Roaring Twenties von Wolfi-sama (Gemshipping (Akefia/Ryou)) ================================================================================ Kapitel 1: Scene 1 ------------------ Der Bug der HMS Jupiter pflügte durch die Wasser der Themse und brachte eine weitere Brise des Kriegsendes zurück in die Heimat. Eine Brise der Freude aber auch eine der bitteren Erkenntnis. Schwere Jahre lagen hinter den Soldaten, die teils schwer verletzt in den Schiffslazaretten lagen und in den heimischen Spitalen auf Rettung hofften. Der erste Weltkrieg hatte ihre Kräfte ausgezehrt und die Reihen der Armee stark ausgedünnt, sodass nur noch ein Bruchteil der rekrutierten Männer in der Lage war, die Heimreise anzutreten. Seit Wochen schon fuhren Tag um Tag die Schlachtschiffe der Royal Navy in den Londoner Port ein und sorgten jedes Mal für einen enormen Aufruhr: Hunderte Frauen und Kinder bildeten Trauben an den Anlegestellen in der Erwartung, ihren Ehemann oder Vater wieder in die Arme schließen zu können. So auch an diesem Tag. Der Himmel war überzogen von dunklen Wolken und der Geruch eines Gewitters lag bereits in der Luft. Dennoch tummelten sich bereits etliche Menschen am Hafen und gerieten in Aufregung, als sie in der Ferne ein gigantisches Schiff entdeckten, das sich quälend langsam durch die Ufer Londons navigierte. Es breitete sich eine gespannte Atmosphäre aus, die sich auf dem Schiff unter der Besatzung noch deutlicher bemerkbar machte als an Land. „So ein wundervolles Gefühl, wieder zuhause zu sein!“, schwärmte ein Soldat vorn an der Reling und steckte die Nase in die Luft, wobei er lächelnd die Augen schloss. „Wie Recht du doch hast..“, pflichtete ihm ein weißhaariger Kamerad bei, der sich nun mit verschränkten Armen auf der Querstrebe des Metallgerüsts vor sich abstützte und seinen Blick nach unten auf das unruhige Wasser gleiten ließ. „Ich kann kaum erwarten, Joanne wiederzusehen..“ Das Seufzen des anderen ließ den Weißhaarigen ebenfalls lächeln. „Deine Frau?“, fragte er und wandte sich dem Brünetten zu, der schief grinste und den Kopf schüttelte. „Noch nicht. ..Ich habe überlegt, ihr heute einen Antrag zu machen!“ „Lass es langsam angehen; vielleicht muss sie erst einmal verkraften, dass du wieder da bist! Nicht dass sie erst noch ihren neuen Geliebten verstecken muss.“, witzelte er und erntete einen empörten aber auch irgendwie verunsicherten Blick seitens seines Kameraden. „Akefia, sag soetwas nicht!“, tadelte er und schlug mit der Faust auf die Reling. Durch die Vibration unter seinen Armen gestört richtete Akefia sich wieder auf und klopfte seinem Gegenüber auf die Schulter. Er lächelte. „Das bisschen Spaß musstest du mir lassen, Seth.“, schmunzelte er und nahm die Hand von seiner Schulter, nachdem er diese freundschaftlich gedrückt hatte. Akefias Lachen steckte den Brünetten an, der sich aber recht bald wieder von dem Weißhaarigen abwandte und den Blick auf den vor ihnen liegenden Hafen richtete. Er hatte sich auf der Reling abgestützt und den Rücken durchgestreckt. Sein Gesicht zeigte etwas Melancholie. „Ich würde für sie alles aufgeben, weißt du?“ Zustimmend nickte Akefia, kehrte aber nun in seiner ursprüngliche Position zurück und sah in der Ferne bereits die vielen Frauen winken. „Das wird sie zu schätzen wissen. Ich wünsche euch alles Gute.“, murmelte er und schaute kurz zur Seite, Seth erwiderte seinen Blick. „Wie.. sieht es bei dir aus? Hast du auch jemanden?“ Eine starke Böe fegte über das Deck und zwang die beiden Kameraden dazu, ihre Uniformmütze festzuhalten. Während Seth leise vor sich hin fluchte und den Wind und das generelle Wetter verwünschte, legte Akefia etwas den Kopf schief und begann leicht zu lächeln. Die mittellangen weißen Haare flogen ihm ins Gesicht und verdeckten so auch teilweise die mittlerweile vernarbte Wunde unter seinem rechten Auge, die ihm während eines Einsatzes zugefügt worden war. Man hatte zwar getan was möglich war, doch die große Narbe würde er behalten. Rückblickend war ihm dies jedoch lieber als sein Auge verloren zu haben und auch an sich recht unbeschadet geblieben zu sein. Er hatte – anders als viele andere – noch alle seine Gliedmaßen, konnte noch sehen, laufen und auf lange Sicht ein normales Leben führen. Ein Leben, das auch Familie nicht ausschloss. „Ja“, beantwortete er verspätet Seths Frage und ließ seinen Hut los, als der Wind sich wieder gelegt hatte. Sie waren nur noch wenige Fahrminuten vom Hafen entfernt und langsam setzte auch leichter Regen ein. „Ich habe jemanden, aber es ist etwas kompliziert“, fuhr er fort und vernahm ein mitleidiges Murren seitens des anderen. „Spielt sie die Unerreichbare? ..Joanne hatte anfangs auch Spaß an sowas.. Ich habe mich zum Narren gemacht, für sie“, seufzte er und musterte Akefia, wie er sich von der Reling abstieß und anschließend davon entfernte. „Frauen lieben uns Trottel nunmal.“ Akefias breites Lächeln ließ Seth schmunzelnd den Kopf schütteln. Noch grinsend streckte er die Hand nach dem Weißhaarigen aus, der sie umgehend ergriff und schüttelte. Der Druck, der von Seths Hand ausging vermittelte Ermutigung. „Dir und deiner Liebsten auch alles Gute“, wünschte der Brünette nun, ehe Akefia dankend nickte und sich dann mit einer winkenden Geste verabschiedete. Diesem Thema ging er lieber aus dem Weg und außerdem wurde es Zeit, das Gepäck zu holen, damit er nachher nicht in der großen Masse aus dem Schiff aussteigen musste, sondern sich schon früh davonstehlen konnte. Er zwängte sich durch die schmalen Gänge unter Deck und grüßte hin und wieder einen Kameraden mit einem knappen Nicken. Die Erleichterung über die problemlose Heimkehr war beinahe greifbar. Es wurde nach langer Zeit wieder gelacht, man verabschiedete sich lachend voneinander, versprach Besuche, Briefe, Postkarten.. Alles wie es sein sollte und doch blieb Akefia nachdenklich. Schweigend öffnete er die schwere Tür zu der Schlafkammer, die er mit mehreren anderen teilte und atmete ein letztes Mal die verbrauchte Luft in ihr ein, die ihn in den letzten Jahren so oft schon beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte. Hier unten stand man Ängste aus, die man sich nicht annähernd vorstellen konnte, wenn man sie nicht selbst erlebt hatte. Die stetige Angst, von einem Torpedo getroffen und zerrissen zu werden, nachts zu havarieren und zu ertrinken.. Akefia schloss tief durchatmend die Augen und ging die letzten Schritte blind zu seinem schmalen Nachtlager, das am Ende des Raumes lag. Unter der Matratze war ein Freiraum, in dem er die große Tasche verstaut hatte, in der sich noch einige Kleidungsstücke befanden. Er zog das halbleere Bündel hervor und legte es auf dem Bett ab. Neben diesem befand sich ein recht klein bemessener Schrank, in dem sich alle seine Habseligkeiten befanden, die sich auf wenige Hygieneartikel, ein wenig Wäsche und ein Foto beschränkten, dem man deutlich ansah, dass es einen Krieg durchgemacht hatte. So oft es ihm möglich gewesen war, hatte er es bei sich getragen, damit er nicht den Grund vergaß, wieso er durchhalten musste. Akefia betrachtete das Foto und strich sanft mit seinem Daumen darüber. Ihn ergriff eine Mischung aus Sehnsucht und Zweifel. Was er Seth vorhin im Scherz gesagt hatte, nämlich dass Joanne doch eventuell in der Zwischenzeit jemand anderen gefunden hatte, beschäftigte ihn selbst schon seit einiger Zeit. Eine Durchsage ließ ihn aufsehen. Stumm folgte er den Worten des Kapitäns, dessen durch die Lautsprecher verzerrte Stimme er sicherlich niemals vergessen würde und erfuhr, dass sie schon in wenigen Minuten einlaufen würden. Es folgte ein kurzer Vortrag, in dem er die Besatzung für ihren Einsatz lobte, doch Akefia hörte schon gar nicht mehr zu. Er stopfte die restlichen Gegenstände in seine Tasche und hörte von außen schon andere Kameraden zu den Schlafzellen schlendern, um ihr Hab und Gut zu packen. Nun etwas zur Eile angetrieben schulterte er sein Gepäck und drängte sich mühevoll zurück durch die engen Gänge bis hinauf zum Deck, an dem sich die Männer bereits wieder an den Geländern eingefunden hatten, um von dort aus ihren Familien zu winken. Das laute Rufen der Frauen und das Spielen einer Kapelle erfüllte die etwas verregnete Luft und rang Akefia ein Lächeln ab. Sie waren siegreich und lebend aus der Kriegshölle zurückgekehrt und durften sich nun gebührend feiern lassen. Einmal so hier empfangen zu werden war ein unbeschreibliches Gefühl.. Die Nase in den Wind gesteckt und die Augen geschlossen ließ er die Bewegungen des Schiffes unter seinen Füßen auf sich wirken. Schon bald hatten die Willkommensrufe der Londoner Frauen ihre höchste Lautstärke erreicht, was Akefia sagte, dass sie angelegt hatten. Zusammen mit einigen anderen Soldaten, die ebenfalls bereit zum Aussteigen waren, begab er sich zu dem schmalen improvisierten Steg, der das riesige Schiff mit dem Festland verband. Kurz ließ er seinen Blick über die Menge gleiten, die einen Durchgang für die Heimkehrer gebildet hatten, entdeckte jedoch nicht, worauf er gehofft hatte. Zudem verwehrten immer mehr aufgespannte Schirme die Sicht. Vor ihm fiel die erste Frau bereits ihrem Mann in die Arme und konnte die Tränen nicht zurückhalten. Er schlang die Arme um sie, hob sie an und drehte sich mit ihr zwei Mal um die eigene Achse, dabei bereits selbst wässrige Augen. Nur flüchtig betrachtete Akefia das glücklich vereinte paar und schlenderte durch die Gasse, stets auf ein Zeichen hoffend, das ihn zu seiner persönlichen Wiedervereinigung führte, doch noch fühlte er sich in der jubelnden Masse verloren. Hinter sich hörte er in der Ferne ein glückliches „Joanne!“ und lächelte schmal, bis er auf einmal ein Bellen vernahm. Überrascht sah er auf. Er hatte die riesige Menschentraube bereits hinter sich gelassen, sodass er in der Lage war, sich umzusehen und zu schauen, woher das Bellen gekommen war. Natürlich hätte es auch der Laut irgendeines Straßenhundes sein können, doch er bat darum, dass es anders war. Suchend drehte er sich um die eigene Achse und versuchte dabei die ganzen anderen Menschen auszublenden, die sich über die Heimkehrer freuten. Und dann sah er ihn. Etwa zwanzig Meter von ihm entfernt am Eingang einer Seitengasse stand ein schwarz-weiß gescheckter Spaniel, der mit Mühe an der Leine gehalten wurde. Akefias Blick folgte der Leine bis er die Person erkannte, die den Hund hielt und sein Puls schoss geradezu in die Höhe. Kein Zweifel! „Ryou“, flüsterte er zu sich selbst und stolperte fast abwesend auf den jungen Mann zu, der den Hut, den er sich tief ins Gesicht gezogen hatte, etwas nach oben schob. Weiße Strähnen fielen ihm in die Stirn und nur einen Bruchteil später hatte Akefia ihn erreicht. Starke Arme legten sich um Ryou und zogen ihn in eine enge Umarmung. „Endlich habe ich dich wieder..“, murmelte Akefia atemlos und drängte ihn etwas tiefer in die Gasse hinein, damit man sie nicht direkt beobachten konnte. Der Spaniel sprang mit wedelndem Schwanz immer wieder an Akefias Bein hoch und wimmerte freudig. In einer beiläufigen Bewegung zog Akefia seinem Gegenüber den Hut vom Kopf und verteilte anschließend Küsse auf den langen weißen Haaren, die Ryou nun wieder über die Schulter fielen. Ryou selbst hatte sich an Akefia geklammert und das Gesicht in der dunkelgrünen Uniform vergraben, die ungewöhnlich abgestanden roch. Das war wohl der Geruch langer Entbehrung und Leid. „Ich bin so froh, dass du wieder da bist..“, kam es gedämpft von Ryou, der den Kampf gegen die Tränen schon aufgegeben hatte, weswegen seine Worte eher gewimmert als gesprochen klangen. Der Regen war unterdessen stärker geworden und hatte die beiden schon nach kurzer Zeit, die sie eng umschlungen dastanden beinahe gänzlich durchnässt. Doch Akefia dachte nicht daran, Ryou so schnell wieder loszulassen. So lange hatte er darauf warten müssen, ihn wieder bei sich zu haben, da schien ihm der Weg bis in ihre Wohnung wie eine halbe Weltreise. „Wie geht’s dir?“, fragte Akefia leise und küsste ein weiteres Mal die weißen Haare. „Gut, gut“, log Ryou und entfernte sich dann etwas von Akefia, löste dabei die Umarmung jedoch nur leicht. Er sah zu dem anderen auf und schaute ihn aus verweinten Augen an. Ihm fiel die Narbe in Akefias Gesicht auf und zog besorgt die Brauen zusammen. Fast ungläubig strich er mit den Fingerspitzen leicht über die Unregelmäßigkeit auf Akefias Wange und schien um Worte zu ringen. Akefia schüttelte den Kopf. „Nichts Wildes“, beruhigte er ihn und küsste sanft Ryous Stirn. Ihn direkt auf den Mund zu küssen schien ihm selbst hier in dieser abgelegenen Gasse etwas zu leichtsinnig, auch wenn alles in ihm danach schrie, es dennoch zu tun. Das erneute Bellen des Hundes, den Ryou im Zuge der Umarmung losgelassen hatte, schreckte beide auf. Ryou stieß Akefia reflexartig von sich weg und wischte sich eilig die letzten Tränen aus den Augen. Geistesgegenwärtig fuhr Akefia herum und griff nach der Leine des Hundes, ehe dieser in Richtung des Mannes laufen konnte, der sich ihnen näherte. „Miss, ruhig!“, zischte Akefia der Hündin zu, die sich jedoch dagegen sträubte, den Befehl zu befolgen. Knurrend fletschte sie die Zähne, woraufhin Akefia endlich den Blick zum Auslöser des Aufruhrs hob und einen sichtlich angetrunkenen älteren Mann erkannte, der auf ihn zugetorkelt kam. Ihm stand der Alkohol ins Gesicht geschrieben und auch die Tatsache, dass es mittlerweile Bindfäden regnete, schien ihn in keinster Weise zu stören. „Essis schön..“, begann er und gluckste etwas vor sich hin, „..dasse wohl-.. w-.. wohlbehalden wida da sin.“ Etwas vom Anblick des Mannes verstört trat Akefia einen Schritt zurück und zupfte Miss an der Leine etwas näher zu sich. Die undeutlichen Worte, die der Betrunkene von sich gab sagten dem Weißhaarigen, dass es in Ordnung war, wenn er sich ohne viele Worte davonstahl. Einerseits empfand er es als angenehm, dass man auf ihn zukam und sich freute, dass er und seine Kameraden wieder da waren, andererseits war das Lob in Anbetracht des Alkoholpegels des Herrn eher fragwürdig. „Freut mich“, murmelte Akefia und drehte sich kurz zu Ryou um, der eilig wieder seine Haare unter dem Hut versteckt hatte und halb in der Nische eines Seiteneingangs zum Gebäude neben ihnen verschwunden war und vorsichtig hervorlugte, „Einen schönen Tag noch.“ Akefia zwang sich zu einem Lächeln und atmete innerlich auf. Er dachte schon es sei ein Kamerad gewesen, der sie entdeckt hatte.. In diesem Falle hätte er sich eine Ausrede überlegen müssen, die wahrscheinlich daraus bestanden hätte, Ryou und sich als Brüder zu bezeichnen. Nachdem er sich von dem Herrn abgewandt hatte ermutigte er Ryou mit einem Nicken dazu, sich aus der Nische heraus zu begeben und mit ihm zu kommen. Die Gasse führte nämlich tatsächlich in die Richtung ihrer Wohnung. Akefia legte den Arm um Ryous Taille und merkte schon jetzt, wie sein Inneres sich danach verzehrte, Ryou erneut zu sich zu ziehen.. Ihn zu umarmen, zu küssen.. Ryou, etwas überrascht darüber, dass Akefia ihn so nah bei sich hielt, warf einen flüchtigen Blick über die Schulter zu dem betrunkenen Mann, der ihnen etwas verklärt hinterherschaute. Es blieb zu hoffen, dass er sich nicht an diese Situation erinnerte und Schlüsse zog, die ihnen beiden zum Verhängnis werden könnten. „Akefia, lass mich bitte los“, bat er kleinlaut und trat dabei selbst einen Schritt zur Seite, was ihm einen beinahe erschrockenen Blick seitens Akefia einbrachte. Die Zweifel von vorhin auf dem Schiff nahmen wieder eine erkennbare Gestalt an. Ihm war die Gefahr bewusst, die tagtäglich wie ein Fallbeil über ihnen schwebte, aber sollte er sich etwa jetzt, da er seinen Liebsten nach so langer Zeit wieder bei sich hatte, zurückhalten? Noch mehr als ohnehin schon? Er atmete ein Mal tief durch, unterdrückte so den Impuls, Ryou nach seinen – eigentlich offensichtlichen – Beweggründen zu fragen und schaute geradeaus. Ryous Verhalten verunsicherte ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)