Du bist mir wichtig... von BloodyRubin (...warum merkst du es nicht?) ================================================================================ Kapitel 6: Sünder ----------------- Warum er den Rotschopf zurückhielt, wusste Satoshi nicht. Er wusste nur, dass er jetzt nicht alleine sein wollte. So lange hatte er seine Gefühle in seinem Inneren verschlossen und sich geschworen, nie wieder so verletzbar und schwach zu sein. Und dann tauchte dieser Niwa auf und zerstörte seinen Schutzschild innerhalb von wenigen Tagen. Verwirrt, aber immer noch ruhig, folgte der Jüngere der unausgesprochenen Bitte und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. Nach einer Weile hatte sich der Blauhaarige wieder unter Kontrolle und hörte auf zu schluchzen. Der Gefühlsausbruch war zwar ziemlich peinlich, aber irgendwie fühlte er sich jetzt besser. Als er wieder aufsah, erwiderten tiefrote Augen seinen Blick. Sie waren voller Mitgefühl und Verständnis. Eigentlich hätte Satoshi Verachtung oder Spott erwartet. Aber Niwa war anders als die meisten. Immer musste er erst an andere denken, bevor seine eigenen Probleme an der Reihe waren. Ein Charakterzug, der sich nicht geändert hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er den anderen immer noch festhielt. Leicht widerwillig ließ er los und ging zum Spülbecken, um sich das Gesicht zu waschen. Moment mal… Widerwillig? Drehte er jetzt vollkommen durch? Verstohlen warf er einen Blick über die Schulter zu dem Jüngeren, der gerade damit beschäftigt war, den Tisch abzuwischen. Sofort fühlte er sich sicherer, als würde die bloße Anwesenheit Niwas die tiefschwarzen Wolken in seinem Inneren auflösen. Konnte es etwa sein, dass… Nein! Nein, auf gar keinen Fall. Er hatte sich doch sonst so gut unter Kontrolle. Dann würde er dieses merkwürdige Gefühl auch wieder loswerden. „Was ist? Willst du mich gar nicht auslachen?“ „Warum sollte ich das tun?“ Der Rotschopf klang ehrlich verwirrt. „Immer noch so unschuldig wie früher. Du bist ein äußerst merkwürdiger Junge.“ „Du aber auch.“ So schlagfertig hatte Satoshi ihn noch nicht erlebt. Grinsend schlug er dem anderen leicht auf die Schulter. „Ich habe einen Riesenhunger. Also sei doch so nett und deck den Tisch.“ Während er sich um das Essen kümmerte, war er zum ersten Mal seit Jahren wieder etwas gelöster. Als es auf den Abend zuging, ging Niwa früh ins Bett und gab dem Blauhaarigen damit die Möglichkeit, nachzudenken. Warum nur schlug sein Herz so schnell, wenn er dem anderen nahe war? Was war es, das dieser Junge in ihm auslöste? Er wusste es nicht. Wahrscheinlich drehte er wirklich durch. Sanft fuhr er sich über die Lippen und dachte dabei an den Abend, als er den Jüngeren versehentlich geküsst hatte. Sofort lief ihm ein angenehmer Schauer über den Rücken. Diese Lippen waren so sanft und weich gewesen, nicht hart und fordernd. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitzschlag. Er war doch tatsächlich dabei, sich in Niwa zu verlieben. Wann war das denn passiert? So etwas konnte nicht gut gehen. Der andere würde ihn auslachen, wenn er davon erfuhr. Außerdem liebte er immer noch Riku. Wie konnte er auch nur ansatzweise solche Gefühle hegen? Nein, er musste stark bleiben. Er durfte dem anderen nur nicht mehr zu nahe kommen, dann würde diese kleine Schwärmerei sich im Sand verlaufen. Mit dieser Entscheidung schloss er die Augen und schlief sofort ein. Als er wieder erwachte, begann er, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Peinlich genau achtete er darauf, jeden Körperkontakt zu vermeiden. Niwa schien das nicht weiter aufzufallen, er war wie immer. Inzwischen waren die Sommerferien angebrochen. Immer noch wurde nach Satoshi gesucht. Der hatte seinen Plan, aus der Stadt zu verschwinden, inzwischen total vergessen. Auch der Rotschopf schien sich an seine Anwesenheit gewöhnt zu haben. Doch wie so oft, mischte sich das Schicksal wieder ein und erinnerte sie daran, dass man sich nicht zu früh freuen sollte… Es war Morgen und die Luft war noch kühl. Leicht fröstelnd stand Satoshi am Fenster und sah auf die Stadt hinunter. Leichtes Vogelgezwitscher drang an seine Ohren. Wie friedlich alles war… fast schon unwirklich. Er streckte sich und musterte den leeren Raum. Niwa hatte sich vor einer Weile aufgemacht, um einzukaufen. Irgendwie schien die Wohnung ohne ihn kälter zu sein. Ein lautes Klopfen an der Tür erregte seine Aufmerksamkeit. Hatte der Rotschopf etwa seinen Schlüssel vergessen? Das war so typisch für ihn. Das Klopfen wiederholte sich und er machte sich auf den Weg zur Tür. „Du solltest wirklich besser aufpassen, Niwa. Irgendwann würdest du sonst noch deinen Kopf verlie…“ Er brach ab, als er in ein fremdes Gesicht blickte. „Satoshi Hiwatari?“ „Wer sind Sie?“ „Inspektor Karamuri, das ist mein Kollege Okana.“ So ein Mist! Wie hatte die Polizei ihn nur finden können? „Sie werden gesucht als Verdächtiger in einem Mordfall. Es tut mir leid, aber Sie sind festgenommen.“ Ein Klicken ertönte, als sich Handschellen um ihn schlossen. Seltsamerweise blieb er ganz ruhig. Das hatte ja passieren müssen. Draußen vor der Tür hatten sich bereits einige Schaulustige angefunden. Ein Raunen durchlief die Menge, als sie Satoshi bemerkten. Unbeeindruckt ging er weiter, als er eine Stimme hörte, die seinen Namen rief. Nur Sekunden später stand ein vollkommen erschrockener Niwa vor ihm. „Was ist hier los, Hiwatari-kun?“ „Man hat mich gefunden.“ antwortete er und die Augen des anderen wurden groß. „Er ist Hauptverdächtiger in einem Mord.“ „Nein, warten Sie, das war doch alles ganz anders…“ „Niwa.“ schnitt der Blauhaarige ihm das Wort ab. Er wollte nicht, dass die ganze Stadt von seiner Vergangenheit erfuhr. Sehr viel sanfter fuhr er fort. „Ich danke dir. Für alles, was du für mich getan hast.“ „Hiwatari-kun…“ „Na los, bringen wir ihn zur Wache.“ ging Inspektor Karamuri dazwischen. „Das können Sie nicht tun.“ Wie aus dem Nichts tauchten zwei Polizisten auf und hielten den Rotschopf zurück. „Leb wohl, Niwa.“ Ohne den anderen anzusehen, ließ er sich auf den Rücksitz des Wagens bugsieren, wobei er durch das offene Fenster immer noch die Rufe des Jüngeren hörte. „Nein, Sie dürfen ihn nicht einsperren. Das würde er nicht überstehen. Bitte, warten Sie. Hiwatari-kun!“ Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung, suchte einen Weg durch die Menge. „Lass nicht zu, dass sie das tun. SATOSHI!!!“ Zum ersten Mal hatte Niwa ihn bei seinem Vornamen angesprochen. Kurz warf er einen Blick zurück und lächelte müde. „Wie ich schon sagte: Du kannst nicht alle retten, Niwa.“ flüsterte er und schloss die Augen, während der Wagen schneller wurde und alle anderen Geräusche verschluckte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)