Lost Oranges von Peacer ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Und du bist sicher, dass wir hier richtig sind?“ Skeptisch ließ Rin noch einmal den Blick über ihre Karte wandern, aber das Resultat blieb dasselbe. Wenn sie sich nicht komplett geirrt hatten, waren sie am Ziel ihrer Reise angekommen. Leider. Denn wenn der Rest der Stadt auch nur etwas Ähnlichkeit mit deren ramponiertem Eingang und den windschiefen Häusern hatte, dann war sie alles andere als erpicht darauf, diese zu betreten. Neben ihr nickte Maku und deutete auf ein schief hängendes Schild neben dem kaputten Tor, das in die Stadt führte, auf dem in verblichenen Buchstaben das Wort „Bilgewater“ so gerade noch zu erkennen war. Rin seufzte, packte ihre Karte weg und rückte ihren Rucksack zurecht. „Na dann, bringen wir es hinter uns.“ Sie mussten recht schnell feststellen, dass der Rest der Stadt sogar noch weitaus schlimmer war, als es der Eingang hatte vermuten lassen, denn dieser war zumindest verlassen gewesen. Je näher sie dem Hafen, dem Herzstück dieser kleinen Stadt, kamen, desto geschäftiger wurde es. Immer mehr Leute liefen, oder eher taumelten ihnen über den Weg, und aus etlichen Schranken war schiefer, dafür aber umso lauterer Gesang zu hören. Dabei war es noch früher Nachmittag. Rin schauderte, als sie sich vorstellte, wie viel schlimmer es wohl noch werden würde, sobald die Nacht hereinbrach, und beschleunigte ihre Schritte etwas. Ein kurzer Blick nach hinten über ihre Schulter bestätigte ihr, dass Maku ihr nach wie vor dichtauf folgte, während er nervös die Trunkenbolde im Auge behielt. Als er ihren Blick bemerkte, rang sich Rin ein, wie sie hoffte, beruhigendes Lächeln ab (wirklich geheuer war ihr diese Stadt nämlich auch nicht) und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Es dürfte nicht mehr weit sein.“ Maku nickte und schenkte ihr ein kleines Lächeln. Dann aber riss er die Augen erschrocken auf und zog Rin abrupt zu sich ran und aus dem Weg eines schief grinsenden und schielenden Halbriesen, der einen Augenblick später der Länge nach hinfiel. Zum Glück, ohne Rin unter sich zu begraben, dank Maku. „Puh, das war knapp. Danke.“ Maku nickte, dann schob er sich mit ernstem Gesichtsausdruck vor sie und übernahm zu Rins großer Überraschung die Führung. Eigentlich überließ er das immer ihr, zum einen, weil sie sich einen Weg durch Menschen zu bahnen wusste, und zum anderen, weil Menschenmengen ihm einfach nicht geheuer waren und er es bevorzugte, hinter Rin Schutz zu suchen. „Es ist zu gefährlich. Ich gehe vor.“ Rin schüttelte amüsiert den Kopf und grinste. Maku und sein Ehrenkodex, wie hatte sie das nur vergessen können? Sein Mentor wäre sicher stolz auf sein äußerst männliches Verhalten. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und er zuckte kurz zusammen. Sie lächelte. „Keine Sorge, ich gebe dir Rückendeckung.“ Daraufhin entspannte er sich kaum merklich, ehe er sich entschlossen einen Weg durch die verworrenen Straßen zu bahnen begann, Rin dicht auf den Fersen. Ein paar Betrunkene versuchten sich ihnen noch in den Weg zu stellen, aber die beiden schlüpften problemlos an ihnen vorbei und erreichten schließlich den Hafen und damit das Ziel ihrer Reise: das Piratenschiff „Dead Pool“. „Das ist es?“, fragte Maku staunend und musterte das riesige, mit etlichen Kanonen bespickte Schiff. Die schwarzen Segel waren aufgerollt, aber der Jolly Roger, auf dem ein Totenschädel mit einer Orange im Mund vor einen gekreuzten Pistole und einem Krummsäbel abgebildet waren, wehte munter in der kühlen Brise. Ein paar Matrosen wischten das Deck, kontrollierten die Seile und nähten Risse im Segel, während sie sich unterhielten, lachten und fluchten. Rin hob eine Augenbraue. „Nun, das daneben ist es sicher nicht“, meinte sie mit einem skeptischen Blick auf den Totenschädel mit den zwei gekreuzten, weitläufigen Pistolen, aus denen rote Herzchen kamen. „Das ist so cool!“, rief Maku begeistert und bevor Rin auch nur blinzeln konnte, hatte dieser schon die Gangway überquert und das Schiff betreten. Seine Menschenangst schien bei Piraten wohl eine Ausnahme zu machen. Seufzend folgte sie ihrem Partner, bevor dieser sich noch in Schwierigkeiten brachte. Piraten mochten zwar cool sein, aber auch gefährlich und möglicherweise heimtückisch und skrupellos. Ein bisschen Vorsicht konnte nie schaden. Bevor sie Maku aber hinsichtlich ihrer Zweifel warnen konnte, ertönten plötzlich die ersten Klänge einer fröhlichen Melodie, was die Crew des Schiffes mit Jubelrufen und Pfiffen beantwortete. Daraufhin erschien auf dem etwas höher gelegenen Steuerdeck ein groß gewachsener Mann, der geschickt auf einem Akkordeon spielte. Die Wahl seines Instrumentes war allerdings nicht das Kuriose an dem Musiker, sondern sein Aussehen. Der Afro mit Koteletten, die große, silberne Sternenbrille und die glitzernden, weißen Klamotten waren eindeutig nicht das typische Aussehen eines Piraten. „I'm on a boat, I'm on a boat Everybody look at me 'Cause I'm sailing on a boat I'm on a boat, I'm on a boat.“ …Und das war eindeutig kein typisches Piratenlied, auch wenn der Text zumindest mehr oder weniger passte. Wo waren sie hier bloß wieder gelandet? „Seht, was hier aus dem Zapfloch gekrochen ist!“ Die Musik und das Gegröle verstummten abrupt und Rin lief ein eiskalter Schauer über den Rücken, während sie und Maku sich langsam zu dem Mann umdrehten, dessen Worte für augenblickliche Stille sorgen konnten. Vor ihnen stand eindeutig der Kapitän dieses Schiffes, das hätte man selbst erkannt, wenn er nicht den typischen Hut getragen hätte, denn er strahlte eine Autorität aus, die nur von langer Erfahrung in dem Umgang mit unbändigen Seemännern stammen konnte. Sein langer, roter Mantel wehte ihm um die schweren, braunen Stiefel und wurde nur von einem breiten Gürtel zusammengehalten, an dem ein langer Krummsäbel und eine Pistole hingen. Ein weißes, nicht ganz zugeknöpftes Hemd, eine braune Hose und lederne Handschuhe komplettierten den Look. „Ein paar Landratten scheinen sich hierhin verirrt zu haben.“ Der Kapitän musterte sie aus dunklen Augen, während er sie bedächtig umrundete und Rin versuchte bestmöglich, sich nicht anmerken zu lassen, wie unbehaglich sie die Situation machte. „Kapitän Plankgank, nehme ich an?“, fragte sie kühn und spürte, wie Maku näher trat, um ihr so gut wie möglich den Rücken freihalten zu können, sollte dies denn nötig werden. Der Kapitän blieb vor ihr stehen und schenkte ihr ein gefährliches Lächeln. „Aye. Und mit wem habe ich die Ehre?“ Rin stellte sich etwas gerader hin und hob den Kopf. Auch wenn sie ein gutes Stück kleiner als ihr Gegenüber war, bedeutete das noch lange nicht, dass sie sich so leicht einschüchtern lassen würde. „Rin und Maku. Sie haben eine Anfrage auf Hilfe an unsere Gilde gestellt?“ Plankgank fuhr sich nachdenklich über seinen zotteligen Bart und Rin verlagerte nervös ihr Gewicht, während sie auf seine Antwort wartete. Dann lachte dieser urplötzlich und Rin zuckte erschrocken zusammen, als der Pirat ihr einen schweren Arm um die Schultern legte. „Ya-ha-har, aye, das habe ich. Komm‘ her, meine Schöne, wir können in meiner Kajüte weiterreden.“ Daraufhin bugsierte er sie durch die Gasse, welche die Crewmitglieder für ihren Kapitän und sie gebildet hatten, unter begeisterten Pfiffen, während Rin Maku einen hilfesuchenden Blick zuwarf. Daraufhin plusterte dieser sich wichtigtuerisch auf, bahnte sich todesmutig einen Weg zu dem Piratenkapitän und tippte diesem auf die Schulter. Plankgank hob eine buschige Augenbraue und Maku baute sich bedrohlich vor diesem auf. „Wir arbeiten nur als Team. Wenn Sie unsere Hilfe wollen, dann entweder ganz oder gar nicht!“ Der Pirat musterte Maku ernst, ehe er ihm lachend auf die Schulter klopfte. „Eine Landratte mit Mumm, das gefällt mir.“ Während Maku noch verdutzt über seinen Erfolg war und Rin ihm stolz die langen, schwarzen Haare zerwuschelte, winkte Plankgank einen rothaarigen, grinsenden Schiffsjungen mit Strohhut zu sich. „Hol drei Becher, Rothaar. Yo ho ho, und eine Flasche …Rum.“ „Geht klar, Kapitän.“ Plankgank legte Rin und Maku jeweils einen Arm um die Schultern und bugsierte sie weiter in Richtung seiner Kajüte. „Und wir, meine kleinen Landratten, reden über’s Geschäft.“ „Wir sollen was?“ Rin hatte sich prompt an dem Rum verschluckt, was nur geringfügig an dem komischen Auftrag lag, den Plankgank ihnen gerade erteilt hatte, und viel mehr mit der Stärke und Konsistenz des Gebräus zu tun hatte was er ihr eingegossen hatte. Maku klopfte ihr besorgt auf den Rücken, während er sich an den Piraten wandte. „Warum sind die Orangen so wichtig?“ Plankgank lehnte sich in seinem Sessel zurück und nahm einen kräftigen Schluck Rum, ehe er antwortete. „Weil Skorbut der größte Feind jedes Seemannes ist.“ Rin hatte sich mittlerweile von ihrem Hustanfall erholt und schob ihren Becher etwas weiter von sich weg. Sie runzelte die Stirn. „Orangen sind nicht das einzige Obst mit Vitamin C.“ Der Kapitän grinste. „Aber mein liebstes.“ Rin verschränkte die Arme vor der Brust. „Und warum haben Sie nicht einfach jemanden aus Ihrer Crew geschickt, um neue kaufen zu gehen, anstatt uns anzuheuern?“ Plankganks Grinsen wurde einen Tick gefährlicher und seine Augen funkelten bedrohlich in dem flackernden Licht der Laterne, der Hauptlichtquelle in der Kajüte. „Weil ich meine Orangen zurück will, und keine anderen. Und so lange ich die nicht habe, laufe ich Gefahr, ausgebremst zu werden.“ Rin schluckte schwer. Es schien keine gute Idee, den Piraten weiter zu belästigen, aber eine letzte Frage blieb noch. „Wo sollen wir anfangen?“ Plankgank grinste zufrieden. „Bei Lady Luck. Sie hat ihre hübschen Ohren überall, aye.“ „Das ist das letzte Mal, dass ich dich eine Mission aussuchen lasse“, meinte Rin mürrisch, als sie und Maku sich einen Weg durch die engen Gassen der Piratenstadt bahnten, auf der Suche nach der Bar „Fortune’s Favor“, wo sie diese Lady Luck antreffen sollten. „Ich hatte auch eher an Seeschlachten mit geenterten Schiffen und Kanonen und Schwertkämpfen und großen Schätzen gedacht“, erklärte Maku mit funkelnden Augen, ehe er schwer seufzte und den Kopf hängen ließ. „Und nicht an eine Suche nach gestohlenen Orangen.“ „Da sind mir Orangen dann doch lieber“, befand Rin und schauderte. In eine Seeschlacht wollte sie auf gar keinen Fall verwickelt werden. Sie warf einen erneuten Blick auf Plankganks handgezeichnete Karte der Stadt, ehe sie diese frustriert zerknüllte und einem Trunkenbold an den Kopf warf, der ihr zu nahe gekommen war. Es war mittlerweile spät genug, dass nicht mal ihre Kapuze sie noch von deren Avancen schützen konnte. So betrunken, wie die Männer mittlerweile waren, versuchten sie alles abzuschleppen, was nicht bei drei auf den Bäumen war. „Die Wegbeschreibung ist völlig nutzlos. So werden wir Fleet Street nie finden.“ „Fleet Street, sagtet ihr? Ich kann euch hinbringen.“ Rin sprang erschrocken einen Meter nach hinten, als sich eine gewaltige Gestalt aus den Schatten einer Nebengasse löste und auf sie zukam, und Maku stellte sich schützend vor sie. Als der Hüne dann aber endlich zu erkennen war, vergaß er augenblicklich seine Beschützerrolle und bewunderte mit funkelnden Augen dessen pompöse Rüstung, aber vor allem das riesengroße Breitschwert, das auf dessen Rücken geschnallt war. Das einzige was Rin an dem Mann interessierte war dessen Nüchternheit, für die sie sehr dankbar war. Sie hatte das Gefühl, also ob sie den Krieger nicht so leicht hätte abwimmeln können wie die bisherigen kleinen Fische. Aber zum Glück schien er ihnen freundlich gesinnt. „Wir würden gerne zu Lady Luck“, bestätigte Rin also. Der Ritter nickte und zog zu Makus Begeisterung (und Rins Schrecken) sein Breitschwert. „Zu Lady Luck! Für Demacia!“ Daraufhin wirbelte er los – wortwörtlich, denn er drehte sich wie ein menschlicher Mixer, sein Schwert tödlich von sich gestreckt, während er sich einen Weg durch die Menschen bahnte, und Rin sah das Blutbad schon vor sich. Aber die Bewohner waren erstaunlich geschickt darin, der tödlichen Waffe auszuweichen, und sprangen und duckten sich aus dem Weg, als wären sie daran gewöhnt. Womöglich war das auch der Fall. Kopfschüttelnd folgte Rin ihrem Führer und packte Maku am Ärmel, um ihn aus seiner bewundernden Starre zu lösen. Zumindest mussten sie sich jetzt nicht mehr mit pöbelnden Betrunkenen herumschlagen. „Lady Luck, Besuch für di-“ Ihr Führer verstummte abrupt, als er sich plötzlich zwei weitläufigen Pistolen entgegen sah, und auch Rin trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dein Schwert wegstecken sollst, ehe du reinkommst? Ich habe gerade erst renoviert.“ Maku verzog das Gesicht, als er die autoritäre Stimme einer Frau vernahm, der es so einfach gelang, einen großen Ritter mit imposantem Schwert mit nur einem Paar Pistolen in Schach zu halten. Starke Frauen waren gruselig und schüchterten ihn ein. Sein Ehrenkodex war einfach nicht darauf abgestimmt, dass Frauen seine Hilfe und seinen Schutz nicht benötigten. Der Ritter kratzte sich verlegen am Kopf – woraufhin alle einen Schritt zurückwichen, denn er tat es mit der Hand, in der er noch immer sein Schwert hielt -, ehe er dieses endlich wegsteckte und die Bar betrat, nachdem die Besitzerin ihm Eintritt gewährt hatte. Rin und Maku folgten sogleich, und letzterer zuckte merklich zusammen, als er die eindeutig weibliche Einrichtung der Taverne erblickte. Alles war in rot und rosa gehalten und Herzen schien das Hauptthema zu sein, denn alle Möbelstücke waren damit verziert. Aber das alles passte hervorragend zu der Besitzerin, welche gerade wieder hinter die Bar trat und ihre Pistolen wegsteckte, um geschickt einen Krug Bier zu zapfen. Zumindest farblich, denn deren langes, rotes Haar quoll ungebändigt unter ihrem breiten Piratenhut hervor und ergoss sich in Wellen bis an den Saum der engen Lederhose, die sie trug. Maku lief knallrot an, als er das bauchfreie und vor allem sehr knappe Oberteil erblickte, das ihre Formen mehr schlecht als recht bedeckte, und sah schnell zu Boden. Er würde sich wohl nie an solche Outfits gewöhnen. Jetzt schob sie ihrem noch immer namenlosen Führer, welcher inzwischen Platz auf einem Barhocker genommen hatte, ein Bier zu, und wandte sich an diesen und Rin, die inzwischen ebenfalls an die Bar getreten war, während Maku noch im Eingang stand und seinen Schock zu überwinden versuchte. Kopfschüttelnd trat er vorsichtig näher. Immerhin wollte er Rin nicht alleine lassen. „Wenn ihr ein Kopfgeld ausstellen wollt, muss ich euch warnen, dass es ein paar Tage dauern kann. Ich habe noch einen Haufen abzuarbeiten.“ Maku schluckte. Eine starke, knapp bekleidete Frau, Barbesitzerin und eine Kopfgeldjägerin? Das war ihm nicht geheuer. Aber zum Glück hatte Rin weniger Hemmungen. „Wir brauchen Informationen.“ Lady Luck mixte einen fruchtigen Cocktail, den sie einer Kundin am anderen Ende der Bar zuschob, ehe sie antwortete. „Zu was genau?“ „Gestohlenen Orangen“, erwiderte Rin trocken und die Kopfgeldjägerin blinzelte, ehe sie laut auflachte und sowohl Rin als auch Maku einen undefinierbaren Drink zuschob. Beide nahmen einen kleinen Schluck, waren sie nach dem Gebräu des Piraten etwas vorsichtiger geworden, aber zum Glück war das hier trinkbar. „Ihr arbeitet also für Plankgank?“ Lady Luck schwang sich geschickt über die Bar und setzte sich breitbeinig vor sie, die Ellenbogen auf die Knie gestützt, und Maku verschluckte sich prompt, als er sich plötzlich ihrem, nun ja, knappen Oberteil entgegen sah. Diesmal war es Rin, die ihm hilfreich auf den Rücken klopfte. „Ich nehme an, sein Orangen-Fetisch ist allgemein bekannt?“, vermutete Rin und ihr Gegenüber grinste. „Aye. Er erzählt jedem von seinen Abenteuern, ob sie es hören wollen oder nicht, und alle Geschichten enden mit den Worten „Ich aß Orangen und es war okay.““ „Hört sich nervig an“, meinte Rin und Lady Luck nickte zustimmend. Maku war anderer Meinung, denn er persönlich hätte gerne ein paar coole Piratengeschichten gehört, aber er blieb still, denn er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Er überließ lieber Rin das Reden. Frauengespräche und so. „Aye. Deshalb frage ich mich: warum sollte ich dem alten Seebären helfen?“ „Er meinte, er hätte Informationen über einen Piraten, den Sie schon lange suchen.“ Selbst Maku, der normalerweise eher selbstvergessen war und dem viele Dinge entgingen, bemerkte die schlagartige Stimmungsschwankung, die in ihrem Gegenüber vor sich ging. Nichts erinnerte mehr an die neckische Barkeeperin, vor ihnen saß jetzt nur noch die berechnende Kopfgeldjägerin, die sie aus kalten, grauen Augen musterte. „Gut, ich erzähle euch, was ich weiß.“ Ihr Lächeln war gefährlich, als sie mit den Fingerspitzen liebevoll über den Lauf ihrer beiden Pistolen fuhr. „Und ich hoffe für unseren werten Kapitän, dass er nicht gelogen hat.“ Maku schluckte schwer. Das hoffte er auch. „Und wieder wandern wir durch diese vermaledeite Stadt. Wieso sind die Einwohner unfähig, anständige Wegbeschreibungen zu geben?“ Maku ging ein paar Schritte hinter Rin, damit sie nicht auf die Idee kam, ihre Frustration an ihm auszulassen, und versuchte sie so gut es ging zu besänftigen. „Er ist ein fahrender Händler, nicht? Selbst die Lady konnte nur ungefähr schätzen, wo sich dieser Pawlov gerade aufhalten könnte.“ „Ihr solltet ihre Informationen nicht unterschätzen. Sie sind meist richtig.“ Maku sprang beinahe einen Meter in die Luft, als die bedrohliche Stimme mit dem dicken, russischen Akzent direkt hinter ihm erklang, und konnte ein erschrecktes Quietschen gerade noch unterdrücken, zu seiner großen Erleichterung. Das hätte seinem männlichen Ruf endgültig den Todesstoß verpasst. „Sind Sie Pawlov?“ Rin kam am schnellsten über ihren Schreck über die plötzlich aus dem Nichts erschienene zwielichtige Gestalt hinweg, was wohl zum einen daran lag, dass sie so langsam abgehärtet war (schließlich trieben sich in dieser Stadt fast nur zwielichtige Typen herum), und zum anderen daran, dass sie etwas weiter weg gestanden und nichts ins Ohr geflüstert bekommen hatte, so wie er. Während Maku also noch versuchte, seinen Herzschlag wieder zu beruhigen, nickte der in einen langen, schwarzen Kapuzenmantel gekleidete Händler. „Aye. Was ihr wollt kaufen?“ Rin blinzelte. „Nichts. Wir sind hier weil…“ „…ihr wollt verkaufen?“ Rin schüttelte den Kopf und Pawlow schnaubte. „Dann ihr verschwendet meine Zeit.“ Er drehte sich schon zum Gehen, als Maku ihn am Zipfel seines Mantels packte. Manchmal war es ein echter Nachtteil, mysteriös aussehen zu wollen. Zu viel Stoff. „Wir suchen nach den gestohlenen Orangen!“ Der Händler hielt inne und drehte sich langsam wieder zu ihnen zurück. „Mmh... wenn ihr meine Ware zurückbringt und meinen Ruf, immer zu liefern wieder herstellt… Dann ich gebe euch die Informationen gratis!“ Rin lächelte verkrampft. Das war wirklich äußerst gütig von ihm. „Mittlerweile verstehe ich auch, wieso der Kapitän uns angeheuert hat. Diese Schnitzeljagd würde ich auch lieber jemand anderem überlassen“, beschwerte sich Rin, während sie wieder einmal durch die Straßen der Hafenstadt wanderten. „Aber zumindest haben wir diesmal eine anständige Wegbeschreibung!“, versuchte Maku positiv zu denken und Rin nickte, als sie auf die von Pawlov freundlicherweise zur Verfügung gestellte Karte der Stadt hinabblickte. Er hatte ihnen ihren Zielort sogar mit einem fetten Kreuz markiert. Den Blick auf die Karte gerichtet, passte Rin einen Augenblick nicht auf und rempelte jemanden an, der daraufhin wohl zu Boden gegangen wäre, hätte Maku nicht blitzschnell reagiert und die ältere Dame aufgefangen. „Oh, das tut mir furchtbar-“ Aber die Frau winkte ab und schüttelte ihr weißes Haupt. „Es war Schicksal, dass wir uns so begegnet sind. Kein Grund sich zu entschuldigen.“ Bevor Rin und Maku auch nur Zeit hatten, sich über diese kuriosen Worte zu wundern, griff die Frau blitzschnell nach ihrer beiden Händen, und hielt sie mit starkem Griff fest, der ihrem augenscheinlichen Alter widersprach. „Was-“ „Ich bin Dragainith, und es ist euer Schicksal, die verlorenen Orangen wiederzufinden. Verzagt nicht, denn ihr seid zwei Seiten einer Münze. Es ist euer Schicksal, Runeterra zu vereinigen.“ Dann hob sie den Kopf und Rin riss sich kreischend los, als die verrückte, alte Dame sie aus zwei gruseligen, roten Zombieaugen anstarrte, und sprintete los, Maku dicht auf den Fersen. Erst einige Straßen weiter hielten die beiden an, die Hände auf die Knie gestützt und nach Luft ringend. „Die Stadt wird mir von Minute zu Minute weniger geheuer. Ich bin dafür, dass wir diesen Auftrag so schnell wie möglich erledigen, nach Hause zurückkehren und uns ein paar Tage Urlaub gönnen.“ Maku, das Energiebündel, das normalerweise nicht wirklich viel von Urlaub hielt, nickte diesmal protestlos. Dann sah er auf und blinzelte. „Ich glaube, wir haben unser Ziel erreicht.“ Jetzt sah auch Rin auf, und ein ungläubiges Lachen entwich ihr, als sie den Namen des Geschäftes las. „Das kann doch kein Zufall sein.“ Maku grinste. „Wahrscheinlich ist es Schicksal.“ Kopfschüttelnd richtete sich Rin auf, ehe sie an der Tür der „Männliche Backstube“ klopfte und gespannt darauf wartete, ob sich ihre Erwartung, wer ihnen öffnen würde, bestätigte. Einen Augenblick später war es dann auch schon so weit, als die Tür schwungvoll aufgestoßen wurde, so dass Rin und Maku hastig einen Meter zurückspringen mussten, um nicht abgeschossen zu werden. „Tut mir leid, aber die Backstube ist momentan für eine männliche Lehrstunde geschlossen und-“ Der muskelbepackte Hüne mit der weißen, jeder Gravitation trotzenden Mähne stutzte plötzlich und blinzelte erstaunt. „Maku? Rin? Was tut ihr denn hier?“ Rin verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir könnten dich dasselbe fragen, Elf-“ „Meister!“, unterbrach Maku sie begeistert und schob sich vor sie, um seinen üblichen, männlichen Gruß durchzuführen: ein Handschütteln, das jedem anderen die Hand gebrochen oder die Schulter ausgerenkt hätte. Rin seufzte. Soviel Männlichkeit hatte sie einfach nichts entgegenzusetzen. Wie hatte sie auch nur glauben können, ein paar Tage Ruhe davon zu haben? Die beiden fanden sich immer, selbst, wenn sie unterschiedliche Missionen hatten. Womöglich war es tatsächlich Schicksal. „Kekekeke, böse Kekse der Dunkelheit und des Unterganges, erwacht zum Leben!“ „Nein, warte, so werden sie verbrenn– Bruderherz, ich brauche Hilfe!“ „Ich komme!“, rief ihr Mentor, grinste und ging zurück in seine Backstube. Rin und Maku sahen sich kurz an, zuckten dann mit den Schultern und folgten ihm, nur um bei dem sich ihnen bietenden Anblick erschrocken stehen zu bleiben. Was sie sahen war keine Backstube mehr, sondern viel mehr ein Schlachtfeld. Mehl, Zucker und Teig lagen verstreut über mehrere Tische und Theken, und dazwischen konnte man ein paar verkohlte Kekse erkennen. Der Grund für dieses Unglück stand direkt daneben: eine böse lachende, schwarzhaarige Frau, deren Kochmütze und Backhandschuhe mit violettem, magischen Feuer brannten, ein Blech mit ebenfalls verbrannten Kekse noch in den Händen. Schien, als ob der normale Backofen ihr nicht schnell genug ging. Neben ihr stand eine leicht überforderte, weißhaarige Schönheit, die verzweifelt versuchte, das Feuer in Schach zu halten, damit nicht die ganze Backstube abbrannte. Aber anstatt seiner Schwester dabei zu helfen, lief ihr Mentor auf die wahnsinnige Bäckerin zu und klopfte ihr so fest auf den Rücken, dass diese das Blech mit Keksen fallen ließ. Nicht, dass es ein großer Verlust gewesen wäre. „Haha, das ist die richtige Einstellung, Gormana! Enthusiasmus macht schon die Hälfte der Miete aus.“ Rin hob eine Augenbraue. Das sah ihr eher nach zu viel Enthusiasmus aus. Sie zuckte mit den Schultern. Aber mit dem Hünen war eh nicht zu reden, und schließlich war es nicht ihre Mission, der dunklen Magierin das Backen beizubringen. Sie waren wegen den Orangen hier. Und genau diese erblickte sie einen Augenblick später in einer noch mehr oder weniger unversehrten Ecke des Raumes, und zwar in einem riesigen Sack, auf dem „Plankganks Orangen“ stand. Das war beinahe zu einfach. Rin deutete darauf. „Wo habt ihr die her?“ Gormana gackerte lauthals und ihr magisches Feuer loderte auf. „Die habe ich mir von dem Piraten ausgeliehen, für mein böses Orangengebäck! Kekeke!“ Rin seufzte. Wenn sie das jemanden zu Hause erzählte, würde man sie für verrückt erklären. Maku zuckte neben ihr mit den Schultern. „Auftrag erledigt, würde ich sagen.“ „I heard a rustle in the brush And in that moment everything fell hushed And then I realized I got ganked I ate oranges and it was k They were made fresh from Florida.“ Rin grinste. „Scheint, als hätten wir einen weiteren zufriedenen Kunden.“ Maku nickte, dann zog er eine Rolle Papier hervor, die der alte Pirat ihm vorhin anvertraut hatte. „Er hat uns sogar weiterempfohlen!“, meinte er, als er kurz drüber gelesen hatte und grinste, als er die Rolle an Rin weiterreichte. „Eine weitere Mission!“ Rin überflog ihren neusten Auftrag, ehe sie ungläubig den Kopf schüttelte. „Ernsthaft? Zuerst die Orangen für Plankgank, und jetzt Äpfel für diesen Ryuk? Sind wir jetzt Obsthändler?“ Maku zuckte mit den Schultern. Das mit den Äpfel hatte er überflogen, er hatte nur Augen für die Informationen über ihren Auftraggeber gehabt: was ihn betraf, befanden sich Shinigamis eindeutig auf dem gleichen Coolness-Level wie Piraten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)