Unverhofft kommt oft... von Venka (Wichtelei für Traiko :)) ================================================================================ Kapitel 1: Unverhofft kommt oft... ---------------------------------- >>Ein ehrloser Sieg ist vernichtender als manche Niederlage. – Erweise deinem Gegner stets die Achtung von der du dir wünschst, dass er sie dir erweist. – Oftmals ist es nur ein kleiner Schritt vom hohen Aufstieg zum tiefen Fall... – Und manchmal bringt eine Niederlage einen Menschen an ein Ziel, das zu erreichen er nie gehofft hatte...« „Hättest du eventuell mal die Güte mir zu erklären, was das da draußen grade sollte?“ „Halt die Klappe, Tala...“ Leicht irritiert von dem angefressen klingenden Tonfall seines Gegenübers hob der Rothaarige skeptisch eine Augenbraue. „Wie war das grade?“ „Ich sagte: Halt die Klappe, Tala! – Soll ich es dir vielleicht aufschreiben oder buchstabieren, damit du mich verstehst?“, war die geknurrte Rückantwort, die dem Rothaarigen dezent die Sprache verschlug. „Und jetzt lass mich in Ruhe, ich bin nicht in Stimmung!“ Tala hatte seinerseits allerdings nicht vor, sich von seinem Vorhaben, Antworten von seinem aktuellen Gesprächspartner zu bekommen, abbringen zu lassen und konfrontierte den ihm gegenüber stehenden Halbrussen daher erneut. „Ob du in Stimmung bist oder nicht, das ist mir grade ziemlich egal! Tatsache ist immer noch: Ich bin Teamleader und ich habe aus genau diesem Grund das Recht darauf zu erfahren, was du dir da draußen dabei gedacht hast! – Es kann doch nicht sein, dass du in der Arena erst was von >man muss seinen Kontrahenten immer respektieren< redest und dann deinen Gegner dermaßen mit Respekt behandelst, dass du dein Spiel fast noch verlierst!“ „Jetzt bleib mal auf dem Teppich >Teamleader<. Erstens kann ich es nicht ausstehen, wenn ich in der Arena einfach nur gegen meinen Kontrahenten bladen will und das Publikum buht denjenigen aus, das nimmt mir einfach die Ruhe. – Zweitens: Ja, ich habe ihn unterschätzt. Gründlich. Aber das Problem habe ich relativ schnell in den Griff bekommen, würde ich mal sagen. – Und Drittens: Hast du dein Spiel verbockt oder ich?“ Ein kurzes Aufknurren war die Antwort. „Das dachte ich mir. Immerhin war ich es, der den Karren noch aus dem Dreck ziehen musste, indem ich diesem Großmaul mal richtig zeige wo es langgeht. – Ich meine ehrlich. Da arbeitet man drauf hin, das nachzuholen, was man bei der ersten WM nicht konnte. Dann stellt sich heraus, dass dieser baseballspielende Schöngeist nicht mal aufgestellt ist und man es stattdessen mit diesem billigen Ersatz zu tun kriegt...“ „Ist der fehlende Gegner dein einziges Problem?“ „Nein... – Mein Problem ist es grade, dass du versuchst, den Grund für dein eigenes Versagen bei mir zu suchen! – Vergessen wir mal nicht! Ich habe mein Spiel gewonnen, du deins in den Sand gesetzt! – Die Schuldzuweisung deinerseits geht mir, wie du vielleicht verstehen wirst, auf den Geist und deswegen entschuldige mich, ich muss mich abreagieren.“ Und mit diesen Worten drehte sich der Graublauhaarige um und ließ seinen verblüfften Teamleader einfach stehen, während er sich mit im Wind aufwehendem Halstuch entfernte. Irgendwie hatte der für Kai eigentlich typische Auftritt Tala doch mehr aus der Bahn geworfen, als er es hatte zugeben wollen und so zuckte er kaum merklich zusammen, als ihn ein in Sachen Streit Außenstehender ansprach. „Na der hat’s dir ja ordentlich gegeben.“ Ein extrem genervter Blick zur rechten Seite war die prompte Reaktion. „Vielen Dank, Bryan... – Das ist genau das, was ich jetzt in dem Moment brauche.“ Der Blasslilahaarige grinste. „Immer wieder gern.“ „Was willst du...?“ „Nichts... - Ich kam nur zufällig vorbei und habe euch >reden< hören.“ „...wenn du schon lauschst, kannst du mir auch sagen, ob dir das nicht auch komisch vorkommt...“ „Was? Das Kai auf einmal seine Gegner respektiert? – Das ist mir eigentlich egal so lange er gewinnt.“ Tala rollte mit den Augen. „Danke auch... – Das ist sehr hilfreich.“ „Am Gewinnen solltest du vielleicht auch mal arbeiten...“ „...jetzt fang du nicht auch noch an...“, war die halb geknurrte Rückantwort, aber der Rothaarige wusste, dass beide, Kai und Bryan, recht hatten. „Was hältst du von einem Trainingsspiel?“, versuchte er den grade erhaltenen Seitenhieb für sich auszunutzen, um wieder Oberwasser zu bekommen. „Viel, aber auf Kai wirst du dabei wohl verzichten müssen.“ Ein knappes Schulterzucken folgte auf die Aussage Bryans. „Das ist mir herzlich egal. Wie du schon sagtest: so lange er gewinnt, kann er meinetwegen machen, was er will.“ Leicht bis mittelschwer genervt von seiner ungewollten Auseinandersetzung mit Tala hatte Kai inzwischen das Palacio Del Hoja verlassen und fand sich nun auf einer der belebten Straßen rund um den Nachbau der Madrider Stierkampfarena wieder. Verärgert über sich selbst, dass er in seiner Genervtheit den falschen Ausgang erwischt hatte, zog er sich rasch in einen der Säulengänge zurück. Nervende Fans oder gar noch schlimmer Fangirls waren das, was er jetzt am allerwenigsten gebrauchen konnte. Nur Ruhe zum Nachdenken würde es in dieser Hektik auch nicht wirklich geben, so viel stand schon mal fest. Zumindest nicht außerhalb der Arenen, was ihn zu dem Schluss kommen ließ, dass er die Ruhe, die er gerade dringend brauchte, wohl am ehesten an den Beyblade-Tableaus finden würde. Dass diese nach den Wettkämpfen eigentlich gesperrt waren und niemand sie mehr betreten durfte, war ihm in diesem Moment egal, denn das war das Schöne an Verboten: Sie zogen nur wirklich dann eine Strafe nach sich, wenn man sich dabei auch erwischen ließ. Und darin, sich nicht erwischen zu lassen, war er sehr gut trainiert. Leise und einem Schatten gleich betrat Kai die nun abgedunkelte Arena. Nachdenklich blieb er vor dem Bull Horn Bunker Stadium stehen und starrte mehrere Augenblicke lang gedankenversunken auf das Tableau. Hier hatte er vor nicht ganz einer Stunde dem Neuling der PPB All-Starz gezeigt, was er unter Beybladen und unter Fairplay verstand. Als er die Augen schloss, liefen die Ereignisse der vergangenen Stunden wie ein Film vor seinem geistigen Auge ab. Die nicht enden wollenden Buh-Rufe des Publikums, die Niederlage seines ehemaligen Teamkameraden, die darauf folgende Niederlage seines jetzigen Teamkameraden und der Ausbruch des Steve-Ersatzes gegenüber Max, der eigentlich nicht nur einen bravourösen Kampf geliefert hatte sondern damit auch diejenigen Lügen gestraft hatte, welche das amerikanische Team der Betrügerei beschuldigt hatten. Und wie hatte man es ihm gedankt? Mit ungerechtfertigt harten Worten. Nicht dass es Kai großartig gestört hätte, dass Max und sein Teamkamerad, so man ihn denn so nennen konnte, ihm unterlegen gewesen waren. Immerhin bedeutete der Matchverlust der PPB All-Starz einen großen Schritt weiter auf dem Weg zum Weltmeistertitel für sein eigenes Team, aber dennoch störte ihn die Art, wie Rick Max danach behandelt hatte. Es war zwar auch im russischen Team üblich dass bei Niederlagen oder mäßigen Leistungen bis zum Umfallen diskutiert wurde, allerdings fanden solche Diskussionen immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es gab immerhin nichts Blamableres als wenn ein Team vor dem Publikum offenkundig Uneinigkeit zur Schau stellte. Plötzlich aufkommende Schritte und Stimmen deuteten dem jungen Halbrussen an, dass er sich doch nicht so ganz allein in der Arena befand wie er gedacht hatte. Zumindest nicht mehr, denn an den Schatten in einem der Seitengänge konnte er deutlich erkennen, dass sich jemand seiner aktuellen Position näherte. Da es für einen unentdeckten Rückzug aus der Arena bereits zu spät war, zog er sich hinter eine der Säulen unter den Zuschauerrängen zurück. Lauschen war zwar nicht die feine englische Art, aber vielleicht ließ sich ja auf diesem Wege auch noch das eine oder andere interessante Detail aufschnappen. Er brauchte auch nicht lange um herauszufinden, wer sich da auf dem Weg zu ihm befand. Es war auch nicht zu überhören, denn so einen amerikanischen Slang konnte nur einer an den Tag legen. ‚Hinreißend...’, schoss es Kai durch den Kopf. ‚Jetzt hör ich sie zwar aber davon kriegt man ja Ohrensausen...’ Allerdings half es nichts, dass Kai sich an dieser Stelle wünschte, er hätte die Arena verlassen, bevor das amerikanische Team diese betreten hatte. Offenbar hatten auch sie einen verlassenen Ort zur Aussprache gesucht und nun wurde er unfreiwillig Zeuge, wie sich Max jetzt auch noch Vorhaltungen von Emily und Michael machen lassen durfte. Wieder ging es dabei darum, dass er den letzten Angriff nicht eingesetzt hatte, mit dem er Kai tatsächlich noch einmal hätte gefährlich werden können. ‚Mann... - Haben die kein Einfühlungsvermögen? – Max kann einem echt leid tun, wenn man sich das so anhört...’, schoss es ihm durch den Kopf. ‚Ob er die Entscheidung zu denen gegangen zu sein wohl bereut?’ Der Streit, oder besser die Beschuldigungen, zogen sich schließlich noch mehrere Minuten lang hin. Alles hatte er aufgrund der doch recht ungewohnten Aussprache nicht verstanden und auch wenn es sich zum Ende hin so anhörte, als wäre das Thema geklärt und alles wieder in bester Ordnung unter den drei Amerikanern, so verließen doch nur zwei von ihnen die Arena wieder, während Max allein zurückblieb. Erschöpft von den Ereignissen des Tages und vor allem von den beiden nicht ganz so netten Begegnungen mit seinen Teamkameraden, ließ sich der Halbamerikaner auf dem Sockel des Tableaus nieder und schloss für einige Augenblicke die Augen. Alles was er wollte, war seine Ruhe; Alleinsein war jetzt für ihn die beste Option um wieder herunterzukommen. „...na das lief ja wunderbar...“ Überrascht von der bekannten aber dennoch gänzlich unerwartet erklingenden Stimme fuhr Max herum, nur um seinen ehemaligen Teamkapitän auf sich zukommen zu sehen. „Aber ich glaube irgendwie so ganz hat das mit dem Ausspielen des Promibonus, weil man ja bei der letzten Team-WM den Titel schon wieder geholt hat, nicht geklappt, oder?“ Der Blondschopf verzog sein Gesicht. „Kai fang du bitte nicht auch noch an, mit irgendwelchen Unwahrheiten um dich zu werfen... – Als ob ich das Team nur deswegen verlassen hätte, weil ich irgendwo einen Bonus ausspielen wollte. – Ich hatte die gleichen Gründe, wie ihr anderen auch...“ „Nur wirklich was zu nützen scheint es dir nicht. – Wer ist überhaupt dieser Typ, den deine Mutter dir da aufgehalst hat?“ Ein Aufseufzen war die Antwort. „Ach... – Steve hat sich das Bein gebrochen und Mum meinte wir brauchen mehr Durchschlagskraft, deswegen sollte er unser Team eigentlich ergänzen und mir Rückendeckung geben... – Ich hab auch erst gedacht, das wird was, aber...“ „...es wird nicht wirklich was und die drei anderen weigern sich jetzt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Habe ich recht?“ „...sag mal wie lange hast du uns eigentlich zugehört?“ „Lange genug... – Immerhin war ich eine ganze Weile vor euch hier drin... – Ich habe zwar nicht alles verstanden, aber genau genommen ist es nicht meine Schuld, wenn ihr mich nicht bemerkt...“ Max seufzte. „Ja, da hast du wohl recht... – Mann... – Ich vermisse die alten Zeiten... – Als alles angefangen hat... – Und auch das Jahr danach... – Da hat es noch Spaß gemacht. – Aber jetzt...? – Irgendwie ist alles nur komplizierter geworden.“ „Was erwartest du? – Du hörst es doch überall von wem genau gesprochen wird, wenn es um den vorherigen Weltmeister geht. – Deswegen wollen alle nur das eine, da machen wir beide keine Ausnahme...“ „Um ganz ehrlich zu sein Kai... – Wenn ihn einer schlagen kann dann bist das du... – Ich mach mir da wenig Hoffnungen auch wenn Rick mich wahrscheinlich mit einer Schimpftirade erschlagen würde, wenn er wüsste, wie ich über das alles hier denke...“ „Meinst du? – Ich denke du siehst das ein wenig zu eng. – Sicher er ist temperamentvoll, aber du weißt doch dass man in solchen Fällen sagt, dass derjenige irgendetwas kompensieren muss, nicht?“ Max’ Augenbrauen schnellten im Affentempo in Richtung Decke. „Wie meinst du denn das jetzt?“ Kai musste sich ein Grinsen verkneifen. So aufgeweckt wie der Blondschopf sich meistens gab, so unbedarft konnte er sein und es gab nicht wenige Augenblicke in denen er sprichwörtlich auf dem Schlauch stand. Dies war einer dieser Momente, die der Grauhaarige sehr mochte, auch wenn er sich hütete, das jemandem zu zeigen oder es gar Max gegenüber deutlich zu machen. „Ähm... – Na ja... – Kompensieren halt...“, gab er zurück und endlich schienen auch bei dem Blondschopf die Groschen zu fallen, aber mehr als „...oh... - ...meinst du... - ...wirklich...?“ brachte er nicht hervor. Ein leichtes Lächeln umspielte die Lippen des Grauhaarigen. „Wer weiß...?“ Innerlich biss sich Max auf die Lippen. Kai konnte einen in Augenblicken wie diesen einfach nur wahnsinnig machen und das nicht nur weil er einmal mehr den Geheimniskrämer heraushängen ließ. Nein, es war genau dieser kurze, flüchtige Hauch eines Lächelns, den er an Kai so mochte und den der junge Halbrusse viel zu selten zeigte. Allerdings war das auf der anderen Seite auch besser so, denn es war genau dieses Lächeln, welches das Herz des Blondschopfs jedes Mal zum höher schlagen brachte. Und jedes Mal schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, dass es weder einer seiner Teamkameraden, noch seine Mutter oder gar Kai selber bemerkt hatte. Das würde in allen drei Fällen im Worst Case Szenario enden und das wollte er sich lieber nicht ausmalen. „Max? – Max!“ Erschrocken zuckte der Blonde aus seinen Gedanken hoch. „Was?“ „Alles OK bei dir? Du wirkst so geistesabwesend...“ „Alles bestens...“, war die knappe Rückantwort, was Kai dazu brachte, äußerst skeptisch eine Augenbraue zu heben. „Bist du dir da ganz sicher?“ „Ja, na klar! – Ich... – Ich bin mir zu 100% sicher!“ „Na wenn du meinst...“ „Du Kai? – Kann ich dich was fragen?“ „...ob du das kannst, weiß ich nicht...“ Max verzog das Gesicht. „Wirklich witzig...“ „Was kann ich denn für dich tun?“ „Hättest du Lust, mit mir... – Na ja... – Ich weiß wir dürfen es eigentlich nicht, aber... – Nach dem Desaster heute und so... – Vielleicht...? Kai verdrehte gut sichtbar seine Augen. „Kannst du dich bitte etwas klarer ausdrücken? – Oder ist es dir möglich, mir zumindest ansatzweise zu erklären was du von mir willst? – Dann kann ich dir vielleicht auch sagen, ob ich dem zustimme oder nicht...“ „Äh... – Ja...“ Innerlich verfluchte sich Max für seine Stotterei. Aber einerseits war sein Vorschlag, den er machen wollte, nicht ganz legal und andererseits hatte er Angst davor, dass die Antwort nein lauten würde. „Max? – Stell meine Geduld bitte nicht zu sehr auf die Probe...“ Innerlich schalt sich der Blondschopf für seine zögerliche Haltung, denn jetzt hatte er es wieder geschafft, dass Kai die Geduld mit ihm verlor. Das passierte zwar bei weitem nicht mehr so oft wie das am Anfang der Fall gewesen war, aber zu zögerlich durfte man bei ihm auch nicht sein. Das ging nach hinten los und genau das schien sich in dem Moment wieder anzubahnen. „Also Kai, ich...“, begann er wieder, doch der Halbrusse unterbrach ihn. „Kommst du mit mir was trinken?“ Die Augen des jungen Amerikaners wurden mit einem Schlag groß wie Suppenteller. „Huh?“ „Ich hab dich gefragt, ob du mit mir was trinken kommst. – Mir ist auch klar, dass wir das nicht dürfen, von wegen Altersbeschränkung und so. – Aber hey... – Man lebt erstens nur einmal und der Tag war für uns beide irgendwie nicht wirklich zufriedenstellend...“ „Ja, aber... – Kai... – Wir sind minderjährig!“, erwiderte er mit einem vorwurfsvollen Unterton und hatte dabei eigentlich genau im Hinterkopf, dass er Kai das Gleiche hatte fragen wollen, bevor ihn der Mut verlassen hatte. Und jetzt das Undenkbare: Kai hatte ihn eingeladen. „Wen kümmert's...? – Mich nicht, ich war gestern Abend schon mit den Jungs in einer kubanischen Bar in so einem Randbezirk. – Da kümmert es die Betreiber irgendwie nicht wirklich und wenn das Geld stimmt verpetzt uns auch keiner an die Presse... – Was meinst du dazu?“ Der Blonde begann fieberhaft zu nachzudenken. Soweit hatte er sich seine spontane Idee nicht überlegt und jetzt fand er sich zwischen Zustimmen und Ablehnen hin und her gerissen vor. Aber wenn er die Möglichkeit jetzt nicht beim Schopf ergriff und zusagte, wann kam so eine Gelegenheit schon mal wieder? Die Chancen tendierten zwischen 0,00% und nie also war es in seinen Augen das Klügste, dem Vorschlag zuzustimmen. „Also was ist nun? Kommst du oder kommst du nicht?“, wandte sich Kai noch mal an seinen ehemaligen Teamkameraden, was dieser diesmal mit einem Nicken quittierte. „Ja, ich bin dabei!“ „Na dann lass uns gehen. – Bevor uns noch einer erwischt und uns bei deiner Mutter verpfeift.“, gab Kai zurück, während er sich umdrehte und in Richtung Ausgang ging. Max sprang auf und folgte ihm. Es war das, was er sich schon eine Weile gewünscht hatte und selbst wenn es für Kai nur einfach ein Abend in einer Bar war, so konnte er das für sich selbst immer noch auslegen, wie er das wollte. Zwar war er im Gegensatz zu dem jungen Halbrussen noch nie in einer solchen Bar gewesen, aber so schlimm konnte es ja doch nicht werden. Leider hatte der Blondschopf an dieser Stelle noch keine Ahnung, wie sehr er sich da geirrt haben sollte. Der nächste Morgen begann vergleichsweise friedlich und normal. Zumindest wenn man es aus der Sicht von Kais Team betrachtete. Es war die übliche Fragerei seitens Tala, wo sich der Grauhaarige den ganzen vorangegangenen Abend rumgetrieben hatte und warum er erst weit nach Mitternacht wieder in die gemeinsame Hotelsuite zurückgekehrt war. Seltsamerweise beteiligte sich Bryan nicht an der Diskussion, obwohl es eigentlich üblich für ihn gewesen wäre, genau das zu tun. Man sah es ihm zwar nicht an, aber er konnte dennoch extrem neugierig sein, also ließ das nur zwei Schlüsse zu: entweder er war Kai am Vorabend gefolgt oder er wollte sich lediglich aus der Auseinandersetzung heraushalten. Jedenfalls reichte ein böser Blick um ihn dazu zu bringen, sich ganz aus dem Aufenthaltsraum der Suite zurückzuziehen. „Also noch mal...“, begann Tala, kaum dass er und Kai alleine in dem Raum waren. „Es ist eine Sache, ob du das Training schwänzt oder dich von uns absonderst, da wir ja wohl eh nur deine Zweckteamkameraden sind, damit du am Ende gegen Tyson antreten kannst, aber es ist eine andere Sache, wenn du erst nach Mitternacht wieder ins Hotel zurückkommst, obwohl laut den Turnierregeln alle bis Mitternacht wieder in ihren Zimmern zu sein haben, also WO warst du?“ Es erfolgte erst einmal keine Reaktion, Kai verblieb stumm in der Pose, in der er sich vor ein paar Minuten auf dem Sofa niedergelassen hatte; die Beine übereinander geschlagen, die Arme vor der Brust verschränkt und die Augen wieder geschlossen. Er wusste genau, dass er Tala mit dieser Pose zur Weißglut treiben konnte, aber er wusste auch, dass dem Rothaarigen nicht der Sinn nach Spielchen stand. Regelbruch war Regelbruch und so hieß es jetzt vorsichtig zu sein. „Kai? – Ich rede mit dir!“ „...in der Bar...“, gab Kai schließlich zur Auskunft. „In der BAR?“ „Ja, da hast du mich schon genau richtig verstanden.“ „...klasse... – Sind wir dir jetzt schon so wenig wert, dass du da alleine einen heben gehst?“ „Ich war nicht alleine...“ Diese Aussage brachte Tala dazu, seine Augenbrauen rasch in Richtung Decke schnellen zu lassen. „Wie, du warst nicht alleine? – Jetzt hört’s aber auf! – Jetzt fängst du wohl hier auch noch an, dir hier eine Spanierin aufzureißen, oder wie?“ Ein kurzes Schmunzeln umspielte die Lippen des Grauhaarigen. „Habe ich das gesagt oder entspringt diese Vorstellung nur deiner scheinbar äußerst lebhaften Fantasie?“ Der Rothaarige schüttelte den Kopf. „Du machst mich fertig... – Im Grunde geht es mich ja nichts an, was du da machst, aber gestattet es dein eng gestrickter Zeitplan wenigstens heute mit uns die neuen Spielzüge zu testen?“ „Alles, was du willst...“ Unterdessen in einer der anderen Suiten. Der Morgen dort verlief in leicht anderen Bahnen. Fast alle Mitglieder des amerikanischen Teams waren bereits auf den Beinen und irgendwo in der Hotelanlage verstreut. Bis auf Max, der sich noch im Reich der Träume befand und Michael, der in der Suite zurückgeblieben war um zu warten, bis sein Teamkamerad aufwachte. Irgendwie schien es ihn am sichersten, dass Max zu diesem Augenblick nicht alleine war. „...ouh mein Schädel...“ „Take your time... – Meine Güte, was musstest du es auch so übertreiben?“ Mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht ließ sich der Blondschopf wieder auf das Kissen zurücksinken. „Ich hab so gar keinen Schimmer, wovon du da redest...“ Belustigt schob der blonde Amerikaner sein Basecap in den Nacken. „Das kann ich mir allerdings lebhaft vorstellen. – Ich bin nur froh, dass keiner der anderen aufgewacht ist, als Kai dich gestern Nacht hier abgeliefert hat. – Oh und er hat dir was dagelassen. – Hier...“, fügte er noch hinzu und drückte dem vollkommen verdutzen Max einen zusammengefalteten Zettel in die Hand. Unsicher entfaltete der Blondschopf den Zettel und begann den sich darauf befindenden Text zu lesen. Die beiden Aspirintabletten, die bei der Öffnung des Zettels auf der Bettdecke gelandet waren, wurden erst einmal mit Nichtachtung gestraft. Michael beobachtete seinerseits amüsiert, wie sich die Augen des Jüngeren mit jedem gelesenen Wort weiter öffneten, bis sie die gefühlte Größe von Suppentellern erreicht hatten. Und als sich dann auch noch die Wangen des Jüngeren verfärbten, bis sie schließlich die Farbe von reifen Tomaten hatten, war der Anblick perfekt. 'Ein Königreich für einen Fotoapparat...', schoss es Michael durch den Kopf, bevor er Max ansprach. "Max? - Are you OK?" "Was...?", war die geistesabwesend klingende Rückfrage. "Ob du OK bist, wollte ich wissen." "Ja... - Ja, mir geht's gut. - Kannst du...", setzte er an, während er sich mit der Hand die immer noch schmerzende Stirn rieb. Was auch immer in der letzten Nacht zugetragen hatte, es war ziemlich hartnäckig und fühlte sich an, als würde jemand mit einem kleinen Hammer immer wieder auf seinen Kopf einschlagen. Michael nickte bezüglich der ihm nur halb gestellten Frage. "...dich alleine lassen? - Ja kann ich. Ruf wenn du was brauchst. Ich versuche deine Mutter so lange abzulenken, dass sie nicht mitkriegt, wie verkatert du noch bist." "Danke, das Donnerwetter will ich mir jetzt lieber ersparen." „Nichts zu danken. Ich habe ihr gestern Abend im Übrigen auch verschwiegen, dass du noch nicht im Zimmer warst. Sie kam gegen 11... – Theoretisch erfährt sie nichts von deinem kleinen Ausflug.“ „Wie spät...?“ „Och irgendwann nach 1 Uhr... – Aber ich glaube ich lasse dich und deinen Filmriss mal alleine. – So wie du guckst kommt die Erinnerung an den Abend nämlich langsam aber sicher wieder zurück.“ Und mit diesen Worten verließ er den Raum und schloss die Tür, zuckte aber gleich zusammen, als er von der Seite angesprochen wurde. „Ist mit Max alles in Ordnung?“ Leicht irritiert blickte er zu seiner Teamkameradin, die ihn fragend anblickte. „Ich frage mich nur deswegen...“, fuhr sie fort. „...weil ich ihn gestern nach dem Wettkampf nicht mehr gesehen habe und heute auch noch nicht... – Da mache ich mir halt Sorgen. – Kai war ja nicht grade zimperlich mit ihm.“ „Äh nein... – War er nicht...“, gab Michael zurück, beendete seinen angefangenen Satz dann doch in Gedanken. ‚Aber ich glaub der Abend war härter als der Rest des Tages...’ „Was macht er da drin überhaupt?“ „Meditieren. Hat er sich von Ray abgeguckt meinte er. – Er sagte, dass davon seine Konzentration für das nächste Spiel vielleicht besser wird und meinte dass wir ihn auf keinen Fall stören sollen.“ „Hmmmm... – Kann es sein, dass du mir irgendwas verschweigst, was ich wissen sollte?“ „Nein, ich wüsste beim besten Willen nicht, was ich dir verschweigen sollte Emily...“ „Na gut. Aber zum Training heute Nachmittag hat auch er zu erscheinen.“, gab sie trocken zurück und verschwand dann durch die Ausgangstür der Suite. Michael atmete kurz hörbar auf. „Oh Mann... – Das wird ein verdammt langer Tag...“ Mit immer noch dröhnendem Kopf lag der Blondschopf in seinem Bett und starrte an die Decke. Zumindest hatte er es, nachdem Michael das Zimmer verlassen hatte, geschafft, die beiden Aspirin in dem auf dem Nachtschrank stehenden Wasserglas zu versenken. Den Zettel, mit dem sie ihren Weg zu ihm gefunden hatten, hatte er noch immer in der Hand. Er war von Kai, aber der Inhalt wollte nicht so ganz zu dem sonst so kühlen und zurückweisenden Exteamleader der Bladebreakers passen. Genau genommen hatte die Einladung schon nicht wirklich zu ihm gepasst. Und noch während er diesen Gedanken hatte, sah man dem Blondschopf förmlich an wie die Ereignisse des vorangegangenen Abends Stück für Stück in sein Gedächtnis zurückkehrten. „Oh Mann...“, stöhnte er, während er nach dem Glas griff und es in einem Zug leerte. „Was hat mich denn da gestern nur geritten?“ Dies stellte sich als durchaus berechtigte Frage heraus, doch die Antwort darauf zu finden würde wohl schwer bis unmöglich sein. Angefangen hatte es damit, dass er von Rick vor dem gesamten Publikum für seine Niederlage zusammengefaltet worden war. Danach gab es noch mal Zoff in der nun leeren Arena, aber auch der war nicht ungehört geblieben und ausgerechnet Kai hatte ihn mitbekommen. Und dann hatte der ihn auch noch eingeladen. Wieso und warum wollte sich Max noch nicht so ganz erschließen, zumal von dem gemeinsamen Abend in der Bar in seinem Gedächtnis noch nicht sehr viel wieder vorhanden war. Irgendwie war da alles dunkel. Der Blondschopf schloss seine Augen und legte für sich fest, erst wieder darüber nachzudenken, wenn die beiden Schmerztabletten ihre Wirkung getan hatten und letzten Endes dauerte es auch nicht lang, bis diese schließlich einsetzte. Das zog wiederum nach sich, dass sich der Schlafmangel bemerkbar machte und er schneller wieder eingenickt war, als es ihm lieb war. Ein paar Stunden später wurde er von einem Klopfen an der Tür geweckt und noch bevor er antworten konnte, öffnete sich die Tür und Michael kam herein. „Bist du wach?“ „...jetzt ja... – Was’n los?“ „Wir haben in einer Stunde Training und ich wollte wissen ob du dich dazu körperlich in der Lage fühlst oder doch eher nicht.“ Max setzte sich auf und streckte sich. „Na ja, so geht’s mir ganz gut aber ich will nicht wissen, was passiert, wenn ich aus dem Bett aufstehe...“, gab er zur Auskunft. „Na ja... - Dann muss ich mir halt was einfallen lassen, wie ich deine Abwesenheit am besten erkläre. – Aber du hast Besuch, kann ich den trotzdem reinlassen?“ „Wer ist es denn?“, war die müde klingende Rückfrage, doch statt von Michael kam die Antwort von einer vollkommen unerwarteten Person. „Oh je... – Du siehst ja glänzend aus...“ Irritiert blickte der Blondschopf seinen Gegenüber an. „Kai, was machst du denn hier?“ „Ich wollte nach letzter Nacht mal nach dir sehen.“ Max verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht mal mehr, was da war...“ Die Aussage zog ein belustigtes Gesicht seitens Kai nach sich. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen, ehrlich...“ Der Blonde zog einen Schmollmund. „Wirklich witzig...“, murrte er, während er mit den Augen Kai folgte, wie dieser das Zimmer betrat, sich anschließend neben das Bett setzte und dann Michael mit einer Handbewegung andeutete, ihn und Max alleine zu lassen. „Ach Max...“, begann er. „Du kennst doch den alten Spruch...“ „Ja, ich weiß...“, gab er zurück. „Aber... – Was genau gestern passiert ist, weiß ich deswegen immer noch nicht.“ Nachdenklich legte der Grauhaarige einen Finger an sein Kinn. „Na ja... – Wenn man davon absieht, dass du nach dem zweiten Mojito langsam zutraulich geworden bist...? – Nicht viel, würde ich sagen...“ Man konnte Max ansehen, dass er noch ein ganzes Stück bleicher um die Nase wurde, kaum dass Kai seinen Satz beendet hatte. „...zutraulich...?“ „Ja. Man könnte es durchaus auch als mutig bezeichnen.“, war die trockene Rückantwort. „In... – Inwiefern denn zutraulich?“ „Wie beschreib ich das am besten... – Du hast mich erst immer wieder angegrinst, dann bist du kuscheln gekommen und danach hast du mir gesagt wie gern du mich hast...“ Am immer stärker werdenden Brennen in seinen Wangen konnte Max erkennen, dass seine vorherige Blässe inzwischen der Röte einer reifen Tomate gewichen sein musste. Alkohol war böse und trieb Menschen oft dazu, ihre sich selbst gesetzten Schranken zu vergessen und Dinge zu tun, die sie sonst nie tun würden. Er hatte sich vorgenommen, dass gerade ihm das nie passieren würde und nun war es doch passiert und er hatte im angetrunkenen Zustand seinen Exleader angebaggert. Mit den Worten „Das darf doch jetzt bitte nicht wahr sein...“ verzog sich der Blondschopf unter die Decke. Kai musste schmunzeln. Der Kleine konnte so niedlich sein, wenn er wollte und wenn er sich bei etwas ertappt fühlte. Die Tatsache war ihm schon früher aufgefallen, aber jetzt war es mal wieder ein Paradebeispiel. „Max?“ Keine Reaktion. „Max, komm wieder unter der Decke vor...“ Wieder nichts. „Max komm da bitte raus.“, versuchte er es noch mal, pausierte aber kurz nachdenklich bevor er weiter sprach. „Das ist kein Grund sich zu schämen. Ich habe schließlich nicht gesagt, dass es mir nicht gefallen hat, oder?“ Das wirkte nach ein paar Augenblicken weiteren Wartens schließlich doch und Max’ Kopf, immer noch mit roten Wangen verziert, tauchte schließlich wieder auf. „...was hast du da grade gesagt?“ „Ich sagte, dass ich nicht gesagt hätte dass es mir nicht gefallen hat.“ Max Antwort beschränkte sich zunächst auf ein schwaches Grinsen. „Dann hoffe ich nur, dass ich nicht auch noch versucht habe, dich zu küssen.“ Kai musste leicht lachen. „Nein, hast du nicht. – Aber ich bin schon erstaunt. Die Idee für diese Annäherungsversuche, die kam doch nicht von jetzt auf gleich... - Oder?“ Seufzend ließ sich der Blondschopf wieder in die Kissen sinken. „Nein... – Nicht wirklich... – Oh Mann... – Ich hatte irgendwie gehofft, dass das nicht rauskommt...“ „Wieso?“, wollte der Grauhaarige wissen und Max wunderte sich an dieser Stelle doch sehr über Sanftheit, die sein Gegenüber in der Stimme mitschwingen hatte. „Hattest du... - ...Angst?“ Ein Nicken folgte. „Vor mir und meiner Reaktion?“ Wieder das Nicken. „Warum?“ Auf diese Frage folgte erst einmal minutenlanges Schweigen. Dann jedoch entschied sich der Halbamerikaner doch für Reden. „Weil...“, begann er, brach aber gleich wieder ab. Kai ließ ihm Zeit. Drängen würde jetzt gar nichts bringen. Hier brachte nur Geduld etwas und die hatte er mit dem quirligen Blondschopf schließlich schon ein paar Jahre lang gehabt. Dann endlich brach Max das Schweigen. „Na ja... – Du warst immer so unnahbar und unerreichbar... – Mit Tyson in meiner Nähe war ja daran kaum zu denken und außerdem hat Ray immer in deiner Nähe rumgehangen, da... – Und immer wenn ich dich dann doch mal alleine irgendwo gesehen habe, hattest du entweder miese Laune oder einer der anderen hat mich oder dich dann immer abgefangen. – Es gab nie eine Gelegenheit und je weiter die Zeit voranschritt, umso weniger habe ich dran geglaubt, dass das was wird. – Na ja und jetzt...“ „...jetzt sitzen wir hier in deinem Hotelzimmer und sprechen darüber, dass du mich gestern betrunken in einer Bar angegraben hast...“ Max zog einen Schmollmund. „Danke Kai... – Man hätte es auch etwas sensibler ausdrücken können.“ „Ja, vielleicht hätte man das...“, gab der Grauhaarige zurück. „Vielleicht aber auch nicht, denn schließlich sind das die Fakten. – Und da ist noch eine Kleinigkeit, die ich dir über gestern Abend nicht gesagt habe...“ „Und... - ...das wäre?“ „Es stimmt schon, dass du nicht versucht hast mich zu küssen, aber begeistert warst du davon trotzdem.“ Deutlich sichtbar verwirrt zog der Blondschopf seine Augenbrauen zusammen. „Wie meinst du denn das jetzt?“ „Ganz einfach... – Nicht du hast mich geküsst... – Sondern ich dich...“ „Wie... – Was... – Du... – Mich...?“ „Ja, genau das. – Und? Wie sieht’s aus? – Soll das einmalig bleiben oder...?“ Das Strahlen, das sich nach dieser Frage über das Gesicht des Halbamerikaners ausbreitete, war schon fast überirdisch und mit einem Mal waren auch die Kopfschmerzen vergessen, während Max aus dem Bett förmlich hochschoss und sich in einer innigen Umarmung an seinen ehemaligen Teamleader drückte. „Natürlich nicht...“ Weder Kai noch Max bemerkten, dass sich die Tür, die sich während ihres Gespräches einen spaltbreit geöffnet hatte, wieder schloss. Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen verzog sich Michael leise in Richtung der Ausgangstür. Er würde sich jetzt zwar etwas einfallen lassen müssen, damit er erklären konnte, wieso Max nicht zum Training erschien, aber da würde er ihm schon noch die passende Idee kommen. Mit der Gewissheit, dass seine Anwesenheit unbemerkt geblieben war, schloss er die Ausgangstür der Suite und schüttelte dann leicht den Kopf. „Man... – Those two... – Das hat ja wirklich sehr lange gedauert...“ Das Turnier nahm schließlich seinen gewohnten Lauf wieder auf und weder Kai noch Max ließen sich etwas von ihrer nun doch etwas tieferen Freundschaft anmerken. Wie es von Profis erwartet wurde, zogen sie die weiteren Spiele durch, ohne dabei an Leistungsfähigkeit zu verlieren oder sich gar etwas anmerken zu lassen. Das zwischen ihnen ging vorerst niemanden etwas an. Aber natürlich war dann am Ende alles so gekommen, wie es hatte kommen müssen. Kai war von Tyson wieder einmal besiegt worden, etwas, was keiner nach den furiosen Duellen, die er in der Weltmeisterschaft abgeliefert hatte, erwartet hatte. Aber das Schicksal hatte es ein erneutes Mal nicht besonders gut mit ihm gemeint. Dennoch war sich Max sicher, dass seinem Freund die Niederlage dieses Mal nicht ganz so sehr zusetzte, wie das sonst der Fall gewesen war. Schließlich hatte sich in den vergangenen Tagen und Wochen doch das eine oder andere verändert. Und dazu zählte auch, dass er jetzt hier am Flughafen von Los Angeles auf die Ankunft der Nachtmaschine aus Moskau wartete. Allerdings war er dabei nicht ganz so alleine, wie er es gerne gehabt hätte. Das andauernde monotone Ploppen konnte einem mit der Zeit aber auch den letzten Nerv rauben. "Mike... - Könntest du bitte endlich aufhören, hier ständig deinen Baseball gegen die Wand zu werfen? Du wirst noch irgendwen mit dem Teil treffen..." "Ah Max, take it easy, willya? - Es ist ja nicht so dass ich hier absichtlich mit dem Ding auf Leute schieße..." "Das habe ich auch nicht gesagt. - Es geht mir nur grade auf die Nerven und ich..." "You're exited... - Kann ich mir schon denken. So was macht man ja auch nicht alle Tage, nicht wahr?" Von der Unbekümmertheit des älteren Jungen leicht genervt verdrehte Max seine blauen Augen. "Sag mal bist du eigentlich nur mit hierher gekommen, um mir auf die Nerven zu fallen?" "Wow sind wir aber gereizt heute... – Nein, ich bin hier, weil du ja noch keinen Führerschein hast und man sich Taxis hier in dieser Stadt nur leisten kann, wenn man die entsprechende Kohle verdient, woran es bei dir leider auch scheitert. - I'm your driver, remember?" „...wie könnte ich das vergessen...“, gab der Blondschopf zurück und musste dann kurz grinsen. „Aber falls du auf irgendwelche Bildchen hoffst, lass es. Weder haben wir die ganze Sache bisher öffentlich gemacht, noch kann ich mir vorstellen, dass Kai davon sonderlich begeistert sein wird, wenn du die ganze Zeit mit einer Kamera bewaffnet an uns dranhängst.“ „OK, hab ich verstanden. Ich fahr euch zu dieser Hütte und da habt ihr eure Ruhe. – Für den Fall der Fälle gibt’s ja noch diese nette Erfindung genannt Handy. – Ich meine, nur für den Fall, dass er doch etwas... - ...zudringlich werden sollte. – Ich meine du weißt doch... – Russland... – Amerika...“ Max verzog das Gesicht und sein Blick verdunkelte sich. Michael war mit Sicherheit einer seiner besten Freunde und einer der ersten, die mitbekommen hatten, dass zwischen ihm und Kai mehr sein musste, als beide zugeben wollten. Und bisher hatte er gegenüber allen Anderen dicht gehalten und immer gewartet, bis Kai oder Max von selber damit herausgekommen waren. Allerdings waren seine Scherze manchmal etwas daneben, wie auch in diesem Fall. „Michael? – Falls du es noch nicht mitgekriegt hast... – Der kalte Krieg ist vorbei...“ Ein Grinsen war die Antwort. „Ich weiß, aber ich finde es immer wieder schön wie du auf solche Sticheleien reagierst.“ „Manchmal bist du echt nervig.“ Wieder dieses freche Grinsen. „Und stolz drauf.“, gab er zurück, bevor er dann etwas entdeckte. „Ich glaube ich bin besser ruhig, da kommt dein Prinz.“ Leicht entnervt von diesem Seitenhieb drehte sich der Blondschopf in die Richtung, die Michael ihm andeutete und sein genervter Gesichtsausdruck wandelte sich von einer Sekunde auf die andere in das fröhliche Lächeln, von dem er ganz genau wusste, dass Kai es am liebsten hatte. Allerdings musste er sich selbst ausbremsen, nicht auf ihn zuzulaufen und ihm hier vor den ganzen anderen Menschen um den Hals zu fallen. Man musste es ja nicht ganz so offensichtlich machen, immerhin waren beide noch minderjährig und eine solche Beziehung hier in diesem Land nicht unbedingt gern gesehen. So musste ein Händedruck die erste Freude über das Wiedersehen ausdrücken. „Schön, dass du kommen konntest.“ Kai lächelte leicht. „Gern. Ich habe mich über die Einladung sehr gefreut. – Ein bisschen Ruhe nach dem ganzen Chaos wird mir auch gut tun.“ „Die wirst du kriegen. Jetzt komm erstmal mit, wir verbringen die erste Woche allein im Haus meiner Mutter. Mike fährt uns hin. – Mum kommt dann in der zweiten Woche dazu, hat aber gesagt, dass wir unsere Ruhe haben werden.“ Der Grauhaarige schmunzelte leicht. „Weiß sie es denn schon?“, wollte er wissen, während er und Max dem dunkelblonden Amerikaner zu dem von der BBA geliehenen Wagen folgten. „Noch nicht. – Aber du kennst ja das alte Sprichwort. Was nicht ist, kann ja noch werden...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)