Rücken, so dass die Dunkelhäutige die einzige Angriffslustige zu sein schien.

Diese bemerkte davon nichts, ließ lediglich ihre Waffe sinken und tätschelte mit einem belustigten Lächeln auf den Lippen den Lederbeutel an ihrem Gürtel. „Wirklich? Das bisschen Kleingeld nennt ihr Süßen ein Vermögen?“ Sie begann zu lachen, was ihr jedoch im Halse stecken blieb, als die Wachen auf sie zutraten und ihre Arme packten, nachdem sie ihr unwirsch ihre Dolche entrissen hatten.

„Hey, was soll das?“, entfuhr es ihr stattdessen, als man sie in die Richtung des Ausgangs zu zerren begann. „Ich hab' nichts getan! Was kann ich dafür, dass diese Kerle schlechte Verlierer sind, huh?“ Doch jene schenkten einander lediglich siegreiche Grinsen, die verfaulte Zähne und Lücken preisgaben.

Als die Wachen mit der Frau Killians Tisch passierten, schob dieser schabend den Stuhl zurück und erhob sich. „Geht man so wirklich mit einer Frau um, die ihre Unschuld beteuert?“, warf er mit einem Schmunzeln ein, als er sich den Wachen in den Weg stellte. Ebenso wie diese Schwerter an ihren Hüften trugen, hatte auch Killian eines, welches er zu benutzen wusste. Allerdings war es der Haken, der an dem Platz saß, an dem sich eigentlich seine rechte Hand befinden sollte, den er hob und mit dem er auf die Dunkelhäutige deutete. „Ich meine, niemand ist so einfältig, sich mit einer Horde Männer für einen so kleinen Gewinn anzulegen. Oder sehe ich das falsch, Liebes?“

Die Angesprochene zog die Augenbrauen zusammen, als sie ihn abschätzend musterte, zögerte jedoch nicht lange. „Das ist genau meine Rede. Ich lebe für Profit, aber das hier? Pah!“, entrann es ihr und sie zuckte umständlich mit den Schultern, da die Wachen noch immer ihre Arme festhielten.

Scheinbar bedurfte es nicht viel mehr Überredungskunst, denn Killian konnte bereits die Unsicherheit in den Augen seiner Gegenüber ablesen. Sie mochten gut im Umgang mit dem Schwert sein, aber von dem einfachen Fußvolk, wie man sie so schön nannte, hatten sie nicht viel Ahnung.

„Und was meint ihr Jungs dazu?“, lenkte Killian deshalb ab, bevor einer von ihnen den Mund öffnen konnte. Sein Blick ging über seine Schulter und er musterte seine Männer, die sich allesamt von den knarrenden Stühlen erhoben und den Wachen einen guten Blick auf ihre Äxte und Säbel gewährten. Das amüsierte Grinsen auf Killians Zügen wuchs an, und noch etwas mehr, als die Wachen ihre Finger nach einigen Sekunden von der Frau nahmen und sich auf den Weg zur Tür machten.

„Meine Waffen bitte!“, forderte die Frau, woraufhin sie die beiden Dolche übergaben, bevor sie sich gänzlich aus dem Staub machten.

Doch Killians Blick wanderte erwartungsvoll zu den eigentlichen Unruhestiftern, die noch immer am Tresen herumlungerten und nun nicht mehr ganz so glücklich aussahen. Die letzte Heiterkeit fiel gänzlich von ihnen ab, als sie sich mit der Aufmerksamkeit von Killians gesamter Mannschaft konfrontiert sahen. Seine Männer mochten zwar faul sein, doch in solchen Situationen war auf sie Verlass. „Ich denke, ihr solltest jetzt auch besser gehen“, warf Killian lauter ein. Es bedurfte länger, doch letztendlich schoben auch diese Männer sich an ihnen vorbei und verschwanden. Mit ihrer Abwesenheit kehrte erneut Leben in die kleine Taverne ein. Stimmengewirr lag urplötzlich wieder in der Luft, begann aus allen Ecken zu dringen, während die Bedienung sich um die Bestellungen seiner Männer zu kümmern begann.

„Darf ich meinen Helden auf einen Drink einladen?“, holte die Stimme der Frau ihn aus seinen Gedanken. Ob ihr Ton nun von Dankbarkeit oder Sarkasmus oder gar Flirterei sprach, vermochte er jedoch nicht zu sagen, als er ihr zurück zum Tresen folgte. Sie verstaute ihre Dolche in den Halterungen auf ihrem Rücken und gemeinsam ließen sie sich auf zwei der ungepolsterten Barhocker nieder.

Dabei wanderten Killians beringte Finger spielerisch über das Holz des Tresens. „Helden? Ich handle lieber nach dem Motto ‚Eine Hand wäscht die andere’, Liebes.“

Sein Gegenüber bettete das Kinn auf ihrer Handfläche, als sie sich ihm zuwandte und ihn interessiert musterte. „Ist das so?“

Killian nickte. „Und ich bin sicher, dass du dir etwas einfallen lassen wirst, um es wieder gutzumachen.“ Ein schiefes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er seine dunklen Augen über die Frau vor sich wandern ließ.

Diese lachte auf, worauf sich einige Köpfe in ihre Richtung reckten. „Tut mir leid... Hook“, entrann es ihr mit einem Blick auf den Haken, der seine rechte Hand ersetzte. „Aber die Zeit, wo ich meine Schuld auf diese Weise beglichen habe, liegt schon ein Weilchen zurück. Da kommst du leider zu spät.“ Mit dem schelmischen Ausdruck, der ihre Lippen umspielte, vermochte Killian nicht einmal zu sagen, ob es ein Witz war oder nicht doch die Wahrheit. Stellte es überhaupt einen Unterschied dar? Er erlaubte sich ein Schmunzeln, während die Dunkelhäutige der Bedienung zwei Getränke signalisierte. Die Schlichtheit ihrer Geste verriet, dass sie sich hier auskannte und diesen Schuppen bereits öfter besucht hatte. Ihre knappe Kleidung, die mit zwei langen, schwarzen Stiefeln abschloss, war gewagt und sagte ihm gleichzeitig jedoch, dass sie nicht aus dieser Gegend stammte. Ebenso wie die verschnörkelten und ausländischen Muster auf ihren Dolchen sie verrieten.

„Ich dachte eher daran, dass ich jemanden mit deinem Können auf meinem Schiff gebrauchen könnte“, entrann es Killian mit einem Zucken seiner Schultern und seine Hand glättete den schwarzen Mantel, den er trug.

„Ach“, platzte es derweil aus der Dunkelhäutigen heraus. „Das Piratenschiff im Hafen gehört dir? Ich habe es beim Anlegen gesehen. Das ist eine wirklich niedliche Nussschale, die du da hast. Um ehrlich zu sein, bevorzuge ich aber größere Boote.“ Sie zwinkerte ihm vielsagend zu, brach den Blickkontakt aber erst, als die junge Frau hinter dem Tresen ihnen zwei Krüge Rum vor die Nase stellte.

Im Gegensatz zu ihr rührte Killian sein Getränk jedoch noch nicht an. „Du hast Ahnung von Schiffen?“

„Bis vor kurzem habe ich selbst noch eines kommandiert, Darling.“ Ihr Blick galt der braunen Flüssigkeit in ihrem Krug, verträumt und weit, weit weg. „Die Siren’s Call, eine echte Schönheit – jetzt wahrscheinlich auf dem Abgrund des Meeres.“ Das Gesicht verziehend nahm sie einen großen Schluck. „Verdammter Strudel.“

Nun konnte sich Killian ein Schnauben nicht verkneifen, als er seinen eigenen Krug näher heranzog und daran nippte. „Ein atemberaubender Captain musst du gewesen sein, dein Schiff direkt in einen Strudel zu lenken. Vielleicht habe ich mein Angebot verfrüht ausgesprochen?“

Die Frau neben ihm warf ihm einen langen Blick zu. „Witzig. Versuch du erst einmal einen Strudel zu entgehen, der von einer Sekunde auf die andere auftaucht. Und das mitten in einem Sturm.“ Sie stellte ihren Krug mit einem dumpfen Geräusch und zu viel Schwung zurück auf den Tresen, worauf der Rum über den Rand schwappte. Die nassen Finger wischte sie sich an der dunkelblauen Schärpe ab, welche sie um die Hüften gebunden hatte.

Doch Killians Gedanken drehten sich um den genannten Strudel. Er war aus dem Nichts aufgetaucht? Ein Portal... Es konnte gar nichts anderes gewesen sein. Nein, er hatte schon oft genug welche benutzt, um zwischen den Welten zu reisen, auch wenn es eher nach einem Zufall klang, dass sie hineingestolpert war. „Du stammst nicht aus diesem Land.“

Die Schwarze schenkte ihm einen kurzen Seitenblick. „Schätzchen, du scheinst wirklich ein ganz schlaues Bürschchen zu sein“, sagte sie mit einem Lächeln auf den vollen Lippen.

Kurz sahen sie einander nur an, bis Killian den Kopf schief legte. „Schlaf eine Nacht drüber“, entrann es ihm schließlich. „Wir werden morgen früh ablegen. Ich meine, was ist schon ein Captain ohne Schiff?“

Doch die Frau neben ihm antwortete nicht, sondern leerte in einem Zug ihren Krug, bevor sie sich erhob. „Möchtest du mir deinen Platz als Captain abtreten?“ Sie überbrückte den Abstand zwischen ihnen und kam Killian so nah, als würde sie ihn hier und jetzt küssen wollen. Anstatt es jedoch zu tun, brach sie in Gelächter aus, als sie seine Augenbraue bemerkte, die seine Stirn emporkletterte. „Siehst du, Hook?“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und schlenderte mit schwingenden Hüften zur Tür.

Killian sah ihr nach. „Warte. Sag’ mir wenigstens deinen Namen – von Captain zu Captain.“

„Meine Freunde nennen mich Isabela“, erwiderte sie, als sie die Tür aufhielt, kurzzeitig jedoch stehen blieb. „Für dich ist es aber Königin der östlichen See.“

Die Tür fiel hinter ihr zu und sperrte das grelle Tageslicht aus, woraufhin sich Killian umdrehte und belustigt einen großzügigen Schluck von seinem Rum nahm. Er hatte sich nicht getäuscht, diese Frau hatte Feuer.

- Kompass -

Eine kühle Brise wehte Killian entgegen, als er die Tür aufstieß. Die Nacht war frisch, während der Mond über ihm langsam von sich auftürmenden Sturmwolken verdeckt wurde. Dennoch ließ Killian die Tür hinter sich zufallen und sperrte somit das Stimmengewirr aus der Taverne aus, bevor er langsam einen Fuß vor den anderen setzte. Es war reiner Instinkt, der ihn die Richtung zum Hafen einschlagen ließ. Erst nach und nach konnten der Wind, der immerzu an seinem schwarzen Haar und seinem gleichfarbigen Mantel zog, und die Stille hier draußen seinen Kopf klären, auch wenn der Rum auch weiterhin in seinem Blut verweilte.

Torkelnd schlenderte er zwischen den Häusern entlang, deren Bewohner sich allesamt bereits schlafen gelegt hatten, urteilte man nach den fehlenden Lichtern in den Fenstern. Allerdings war es auch nur ein winziges Dorf, eines von vielen, welche in den dichten Bäumen des Märchenwalds verborgen lagen. Es war durch einen Flussarm mit dem Schiff erreichbar gewesen und stellte nur einen weiteren kleinen Zwischenstopp dar. Lange hielt es ihn und seine Männer an keinem Ort – noch weniger, an einem Ort wie diesem, an dem zur nachtschlafender Zeit nichts los war und es nicht einmal Banditen gab, die auf die lächerliche Idee kamen, sie überfallen zu wollen. Gelungen wäre es ihnen allerdings nicht, denn alle aus seiner Mannschaft waren gut genug mit dem Schwert bewandert. Das galt zumindest für alle außer Smee, dem ohnehin die nötige Portion Courage fehlte, um jemandem im Kampf gegenüberzutreten.

Doch auch diesmal war es nicht anders, nicht abenteuerlicher als an den vergangenen Abenden. Nur ein einziger alter Mann kreuzte seinen Weg, betrunkener als Killian es war, stolperte er über seine eigenen Füße. Eine von Killians Augenbrauen zuckte in die Höhe, als der Alte rumpelnd mit dem Boden Bekanntschaft machte und regungslos am Rande des Trampelpfads liegen blieb.

Allerdings war es nicht der Mann, der ihn in seinem Schritt innehalten ließ und die Irritation auf seinem Gesicht mit einer gewissen Neugierde überschattete. Nein, es war das Blatt, das mit einem schrägen Nagel über ihn an die Hauswand genagelt worden war. Einen Steckbrief würde Killian Jones auch in der finstersten Nacht und ohne sein eigenes Augelicht wittern, dessen war er sich sicher.

Über den bewusstlosen Mann hinwegsteigend riss er das Flugblatt geräuschvoll ab und zog es näher, um es in dem letzten Mondlicht anzuschauen. Details konnte er keine erkennen, doch die vagen Konturen ließen auf eine Frau mit einer üppigen Oberweite schließen. Auch ihre Hautfarbe hob sich deutlich von dem knittrigen Papier ab.

„Isabela...“ Selbst unter dem fahlen Licht des Mondes erkannte er ihre Gestalt, doch Killian hatte auch schon immer ein Auge für solche Dinge besessen. Es sah so aus, als zog sie nicht mehr nur irgendwelchen Männern beim Kartenspielen das Geld aus den Taschen. Sie war zu größeren Delikten aufgestiegen, denn für Kartentricks fand man sein Gesicht nicht auf Steckbriefen wieder.

Erste Regentropfen begannen zu fallen und Killian stopfte den Steckbrief raschelnd in seine Manteltasche. Der trunkene Mann zu seinen Füßen gab derweil ein Brummen von sich. Killian ignorierte ihn jedoch und setzte seinen Weg zum Schiff fort, etwas schneller als zuvor.

Schon nach kürzester Zeit war das seichte Plätschern des Regens das einzige Geräusch um ihn herum und das Wasser durchnässte langsam Killians Kleidung. Die wenigen Häuser des Dorfes schwanden und auch die Bäume taten sich kurz darauf auf, um einen schmalen Steg freizugeben.

Die Größe seines Schiffes übertrumpfte all die angebundenen Fischerboote um Längen, prachtvoll selbst in der vorherrschenden Dunkelheit – und keine kleine Nussschale, wie Isabela es genannt hatte.

„Das ist ein nettes Schiff, das du da hast“, ertönte eine Stimme hinter ihm. Killians Blick ging über seine Schulter und als wäre dies das Stichwort gewesen, öffnete sich ein Spalt in den pechschwarzen Wolken, die sich noch immer über ihn ergossen, und gaben die hinter ihm aufgetauchte Frau preis.

Ebenso wie er selbst, war auch sie gänzlich in schwarz gekleidet. Ihr dunkles Haar lag unter einem Hut versteckt, der sie vor dem Regen geschützt hätte, wenn dieser sie denn getroffen hätte.

Mit erhobener Augenbraue drehte sich Killian zu ihr herum, doch es war keine Einbildung gewesen. Der Regen fiel um sie herum, berührte sie jedoch nicht. Es war Magie - und die Frau ihm gegenüber war ihm ohnehin nicht fremd. Er hatte auf seinen Reisen schon genug Beschreibungen und Erzählungen von der Bösen Königin gehört, als dass er sie nicht erkennen würde, wenn sie ihm Angesicht zu Angesicht gegenüber stand.

„Was willst du?“

Auf seine harschen Worte, denen der nötige Respekt fehlte, verzogen sich ihre blutroten Lippen zu einem wissenden Lächeln, welches ihm die Nackenhaare aufzustellen drohte. „Wieso gleich so feindselig? Ich bin nur zum Reden gekommen, Killian Jones.“ Das Mondlicht erlaubte es Killian zu beobachten, wie ihre Augen zu dem silbernen Haken an seiner Hand herunterwanderten. Es war eine Geste, die er schon unzählige Male beobachten durfte. Eine, die ihn erraten ließ, was sie sagen würde, bevor die Worte ihren Mund verließen. „Oder soll ich lieber Hook sagen?“

„Was immer du vorziehst, Regina.“ Seine Stimme war unterlegt mit Provokation, die Regina jedoch abermals nur belächelte. Beinahe so, als würde sie sich mit einem Kind unterhalten, was einen bitteren Geschmack auf Killians Zunge hinterließ.

Seine Hand legte sich auf den Griff seines Schwertes, obwohl ihm durchaus bewusst war, dass sie ihre Magie anwenden konnte, ehe er es überhaupt aus der Scheide gezogen hatte. Magie war eben doch nur etwas für Leute, die einen ehrlichen Kampf scheuten, weil sie genau wussten, dass sie ihn verlieren würden.

Rumpelstilskin war genauso gewesen. Ein Feigling, bis er sich die Kraft angeeignet hatte, um jemanden – Milah – das Herz aus der Brust zu reißen und mit der bloßen Hand zu zerquetschen.

Killians Finger festigten sich um seinen Schwertgriff und seine Lippen pressten sich zu einer feinen Linie zusammen, als er die vor ihm stehende Frau anstarrte. Der Regen hatte inzwischen zugenommen und glich einem stetigen Trommeln, während die Tropfen nur so von Killians Kinn tropften. „Dann rede. Ich unterhalte mich zwar in der Regel gern mit hübschen Frauen, aber es gibt Wichtigeres zu tun.“ Denn jedes Mal, wenn seine Gedanken in die Richtung von Rumpelstilskin wanderten, hatte er das Bedürfnis sofort Segel zu setzen und endlich dieses Krokodil zu erlegen.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass du auf dem Rachefeldzug gegen Rumpelstilskin bist“, sagte Regina, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Vielleicht hatte sie das auch, mit Magie schien nichts vollkommen unmöglich zu sein. „Und wie sagt man so schön? Der Feind eines Feindes ist ein Freund.“ Ohne ihn aus den Augen zu lassen, trat sie näher an ihn heran, kleiner als Killian, aber mit einer Aura, die einem das Gegenteil weismachen konnte. Nicht eine Sekunde wich der wissende, viel eher überlegende Ausdruck von ihrem Gesicht, als sie langsam um ihn herumging und ihn von allen Seiten begutachtete.

Unter anderen Umständen hätte es ihm sogar gefallen, doch Killian konnte dieser Begegnung nichts abgewinnen. Er war nicht naiv genug, um zu glauben, dass sie etwas verbinden könnte und sei es nur der Hass auf Rumpelstilskin.

„Was?“, entwich es Regina, als Killian schwieg. Sie kam direkt vor ihm zum Stehen und ihre Augen bohrten sich in ihn hinein, als wollte sie ihn mit Haut und Haaren verschlingen. „Möchtest du dir nicht einmal meinen Vorschlag anhören?“ Ein Lachen drang aus ihrer Kehle, welches selbst den Regen für einen Moment übertönte.

Doch Killian blieb stehen anstatt dem Instinkt nachzugeben, einen Schritt nach hinten zu setzen, um Abstand zwischen sie zu bringen. „Ich bin sicher, du wirst ihn mir ohnehin unterbreiten. Ob ich ihn nun hören möchte oder nicht.“

„Ein Pirat wird wohl die Legenden kennen, die sich um das Nest der Meermenschen ranken“, begann Regina unbekümmert, im Gegensatz zu Killian noch immer trocken und abgeschirmt von dem fallenden Niederschlag. „Daher wirst du sicherlich auch von Tritons Dreizack gehört haben. Bringe ihn mir und ich werde dir verraten, wie du Rumpelstilskin ein für alle Mal erledigen kannst.“

Killians Augenbrauen wanderten seiner Stirn hinauf. „Legenden, ja. Aber das ist alles, was sie sind. Niemand hat jemals einen Meermenschen gesehen, geschweige denn ihr Nest gefunden.“ Nur Jungspunde, die gerade erst zur See hinausfuhren und nach dem ersten Abenteuer Ausschau hielten, glaubten an so etwas wie Meermenschen. Es war vieles möglich, aber Killian bezweifelte, dass es diese sagenumwobene Bevölkerung gab, die unter dem Wasser leben und sich morgens auf Felsen in der Sonne aalen sollte.

Scheinbar traf dasselbe nicht auf die böse Königin zu, deren Mundwinkel sich in Belustigung noch ein Stück weiter hoben. „In jeder Geschichte steckt auch ein Körnchen Wahrheit.“ Ihre behandschuhte Hand schob sich in ihren Umhang, während sich Killians Finger instinktiv wieder fester um sein Schwert schlossen und er spannte die Schultern an. Er hatte nicht einmal bemerkt, dass er seine Vorsicht für einen Augenblick abgelegt hatte.

Aber auch Regina schien seine veränderte Haltung zu bemerken, denn sie ließ ein Schnauben verlauten. „Wenn ich dich töten wollte, wärst du bereits tot, Hook.“ Anschließend holte sie einen Kompass hervor, den sie Killian zeigte.

Die Nadel im Inneren rotierte immerzu gegen den Uhrzeigersinn, ohne seine Geschwindigkeit zu verringern oder die Richtung zu ändern.

„Ein kaputter Kompass...“, kommentierte Killian und sah zwischen diesem und Regina hin und her. „Wenn du mich nicht töten möchtest, soll er mich wohl zu den Meermenschen bringen, damit ich ihnen deinen geliebten Dreizack stehlen kann. Was er auch sicherlich tun wird.“ Nun waren es seine Lippen, die sich zu einem amüsierten Schmunzeln verzogen, ebenso selbstgefällig wie Reginas es zuvor gewesen war.

„Er ist nicht so kaputt wie du es dir vielleicht vorstellen magst“, erwiderte Regina aber doch nur. Ihre freie Hand zog Killians Finger von seinem Schwertgriff, um den Kompass in seine Handfläche legen zu können.

Die Kompassnadel hielt urplötzlich in ihrer Bewegung inne, bevor sie sich langsam in die westliche Richtung drehte und zitternd dort verweilte. „Er zeigt durchaus Dinge an, nur nicht die Himmelsrichtungen.“

Killian legte die nasse Stirn in Falten. „Was zeigt er an?“

„Ich habe ihn mit einem Zauber belegt, damit er einen in die Richtung von dem weist, nach was man sich am meisten sehnt“, erklärte Regina und trat einen Schritt zurück.

Die Nadel zeigte auch weiterhin in die westliche Richtung, stur und unnachgiebig. Wenn Regina die Wahrheit erzählte, dann musste Killian nicht lange überlegen, um zu wissen, auf was sie in diesem Moment deutete: den Ort, an dem sich Rumpelstilskin zur gegebenen Zeit aufhielt.

„Und wie soll er mir helfen, das Nest der Meermenschen zu finden?“, erkundigte sich Killian daher und ließ die Hand mit dem Kompass sinken. Das Anstarren der Nadel ließ ihn die ungestüme Wut, die beständig unter seiner Oberfläche kochte, wie Magensäure hochkommen.

Aber Regina ließ sich von dieser Frage nicht aus der Ruhe bringen. Nein, ihre feinen Züge hatten den Ausdruck der Überlegenheit seit ihrem Auftauchen nicht eine Sekunde abgelegt. Sie wusste genau, was Killian sich am meisten wünschte. Immerhin war es der Grund, warum sie ihn überhaupt aufgesucht hatte. Mit seinem Hass auf Rumpelstilskin war er der perfekte Kandidat für ihre Aufgabe, selbst Killian konnte das erkennen.

„Nun ja...“, begann sie langsam, als würde sie sich ihre Worte sorgfältig auswählen, wollte ihn aber wahrscheinlich eher ein wenig zappeln lassen, „wie ich bereits gesagt habe, biete ich dir das Wissen um Rumpelstilskins einzige Schwäche gegen Tritons Dreizack an.“

Sich aus ihrer Starre lösend trat sie abermals mit langsamen Schritten um Killian herum, der den Blick wieder dem Kompass zugewandt hatte. Die Nadel änderte seine Richtung nicht, obwohl Killians Gedanken sich um den Dreizack drehten.

„Der Dreizack ist daher das, wonach du dich am meisten sehnen solltest“, wiederholte Regina hinter ihm, nur ein Flüstern in seinem Ohr, das Killian mehr frustrierte als alles andere. Ihre Worte waren ein warmer Hauch auf kalter Haut.

Als er jedoch herumfuhr, um sie anzuherrschen und ihr den Kompass zurückzugeben, starrte er nur den einsamen Steg an, der zu den Booten und seinem Schiff führte. Von Regina war keine Spur mehr zu sehen und Killian fand sich allein im Regen wieder.

Er stand dort nass bis auf die Knochen und mit einem verzauberten Kompass, den ein rationaler Teil von Killian einfach in die Nacht hinaus schleudern wollte. Aber er steckte ihn ein, als er sich schließlich aus seiner Starre löste und mit schweren Schritten den restlichen Weg zu seinem Schiff hinter sich brachte. Dabei war er sich durchaus bewusst, dass Regina es genau so vorausgeplant hatte.

- Ankunft -

Die Kompassnadel zeigte geradeaus und wich nicht einen Zentimeter von der Felsformation vor ihnen. Nebelschwaden hingen in der Luft, doch verflogen mehr und mehr, umso weiter sie sich ihr annährten. Sie war ein nackter, aus dem Wasser ragender Koloss aus Granitstein, zu steil um sie zu erklimmen, aber mit einem Höhleneingang, in dem sich die Schatten sammelten, nun da Ebbe herrschte. Wenn Killian sich nicht irrte, dann gab es ihnen noch ungefähr fünf Stunden, bis der Eingang wieder überflutet werden würde. Es war ein enges Zeitfenster, aber machbar.

„Werft den Anker aus und holt die Segel ein. Wie es scheint sind wir an unserem Ziel angekommen“, rief Killian über das Deck aus, als er den Kompass in die Manteltasche gleiten ließ.

Die Männer wandten sich von der Reling ab und machten sich an die Arbeit, doch ihre kritischen Blicke waren ihm nicht entgangen.

Die dunklen Augenbrauen trafen sich, als er jemand anderem das Steuer überließ und an ihrer statt an das Geländer trat.

„Sie sind immer noch da“, sagte Smee. Der kleine Mann tauchte an seiner Seite auf, sich die rote Strickmütze vom Kopf ziehend und sich damit den Schweiß von der Stirn wischend.

Killians Augen wanderten über die unzähligen Gestalten, nichts weiter als Schemen im Wasser, zu den gelegentlichen Rückenflossen, die durch die Wasseroberfläche stießen. „Das kann ich sehr wohl sehen, Mr. Smee.“ Seine Fingerspitzen fuhren dem Haken an seinem Handgelenk nach.

Sie waren umzingelt und das schon seit einer Weile. Die Haie waren aufgetaucht, als sie das Gewässer erreicht hatten und ihnen seitdem keine Sekunde mehr von der Seite gewichen. Viel eher bewegten sie sich mit dem Schiff wie stille Wächter. Doch Killian hatte den Eindruck, dass sie nicht für die Sicherheit der hier Anwesenden zuständig waren. Das bestätigte jedoch nur, dass an den Legenden der Meermenschen tatsächlich etwas dran war, dass der Kompass ihn nach all den Wochen tatsächlich zu dem richtigen Ort geführt hatte. Dass Tritions Dreizack irgendwo in der Nähe sein musste. Es hatte lange genug gedauert und Killian mehr als eine Nacht den Schlaf geraubt.

„Solange keiner von uns ins Wasser fällt, sollten sie uns keine Probleme machen“, entrann es Killian, denn das Umkehren war keine Option. „Lasst das Ruderboot herunter.“ Sein Blick richtete sich auf die Felsformation. Genauso wie vor einigen Minuten schon war die Gegend bis auf die Haie verlassen, als würde sonst kein Lebewesen hier existieren. Nicht einmal eine Möwe war am Himmel zu entdecken, obwohl niemand von ihnen wissen konnte, was sich tief unter ihnen alles tummelte.

Unnatürliche Stille begleitete Killian und die Handvoll Männer, die sich mit ihm im Boot befanden. Keiner sprach. Alle Augen galten den Haien, von denen sich ein paar abgesondert hatten und nun das kleine Boot umkreisten, während die Ruder - von Dorian geführt, einem Seebär mit Glatze und tätowierten Armen – in das Wasser eintauchten und sie stetig voran zu der Höhle trieben. Ihr Eingang glich dem Maul einer Monstrosität, das nur darauf wartete, unvorsichtige Abenteurer zu verschlingen.

Killian stand am Bug des Boots, einen Fuß auf den Rand gestemmt, während er die Laterne in die Höhe hielt, in der eine Flamme brannte, die zuckend die glitschigen Wände zu erleuchten begann. Der schmale Gang führte tief in die Felsen hinein.

Ein langgezogener, dumpfer Laut ließ Killian und seine Männer zusammenfahren, wie der Ruf eines Hornes, der in der erdrückenden Stille um sie herum und dem Inneren der Höhle echote.

„Was war das?“, flüsterte Smee.

„Meerjungfrauen...“, wisperte ein anderer. „Was sollte sonst in der Lage sein, so etwas von sich zu geben?“

Doch das Geräusch wiederholte sich nicht. Killians Blick ging hinab ins Wasser, die Haie waren verschwunden. Es war dieser Anblick, der Killian das Blut in den Adern zu Eis gefrieren ließ. „Sie wissen, dass wir hier sind.“ Anders konnte er es sich nicht erklären. Die Laterne hing an seinem Haken, während seine linke Hand seinen Schwertgriff packte.

Seine Männer imitierten seine Geste.

Als wäre dies das Stichwort gewesen, ertönten Schreie vom Schiff aus, das in der Ferne vor Anker lag. Jemand stand an der Reling und wedelte mit den Armen.

Abermals brach ein Gemurmel unter den Passagieren des Boots aus.

„Was macht er da?“

„Was will er uns sagen?“

Killian blickte starr zu seinem Schiff zurück. Den Bruchteil einer Sekunde später wurde erkenntlich, was seine zurückgelassenen Männer in Aufruhr versetzt hatte. Schlanke Tentakel stiegen wie tausend Arme aus dem Wasser empor, rankten sich um das Schiff, bis das Holz unter dem Druck ächzte und knackte als es zusammenbrach und auseinandergenommen wurde. Das Geräusch vermischte sich mit mehr Schreien und Rufen, während Killian und seine Männer nur zusehen konnten.

Der Hauptmast knickte ab, als sich der Arm des Seemonsters, das sich auch weiterhin in seinem Element versteckt hielt, um ihn wickelte und daran zu zerren begann. Genauso wie ein Anker in die Fluten sank, tat es auch sein Schiff, wurde von einem unsichtbaren Giganten nach unten gezogen. Männer sprangen von Bord, andere klammerten sich an die noch herausragenden Überreste, alle dem Untergang geweiht.

Killian schluckte hart. „Rudert“, befahl er, als er sich von dem Geschehnis abwandte. „Rudert, wenn euch etwas an eurem Leben liegt.“

Hastig wurde die Arbeit wieder aufgenommen und sie retteten sich in den Schutz der Höhle. Nur die Laterne an Killians Haken spendete ihnen Licht, als der schmale Fluss im Inneren eine Biege nahm. Ein modrigen Geruch erfüllte ihre Lungen, während auch die letzten Klagerufe von draußen ausgesperrt wurden.

Das Herz klopfte Killian bis zum Hals und seine Augen starrten angestrengt geradeaus in die noch immer vorherrschende Dunkelheit, die in jeder Ecke lauerte. Sie mussten nah sein, sehr nah. Killian vermochte es mit jeder Faser seines Körpers zu spüren.

Etwas stieß gegen den Boden des Boots, ließ es ruckeln, so dass Killian Mühe hatte seine Position zu halten.

„Was—“

Aber er schaffte es nicht den Satz zu beenden, denn da stieß erneut etwas gegen die Unterseite, dieses Mal von steuerbord.

„Es sind die Meerjungfrauen. Sie kommen um uns zu holen“, presste jemand hervor, die Panik in seiner Stimme hallte durch die Höhle. „Kennt ihr nicht die Legenden? Wie sie sich die Seefahrer holen? Sie ertränken?“

Killian hörte ihm nicht zu, sondern hielt die Laterne nah an die Wasseroberfläche, um irgendwas in ihren Tiefen erkennen zu können. Eine vage Form zog an ihnen vorbei, die Schwanzflosse glitt elegant von links nach rechts und trieb das Ungetüm voran, bevor der Kopf abermals gegen das Boot stieß.

„Haie. Sie sind zurückgekehrt.“

Ein zweiter und dritter schwamm um sie herum, mehr und mehr der geschmeidigen Körper und messerscharfen Mäuler brachten das Boot zum Wanken. Killians Hand löste sich nur widerwillig von seinem Schwert, doch er musste sich am Rand abstützen und in die Hocke gehen.

„Captain, vielleicht sollten wir—“

„Weiterrudern“, fuhr Killian Dorian harsch über den Mund. „Und zwar zügiger. Eine gute Idee.“ Doch das Ruckeln und die Stöße gewannen mit jeder verstreichenden Sekunde mehr an Intensität, bis ein heftiger Hieb zu ihrer Linken das Boot umkippen ließ. Sie wurden ins Wasser geschleudert, die Laterne erlosch, wurde weggespülte, als Killian untertauchte, ihn die Schwärze umfing und er sich keuchend wieder nach oben kämpfte.

Das Plätschern von rudernden Armen und hektische Stimmen und an Wasser verschlucktes Husten erfüllten die Höhle, als Killian zum Boot schwamm und die glatten Körper der Haie ihn streiften. Sie griffen nicht an, obwohl es ein Leichtes für sie sein würde, ihre ungebetenen Gäste zu zerfleischen.

In demselben Augenblick, als Killian diese Frage durch den Kopf ging und er sich mit den Armen an der Unterseite des Boots festhielt, erfüllten Worte die Höhle. Ihr Ursprung war undefinierbar, sie schienen von jeder Seite zu kommen, doch es war eindeutig die Stimme einer Frau. Wispernd brachte sie seine Männer zum Verstummen, als diese ebenfalls in der Finsternis das Boot zu finden versuchten und das Vorbeigleiten der Haie spüren mussten. Nur die Sprache blieb unverständlich, es war keine, die Killian je zuvor zu Ohren gekommen war und doch wiederholten sich ihre Worte, wieder und wieder und wieder.

Zeitgleich wurde die Strömung stärker, nahm immer mehr zu, bis das Boot mitsamt den Männern und Haien ruckartig aus der Höhle in die offene See gespült wurde, als wären sie ausgestoßen, verbannt, worden.

Die plötzliche Helligkeit war blendend und brannte noch mehr in den Augen als es das salzige Wasser vermochte. Mehr Schemen, Haie, sammelten sich wieder um sie – und Dorian schrie auf, während sich das Wasser um ihn herum blutrot verfärbte.

Etwas packte Killians Knöchel und zog ihn hinunter. Er versuchte sich umzudrehen, als er den Atem anhielt und sein Schwert aus der Scheide zog. Ein Tentakel hatte sich um seinen Stiefel geschlungen, sein Besitzer nur ein schwarzer Umriss weit, weit unter ihm.

Die Klinge schnellte auf den Arm des Seemonsters zu, doch ein zweiter wandte sich um seinen Arm, ein dritter erfasste seinen Haken, als könnte es Killians Gedanken lesen. Seine Lunge brannte und er zerrte an seinen Fesseln, bis er nicht anders konnte als den verbrauchten Sauerstoff auszustoßen, ihm dabei zuzusehen, wie er zur Oberfläche aufstieg. Es war das Letzte, was Killian sah, bevor er das Bewusstsein verlor und ihm sein Schwert aus den Fingern glitt.
 


 


 

Isabela ließ das Fernrohr sinken, als auch der letzte Mast des Piratenschiffs endgültig in den Wellen versank. Viel mehr gab es nicht zu sehen. Der Kampf war vorbei, bevor er überhaupt richtig angefangen hatte.

„Bei Andrastes Knien...“ Es kam wie von selbst über ihre vollen Lippen und sie lehnte sich mit der Hüfte gegen die Reling ihres eigenen Schiffs. „Das ist mal eine andere Art eines Haustieres. Ein bisschen schleimig vielleicht, aber wenigstens hat man immer Proviant dabei.“ Riesenkraken konnten sie aber nicht einschüchtern. Sie war in der Vergangenheit schon in Winkel ihres Landes vorgedrungen, in denen es so einige Biester gab, die einem am liebsten das Fleisch von den Knochen gerissen hätten. Sogar vielen Männern, die dasselbe mit ihrer Kleidung hatten tun wollen oder gar getan hatten. Doch es war viel eher der Gedanke an die Qunari und ihre Mutter, der aufkam. Und vielleicht der an Luis, ihrem unglücklich verschiedenen Ehemann, obwohl der ihr wenigstens ein paar hübsche Schmuckstücke während seiner Lebzeit hatte zukommen lassen. Das war das einzige, wozu er tatsächlich gut gewesen war. Diese, und vor allem für ihr ehemaliges Schiff, die Siren’s Call, die Isabela nach seinem eingefädelten Tod für sich beansprucht hatte.

Mit betrübter Miene wanderte der Blick der Dunkelhäutigen über ihren jetzigen Kahn, den sie einem reichen Händler in tiefster Nacht stibitzt hatte. Was wollte auch ein Händler mit einem halben Kriegsschiff, ging man nach den Kanonen an Bord. Zudem besaß jemand wie er wahrscheinlich genug Geld, um sich jederzeit ein neues kaufen zu können. Nachdem er etwas gespart hatte zumindest.

Und obwohl es nicht denselben sentimentalen Wert wie ihr voriges hatte, so wäre es schade, wenn das Schiff dasselbe Schicksal wie die kleine Nussschale von eben erleiden würde. Es segelte sich zu gut dafür.

„Okay, ihr Hübschen“, rief sie ihren Männern zu, die ebenfalls das Spektakel in der Ferne beobachtet hatten. Sie waren auf die Reling und auf die Mäste geklettert, um eine bessere Sicht zu haben, wandten ihre bleichen Gesichter nun aber Isabela zu. „Wir sind direkt in einen brodelnden Sturm hineingesegelt.“ Ein schiefes Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen. „Und dieser Tintenfisch hat eine Tracht Prügel verdient. Niemand stellt sich uns und unserer Beute in den Weg.“

Es genügte ein einziger Blick zu der Stelle, an der das Schiff untergegangen war, um den Schemen in dem klaren Wasser zu entdecken und wie es sich in die Richtung der Höhle bewegte. Dass in diese vor wenigen Minuten ein kleines Boot mit einem bekannten schwarzen Haarschopf hineingesegelt war, war kein Zufall, dessen war sich Isabela sicher. Noch lag der Vorteil jedoch auf ihrer Seite und wartete nur darauf, ausgenutzt zu werden.

„Aber das ist Selbstmord, Isabela“, rief Pedro, ein schmächtiger Kerl, den sie ohnehin nur an Bord gelassen hatte, weil man kein Pirat ohne eine Crew sein konnte. Es hatte eine halbe Ewigkeit gebraucht, bis sie ein paar Männer gefunden hatte, die bereit gewesen waren, mit ihr als Captain die See unsicher zu machen.

„Entweder du folgst mir oder wir weihen die Laufplanke ein. Ich bin sicher, die Haie freuen sich über ein kleines Appetithäppchen“, erwiderte die Dunkelhäutige und machte eine wegwerfende Bewegung zu den Tieren, die faule Kreise um das Schiff drehten. Einige Männer grölten zustimmend, aber Pedro brachte kein Wort mehr über die Lippen. Er zog nur den Säbel an seiner Hüfte.

„Pedro, such dir ein paar Leute und lade die Kanonen auf der Steuerbordseite“, befahl Isabela und stieß Rudolphus beiseite, um sich wieder dem Steuer zu bemächtigen.

Der hochgewachsene Mann hatte seine Rumflasche an seine Brust gepresst, die markanten Gesichtszüge lustlos, als er zur Seite stolperte. Die Fahne würden ihre Feinde garantiert zehn Meilen gegen den Wind riechen.

„So gern ich auch Männer habe, die ordentlich trinken können, bevorzuge ich welche, die nicht um ihren Gegner herumtorkeln. Wo ist dein Schwert, Seemann?“ War sie denn nur von Dilettanten umgeben?

Rudolphus sah auf und bedachte sie mit einem langen Blick, bevor er die freie Hand in einer gelangweilten Geste hob. Den Platz der sonst abgerundeten Fingernägel hatten scharfe Krallen eingenommen. „Wolf...“, murmelte Rudolphus als Erklärung und nun erinnerte sich Isabela auch wieder.

An dem Abend, als sie ihm begegnet war, hatte er die halbe Taverne auseinandergenommen gehabt, weil jemand seinen Rum verschüttet und ihn nicht hatte ersetzen wollen. Für temperamentvolle, launische, vor allem aber unberechenbare, Männer hatte Isabela schon immer eine Schwäche gehabt.

„Dann schlage ich vor, Welpe, du packst nun auch die restlichen deiner natürlichen Talente aus und stellst die Flasche weg. Finderlohn kriegen nur die, die auch aktiv zum Sieg verhelfen.“

Eine Bitterkeit verdunkelte sein Gesicht und es wirkte ganz so, als wollte er ihr mit seinen Fängen die Kehle aufschlitzen, doch stattdessen kippte er nur wortlos den Inhalt der Rumflasche ins Meer, ehe er sie hinterher fallen ließ.

Wenn es etwas gab, was Isabela noch mehr mochte als unberechenbare Männer, so waren es wohl welche, die keinerlei Gold bei sich trugen und auf die Reichtümer angewiesen waren, die Isabela ihnen versprochen hatte. Blieb nur zu hoffen, dass sich in dem Nest der Meermenschen auch ein paar wertvolle Schätze befanden.

„Die Kanonen sind geladen, Captain“, rief Pedro aus, als er wieder an Deck auftauchte.

„Dann lasst uns tanzen“, wisperte Isabela mit einem schiefen Lächeln. Die Segel wurden von dem Wind aufgebläht und schoben sie stetig zur der Felsformation herüber. Der Atem aller wurde angehalten, als ein umgedrehtes Boot mitsamt einigen Männern in diesem Moment aus der Höhle gespült wurde. Ihre Hilferufe schickten einen elektrisierenden Schauer über Isabelas Rücken, als Tentakel aus der Tiefe schnellten und sich um ihre Opfer schlangen.

Sie riss einige Meter vor dem Ungetüm das Steuer herum, während ihre Leute den Anker auswarfen. Das Schiff legte eine abrupte Wendung hin. „Feuer!“ Isabelas Stimme gellte über das Schiff, gefolgt von explosionsartigen Lauten, als die Kanonen entzündet wurden. Sie musste ihnen nicht sagen, wohin sie zu zielen hatten, alle Kugeln schmetterten auf und um den Riesentintenfisch nieder, der inzwischen dicht unter der Wasseroberfläche saß, unvorsichtig geworden war, sofern solche Biester ein derartig entwickeltes Gehirn besaßen. Ein paar glitschige Arme bäumten sich auf, einige Sekunden später sank ihr Besitzer tiefer und tiefer, bis er mit dem bloßen Auge nicht mehr zu entdecken war. Auch die Haie drifteten in alle Richtungen davon, von dem Aufruhr scheinbar vertrieben.

„Das war ja fast ein wenig zu einfach...“

„Was ist mit den Überlebenden, Captain?“, rief jemand und Isabela betrachtete die Leute, die wieder aufzutauchen begannen, geräuschvoll nach Luft schnappend.

„Lasst sie schwimmen“, bemerkte Rudolphus, der sich am Tauwerk festhielt und zu ihnen herunterspähte.

Isabela entrann derweil ein frustrierter Laut. Rudolphus hatte recht. Sie hasste es Schiffbrüchige zu retten, die sie nicht einmal dafür bezahlen konnten. „Holt sie an Bord, aber macht schnell“, sagte sie jedoch. „Ich will wissen, was da in der Höhle vor sich gegangen ist.“ Sie lernte vielleicht selten aus ihren eigenen Fehlern, aber dafür des Öfteren aus Fehlern der anderen.

Es waren nur vier Leute, die sie aus dem Wasser fischten. Schwer atmend lagen sie von Isabelas Männern umringt auf dem Deck, nur einer von ihnen bewusstlos. Vor diesem ging Isabelle in die Hocke. Systematisch ging sie seine Manteltaschen durch, bevor sich ihre Finger um einen Kompass schlossen. „Habe ich es mir doch gedacht...“, murmelte sie, als sie ihren eigenen hervorholte und sie miteinander verglich. Sie sahen haargenau gleich aus.

Isabela steckte sie weg und strich dem Schönling ein paar schwarze Haarsträhnen aus der Stirn, ehe sie ihm einen Backpfeife verpasste, die seinen Kopf zur Seite rucken ließ. Hustend schlug er die dunklen Augen auf und spuckte das geschluckte Wasser aus.

„Willkommen unter den Lebenden, Hook. Oder soll ich sagen, willkommen auf der Siren’s Call?“ Belustigung schwamm sowohl in ihrer Stimme als auch in ihren Augen, als der Pirat sich umsah, obwohl er durch den Kreis, den ihre Männer formten, nicht allzu viel vom Schiff erkennen konnte.

Siren’s Call?“, wiederholte er krächzend, als er sich aufsetzte.

Isabelas Schultern zucken. „Siren’s Call II, euerem neuen Gefängnisschiff.“ Denn wenn Hook denselben Kompass wie sie bei sich trug, dann war er aus demselben Grund wie Isabela hier: Tritons Dreizack. Scheinbar war die Böse Königin eine intelligente Frau, die perfekte Piratin, wenn sie ihre Karten nicht alle auf eine und dieselbe Person setzte. Allerdings war das letzte, was Isabela nun gebrauchen konnte, Konkurrenz. „Rudolphus, geleite unsere neuen Passagiere hinunter in eine der Kajüten. Wir sprechen uns später noch.“ Damit wandte sie sich ab und schlenderte davon, Hooks „Isabela! Behandelt man so etwa alte Bekannte?“-Rufe ignorierend.

- Fesseln -

Die Wasseroberfläche war ruhig, der Wellengang seicht. Isabela vermochte weder einen der Haie noch den Riesenkraken zu entdecken, obwohl sie sich nicht einredete, dass eine einzige Kanonenkugel sämtliche Meerestiere vertrieben hatte. Nicht einen Kraken, der ein gesamtes Schiff versenkt hatte. Dasselbe würde ihr nicht passieren. Dieser Vorsatz festigte sich mehr und mehr, als sie an Deck stand und abwartete, sich aber nichts tat. Wartete man darauf, dass sie den ersten Schritt machte? Dass sie Hooks Beispiel folgte und versuchte, die Höhle in der Felsformation auf gut Glück zu betreten? Beim Erbauer, sie dachten doch nicht etwa, dass sie innerhalb so kurzer Zeit dumm genug war, den gleichen Fehler wie Hook zu begehen? Da kannten sie Isabela aber schlecht – obgleich ein Teil von ihr bezweifelte, dass man ein paar Fischen eine solche Intelligenz zuschreiben konnte.

„Rudolphus!“, rief sie aus und winkte den hochgewachsenen Mann zu sich herüber. Mit ihm im Schlepptau ging sie unter Deck und stiefelte durch die dunklen Gangways, in denen sich die salzige Meeresluft gestaut hatte. Ihre Finger fuhren an ihrem Goldschmuck entlang und sie strich eine dunkle Haarsträhne, die unter dem blauen Tuch hervorlugte, zur Seite.

Die zwei Piraten an der Tür gaben sie wortlos frei, als Isabela und Rudolphus sie ansteuerten. Letzterer mochte zwar ein trunkener Pessimist sein, doch scheinbar konnte man sich darauf verlassen, dass er dafür sorgte, dass die Gefangenen nicht reißaus nahmen. Der Wolf hatte sie in die einzige Kajüte gesperrt, die kein Bullauge hatte und ihnen zudem Handfesseln anlegen lassen.

Allein der Anblick von Hook, wie er noch immer durchnässt, mit wildem Haar und gefesselt auf einem der Stühle saß, brachte Isabela zum Schmunzeln. Ebenso taten es die letzten Mitglieder seiner Mannschaft, darunter ein kleiner Mann mit roter Wollmütze und Bart, die sie aus dem Wasser gefischt hatten und die nun hilfesuchend zu ihrem Captain herüberschauten. Ob ihr Captain sie aus dieser Lage befreien konnte, war jedoch fraglich. Das kam letztendlich wohl auf Isabelas Gunst an. Darauf, ob sie es erlauben würde.

„Wie gefällt dir mein Schiff, Hook?“

Der Angesprochene hob in einer ermüdeten Geste eine Augenbraue, als er den Blick durch die Kajüte schweifen ließ. „Es würde mir weitaus besser gefallen, wenn ich mehr davon gesehen hätte. Und wenn meine Hände nicht ihr Gefühl verloren hätten.“

Isabela schnaufte spöttisch. „Wenn du willst, zeige ich dir nachher noch die Laufplanke. Außer natürlich, du willst kooperieren und mir sagen, was du da in der Höhle gesehen hast.“

„Und das ist alles, was ich dafür kriege? Mein Leben?“

Sein schwaches Lächeln wurde von Isabelas Seite aus mit einem Wimperklimpern beantwortet. „Und das Leben deiner Männer.“

Augenblicklich brach ein Gemurmel unter jenen Mannschaftsmitgliedern aus. Zeitgleich nahmen die Blicke etwas Flehendes an und bohrten sich in ihren Captain hinein. Es war ein alberner Anblick, aber das war sie von Männern gewohnt. Im Grunde gab es nur wenige Dinge, wofür das männliche Geschlecht wirklich gut war und im Moment fiel Isabela nur eine einzige Sache spontan ein und sie leckte sich über die Lippen.

Hook fing ihren Blick auf. „Wenn du so nett fragst, kann ich das Angebot wohl nicht ausschlagen...“

„Das habe ich mir ja auch gedacht.“ Ihre Worte gingen an Hook, das folgende Nicken jedoch an Rudolphus.

Ihre rechte Hand – obwohl Isabela nur ungern zugeben wollte, dass sie jemand dergleichen brauchte und ausgerechnet ihn dazu auserwählt hatte – hatte in der Nähe der Tür gelauert. Nun trat er an den schwarzhaarigen Piratenkapitän heran, packte diesen unwirsch am Oberarm und zog ihn auf die Beine. Rudolphus überragte ihn um einige Zentimeter und sein Körper war um einiges muskulöser als der Hooks. Letzterer war eher ein Strich in der Landschaft, ein gutaussehender Strich eben.

Von Rudolphus aus der Kajüte bugsiert, wurde er den Gang zu einer weiteren heruntergeführt. Sie befand sich an ihrem Ende und gehörte dem Kapitän des Schiffes, nun also Isabela. Dort würde sie eigentlich ihre gestohlenen Reichtümer aufbewahren, doch im Moment enthielt sie nichts weiter außer eine Liege und einen am Boden festgenagelten Schreibtisch, der mit einigen Pergamenten und einer kleinen Truhe beladen war. Ihre Crew wusste es besser, als sich heimlich hier hineinzuschleichen.

Hook wurde in die Kabine geschubst. Isabela schloss hinter ihnen die Tür und überließ Rudolphus und seiner gelangweilten Miene sich selbst. Stattdessen umrundete sie den massiven Schreibtisch, sackte in den Stuhl dahinter und legte ihre Beine samt Stiefel auf der Tischplatte ab. „Ich bin ganz Ohr.“

Hook stand vor ihr und hielt die gefesselten Hände mit einem schelmischen Lächeln empor. Die Bitte war stumm, aber so deutlich, als hätte er sie ausgesprochen.

„Ich glaube nicht“, erwiderte Isabela. „Ich mag meine Männer gefesselt. Und wir wollen schließlich nicht, dass du auf falsche Gedanken kommst.“

„Und die wären?“

Isabelas Arme fanden den Platz auf den Stuhllehnen, als sie zu Hook aufschaute. „Zum Beispiel, dass du ein Gast auf der Siren’s Call bist. Piraten kann man nicht vertrauen. Das weiß ich am besten.“ Sie zwinkerte und Hooks Züge nahmen für den Bruchteil einer Sekunde etwas Säuerliches an. War es aufgrund der Fesseln? Oder ihren Worten oder wegen etwas ganz anderem? Steckte da doch mehr hinter dem hübschen Äußeren als man auf den ersten Blick vermutete?

„Es gibt keinen Weg ungeschoren in die Höhle zu kommen“, holte Hook sie mit seinem Teil ihrer Abmachung in das Hier und Jetzt zurück. „Wir sind nicht besonders weit mit dem Boot gekommen, bis die Haie es umgekippt haben.“

„Aber sie haben euch nicht angegriffen“, ergänzte Isabela. „Warum?“ Sie hatte durch das Fernglas deutlich gesehen, wie die Angriffe erst begonnen hatten, nachdem sie aus der Höhle gespült worden waren.

Doch Hook zuckte mit den Schultern und versuchte sich zeitgleich eine getrocknete Haarsträhne aus der Stirn zu pusten, erfolglos. „Aber da war... eine Stimme.“

Isabela zog eine feine Augenbraue hoch, Hooks beliebte Geste nachahmend. „Bist du sicher, dass die nicht nur in deinem Kopf war, Schätzchen?“

„Ja, außer Halluzinationen springen auf alle Anwesenden über. Meine Männer haben sie auch gehört.“ Seine dunklen Augen wanderten zum Bullauge der Kajüte, hinter dem sich der blaue Himmel abzeichnete. „Und nicht nur das. Sie hat eine Sprache gesprochen, die keiner von uns kennt.“

„Glaubst du, es war ein Meermensch?“, fragte Isabela sachlicher, die Belustigung war für einen Augenblick vergessen und sie lehnte sich vor. Als die Böse Königin – ein Titel, den Isabela im Nachhinein doch belächelt hatte – ihr von den Meermenschen und ihrem Nest erzählt hatte, hatte sie es für ein albernes Märchen gehalten. Sie hatte schon eine Menge gesehen, darunter Zwerge und Elfen und die Dunkle Brut, doch eine Kreuzung zwischen Mensch und Fisch? Andererseits unterschied sich dieses Land in so einigen Dingen von Thedas. Isabela hatte schon so einige Gespräche über die Magie mitbekommen und dass ein Kuss der wahren Liebe alle Zauber brechen soll, eine Tatsache, bei der sie stets mit den Augen rollen musste. Vielleicht hätte der Held von Ferelden dann nur den Erzdämonen küssen müssen, anstatt sein Leben zu lassen, um ihn zu töten.

„Wie auch immer“, lenkte Isabela ein, bevor Hook geantwortet hatte. Sie schwang die Beine von dem Schreibtisch und erhob sich. „Ich komme nicht so unvorbereitet wie du, Hook.“ Eine Hand stemmte sie in die Hüfte, während die andere auf der kleinen Truhe vor ihr auf dem Tisch zum Ruhen kam. Hook mochte vielleicht denselben Kompass besessen haben, doch er hatte nicht das hier in seinem Besitz.

„Oh?“, entrann es ihm, viel zu unbeeindruckt für Isabelas Geschmack.

„Willst du wissen, wie die Meermenschen den Kraken und die Haie kontrollieren?“, fragte sie und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. Flinke Finger öffneten den Verschluss der Truhe und Isabela klappte den Deckel nach hinten.

Hook trat von einem Bein aufs andere und hob die gefesselten Hände, um sich mit einem Finger oberhalb der Augenbraue zu kratzen. „Eine Muschel? Das ist das große Geheimnis der Meermenschen?“

„Das ist ein Horn, Darling“, erwiderte Isabela und hob die Muschel vorsichtig heraus. „Es ruft die Meerestiere heran. Ein gutes Ablenkungsmanöver, das uns genug Zeit geben wird, um ungesehen in die Felsformation zu gelangen, meinst du nicht auch?“

„Uns?“

„Uns“, betonte Isabela. „Du wirst brav an meiner Seite stehen. Hatte ich das nicht erwähnt? Ich bin sicher, du wirst mir noch nützlich sein.“

Seine Lippen öffneten sich, doch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, fügte Isabela bereits ein „Auf die eine oder andere Weise“ hinzu.

Sein Mund klappte zu und Isabela ließ auch die Truhe wieder zuschnappen. Scheinbar hatte Hook nun endlich begriffen, dass er keine Wahl bei dieser Entscheidung hatte. Sein Schicksal lag in ihren Händen. „Aber keine Sorge, wenn wir das hier überleben sollten, bist du ein freier Mann, Hook. Ich halte mein Wort. Gelegentlich zumindest.“
 


 


 

Zum zweiten Mal an diesem Tag befand sich Killian in einem Boot. Der einzige Unterschied bestand darin, dass er nun nicht der Captain, sondern nur ein Gefangener war. Ausgerechnet Isabelas Gefangener obendrein.

Das Boot ruckelte, als die Ruder aus dem Wasser gezogen und der Länge nach am Rand abgelegt wurden. Rechts von ihnen tat sich die Höhle auf wie das Tor zur Hölle, nur darauf wartend, dass sie sich hineinwagten. Die brodelnde Unruhe war nichts im Vergleich zum ersten Betreten.

Killian zerrte abermals an seinen Fesseln, bis das Seil weiter in das Fleisch an seinen Handgelenken schnitt. Scharf sog er die Luft ein, wurde dabei jedoch von den restlichen drei Passagieren des Boots ignoriert.

Vor ihm im Bug stand Isabela zur vollen Größe aufgerichtet, während dieser Rudolphus und ein schlaksiger Kerl hinter Killian auf der zweiten Sitzbank platzgenommen hatten.

„Pedro, gib das Signal“, wies Isabela ihn an.

Wackelig richtete sich dieser auf und tätschelte den Säbel an seiner Hüfte wie einen Glücksbringer, bevor er mit einem Arm schwenkte. Killian konnte die anderen Gestalten unter der Sonne nur vage ausmachen, die sich in der Ferne und abseits von der neuen Siren’s Call in einem zweiten Ruderboot befanden.

Pedros Signal wurde erwidert. Gefolgt wurde diese Geste von einem hohlen Ton, der über das stille Wasser hallte, vielleicht sogar bis tief unter die Oberfläche. Ein zweites Mal blies jemand vom anderen Boot aus in das Horn, welches Isabela mitgebracht hatte.

Ob sie wussten, dass es reiner Selbstmord war? Welchen Preis hatte Isabela den Männern geboten, dass sie solche Opfer brachten?

Killians Blick haftete an der dunkelhäutigen Frau, deren Augen gespannt auf den Höhleneingang gerichtet waren. Passieren tat nichts, während jedermann den Atem anzuhalten schien.

Pedro gab ein zweites Signal und der Ruf des Horns wiederholte sich, länger diesmal. Nun schielte auch Killian über den Bootsrand hinweg und in das kristallblaue Wasser hinein. Seine Spiegelung verzerrte sich. Die Oberfläche war unruhiger als zuvor, obwohl keine Brise die Luft bewegte.

„Da kommen sie“, flüsterte Isabela. „Wie erwartet.“

Pedros Hand schlang sich um seinen Säbel, doch Rudolphus packte sein Handgelenk und hielt ihn davon ab, seine Waffe zu ziehen. Auf den gehetzten Blick des schlanken Mannes hin schüttelte er den Kopf. Und Killian wusste, dass Rudolphus diese Sorte von Mensch war, vor der man sich in Acht nehmen musste. Denen man nicht den Rücken zudrehen sollte, wollte man kein Messer hineingerammt bekommen. Die fiebrige Intensität auf seinem markanten Gesicht war vor wenigen Minuten jedenfalls noch nicht dort gewesen.

Schwarze Schatten schossen aus der Höhle hervor, durch die sich nach rechts und links bewegenden Schwanzflossen als Haie identifizierbar. Ganz wie Isabela es vorausgesagt hatte, steuerten sie das Boot in der Ferne an. Es war als bemerkten die Tiere sie nicht einmal. Zehn, fünfzehn, zwanzig... Killian hörte auf zu zählen. Es hatte keinen Sinn.

Als der Schwarm ein Ende nahm und auch der letzte Hai an ihnen vorbeigeschwommen war, tauchten Rudolphus und Pedro die Ruder ins Wasser und trieben das Boot in den Höllenschlund hinein. Was hätte Killian dafür gegeben, seine Fesseln loszuwerden. Und für sein Schwert, definitiv für sein Schwert.

Dunkelheit verschluckte sie und die massiven Steinwände sperrten jegliche Geräusche aus. Nur das Plätschern von Wasser war zu vernehmen, als sie tiefer hineinruderten. Isabela entzündete eine Laterne und zuckende Schatten wanderten über die Wände. Fauliger und salziger Gestank stahl sich wie beim ersten Mal in Killians Nase und war nichts weiter als ein schreckliches Déjà-vu-Erlebnis. Ein Déjà-vu-Erlebnis, das er dieses Mal vielleicht nicht einmal überleben würde.

Isabela stand noch immer mit dem Rücken zu ihm, während ihre zwei Crewmitglieder sich hinter ihm befanden. Das fahle Licht bot ebenfalls Schutz. Killians Hände fuhren an der Sitzbank vor sich entlang, ehe er begann mit dem Seil an seinen Gelenken an einem schiefen Nagel zu schaben. Unauffällig und langsam, um bloß keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Doch er war nicht abgelenkt genug, um nicht zu bemerken, dass Isabelas glorreicher Plan aufzugehen schien. Die Angriffe blieben aus, ebenso wie die Stimme, auch keine Strömung versuchte sie wieder ins Freie zu schwemmen. Stattdessen gabelte sich vor ihnen der Weg. Der linke Tunnel führte weiter in die vorherrschende Dunkelheit, während der rechte eine Kurve nahm, die tiefer und womöglich direkt in das Herz der Felsformation führte.

„Captain?“, brummte Rudolphus.

„Nach rechts“, erwiderte Isabela mit einer Sicherheit in der Stimme, deren Ursprung Killian nicht kannte.

Das Boot schabte an den unnachgiebigen, aber vom Wasser zerfressenen, Steinwänden entlang. Für einen Augenblick sah es aus, als würde ihr Boot stecken bleiben, da der Tunnel schlanker wurde. Mit einem Ruck gab es nach und setzte schaukelnd seinen Weg fort.

Die Gabelung hinter sich zurücklassend zogen sich Killians Augenbrauen in kritischer Manier zusammen. Was ging hier vor? Gab es einen zweiten Eingang und Killian hatte ihn übersehen? Ebenso wie Isabela? Die Wahrscheinlichkeit war niedrig, änderte jedoch nichts daran, dass sich in der Ferne Helligkeit abzeichnete. Mit ihrem weißen Licht stammte sie von keinem Feuer.

Langsam glitt das Boot näher auf das sprichwörtliche Ende des Tunnels zu. Hier wandelte sich der kleine Fluss in einen breiten Teich, als der Gang in einer Höhle mündete. Die Decke ragte weit über ihre Köpfe empor, in seiner Mitte eine kreisrunde Öffnung. Sie gab Sicht auf denselben blauen Himmel, den sie vor Minuten hinter sich zurückgelassen hatten.

Derweil lief ihr Boot auf dem Sand in dem Teil der Höhle auf, der durch die Ebbe nicht länger überflutet war. Es war eine kleine Insel inmitten des glasklaren Wassers.

Isabela stellte die Laterne beiseite und stieg aus dem Boot. Im nächsten Moment gab Rudolphus Killian mit einem unsanften Schubser zu verstehen, dass er ihrem Captain zu folgen hatte. Er schaute auf seine Fesseln hinab, als er sich auf wackligen Beinen erhob. Das Seil auf der Innenseite seiner Gelenke war bis zur Hälfte durch, dreiviertel, wenn Killian optimistisch sein wollte. Die Bewegungsfreiheit seiner Hände bildete er sich jedenfalls nicht ein.

Pedro und Rudolphus kletterten nach ihm aus dem Boot. Letzterer trat den Seestern, über den Killian hinweggestiegen war, gedankenlos ins Wasser. Das Platschen schallte von den Wänden wider und verlor sich in dem Tunnel, der sie hierher geführt hatte.

Isabela warf Rudolphus aufgrund der Geräusche einen angewiderten Blick zu. Anschließend wanderte ihr Blick über die feuchten Wände, über den sandigen Boden und über die dort liegenden und angespülten Muscheln und Seeschnecken. Sie holte ihren Kompass hervor und klappte ihn auf. Killian stand neben ihr und sah über ihre Schulter wie sich die Nadel drehte. Sie zeigte geradeaus, als sie schließlich zum Stehen kam.

„Sind wir im falschen Tunnel? Oder wo zeigt der Kompass hin?“, fragte Killian, wobei seine Augen zu den zwei Dolchen huschten, die wie gewohnt in ihren Halterungen auf Isabelas Rücken lagen. Sie waren zum Greifen nahe. Killian musste nur den richtigen Moment abwarten. Doch er würde nicht nur Isabela, Rudolphus und diesen Pedro überwältigen, sondern sich obendrein noch den Kompass schnappen, dessen Gegenstück Isabela ihm entwendet hatte. Wenn Isabela zudem an das Horn gedacht hatte, hatte sie bestimmt auch eine Idee, wie sie an den Dreizack kommen würde. Das galt es ebenfalls aus ihr herauszukitzeln, ansonsten würde Killians Rache an dem Krokodil ewig ein Tagtraum bleiben.

„Sperr deine hübschen Äuglein auf, Hook“, sagte Isabela. Sie schlenderte mit schwingenden Hüften vorwärts, hinüber zu der Stelle, an der die sandige Insel, auf der sie standen, wieder in Wasser überging. „Ich bin ziemlich sicher, dass man diese Meermenschen nicht so nennt, weil sie an Land leben.“

Von Neugier angetrieben kam Killian neben ihr zum Stehen und schaute ins Wasser. Der Sand nahm ab, bis ein weiterer Tunnel in die Tiefe führte. Durch das über ihnen einfallende Tageslicht wurden die bunten Korallen im Wasser sichtbar, die sich an den Wänden angesiedelt hatten, ebenso wie die bunten Fische, die sie ihr zu Hause nannten.

„Dort unten liegt das Nest der Meermenschen“, fasste Isabela zusammen.

Erneut richtete sich Killians Blick auf den Kompass in ihrer Hand, dessen Nadel nun wild rotierte, weiter und weiter, ohne sich auf eine Richtung festlegen zu können.

Killians Finger entwickelten ein Eigenleben, zerrten und zogen an dem Seil, bis seine Hände aus den Fesseln schlüpften. Sie fielen zu Boden, als Killian einen von Isabelas Dolchen hervorzog und die dunkelhäutige Frau von sich stieß. Mit einem Schrei und einem Platschen landete sie im Wasser, während Killian herumfuhr, bereit, sich seinen Widersachern entgegen zu stellen.

Hastig und mit unsicherer Hand zog Pedro seinen Säbel hervor.

Rudolphus starrte ihn an, finster, aber waffenlos.

Ein schiefes Grinsen zog an Killians Mundwinkeln. „Gentlemen...“

- Ariel -

Ihre Stiefel verloren den Halt. Bevor Isabela registrierte, dass sie fiel, umschloss sie das eisige Wasser. Sie verfehlte haarscharf die Steinwand des engen Tunnels, der tief hinab in den stets überfluteten Teil der Felsformation führte. Das Salzwasser brannte in ihren Augen, doch Isabela zwang sich sie offen zu halten, als sie mit den Armen und Beinen ruderte. Sie wand sich im Wasser und kämpfte sich zurück an die Oberfläche.

Gedanken formten sich nur schwerfällig. In dem Moment, in dem ihr Ziel in greifbare Nähe gerückt war, war sie unvorsichtig geworden. Nur deshalb hatte Hook sich einen Vorteil verschaffen können.

Die Oberfläche durchbrechend sog Isabela den Sauerstoff ächzend in ihre Lungen. Das Geräusch von Metall auf Metall erklang in ihren Ohren und echote von den feuchten Höhlenwänden, als Isabela sich am Fels aus dem Wasser zog. Auf allen Vieren tastete sie mit einer Hand an ihrem Rücken entlang, auf dem ihre Dolche in ihren Halterungen lagen. Oder zumindest liegen sollten. Heartbreaker fehlte.

Ein Schnaufen verließ Isabelas Lippen, als sie sich mit ihrem verbleibenden Dolch bewaffnete. Backstabber musste ausreichen, Hook hatte nach dieser hinterhältigen Aktion ohnehin keinen gerechten Kampf verdient. Sie sollte wohl am besten wissen, dass man einem Piraten niemals seinen Rücken präsentierte, weil man ihm nicht vertrauen konnte. In dieser Hinsicht waren sie aus demselben Holz geschnitzt.

Pedros Säbel krachte abermals gegen Hooks Schwert. Diesmal schnappte Hook mit seinem Haken jedoch nach dem unteren Teil von Pedros Klinge, um sie ihm aus der Hand zu reißen. Das Schwert landete mit einem dumpfen Geräusch im Sand. Paralysiert wie Pedro dastand, stellte es eine Leichtigkeit für Hook dar, den dürren Mann mit einem gezielten Tritt in die Magengrube ebenfalls zu Boden zu schicken. Er warf einen gehetzten Blick zu Isabela herüber, der verriet, dass er sich seinem Dilemma bewusst war.

Rudolphus schob sich zwischen sie. Bis eben hatte er mit ausgefahrenen Klauen am Rande des Zweikampfs gelauert, doch nun tauchte ein grimmiges Lächeln auf seinen Lippen auf. Bisher hatte Isabela nur ein einziges Mal die Stärke – vor allem aber die Unberechenbarkeit – gesehen, die in dem oftmals betrunkenen Wolf schlummerte. Allerdings bekam er nur selten den Hintern hoch. Hook schien jedoch sein Interesse geweckt zu haben, was Isabela nur recht sein konnte. Schließlich hatte sie Rudolphus angeheuert, damit er ihre Drecksarbeit erledigte. Allein dafür hatte Isabela ihm auch den zweitgrößten Prozentanteil ihrer Beute versprochen.

Zusätzlich zu den scharfen Klauen verwandelte sich sein Gebiss zu dem eines Wolfes, die menschlichen Zähnen verlängerten sich zu den Reißzähnen einer Bestie, die nur darauf wartete, Hook zerfleischen zu können. Ein Blick in sein stilles Gesicht, welches den Piraten nicht den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen ließ, genügte, um das Tier in ihm zu erkennen.

Rudolphus bewegte sich im Halbkreis um Hook herum, dessen Schwertspitze auf seine Kehle gerichtet war. Gegen die Schnelligkeit eines Wolfs reichte bloße Aufmerksamkeit nicht aus. Mit einem Hieb packte Rudolphus die Klinge und drückte sie herunter, um mit der anderen Tatze ausholen zu können. Hook wandte sich zur Seite und wich seinem Angriff aus. Sein Mantel wurde von den Krallen aufgeschlitzt und hinterließ eine blutige Stelle an seiner Schulter. Scharf die Luft einziehend brachte Hook Abstand zwischen sich und seinen Gegner, in dem er rückwärts taumelte.

Ein verschmitztes Lächeln breitete sich auf Isabelas Lippen aus. Sie erkannte eine Chance, wenn man sie ihr auf einem silbernen Tablett servierte. Backstabber wurde mit einem Ruck aus der Halterung auf dem Rücken gezogen und Isabela holte mit dem Arm aus. Mit all der Kraft, die sie aufbringen konnte, schleuderte sie die Waffe in Hooks Richtung. Backstabber überschlug sich und sauste mit einem Surren durch die Topfsteinhöhle. Das durch das Loch in der Decke einfallende Tageslicht brach sich auf seinem Metall – und Hooks Augen zuckten zu dem Dolch herüber. Im selben Moment warf er sich zur Seite. Ebenso wie Rudolphus’ Klauen ihn verfehlt hatten, tat es Backstabber. Stattdessen rammte die Spitze des Dolchs in die Steinwand hinter ihm.

„Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn du einfach stehen geblieben wärst, Hook.“ Der spielerische Unterton war aus Isabelas Stimme gewichen, obwohl sie unter anderen Umständen nichts lieber gehabt hätte, als einen vor sich auf dem Boden windender Mann. Doch sie hatte keine Zeit für Hook, denn obgleich sie sich noch nicht lange in dieser Höhle aufhielten, war das Wasser bereits wieder am Steigen. Die Flut kündigte sich an. Ihr Zeitfenster schrumpfte immer weiter und Isabela konnte nicht von sich behaupten, dass ihr Plan so ausgeklügelt war, als dass sie sich sinnlose Kämpfe mit einem anderen Piraten liefern konnte. Im Grunde hatte nicht weiter gedacht, als an die Muschel, die ihr dieser Rumpelstiltskin im Tausch gegen eine Locke ihres Haares gegeben hatte. Isabela plante nicht, sie handelte.

Isabela schritt mit schwingenden Hüften auf Hook zu, der sich wieder auf die Beine zu kämpfen versuchte. Seine Bewegungen waren langsam und sein Gesicht war verzogen. Während seines Sturzes war ihm Heartbreaker aus den Fingern gerutscht, aber als Hook nach dem Dolch greifen wollte, kam Isabela ihm zuvor. Sie platzierte den Fuß auf der Klinge und verlagerte ihr Gewicht, was Hook keinerlei Möglichkeit ließ, sich den Dolch anzueignen. „Wenn du tatsächlich geglaubt hast, dass du gegen mich gewinnen kannst, bist du einfältiger, als ich gedacht habe, Schätzchen“, säuselte Isabela, als sie auf Hook herunterschaute. Seine Zähne waren aufeinandergebissen und trotzdem schaffte er es ein schiefes Lächeln zustande zu bringen. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Außerdem—“ Hook brach ab. Der charmante Ausdruck verschwand, stattdessen zeichnete sich Verwunderung auf seinen Zügen ab. Sein Blick ging für den Bruchteil einer Sekunde an Isabela vorbei. „Isabela“, presste er atemloser als hervor.

Sie brauchte kein Genie zu sein, um zu wissen, dass sich etwas hinter ihr befand. Aber was war es? Eine Gänsehaut breitete sich auf ihrer nassen und unterkühlten Haut aus und Adrenalin pumpte durch ihre Arterien. War der Riesenkraken zurück? Oder war es ein anderes Seemonster, welches dieses Meervolk ihnen auf den Hals hetzte. Anstatt sich umzudrehen, sah sie zu Pedro und Rudolphus herüber. Pedro lag bewusstlos am Boden, was Isabela nicht verwunderte. Hätte sie nicht dringend eine Crew gebraucht, hätte sie diesen Schwächling erst gar nicht an Bord ihres Schiffs gelassen. Es war Rudolphus’ Reaktion, auf die Isabela vertraute. Der hungrige Wolf, der nach einem blutigen Kampf lechzte, lauerte noch immer unter Rudolphus’ Oberfläche, doch den animalistischen Instinkten unterlag nun ein kalkulierender Ausdruck. Das war alles, was Isabela wissen musste. Bei einem Mann, der stets auf den eigenen Vorteil aus war und kein Geheimnis daraus machte, wusste man, woran man war.

„Rudolphus, ich überlasse dir die Ehre“, sagte Isabela und machte eine ausschweifende Handbewegung. Die freie Hand stemmte sie in ihre Hüfte, als sich Rudolphus’ Mundwinkel zu einem faulen Lächeln hoben.

Ein paar lange Schritte brachten den Wolf zu ihnen herüber. Rudolphus packte Hook, der noch immer auf dem feuchten Sand hockte, an den Schultern. Seine Krallen bohrten sich in Hooks Fleisch hinein, in seine Wunde, und entlockten ihm einen erstickten Schrei. Fast so, als würde Hook nichts wiegen, hob Rudolphus ihn in die Höhe und warf ihn von sich. Meter entfernt prallte Hook mit dem Rücken gegen einige aus dem Wasser ragende Felsen, hinter denen ihre kleine Insel endete und sich das Wasser auftat.

Ein Ächzen entrann Hooks Kehle, doch Isabela hörte es kaum. Ihre dunklen Augen waren fest auf den roten Haarschopf gerichtet, der hinter dem größten Felsen hervorlugte. Sie hatten Gesellschaft bekommen...

Bevor Isabela reagieren konnte, trat Rudolphus ein zweites Mal auf Hook zu. Dieser presste den schmerzenden Rücken gegen das Gestein hinter sich, als seine Hand über den Boden nach irgendetwas tastete, was sich als Waffe verwenden ließ. Aber Rudolphus hatte Hook nicht im Visier, denn er schob sich an dem Pirat vorbei. Mit einer Schnelligkeit, die man einem schläfrigen Kerl wie Rudolphus nicht zutraute, kletterte auf den Felsen und zog den Fremden dahinter aus seinem Versteck. Die Fremde, korrigierte sich Isabela gedanklich. Rudolphus hatte die junge Frau an der Kehle gepackt, hatte aber noch genügend Erbarmen gehabt, um seine Klauen nicht zu benutzen und sie ihr aufzuschlitzen. Stattdessen hob er sie – Hook zuvor nicht unähnlich – hoch, bis ihre grüne Schwanzflosse sichtbar war.

Isabelas Augen weiteten sich.

Mit einem kraftvollen Ruck beförderte Rudolphus die Meerjungfrau in ihre Mitte. Ein heller Schrei entwich ihr, als sie im Sand landete. Sie wälzte sich augenblicklich hin und her, während ihre Schwanzflosse um sich schlug. Das, was Isabela in ihrem blassen Gesicht ablesen konnte, war blanke Panik. Für einen kurzen Moment hatte sie den Drang Rudolphus aufgrund seiner groben Behandlung anschnauzen zu müssen, doch diesen schluckte sie herunter. Das war eine Meerjungfrau, offensichtlich eine neugierige Meerjungfrau dazu, die ihnen besser nicht hinterher geschnüffelt hätte. Zwar war Isabela ohne ein Zögern auf diese verrückte Jagd nach dem Dreizack dieses Meervolkkönigs aufgebrochen, doch jemand von ihnen tatsächlich gegenüber zu stehen, war etwas vollkommen anderes. Allerdings war Isabela noch nie jemand gewesen, die sich schnell einschüchtern ließ. Nein, diese Begegnung konnte sich nur positiv für sie auswirken.

Hook war längst vergessen, als Isabela den Fuß von Heartbreaker nahm und den Dolch aufhob. Sie drehte ihn verheißungsvoll in der Hand hin und her, als sie sich der rothaarigen Nixe annährte, die von ihr wegzurutschen versuchte. Ihre Brüste waren von Muscheln bedeckt, die mit Seetang zusammengehalten wurden und ihre helle Haut war geschmeidiger als die der hübschesten Prostituierten, die in Thedas herumlief. Ihre grünen Augen huschten suchend umher, nach dem entfernten Wasser Ausschau haltend, während sie eine Tasche an ihren Oberkörper drückte, die ebenfalls aus Seetang gemacht war.

„Wer... wer seid ihr?“ Ihre Stimme zitterte und beherbergte dennoch einen so sanften Klang, so dass Isabela sich den Gesang, den Hook angeblich in dieser Höhle vernommen hatte, ganz leicht vorstellen konnte. Hatte dieser von ihr gestammt?

„Wir stellen hier die Fragen, Fischchen“, antwortete Isabela. Die direkten Worte ließen die Meerjungfrau nach Luft schnappen, was Isabela als ein gutes Zeichen wertete. Wenigstens konnten diese übergroßen Fische sprechen und hatten Lungen anstatt Kiemen. Ansonsten wäre es äußerst schwierig gewesen, Informationen aus ihnen herauszubekommen. Apropos Informationen...

„Rudolphus wird die Fragen stellen“, verbesserte sich Isabela und warf dem Wolf einen Seitenblick zu.

Die fehlende Reaktion seitens Rudolphus sagte Isabela, dass er inzwischen verstanden hatte, welche Rolle er zu spielen hatte. Dass er wusste, dass er zu ihrer rechten Hand geworden war, zu dem dritten Dolch, der ihr in jedem Kampf dienlich sein würde, solange sie dieselben Ziele verfolgten.

Mit einem Sprung landete er neben Hook in der Hocke. Auch jetzt hatte der Wolf keinen Blick für Hook übrig, der sich nicht rührte. Die Meerjungfrau war nun seine Beute, was sie zu bemerken schien.

Isabela nutzte ihre Unaufmerksamkeit aus, um ihr die Tasche aus den Fingern zu reißen.

„Hey!“, empörte sie sich, doch Isabela hatte bereits Abstand zwischen sie gebracht.

„Die brauchst du jetzt nicht mehr, Kleines“, versicherte Isabela, bevor ihr Platz von Rudolphus eingenommen wurde. Dieser fuhr die Klauen mit einem hässlichen Grinsen und mit blitzenden Reißzähnen aus.

Die nächsten Worte der Nixe gingen in einem kläglichen Japsen unten, als sie das Gesicht von ihnen wegdrehte. Fast so, als glaubte sie, dass sie das vor Rudolphus beschützen würde. Lachhaft.

 
 


 

 

Ein Werwolf. Killian hatte mit einer Menge gerechnet, als er sich auf die Suche nach dem berüchtigten Dreizack mit seinen magischen Kräften gemacht hatte. An einen Werwolf hatte er dabei jedoch ganz sicher nicht gedacht. Wäre die kleine Meerjungfrau nicht dazwischen gekommen, hätte Rudolphus ihn in Stücke gerissen.

Killians Rücken pochte noch immer und erinnerte ihn daran, dass sein Plan alles andere als wohlüberlegt gewesen war. Andererseits hatte er nicht sonderlich viele Optionen zwischen denen er hatte wählen können. Jetzt waren sie noch dürftiger. Das Boot, welches den einzigen Ausweg aus der Tropfsteinhöhle darstellte, lag einige Meter entfernt auf der schwindenden Sandbank, die mehr und mehr vom Wasser geflutet wurde. Bei Rudolphus’ Schnelligkeit konnte Killian jedoch nicht sicher sein, dass er es aus der Höhle schaffen würde. Zudem weigerte sich alles in ihm, ohne den Dreizack zu verschwinden. Er hatte ihn nicht mal zu Gesicht bekommen und war schon gescheitert? Das würde der Bösen Königin nicht gefallen.

Sein Blick blieb an Isabelas Dolch hängen, den sie noch immer spielerisch herumschwenkte, während sie in der anderen Hand die primitive Tasche trug, welche sie der Meerjungfrau abgeluchst hatte. Wo befand sich der Zwilling des Dolchs?

Gehetzt sah Killian sich um, bis er die Stichwaffe bemerkte, die in der Steinwand feststeckte. Zwischen ihr und Killian befanden sich die Meerjungfrau, Isabela, Rudolphus und der bewusstlose Pedro. Letzterer war im Moment Killians kleinstes Problem. Zudem bestand ohnehin keine Möglichkeit für ihn, den Dolch zu erreichen. Seine Chancen, es lebend hier heraus zu schaffen, sanken von Minute zu Minute. Er brauchte eine bessere Strategie. So schnell gab er nicht auf, denn bisher hatte er immer einen Weg gefunden, um sich aus jedem Schlamassel zu befreien. Zwar lag es bei einem Pirat nahe, dass ihm ein nasses Grab vorherbestimmt war, doch Killian weigerte sich zu glauben, dass diese stinkende Höhle seines sein sollte.

Ein schriller Schrei schallte von den Wänden wider. Blutige Kratzer zogen sich über den linken Oberarm der Meerjungfrau. Ein paar ebenso rote Haarsträhnen, die ebenfalls Zeugen von der Schärfe von Rudolphus’ Klauen wurden, fielen in den Sand.

„Wo ist der Dreizack?“, forderte der Wolf. Sein Gesicht schwebte nur einige Zentimeter vor dem der Meerjungfrau, welche bebend die Lippen zusammenpresste. Die Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben, doch sie brachte keinen Mucks hervor. Stattdessen starrte sie Rudolphus an, bis dessen Hand sich abermals um ihre Kehle schloss. Krallen bohrten sich in die ohnehin bereits geschundene Haut, als er sie nach hinten in den Sand drückte und über ihr hockte. „Wenn du weißt, was gut für dich, spuckst du jetzt den Aufenthaltsort aus. Ansonsten werde ich wirklich ungemütlich. Diese Kratzer, die sind bisher gar nichts, Kleines.“ Rudolphus’ Ton blieb gesenkt. Beinahe so, als hätte er es nicht nötig, jemanden zu drohen, denn alles was er sagte, war ein Versprechen.

Die Schwanzflosse der Meerjungfrau bewegte sich in unruhigen Bewegungen nach links und rechts, obwohl Stille in ihren restlichen Körper eingekehrt war. „Mein Vater wird euch nie seinen Dreizack überlassen“, zischte sie.

„Das wäre auch zu einfach“, erwiderte Rudolphus. Ein Knurren, das mehr nach einem Tier als einem Menschen klang, steckte in seiner Kehle. Inzwischen hob er die freie Hand, um der Meerjungfrau seine Klauen noch einmal genauer zu zeigen.

Ein Lächeln schlich sich inzwischen auf Isabelas Lippen, die inzwischen ihren Dolch wieder in die Halterung auf ihrem Rücken befördert hatte. Sie durchsuchte die Tasche und summte leise vor sich hin.

War Killian der Einzige, der einsah, dass sie somit nicht weiterkamen? Dass sie mit Folter keinerlei Informationen von der Meerjungfrau erhalten würden, sondern Rudolphus sie eher umbringen würde?

Das Herz pochte in seiner Brust, tat es im selben Takt wie der Schmerz in seinem Rücken. Trotzdem zog er sich an dem Felsen hinter sich auf die Beine und stieß sich von ihm ab. Er torkelte auf die Gruppe zu. „Warte!“, entrann es Killian mit kratziger Stimme, als Rudolphus mit dem Arm ausholte.

Die Meerjungfrau hatte die Lieder zusammengepresst, doch öffnete bei seinem Ruf ihre Augen einen Spalt. Rudolphus und Isabela drehten sich zu ihm um.

„Hast du immer noch nicht genug, Hook?“, fragte die Dunkelhäutige und hob spöttisch eine feine Augenbraue. „Manche wissen wohl einfach nicht, wenn Schluss ist. Dabei solltest du dich glücklich schätzen. Du wärst beinahe mit dem Leben davon gekommen.“

Killian lachte auf. „Was? Mich wie ein Feigling in die Fluten stürzen, während dein Schoßwolf eine unschuldige Frau ermordet? Selbst jemand wie ich hat eine gewisse Ehre zu vertreten.“ Einige Meter von ihnen entfernt blieb er stehen. Dabei machte er sich keine großen Hoffnungen, dass Rudolphus ihn nicht mit einem Sprung erreichen würde, wenn er es darauf anlegen sollte.

„Du meinst, einen Fisch“, sagte Isabela.

„Du siehst einen Fisch, ich sehe eine Frau. Es liegt wohl doch im Auge des Betrachters.“

Isabela ließ die Tasche in den Sand fallen. Ihre Hand wanderte zu ihrem Rücken und legte sich vielsagend auf den Griff ihres Dolchs. „Was willst du?“, fragte sie, anstatt ihn zu ziehen und ihn in Killians Brust zu vergraben.

„Ich möchte helfen.“ Diese Worte ernteten Killian nicht nur einen skeptischen Blick von Isabela, sondern auch von Rudolphus. Sein Griff um die Kehle der Meerjungfrau lockerte sich, da seine Aufmerksamkeit ihr nicht länger galt. „So wie ich das sehe, haben wir nicht mehr allzu viel Zeit und wir verfolgen immerhin dasselbe Ziel. Wieso tun wir uns nicht zusammen, Isabela? Der Feind des Feindes ist bekanntlich ein Freund.“ Er grinste.

„Aber ich kann dir nicht vertrauen“, konterte Isabela, obwohl auch sie ein Schmunzeln auf den Lippen trug.

Killian zuckte mit den Schultern und deutete mit seinem Haken auf Rudolphus. „Du kannst ihm auch nicht vertrauen.“

Isabela und Rudolphus tauschten einen Blick aus, doch der Wolf blieb stumm. „Ich weiß“, sagte Isabela. „Aber so hab ich zwei Männer, die zwar zum Anbeißen aussehen, mir aber Klauen und Klingen bei der erstbesten Gelegenheit in den Rücken rammen wollen. Ich weiß nicht, ob ich das Risiko eingehen will.“

„Wir sind Piraten. Piraten gehen immer Risiken ein“, erwiderte Killian. „Das liegt uns im Blut.“

Isabela musterte ihn von Kopf bis Fuß und riss ihm mit ihren dunklen Augen förmlich die Kleider vom Leib. „Wie sieht dein Plan aus?“

Aber Killian antwortete nicht. Stattdessen kam er näher und legte die Hand langsam auf Rudolphus’ Schulter, um keine gewalttätige Reaktion zu provozieren. Er schob ihn weg von der Meerjungfrau, die nur noch im Sand kauerte und alles mit großen Augen beobachtete. Rudolphus sah zu Isabela herüber, ehe er schließlich nachgab und Abstand nahm. An seiner Stelle ging Killian in die Hocke. Er zog ein schwarzes Tuch aus der Tasche seines Mantels, welches er um den bebenden Oberarm der Meerjungfrau wickelte. „Rudolphus ist ziemlich temperamentvoll, wenn man ihn ärgert“, sprach er auf sie ein. Als er sich vorbeugte, zuckte sie zurück, doch Killian nahm nur den Stoff zwischen die Zähne, um das Tuch eng um ihren Arm zu verknoten und festziehen zu können.

„Wie sind denn alle Anderen?“, fragte sie. Misstrauen sprach aus ihren Augen heraus, die Killian, Rudolphus und Isabela ganz genau im Auge behielten. Ihr Blick war intensiv, aber im Gegensatz zu Isabelas furchtbar unschuldig und trug zeitgleich Neugierde in sich. Kilian hatte genug solcher junger Frauen um den Finger gewickelt, um das zu erkennen.

Ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Einige von uns können richtige Gentlemen sein.“

Isabela schnaufte hinter ihm belustigt.

„Was sind... Gentlemen?“, fragte die Meerjungfrau und bestätigte somit Killians Verdacht, dass sie nicht allzu oft Kontakt mit Menschen hatte. Das konnte ihnen noch vom Nutzen sein.

„Wie heißt du?“, stellte Killian die Gegenfrage.

Sein Gegenüber zögerte, aber dass sie ihm bisher ihren Arm nicht entzogen hatte, wertete Killian als ein gutes Zeichen. „Ariel.“

„Ein hübscher Name für eine hübsche Meerjungfrau. Man nennt mich Killian Jones.“ Er machte eine Handbewegung zu seinen Gefährten herüber. „Das ist Isabela. Mit Rudolphus hast du ja bereits Bekanntschaft gemacht.“ Nur bei Pedro zögerte er, der sich seit dem Tritt, den Killian ihm in die Magengrube verpasst hatte, nicht mehr gerührt hatte. „Und das ist Pedro...“ Noch während Killian ihn vorstellte, begann sich bereits ein Plan in seinem Kopf zu formen. Es setzte sich alles so nahtlos zusammen, wie es nur selten der Fall war. Das tat es ganz besonders, wenn er richtig mit seiner Ahnung lag, dass Ariel dem Beginn des Kampfes noch nicht beigewohnt hatte. Killian musste ein Schmunzeln zurückhalten und senkte den Blick zu Boden. „Wie du bestimmt sehen kannst, geht es unserem Freund nicht besonders gut. Er ist krank, Ariel. Unheilbar krank.“

Ariel schnappte nach Luft und legte eine Hand an ihre Lippen. „Kann man denn nichts tun?“, presste sie dennoch dahinter hervor.

Eine künstlerische Pause folgte, in der Killian ein schweres Seufzen ausstieß. „Es gibt nur eine Möglichkeit. Darum sind wir auch hergekommen. Der Dreizack deines Vaters ist mächtig genug, um ihn komplett zu heilen.“

Ganz so naiv, um ihm diese Lüge ohne ein gewisses Misstrauen abzukaufen, war Ariel nicht. Er konnte es in ihren Augen ablesen, denn dort tauchte dieselbe Härte auf, die sie schon Rudolphus entgegengebracht hatte. Wenn es um ihre Familie ging, nahm sie nichts so einfach auf die leichte Schulter. Killian würde es genauso handhaben, aber er hatte keine Familie mehr. Sein Bruder war ihm schon vor einer halben Ewigkeit genommen worden. Milah war seine neue Familie gewesen, bis Rumpelstilskin ihr das Herz aus der Brust gerissen hatte. Ein harter Zug legte sich um seinen Mund, als er den Kopf schüttelte. „Ich weiß, wie das klingen muss. Aber wir hatten nie vor, den Dreizack zu stehlen. Wir wollen ihn nur ausborgen.“

„Ausborgen“, wiederholte Ariel, als müsste sie das Wort aussprechen, um zu wissen, wie sie darüber dachte. Überzeugt war sie nicht. „Mein Vater würde ihn nie ausborgen. Noch weniger an... Menschen.“ Ihre grünen Augen wanderten zu Rudolphus herüber. „Ich glaube nicht, dass er ihn ausborgen möchte.“

„Dann ist es wohl gut, dass Rudolphus hier nicht das Sagen hat, Schätzchen“, erwiderte Isabela. Sie ignorierte den grimmigen Blick des Wolfs und stemmte stattdessen die Hände in die Hüften. Dass sie Ariel inzwischen Schätzchen anstatt einen Fisch nannte, sagte Killian, dass sie seine Taktik durchschaut hatte.

„Isabela hat recht. Rudolphus ist nur ein Anhängsel, das nicht weiß, wann Schluss ist“, fügte Killian hinzu.

Ariels feine Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Was ein Anhängsel ist, ist nicht so wichtig“, kam ihr Killian mit einem belustigten Lächeln zuvor. Er ließ ihren Arm los. „Es tut uns leid, dass wir dich da hineingezogen haben. Dass wir dir wehgetan haben. Ich gebe zu, dass unsere Methoden auf den ersten Blick nicht sehr ehrenhaft erscheinen.“ Killian sah auf seine schwarzen Stiefel hinab, zeigte eine einstudierte Geste der Reue, als Ariel sein Gesicht studierte. „Tritons Ruf eilt ihm voraus, daher wissen wir ganz genau, dass er unseren Freund nicht retten wird. Aber wir müssen wenigstens versuchen sein Leben zu bewahren. Deswegen haben wir auch gekämpft. Weil wir uns über unsere Vorgehensweise nicht einig waren. Aber Gewalt möchte ich nicht anwenden. Wir können jedoch nicht einfach zuschauen, wie er stirbt. “

Ariel deutete ein Nicken an und sie schielte zu ihrer Tasche, die zu Isabelas Füßen lag. „Ich... rette auch manchmal Leben. Menschenleben.“ Sie stockte, als hätte sie bereits zu viel gesagt. Im nächsten Augenblick strafften sich jedoch ihre schmalen Schultern und sie richtete sich etwas weiter auf. Ihr schmerzender Arm schien vergessen, als sie ihn nach Isabela ausstreckte. „Das Kraut in meiner Tasche... Es wird euch helfen können. Ich werde euch damit helfen können.“ Ihre Stimme war leise, aber keineswegs unsicher. „Ich werde euch helfen, euren Freund das Leben zu retten, wenn ihr versprecht, dass ihr den Dreizack danach wieder zurückgebt“, sagte sie lauter, als Isabela ihr mit gekräuselten Lippen die Tasche reichte. „Wenn ihr versprecht, dass der Dreizack diese Höhle nicht verlassen wird.“

Killian tauschte einen Blick mit Isabela und Rudolphus aus. „Einverstanden“, erwiderte er, wobei er glatt ein wenig überrascht war, dass er Ariel so einfach dazu bekommen hatte, ihnen zu helfen. Er hatte es sich schwerer vorgestellt. Wahrscheinlich sollte er sich schlecht fühlen, sie an der Nase herumzuführen, aber der Gedanke, dass er endlich seine Rache an Rumpelstilskin bekommen würde, sobald er den Dreizack an Regina weitergegeben hatte, war zu einnehmend.

„Okay.“ Isabela zuckte mit den Schultern, während Rudolphus ein Brummen von sich gab. Ariel schien zufrieden, denn sie öffnete ihre Tasche und holte ein Bündel eines Krauts heraus, welches Ähnlichkeit mit dem Seetang hatte, aus dem die Tasche gemacht worden war.

„Das ist Dianthuskraut. Es ist frisch gepflückt. Dieses Kraut trägt Magie in sich“, sagte sie, als sie ihnen ihren Schatz zeigte. „Es lässt Menschen unter Wasser atmen, solange man etwas davon im Mund behält. Damit kann ich euch zum Dreizack und zurück führen.“

„Ich bin nicht sicher, dass ich mein Leben ein paar Stränge einer seltsamen Unterwasserpflanze anvertrauen will“, sagte Isabela und verschränkte die Arme vor der Brust.

Nun richtete Killian sich auf und drehte sich ein wenig von Ariel weg, um stattdessen die Dunkelhäutige mit den Augen zu fixieren. „Wir sind Piraten“, flüsterte er und seine Mundwinkel hoben sich zu einem schiefen Grinsen.

Isabela trat einen Schritt auf ihn zu und ihr Zeigefinger bohrte sich in seine Brust. „Erzähl mir nicht, was wir sind. Das weiß ich selbst, Darling. Um einiges besser als du, obwohl du das kleine Kätzchen ziemlich gut gezähmt hast.“ Die Lust in ihren braunen Augen ließ einen Schauer über Killians Wirbelsäule fahren. Zu schade, dass sie dasselbe Ziel aus völlig verschiedenen Gründen verfolgten. Sie würden ein ziemlich gutes Team abgegeben, wenn sie einander vertrauen könnten.

- Nest -

Es wäre zu einfach gewesen, Hook zu sich heranzuziehen und ihm ihre Lippen aufzudrücken. Isabela lechzte nach einem dieser dreckigen Küsse, die in den dunklen Ecken allerlei Tavernen ausgetauscht wurden. Zumindest galt das für die Lokale in Thedes, denn dieser verwunschene Wald erschien ihr lediglich wie ein prüder Abklatsch ihrer Welt.

Trotzdem hatten sich plötzlich so einige ihrer Probleme in Luft aufgelöst, so dass sie Hook den gescheiterten Fluchtversuch beinahe verzeihen konnte. In erster Linie klopfte sich Isabela jedoch selbst auf die Schulter. Immerhin war es ihre Idee gewesen, Hook mitzunehmen. Sie hatte doch gewusst, dass ihr der Pirat noch von Nutzen sein würde. Nun galt es aber sich wichtigeren Dingen zu widmen: der Beschaffung des Dreizacks, dem sie furchtbar nah waren.

Isabelas Blick heftete sich an das zusammengebundene Kraut, welches Rudolphus in den Händen hielt. Er sah es an, als würde er sich lieber die Zunge abbeißen oder ertrinken, anstatt sich ein Stück des grünen Algenbündels in den Mund zu stecken.

Ein belustigtes Schnaufen entrann ihrer Kehle und Isabela entzog ihm das Kraut. „Das ist nicht zum Anstarren gedacht, Schätzchen.“ Mit der freien Hand gab sie dem Wolf einen Schubser, der ihn bei seiner Größe kaum einen Schritt vorwärts katapultierte.

Rudolphus sah über seine Schulter zu ihr zurück.

„Mach dich lieber nützlich und bring unsere Nixe zum Wasser“, fügte sie hinzu. „Oder willst du, dass sie austrocknet? Versuch wenigstens einmal in deinem Leben ein Gentleman zu sein.“

Das markante Gesicht verzog sich, als sich Rudolphus’ Finger in einem Versuch des Zeitschindens nach dem Flachmann angelten, der in seiner Tierfelljacke versteckt war. Auch heute war sich Isabela noch sicher, dass das Fell von unzähligen seiner Opfer stammte. Von all den wilden Tieren, die er in seinem Leben bereits gejagt und niedergestreckt hatte. In dieser zusammengeflickten Jacke zeigte sich Rudolphus’ wahres Gesicht. Er war halb Tier, halb Mann. Das Tier hetzte seine Beute und der Mensch sammelte seine Trophäen. Wäre er nicht so effektiv bei dem was er tat, hätte sich Isabela längst von ihm getrennt oder ihn erst gar nicht angeheuert. Selbst Isabela drehte ihm nur widerwillig den Rücken zu, obwohl sie augenscheinlich auf derselben Seite standen.

Rudolphus nahm einen langen Zug aus der schmalen Flasche, der sie mindestens um die Hälfte des Inhalts beraubte, genüsslich und als hätte er alle Zeit der Welt.

„Triton ist also dein Vater, Liebes?“, fragte Killian derweil. Er streifte seinen schwarzen Ledermantel ab und legte ihn sorgfältig auf den höchsten Stein der Höhle, um ihn vor der kommenden Flut zu schützen. Sein Schwert blieb jedoch an seiner Hüfte, ebenso wie Isabela ihre eingesammelten Dolche in den Halterungen auf ihrem Rücken behielt. Ob ihnen Waffen unter Wasser und gegen ein paar wendige Fische etwas bringen würden, stand jedoch auf einem anderen Blatt geschrieben.

Ariel nickte. „Aber ich bin bei weitem nicht seine einzige Tochter.“

„Und Triton ist der König eures... Volks“, erzählte Killian, obwohl er das ganz genau wusste.

Isabelas Augenbrauen schoben sich zusammen. Auf was wollte er hinaus? Die Böse Königin hatte ihnen das doch bereits gesagt, als sie ihnen den Auftrag, Tritons Dreizack zu stehlen, aufgetragen hatte.

„Bedeutet das, dass du und deine Schwestern Prinzessinnen seid?“

Abermals nickte Ariel auf seine Worte hin, naiv und viel zu offen. Ein Lächeln tauchte auf ihrem Gesicht auf, während sich ein rosafarbener Schatten auf ihren Wangen ausbreitete.

Auch Killian lächelte, tippte sich zeitgleich jedoch mit dem Zeigefinger nachdenklich gegen die Unterlippe. Diese Geste zog nicht nur Isabelas Blick zu seinem Mund herunter, sondern auch den der Meerjungfrau. „Und singen? Singt ihr alle? Dieses Lied, was ich beim Betreten der Höhle gehört habe, der stammte doch sicher von euch, oder?“

Sie klatschte in die Hände und ihre grüne, schuppige Schwanzflosse hob und senkte sich wieder. „Das Singen ist ein Talent, das uns allen in die Wiege gelegt wird. Das Lied, das ihr gehört habt, ist ein Sicherheitsmechanismus.“ Ihre Augen wanderten durch die Höhle, bis sie an eine Muschel hängen blieben, die halb im Sand vergraben lag. „Es ist in dieser Muschel gebunden. Ein bisschen wie in einem wiederkehrenden Echo, welches automatisch erklingt, wenn Menschen sich ihr annähren. Sie kann nur mit dem Klang einer anderen zum Verstummen gebracht werden. Sie ist uralt. Die meisten von uns haben bereits vergessen, dass es sie gibt.“

Isabela schlenderte zu der Muschel herüber. Bemerkt hatte sie die Muschel nicht, aber jetzt, da Isabela sie im Blick hatte, war sie unverkennbar. Sie hatte dieselbe Größe wie die, die sie von diesem Rumpelstiltskin bekommen hatte und womit sie die Meerestiere aus der Höhle gelockt hatte. Dabei musste sie diesen Schutzmechanismus, von dem Ariel sprach, versehentlich ausgeschaltet haben.

Das blasse Violett verlieh der Muschel eine mysteriöse Aura, die Isabela auf die Magie schob. Isabela ließ sie unwirsch fallen und sie landete mit einem dumpfen Geräusch im Sand. Egal, in welcher Welt man sich befand, der Magie entkam man nie.

„Ich hab ja sonst nichts gegen ein hübsches Pläuschen einzuwenden, aber uns steht das Wasser bald wortwörtlich bis zum Hals“, unterbrach sie jegliche weitere Unterhaltung und stemmte eine Hand in die Hüfte. „Ich denke, wir haben schon genug Zeit verschwendet.“

„Oh... natürlich“, stimmte ihr ausgerechnet die Nixe zu. „Euer Freund braucht dringend Hilfe.“ Ihr besorgter Blick galt Pedro, der sein Bewusstsein noch nicht zurückerlangt hatte. Das spielte ihnen aber nur in die Hände, weswegen Isabela nicht länger hier verweilen wollte, als es unbedingt nötig war.

„Wie machen wir das nun, Fischchen?“ Isabela starrte auf das Kraut in ihrer Hand, anstatt ein paar Krokodilstränen für Pedro hervorzudrücken. „Du hast gesagt, wir brauchen uns davon nur etwas in den Mund zu stecken.“

Ariel streckte die Hand nach dem Kraut aus und Isabela reichte es ihr mit einem skeptischen Zögern. Doch die Meerjungfrau hatte keinerlei Fluchtmöglichkeiten, dafür war sie immer noch zu weit vom Wasser entfernt. Außerdem traute Isabela ihr beim besten Willen nicht zu, dass sie ein falsches Spiel spielte und sie an der Nase herumführte.

Ariel löste das geflochtene Band, welches das Kraut zusammenhielt und riss drei gleichgroße Stücke ab, die sie Killian, Isabela und Rudolphus reichte. „Ihr werdet die Veränderung gleich merken und müsst euch dann sofort ins Wasser begeben“, sagte sie und ihr Gesicht wurde eine Spur ernster. „Danach führe ich euch zum Palast. Er ist nicht weit entfernt.“

Dieses Fischchen war so gutgläubig, dass Isabela sich beinahe der Magen umdrehte. Sie unterdrückte ein Augenrollen und schob sich stattdessen das Kraut in den Mund. Ihre Zunge navigierte es in die Wange, als sich der Geschmack von Algen ausbreitete.

Zusammen mit dem Geschmack breitete sich auch ein Kribbeln auf ihrer Haut aus, an ihrem Hals und zwischen ihren Fingern. Schmerz folgte und Isabela krümmte sich, die Hände an ihre Kehle gepresst, da ihr das Atmen schwerer und schwerer fiel. Sie hatte sich geirrt, Ariel unterschätzt! Ihre Sicht verschwamm und die Stimmen im Hintergrund vermischten sich, bis sie kein einziges Wort mehr verstand. Eine Frauenstimme gab Anweisungen, ihr Ton schrill in Isabelas Ohren, als Hände sie an den Armen packten und an ihr zerrten. Plötzlich befand sie sich in einer sitzenden Haltung und Wasser kletterte ihre Beine hinauf, weichten abermals durch ihre Stiefel, bevor sie sich gänzlich im Wasser befand. Sie kämpfte gegen die Hände an, welche sie unter die Oberfläche drückten, sie zu ertränken versuchten.

Nur... dass Isabela das Atmen plötzlich leichter fiel. Sauerstoff klärte ihre Gedanken, ihre Sicht, während das Adrenalin ihr Herz noch immer kräftig gegen ihren Brustkorb schlagen ließ. Die Panik wich, von Sekunde zu Sekunde mehr, als Isabela sich orientierte. Ihre Augen öffneten sich und brannten durch das Salzwasser.

Blinzelnd sah sie auf und hinauf zur Wasseroberfläche, von der sie nur Zentimeter getrennt war. Rudolphus und Killian sahen zu ihr hinunter, da sie sich in dem engen, überfluteten Tunnel befand, in dem sie vorhin bereits gefallen war.

Stetig atmend ruderte sie mit Armen und Beinen, um ihre Position unter Wasser zu halten, während sie sich drehte und ihr Blick über all die Korallen wanderte, welche die Wände zierten. Vorhin hatte sie keine Augen für ihre Schönheit gehabt. Nur kurz hob sie die Hand und ihre Finger berührten die Kiemen an ihrem Hals, die ihr das Atmen erlaubten. Das Kraut funktionierte, besser und ungewöhnlicher als erwartet.

Sie machte eine grobe Handbewegung zu ihren Gefährten hinauf, die signalisierte, dass sie ihrem Beispiel folgen sollten. Mehr Zeit konnten sie wirklich nicht vertrödeln.

Rudolphus’ Miene blieb unbewegt, doch er führte ihren vorigen Befehl aus. Ein paar Schritte führten ihn aus ihrem Sichtfeld, doch er kehrte mit Ariel in seinen Armen zurück. Eine raue Hand lag an ihrem nackten Rücken, während die andere ihre Schwanzflosse berührte. Seine Augen klebten auf ihrem Gesicht, selbst dann noch, als er sie langsam neben isabela ins Wasser gleiten ließ. Ihre Hände rutschten von seinen Schultern und ihre Finger glitten über das Tierfell seiner Jacke, welches sich ungewohnt gegen ihre Haut anfühlen musste. Er zog diese daraufhin aus und warf sie beiseite.

Ariel lächelte ihr zu und berührte Isabelas Haare, die im Wasser ähnlich wie das der Meerjungfrau lebendiger als an Land aussah, trotz des Tuchs wild und ungebändigt.

Killian und Rudolphus folgten ihnen, schoben sich das Kraut jedoch erst in den Mund, als sie ins Wasser sanken.

Die Kiemen, die Isabela bei sich selbst nicht sehen konnte, wirkten bei Killian und Rudolphus wie groteske Abgründe in ihrer Haut, die sich öffneten und schlossen, als sie Wasser einsaugten und die Luft herausfilterten.

„Wie fühlt es sich an?“, fragte Ariel. Ihre Stimme war genauso klar, wie sie es an Land gewesen war, wenn nicht sogar einen Deut klarer. Es kam Isabela vor, als konnte sie Ariels Worte direkt in ihrem Kopf hören, dabei sah sie wie sich ihre Lippen bewegten. Konnten sie ebenfalls unter Wasser sprechen?

„Das Kraut stellt eine Art Siegel dar. Wasser dringt nicht in euren Mund oder eurer Nase ein“, erklärte Ariel, als hätte sie Isabelas Gedanken gelesen. „Ich kann es schwer erklären. Es füllt euren gesamten Körper mit Magie.“

„W... Wieso“, begann Isabela, ihre eigene Stimme kratzig, beinahe unsicher, „hast du keine Kiemen, wir aber?“

Mit Eleganz und Leichtigkeit schwamm Ariel um Isabela herum, drängte ihren Körper zwischen ihre menschlichen Gefährten, obwohl der Tunnel kaum genug Platz für vier Leute bot. „Wir sind anders. Wir sind magische Wesen.“ Mit diesen Worten tauchte sie tiefer und ließ sie zusammen mit der Wasseroberfläche hinter sich zurück. Sie winkte ihnen zu. „Kommt.“

„Soweit so gut“, sagte Killian. „Jetzt kommt der einfache Teil.“ Seine Kehle entrannen keine Luftblasen, aber Isabela waren im Leben schon genug Magier über den Weg gelaufen und sie hatte schon genug Magie gesehen, um sich davon nicht abschrecken zu lassen. Sie hatten Kiemen und konnten unter Wasser problemlos miteinander kommunizieren – na und!?

„Ich weiß nicht...“, bemerkte Rudolphus, der sich mit einer Hand am Felsvorsprung festhielt, um nicht tiefer zu sinken. Ob seine Wolfkräfte hier unten funktionierten? Aber auch das würden sie im schlimmsten Fall noch herausfinden, doch dazu mussten sie sich jedoch erst einmal in Bewegung setzen.

Ein Grinsen zupfte an Isabelas Lippe und sie ignorierte Rudolphus unvollendeten Einwand. „Du hast recht, Hook-Darling. Der Dreizack wartet schon auf uns.“ Sie wandte sich, bis sie kopfüber war, und schwamm Ariel hinterher. Die Schwimmhäute zwischen ihren Fingern beschleunigten ihr Vorankommen. Ein Blick zurück bestätigte ihr, dass Killian und Rudolphus ihr folgten, als sie sich mehr und mehr von der Oberfläche entfernte.

Es gab kein Umkehren mehr, denn der Tunnel endete und mündete in einem tiefen Abgrund, den kein Tageslicht mehr erreichte. Das Nest der Meermenschen brauchte kein Licht, denn die Steine aus der die Unterwasserstadt gebaut war, leuchteten in ihrem eigenen und tauchten alles in ein blendendes Weiß.
 


 


 

Das Nest der Meermenschen befand sich in einem unterirdischen Tal, welches wie ein kreisförmiger Krater auf dem Grund des Ozeans lag. Kleine, muschelförmige Häuser lagen an den äußeren Rändern der weißen Unterwasserstadt, während in ihrer Mitte ein riesiger und offener Palast emporragte. Er glitzerte in seinem eigenen Licht und strahlte heller als all die kleinen Häuser. Trotz seiner Höhe reichte er nicht einmal bis zum oberen Rand des Kraters hinauf. Wie weit unten befanden sie sich? Von irgendeiner Gravitation spürte Killian nichts, obwohl der Mensch nicht dafür gemacht war, so tief zu tauchen. Lag das an dem Ort oder an dem Kraut? Magie war hier jedenfalls eindeutig am Werk.

Auf den ersten Blick wirkten die Gebäude aus Stein erbaut, aber beim näheren Hinsehen vermutete Killian, dass sie aus Korallen entstanden waren. Wenn die Meermenschen die Tiere kontrollieren konnten, lag es nah, dass sie mit jeglichem Leben unter der Wasseroberfläche in friedlicher Harmonie zusammenlebten.

Der Tunnel war nur noch ein dunkler Fleck im Gestein, durch den sie das Nest gefunden hatten. Killian markierte ihn sich gedanklich, denn sobald sie den Dreizack hatten, mussten sie sich schnellstens aus dem Staub machen. Sie konnten Ariel nicht ewig vorspielen, dass sie ihn sich nur ausborgten, um Pedro zu heilen, bevor sie ihn zurückbringen würden. Auch Naivität hatte seine Grenzen.

Die Meerjungfrau war aus der Ferne nur durch ihre grüne Schwanzflosse und ihrem feuerroten Haar erkennbar, welches wie ein Fächer um sie herum ausgebreitet war, wenn sie nicht durch das Wasser sauste.

Als sie merkte, dass ihre neugewonnenen Freunde nicht mithalten konnten, verlangsamte sie ihre Geschwindigkeit. „Wir müssen uns beeilen. Mein Volk reagiert nicht gut auf Menschen. Für sie seid ihr Eindringlinge, die unsere Magie stehlen wollen.“ Ihre Augen waren genauso klar, wie das Meer um sie herum.

Bunte Fische huschten um Steine und Korallen herum, die in riesigen Feldern in allerlei Farben um die Stadt herumwuchsen und in stetiger Bewegung waren. Es war ein verstecktes Paradies, das Menschenaugen für gewöhnlich versteckt blieb. Vielleicht war es aber auch das Letzte, was sie zu sehen bekamen, wenn sie ungefragt zu dem Nest der Meermenschen vordrangen, um es zu plündern.

Killian verzog das Gesicht, als er weiterschwamm. Sie waren nur weitere Plünderer, die hoffentlich ein besseres Schicksal erwartete. Unter einem nassen Grab hatte er jedenfalls stets etwas anderes verstanden.

Das Kraut hielt er in der Wange, während die Kiemen an seiner Halsseite es ihm erlaubten zu atmen, als würde er sich an Land befinden. Doch Ariel hatte recht gehabt, dass das Wasser weder in seinen Mund noch in seine Nase vordrang.

„Wie soll uns niemand sehen?“, fragte Isabela. Der spöttische Unterton fehlte jedoch, denn die Umstände gingen auch an der Piratin nicht spurlos vorbei. Ihre Augen streiften vielsagend über die freie Unterwasserlandschaft, in der es nicht einmal umherschwimmende Algen gab, die von ihnen ablenken konnten. Sie servierten sich den Meermenschen praktisch auf einem silbernen Tablett, mussten jedoch auf ihre Führerin vertrauen. Besonders schwer aufzuspüren konnte der Dreizack jedoch nicht sein, denn er konnte sich nur irgendwo in dem riesigen Palast befinden.

Auch der stille Wolf schien diesen Eindruck zu haben, wenn Killian seinen Blick richtig deutete, der starr auf den Palast gerichtet war, als könnte er durch die weißen Wände sehen.

„Keine Sorge“, versicherte ihnen Ariel jedoch. „Alle sind mit den Festlichkeiten beschäftigt. Keiner wird je wissen, dass ihr hier gewesen seid.“ Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, als sie über ihre Schulter zu ihnen zurücksah. Sie war wendig wie ein Fisch, wandte sich auf den Rücken und schwamm kurzzeitig rückwärts.

Mit ihrer Eleganz zog sie selbst Rudolphus’ Aufmerksamkeit auf sich, den sie ganz genau im Auge behielt. Allerdings las Killian keinerlei Angst mehr in ihrem Gesicht. Dort befand sich nur noch Faszination, ganz besonders für den Wolf. Es war eine Leichtigkeit die Blicke zwischen ihnen zu interpretieren, denn Killian war ein Experte auf diesem Gebiet. Ob Isabela es ebenfalls bemerkt hatte? Er schenkte ihr einen Seitenblick, bevor er sich wieder auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrierte. „Festlichkeiten?“

„Oh ja“, erwiderte Ariel, die sich in einer Rolle umdrehte und ihnen den Rücken mit zu viel Vertrauen kehrte. „Heute ist mein Geburtstag. Mein Vater lässt für jeden Geburtstag seiner Töchter eine Feier veranstalten. Jeder Bewohner ist eingeladen.“

„Das ganze Volk?“, stieß Isabela aus. Killian konnte die Skepsis aus ihrem Ton heraushören, die Ariels Ohren jedoch nie erreichte.

Die Meerjungfrau nickte. „Ja, sie wird in einigen Stunden beginnen. Im Moment sind alle mit den Vorbereitungen beschäftigt. Ich eigentlich auch. Es weiß niemand, dass ich mich rausgeschlichen habe, weswegen wir uns beeilen müssen.“

Isabela und Killian tauschten einen Blick aus, denn Worte brauchten sie dazu nicht. Ihr Zeitfenster war ein weiteres Mal kleiner geworden, nachdem sie das Problem des Ertrinkens gelöst hatten. Selbst wenn die Felsformation von der Flut komplett unter Wasser gesetzt wurde, konnten sie mit dem Kraut entkommen. Allerdings stellte es ein weitaus größeres Problem dar, sich ungesehen aus dem Palast zu schleichen, sobald die ersten Gäste eintrudelten. Es war ironisch, dass sie unwissend diesen Festtag gewählt hatten, um den Dreizack des Königs zu stehlen. Nicht zu vergessen, dass sie ausgerechnet die Hilfe des Geburtstagskindes in Anspruch nahmen. Das wird ein Geburtstag, den Ariel nicht so schnell vergessen würde. Keiner von ihnen.

„Dann sollten wir wohl die Beine und Flossen in die Hand nehmen“, gab Isabela von sich, als sie den Rand der Unterwasserstadt erreichten.

Killians Stiefel berührten den sandigen Boden des Tals, aus dem hier und da Pflanzen wuchsen und sich in den sanften Wellen bewegten.

Ariel legte den Finger an die Lippen, um ihnen Ruhe zu signalisieren, als sie zwischen den muschelförmigen Häusern hindurchschwammen. Es war ein Schwimmen und Schweben, so kam es Killian jedenfalls vor. Unendlich frei und federleicht.

Gemeinsam suchten sie sich den Weg zwischen den Häusern hindurch, geführt von Ariel, die im Zickzack hin- und herhuschte, als vergaß sie gelegentlich, dass ihre Begleiter keine Flossen besaßen.

Der Palast wuchs in seiner Größe, ragte weit über ihre Köpfe hinweg, obwohl sie ihn vor wenigen Minuten noch von oben betrachtet hatten. Majestätisch und glitzernd stand er in der Mitte des Nests der Meermenschen und bot mit seinen vielen Öffnungen Zutritt für jeden. Er lud sie in stummer Geste ein, um sich im Inneren umzusehen und ihn um ein paar seiner Schätze zu erleichtern.

„Ich werde euch zu meiner Kammer führen. Von dort ist es nicht weit bis zum Thronsaal“, flüsterte Ariel, als sie den Palast erreichten. Sie schwamm zu einer der Öffnungen in dem Gestein und sah dem Gang auf und ab, ehe sie Isabela, Rudolphus und Killian heranwinkte.

„Nahe des Thronsaals...“, murmelte Isabela, selbst unter Wasser so verständlich, als würde sie direkt in Killians Ohr flüstern.

Er fing ihren Blick auf – und war sich sicher, dass ihnen derselbe Gedanke durch den Kopf ging. Sie brauchten ein Ablenkungsmanöver, um Ariel loszuwerden. Es wäre einfacher, sie jetzt, da Ariel sie noch für gutherzige Samariter hielt, abzuschütteln, anstatt wenn sie mit dem Dreizack wieder in der Höhle waren und ihre wahren Absichten zeigten. Eine melodische Note von Ariel würde ausreichen, um ihnen die Meerestiere auf den Hals zu hetzen und ihre Flucht zu vermasseln.

„Lenk sie ab“, wisperte Isabela und ihre Finger krallten sich in seinen Oberarm, so dass es selbst durch sein nasses Hemd spürbar war, welches wie eine zweite Haut an ihm klebte. Die Kiemen an ihrer Halsseite filterten unablässig den Sauerstoff aus dem Wasser und zogen Killians Blick auf sich.

Sich losreißend schwamm er voraus, um mit Ariel aufzuholen. „Wie alt wirst du?“, fragte er, als seine Finger ihre nackte Schulter berührten. Ihre Haut fühlte sich so glatt wie Glas im Wasser an.

„Zwanzig Jahre“, sagte sie, als sie Killian und die anderen in den Gang hineinführte. Auch im Inneren des Schlosses leuchtete das Gestein und tauchte alles in ein helles Licht, beinahe als würden sie sich an der Wasseroberfläche befinden.

„Das ist ein reifes Alter...“, bemerkte Killian mit gesenkter Stimme und schwamm neben ihr her. Sie verlangsamte ihr Tempo für ihn, als sie ihn durch die verworrenen Gänge führte, aus welchen der Palast bestand. Glücklicherweise brauchten sie bei all den Öffnungen keine Befürchtungen zu haben, den Ausgang nicht mehr zu finden. Anders als die Schlösser von Königen an Land war der hier für das gesamte Volk zugänglich und erinnerte nicht im Geringsten an eine Festung.

„Reif? Bei uns ist das fast noch Kindesalter.“ Ariel stieß ein Kichern aus, von dem Killian nicht wusste, dass sie dazu fähig war. Andererseits kannte er sie eine gute halbe Stunde, er kannte sie überhaupt nicht und wusste rein gar nichts über ihre Herkunft und Kultur. Ihre Worte allein bestätigten es ihm, obwohl es besser so war. Umso weniger er wusste, umso einfacher würde ihm der Diebstahl fallen. Er konnte dank seines Charmes schnell Beziehungen aufbauen, doch sie hielten meist nicht länger als eine Nacht. In diesem Fall würde es aber wohl eher einen halben Tag.

Ein offener Durchgang führte in Ariels Gemach, das aus einem breiten Bett bestand, welches das Unterteil einer Muschel war. Ein kreisrundes Loch im Gestein bildete das Fenster und erlaubte einen Blick auf das restliche Königreich, während die Wände mit allerlei Algen und Unterwasserpflanzen geschmückt waren, die dort gewachsen waren. Auf Killian wirkte es eher wie eine moderige Höhle, wäre es nicht um den Glanz der Korallen gewesen, die sich in den Ecken angesiedelt hatten.

„Das ist meine Kammer“, verkündete Ariel, die in ihrer Euphorie einen Kreis durch das Zimmer schwamm, welches sie bewohnte. Sie streckte die Arme aus, als wollte sie alles auf einmal umarmen. Dabei sah es für Killian nicht sehr persönlich aus, dieser kleine Schnickschnack fehlte, den Menschen nach Jahren mehr und mehr ansammelten.

„Meine wahren Schätze befinden sich woanders. In einer Höhle. Ich war auf dem Weg dorthin, als ich euch getroffen habe“, entwich es ihr leiser, als sei sie in der Lage seinen Gedanken zu lesen. Aber das war unmöglich, denn ansonsten würde sie nicht dieses strahlende Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht tragen und ihm dieses Geheimnis anvertrauen.

Sie kam auf ihn zugeschwommen und ihre schmalen Finger berührten den Griff seines Schwerts, das an seinem Gürtel hing. Liebevoll strichen sie über das Metall. „Manchmal... da finde ich Sachen aus eurer Welt. Sie werden angeschwemmt.“ Das Lächeln nahm etwas Trauriges an, als sie zu Killian aufsah und sich ihre klaren Augen in ihn hineinbohrten, so dass es Killian innehalten ließ. „Aber mein Vater verbietet, dass wir sie uns auch nur näher ansehen, geschweige denn behalten. Er sagt, dass sie unser Verderben darstellen. Dass sie schlecht sind und die Menschen auch. Aber das glaube ich nicht.“

Ariel war ihm so nah, dass er ihren Atem auf seiner Haut gespürt hätte, wenn sie sich nicht so viele Meilen unter der Oberfläche befinden würden. Seine Mundwinkel hoben sich. „Du solltest es glauben.“

Sie drehte den Kopf zur Seite und ließ den Blick durch ihre Kammer wandern, obgleich sie diese in- und auswendig kannte. „Ihr seid nicht schlecht. Ihr riskiert euer Leben, um das Leben eures Freunds zu retten.“

„Es gibt eben nur eine Handvoll Dinge für die es sich lohnt, sein Leben zu riskieren“, erwiderte Killian. Zu diesen Dingen zählte aber ganz bestimmt nicht Pedros Leben, denn Isabelas Handlanger konnte ihn kaum weniger kümmern. Er riskierte es nur für Liebe und Rache.

„Da seid ihr ja“, ertönte Isabelas Stimme hinter ihnen, als sie ebenfalls die Kammer erreichte. Ihr Blick glitt umher, auf der Suche nach Kostbarkeiten, die man sich in den Ausschnitt stecken und herausschmuggeln konnte. „Habt ihr Rudolphus gesehen? Einen Moment schwamm er hinter mir, im nächsten war er fort. Ich dachte, er wäre bei euch.“

„Ich dachte, er wäre bei dir“, gab Killian zurück. Allerdings erkannte er ein Ablenkungsmanöver, wenn er eines zu hören bekam. Er wandte sich Ariel zu, die bei diesen Neuigkeiten auf den Rand ihres Bettes gesunken war. „Was, wenn er verloren gegangen ist und irgendjemand über den Weg läuft?“

„Ich...“, begann Ariel. Ruckartig schwamm sie auf die Öffnung im Gestein zu, die zu klein war, als dass sie hindurchpasste. Doch sie schielte hinaus, um nach dem Wolf Ausschau zu halten. „Ich... Ich werde ihn suchen. Ihr wartet hier. Wenn ich ihn gefunden habe, bringe ich ihn hierher und danach bringe ich euch zum Dreizack.“

Sie wartete nicht auf eine Antwort, sondern schwamm mit rasanter Geschwindigkeit aus der Kammer, so dass Isabela ihr ausweichen musste. Ihr Vater organisierte Geburtstagsfeste für seine Töchter, aber scheinbar besaß er auch ein außerordentliches Temperament, wenn Ariels Panik eine Andeutung dafür war.

„Rudolphus?“, fragte Killian, als er um die Wand lugte, um sicherzugehen, dass sie allein waren.

Isabela presste sich neben ihn an die Wand und lächelte ihm zu. „Irgendwo im Palast. Ich hab ihm gesagt, dass er außer Sicht bleiben soll.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Das ist unsere Gelegenheit, Hook.“ Killians Handgelenk packend zog sie ihn mit sich aus Ariels Gemach. Sie lachte den Risiken ins Gesicht, genau wie ein richtiger Pirat es tat.

- Dreizack -

Ferne Stimmen ertönten und Killian und Isabela schwammen direkt in ihre Richtung. Nun war es jedoch zu spät, um den Schwanz einzuziehen und sich aus dem Staub zu machen. Entweder sie schnappten sich den Dreizack oder sie würden auffliegen.

Hook schien ihrer Meinung zu sein, denn auch er zögerte nicht. Er schwamm hinter ihr durch die verlassenen Gänge des Unterwasserpalasts, dessen Wände regelmäßig von unterschiedlich großen Öffnungen unterbrochen wurden. Sie gaben Sicht auf die muschelartigen Häuser, auf das kleine Königreich und den bunten Ozeanfischen, die ziellos umherglitten.

Isabela hatte nur einen unwirschen Blick für sie übrig, denn ihre Konzentration galt nur den anschwellenden Stimmen. Sie klangen klar und melodisch, abgesehen von der einzig tiefen, die ein Beben durch das Wasser schickte. Sie war wie ein Donnerschlag, der bei Isabela für eine Gänsehaut sorgte.

Noch bevor sie den Thronsaal erreicht hatten, wusste Isabela bereits, wem sie gehörte. Das Temperament von Triton, dem König der Meermenschen, war ein geläufiges Gerücht, das man in jeder Taverne unter den Seemännern mit etwas Rum in Erfahrung bringen konnte. Dabei stritten sie im nüchternen Zustand oft die Existenz des Meermenschennests ab. Isabela lebte noch nicht allzu lange in dieser zuckersüßen Welt mit ihrem Gesülze über die wahre Liebe und dem Guten, das stets über dem Bösen triumphierte, und wusste dennoch, dass es das Nest gab, während andere ihr ganzes Leben von Reichtümern und Abenteuern träumten ohne sie sich zu holen. Armselig.

Isabela stoppte ihre Schwimmbewegungen und sank lautlos auf den sandigen Boden, um am Ende des Ganges zu hocken, der in der riesigen Halle mündete. Auch Hook hielt inne und spähte stattdessen über ihre Schulter in den offenen Raum hinein. Säulen mit verschnörkelten Mustern stützten die hohe Decke und Korallen zierten die Ecken und Wänden und verliehen dem riesigen Zimmer Farbe und Leben mit ihren tänzerischen Bewegungen.

Drei Meermenschen befanden sich in ihm und debattierten miteinander. Obwohl Isabela nicht behaupten konnte, besonders viel Zeit in der Gegenwart der Reichen und Schönen verbracht zu haben, verstand sie sofort das Schauspiel, das sich vor ihren Augen abspielte.

„Sie haben deinen Werwolf“, murmelte Hook links von ihrem Ohr.

„Ich habe keine Tomaten auf den Augen, Darling“, flüsterte Isabela.

Rudolphus war nun wirklich unverkennbar, allein an seinem kräftigen Körperbau und seinem grimmigen Gesicht – vor allem jedoch seine zwei Beine ließen ihn unter diesen ollen Fischmenschen hervorstehen. Zwei von diesen zu groß geratenen Fischen hatten ihn in Gewahrsam genommen und mit ihren Speeren auf die Knie gezwungen. Mit gesenktem Kopf und angespannten Schultern, unter seinem nassen und hautengen T-Shirt deutlich sichtbar, kniete er vor Triton.

Die glänzende Krone aus purem Gold hatte Isabelas Aufmerksamkeit als erstes auf sich gezogen und tat es noch immer. Sie saß auf weißgrauem Haar, die dem König in leichten Wellen bis zu den Schultern hinunterreichten und sich kaum von den ebenso langen Barthaaren unterschieden. Der nackte Oberkörper des Meermannes war trotz seines reifen Alters muskulös und seine Schwanzflossen hatten dasselbe Blau wie seine Augen, in denen ein zorniges Funkeln lag.

„Wie hat er es hierher geschafft!?“, donnerte Triton, der sich ruckartig von seinem Thron abstieß und ein paar Meter auf seine Untertanen und seinen Gefangenen zuschwamm. „Wie bist du hierher gelangt? Und wie atmest du, Mensch? Da steckt Magie dahinter!“, brüllte er Rudolphus an, anstatt auf eine Erklärung seiner Wachen zu warten.

Ihre ängstlichen Gesichter sagten Isabela jedoch, dass sie keine Ahnung hatten. Das war gut. Vielleicht wusste noch niemand, dass Rudolphus nicht allein in das Nest eingedrungen war. Rudolphus gab keinen Mucks von sich, aber darum machte sich Isabela ohnehin keine Sorgen. Er hasste Autoritätspersonen und führte Befehle ohnehin nur nach seinem eigenen Ermessen aus, wenn er es überhaupt tat.

„Er wird uns nicht verraten“, wisperte Isabela in Hocks Richtung und sah aus den Augenwinkeln, wie er den Kopf zu ihr drehte.

„Aus Loyalität?“

Isabela musste ein belustigtes Schnauben unterdrücken. „Sturheit“, korrigierte sie und Hook zuckte mit den Schultern. Offenbar war ihm der Grund für Rudolphus’ Schweigsamkeit genauso egal wie Isabela, solange er weiterhin den Mund halten würde.

„Du willst nicht sprechen?“, fuhr Triton ihn an und kam ein weiteres Stück auf den Wolf zu, der desinteressiert den Blick hob. Beinahe so, als hätte er einen Todeswunsch, aber vielleicht lag Isabela damit gar nicht so falsch. Immerhin wusste sie rein gar nicht über seine Vergangenheit. Aber viel wichtiger, beherrschten Meermenschen die Kunst der Folter? Wenn ja, wie viel konnte Rudolphus wegstecken, bis ihm doch etwas herausrutschte? Und obwohl Isabela bezweifelte, dass sie ihn so einfach brechen konnten, wollte sie es eigentlich auch nicht herausfinden.

Sie stieß Hook den Ellenbogen in die Magengrube und deutete zum verlassenen Thron hinüber, der sich nicht unweit von ihnen befand. An seiner Seite lehnte der Dreizack und schimmerte in seinem ganz eigenen magischen Licht, fast so wie das Gestein der Palastwände. „Das ist unsere Chance!“

Hook hob die Brauen. „Willst du Rudolphus nicht retten? Ich hatte den Eindruck, dass ihr ein eingespieltes Team seid. Irgendwie zumindest.“ Ein neckendes Grinsen schaffte es trotz ihrer Lage auf seine Lippen, das Isabela ihm am liebsten mit ihrer Faust weggewischt hätte.

„Wie soll ich ihn retten, wenn mich dieser Königsfisch jede Sekunde mit seinem Dreizack in eine Mikrobe verwandeln kann? Erst der Dreizack, dann Rudolphus.“ Vielleicht war Rudolphus danach an der Reihe. Sie war sich noch nicht sicher, aber das musste Hook nicht unbedingt wissen.

„Okay“, erwiderte Hook. „Soll mir recht sein.“

Ihre Blicke richteten sich wieder in den Thronsaal hinein. Eine Säule trennte sie von dem Thron und dem Dreizack. Isabela packte Hook am Arm und zog ihn zu sich heran, bis ihre Lippen sein Ohr streiften. „Du wartest hier. Ich schnappe mir den Dreizack und schleich mich hierher zurück.“

„Ich komme mit dir“, antwortete er und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. Er vertraute ihr nicht, wurde Isabela klar. Diese Erkenntnis brachte sie zum Schmunzeln. Hook besaß einen gesunden Menschenverstand, das musste sie ihm lassen. Ihr zu vertrauen, wäre dumm gewesen. Letzten Endes stellte es keinen Unterschied dar, was für ein gutes Team sie abgaben oder nicht, denn nur einer von ihnen konnte der Königin den Dreizack überbringen und seine Abmachung erfüllt bekommen. Ansonsten hätte sich diese Regina nicht die Mühe gemacht, Hook und Isabela getrennt voneinander loszuschicken. Es gab keine Extrawünsche, dessen war sich Isabela bewusst.

„Du bewegst dich wie ein schusseliger Templer in einem Porzellangeschäft, Schätzchen“, fasste Isabela den Grund zusammen, weshalb Hook sie nicht begleiten konnte. „Aber wenn du dich erwischen lassen willst... bitte, schnapp ihn dir, Mabari.“

Eine Mischung aus Wut und Verwirrung zeichnete sich auf Hooks Gesicht ab. „Templer? Mabari? Du sprichst in Rätseln, Isabela!“

Doch sie hielt sich nicht mit sinnlosen Erklärungen auf, sondern erhob sich aus ihrer knienden Haltung. Das Wasser ließ jede Bewegung federleicht und um ein Vielfaches eleganter wirken. Es blieb nur zu hoffen, dass es ihre Schleichfähigkeiten nicht einschränkte und sich letztendlich als Hindernis herausstellte. „Ich zeige dir, was ich meine“, flüsterte Isabela und presste nasse Lippen auf seine ebenso nasse Wange.

Bevor Hook nach ihrem Handgelenk greifen konnte, entzog Isabela sich ihm bereits. Ihre Schritte waren stets lautlos, unter Wasser sogar ganz ohne ihr zutun. Doch sie musste aufpassen, dass sie das Wasser nicht aufwühlte und somit die Aufmerksamkeit der sich streitenden Meermenschen auf sich zog.

Sie glitt von ihrem gemeinsamen Versteck zur Säule hinüber. Ihr Gestein war rau unter Isabelas Fingerspitzen. Sie presste ihren Körper eng gegen sie, ehe sie sich langsam an ihr entlang schob. So auffällig sie sein konnte, hatte sie in all ihren Jahren auf See die Kunst des Unscheinbarseins perfektioniert. Mit kleinen Taschendiebstählen hatte sie damals angefangen und sich zu den richtigen Reichtümern hochgearbeitet – und nun war sie hier und kurz davor einem König etwas vor der Nase zu klauen.

Ihre Mundwinkel zuckten in die Höhe, als sie in einem unachtsamen Moment zum Thron schwamm und hinter dem massigen Ornament in Deckung ging. Ihre Finger streckten sich nach ihm aus und sie berührte das Silber. Aus der Ferne hatte es wie mehr von dem Gestein gewirkt, aber beim Genaueren hinsehen war der Thron glatter und glänzender. Wie hatten sie Silber hier hinunterbekommen und diesen Thron daraus angefertigt? Steckte da Magie dahinter? Oder ein längst verdrängter Handel mit den Menschen? Gab es einst doch einmal Kontakt zwischen den zwei Völkern?

Nein! Sie durfte sich nicht davon ablenken lassen.

Ihre Augen kehrten zu dem Dreizack zurück, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war.

Bevor sich Isabelas Finger um den langen Griff des Dreizacks schließen konnten, erfüllte eine helle Stimme den Raum. „Vater!“ Ariel kam schnell wie ein Blitz in die Halle geschwommen, ihre Augen verengt, obwohl ihre zusammengezogenen Augenbrauen eher Besorgnis als Wut ausdrückten. „Er hat nichts gemacht. Er ist unschuldig.“

In den Schatten verharrend beobachtete Isabela das Geschehen, während auch Hook sich etwas zurückzog, um nicht bei Versehen entdeckt zu werden.

Tritons Blick gehörte jedoch ganz allein seiner Tochter und seine Hände ballten sich zu Fäusten. „D-Du kennst ihn!?“, bellte er. „Sag mir, dass du ihm nicht geholfen hast, den Weg ins Nest zu finden!“

Die Wachen zuckten zusammen und Rudolphus drehte den Kopf zur Seite, um Ariel zumindest aus den Augenwinkeln mustern zu können. Seine Gesichtsmuskeln lockerten sich und für einen kurzen Moment öffnete sich sein Mund, als wollte er etwas sagen, tat es jedoch nicht.

Ariel straffte die Schultern, als sie vor Rudolphus, den Wachen und ihrem Vater auf der Stelle schwamm. „Er... er war am Ertrinken, Daddy“, entrann es ihr und ihre Stimme wackelte nur für den Bruchteil einer Sekunde. Würde Triton die Zornesröte nicht ins Gesicht steigen, wäre es ihm womöglich aufgefallen.

„Du warst schon wieder an der Oberfläche?“, brüllte er. „Wie oft soll ich es dir noch sagen, dass du dich unter keinen Umständen den Menschen annähern sollst? Sie sind machtbesessen und zerstören alles, was sie anfassen!“

„Das glaube ich nicht“, konterte Ariel und auch ihre Hände formten sich zu Fäusten, die Arme stramm an ihren Seiten herunterhängend. „Wie können sie schlecht sein, wenn sie ihr Leben riskieren, um einen Freund zu retten?“

Ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht, doch... Isabela kannte sich damit aus. Man steckte es weg und machte weiter. Ihre Finger schlangen sich um den Dreizack, um ihn in Zeitlupe zu sich heranzuziehen, weiter und weiter aus dem Sichtfeld der Anwesenden.

„Und wo sind diese Leute, die ihn retten?“, donnerte Triton und Ariel biss sich auf die Unterlippe.

„Sie...“, begann sie, beendete ihren Satz nicht, obwohl Isabela für einen Moment in der Vorstellung, dass Ariel sie verraten würde, erstarrte. Das war nicht der richtige Augenblick für die nackte Wahrheit, nicht mit Hook im Gang und Isabela hinter dem Thron. Triton brauchte sich nur nach dem Dreizack umzudrehen, um...

Isabela schüttelte den Gedanken ab und presste den Dreizack stattdessen dicht an ihren Körper, um ihn von fremden Augen zu verdecken.

„Ich kann nicht glauben, dass du schon wieder gegen die Regeln verstoßen hast“, fuhr Triton fort, als Ariel nicht weitersprach. „Und dann bringst du auch noch einen Menschen zu uns, obwohl du weißt wie gefährlich sie sind. Dass sie schon seit Anbeginn der Zeit hinter unserer Magie her sind und alles tun, um sie zu bekommen.“ Er schüttelte den Kopf und fuhr sich mit einer Hand resigniert über das Gesicht, während Isabela ungesehen zur Säule zurückhuschte, das Wasser still und bewegungslos.

Ariel bewegte sich in die Richtung ihres Vaters, hielt jedoch inne, als er die Hand sinken ließ. „Geh in deine Kammer und bleib dort, während ich... mich um diesen Menschen kümmere.“ Seine Stimme war fest und kälter als Eis.

„Aber Daddy, er ist...“

„Ich will kein Wort mehr hören!“, unterbrach er sie und Ariel zuckte zurück.

Isabela beobachtete es, bevor sie zu Hook um die Ecke schlich und somit aus dem Thronsaal hinaus.

Sogleich wurde sie von Hook an den Schultern gepackt und an die Wand gepresst, dessen Unebenheit sich in ihren Rücken presste. „Wurdest du gesehen?“

„Glaubst du, dass wir dann noch hier stehen würden, Darling?“, erwiderte sie und grinste. Der Dreizack befand sich wie ein weiterer Liebhaber zwischen ihnen, als sie sich anstarrten. Ihre Blicke hielten einander, bevor Hook sich vorlehnte und sein Mund mit ihrem kollidierte. In dem Kuss lag keinerlei Sanftheit, aber eine Wildheit, angespornt von diesem Abenteuer und dem Gefühl des Sieges.
 


 


 

Das hier war mehr, mehr als nur bloße Rache. Zum ersten Mal seit einer halben Ewigkeit fühlte sich Killian wirklich lebendig. Der Kuss schmeckte nach Salz und den Algen, die sich noch immer in ihren Mündern befanden und ihnen das Atmen erlaubten.

Isabelas Hand an seinem Brustkorb schob Killian letztendlich weg und brach die Verbindung ihrer Lippen. Killian öffnete die Augen, während die laute Unterhaltung von Triton und Ariel wieder zu ihm vordrang.

„Ich würde das ja gern fortsetzen, aber ausnahmsweise bin ich nicht an Zuschauern interessiert, Darling“, säuselte die Piratin, aber die Erwiderung blieb Killian im Hals stecken, als die Stimme Tritons durch die Halle dröhnte.

„Bringt ihn weg, bis ich entschieden habe, was ich mit ihm mache.“

„Aber Daddy—“

„Kein Wort mehr Ariel!“

Sie mussten hier weg. Das war weder der richtige Ort, noch der richtige Zeitpunkt, um nun leichtsinnig zu werden und sich zu etwas Dummen hinreißen zu lassen. Dieses Mal packte Killian Isabela am Handgelenk und zog sie den Gang hinunter.

„Lass uns durch eine der Öffnungen schwimmen und hier verschwinden“, schlug Isabela vor, doch Killian schüttelte den Kopf. „Was, entwickelst du dich nun, da wir den Dreizack haben, zum Angsthasen, Hook?“ Sie schnaubte, was unter Wasser einem Blubbern gleichkam.

Killian ließ sich nicht davon beirren, sondern zerrte sie weiter, den gesamten Weg zu einer Nische, die ihre Anwesenheit auf den ersten Blick vorerst verbarg. Seine Hand wanderte von ihrem Unterarm zur Ellenbeuge hinauf, sein Griff fest. Es verschaffte ihm Isabelas komplette Aufmerksamkeit, obwohl noch immer stille Belustigung in ihren dunklen Augen schwamm. Obendrein nahm er ebenso die Wachsamkeit in ihrer Haltung wahr. Sie lauerte dicht unter der Oberfläche und machte sie zu der Kämpferin, die sie war. Isabela war ein Raubtier, dessen Überleben an erster Stelle stand – und Killians Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt behaupten, dass du einen deiner eigenen Männer zurücklassen willst, Isabela.“

„Und das ist ein Problem, weil...?“, fragte sie. Ihre Finger waren noch immer um den Dreizack geschlossen. Sie würde ihn auch zukünftig keine Sekunde aus den Augen lassen. Eine Auseinandersetzung war unausweichlich, denn Killian würde Regina den Dreizack übergeben. Aber dieser Kampf musste warten. Das würde nur unnötig die Aufmerksamkeit auf sie ziehen. Es war ohnehin ein Wunder, dass der fehlende Dreizack noch nicht entdeckt worden ist.

„Wenn wir Rudolphus zurücklassen, wird er irgendwann etwas verraten“, entwich es Killian, als er Isabela trotz der Eile einen Moment langer zurückhielt. „Du verschwindest vielleicht in deine Welt, aber mein Ruf eilt mir hier voraus. Außerdem ist das Meervolk laut den Legenden nicht für ihr Vergessen und Vergeben bekannt.“

„Rede weiter und es werden ganz andere Gerüchte in Umlauf geraten“, erwiderte Isabela und riss ihren Arm los. „Nämlich, dass der böse Hook in Wirklichkeit Angst vor seinem eigenen Schatten hat und sich nur hinter seiner Piratenmaske und seinem Haken versteckt.“ Ein spöttisches Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen und Killian wollte es ihr am liebsten mit dem Handrücken aus dem Gesicht schlagen.

Bevor er seine Hand heben konnte, ertönten erneute Stimmen. Sie ließen sowohl Killian als auch Isabela einfrieren, die sich dicht aneinander in die Nische drängten, den Dreizack mit ihren Körpern abschirmend.

Killian hielt den Atem an und sein Herz pochte spürbar hinter seinem Brustkorb, als die Stimmen anschwollen. Er war ein Idiot. Er hatte sich von Isabela fast provozieren lassen, dabei wartete sie doch nur auf eine Gelegenheit, um ihn loszuwerden, auf einen Fehler seinerseits.

Die Wachen aus dem Thronsaal schwammen vorbei, vor ihnen Rudolphus, auf den noch immer die Speere zeigten. Wieso wehrte er sich nicht und versuchte sich zu befreien? Ließ er sich freiwillig abführen? Warum? War es aus einer merkwürdigen Loyalität zu Isabela, obwohl sie ihn ohne Bedenken den Haien zum Fraß vorwarf, sobald sie keinen Nutzen mehr aus ihm ziehen konnte?

Er drehte den Kopf in Isabelas Richtung, als ihre Stimmen verklangen. „Selbst als Pirat besitze ich noch einen gewissen Ehrenkodex.“ Mit diesen Worten schaute er um die Ecke und begann hinter ihnen herzuschwimmen. Killian riskierte sein Leben nur für zwei Dinge, Liebe und Rache. Die Rettung seines momentan Verbündenden schob er auf einen verquerten Akt der Rache, um sich selbst zu beweisen, dass nicht ganz so abgestumpft wie Rumpelstilskin war, welcher der Frau, die er angeblich geliebt hatte, aus Rache das Herz aus der Brust gerissen hatte.

Die Erinnerung an Milah sorgte für einen Stich im Herzen, doch Killian ignorierte ihn. Er würde diesen Rudolphus befreien und anschließend mit der Hilfe des Wolfs zu Isabela aufholen, um sich den Dreizack zu erkämpfen. Selbst der Werwolf musste einsehen, dass seine Loyalität der falschen Person gehörte, ihn davon zu überzeugen wäre nach der Rettung ein Kinderspiel.

Die Wachen schwammen mit Rudolphus durch etliche Gänge, die tiefer ins Innere des Palastes führten, weg von den Öffnungen in den Wänden, die ihnen jederzeit als Tore in die Freiheit gedient hätten. Zudem bewegten sie sich stetig tiefer, bis sie eine Kammer erreichten, die Ariels ähnelte.

Anstatt den Wachen hineinzufolgen, versteckte er sich hinter riesigen Korallen, die in der Form eines kleinen Waldes mitten im Gang standen, stumm und starr. Er duckte sich hinter ihnen und spähte um sie herum. Die Unterhaltung ließ sich nicht verfolgen, aber dass er sie hörte sagte Killian, dass sein Instinkt ihn nicht getäuscht hatte. Da vorn befand sich der sogenannte Kerker, was bedeutete, dass die Wachen hier entlang zurückkommen würden. Sein Versteck war nicht perfekt, aber die Korallen verbargen ihn mindestens genauso gut, wie die kleine Nische es getan hatte. Außerdem gingen sie noch nicht davon aus, dass sich mehr als ein Eindringling im Palast befand, was Killian nur in die Hände spielte.

Er wartete und wartete. Isabela war mit dem Dreizack garantiert schon über alle Berge. Hoffentlich hatte er sich in seinem Plan nicht geirrt, aber mit Rudolphus’ Sinne sollte es eigentlich einfach sein, Isabela wieder aufzuspüren.

Seine Gedanken wurden je unterbrochen, als sie Wachen die muschelartige Tür der Kammer zuschoben und in Killians Richtung schwammen. Er duckte sich hinter die Korallen und zog den Kopf ein, bis sie an ihm vorbei waren.

Erst als er sicher war, dass sie weit genug weg waren, bewegte er sich auf die Gefängniskammer zu. Seine Augen zuckten hin und her, aber es gab keinen Öffnungsmechanismus. Killian presste seine Finger in den winzigen Hohlraum zwischen der Muschel und dem Gestein, um sie aufzuziehen. Er zog und zerrte an der Tür, aber sie bewegte sich kein Stück. Machte er irgendetwas falsch? Bei den Wachen hatte es furchtbar einfach ausgesehen. Was hatten sie gemacht, damit sich die Kammer öffnete? Sie waren vor ihr zum Stehen gekommen und... einer von ihnen hatte die Hand nach der Muschel ausgestreckt. Und dann? Sein Körper hatte Killian die Sicht versperrt. Es musste einen Mechanismus geben, so viel stand jedoch fest.

Er presste seine Handfläche gegen die Muschel und spürte die Härte unter seinen rauen Fingern. Auch hier war Magie im Spiel, die Magie der Meermenschen, mit der sich niemand anderes auskannte. Ein frustrierter Laut entkam Killians Lippen, als seine Hand an der riesigen Muschel herabsank. Er war begleitet von einem winzigen Beben, ehe die Muscheltür sich aufklappte.

Killian zuckte zurück, um nicht getroffen zu werden, während er mit zusammengezogenen Augenbrauen den geöffneten Durchgang betrachtete. Warum hatte er sich geöffnet? War es die Berührung gewesen? Egal. Es spielte keine Rolle. Die Tür hatte sich geöffnet und das war das einzige, was zählte.

Killian schwamm in die Kammer hinein, die groß war, größer als nur für eine Person. Fast rechnete er damit, dass die Muscheltür sich hinter ihm wieder schloss, aber sie blieb offen stehen. Sie musste geschlossen werden, so hatten es jedenfalls die Wachen getan.

Auch hier erleuchtete das Gestein den Innenraum und einfache Säulen ohne jegliche Verzierungen stützten die Decke. Rudolphus saß in der Ecke auf einer Steinbank, die aus der Wand herausragte. Sein Gesicht war ausdruckslos, als er Killian anschaute, weder spiegelte sich in ihm Überraschung ab, noch Erleichterung. Wenn Killian es nicht besser gewusst hätte, hätte er glatt behauptet, dass sich Rudolphus mit seinem Schicksal abgefunden hatte. Wollte er sterben?

„Auf was wartest du? Lass uns gehen“, entwich es Killian, als der Wolf bewegungslos sitzen blieb, die Unterarme auf den Oberschenkeln gebettet.

„Jemand ist auf dem Weg hierher“, brummte dieser.

Es dauerte einige Momente, bis Killian diese Worte einordnen konnte und er fuhr herum. Der Gang, durch den er gekommen war, war verlassen. „Bist du sicher?“

„Werwolfsinne“, erwiderte Rudolphus. „Sie funktionieren zum gewissen Teil selbst hier unten.“

Killian biss die Zähne aufeinander, das Kraut halb dazwischen und halb in seiner Wange. Verdammt. Er schwamm zur Tür zurück und zog sie von innen zu, sich selbst mit Rudolphus einsperrend. Vielleicht hätte er nicht für ihn zurückkommen sollen, andererseits war es dafür nun zu spät. Seine einzige Möglichkeit bestand darin, die Wache, die durch die Tür trat, zu überwältigen und dann mit Rudolphus zu flüchten.

„Kommst du mit mir?“, fragte er an den Werwolf gerichtet, der den Kopf schräg legte.

„Wenn ich glaube, dass wir eine Chance des Verschwindens haben.“

Killian machte sich erst gar nicht die Mühe darüber nachzudenken, was diese Aussage bedeuten sollte, sondern zog stattdessen das Schwert aus der Scheide an seiner Hüfte. Nun würde sich herausstellen, wie hilfreich es in einem Kampf unter Wasser war. Sich links von der Öffnung zur Kammer an das Gestein pressend wartete Killian ab. Sein Blick ruhte auf Rudolphus, der ins Leere starrte, als er den Geräuschen und Schwingungen im Wasser lauschte. War er in der Lage die Bewegungen im Wasser wahrzunehmen? War sein Gehör wirklich so feinfühlig?

Etwas zuckte über Rudolphus’ Gesicht, zu kurz, als dass Killian die Emotion deuten konnte. Irritation? Verwirrung? Es war mehr, als Rudolphus ihm bei seinem Auftauchen entgegengebracht hatte, aber... wahrscheinlich hatte er da längst gewusst, dass irgendjemand vor der Tür stand.

Ein Nicken seinerseits folgte – und Killian wusste – wusste! – dass das der entscheidende Moment war. Der sandige Boden unter seinen Stiefeln erzitterte und die Muscheltür schwang erneut auf.

Killians Griff um sein Schwert festigte sich, doch das ruckartige Aufstehen von Rudolphus lenkte ihn ab. Was zum Teufel? Er brach den Angriff ab, bevor er begonnen hatte, als er Isabela erkannte, die durch die Öffnung geschwommen kam. In ihrer Hand trug sie noch immer den Dreizack und auf ihren Lippen lag das altbekannte Schmunzeln. „Wen habt ihr erwartet? Die Wachen?“

„So etwas in der Art“, erwiderte Killian und ließ das Schwert sinken. „Was machst du hier? Sagtest du nicht—“

„Sagte was, Hook?“, fuhr Isabela ihm über den Mund. „Dass ich meine Kameraden nicht einfach so im Stich lasse? Natürlich sagte ich das, was denn sonst?“ Ihre dunklen Augen huschten zu Rudolphus hinüber, der wie angewurzelt dastand, nicht ganz sicher, was er mit sich selbst anfangen sollte. „Können wir dann los? Immerhin sind wir wegen dem Dreizack hier und den haben wir nun.“

Killians Mundwinkel zuckten in die Höhe. Isabela war tatsächlich zurückkehrt. Wer hätte das gedacht? „Lasst uns gehen.“ Er winkte Rudolphus mit einer Handbewegung zu ihnen herüber, bevor er die Führung ergriff und der Gefängniskammer den Rücken kehrte. Isabela folgte ihm und auch Rudolphus setzte sich endlich in Bewegung – und mit einem Blick über die Schulter meinte Killian sogar zu bemerken, dass sich die sonst so steifen Gesichtsmuskeln des Wolfs allmählich lockerten.

„Was macht ihr da?“, ertönte eine melodische Stimme vor ihnen.

Killians Kopf ruckte herum, um Ariel anzusehen, die vor ihnen im Gang aufgetaucht war und auf der Stelle schwamm. Sie hielten inne, drei Diebe, die auf frischer Tat beim Ausbrechen des Gefangenen und mit dem Diebesgut in der Hand ertappt worden waren.

„Wir retten unseren Freund, Fischchen“, entrann es Isabela, die den Dreizack nicht zu verstecken versuchte, sondern ihn beinahe stolz präsentierte. „Nicht nur den, der ohne einen Grund von deinem Vater eingesperrt worden ist, sondern auch Pedro, der sich noch immer in der Höhle befindet. Verletzt, sterbend.“ Sie betonte diese Worte ganz genau und Ariels Gesicht wurde weicher, ihre Augen besorgter.

„Natürlich tut ihr das...“ Ariel presste eine Hand an ihren Hals, bevor sie ein Seufzen ausstieß. „Ich bin froh, dass sich mein Vater in euch irrt.“ Ihr Blick festigte sich. „Ich werde euch helfen.“

„Ich glaube nicht, dass dein Vater es dir verzeihen würde, Liebes“, gab Killian zu bedenken, denn auch wenn er hier verschwinden wollte, musste sie wissen, dass ihre Handlungen Konsequenzen mit sich bringen würden. „Wenn du also einfach wegschauen und so tun möchtest, als hättest du uns nicht gesehen, ist das schon eine große Hilfe.“

„Ich...“ Ariel hielt inne und sah sich im Gang um, als sie ihre Gedanken zu ordnen versuchte. Ihr rotes Haar wallte um sie herum sanft im Wasser, weich und strahlend. „Die Gefahr ist zu groß. Außerdem... würde ich gern eure Welt sehen. Mein Vater möchte, dass ich das ganze Leben hier unten verbringe und so tue, als ob es die Sonne mit ihren warmen Strahlen nicht gibt, es keine Leute wie euch gibt oder all die merkwürdigen Dinge, die ihr besitzt und die manchmal ihren Weg zu uns hinunter finden. Ich kann nicht mein ganzes Leben eine Lüge leben und in Unwissenheit verbringen, aber... Daddy wird das nie verstehen. Nie einsehen.“ Ariel schüttelte den Kopf. „Ich komme mit euch.“ Mit einem Ruck wandte sich Ariel im Wasser und schwamm davon.

Killian und Isabela tauschten einen Blick aus, bevor sie ihr mit Rudolphus im Anschluss folgten. Sie hatten eine neue Verbündete – und Killian gewann fast den Eindruck, dass Ariel sich felsenfest bewusst war, dass sie nicht vorhatten den Dreizack in der Höhe zurückzulassen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich muss wohl nicht sagen, dass der Kompass an den von Fluch der Karibik angelehnt ist. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Dianthuskraut habe ich mir für meine Zwecke aus Harry Potter ausgeborgt. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Palmira
2013-05-23T18:06:43+00:00 23.05.2013 20:06
Ich musste mit dem Lesen dieser Fanfiction fairerweise warten, bis ich endlich bei Hook angekommen war... Dabei war ich schon vorher neugierig. Aber endlich ist es soweit (und ohnehin kein Spoiler, ich war also übervorsichtig)
Du hast die zwei Universen sehr gekonnt vermischt, ohne dass Isabela oder Hook an Authentizität einbüßen - vor allem bei ihr musste ich ständig schmunzeln, sie ist haargenau original in ihrer Art und ihrer Ausdrucksweise. Schon allein deswegen musste ich das erste Kapitel mögen, aber dann hat es mich auch noch sehr neugierig gemacht. Isabela scheint sich bereits verändert zu haben, obwohl sie die Reliquie noch nicht los hat. Außerdem habe ich keinen einzigen Tippfehler entdeckt, soweit ich mich erinnern kann.
Insofern freue ich mich mal vorbehaltlos auf das nächste Kapitel :)


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