Du bist mir wichtig... von BloodyRubin (...warum merkst du es nicht?) ================================================================================ Kapitel 3: Scherben ------------------- Vollkommene Stille lag in dem Zimmer, als Hiwatari geendet hatte. Geschockt versuchte Daisuke, das Gehörte zu verarbeiten. In ihm drehte sich alles. Und er hatte gedacht, ihm würde es schlecht gehen. Wie sollte er sich jetzt verhalten? „Nun, jetzt kennst du meine Geschichte. Ich werde dann mal gehen.“ „Was?“ „Du wolltest doch, dass ich verschwinde. Außerdem muss ich sehen, dass ich aus der Stadt rauskomme. Bestimmt wird man sehr bald nach mir suchen.“ „Aber…“ „Kein Aber. Vergiss nicht, Niwa: Ich habe einen Menschen auf dem Gewissen. Wir sind keine vierzehn mehr. Das ist nicht deine Sache. Du kannst nicht alle retten.“ „Woher willst du das wissen?“ „Dazu muss man dich nur ansehen. Wie könntest du versuchen, jemanden zu retten, wenn du selbst nicht mit deinem Leben klarkommst?“ Darauf wusste Daisuke keine Antwort. Hiwatari hatte Recht. „Es war nett, dich wiederzusehen. Auch wenn ich mir andere Umstände gewünscht hätte.“ Damit wandte er sich um und wollte gehen. Er machte zwei Schritte – und kippte um wie ein gefällter Baum. „Hiwatari-kun. Was ist los?“ Mit wenigen Schritten war er bei dem Blauhaarigen und drehte ihn auf den Rücken. Der hatte die Augen geschlossen und atmete schwer. Vorsichtig berührte er Hiwatari an der Schulter und zuckte zurück, als dieser anfing, um sich zu schlagen. „Nein… fass mich nicht an… nimm deine dreckigen Hände von mir… bitte, hör auf…. nicht…“ „Beruhige dich. Ich bin es, Daisuke. Ich würde dir nie etwas antun.“ Ratlos sah er zu dem anderen hinunter. Wie sollte er vorgehen? Er konnte ihn ja wohl kaum einfach so liegenlassen. Bestimmt hielt er ihn fest und wartete ab. „Es ist alles gut. Du bist in Sicherheit.“ Nur langsam wurde der andere ruhiger, bevor Daisuke es wagte, ihn loszulassen. Verwirrt sah Hiwatari ihn an, als wäre er ein Fremder. „Ni…wa…?“ „Geht es wieder?“ „Ja. Ich war nur kurz weggetreten.“ „So kann man es auch nennen. Vielleicht solltest du dich etwas ausruhen.“ „Du verstehst es immer noch nicht, oder? Ich will kein Mitleid. Wenn ich hierbleibe, wird man mich finden und wegsperren.“ „Schön, wie du willst. Aber wenn du unterwegs wieder zusammenbrichst, wirst du auf jeden Fall weggesperrt.“ Sichtlich widerwillig stimmte Hiwatari dem zu. „Na gut, ich werde bleiben. Aber nicht lange.“ „Das will ich gar nicht. Sobald du dich besser fühlst, kannst du gehen, wohin du willst. Ich werde dich bestimmt nicht aufhalten.“ Lange blieb es still, bis Daisukes Blick zufällig auf die Uhr fiel. „Ich muss sehen, dass ich ins Bett komme. Falls etwas sein sollte, mein Schlafzimmer ist die zweite Tür links. Und versuch, nicht so viel unordentlich zu machen.“ Damit ließ er den Blauhaarigen alleine und fiel in einen tiefen Schlaf. Erst durch das laute Piepen des Weckers wurde er wieder wach und schlurfte gähnend ins Badezimmer. Nachdem er geduscht und sich angezogen hatte, betrat er das Wohnzimmer und wunderte sich im ersten Moment, warum Hiwatari auf seiner Couch lag. Als ihm alles wieder einfiel, schrieb er eine kurze Nachricht auf ein Stück Papier und legte sie auf den Tisch. Dann machte er sich auf den Weg zur Schule, wo er wie üblich nicht bei der Sache war. Direkt nach Schulschluss hastete er zum Supermarkt, wo er etwas zu Essen besorgte. Als er fertig war, ging er nach Hause. Im Inneren der Wohnung war alles still. Seltsam. Wo steckte Hiwatari? „Hiwatari-kun? Ich bin wieder da. Hast du meine Nachricht gelesen?“ Als es weiterhin ruhig blieb, suchte er stirnrunzelnd die Wohnung ab. Schließlich fand er den anderen in der Küche, damit beschäftigt, einen zerbrochenen Teller zusammenzusammeln. Er war so vertieft in seine Arbeit, dass er Daisuke gar nicht bemerkte, der kopfschüttelnd hinter ihm stand. Und da hieß es immer, er wäre schusselig. Ein leiser Fluch drang an seine Ohren, als der Blauhaarige sich an einer Scherbe schnitt. „Was wird das, wenn es fertig ist?“ Hiwatari zuckte zusammen und sah ihn leicht schuldbewusst an, bevor er ihm wieder den Rücken zuwandte. „Ich wollte abwaschen, dabei ist mir ein Teller runtergefallen.“ Seufzend trat Daisuke vor und half dem anderen. „Ich werde mal sehen, ob ich irgendwo noch Verbandszeug habe.“ „Das wird nicht nötig sein.“ „Sei nicht so stur. Geh ins Badezimmer und lass Wasser über die Wunde laufen.“ Während Hiwatari leicht grummelnd tat, worum er gebeten wurde, ging Daisuke ins sein Zimmer und durchsuchte die Schränke. Als er gefunden hatte, was er brauchte, kehrte er zurück und wies den anderen an, das Wasser abzustellen und sich hinzusetzen. Der Schnitt war recht tief, aber es schien nicht so, als ob er genäht werden musste. Ohne den anderen anzusehen, ging er in die Knie und versorgte die Verletzung. „So, das sollte erstmal reichen. Wahrscheinlich werde ich den Verband später noch einmal wechseln müssen.“ Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen begutachtete der Blauhaarige den mehr schlecht als recht angelegten Verband. „Ich bin nicht so geschickt, was das Verarzten angeht.“ meinte Daisuke entschuldigend, als ihm der Blick auffiel. „Sieht ganz so aus. Aber danke trotzdem.“ Kurz hob der Rotschopf den Kopf und einen Herzschlag lang schien die Zeit einzufrieren, als er in die tiefblauen Augen des anderen sah. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Hiwatari seine Brille nicht trug. Die Zerrissenheit, der Schmerz und die Einsamkeit in diesen Augen war unübersehbar. Wie sehr hatte er all die Zeit wohl leiden müssen? Auf diese Frage wollte er lieber keine Antwort. Was er bisher gehört hatte, reichte ihm völlig. „Ist was?“ riss ihn die Stimme des Blauhaarigen aus seinen Gedanken. „Wie?“ gab er nicht sehr clever zurück. „Weil du mich so anstarrst.“ „Warum…?“ „Warum was?“ „Warum bist du nicht schon vorher geflohen? Warum hast du deinen Onkel das tun lassen? Verdammt noch mal, Hiwatari-kun, was hat du dir nur dabei gedacht?“ „Niwa…“ begann der unsicher, aber Daisuke ließ ihn nicht weiterreden. „Wenn du mir jetzt wieder damit kommst, dass du das alles verdient hast, dann…dann…“ Stockend brach er ab, Tränen rannen über seine Wangen. Er wusste nicht einmal genau, warum er weinte. Ein Teil von ihm trauerte um den jungen, zerrissenen Mann vor ihm, der ihn sichtlich verwirrt ansah, ein anderer Teil erinnerte sich wieder an Riku. Mit einer Hand griff er nach Hiwatari und bevor der reagieren konnte, hielt er ihn fest in den Armen und legte seinen Kopf auf die Schulter des Blauhaarigen. Zum ersten Mal seit Rikus Unfall brachen alle seine aufgestauten Gefühle sich Bahn. Unfähig, seinen bebenden Körper unter Kontrolle zu bringen, ließ er sich treiben und bemerkte nur am Rand, wie eine warme Hand ihm durch die Haare fuhr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)