Das Blut der schwarzen Rose von JessMizukiro ================================================================================ Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Der Sturm hatte schon nachgelassen, dennoch war der Wind beißend und brannte vor Kälte auf ihren Wangen. Normalerweise machte ihr Kälte nichts aus, doch normalerweise war sie auch nicht komplett durchnässt. Als sie den Waldrand erreichte, sprang sie aus der Baumkrone und spähte in die schlecht beleuchtete Nebenstraße. Es war noch ein weiter Weg nach Hause und die Turmuhr schlug zur fünften Stunde. Die Sonne würde zwar erst in knappen drei bis vier Stunden aufgehen, doch zur Schule musste sie immer noch um sieben. An Schlaf war also nicht mehr zu denken - na super! Und mit den Wunden war es wohl nicht angenehm über die Dächer zu springen, obwohl dieser Weg eindeutig der schnellere war. Dafür war sie allerdings noch viel zu nahe am Schupo-Viertel und eine Verfolgungsjagd wollte sie auf keinen Fall riskieren. Genervt seufzte sie und trat den Fußweg an. Um den Weg zu verkürzen und außerdem nicht aufzufallen, nahm sie die Nebenstraßen und Gassen der Stadt, auch wenn ihr hier und da ein paar Ratten und streunenden Katzen begegneten. Die Hauptstraßen waren zwar bei weitem besser ausgeleuchtet, aber sie hatte keine Lust erkannt zu werden. Als es wieder zu schneien begann, zog sie sich ihre Kapuze über und steckte ihre Hände in die Manteltaschen. Sie lief an einem Obdachlosem vorbei, der sein Bett offenbar aus Kartons und weggeschmissenen Zeitungen erbaut hatte. Der Schlafplatz wirkte genauso gemütlich, wie der Mann lebendig - nämlich gar nicht. Der blauen Färbung seiner Lippen nach zu urteilen war er erfroren - bei dem Winter kein Wunder. Sie trat aus der Gasse und ging ein Stück die hell erleuchtete Hauptstraße hinab. Sie sah den Fluss schon und wusste, dass sie in ein paar Minuten zu Hause sein würde. Ein verdächtiges Geräusch ließ sie allerdings auf der Brücke stehen bleiben und sich umdrehen. Vom letzten Hausdach der Häuserreihe war eine Gestalt gesprungen, welche jetzt in den Lichtkegel der Straßenlaterne trat. Es war kein geringerer als Taile. Ihn konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen! "Findest du nicht, dass es die falsche Jahreszeit zum schwimmen ist?", fragte er hämisch und grinste sie an. "Was willst du hier?", fragte Jess daraufhin genervt. Sie war müde und langsam wurde ihr kalt - Taile sollte bloß zusehen das er verschwand! "Keine Sorge, Black Rose", meinte Taile und betrachtete sie eingehend: "Ich bin nicht hier um zu kämpfen. Viel mehr will ich dich dazu beglückwünschen das du die gesamte Schupo bloßgestellt hast." Er lachte auf und genoss es offenbar seine Feindin verwirrt zu sehen, doch er hatte seine ganz eigenen Gründe sich über das Versagen der Einheit zu freuen. "Sieh lieber zu das du verschwindest, Taile." "Hat da etwa jemand zu wenig geschlafen?", lachte er und bewegte sich keinen Millimeter von der Stelle. "Ich bin gerade echt nicht in der Stimmung mit dir eine Diskussion zu führen!", langsam wurde es ihr zu bunt. Sie drehte sich um und wollte weitergehen, doch Taile sagte: "Deine Schwerter sind sehr interessant. Ich bin schon ganz gespannt darauf sie mal im Einsatz zu sehen." Als sich Jess wieder umdrehte. war er schon verschwunden und sie zog eine Augenbraue hoch. Dieser Junge war eindeutig nicht wie alle anderen. Obwohl es sie nervte, konnte sie es nicht lassen über ihren jahrelangen Rivalen nachzudenken. Wie, zur Hölle, hatte er von ihren Schwertern erfahren? Ahnte er vielleicht, was sie wirklich waren? Oder wusste er es sogar? Ein Kichern ließ sie aufhorchen: "Der Typ ist süß, findest du nicht?" "Sag mal hast du vollkommen den Verstand verloren?! Er ist doch nicht süß!", knurrte Jess, während sie zusah, wie sich vor ihr ein schemenhaftes Abbild ihres Problems bildete. "Spricht man so etwa mit derjenigen, der du dein Leben zu verdanken hast?!", das Schwarzhaarige Abbild ihrer Selbst stützte die Arme in die Hüfte und schwebte ein paar Zentimeter über dem schneebedeckten Boden. Zum Glück schliefen alle und die Straße war nicht befahren, sonst würde noch jemand denken sie wäre verrückt geworden. "Chess, ich bin müde, ich hab keine Lust auf Diskussionen mit dir.", meinte sie genervt und ging einfach durch das Abbild hindurch, doch es verfolgte sie. Chess kicherte und blickte die blonde Assassine aus ihren roten Augen beschwörend an: "Du musst ja wirklich müde sein, wenn du mich schon beim Namen nennst." Jess seufzte genervt auf und fixierte Chess mit einem Blick: "Also, was willst du? Dich wieder beschweren?" "Wer will sich hier beschweren? Ich wollte mich für den Spaß bedanken, so viel Spaß hatte ich schon seid Jahren nicht mehr. Nicht mehr seid …", Jess unterbrach sie sofort: "Ja ich weiß, erinnere mich nicht daran!" Wieso musste ausgerechnet jetzt jeder mit ihr reden wollen? Sie war müde und wollte einfach nur ins Bett! Doch die Kirchturmuhr erinnerte sie daran, das sie dieses Vorhaben getrost abschreiben konnte. Genervt murmelte Jess etwas vor sich hin und kickte einen Stein weg, welcher aber geräuschlos in einer Schneewehe versank. "Musst du nicht schlafen oder so was?!", knurrte sie, als sie bemerkte wie Chess sie interessiert beobachtete. "Ich muss nicht schlafen, das musst du doch am besten wissen." "Chess, verschwinde einfach und lass mich in Ruhe! Ich warne dich!" "Was willst du tun? Mich wieder in der Hölle einsperren?! Du wirst mich niemals los, Jess. Finde dich damit ab!" "Sieh trotzdem zu, das du sofort verschwindest, Chess!" Trotzig verschränkte Chess die Arme vor der Brust und betrachtete die Blondhaarige eingehend: "Nur weil du es geschafft hast mich in diesem Schwert zu versiegeln, heißt das nicht, das ich nicht mehr mit dir verbunden bin!" "Chess, SOFORT!" Ihre Stimme hallte auf der menschenleeren Straße wieder und Jess sah sich um. Chess war wirklich verschwunden und sie seufzte. Diese Schwarzhaarige war wirklich die einzige Person, die sie wütend machen konnte. Mit einer Hand schlug sie gegen die Mauer des Hauses und betrachtete das neuste Graffiti an der gräulichen Steinmauer. 'Freedom' - ein gutes Stichwort. Sie lehnte sich gegen die Außenwand und schaute hoch in den bewölkten Nachthimmel. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und die kühle, frische Nachtluft füllte ihre Lungen. Langsam atmete sie aus und gewann so wieder ihre ausdruckslose Art zurück, die sie sonst nur vor Saki verlor. Sie verdrängte erneute Gedanken an Chess und betrat langsam das Gebäude. Es war dunkel im Flur - einer der Gründe weshalb sie sich über ihren geschärften Sehsinn freute. Sie brauchte nicht das Licht anzumachen um unbeschadet des Weg zur Wohnungstür zu finden. Sie schlich sich leise in den Flur der Wohnung und schloss geräuschlos die Tür. Innerlich hoffte sie unbemerkt in ihr Zimmer zu gelangen, doch anscheinend besaß Saki so etwas wie einen sechsten Sinn für sie, denn urplötzlich wurde sie von einer Weißhaarigen Gestalt ins Wohnzimmer gezogen. In einem Sessel lag eine rußgeschwärzte Uniform und Kenji schlief bereits auf dem Sofa - angekleidet mit der grauen Jacke des Unteroffiziers. "Na immerhin einer der schlafen kann.", murrte Jess bei seinem Anblick und Saki betrachtete ihre Freundin von oben bis unten: "Was hast du nur wieder angestellt?" "Einer der Offiziere wollte mich zerstückeln." Saki seufzte und betrachtete sie: "Das ist ja nichts neues." Die Weißhaarige schlang ihre Arme um Jess' Taille und die Blondhaarige strich durch ihre Haare. Sie erinnerte sich noch gut an das Versprechen was sie Saki damals in der Akademie gegeben hatte: "Ich werde dich beschützen, Saki. Versprochen." "Zeig mal deine Verletzungen her.", Hits Stimme riss sie aus ihren Gedanken und sie sah den Rothaarigen an: "Kann ich vorher wenigstens noch duschen gehen?" "Solange du dir nicht etwas in die Wunden reinschüttest." "Nein, ich habe leider noch geplant am heutigen Sportunterricht teilzunehmen.", antwortete sie und ging ohne weitere Worte in das nahe gelegene Bad. Sie war zu müde, um sich in ihr Zimmer und dann noch an ihrem Bett vorbeizuschleppen - welches ohne Zweifel nach ihr rufen würde, sobald sie aus der Schule wiederkamen. Eine schlaflose Nacht - kein Problem. Aber drei? Das war dann doch etwas viel. Sie gähnte und kramte sich aus dem Schrank ein Handtuch, bevor ihr einfiel das sie keine Sachen geholt hatte. Es klopfte an der Tür und dann ertönte Sakis Stimme: "Jess, ich hab dir Sachen geholt." "Du bist ein Engel, Saki.", lächelte Jess und nahm die Kleidung von ihrer Freundin entgegen. "Ich weiß.", antwortete sie lächelnd, bevor Jess die Tür schloss, sich auszog und unter das kalte Wasser der Dusche stellte. Sie schloss die Augen und ließ sich das Wasser ins Gesicht prasseln - das tat so unendlich gut! Schlussendlich trat sie angezogen und wacher aus dem Bad, schmiss ihre schmutzigen Klamotten in den Wäschekorb vor der Waschmaschine und betrat schlussendlich wieder das Wohnzimmer, wo Kenji einen bedeutungsvollen Schnarcher von sich gab. "Wenn ihn nicht bald jemand weckt, schmeiß ich ihn aus dem Fenster.", murrte Jess und ließ sich in den freien Sessel sinken. "Keine Sorge, Tara wird sich darum kümmern.", meinte Hit und ging zu ihr. "Und ich kümmer' mich jetzt um deine Wunden. Ohne große Widerworte ließ sie ihn die Wunden an Schulter, Bein und an der Seite desinfizieren und verbinden. Gut das sie das T-Shirt für den Sportunterricht bereits trug. Müde streckte sie sich und würde am liebsten im Sessel einschlafen, aber hätte sie das getan, hätte sie die wundervolle Weckorgie von Tara nicht mitbekommen. Diese hatte tatsächlich die Badewanne vollaufen lassen, nachdem Jess aus dem Bad gekommen war. Mit der Hilfe von Drake schleiften sie nun den Schlafenden zum eiskalten Weckkommando und das letzte was man vor dem entsetzten Aufschrei hörte, war ein lautes Platschen. Anschließend kam Tara entspannt zurück ins Wohnzimmer und ließ sich auf dem Sofa nieder, welches vorhin noch von Kenji belagert worden war: "So, ich würde sagen, er ist wach.", meinte sie ruhig und sachlich, als ob sie so etwas alltäglich tat. "Die Idee hätte von mir sein können.", sagte Jess daraufhin und unglücklicherweise dachte der durchnässte Kenji das auch. "Jess! Ich weiß, dass das deine Idee war!", rief er und ignorierte das er gerade den Holzboden voll tropfte. "Tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber leider bin ich diesmal vollkommen unschuldig an deinem Leiden.", antwortete sie mit einem milden Lächeln. "Aber sieh' es mal so, jetzt hast du noch einen Grund mehr endlich die Schupo-Uniform auszuziehen und du bist wach genug um die Nachbesprechung mit uns führen zu können." Ihr fiel selbst auf das sie gerade mehr gesagt hatte, als die letzten Tage zusammengenommen. Grummelnd verzog sich Kenji, um ein paar Minuten später mit trockenen Klamotten und nach allen Seiten abstehenden Haaren, neben Hit, auf dem Sofa Platz zu nehmen und sich, gemeinsam mit den anderen, die Ergebnisse der Befreiungsaktion anzusehen. "Wir haben also nicht nur Tara befreit, sondern auch nebenbei das Karzer zerstört.", schlussfolgerte Kenji schlussendlich. "Du meinst, Jess hat es zerstört.", meinte Tara, doch Jess schüttelte den Kopf: "Nein, nein. Diesen Einsturz haben wir den brennenden Wachtürmen von Saki und Drake zu verdanken." Tara grinste und sprach: "Ich wäre so gerne dabei gewesen! Ich liebe es, wenn es brennt." Jess streckte sich und sah in die Runde: "Können wir jetzt nicht einfach alle frühstücken?Ich meine, heute ist der letzte Schultag und ich will die letzte Chance vor den Ferien nutzen um Missy eins reinzuwürgen." Saki schien nach diesen Worten in Gedanken versunken zu sein, aber das war nicht ungewöhnlich bei ihr. Jess stand auf und ging gefolgt von den anderen in die Küche. "Leute, ich bitte euch! Wenn wir schon von einem Auftrag kommen, dann kann doch wenigstens einer danach aufräumen!" Auf dem Tisch lagen noch immer blutige Waffen und auch Drakes Schusswaffen hatten einen Platz zwischen den Klingen gefunden. Niemand hatte sich offenbar darum gekümmert, dass alles wieder verstaut wurde. Tara begann daraufhin, gemeinsam mit Drake, die Waffen zu verstauen, während sich Jess zu Kenji an den Herd gesellte. Unglaublich aber wahr - sie konnten beide kochen! "Spiegeleier kann ich auch allein braten.", meinte Kenji brummig und Jess reichte ihm die Pfanne. "Eigentlich wollte ich mir nur einen Tee machen." Sie nahm sie sich Verpackung, Tasse und Wasserkocher, welchen sie füllte und einschaltete. Der Tee würde sie wenigstens für die Schulzeit wach machen, aber beim Blick in den rechteckigen Karton wurde ihr klar, dass der Vorrat langsam knapp wurde. "Ich muss wohl bald wieder dem Schwarzmarkt einen Besuch abstatten.", dachte sie sich. "Außerdem sind bald Feiertage." "Meine Chemikalien gehen mir langsam aus.", murmelte Kenji leise vor sich hin, während er das Spiegelei pfefferte. Dann sah er Jess bedeutungsvoll an, sie seufzte und nickte: "Ja, ich gehe bald auf den Schwarzmarkt, Kenji." "Gut.", meinte er daraufhin: "Dann kannst du ja auch mein überfälliges Buch mitnehmen." "Was ich dir auch geholt habe, falls du es vergessen hast." "Was kann ich dafür, dass du die einzige bist, die von uns auf den Schwarzmarkt geht?" Jess murrte, schüttete sich das heiße Wasser in die Tasse und warf den Teebeutel gleich hinterher. Es war bekannt dass sie - zumindest unter ihnen sechs - die Einzige war, die auf den Schwarzmarkt ging - oder besser gesagt geschickt wurde. Wieso? Na ganz einfach - Weil sie Rabatte aushandeln konnte! Sie war zwar gemeinsam mit dem Assassinen Blutrabe, aus Acrea Horacy, nur Zweitplazierte in der Weltrangliste, aber das reichte schon, um den Händlern Angst einzujagen. Und die Wucherpreise dort gingen ihr sowieso auf die Nerven. Aber sie hatte auch einen ganz persönlichen Grund dort unten mal wieder aufzuschlagen. Abwesend rührte Jess ihren Tee und nahm einen Schluck, nur um gleich darauf den Mund zu verziehen. Verdammt - war das bitter! Aber zuckern konnte sie das Zeug auch nicht, sonst würde es seine Wirkung verlieren. Ach - was soll's. Runter mit dem Zeug. Den restlichen Tee trank sie in einem Zug aus und schüttelte sich daraufhin innerlich. Dann sah sie gespielt interessiert zu, wie sich Hit und Drake Milch über ihre Müsli Schüsseln kippten und Saki auf die Uhr sah und dann aufstand, um die sechs Uhr Zeitung zu holen. Erst dann bemerkte sie, dass sie von Tara angesprochen wurde, welche sie mit ihren grauen Augen förmlich anstarrte. Ihr fiel ein, das diese im Karzer fast schwarz gewesen waren - das musste doch eine Bedeutung haben. "Was willst du, Tara?", fragte Jess genervt, aber sie spürte wie die Müdigkeit von ihrem Körper langsam abklang und sich damit auch ihre schlechte Laune langsam verzog. "Ich möchte mit auf den Schwarzmarkt.", antwortete das Lilahaarige Mädchen ohne zu Zögern und Jess zog überrascht eine Augenbraue hoch. "Ausgeschlossen, Tara. Ich kann dich doch nicht einfach auf den Schwarzmarkt mitnehmen!" "Ich kann ja mal den Akademieleiter fragen, was er dazu zu sagen hat." "Das gleiche wie ich.", murrte Jess in dem Wissen, dass dies nicht stimmte. Der Akademieleiter war dafür, dass die jungen Assassinen so früh wie möglich den Schwarzmarkt kennen lernten. "Gut, dann frag ich ihn morgen einfach mal.", antwortete Tara und ließ sich fröhlich auf ihren Stuhl sinken. Sie trank ihr Glas Wasser in einem Zug leer und Jess dachte über die Möglichkeit nach, ihr das nächste Mal einfach Schlaftabletten unterzujubeln. "Na gut .. ich nehm' dich mit.", knurrte sie nach der Weile leise, nachdem sie ihr zweites Glas Eistee geleert hatte und von Kenji ein Spiegelei vorgesetzt bekam. "Aber wehe du stellst etwas an, oder gehst mir verloren. Ich suche dich garantiert nicht!" Das siegesreiche Grinsen in Taras Gesicht belustigte Jess, aber zugleich zerknirschte sie es auch. Ausgerechnet von einer Assassine, die es geschafft hatte sich bei ihrem ersten Auftrag schnappen zu lassen, ließ sie sich auf der Nase rumtanzen! Aber das war es ja auch, was sie an Tara so faszinierte. Sie hatte die perfekte Mischung aus vorlautem Mundwerk und erpresserischem Genie, welcher wie die Lunte einer Stange Dynamit die Luft zum lodern brachte. Tara erinnerte Jess deswegen mehr an diesen Sprengstoff, wie an eine blutige Perle. Nach dem Frühstück war es an Drake und Hit den Abwasch zu erledigen, während Jess in ihrem Zimmer verschwand. Abwesend legte Jess ihre beiden Schwerter auf die Bettdecke und betrachtete die Schriftzüge, welche in die Klingen eingraviert waren. Sie strich kurz mit den Fingerspitzen über die Einkerbungen, bevor sie sich ihrer Schultasche zuwandte. Neben den Büchern für Geschichte, Deutsch und Hauswirtschaft, befanden sich dort etliche Blöcke, da Jess es nicht für nötig hielt Ordner für jedes einzelne Fach zu führen. Ihr Blick fiel auf das Mathebuch, welches schon seid Schuljahresbeginn auf ihrem Schreibtisch verstaubte. Aber heute war zum Glück kein Matheunterricht. Sie schmiss das Hauswirtschaftsbuch auf ihr Kopfkissen, das Geschichtsbuch jedoch blieb in der Schultasche. Es konnte ja auch nur dem geliebten Geschichts-Lehrer einfallen, am letzten Schultag Unterricht abzuhalten! Gegen den angesetzten Sportunterricht hatte Jess aber nichts einzuwenden, weswegen sie lächelnd eine schwarze Jogginghose in den Schulrucksack stopfte und anschließend überprüfte ob der Totenkopfbutton noch immer fest saß. Dann zog sie den Reißverschluss zu und räumte ihre Schwerter in den Schrank. Sie schulterte ihre Tasche und beim Rausgehen griff sie sich ihren Schulmantel von der Kommode. Sie kam ein paar Minuten vor Kenji bei den Anderen in der Küche an und verstaute gerade ihr Pausenbrot in einer freien Ecke ihres Rucksacks. Ihr Blick fiel daraufhin auf Saki, welche noch immer die Zeitung studierte. Sie stellte ihren fertig gepackten Rucksack auf einen Stuhl und trat dann hinter ihre Freundin, um auch die Zeitung lesen zu können. Neben einigen Todesanzeigen, prangte auf der zweiten Seite das schwarz-weiß Foto des zerstörten Karzers. Der darauf folgende Text nahm den Rest der Zeitungsseite ein - sie hatte keine Lust das alles zu lesen. "Steht da was interessantes drin?", fragte sie deswegen, nachdem die Weißhaarige die Zeitung geschlossen und auf den Tisch gelegt hatte. "Nicht viel, außer das sie dir die Schuld an der Zerstörung geben. Meinte zumindest ein Offizier mit verbranntem Gesicht.", antwortete Saki ruhig. "Immer bin ich Schuld an allem.", murrte Jess gespielt beleidigt, aber die Vorstellung des Offiziers mit Brandnarben im Gesicht gefiel ihr trotzdem. Entspannt streckte sie sich und ließ ihre Handknocken knacken. "Das ist eben das Los, was man als Zweitplazierte der Weltrangliste hat." Bei diesen Worten strich sich Jess über ihren verspannten Nacken und zuckte mit den Schultern: "Sollen sie mir ruhig die Schuld geben - fassen werden sie mich sowieso nie." "Ich hoffe, denn wenn - dann wärst du garantiert sofort tot." "Mach dir um mich mal keine Sorgen." "Hochmut kommt vor dem Fall.", mischte sich Kenji nun ein, während er damit beschäftigt war seine Haare zu ordnen. Es gelang ihm nicht - wie immer. "Ich bin nicht hochmütig. Ihr sorgt doch dafür, das ich auf dem Boden bleibe." Jess sah in Kenjis eisblaue Augen. Eigentlich war auch sie selbst recht realistisch und wusste um die Gefahren, denen sie sich aussetzte. Die Küchenuhr zeigte nun genau sieben Uhr und erstaunlicherweise waren heute alle rechtzeitig fertig und sie konnten gemütlich den Fußweg zur Schule antreten. Jess knöpfte sich im gehen den dunkelroten Mantel zu und beobachtete die Leute, welche vor ihren Häusern und Läden Schnee schippten oder bereits Sand ausstreuten. Die Gedanken daran, Missy im Sport wieder einmal bloßzustellen brachten sie dazu, sich auf diesen Schultag sogar zu freuen. Vor dem Schultor streckte sie sich noch einmal und betrachtete die Außenfassade des alten Gebäudes. Auf einen entspannten, letzten Schultag, dachte sie sich, bevor sie an Sakis Seite durch das weiße Schultor trat. Tara Mayagame: Wenn du einen Menschen nicht bitten kannst, dann diskutiere mit ihm. Wenn du nicht diskutieren kannst, dann erpresse ihn. Wenn du ihn nicht erpressen kannst, dann töte ihn. Aber wenn du ihn nicht töten kannst - dann lass dir eine gute Lüge einfallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)