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Zwielichtbande- Töte mich

ItachixSasuke
von

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Abschied

>Sag, was ist das für ein Gott,

der Dich so früh entreißt?

Der mich zurück lässt, fassungslos,

gebrochen und verwaist?

Ein Gott, der alles auslöscht und zerstört,

was er doch selbst gemacht-

der mich, den einsam Trauernden,

zurückstößt in die Nacht?
 

Dein Grab ist eine Wunde,

die keine Erde schließt.

Ich balle meine Hand zur Faust,

die in den Himmel schießt.

Ich breche alle Rosen, zerreiß´ den Trauerflor,

doch seine Engel singen laut im Chor.<

Subway to Sally- wo Rosen blüh´n
 

Sasuke betete.

Zwar war er körperlich noch lange nicht dazu in der Lage, diese Beerdigung zu leiten, aber darauf nahm er selbst keine Rücksicht. Das konnte er nicht, nicht einmal seiner Mutter zuliebe. Und deshalb hatte er dankbar die Hilfe seines Großvaters angenommen, der ihm durch diese Zeremonie half. Der ihm gesagt hatte, was zu tun sei.

Er war immerhin der einzige Sohn. Uchiha handhabten alles traditionell. Sasuke trug deshalb seinen schwarzen Mofuku- er trauerte um seinen Vater. Und er betete, weil er der Sohn war. Auch die Totenwache hatte er vollständig im Beisein seines Großvaters durchgeführt, und bald sollte sein toter Vater verbrannt werden.
 

Sasuke konnte –wollte- noch immer nicht glauben, dass sein Vater tot war. Erschossen, weil er ihn geschützt hatte. Er selbst hatte es nicht bemerkt, hatte nichts mitbekommen von seiner Umgebung, und als er im Krankenhaus zu sich gekommen war, hatte seine Mutter mit Tränen in den Augen bei ihm gesessen und sein Trauergewand bei sich gehabt und ihres selbst getragen. Sie hatte seine Hand gehalten und geweint und der 20-jährige hatte sofort gewusst, dass etwas passiert war. Dass jemandem etwas passiert war. Und dann hatte Mikoto Uchiha das ausgesprochen, was Sasuke nie hatte hören wollen:

„Dein Vater ist tot.“

Er hatte es nicht glauben können. Hatte seiner Mutter vorgeworfen, ihn anzulügen- hatte behauptet, sein Vater könne nicht tot sein. Seine Mutter hatte zwar geweint, aber nicht nachgegeben. Und als Sasuke kurz davor gewesen war, ihr den Mofuku abzunehmen und ihn in den Mülleimer zu werfen, war sein Großvater in das Krankenzimmer getreten, hatte ihn zurechtgewiesen und ihm klar gemacht, das es keine Lüge war. Das Fugaku Uchiha wirklich gestorben war. Und er hatte Sasuke gefragt, ob er die Beerdigung leiten sollte, aber das hatte der Clanerbe abgelehnt.

Wenn sein Vater schon seinetwegen tot, war wollte er auch die Riten leiten.

Das war er Fugaku schuldig.

Das musste er tun, und seine Gesundheit war ihm dabei egal, denn er lebte.

Wäre er nicht so dumm gewesen, so leichtsinnig, wäre es nie so weit gekommen. Dann würde Fugaku noch immer mit Sasuke und Mikoto am Esstisch sitzen und niemand wäre zu betrauern.
 

Niemand wäre gestorben.
 

Immer wieder dachte er daran, auch als er den Stein nahm, mit dem er einen Nagel in den Sarg schlagen sollte- in den Sarg, in dem sein Vater lag, der bald verbrannt wurde. Jeder Trauernde in diesem Haus würde das tun, nur nicht so lange wie er.

Sasuke wünschte sich nichts mehr, als das Fugaku sich aufsetzte, ihn angrinste und sagte: „Ich lebe doch noch, was ziehst du für ein Gesicht?“. Das er wirklich lebte und sich nur alle geirrt hatten.
 

Aber Fugaku gab kein Geräusch von sich im dunklen Sarg.

Er war wirklich tot.
 


 

Itachi stand vor dem Krematorium, als Sasuke, seine Mutter, Shisui, dessen Eltern und Sasukes und Shisuis Großvater dieses Gebäude verließen. Sie hatten sich schon vor dem Verlassen des Gebäudes mit dem dafür vorgesehenen Salz gereinigt und Sasuke trug die Urne, in der sich die Asche und wenigen Knochen seines Vaters befanden. Dabei hielt er das Gefäß so fest, dass seine Handgelenke weiß waren. Shisui stützte ihn, als er vor Schwäche wankte. Leichter Weihrauchduft hing an ihren Klamotten und setzte sich wie Asche in Sasukes Lunge fest, überall in ihm, dem von diesem Geruch übel wurde.

Nun trat der Auftragsmörder zu den Trauernden und verbeugte sich leicht vor ihnen.

„Es tut mir sehr leid. Ich wollte nicht, dass das passiert“, sagte er ehrlich.

Sasuke warf nur einen kurzen Blick auf seinen Liebhaber, den er seit dem Tod seines Vaters nicht mehr gesehen hatte. „Danke, aber wir kommen zurecht“, entgegnete er ruhig, denn er wusste um Itachis eigentliche Botschaft:

Ich möchte euch helfen.

Es tut mir leid.

Und Sasuke wollte das nicht.

Er hatte soeben seinen Vater verbrennen lassen müssen. Hatte Fugaku verloren. Die nichtverbrannten Knochenreste an seine Mutter weitergegeben, die diese seinem Großvater überreicht hatte, wo es weiterging bis alle Knochen in der Urne gelandet waren…
 

Das Allerletzte, was er jetzt wollte, war Itachis Nähe.

vom Verabschieden und Verletzen

>Alles ist plötzlich so finster.

Wir haben es schon immer gewusst:

Wir irren durch die Zeit wie Dämonen,

am Ende bleibt doch nur der Verlust<

Eisbrecher- Entlassen
 

Betrübt nickte Itachi. Er wusste, wie es war, die Eltern zu verlieren. Konnte Sasuke verstehen. Aber es tat trotzdem weh.

Nie hatte er Fugaku sterben sehen wollen. Niemanden aus Sasukes Familie. Aber er hatte es nicht verhindern können. Und nun stand er der Witwe des Polizisten gegenüber, dessen Tod er nicht verhindert hatte.

Nur zusehen, das hatte er gekonnt. Wie damals, als seine eigenen Eltern gestorben waren.

Was hatte es da genutzt, im Morden unterrichtet worden zu sein? Er war ja doch jedes einzelne Mal, als Sasuke in Gefahr geraten war, zu spät gewesen und hatte dadurch letztlich den Tod Fugakus zu Verschulden. Hätte er früher abgedrückt oder zwischen Sasuke und Kisame gestanden, wäre es nicht so weit gekommen. Nie.

„Es tut mir wirklich leid, Itachi“, meinte Sasukes Mutter deprimiert. „Er gibt gerade allem und jedem die Schuld an Fugakus Tod. Vor allem sich selbst und dir, obwohl ihr beide nichts dafür könnt.“

„Danke, Mikoto, aber Sasuke hat recht. Ich hätte schneller sein müssen. Früher abdrücken sollen“, lächelte der Mizu schwermütig.

Die Witwe schüttelte den Kopf. „Nein. Es ist okay so, Itachi. Fugaku hätte es nicht verkraftet, unseren Sohn sterben zu sehen. Ich habe gefürchtet, dass es so kommt, und es kam so. Mir tut es nur leid um dich und Sasuke. Und um meinen Mann.“

Betreten senkte Itachi sein Haupt.
 

Vor genau einer Woche war das Begräbnis gewesen. Unbemerkt von Sasuke und allen anderen war auch er dort gewesen, um von Fugaku Uchiha Abschied zu nehmen. Es war nur recht und billig. Seine Pflicht. Immerhin war der Polizeichef gestorben, weil er nicht aufgepasst hatte. Nicht töten wollte, wenn es sich vermeiden ließ.

Wie hatte er nur so dumm sein können? Er kannte doch Kisame- wenn der sich einmal was in den Kopf gesetzt hatte, ließ er sich nur schwer umstimmen.
 

Er allein war schuld daran, das Sasuke nun keinen Vater mehr hatte.
 

„Bitte“, sagte Itachi leise. „Bitte, Mikoto, kann ich mich von Fugaku verabschieden? Ich möchte mich bei ihm entschuldigen.“

Die junge Mutter nickte und trat beiseite, um den Exfreund ihres Sohnes ins Haus zu bitten. Sie wusste, das Sasuke es nicht bemerken würde. Der 20-jährige war bei seinem Großvater und wurde in seine Pflichten als Clanoberhaupt eingewiesen. Seinen Abschluss holte er per Fernschule nach- und er wollte Polizist werden wie sein Vater. Letzteres bereitete Mikoto große Sorgen, aber sie würde ihrem Kind nicht reinreden. Sasuke war alt genug, um sich seinen Lebensweg selbst auszuwählen.

Nur eine Sache, die würde die Witwe dem Mizu, der ihr nun in den Wohnraum folgte, nur ungerne sagen, aber es ließ sich nicht vermeiden.

Sasuke hatte längst zugestimmt.

Itachi hatte ein Recht darauf, zu erfahren, wie es seinem ehemaligen Liebhaber erging- und was auf diesen zukommen würde. Aber erst wollte sie dem Mann, der ihrem Sohn mehrmals das Leben gerettet hatte, die Zeit zum Trauern geben. Itachi hatte sich so sehr für Sasukes Wohl eingesetzt, da hatte er das verdient. Es war das Mindeste, was die Mutter tun konnte, um sich zu bedanken.
 

Itachi folgte ihr und kniete sich im Wohnraum vor den dort aufgebauten Schrein. Es war ein kleiner Tisch mit einer Urne und einem Foto des Ermordeten darauf. Eine Schale für Räucherwerk stand davor. Der Mizu entzündete ein Räucherstäbchen, atmete den süßlichen Duft tief ein und gedachte dem Mann, der sich für Sasuke geopfert hatte, weil er, Itachi, nicht schnell genug gewesen war. Diese Schuldgefühle würden wohl für immer an ihm nagen, ebenso wie die Trauer um seine toten Eltern und die Sorge um Sasuke. Nie würde er sich freimachen können von alledem, aber er wusste, er würde damit leben können. Er tat es ja bereits, auch wenn er seinem einstigen Liebhaber nicht mehr in die Augen sehen konnte. Zumindest nicht mehr so wie früher. Wie vor Fugakus Tod. Aber so wie zu Fugakus Lebzeiten würde es ohnehin nie mehr werden.
 

Einige Zeit später saßen Mikoto und Itachi gemeinsam am Wohnzimmertisch und tranken Tee. Die Kekse, die die junge Mutter ihrem Gast angeboten hatte, rührte Itachi nicht an. Er hatte es seiner Meinung nach nicht verdient. Es war allein seine Schuld, das Fugaku tot war- das Kisame den jungen Vater und Polizeichef umgebracht hatte. Hätte er einfach Sasuke verschwinden lassen –entführt-, wäre das nicht geschehen. Dann könnte dessen Vater noch am Leben sein.

„Wie geht es dir, Mikoto?“, fragte er, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte.

Wie sollte es einer Frau gehen, die ihren Mann vor wenigen Tagen verloren hatte, schon gehen?

Doch Sasukes Mutter lächelte nur schwach. „Es geht. Ich vermisse Fugaku, aber er ist ja hier, auch wenn es nur seine Asche ist. Und ich vermisse meinen Jungen.“

Verwirrt blickte ihr Gegenüber auf. Mikoto sah auf ihre Teetasse hinab und drehte das Porzellan langsam zwischen den Fingern. Einmal, zweimal, dreimal. Dann erst blickte sie wieder auf und Itachi geradewegs in die Augen.

„Er ist nicht mehr so oft hier, Itachi. Sicher, er lebt hier und kommt abends heim, aber den ganzen Tag über ist er bei meinen Schwiegereltern. Fugakus Vater Miki bereitet ihn auf seine Aufgaben als Clanoberhaupt vor. Und auf alles andere, das dazu gehört.“

Miki. Sasukes Großvater. Itachi hörte diesen Namen zum ersten Mal bewusst, aber er erinnerte sich an einen alten Mann bei der Beerdigung Fugakus. Er hatte Sasuke geholfen, das hatte er erkannt, aber er hatte nicht gewusst, dass dieser Mann Sasukes Großvater war, auch wenn sich die beiden ähnlich sahen. Sasuke hatte ähnliche Statur wie der alte Mann, und auch sonst war ihre Verwandtschaft nicht abstreitbar gewesen. Itachi hatte sie nur nicht fassen, nicht beschreiben können, diese Ähnlichkeit.
 

Aber Mikotos „alles andere“ hatte sich seltsam angehört. Anders. Itachi horchte auf.

„Was soll denn ´alles andere´ sein, Mikoto?“, hakte er deshalb nach, auch wenn er wusste, dass ihn das alles eigentlich nichts anging.

Nicht mehr zumindest.

Die junge Witwe seufzte schwer und wich dem Blick ihres Gegenübers kurz aus, bevor sie das sagte, was sich wie Säure in Itachis Gedächtnis brannte:
 

„Sasuke ist verlobt, Itachi. Er wird bald mit einer entfernt verwandten Cousine verheiratet sein.“
 

Ihm wurde eiskalt und er musste schwer schlucken. Spürte Mikotos unsicheren Blick auf sich ruhen.

Damit hatte er überhaupt nicht gerechnet.

Sasuke und heiraten?

Sasuke und eine Frau heiraten?

Er war doch schwul- wie sollte er dann Kinder zeugen, was sicher gefordert wurde?

Hatte er überhaupt zustimmen können?

Itachi wurde übel. Was, wenn Sasuke gar nicht zugestimmt hatte? Wenn er das alles gar nicht wollte?

„Freiwillig?“, fragte er ruhig nach. Wollte das gar nicht wissen.

Mikoto nickte, aber diese Geste war für den Mizu trotzdem wie ein Schlag in die Magengrube.
 

Im nächsten Moment wurde es aber nebensächlich, auch wenn ihm noch immer übel war, denn jemand schloss die Haustür auf. Itachi ahnte –wusste-, wer das Haus betrat und sich die Schuhe auszog, wer etwas achtlos in eine Ecke warf und dann zu ihnen kam.

Diese Schritte würde er immer erkennen, und so ahnte er, dass er sehr bald gehen würde.

Der Angekommene betrat den Wohnraum. Itachi wusste nicht, woher der junge Mann gewusst hatte, wo er sich genau aufhielt.

Vielleicht wurde das einem auf der Polizeischule ja beigebracht.

Er wusste es nicht.

Aber er wusste, dass er nicht willkommen war. Sasuke funkelte ihn wütend an und bebte am ganzen Leib. Er war bleich und wirkte unheimlich erschöpft- ein Eindruck, den die dunklen Augenringe noch verstärkten. Itachis Exfreund sah aus, als müsste er sich von einer schlimmen Krankheit erholen, obwohl er gesund war. Körperlich zumindest.

„Was willst du hier?“, fauchte Sasuke aufgebracht. „Du hast kein Recht, mit Vater zu sprechen!“

Drohend näherte sich der 20-jährige seinem Exfreund, der sich rasch erhob und vor Mikoto zum Abschied respektvoll verbeugte.

Dankbar blickte der Mizu der jungen Mutter in die Augen. „Vielen Dank, dass ich mich verabschieden durfte.“

Betrübt nickte die Witwe und schaute zu ihrem Sohn. „Ich habe ihn hergebeten“, erklärte sie schlicht.

Der Clanerbe nickte. „Ich hab´s geahnt“, brummte er und wandte sich dann -etwas weniger ruhig, aber gefasst- an den älteren Mann. „Verzieh dich gefälligst. Du hast hier nichts mehr verloren. Ich will dich nie mehr wiedersehen, dich nicht und deine Freunde und niemanden mehr von deiner Sorte.“

Itachi nickte lediglich und ging an seinem ehemaligen Liebhaber vorbei. Der Drang, diesen einfach in die Arme zu nehmen und zu trösten, war groß, aber dem Mizu war bewusst, dass er das nicht tun durfte. Er musste Sasukes Grenzen akzeptieren, und nichts anderes tat er hiermit, auch wenn er gegen dessen Willen Abschied von Fugaku genommen hatte.

Sein Exfreund folgte ihm misstrauisch zur Haustür und blieb mit vor der Brust verschränkten Armen in großem Abstand zu ihm stehen, während sich der Langhaarige Schuhe und Jacke anzog.
 

„Ich wollte nie, das Fugaku stirbt. Ich wünschte, ich hätte das vermeiden können“, sagte der 25-jährige leise.

Sasuke schnaubte nur. „Du hättest schießen können. Wolltest du, dass ich ein Waise bin wie du? Findest du das toll, dass Vater tot ist?“

Mit jedem Wort wurde seine Stimme lauter. Itachi schwieg lediglich. Er wusste, dass kein Argument der Welt sein Licht nun aufhalten, beruhigen könnte. Er wusste, dass es das Beste für Sasuke war, seine Wut, seine Trauer, aus sich heraus zu lassen. Als Clanoberhaupt konnte er das nicht mehr so wie damals, als sie zusammen gelebt hatten. Alles hatte sich geändert, und das in sehr kurzer Zeit. Die Welt stand Kopf für Sasuke. Itachi wusste das aus eigener Erfahrung.

„Ich weiß, dass es nicht einfach ist“, meinte er deshalb vorsichtig, weil sein Licht auf eine Antwort zu lauern schien. „Meine Eltern sind auch tot, falls du das vergessen haben solltest, Sasuke.“

Der junge Mann schnaubte abfällig und funkelte ihn so wütend an, dass der Mizu sicher auf der Stelle qualvoll verreckt wäre, wären Blicke tödlich. Dann sagte er etwas, was Itachi selbst nicht ertragen konnte- so verlogen, so grausam waren diese folgenden Worte:

„Ach ja? Hast du sie nicht vielleicht selbst umgebracht, hm? Du bist ein Auftragsmörder- niemand ist dir wichtig. Vielleicht hast du deine Eltern selbst umgebracht und es wie einen Unfall aussehen lassen?“

Diese letzten Worte, die Itachi für einige Zeit von seinem Liebsten hören sollte, während sie sich ansahen, waren ruhig gesprochen.

Ruhig, aber grausam.

Messerstiche in seinem Herzen.
 

Itachi wurde bleich, totenbleich, dann wandte er sich einfach von Sasuke ab und verließ das Haus seines einstigen Liebhabers.

Diese Worte hatten ihn tiefer getroffen als alles andere zuvor.

Als könnte er seine Eltern umgebracht haben!
 

Als Itachi in sein Auto stieg und davonraste, brannten seine Augen wie Feuer.
 

Er wollte einfach nur noch fort aus dieser Stadt, weit weg von Sasuke.

So weit weg, wie es ihm möglich war- ein neues Leben, ohne zu Sasuke oder seinen beruflichen Wurzeln zurückzukehren.

Entschuldigungen

>You´re in my brain,

in my brain.

The life inside is breaking out.

You´re in my brain,

in my brain.

The life inside is breaking out.<

Skillet- you´re in my brain
 

„Das hättest du nicht sagen dürfen“, ertönte hinter ihm die Stimme seiner Mutter. „Du warst grausam!“

Sasuke wandte sich ihr zu. Sie sah ihn vorwurfsvoll an, was seine Wut einfach verpuffen ließ. In letzter Zeit passierte ihm das öfter- seit sein Vater tot war. Ermordet.

„Vater ist tot, weil er nicht aufgepasst hat“, versuchte er sich zu rechtfertigen, auch wenn er ahnte, dass es dafür einen anderen Grund gegeben hatte: ihn selbst.

Er wollte es nur nicht wahrhaben.

Mikoto schüttelte den Kopf. „Nein, Sasuke. Daran ist Itachi nicht schuld. Alle waren abgelenkt aus Sorge um dich. Shisui hat Fugaku auch nicht gerettet. Madara ebenso wenig. Keiner hat ihn gerettet, aber sie wollten es, verstehst du das? Itachi hat gehofft, dass niemand sterben muss, der dir helfen will. Aber er hat es nicht geschafft. Und hättest du dich nicht gewehrt, wärst du auch nicht so zugerichtet worden, habe ich gehört. Kisame hätte dir nicht wehgetan.“

Blass was sie, und sie musste sich am Türrahmen festhalten, um sich aufrecht zu halten. Tränen schimmerten in ihren Augen und Sasuke konnte sehen, das sie ihm trotzdem nicht böse war. Obwohl seinetwegen ihre Liebe, ihr Mann, tot war.

Betreten senkte er nun das Haupt- ganz so, wie Itachi es vor wenigen Minuten getan hatte.

„Es ist mir egal, ob du jetzt Hunger hast oder müde bist“, kam es leise von der Witwe. „Ich möchte, dass du jetzt zu Itachi gehst und dich entschuldigst. Das hat er nicht verdient- jahrelang hat er dich geschützt, wie es nur Eltern getan hätten –kein anderer Mann hätte dich so in Sicherheit gebracht. Und wegen eines kleinen Fehlers, der alles kaputt macht, stößt du ihn von dir, ohne auch nur ein Wort mit ihm geredet zu haben? Das ist nicht fair.“

Sasuke nickte stumm, zog sich seine Straßenschuhe an und nahm den Hausschlüssel.

Er wusste, was seine Mutter von ihm erwartete. Das hätte er auch gewusst, hätte sie es nicht gesagt. Und sie hatte recht damit: Sein Verhalten war grausam gewesen. Auch so, ohne das er Itachi unterstellt hatte, dessen Eltern umgebracht zu haben. Keiner tötete die eigenen Eltern, und Sasuke glaubte nicht, dass sie seinen Exfreund zum Mörder erzogen hatten. Er würde mit dem Mizu reden. Es zumindest versuchen. Sollte Itachi ihn nicht mehr sehen wollen, er könnte es verstehen.
 

Einige Zeit später lief Sasuke auf das kleine Elternhaus seines Exfreundes zu. Ihm war bewusst, das Itachi vielleicht gar nicht mehr mit ihm reden wollen würde, aber er musste es versuchen. Sich entschuldigen. Mit seinem Verhalten hatte er sich selbst nicht nur persönlich geschadet, sondern auch dem Ansehen des Clans- und alles, was er dem Mizu an den Kopf geworfen hatte, war nur zum Verletzen gedacht gewesen. Er sollte sich wirklich entschuldigen. Das hatte Itachi nicht verdient, der versucht hatte, zu helfen- auch wenn es Sasuke völlig unverständlich war, wieso er nicht abgedrückt hatte.

Das alte weiße Auto, das Itachi fuhr, parkte vor dem Haus am Straßenrand direkt hinter einem weißen Luxuswagen. Sasuke kannte die Marke nicht, aber er ahnte, dass er Probleme bekommen könnte, sich zu entschuldigen, denn das Auto kam ihm bekannt vor. Nur das Woher konnte er nicht benennen, also atmete er einfach tief durch und ging den restlichen kurzen Weg zur Haustür.

Als er die Klingel betätigte wurde er noch unsicherer. Was, wenn jemand wie Kisame in seiner Nähe war? Dort drin, bei Itachi?

Innerlich schüttelte der Uchiha den Kopf. Er musste sich zusammenreißen. Es gab in diesem Haus keine Bedrohung für ihn. Die hatte es noch nie gegeben, wenn Itachi es vermeiden konnte.
 

Im nächsten Moment wurde die Haustür geöffnet und der Clanerbe atmete erleichtert auf. Es war Madara Mizu, der dort in der Tür stand.

Alles war okay.

Niemand würde ihm etwas tun, das erkannte er, auch wenn er unbewusst diese Angst gehegt hatte. Wieso? Das wusste er nicht. Wieder wusste er etwas nicht.
 

Aber Madara lächelte nicht wie sonst, wenn er Sasuke sah. Nein, diesmal blickte er verstimmt auf ihn herab und stand wie eine unüberwindbare Mauer in der Tür.

„Was willst du?“, fragte der Mizu ruhig, aber alles andere als freundlich.

Unwillkürlich schluckte das Clanoberhaupt, widerstand aber dem Drang, zu Boden zu blicken. So etwas tat ein Oberhaupt nicht. Sasuke durfte es nicht tun, auch wenn er dieses Bedürfnis verspürte. Es gab vieles, das er nicht mehr tun durfte.

„Ich möchte Itachi sehen.“

Madara schnaubte. „Und wieso? Um ihm wieder zu sagen, das er seine Eltern selbst umgebracht hätte? Oder weil er schuld sein soll an Fugakus Tod?“

Der jüngere der beiden schüttelte den Kopf. „Um mich zu entschuldigen. Ich habe mich falsch verhalten.“

Er hasste es, so formell zu reden, aber das musste er. Eigentlich würde er lieber sagen „Es tut mir leid, ich habe Scheiße gebaut. Ich war grausam“, aber das konnte er nicht mehr. Nie mehr.

Sein Gegenüber sah ihm lange in die Augen, und Sasuke fühlte sich unglaublich schäbig. Noch schäbiger, als er sich zuvor gefühlt hatte. Wieso hatte er sich nicht im Griff gehabt? Dann müsste er nun nicht dort stehen und darauf hoffen, zu Itachi vorgelassen zu werden.
 

Der Mizu schüttelte den Kopf. „Hast du eine Ahnung, wie es Itachi geht?“, fragte er.

Nun senkte der 20-jährige doch seinen Kopf. Biss sich auf die Unterlippe. Spürte den bohrenden Blick des Älteren auf sich und hoffte, betete, endlich zu Itachi zu können.

„Ich werde dich nicht zu ihm lassen, Sasuke. Itachi ist völlig fertig. Er hat seine Eltern geliebt, auch wenn er das nicht zeigt“, ertönte es nahezu emotionslos. „Ich war dabei, als Itachi verstehen musste, dass seine Eltern nicht mehr zurückkommen. Ich habe mich um ihn gekümmert und ihn so gut wie möglich geschützt, auch wenn ich nicht mein Bruder bin. Das wird nie enden. Deshalb kannst du nicht zu ihm. Du tust ihm mehr weh als alles andere. Und jetzt verschwinde endlich- und überleg doch mal, wer an deiner Entführung wirklich schuld ist. So ehrlich müsste ein Clanoberhaupt doch sein, nicht?“

Mit diesen Worten fiel die Haustür hinter Madara ins Schloss und Sasuke stand alleine draußen. Er fühlte sich unsagbar elend. Wieso hatte er das nur gemacht?
 

Irgendwann wandte er sich vom Haus ab und ging nach Hause. Seine Beine fühlten sich seltsam an, wie Gummi, als könnten sie sein Gewicht nicht tragen, und auf seinem Magen lastete immenser Druck. Ihm war übel und schwindelig und er wollte schreien und weinen.
 

Man sah es ihm nicht an. Er ging unbemerkt durch die Straßen zurück in sein Elternhaus, in dem seine Mutter und die Urne mit der Asche seines toten Vaters auf ihn warteten.
 


 

Nachdem Madara die Haustür vor Sasukes Nase zugedonnert hatte, atmete er tief durch und machte sich auf den Weg zu seinem Neffen, der schon seit seiner Heimkehr nahezu apathisch auf dem Sofa saß. Kurz, bevor Sasuke geklingelt hatte, hatte Itachi Anstalten gemacht, mit seinem Onkel zu reden. So hatte der ältere Mizu erfahren, das Sasuke Itachi unterstellt hatte, die eigenen Eltern ermordet zu haben. Der Junge hatte verdammtes Glück, das Madara wusste, das Itachi nicht einmal nach den verletzenden Worten des 20-jährigen wollte, das dieser Junge litt. Zu gerne hätte Madara Sasuke wehgetan! Keiner war so grausam, einfach zu behaupten, Izuna wäre durch Itachis Hand gestorben. Itachi war damals doch erst 13 Jahre alt gewesen! Oh, wie gerne Madara diesem verfluchten Sasuke den Hals umgedreht hätte!

„Wer war das?“, wollte der jüngere leise wissen, als sich sein Onkel wieder zu ihm setzte.

Madara schnaubte. „Nur ein Kind mit einer Sammelbüchse. Die gehen heute von Haus zu Haus und wollen Spenden haben. Ich habe es weggeschickt.“

Itachi nickte müde, bevor er sich schwerfällig erhob. „Ich lege mich etwas hin.“

„Was willst du jetzt eigentlich machen?“, fragte der ältere, bevor sein Neffe den Raum verließ. „Ich bezweifle wirklich, dass du es hier noch aushältst, wo du Sasuke mit hergeschleppt hast.“

„Ich weiß. Ich glaube, ich werde Soldat.“

Madara wurde blass. Soldat? „Das kannst du nicht machen“, meinte er besorgt. „Dir könnte so viel zustoßen.“

Itachi wandte sich seinem Onkel zu. „Tut mir leid, Madara, aber das ist meine Entscheidung.“

Damit wandte er sich ab und ließ einen fassungslosen Madara Mizu allein im Wohnraum zurück. Sein Onkel konnte hören, wie er die Treppe empor stieg und in sein Zimmer ging. Resigniert seufzend verließ Madara wenig später das Haus, um frische Luft zu schnappen.

Itachis seiner Meinung nach hirnrissige Idee musste er erst mal verarbeiten.
 

Sein Neffe hatte dafür gerade ganz andere Sachen im Kopf. Kaum, dass er sich mit dem Militär in Verbindung gesetzt hatte, um diesem beitreten zu können, klingelte sein Mobiltelefon. Ungläubig starrte Itachi auf das Display, bevor er den Anruf mit zitternden Händen entgegennahm.

„Ja?“, fragte er bemüht ruhig, was ihm auch recht gut gelang.

„Itachi?“, drang Sasukes Stimme an sein Ohr- die Stimme, die er nie mehr zu hören geglaubt hatte. „Itachi, es tut mir so leid! Ich habe Scheiße erzählt, ich war einfach nur grausam, das war nicht fair! Bitte lass uns reden.“

Sasuke entschuldigte sich? Itachi lächelte. Natürlich entschuldigte sich Sasuke. Seine Wut richtete sich gegen alles und jeden, und irgendwie war es da richtig, dass er anrief. Andererseits trug Itachi wirklich Mitschuld an Fugakus Tod.

Er wusste es doch selbst. „Natürlich können wir reden. Wie geht es dir?“

„Du redest immer nur über mich“, kam es von Sasuke, und der Mizu konnte aus dem Unterton in der Stimme des jüngeren deutlich ein Grinsen mitschwingen hören.

Er würde darauf eingehen. „Worüber willst du dann reden?“

Der Uchiha lachte und klang dabei befreit. Sicher hatte er gehofft, das Itachi ihn nicht ablehnen würde. „Über dich. Wie mies ich dich behandelt habe und wie es dir jetzt geht.“

„Du hast mich nicht mies behandelt, Sasuke“, widersprach Itachi sofort. „Ich habe Madara damals auch so angegiftet, obwohl er nichts für den Tod meiner Eltern konnte. Und du hattest auch irgendwie recht. Ich hätte eingreifen müssen und habe es nicht getan.“

Sasuke grummelte leise, was den Mizu erst recht lächeln ließ. „Du solltest deine Waffe gegen Kisame richten, Itachi. Wäre ich an deiner Stelle gewesen und hätte Naruto umbringen müssen… ich hätte auch gezögert. Es war unfair, an dir meine Wut raus zu lassen.“

„Und wie soll es jetzt weitergehen?“, seufzte Itachi leise im Wissen, das Sasuke und er nie eine offizielle Beziehung führen könnten. Er würde weggehen, denn dass er die Aufnahmeprüfungen bestehen würde, bezweifelte er keine Sekunde. Der Mizu wusste, was er konnte.

Nun war es am Jüngeren, zu seufzen. „Ich weiß es nicht. Ich werde vorbereitet auf meine Rolle als Clanoberhaupt und auf meine Ehe und den Polizeidienst… Ich weiß nicht, ob wir uns so bald sehen können.“

„Sasuke“, sprach Itachi ruhig, weil er wusste, wie Sasuke nun reagieren würde. „Wir werden uns eine ziemliche Weile lang nicht sehen können. Ich gehe weg von hier.“

„Was?“, entfuhr es seinem Liebhaber entsetzt.

Tief holte der Mizu Luft. „Ich gehe zur Armee, Sasuke. Sobald ich die Aufnahmeprüfungen abgelegt und bestanden habe, bin ich fort.“
 

Schweigen.
 

„Du wirst heiraten, Sasuke. Du hast keine Zeit mehr und ich brauche das für mich“, versuchte Itachi, seine Entscheidung vorsichtig zu erklärten.

Ein Brummen, ein Klicken. Dann nichts mehr. Sasuke hatte einfach aufgelegt. Der Mizu ahnte, dass der Uchiha seine Wut nicht wieder an ihm auslassen wollte, weshalb er auch nicht zurückrief.

Es würde ohnehin nichts ändern.

eine kleine familie

>In our family portrait we look pretty happy.

We look pretty normal, let´s go back to that.

In our family portrait we look pretty happy.

Let´s play pretend, act like it goes naturally.<

Pink- family portrait
 

Quengelnd wand sich der kleine Junge in den Armen des Erwachsenen. Entschieden, aber sanft wurde er an den kräftigen Körper gepresst. Eine warme Hand kitzelte das Kind am Bauch, als es nur noch mit einer Hand gehalten wurde. Laut fiepte es glücklich auf, gluckste. Dann wurde es in ein Gitterbett gesetzt, wo es sich sofort an einen Plüschdrachen schmuste, der schon unglaublich alt wirkte.

„Du bist früh zurück“, ertönte eine leise Stimme. „Ist etwas passiert?“

Der Mann schüttelte den Kopf und strich dem kleinen Jungen im Gitterbett liebevoll über den Kopf. „Es ist was Persönliches. Wie war euer Tag?“

Mit diesen Worten wandte er sich der blassen, schwarzhaarigen Frau zu, die ruhig seinen Blick erwiderte. In ihren Augen lag nur ein winziger Funken Zuneigung zu ihm, dafür aber viel Liebe für das Kind. Der Mann wusste es, und es war Okay. Immerhin liebte er diese Frau auch nicht, dafür aber den gemeinsamen Sohn.

Das Paar mochte sich. Sie hatten geheiratet aus Pflichtgefühl, aber mittlerweile hatten sie sich aneinander gewöhnt. Vor anderthalb Jahren hatten sie geheiratet, und nun war ihr kleiner Sohn fast ein Jahr alt. Er trug den Namen seines Großvaters, den er nie kennenlernen konnte: Fugaku Uchiha.

„Er ist ein kleiner Teufel“, lächelte die junge Mutter. „Hat sein Frühstück nicht gewollt. Und seinen Mittagsschlaf auch nicht. Also, Sasuke? Es ist was Persönliches? Wie persönlich?“

Sasuke zog sich den Schaukelstuhl im Kinderzimmer an das Gitterbett seines Sohnes und ließ sich darauf nieder. Abwesend spielte er mit der Hand des Kindes, das immerzu versuchte, ihn festzuhalten.

„Sehr persönlich, Mine“, gestand er.

Seine Frau stand weiter abwartend in der Tür, bevor sie ans Gitterbett trat und ihren Sohn heraushob. Sofort kuschelte sich der Kleine an sie, und sie küsste ihn mit einer Zärtlichkeit und Liebe, die ihr 23-jähriger Ehemann nie von ihr erfahren würde. Er wollte es aber auch gar nicht, denn er liebte schon jemanden- auch, wenn er es zu verdrängen versuchte.

Leise seufzte er auf, was ihm einen besorgten Blick seiner Frau einbrachte. „Es ist nicht nur sehr persönlich, oder?“

Er nickte. „Ich möchte, dass du mit Fugaku weggehst“, sagte er leise.

„Und wohin?“

„Zu deinen Eltern“, antwortete er ruhig. „Die leben auf dem Land. Da seid ihr sicher.“

Mine schnaubte. „Und du? Soll Fugaku ohne Vater sein?“

„Mir passiert nichts. Ich arbeite doch nicht alleine“, versuchte der junge Vater, Mine zu beruhigen. „Das weißt du doch.“

„Das scheint sehr privat zu sein, Sasuke. Und wenn es um den Mörder deines Vaters geht, bin ich mir nicht sicher, ob du wirklich nicht alleine bist, wenn du vor ihm stehst. Das ist zu gefährlich. Ich möchte, dass du mit uns gehst. Überlass die Sache den anderen“, kam es entschieden von ihr. Dabei strich sie immer wieder über den Rücken ihres Kindes. Sasuke wusste, dass sie das nur tat, wenn sie sich sehr aufregte und um ihre Familie fürchtete. Bisher war das nur ein einziges Mal vorgekommen- als Sasuke bei einer Geiselnahme verletzt worden war, als er die Opfer aus dem Gebäude holen wollte. Da hatte sie genauso dagestanden, mit dem keine zwei Wochen alten Fugaku im Arm, und hatte immerzu den Rücken des Babys gestreichelt.
 

Noch bevor der Uchiha seiner Frau widersprechen konnte, ertönte eine andere Stimme: „Sie hat recht, Sasuke.“

Überrascht blickte das junge Ehepaar zur Tür. Mikoto stand da, Sasukes Mutter. Der Tod ihres Mannes hatte sie sehr verändert. Sie war blass geworden und spindeldürr. Die Trauer hatte ihren Rücken gebeugt und sie alt gemacht. In ihr schwarzes Haar schlichen sich immer mehr weiße Strähnen. In ihren Augen war die Trauer noch so deutlich zu lesen wie an dem Tag, an dem Fugaku gestorben war. Ihr Mann.

Aber in diesem Moment, als sie sich in die Unterhaltung des Ehepaars einmischte, stand sie aufrecht da wie lange nicht mehr. Und sie blickte ihren Sohn entschlossen an, während sie den Raum betrat. Ließ ihren Jungen nicht aus den Augen. „Du wirst diese Suche Shisui überlassen, Sasuke. Da lasse ich nicht mit mir reden. Ich werde ihn gleich anrufen und ihm sagen, das er dich beurlauben soll oder sonst was. Ich möchte nicht, das du Kisame stellst.“

„Er hat Vater umgebracht“, zischte Sasuke. „Soll ich das einfach ignorieren?“

Mikotos Blick wurde sanft, mitfühlend, als sie zu ihrem Kind, das längst ein junger Mann geworden war, trat und es in ihre Arme zog. „Das verlange ich nicht, Sasuke. Du kannst eine Aussage machen und alles, aber du sollst ihn nicht jagen. Ich habe schon deinen Vater verloren- ich will nicht auch noch meinen Sohn beerdigen und meinem Enkelsohn erklären müssen, wieso sein Papa nicht bei ihm ist und mit ihm Hausaufgaben macht oder ihm das Fußballspielen beibringt.“

Betreten senkte der junge Familienvater das Haupt und erwiderte zögernd die Umarmung Mikotos. Die Witwe lächelt. Sie hofft sehr, ihren Sohn so zur Vernunft gebracht zu haben.
 

Mine war da weniger optimistisch. Besorgt wiegte sie Fugaku und hoffte, betete, das Sasuke auf seine Mutter hören würde. Andererseits konnte er auch ziemlich stur sein, wie sie im Laufe ihrer Ehe festgestellt hatte. So hatte er darauf bestanden, ihr gemeinsames Kind nach altem Brauch nach seinem toten Vater zu benennen und jede Woche das Grab des Toten zu besuchen. Mine hatte auch vorgeschlagen, dass sich das junge Paar eine eigene Wohnung suchen könnte, damit Sasuke Abstand nehmen konnte zum Tod seines Vaters, aber ihr Mann hatte sich dagegengestellt. Nun lebten sie im Elternhaus des angehenden Polizisten, hatten sich vom Ersparnis von Sasukes Vater ein eigenes Schlafzimmer im Dachboden gebaut und das Baby in Sasukes ehemaligem Jugendzimmer einquartiert.

Doch nun ahnte die junge Mutter, dass ihr Familienleben gehörig durcheinander geraten würde. Wenn ihr Mann sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, zog er das auch durch. Niemand konnte ihn davon abbringen.

Bitte, flehte Mine in Gedanken Sasukes toten Vater an. Bitte lass ihn zur Vernunft kommen! Er darf diesen Mann nicht jagen!

Sie hatte Angst, ihren Mann zu verlieren, auch wenn sie ihn nicht liebte. Er war ihr wichtig geworden.

Er war doch der Vater ihres Babys. Fugaku brauchte ihn. Sie brauchte ihn.

Sie waren eine Familie.
 

Und dann wurde ihr klar, dass sie nicht einfach nur zuschauen durfte. Dass sie ihre Familie schützen musste, auf ihre Art.
 


 

Rastlos lief Sasuke durch das Wohnzimmer. Der Tee, den seine Frau ihm aufgebrüht hatte, war sicher schon kalt, aber es würde ihm nichts ausmachen, ihn so zu trinken. Er würde es auch tun, sonst würde Mine sich sicher wieder große Sorgen um ihn machen, was sie ohnehin schon tat. Eigentlich sollte es das junge Clanoberhaupt ja nicht stören –es war ja die Aufgabe seiner Frau-, aber genau das tat es. Er hasste es, ihre Sorge jeden Tag zu sehen, immerzu, wenn sie sich sahen. Wenn sie gemeinsam in einem Bett schliefen und sich um Fugaku kümmerten, wenn sie zusammen aßen… Und seine Mutter war da nicht anders! Auch sie machte sich Sorgen um Sasuke. Die beiden Frauen schienen zu ahnen, dass der junge Familienvater keineswegs vorhatte, Shisui die Arbeit zu überlassen. Es wurmte ihn, dass er so leicht durchschaut wurde. Und vor allem: Würde er auch nur ein einziges Mal tun, was die beiden nicht wollten, würden sie sicher sofort Itachi anrufen!

Sasuke hatte seinen Exfreund schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Nicht, seit er ihn vor die Tür gesetzt hatte. Nicht seit ihrem Telefonat. Er hatte ihn nicht ein Mal angerufen in den fast drei Jahren. Itachi hatte ihn auch nicht angerufen. Der Mizu hatte seine Entscheidung akzeptiert, diese Barriere, und sich nicht in Sasukes neues Leben einmischen wollen. Zumindest glaubte der Uchiha das. Es würde zu Itachi passen.
 

Itachi.
 

Mittlerweile war Sasukes Exfreund 28 Jahre alt. Sasuke selbst 23. Und nun fiel ihm auf, wie lange sich ein Teil seines Lebens schon um den anderen drehte: sieben lange Jahre. Er konnte es selbst kaum glauben.

Wieso denke ich jetzt überhaupt daran?, fragte er sich kopfschüttelnd und griff nach seiner Teetasse, um einige Schlucke zu trinken. Es ist doch völlig egal, wie lange ich ihn schon kenne.

Aber dass sein Blick zu seinem Handy huschte, das noch immer auf dem Tisch lag, konnte er nicht vermeiden.

Ob es ihm gut geht? Lebt er überhaupt noch?

Sasuke war sich unsicher. Wäre Itachi gestorben, hätte Madara ihm vielleicht nicht einmal etwas gesagt.
 

Vielleicht sollte er ihn einfach mal anrufen.

Aber Itachi würde sofort wissen, dass etwas nicht stimmte. Das etwas passiert war, wenn Sasuke sich nach drei langen Jahren bei ihm meldete.

Er konnte ihn nicht anrufen. Das konnte er nicht. Niemals. Nicht jetzt, wo er Kisame so nahe war. Wo er ihn finden und seinen Vater rächen konnte.

Itachi würde das verstehen, wenn alles vorbei war. Wenn Kisame im Gefängnis saß –für ein Lebenslang würde Sasuke schon sorgen- und alles okay war.

Vielleicht würde er sogar zurück kommen?
 

Sasuke schüttelte abermals den Kopf.

Selbst, wenn Itachi wieder in der Stadt wohnen würde, Sasuke war doch verheiratet. Er müsste Mine alles erzählen, und wie würde sie darauf reagieren, das ihr Mann schwul war? Sicher nicht gut.

Er war doch ein Vater. Er trug die Verantwortung für Fugaku, seinen kleinen Sohn.

Eine Beziehung mit Itachi, das war unmöglich. Das war es doch schon immer gewesen.

Nicht immer, flüsterte eine hämische, leise Stimme in Sasukes Kopf listig. Früher ging es doch auch, ohne dass unsere Verbindung aufgefallen ist. Es ist doch nichts dabei, sich ab und an mit einem alten Freund zu treffen. Niemand muss wissen, das Itachi nicht irgendein Freund ist.

Sasuke nickte innerlich. Ja, es musste keiner davon erfahren. Mine würde es nicht merken.

Und von deiner Suche nach Kisame muss auch keiner erfahren, säuselte die Stimme weiter. Du kannst sicher etwas in Erfahrung bringen und ihn selbst stellen. Dein Vater wäre sicher sehr stolz auf dich.
 


 

Er war vollkommen erschöpft, als er sich auf sein Bett fallen ließ. Der Tag war wie üblich sehr stressig gewesen und körperlich belastend, aber ihm ging es gut. Er freute sich auf den ersehnten Schlaf, den er sich auch verdient hatte. Geduscht hatte er schon, er würde einfach liegen bleiben können. Nur die Augen schließen, dann schlafen. Es würde ihm sehr leicht fallen, was auch gut war. Würde er lange wachliegen, müsste er wieder nachdenken. Das käme ganz automatisch. Deshalb liebte er diese Tage. So überstand er die letzten Jahre, so konnte er sein neues Leben akzeptieren.

Aber als er diesmal die Augen schloss, klingelte sein Mobiltelefon. Er ließ es immer in seinem Nachttisch liegen, weil er es während der Arbeit nicht brauchte. Es würde ihn nur stören, wie es gerade der Fall war. Am liebsten würde der schwarzhaarige es einfach nur liegen lassen, aber er musste drangehen. Was, wenn Sasuke es war, der ihn anrief?

Mit einem rauen, trockenen Lachen zog Itachi noch liegend die Nachttischschublade auf und griff nach dem Handy, nahm den Anruf an. Leise sagte er seinen Namen, unwissend, wer am anderen Ende der Leitung saß. Sasuke rief nie an.

„Hallo, Itachi“, grüßte ihn eine tiefe Stimme, die er kannte. „Wie geht es dir? Was macht die Arbeit?“

Itachi lächelte. „Gut, und dir? Ich bin müde, Madara, aber sonst ist alles prima. Was macht deine Arbeit?“

„Oh, ich habe mehr zu tun, als ich mir wünsche“, stöhnte der andere.

Nun kam der jüngere Mizu nicht um ein breites Grinsen herum. „Vielleicht solltest du kürzertreten. Deinen Zweitjob Pain oder einem anderen überlassen.“

Ein empörtes „Nie im Leben!“ war die Antwort. „Aber willst du denn nicht wissen, warum ich dich so schnell schon wieder störe?“

In der Tat wollte Itachi das wissen. Für gewöhnlich meldete sich sein Onkel etwa alle zwei Wochen, und erst vor wenigen Tagen hatten sie miteinander geredet. Dieser Anruf machte den Soldaten deshalb neugierig. „Also? Was ist passiert?“

„Etwas sehr Interessantes. Ich glaube, es wird dich nachhause treiben“, sagte Madara erfreut, bevor er weitersprach: „Kisame Hoshigaki ist gesichtet worden in der Stadt. Alle Welt sucht nach ihm- und die Armee unterstützt die Polizei.“

Wünsche

>Es gibt so viele Träume,

und keine Sehnsucht macht sie wahr.

Ich spür Deine Kälte.

Wir waren dem Himmel doch so nah.

Ich such nach den Worten,

hab Dich so oft danach gefragt.

Haben wir das Glück schon verloren?

Ist unsere Zeit vorbei?

Du hast schon lange nichts mehr gesagt.<

Staubkind- so nah bei mir
 

„Das kannst du nicht machen!“ Zu Fäusten geballte Hände donnerten auf einen mit zahllosen Papieren und Akten übersäten Schreibtisch. Tiefschwarze Augen erwiderten eisig den ernsten Blick ihres Gegenübers.

„Doch“, stellte der Polizist fest. „Doch, ich kann das machen. Oh- ich habe es sogar schon gemacht.“

Ein klein wenig süffisant klang seine Stimme, als er seinem Lehrling Letzteres sagte. Der kochte mittlerweile schon vor Wut und fegte kurzerhand einen Stapel wichtiger Akten vom Schreibtisch seines Vorgesetzten. Eben dieser nahm sich vor, dass sein Gegenüber ihm die Akten wieder aufheben und ordnen würde. Er konnte ihm immerhin nicht alles durchgehen lassen, so schwer es der Jüngere auch hatte.

„Shisui!“, zischte der Polizeischüler. Er schien kurz davor, den Schreibtisch, der sich als einziges Hindernis zwischen ihm und Shisui befand, zu Kleinholz verarbeiten zu wollen.

Doch Shisui ließ sich davon nicht beeindrucken und tat unbekümmert- und vor allem unwissend. „Ja, Sasuke? Hast du etwas auf dem Herzen?“

Nach diesen Worten würde sein jüngerer Cousin sicher regelrecht platzen vor Zorn, aber das war okay. Und wenn Shisui ehrlich war: es machte ihm auch ein bisschen Spaß, seinen Lehrling zu ärgern. Er hoffte zudem, so das hitzige Gemüt des anderen etwas abzukühlen, sobald der sich ausgetobt hatte. Das konnte –gerade bei Sasuke- wahre Wunder helfen!

„Du weißt das doch ganz genau!“, donnerte der junge Familienvater. „Du hast mich abgezogen von der Suche nach ihm! Was hast du dir dabei gedacht, mich vom ganzen Fall fern zu halten, hm? Ich muss ihn stellen, kein anderer!“

„Damit du ihn in aller Ruhe foltern und dann umbringen kannst?“, kam es trocken vom Älteren.

Sasuke schnaubte. „Ich würde ihn nicht umbringen, das weißt du ganz genau! Er soll im Knast schmoren, bis er nur noch ein Aschehäufchen ist!“

„Du bist betroffen. Deshalb bist du bei der Festnahme keine Hilfe, Sasuke. Keiner weiß, wie du auf ihn reagierst.“

„Hör mit diesem Psychologen-Geschwätz auf!“, polterte der 23-jährige und wischte doch noch mit einer Bewegung alle Akten vom Tisch, die den ersten Ausbruch überstanden hatten.
 

Sasuke würde wirklich seine helle Freude haben, wenn er sich beruhigt hatte. Wenn es eines gab, was er an seiner Arbeit hasste, dann war es die Schreibtischarbeit. Und nun wartete wirklich ein riesiger Berg auf ihn.

Shisui erhob sich ruckartig von seinem Schreibtischstuhl, ging energisch zu seiner Bürotür und warf diese ins Schloss. Es ging keinen etwas an, wenn er seinen Cousin ein bisschen zurechtstutzte, damit der wieder normal wurde.

Dann ging er zu besagtem Cousin und baute sich drohend vor ihm auf. „Das ist kein Psychologen-Geschwätz, Sasuke, und das weißt du! Kisame hat dich mit Elektroschocks malträtiert, falls es dir entfallen sein sollte, und das geht nicht spurlos an dir vorbei! Wieso sonst hast du Angst vor leeren Hallen, hm? Damit hattest du früher nämlich nie ein Problem! Du kannst Panikattacken kriegen und Schockzustände, deshalb habe ich dich abziehen lassen. Und du hast eine Familie, die dich braucht, also stell dich nicht so an! Es gibt hier Leute, die sich Sorgen um dich machen- und die wollen deinen Vater genauso rächen wie du!“

Wie ein kleines Kind verschränkte Sasuke die Arme vor der Brust und blickte finster zu seinem Vorgesetzten auf, schwieg aber eine Weile.

Eine kurze Weile.
 

„Du kannst mich nicht in Watte packen, Shisui! Ich schaffe das schon, ich mache Kisame fertig- und ich finde ihn! Da mischt sich keiner ein!“, fauchte der 23-jährige.

Shisui lachte böse auf. „Du wirst ihn nicht finden. Du wirst ihn gar nicht erst suchen. Ich könnte sonst sagen, du seist ein schlechter Anwärter und nicht für den Dienst geeignet- du würdest nie Polizist sein können. Willst du das?“

„Das wagst du nicht.“ Leise sprach der jüngere Uchiha diese Worte und wurde bleich.

Seinem Vater hatte es alles bedeutet, seinen Sohn irgendwann als Polizist arbeiten zu wissen. Er würde sich schrecklich grämen, wüsste er um Shisuis Drohung- nein, er würde sich für seinen Sohn schämen.
 

Am liebsten hätte er geheult, aber er durfte das nicht mehr.

Und einmal mehr verfluchte er Kisame dafür, nun schon das Clanoberhaupt sein zu müssen.

Wie er den Mörder seines Vaters hasste!
 

„Doch“, erwiderte Shisui ruhig. „Ich würde dir deine Arbeit unmöglich machen, wenn du dafür am Leben bleibst. Und selbst wenn nicht, Mine und Mikoto können das sicher auch hervorragend.“

Wütend biss sich der jüngere der beiden auf die Unterlippe. „Du bist ein mieses Arschloch.“

Shisui lachte trocken auf. „Ich weiß, dass du jetzt so denkst. Also? Versprichst du mir, nicht zu suchen? Dich aus den Ermittlungen raus zu halten?“, forderte er.

„Hn“, machte Sasuke. „Muss ich doch. Tu nicht so, als ließest du mir eine Wahl.“

Der ältere Polizist lächelte. „Prima. Jetzt kannst du das Chaos aufräumen, das du angerichtet hast.“

Erst blickte das Clanoberhaupt ihn fassungslos an, bevor er schnaufte und sich auf den Boden hockte, um die Papiere, Stifte und anderen Utensilien aufzuheben. Sasuke hasste seinen Cousin dafür, aber er musste ihm gehorchen. Nicht nur, das Shisui sein Vorgesetzter war, nein: er nutzte es auch noch aus, das Sasuke seinen toten Vater nicht enttäuschen wollte, der sich immer gewünscht hatte, das sein Sohn einmal die Polizei leiten würde. Der junge Familienvater durfte diese Arbeit nicht verlieren, musste seine Ausbildung abschließen.
 

Das war er seinem Vater ebenso schuldig wie seinem Kind.
 


 

„Uchiha?“, meldete sich eine bekannte, freundliche Stimme.

Shisui seufzte und warf einen Blick aus seinem Büro. Sasuke stand unweit von ihm entfernt und unterhielt sich mit den Kollegen. Er beschrieb ihnen sicher Kisame und dessen mögliches Verhalten– nicht zum ersten Mal, seit der Gesuchte gesehen worden war.

„Hallo Mine“, wandte sich der Polizist seiner Gesprächspartnerin zu. „Ich habe mit ihm geredet. Sasuke hält sich aus der Sache raus.“

Sasukes Frau schien wenig zuversichtlich: „Bist du dir da sicher? Er wollte uns schon nicht nachgeben.“

Der Mann lachte leise auf. „Keine Sorge. Ich habe ihm gedroht, seine Karriere zu versauen. Da musste er nachgeben.“

„Wegen seinem Vater?“

Shisui bejahte.
 

Mine seufzte erleichtert auf. „Vielen Dank, Shisui. Mikoto wollte einen Bekannten anrufen, der angeblich mehr Einfluss auf meinen Mann ausüben könnte, aber das wird wohl nicht mehr nötig sein“, meinte sie und lächelte ihrer Schwiegermutter zu, die mit dem kleinen Fugaku auf dem Arm neben ihr stand und nun erfreut das Baby koste. Mikoto war wirklich eine hervorragende Großmutter, so, wie sie sich um ihren Enkel kümmerte, wenn die jungen Eltern mal keine Zeit hatten. Bei Familienfesten beispielsweise. Mine wüsste ohne die Witwe manchmal nicht weiter.

Wenig später beendeten sie das Telefonat und die junge Mutter wandte sich freudestrahlend an Mikoto. „Er hat versprochen, diesen Mörder nicht zu jagen. Ist das nicht großartig?“

Diese nickte. „Ja“, meinte sie, als sie Fugaku wieder Mine übergab. „Aber ich werde Itachi trotzdem anrufen. Es wird ihn sicher sehr interessieren, das Kisame hier sein soll. Und so macht Sasuke wirklich keine Dummheiten.“

Mine nickte und zögerte kurz, bevor sie die Frage stellte, die ihr schon seit geraumer Zeit im Kopf herum spukte: „Wieso hört Sasuke auf diesen Mann? Was ist das Besondere an ihm?“

„Durch Itachi hat Sasuke Kisame kennen gelernt“, antwortete ihre Schwiegermutter zögerlich. „Itachi sollte Sasuke für Kisame töten oder entführen, um meinen Mann leiden zu lassen. Er war Kisame im Weg. Itachi konnte Sasuke nichts antun, also haben sie sich angefreundet. Er übte schon von Anfang an einen guten Einfluss auf deinen Mann aus, Mine, selbst, als Sasuke ihn noch fürchtete.“

„Wieso haben sie sich dann angefreundet?“, wollte diese nun wissen.

Mikoto lächelte müde. „Itachi war direkt vernarrt in Sasuke. Dein Mann will sicher nicht, dass du das weißt, aber die beiden hatten eine sehr innige Beziehung, als Sasuke sich darauf eingelassen hatte, sich von Itachi in der Schule helfen zu lassen. Und Itachi war es, der Sasuke letztlich nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis in Sicherheit brachte, weil er ahnte, das Kisame hinter allem stecken könnte. So war es dann ja auch“, erklärte sie, bevor sie sich von ihrer Schwiegertochter unter dem Vorwand, sich ein wenig ausruhen zu wollen, abwandte.
 

Nachdenklich setzte sich Mine mit ihrem Baby im Wohnraum aufs Sofa und wiegte den kleinen Fugaku. „Eine sehr innige Beziehung also“, murmelte sie.

Wieso hatte Mikoto ihr nicht mehr darüber erzählen wollen? So plötzlich, wie diese sich hatte ausruhen wollen… Es war verdächtig. Sehr verdächtig. Und vielleicht hatte die Witwe ja ihre Gründe. Vielleicht wollte Sasuke ja nicht, das seine Frau überhaupt von Itachi erfuhr, obwohl Mikoto diesen unbekannten Mann gelegentlich erwähnte, um Sasuke zur Vernunft zu bringen.

Im Grunde wurde so erst recht Mines Neugierde geweckt. Was bedeutete eine innige Beziehung für Sasuke? Führten sie denn keine? Sie erzählten sich vieles, teilten ihr Leben miteinander, hatten ein Kind, ein Haus, ein Leben. War das keine innige Beziehung, weil sie sich nicht liebten, wie Mikoto Fugaku geliebt hatte? Weil sie eine Vernunftehe führten? Und was bedeutete Mikotos ´Itachi war direkt vernarrt in Sasuke´? Vernarrt, das waren die jungen Eltern nur in ihr Kind. In ihren kleinen Sohn, der ihnen beiden sehr viel bedeutete. Für ihn würden sie sterben, Mine genauso wie Sasuke. War Itachi genauso? Hegte er eine Vater-Sohn-Beziehung zu Sasuke? Mine ärgerte sich darüber, das nicht zu wissen.

Was war sie denn für eine Ehefrau, die nichts von ihrem Mann wusste?

Keine gute, fand sie. Ich werde ihn am besten gleich fragen, wenn er nachhause kommt.

Es war eine harmlose Frage, Sasuke würde ihr sicher antworten. Was sollte schon dabei sein?
 


 

Itachi war ziemlich erleichtert, als er seine Reisetasche packte. Vorhin war er bei seinem Ausbilder gewesen und danach beim Leiter seiner Militärbasis, um zu bitten, bei der Suche nach Kisame Hoshigaki zu helfen. Hätte er nicht erwähnt, dass er Fugakus Mörder gut gekannt hatte, wäre er vielleicht nicht versetzt worden, aber so hielt man ihn für die Suche nach dem Polizistenmörder für sehr hilfreich.

Der Hauptgrund, wieso Itachi bei der Suche helfen wollte, war aber eigentlich nicht der, Kisame stellen zu wollen. Sicher, das war ihm am Zweitwichtigsten, aber er wollte vor allem Sasuke beschützen. Der Mizu wusste zwar nicht, wie die Suche von der Polizei aus organisiert wurde, aber das sein ehemaliger Liebhaber daran teilnahm, setzte er voraus. Er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass sich der Uchiha nicht einfach dem Willen seiner Familie beugen und alles den anderen überlassen würde. Notfalls würde er sicher auch heimlich alleine suchen. Und das war es, was Itachi verhindern wollte: Das Sasuke völlig alleine auf Kisame traf. Dann würde der 23-jährige nicht mehr nachhause kommen. Dann würde Itachi ihn nie mehr sehen, höchstens seine Leiche finden.

Von Mikoto wusste der Mizu, das Sasuke ein Kind hatte. Einen kleinen Sohn, der den Namen seines Großvaters trug. Itachi wollte dem kleinen Fugaku nicht irgendwann sagen müssen, wieso er keinen Vater mehr hatte.

die Maske fällt

>Du hast Dich getarnt und Du hast dich verkleidet

in ein Gewand, das ein jeder Dir neidet.

Du hast Dich geschminkt und solange verwandelt,

dass niemand mehr weiß, um wen es sich handelt.<

Tanzwut- Lügner
 

Es war am frühen Abend, als Sasuke von der Arbeit nach Hause kam. Mine stand in der Küche und bereitete das Abendessen zu, während Mikoto ihrem Enkel die Windeln wechselte. Der junge Familienvater grüßte seine Frau und setzte sich dann an den Küchentisch auf seinen Platz, der ihm noch immer furchtbar falsch vorkam. Es war der Platz seines Vaters, den er einnahm, aber so sollte er sitzen. Sein Großvater hatte ihm eingebläut, wie wichtig selbst diese Nichtigkeit sein konnte. Sasuke habe sich daran zu gewöhnen, ob es ihm gefiel oder nicht.

Es gefiel ihm nicht. Sicher, er war nun der Vater, aber für ihn war es noch nicht lange her, das Fugaku ermordet worden war. Dabei waren schon drei Jahre vergangen.
 

Als alle beisammen am Tisch saßen, beteten sie. Der kleine Fugaku saß in seinem Hochstuhl und wurde nach dem Gebet von Mine mit Babybrei gefüttert, während sie nebenbei gelegentlich etwas vom Gemüseeintopf, den sie gekocht hatte, zu sich nahm. Der normale Alltag eben. So lief das Abendessen immer ab. Die kleine Familie unterhielt sich über die Arbeit und den kleinen Fugaku, über den Alltag. Wie immer.

Aber als der junge Vater später den Wohnraum betrat, nachdem er seinen kleinen Sohn schlafen gelegt hatte, war etwas nicht alltäglich: Seine Frau saß im Wohnzimmer und schien auf ihn zu warten. Das war sonst nie der Fall. Für gewöhnlich lernte Sasuke dort bis spät abends für seine Prüfungen, während Mine die Küche aufräumte, den Abwasch erledigte und sich danach schlafen legte.

„Ich habe eine Frage“, sagte Mine leise, während ihr Mann sich neben sie auf das Sofa setzte und sie bat, zu sprechen. „Mikoto hat erwähnt, das du sehr gut mit diesem Itachi befreundet bist. Wieso erzählst du dann nie von ihm, wo du dich doch so oft mit Naruto triffst oder ihn zum Essen einlädst?“

Innerlich seufzte Sasuke. Ihm war klar gewesen, dass diese Frage irgendwann auftauchen würde, wo er zu Itachi keinen Kontakt hielt und Naruto fast jede Woche einlud oder mit ihm wegging. Nur: was konnte er seiner Frau erzählen, ohne sie zu sehr zu verletzen? Denn wenn sie wüsste, dass ihr Mann schwul war, wäre sie verletzt. Würde ihn vielleicht von sich stoßen. Aber wenn er auswich, wie er es manchmal getan hatte, wäre sie enttäuscht, also musste er ehrlich sein. Sie waren Ehepartner, ihnen fiel schon eine Lösung ein.

„Itachi ist in der Armee“, erklärte Sasuke als erstes, wieso sie sich nicht trafen. „Und er ist wie ich noch in der Lehrzeit, nur eben nicht hier stationiert. Deswegen treffen wir uns nie.“

Mine nickte, erleichtert darüber, dass ihr Mann ihr nicht auswich, sondern offen und ehrlich antwortete. „Aber kommt er denn nicht nach Hause?“

„Nein. Seine Eltern sind tot und seine Ausbildung zu wichtig, als dass er zurückkehren würde für ein Wochenende. Ich glaube, er kommt heim, wenn er Urlaub hat“, antwortete Sasuke. Ob es so war, wusste er nicht. Woher denn auch?

„Mikoto hat auch etwas gesagt, das mich irritiert, weil sie danach nicht weiter darüber sprechen wollte“, begann Mine zögernd ihre nächste Frage. „Nämlich, das du und Itachi eine innige Beziehung hattet, nachdem du dich an ihn gewöhnt hast. Und, das er von Anfang an vernarrt in dich gewesen sein soll. Was meinte sie damit?“
 

Nun schwieg ihr Mann einige Zeit, denn er wusste nicht, was er antworten sollte.

Er konnte doch schlecht zugeben, das Itachi ihn von Anfang an geliebt hatte!

Aber etwas anderes blieb ihm wohl nicht übrig…

Egal, dachte er. Irgendwann wäre doch eh alles rausgekommen.

Das hatte er zwar nie gewollt, aber diese Versteckspielerei störte ihn doch selbst. Es kotzte ihn an, nicht zu wissen, wie es Itachi ging, und es kotzte ihn an, das er seiner Frau gegenüber nicht ehrlich gewesen war. Mine war seine Ehefrau, und beide wussten, dass sie im Grunde nie mehr als Freunde sein würden. Vielleicht würde sie ihn ja verstehen.
 

Mine glaubte mittlerweile nicht mehr daran, eine Antwort zu erhalten, als Sasuke doch noch zum Sprechen ansetzte. Das, was dann folgte, war zwar unerwartet, aber die reine Wahrheit, das sah sie ihrem Mann an.

„Itachi liebte mich, seit er mich gesehen hat. Nie hat er so für jemanden empfunden wie für mich, also hat er alles daran gesetzt, mich zu schützen“, erklärte der 23-jährige. „Vor sieben Jahren sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Kisame wollte mich verschwinden lassen, damit Vater sein Bordell nicht mehr überprüfte, und hat Itachi auf mich angesetzt. Der konnte mich nicht umbringen, also hat er dafür gesorgt, dass Kisame sich mit mir anfreundete.“

Die junge Mutter schwieg überrascht. Dass dieser Itachi, dieser ihr fremde Mann, ihren Mann liebte, damit hatte sie keine Sekunde lang gerechnet.

Sasuke deutete ihr Schweigen richtig. Er kannte sie schon lange genug. Hätte diese Wahrheit sie angewidert, hätte er es erkannt und nicht weitererzählt.

„Ich mochte Itachi nicht. Er war mir unheimlich, und er war aufdringlich. Aber meine Englischnote war wichtig und er hat mir Nachhilfe angeboten, also habe ich zugesagt. Und er konnte mir ja auch helfen. Irgendwann habe ich mich dann auch zu ihm hingezogen gefühlt und wir wurden ein Paar. Die Liebe kam von meiner Seite aus erst mit der Zeit, die wir gemeinsam verbrachten. Itachi hat alles für mich getan, und als ich angeschossen wurde und er im Gefängnis landete, bat er Kisame, auf mich zu achten. Er hatte gehofft, seinen Freund von dessen Plänen abbringen zu können. Kisame entführte mich, als die Gelegenheit günstig war, und als Itachi entlassen wurde, lebte ich bei ihm. Er hat es geschafft, mich besser zu schützen als einen Präsidenten, und ich durfte manchmal zu meinen Eltern. Als Vater ermordet wurde, sollte ich gerade offiziell gefunden werden.“ Sasuke lachte trocken auf. Ihm war übel, als er an die Beerdigung seines Vaters dachte.

Mine legte ihm zärtlich die Hand auf die Schulter. „Ich danke dir“, sagte sie ehrlich. „Ich danke dir, dass du mir das gesagt hast.“

Ihr Mann nickte. „Danach habe ich Itachi, als ich ihn einmal wiedergesehen habe, aus dem Haus geworfen. Als ich mich bei ihm entschuldigt habe, hat er mir erklärt, dass er sich bereits bei der Armee eingeschrieben habe. Ich habe nicht mehr mit ihm gesprochen und ihn nicht mehr gesehen, weil er meinte, ich solle mich auf meine Familie konzentrieren und wir könnten uns ohnehin nicht mehr sehen. Deshalb habe ich ihn nie wie Naruto eingeladen.“

Seine Frau nickte und lächelte leicht. „Aber vielleicht solltest du gerade das ändern. Du liebst ihn. Würde ich jemanden lieben, würdest du das auch wollen, oder?“, meinte sie.

Sasuke stimmte ihr zu. Hätte seine Frau einen Liebsten, würde er ihr die Beziehung erlauben. Er wüsste nicht, wieso er das verbieten sollte. Eine heimliche Beziehung würde sie dann führen müssen, wie er damals, damit sie dem Clan beide keine Schande bereiteten, aber davon abgesehen wäre es kein Problem.

Sie waren immerhin nur gute Freunde. Und damit hatten sie schon Glück, denn andere Vernunftehen, das wusste Sasuke durch seine Arbeit als Polizist, verliefen lange nicht so gut wir ihre. Sie konnten stolz auf sich sein, ein Kind vorzuweisen und sich gut miteinander zu verstehen. Gut genug, um ein Ehepaar zu sein.
 

„Es tut mir leid“, meinte er leise, als Mine sich in die Küche begeben wollte.

Irritiert sah sie ihren Mann an, der sie ebenfalls beobachtete. „Was tut dir leid?“

„Das ich es dir nicht gleich gesagt habe. Damals schon, als wir geheiratet haben.“

Seine Frau lächelte und winkte ab. „Ich kann es verstehen“, sagte sie lediglich und ließ ihren Mann nun alleine, um sich um die Küche zu kümmern.
 

Was Sasuke nicht wusste, war, dass Mine sich nun erst recht vornahm, selbst ihre Familie zu beschützen. Es war nicht so, dass sie eifersüchtig auf diesen Itachi war, nein. Sie wollte nur nicht, dass Sasuke noch jemanden verlor. Oder dass sie und Fugaku ihren Mann verloren.
 


 

Zwei Tage nach ihrer Unterhaltung klingelte es am frühen Mittag an der Haustür. Mine fütterte gerade Fugaku und wollte ihn danach für sein Mittagsschläfchen hinlegen. Sie konnte hören, wie ihre Schwiegermutter die Haustür öffnete und mit jemandem sprach. Sasuke war arbeiten, und so ging Mine an seiner statt als Gastgeberin in den Flur, von woher sie die Stimmen vernahm. Der Besucher musste der Stimme nach zu urteilen ein Mann sein. Wenig später konnte sie den ihr unbekannten, langhaarigen Mann sehen. Er trug die dunkelgrüne Uniform eines Soldaten und eine dazugehörige Mütze. Die junge Mutter kannte ihn nicht, aber sie ahnte, wer es war. Alleine schon die Vermutung, dass der Mann zur Armee ging, genügte für eine grobe Ahnung. Als er seine Straßenschuhe gegen die Gästepantoffeln getauscht hatte und sie wahrnahm, fühlte sie sich bestätigt, noch bevor er sich verbeugte und seinen Namen nannte.

„Guten Tag, Frau Uchiha. Ich bin Itachi Mizu“, so stellte er sich vor.

Mine erwiderte die Begrüßung und bat den Mann ins Wohnzimmer.

Während ihre Schwiegermutter den Mizu dorthin führte, kümmerte sie sich um Fugaku, der schon quengelte und seinen Brei nicht mehr wollte. So hob sie ihn aus seinem Hochstuhl und ließ ihn sein Bäuerchen machen, bevor sie mit dem Kind auf dem Arm das Wohnzimmer betrat.
 

Mikoto hatte dem Mann, den Sasuke liebte, etwas zu Trinken angeboten und plauderte mit ihm über belangloses. Der Mizu hatte seine Armee-Jacke und die Mütze ausgezogen. Darunter trug er ein schlichtes, schwarzes Shirt. Er wirkte ruhig, als fühlte er sich fast wie Zuhause und als wäre alles in Ordnung. Aber als Mine sich dazusetzte, änderte sich das schnell. Ernste Themen gab es genug zu besprechen. Alleine schon Sasuke bereitete ihnen allen Sorgen.

„Es tut mir leid, Sie einfach so zu überrollen“, entschuldigte sich der Mizu höflich. „Aber als ich gehört habe, das Kisame gesehen wurde, musste ich hierher kommen und mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“

Mine lächelte. „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Mein Mann wird sich sicher freuen, Sie zu sehen. Er hat Sie seit Ihrer Trennung sicher sehr vermisst.“

Irritiert wurde sie angesehen.

„Du weißt davon?“, fragte Mikoto unsicher.

Die junge Mutter nickte und koste ihr Kind. „Sasuke hat mir erzählt, dass er mit Ihnen zusammen war, Herr Mizu. Es macht mir nichts aus, falls das Ihre Sorge sein sollte.“

Sasukes Freund starrte sie aufrichtig überrascht an.

Damit hatte Itachi Mizu wohl nicht gerechnet.

die Jagd beginnt

>Ich rieche Dich, die Jagd beginnt,

Ich hör Dein Herz, die Jagd beginnt,

Ich stell Dir nach, die Jagd beginnt,

Die Hörner heulen auf, wenn die Jagd beginnt!<

Subway to Sally- die Jagd beginnt
 

Die Halle lag direkt am Hafen. Die Luft stank nach Fisch und Öl. Nach Schmutz und Ratten und Verwesung. Sie kam ungern hierher, aber es war wichtig. Sie musste das hier tun, auch wenn es wohl keiner verstehen würde.

Vor dem Eingangstor standen zwei Männer, die ihr das Tor so weit aufschoben, dass sie in den Bau aus Stahl hineinschlüpfen konnte, nachdem sie gesagt hatte, wen sie hier suchte. Entlang der Hallenwände standen schwere Holzkisten auf dem Boden aus demselben Pflasterstein wie draußen. Es war eine ganz normale Halle wie alle anderen hier am Hafen.
 

Die Frau sah sich auf der Suche nach anderen Menschen dort um. Doch schneller, als sie reagieren konnte, wurden mehrere Waffen auf sie gerichtet.

„Wer sind Sie?“, fragte ein riesiger, blauhaariger Mann im Anzug.

Die Bedrohte blickte ihn herablassend an. „Begrüßt man so seine Verhandlungspartner?“

Kisame, der die ihm unbekannte Frau interessiert musterte, grinste breit. Sie gefiel ihm. Sie schien keine Angst vor ihm zu haben.

„Sie scheinen zu wissen, wer ich bin“, stellte der Hoshigaki amüsiert fest.

Die Unbekannte nickte. „Ich habe genug von Ihnen gehört, um Sie zu erkennen, wenn Sie mir gegenüberstehen. Und ich biete Ihnen einen Handel an. Eine Art Tausch.“

„Und was könnten Sie haben, das mich interessiert?“
 


 

Er ging unauffällig auf die alte Lagerhalle zu, in der sich Kisame vermutlich aufhielt. In der er ihn finden würde, wenn er seinen Kollegen vertrauen konnte, was er tat. Er vertraute ihnen vollkommen.

Sasuke durfte zwar eigentlich nicht einmal in der Nähe sein, aber er konnte das doch nicht einfach so seinen Kollegen überlassen! Könnte er das, hätte er seinen Cousin und Vorgesetzten doch nicht belauscht, um an die Informationen zu kommen. Es war immerhin sein Vater, der durch die Hand Kisame Hoshigakis gestorben war! Er hatte das Recht, derjenige zu sein, der den Mörder stellte. Und nur, weil er große Räume fürchtete, hieß das noch lange nicht, dass er einfach so zusammenbrechen würde vor Angst. Manchmal übertrieb Shisui es wirklich!

Aber sein Cousin wusste ja glücklicherweise nicht, dass Sasuke das schwere, stählerne Tor aufschob, das den Eingang zur Halle bildete, in der sich der Polizistenmörder vermutlich versteckte.

Keiner wusste das.

Und das fand Sasuke sehr gut so.
 

Genauso, wie er es gelernt hatte, verschaffte sich das junge Clanoberhaupt einen Überblick über die Situation. Aber entgegen seiner Hoffnungen befand sich niemand im weitläufigen, dunklen Gebäude, das viel zu groß war, um Sasuke nicht daran zu erinnern, was damals passiert war. Um ihm Angst zu machen.

Der junge Polizist spürte seine aufsteigende Furcht -wie sie ihre Krallen nach ihm ausstreckte und ihn packte- und wollte gerade das Gebäude verlassen, als er die Kontrolle über seine Angst schon verlor. Seit dem Tod seines Vaters war dies das erste Mal, dass er eine derart riesige Lagerhalle betrat, die bis auf die an den Wänden entlang aufgereihten Kisten gänzlich leer war.
 

Diese Leere im düsteren Raum war zu viel für ihn. Er konnte sich nicht mehr bewegen, sein Körper bebte. Jeder Muskel seines Leibes war angespannt, und er schwitzte stark. Ihm kam es so vor, als rückten die Wände weiter auseinander, als senke sich die Hallendecke. Ihm wurde heiß und kalt und er erschauderte. Seine Angst krallte sich in sein Fleisch, in jede Faser seines Körpers, und vernichtete seinen Verstand. Er war zwar nicht mehr weit vom Ausgang entfernt, aber in seiner Wahrnehmung verzerrte sich diese kurze Strecke ins Unendliche. Die ihm nächste Ecke in der Halle wurde sein Ziel, obwohl sie doch eigentlich weiter von ihm entfernt war als der rettende Ausgang. Sasuke hastete zur Ecke, stürzte und kroch den letzten Meter. Bei den dort in einer Reihe an der Wand stehenden Kisten fühlte er sich wohler, weniger von Panik erfüllt, und so schaffte er es, eine davon vorzuziehen, bis eine Lücke entstand, durch die er sich quetschte.

Es war eng, eng und kalt und es roch nach dem Holz, aus dem die Kisten gefertigt waren, aber es war das Beste, was ihm im Moment helfen konnte. Zwar zitterte er weiterhin und konnte sich nun vor Erschöpfung gar nicht mehr rühren, aber er musste diese riesige, nahezu leere Halle nicht mehr ansehen. Das Wissen um seinen Aufenthaltsort genügte vollkommen, um seine Angst dazu zu bringen, dass er sich nicht mehr rühren konnte. Die Erinnerung an die Elektroschocks und die Krämpfe waren so lebendig, als sei er gerade erst im Krankenhaus aufgewacht und glaube noch, sein Vater sei nicht gestorben.
 


 

Itachi musste zugeben, dass er ein wenig neugierig war. Soeben hatte Shisui ihn zu sich ins Büro bestellt, nur wusste er noch nicht, wieso. Doch der Polizist blickte ihn vorerst nur ruhig an, statt ihm den Grund für sein Herkommen zu erklären.

„Wieso wolltest du mich sprechen?“, fragte der Mizu, als er diese Warterei leid war. „Ist was mit Sasuke?“

Der Uchiha schüttelte nur den Kopf. „Nein, Sasuke geht’s gut. Ich wollte dir nur sagen, dass wir den Beschluss soeben erhalten haben. Ich will dich dabei haben, wenn wir gleich die Halle durchsuchen.“

Itachi nickte lediglich. Er war ohnehin davon ausgegangen, dabei zu sein.
 


 

Die Pistole, die ihm einst am Anfang seiner Karriere als Auftragsmörder von seinem Onkel geschenkt worden war und die er nur zum Töten genutzt hatte, fühlte sich nicht so ungewohnt in seinen Händen an, wie er befürchtet hatte. In seiner Soldaten-Ausbildung hatte er vermehrt mit Gewehren geübt und sich an diese Waffen gewöhnt. Nun wieder seine eigene Pistole zu nutzen, mit der er gemordet hatte und die er seinem Onkel während seiner Abwesenheit anvertraut hatte, war etwas anderes.

Doch hierfür hatte er das Gewehr gegen die Pistole getauscht. Er wollte Kisame mit dieser Waffe verletzen, sollte der sich der Festnahme entziehen wollen. Der Hoshigaki sollte leiden, leiden wie die Familie Uchiha und wie Itachi. Zuerst würde der Mizu ihm die rechte Hand zerschießen, dann ein Bein. Genau so stellte er es sich vor. Sicher, sein Vorhaben war irgendwie krank und Kisame könnte sich erneut an Itachi rächen wollen, aber das kümmerte den Mizu nicht. Er würde seinen ehemals besten Freund festnehmen und ins Gefängnis bringen, egal, wie. Und so wollte Itachi seine Vergangenheit endgültig abschließen- das Kapitel des Auftragsmörders.

Shisui Uchiha, der diesen Einsatz leitete, winkte Itachi zu sich. Gemeinsam besprachen sie, wie sie vorgehen würden, denn dem Mizu war die Leitung über die Militäreinheit anvertraut worden, da er ein hervorragender Soldat war und nach diesem Auftrag zum Leutnant befördert werden sollte.

„Du und deine Soldaten sichern alle Eingänge, Itachi. Wir gehen dann mit dir hinein. Falls Kisame dort sein sollte, brauchen wir dich da drinnen. Deine Leute werden die Halle weiterhin von Außen sichern. Oder brauchen sie dabei Hilfe?“

Itachi schnaubte. „Es sind 13 Soldaten. Sie sind mindestens genauso gut ausgebildet wie deine Polizisten. Sag mir lieber, wo Sasuke ist. Du schickst ihn doch nicht mit hinein, oder?“

Der Uchiha schüttelte den Kopf. „Nein, ich will ihn nicht dabei haben. Er kann das nicht. Ich habe ihm meinen Bürokram aufgebrummt, damit ist er den ganzen Tag beschäftigt“, antwortete er mit einem leicht diabolisch anmutenden Grinsen auf den Lippen, das Itachi lächeln ließ.

Es erleichterte ihn ungemein, Sasuke in Sicherheit zu wissen, auch wenn der deshalb stinksauer auf Shisui und vielleicht sogar auf Itachi wurde. Er war so leicht reizbar! Es war wirklich gut, ihn nicht dabei zu haben. Würden sie wirklich Kisame finden, wäre Sasuke der erste, der auf den Blauhaarigen losgehen würde. Und dabei würde er nicht auf seine Sicherheit achten.
 


 

Obwohl Itachi in seiner Ausbildung gelernt hatte, wie man ein Gebäude stürmte und sicherte, wurde er nun nervös. Diese Aktion hier war Ernstfall, keine Probe. Keine Übung. Der allererste Ernstfall. Ein einziger, winziger Fehler, und alles wäre umsonst. Das war eine Tatsache, die dem sonst so gelassenen Mizu eine leichte Übelkeit einbrachte.

Kisame musste dort sein. Und Itachi hatte ihn aufzuspüren und zu fassen, bevor der Hoshigaki jemandem schaden konnte.

Jemandem wie Sasuke.
 

Shisui gab allen das Zeichen, nun hineinzugehen. Mit einem „Ihr wisst, was zu tun ist“, verabschiedete sich der Mizu von dem Soldaten, der ihm am nächsten stand.

Der nickte, und so ging Itachi zu den Polizisten und richtete den Lauf seiner Waffe auf das große Tor. Am Rande bemerkte er das Zittern seiner Hände. Den Schweiß, der seinen Körper kühlte. Aber er blendete es aus, denn es war unwichtig. Er musste Kisame finden und festnehmen, und wenn er etwas Glück hatte, würde er das in wenigen Minuten auch tun können.
 

Im nächsten Moment schoben zwei der Polizisten das schwere Hallentor auf, das bereits einen breiten Spalt breit offen gestanden hatte. Mit entsicherten Waffen stürmten die Polizisten vor Itachi in die graue Düsternis der riesigen Halle. Der Mizu folgte ihnen.

Sie gaben sich Mühe, sofort alles an ihrer Umgebung zu erfassen, aber das gelang ihnen erst, als die Halle durch das aufflackernde Licht der riesigen Neonlampen an der Decke erhellt wurde.
 

Frustriert fluchte Itachi, als er endlich die Halle betrachten konnte.

Bis auf die Kisten an den Wänden war sie leer.
 


 

Der Blauhaarige grinste breit, als er Itachi sah. Als er beobachtete, wie Polizei und Armee die Halle stürmten, in der sich der Hoshigaki bis zu diesem Morgen aufgehalten hatte. Wäre diese Frau nicht aufgetaucht, deren Namen er nicht einmal kannte, wäre er festgenommen worden. Dann säße er spätestens am nächsten Morgen für den Rest seines Lebens im Gefängnis.

„Danke für die Warnung“, sagte er und wandte sich der Unbekannten zu. „Aber woher wussten Sie, dass die Polizei meinen Aufenthaltsort kannte?“

Die Frau musterte ihn kurz. „Ich habe meine Kontakte“, antwortete sie knapp.

Neugierde machte sich im Hünen breit. Er fragte nach dem Namen dieser schönen, schweigsamen Frau. Wollte wissen, was sie für ihre Hilfe verlangte. Denn dass sie etwas verlangen würde, stand außer Frage.

„Ich heiße Dareshimo. Und ich will, dass Sie etwas Bestimmtes nicht tun.“
 


 

Enttäuscht blickte der Mizu die Kistenreihen entlang. An jeder Wand stand eine Reihe Kisten, dicht an dicht. Keine davon war gestapelt. Keine ragte in den sonst leeren Raum hinaus.
 

Der Einsatz war umsonst gewesen. Zwar sahen einige der Polizisten sich die Kisten näher an, aber Itachi ahnte, dass sie dort nichts finden würden.

Doch als sich der Soldat umdrehte und Anstalten machte, das Lager zu verlassen, stach ihm etwas ins Auge. Eine der Kisten.
 

Sie war vorgezogen worden, sodass ein schmaler Spalt zwischen dieser und der nächsten Kiste entstanden war.

Zügig schritt er darauf zu und quetschte sich durch den Spalt, hoffend, dort wenigstens einen Hinweis auf Kisames Aufenthaltsort zu finden.
 

Zwischen Stahlwand und der Kiste befand sich ein kleiner Spalt. Nicht größer als der Spalt, durch den Itachi dorthin gekommen war. Und in diesem Spalt saß, gegen eine andere Kiste gepresst, eine zitternde Gestalt.

Es war nicht Kisame, was Itachi enttäuschte.

Aber vielleicht, sagte sich der Mizu. kann der Mann mir ja Informationen geben.

Dass es sich bei dem zusammengekrümmten Häufchen Elend um einen Mann handelte, erkannte er an den breiten, kräftigen Schultern. Doch wer der Unbekannte war, das konnte er nicht sagen. Der Mann schien sich regelrecht im Schatten der sie umgebenden Kisten verkriechen zu wollen. Zu Kisames Bekannten gehörte er aber sicher nicht, denn der Hoshigaki würde auf seiner Flucht niemanden lebend zurücklassen.

So überwand Itachi die winzige Distanz und sprach den Menschen an. Kniete sich vor den Unbekannten, um ihm in die Augen sehen zu können. Wandte sich vor einem Blick ins Gesicht des Fremden kurz von diesem ab, um nach Shisui zu rufen, und gab diesem Bescheid, eventuell einen Zeugen gefunden zu haben.

„Hey. Ich bin Itachi Mizu. Sind Sie verletzt?“, sprach er dann den zusammengekauerten Mann an.

Doch im nächsten Moment wich er erschrocken ein Stück zurück, als die Gestalt ihn panisch aus tiefschwarzen Augen ansah und sich mit einem Mal auf ihn stürzte.

Konfrontation

>Wir waren mal groß, hatten jede Menge Pläne.

Ich weiß nicht, warum, plötzlich war es rum,

und wir zeigten uns nur noch die Zähne.

Es ist das alte Spiel, aus Lust wird Frust

und Eifersucht macht eh alles kaputt.

Statt drüber zu reden, was einen frustriert,

sagt man nur das Falsche und wird ausradiert!<

Megaherz- alles nur Lüge
 

Während Soldaten und Polizisten gemeinsam die schwere Kiste beiseite schafften, wiegte Itachi Sasuke im Arm. Er hatte sich auf den kalten Pflastersteinboden gesetzt und den 23-jährigen auf seinen Schoß gezogen, da er ihn nur schwer tragen konnte und sich der Uchiha nicht von ihm lösen wollte.

Der junge Vater kam ihm kühl vor und alles andere als gesund. Das fand auch Shisui, der sofort bei ihnen war, kaum, dass die sie umgebenden Kisten weit genug auseinander standen. Der Polizist hatte die Rettungsaktion beaufsichtigt, bis er einen Blick auf seinen Cousin geworfen hatte. Itachi selbst hatte Sasuke erst erkannt, als der leise seinen Namen geflüstert hatte. Als er dessen Haut auf seiner gespürt hatte. Nie hätte er dieses bemitleidenswerte Geschöpf für seinen Exfreund gehalten.

Aber es war sein Exfreund.
 

Sasuke ließ sich erst von Itachi lösen, nachdem es den benachrichtigten Sanitätern gelungen war, ihm ein starkes Beruhigungsmittel zu injizieren.

„Psychischer Schock“, das war die Diagnose, die einer der Männer bekannt gab. „Er muss regelrecht von seiner Panik eingenommen worden sein. Wissen Sie, was ihn hier geängstigt haben könnte?“

Der Mizu wusste er nicht. Er hatte Sasuke so lange nicht mehr gesehen, dass er nicht glauben konnte, dass das zitternde, leichenblasse Häufchen Elend sein Exfreund sein sollte. Sasuke war so nicht. Er war nicht ängstlich. Er verkroch sich nicht hinter schweren Kisten und rührte sich dann nicht mehr. Er stürzte sich nicht auf seinen Exfreund, nur weil der es war, der ihn fand und dem er vertraute. Sasuke war stark. Er war mutig. Dieser verkrampfte Mann auf der Krankentrage, der hatte eigentlich gar nichts mehr mit dem Uchiha zu tun.

Shisui war es, der antwortete. „Er hat Angst vor großen Räumen. Es war wahrscheinlich die Halle selbst, die ihm diese Angst gemacht hat.“

Der andere Sanitäter nickte. „Das ist möglich. Wieso haben Sie ihn überhaupt bei dem Einsatz dabei gehabt, wenn Sie das wissen? Wir können nicht einmal ausschließen, ob er nicht vielleicht körperliche Schäden davongetragen hat.“

„Er war nicht dabei“, kam es monoton von Itachi. „Er war nicht dabei, er sollte doch ganz woanders sein.“

Die Männer warfen sich einen kurzen Blick zu und nickten verständnisvoll, bevor sie sich von Shisui, der sich nicht so einfach verdrücken konnte, verabschiedeten, um mit Itachi und Sasuke ins Krankenhaus zu fahren.
 


 

Sein Arm schmerzte.

Eigentlich schmerzte alles an ihm.

Er fühlte sich, als wäre er schlimm verprügelt worden. Sein Körper schien nur aus dumpfem Schmerz zu bestehen. Nur aus Ziehen, wenn er einen Muskel anspannte. Als sei sein Körper ein reiner Muskelkater. Was war überhaupt passiert? Und wo war er?
 

Es roch nämlich anders. Sasuke erkannte diesen Geruch nicht, aber er mochte es nicht. Er war nicht zuhause, da roch es anders. Da roch es nach Zuhause. Er konnte es nicht beschreiben. Aber noch etwas war seltsam: Jemand hielt seine Hand. Das konnte er deutlich spüren.

Mine würde seine Hand nicht halten, höchstens, wenn er im Sterben lag. Sie hatte nie seine Hand gehalten, außer, wenn sie das perfekte, sich liebende Ehepaar spielen sollten. Das hatten sie getan, als sie geheiratet hatten. Da hatte Mine seine Hand gesucht, um die Zeremonie zu verkraften, obwohl –oder gerade weil- die beiden sich damals kaum gekannt hatten. Und, als Fugaku geboren wurde. Ihr Sohn. Mine hatte Sasukes Hand vor Schmerz regelrecht gequetscht, aber er hatte sich nicht beklagt. Er hatte gesehen, wie sehr sie gelitten hatte, und ihr beistehen wollen. Da waren sie schon Freunde gewesen. Also war es nicht Mine, die seine Hand hielt. Auch nicht Mikoto. Die Hand fühlte sich zu groß und kräftig an, um einer Frau zu gehören. Shisui würde Sasuke auch nicht die Hand halten. Höchstens die Schulter. Das hatte er damals im Rettungswagen gemacht, als Sasuke zu sich gekommen war nach seiner dummen Aktion bei der Geiselnahme. Sein Vater war tot. Sein Großvater war noch nie der fürsorgliche Typ gewesen.
 

Eigentlich gab es nur einen Mann, der seine Hand halten würde, aber der war fort. Weit fort.

Wer hielt dann seine Hand?
 

Schwerfällig öffnete Sasuke die bleischweren Lider. Es war blendend hell um ihn herum, und er brauchte eine Weile, um etwas zu erkennen.

Als erstes nahm er die Zimmerdecke wahr. Sie war weiß gestrichen. Die Wand war beige. Er konnte das erkennen, als er seinen Blick in Richtung seiner Hand senkte. In Richtung der Hand, die jemand hielt. Der junge Vater hatte Schwierigkeiten, den Blick zu heben, aber er schaffte es.
 

Schwarze Augen blickten ihn besorgt an. Bekannte schwarze Augen. Schwarzes, langes Haar war zum Zopf zusammengebunden. Sasuke erkannte ihn sofort, auch, wenn er es kaum glauben konnte.
 

„Wie geht’s dir?“, fragte Itachi ihn ruhig. Dabei ließ er seine Hand nicht los, als wäre es ihm egal, ob jemand das Krankenzimmer betreten und sie so sehen könnte. Sasuke würde wahrscheinlich sofort diese zwar schöne, aber riskante Geste beenden, doch er konnte es nicht. War zu erschöpft. Ausgebrannt.

So senkte er lediglich den Blick zurück auf die Decke. „Was ist passiert“, wollte er wissen. Wusste nicht so recht, was er sagen, was er tun sollte.
 

Drei lange Jahre hatte er diesen Mann, den er liebte, nicht gesehen. Er war nun Familienvater und Clanoberhaupt. Aber er liebte Itachi. Alles kam ihm so unheimlich schwer vor. Wie sollte er mit dem Mizu eine Beziehung führen können? Oder hatte der jemand anderen kennen gelernt? Jemanden, den er mehr liebte als Sasuke? Aber würde er dann seine Hand halten?
 

Wahrscheinlich nicht.

Itachi betrog niemanden, den er liebte. Generell betrog er niemanden, glaubte Sasuke. Er hatte davon zumindest nie etwas mitbekommen. Es würde auch nicht zum Mizu passen.
 

„Du hattest einen Anfall“, antwortete der Ältere ruhig. „Einen Panikanfall. Ich habe dich hinter einer vorgezogenen Kiste gefunden, nachdem wir die Halle gestürmt hatten.“

Verwirrt blickte Sasuke seinen Exfreund an. „Ihr habt eine Halle gestürmt? Wieso war ich da?“

Stirnrunzelnd wurde das junge Clanoberhaupt gemustert, bevor Itachi den Kopf schüttelte. „Ich rufe besser einen Pfleger oder Arzt. Du musst untersucht werden-...“

„Nein! Sag mir, was passiert ist! Ist meiner Familie was passiert?“, unterbrach der Uchiha ihn grob und sah ihn flehend an. Er musste wissen, ob seine Familie okay war! Itachi musste es ihm sagen! Vielleicht wusste der Mizu ja, was passiert war. Sasuke selbst konnte sich nicht mehr erinnern. Aber Itachi war hier, saß an seinem Krankenbett, also musste er etwas wissen! Ob seiner Familie etwas zugestoßen war?

Ihm wurde übel von der Vorstellung, auch noch Mutter, Frau und Sohn verloren zu haben. Leise stöhnte er auf, als sich vor seinen Augen alles zu drehen begann. Er fühlte sich, als würde sein Körper durch leeren Raum schweben, obwohl er doch in einem Krankenbett lag. Es kam Sasuke so vor, als wäre es auf einen Schlag eiskalt um ihn herum. Sein ganzer Körper erschauderte und der 23-jährige wurde noch blasser, als er ohnehin schon war.

Itachi bemerkte das sofort und beugte sich über den Jüngeren. Besorgt strich er über das nahezu fahl werdende Gesicht seines Exfreundes, der ihn panisch ansah. Der Angst um seine kleine Familie hatte, was der Mizu gut verstehen konnte. Kisame hatte immerhin Sasukes Vater umgebracht.
 

Dennoch blieb der ältere der Beiden ruhig. Würde er das nicht tun, bekäme Sasuke noch mehr Angst. Itachi kannte ihn, also konnte er entsprechend reagieren. So legte er dem Jüngeren die Hand auf die Schulter und küsste dessen Stirn, bevor er ihm tief in die Augen blickte.

„Sasuke“, sagte er deutlich. „Keiner hat deine Familie entführt oder ihr etwas getan. Mikoto sitzt mit Mine und Fugaku im Wartebereich. Sie machen sich zwar Sorgen um dich, aber es geht ihnen gut. Verstehst du das?“

Der blasse Mann schluckte schwer, nickte nach einer Weile. Er wusste, dass Itachi ihn nie anlügen würde. Also war alles in Ordnung. Seiner Familie ging es gut. Und langsam, ganz langsam beruhigte er sich wieder.

Itachi lächelte, als er das bemerkte, und löste sich schweren Herzens von seinem Exfreund. Zu gerne hätte er ihn länger berührt. Sie hatten sich lange nicht gesehen, der Mizu genoss daher jedes bisschen Nähe, das Sasuke zuließ. Der Jüngere war allerdings verheiratet. Hätte Itachi ihn richtig geküsst, hätte Sasuke sich vielleicht gewehrt. Aber Itachi wollte ihm nicht wehtun. Ihm nicht zu nahe treten.
 

„Geht es wieder?“, fragte er deshalb lediglich und blieb am Bett stehen.

Der Uchiha nickte und wirkte unglaublich erschöpft. Die ganze Zeit schon machte er auf Itachi diesen schwachen Eindruck. Es bereitete ihm Sorgen. Sasuke war nicht schwach. Er war immer stark gewesen. Stur und stark. Doch nun war davon nichts zu sehen. Selbst seine Stimme klang kraftlos, als er fragte, was passiert war. Ob Itachi etwas wisse.

Sasuke hoffte so sehr auf Antworten. In seinem Kopf herrschte Chaos. Das war manchmal so, wenn er in großen Räumen war. Aber so schlimm… So schlimm war es noch nie gewesen. Es beunruhigte ihn, aber er wusste ja auch nicht, wie groß die Halle gewesen war, die Itachi erwähnt hatte.

Der andere schüttelte den Kopf. „Kisame sollte sich in der Halle aufhalten. Du bist ohne Erlaubnis da reingegangen. Alleine“, begann er, zu erklären, was er wusste. „Wir haben dich da gefunden. Du hast dich hinter Kisten verkrochen und warst ganz aufgelöst. Wir haben einen Krankenwagen gerufen. Sie mussten dich betäuben, damit sie dir helfen konnten.“
 

Sasuke blickte schweigend zur Seite.

Schämte sich.
 

Er hätte es doch besser wissen müssen.
 

„Ich frage dich nicht, wieso du nach ihm gesucht hast. Ich weiß es eh schon. Aber ich verlange von dir, dass du dich zusammenreißt. Du bist Vater, Sasuke. Was wäre aus Mine und deinem Sohn geworden, wenn Kisame dort gewesen wäre? Du hättest keine Chance gegen ihn gehabt. Soll Shisui den Vater spielen? Den lieben Onkel, der wie ein Vater für Fugaku ist, weil du dich hast töten lassen? Soll er Mine heiraten? Oder soll ich bei ihnen nach dem Rechten sehen, obwohl ich Soldat bin und sie nie gesehen habe? Weil ich dich liebe und du mir vertraust?“ Itachis Stimme strotzte nur so vor Vorwürfen. Sasuke hasste es. Er hasste diese Worte.
 

„Halt die Klappe! Ich bin sein Vater, und er wird mich nicht verlieren!“, fauchte Sasuke, mit einem Mal nicht mehr so müde wie noch vor wenigen Sekunden. Die Vorstellung, seinen Sohn alleine zu lassen… Das konnte er nicht. Das ertrug er nicht. Fugaku würde ihn dafür hassen. Es nicht verstehen. Außerdem wollte der junge Vater seinen Sohn aufwachsen sehen. Deshalb hatte er Itachis Worte, die ihm wehtaten, nicht mehr ertragen können. Sie hatten ihn unheimlich wütend gemacht.

Keiner außer ihm war der Vater des Kleinen!

Itachi schnaubte. „Und wieso bist du dann so verdammt leichtsinnig?“

Schwerfällig setzte sich Sasuke auf. „Ich bin nicht leichtsinnig! Du müsstest mich besser kennen!“, zischte er unter Schmerzen, die durch jeden verdammten Muskel in seinem Körper jagten.

„Deshalb weiß ich, wie kopflos du manchmal handelst, Sasuke. Denk nur mal an deinen Ausflug damals in den Park. Ich habe dir das nicht erlaubt und du wolltest nicht hören. Nur wegen einem dummen Fußballspiel!“, entgegnete der Ältere scharf. Gnadenlos.

Er wollte, dass Sasuke endlich verstand. Dass er nachdachte, bevor er handelte. Alles andere würde ihn nur sehr bald ins Grab bringen.
 

Doch Sasuke wollte das nicht. Wollte diese Vorwürfe nicht hören, die zutrafen. Hatte Angst vor der Vorstellung, seinen Sohn wegen seiner Dummheit alleine zurückzulassen, auch wenn er darüber bisher nie nachgedacht hatte. Ihm wurde sein Leichtsinn jetzt erst richtig bewusst, was Itachis Vorwürfe noch unerträglicher machte.

„Hau ab!“, brüllte er. „Hau doch ab! Du hast mir nicht ein einziges Mal irgendwas erklärt! Hättest du mir von deiner Vermutung erzählt, dass Kisame hinter allem steckt, hätte ich aufgepasst!“

„Ich wollte dich beschützen, kapiert? Ich wollte erst sichergehen, dass ich dich nicht ohne Grund beunruhige! Damit, dass du einfach so abhaust, hat keiner gerechnet, immerhin hast du gewusst, dass wir uns alle Sorgen gemacht haben!“, zischte Itachi, beugte sich über den Jüngeren und packte Sasukes Kinn, zog es unsanft zu sich, bis sich ihre Gesichter fast trafen. Sein Exfreund blickte ihn aus derart vor Wut sprühenden Augen an, das er ihn unwillkürlich losließ. Dieser Hass, hatte Itachi ihn denn verdient? Immerzu hatte er sich gekümmert…

„Du bist so undankbar und leichtgläubig. Damit Fugaku seinen Vater behält, müsste man dich anketten, bis Kisame gefasst ist“, meinte er kalt, wandte sich von dem Uchiha ab und verließ eilig das Krankenzimmer, bevor er noch durchdrehte. Bevor er Sasuke schlug, was er nie getan hatte und nie tun wollte. Immerhin liebte er ihn. Er liebte ihn so sehr, dass es ihm wehtat, wie blind der andere war.
 

Mikoto und Sasukes Frau standen neben Shisui vor dem Krankenzimmer, als Itachi den Raum verließ. Sein Blick streifte das Baby in den Armen der jungen Mutter. Der Kleine sah seinem Vater so ähnlich! Sicher hatte Sasuke genauso ausgesehen in dem Alter. Der Mizu wusste es nicht mehr. Es war so lange her, dass Sasuke ihm sein Fotoalbum gezeigt hatte. So verdammt lange her.
 

Der Mizu schüttelte den Kopf. Er wollte nicht mehr daran denken, wie lange er schon nicht mehr mit Sasuke gesprochen hatte. Ihn nicht mehr gesehen hatte. Der Streit, den sie nun hatten, der tat ihm selbst weh. Genauso, wie seine Worte Sasuke bestimmt verletzt hatten.
 

So hatte er sich ihr Wiedersehen nach drei langen Jahren wirklich nicht vorgestellt.

Geheimnisse

>Alles bleibt in Dir besteh´n,

alles wird mit Dir vergeh´n.

Wenn Du wirklich willst,

dann wirst Du in Dich gehen-

und Du wirst tausend neue Lügen sehn!<

OOMPH!- Tausend neue Lügen
 

Schweigend saß Sasuke auf dem Sofa im Wohnzimmer und hielt den kleinen Fugaku in den Armen. Das Baby schlummerte friedlich und klammerte sich an den Fingern seines Vaters fest, der es liebevoll ansah. Der schwarzhaarige mochte sich gar nicht vorstellen, was nun wäre, hätte er Kisame gefunden. Zwar konnte er sich nicht einmal daran erinnern, zu der Halle gegangen zu sein, aber das war für ihn nicht das Schlimmste. Dass Itachi mit jedem Vorwurf so verflucht richtig gelegen hatte, das war es. Denn Sasuke kannte sich doch selbst- einfach unüberlegt und alleine nach Kisame zu suchen, das passte hervorragend zu ihm. Aber er wusste auch, dass er sowas wieder tun könnte. Würde. Der Wunsch, Kisame zu stellen, war riesig. Und das schien auch Mine zu ahnen, denn Shisui wäre von alleine sicher nicht auf die Idee gekommen, einen Streifenwagen vor dem Haus der kleinen Familie zu postieren. Den hatte Sasuke bemerkt, als er vor wenigen Stunden aus dem Krankenhaus entlassen worden war.
 

Als es an der Tür klingelte, regte sich der Familienvater nicht. Er wusste, dass es nicht Itachi war, der vor der Tür stand, und sonst wollte er niemanden sehen, so komisch das auch klang. Er wollte seinem Exfreund beweisen, dass er ein guter Vater war, trotz seiner Probleme. Seiner stürmischen Art.

Das ist seltsam, dachte Sasuke. Als Vater sollte ich doch vorsichtiger sein. Das ist meine Pflicht.

Aber er schaffte es nicht.
 

„Hey“, riss ihn eine bekannte Stimme aus den Gedanken. Im nächsten Moment ließ sich ein blonder, junger Mann neben ihm auf das Sofa fallen. Sasuke war froh, dass Fugaku weiterschlief, als wäre nichts, und drückte das Baby ein wenig an sich, obwohl er wusste, dass alles okay war.

„Was machst du hier?“, fragte er seinen Gast ruhig. Er wusste, dass der ihm diese Ablehnung nicht nachtragen würde, auch wenn er den Grund dafür nicht verstand.

Vielleicht lag es ja an ihrer jahrelangen Freundschaft. An ihrer vor-Sandkasten-Freundschaft. Er kannte Naruto schon, seit er zurückdenken konnte.

Der grinste und stieß ihn grob an, obwohl Sasuke sein Kind in den Armen hielt. „Bist du auf den Kopf gefallen? Heute ist Freitag. Da kommen wir doch immer zu euch.“

Sasuke nickte. Sie trafen sich wirklich fast jeden Freitag. Vielleicht wusste Naruto ja auch gar nichts von seiner Dummheit. Aber seine Aktion verheimlichen wollte der Uchiha auch nicht. Der Uzumaki, mittlerweile Politik-Student, war sein bester Freund. Er hatte mit ihm Fußball gespielt, wie Fugaku es irgendwann mal mit Narutos Kind tun würde- falls der Hinata endlich fragen würde, ob sie ihn heiraten wollte-, er hatte ihm geholfen, den Tod seines Vaters und die Trennung von Itachi zu verkraften. Und er hatte bei Sasukes Hochzeit ganz vorne gestanden, obwohl er Vernunftehen nicht ausstehen konnte.

Und irgendwie wollte Sasuke auch mit ihm reden.
 

„Ich hab Scheiße gebaut“, murmelte er, als sein Sohn laut jammernd aufwachte. Naruto, dieser Trottel, hatte ihn mit dem Stoß geweckt. Töstend wiegte der junge Vater das Baby, bis es leiser wurde, und spielte dann mit den winzigen Fingerchen und küsste den Kleinen am Bauch, was diesen zum unverständlichen Brabbeln brachte.

Naruto sah ihm dabei zu. Grinste weiter. „Was für Scheiße?“, wollte er nach einer Weile wissen.

Der Uchiha seufzte. „Ich hab Kisame gesucht“, gestand er. „Und einen Panikanfall gehabt. Itachi hat mich gefunden. Er war auch bei mir, als ich im Krankenhaus aufgewacht bin.“

„Das war ziemlich verantwortungslos von dir“, fand der Blondschopf.

„Das hat Itachi auch gesagt.“

Der Uzumaki nickte. „Hab ich mir schon gedacht. Und was hat er noch gesagt? Seit wann ist er überhaupt zurück?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete Sasuke ehrlich. „Shisui meint, vielleicht ein paar Tage. Itachi kommandiert die Soldaten, die uns bei der Suche helfen sollen.“

„Echt jetzt? Der Dracula-Verschnitt?“, kam es überrascht vom blonden.

Sasuke nickte lediglich. Das Naruto Itachi immer noch als Dracula-Verschnitt bezeichnete, gefiel ihm nicht. Daran änderte auch der Streit mit dem Mizu nichts.

„Aber der Kerl hat dir doch sicher nicht nur gesagt, dass du verantwortungslos gehandelt hast, oder?“, fragte Naruto forschend. Er wusste von Sasuke, dass Itachi ihm manchmal ziemlich fiese Standpauken gehalten hatte.

Der andere brummte. „Natürlich nicht. Er hat gefragt, ob ich Fugaku zum Halbwaisen machen will. Wir haben uns gestritten und ich habe ihn aus dem Zimmer geschmissen.“

Naruto lachte auf. „Das hätte ich zu gerne gesehen!“

„Besser nicht“, murrte das junge Clanoberhaupt über das Gebrabbel seines Kindes hinweg. „Ich hätte das nicht so sagen sollen. Er hatte ja recht.“

„Aber er hat es doch sicher übertrieben, oder? Du hättest ihn nie einfach so ohne Grund rausgeschmissen.“

Sasuke schnaubte und kitzelte seinen Sohn am Bauch. „Ich konnte das nicht mehr hören. Die Wahrheit. Es hat wehgetan, dass er mir die Wahrheit an den Kopf geknallt hat“, murmelte er.

Sein Sohn quietschte fröhlich, was ihm ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte.
 

Mine war froh über Narutos und Hinatas Besuch, und das nicht nur, weil sie sich gut mit den beiden verstand. Sasuke wurde so abgelenkt. Er war sehr still seit seiner Lagerhallenaktion, und die junge Mutter hatte ihn im Krankenhaus brüllen gehört, bevor Itachi gegangen war. Mine hatte ihren Mann bisher nie schreien gehört. Die Uchiha machte sich Sorgen um ihn, da sie nur sehr wenig über dessen Beziehung zum Mizu wusste. Als Liebespaar stritt man sich ja manchmal. Dennoch: ihr Mann verhielt sich ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Er hatte Fugaku kaum loslassen wollen, als Mine ihn besucht hatte, und war so vorsichtig gewesen, als könnte ihr Baby beim kleinsten Fehler zerbrechen. Ob das nur an dem Streit lag? Was hatte der Soldat ihrem Mann nur an den Kopf geworfen? Sasuke war dem Polizistenmörder, den er suchte, immerhin nicht begegnet. Er hatte Glück gehabt. Ob das der Grund für Sasukes Schweigen war?

Innerlich schüttelte die junge Mutter den Kopf und versuchte, sich auf ihre Unterhaltung mit Hinata zu konzentrieren. Ihre Vermutungen würden sie nicht weiterbringen. Sie musste etwas tun, was längst überfällig war. So verließ sie die Küche mit der Begründung, Fugaku schlafen zu legen, und ging in den Wohnraum, wo Naruto und Sasuke schweigend beisammensaßen. Ihr Baby gähnte, als Sasuke aufblickte.

„Ich bringe Fugaku jetzt ins Bett“, lächelte Mine. So aufgewühlt, wie Sasuke war, fiel ihm nichts auf. Er stellte keine Fragen darüber, wieso sie gerade so unbesorgt wirkte, sondern nickte lediglich und küsste seinen Sohn, bevor er seiner Frau das gemeinsame Kind reichte. Mine brachte den Kleinen oft zu Bett, wenn sie Besuch hatten. Sasukes Pflicht war es als Clanoberhaupt, bei den Gästen zu bleiben.
 

Es kam der jungen Mutter an diesem Tag sehr gelegen. Sie musste dringend telefonieren, und das wollte sie tun, bevor sie ihr Baby in die Wiege legte und das Babyfon einschaltete. Sie hoffte, dass ihr Mann so nichts mitbekam von dem, was sie tat. Das, was sie Shisui zu sagen hatte, könnte ihre Ehe ziemlich erschweren, sollte er auch nur Bruchteile des Gesprächs mitbekommen.

Mine brachte den kleinen Fugaku in dessen Kinderzimmer und legte ihn auf den Wickeltisch. Das Baby quengelte zwar, aber das war völlig normal und würde niemanden in diesem Haus stutzig machen. Nicht einmal Mikoto, die sich an diesem Abend ohnehin mit ihren Freundinnen traf, die sie von der Trauer um den toten Mann und der Sorge um die Familie ihres manchmal recht leichtsinnigen Sohnes ablenken wollten.

Fugaku jammerte immer, wenn er müde war, und so kitzelte Mine ihr Baby zärtlich und machte ihn fertig für das Bettchen, wickelte ihn frisch und gab ihm den Schnuller. Dann summte sie leise und schlich in den Flur, um das kabellose Telefon zu holen, das auf einem Tisch nahe dem Kinderzimmer lag. Das Baby döste in ihren Armen, während sie Shisuis Nummer wählte. Sie legte Fugaku nicht in sein Bettchen, weil sie ihn noch ein bisschen so halten wollte. Sie mochte es, ihr Kind, ihr Ein und Alles, in den Armen zu halten.
 

Mit einem erschöpft klingenden „Uchiha?“ meldete sich Sasukes älterer Cousin.

Sofort tat es Mine leid, ihn nach einem so stressigen Tag zu belästigen, aber es war notwendig. Sie hatte im Krankenhaus nicht mit ihm reden können, und so war dieses Gespräch längst überfällig.

„Shisui? Ich bin´s, Mine“, sprach sie leise in das Telefon, um Fugaku nicht zu wecken.

Ihr Gesprächspartner war sofort hellwach. „Ist Sasuke was passiert?“, wollte er wissen.

Vielleicht machte er sich Vorwürfe, ihren Mann für die nächsten Wochen zur Verwaltungsarbeit verdonnert zu haben, wo es schwer für Sasuke war, sich davon zu schleichen. Die junge Mutter wusste, dass diese Strafe die Laune ihres Mannes noch weiter verschlechtert hatte. Sie war mit Shisui nach Itachis Verschwinden in das Krankenzimmer gegangen und dann von ihrem fast-Schwager nach draußen geschickt worden. Als sie das Krankenzimmer wieder betreten hatte, hatte ihr Mann so ausgesehen, als wollte er dem Nächsten, der irgendetwas Falsches sagte, den Hals umdrehen.
 

Zum Glück kannte Mine Sasuke gut genug, um das einzig Richtige zu tun, und hatte ihm Fugaku in die Arme gelegt. Ihr Mann hatte sie dankbar angesehen und das Baby immer und immer wieder gestreichelt und geküsst.
 


 

Itachi klingelte an der großen Eingangstür und sah sich aufmerksam um. Ihm fiel auf, dass sich zumindest bis hierhin nichts verändert hatte. Die Einfahrt, der Garten- alles war noch genauso wie vor sieben Monaten, als er das letzte Mal da gewesen war. Und bevor er sich darüber weitere Gedanken machen konnte, wurde die Tür geöffnet. Die Frau, die ihn nun musterte, war ihm fremd, was ihn beunruhigte. Wer war sie?

„Guten Tag“, grüßte sie ihn und musterte den Mizu mit unverhohlener Neugierde in den Augen. „Was kann ich für Sie tun?“

Itachi verbeugte sich leicht. „Guten Tag. Mein Name ist Itachi Mizu. Ich möchte meinen Onkel besuchen.“

Die Unbekannte lächelte ihn herzlich an, was ihn noch mehr irritierte. „Aber natürlich“, flötete sie und bat den Besucher in das Wohnzimmer. „Madara hat gehofft, dass Sie ihn bald wieder besuchen.“

Der Mizu nickte und ließ sich dann auf dem Sofa nieder, die Unbekannte stets im Blick.

Sie wirkte freundlich und arglos. So hatte noch keine ausgesehen, die bei seinem Onkel als Hausmädchen angestellt war. Sie trug auch ein keine Dienstmädchenkleider, sondern schwarze Jeans und eine weiße Bluse zu schwarzen, hohen Schuhen. Und sie war sicher so um die 40 oder 50 Jahre alt, denn zumindest vom Aussehen her kam sie dem Alter Madaras recht nahe.

„Sie haben Glück, wir sind gerade erst von der Arbeit gekommen“, meinte sie und ließ ihn kurz allein, um seinen Onkel zu holen.
 

Wenig später stand Madara im Wohnzimmer und umarmte seinen Gast zur Begrüßung. „Itachi“, grinste er. „Was treibt dich zu uns?“

„Uns?“, hakte der Angesprochene sofort nach, denn das war wieder etwas, was ihn irritierte. Was neu war.

Ein klein wenig verlegen nahm sein Onkel die Hand der Frau, die Itachi die Tür geöffnet hatte, und die beiden setzten sich ihm gegenüber auf das Sofa.

„Ich möchte dir meine Freundin vorstellen, Itachi. Das hier ist Akina Shinrai.“

„Aha“, machte Itachi und wusste nicht so recht, wie er reagieren sollte. Sein Onkel hatte noch nie eine Beziehung geführt. Zumindest nicht, seit Itachi ein Waise war.

Doch er rang sich zumindest zu einer Frage durch, wollte nicht unhöflich erscheinen oder gar wirken, als sei er gegen die Beziehung seines Onkels. „Seit wann kennt ihr euch?“

Madara grinste leicht. Er ahnte, wieso sein Neffe auf einmal so verwirrt wirkte. Sicher hatte Itachi keine Sekunde lang mit dieser Verkündung gerechnet, immerhin hatte der Anwalt ihm nichts von seiner Freundin erzählt.

„Wir haben uns vor ein paar Wochen bei einem Geschäftsessen kennengelernt“, erklärte Akina lächelnd. Sie war erleichtert darüber, nicht gleich abgelehnt zu werden. Dennoch machte sie sich Sorgen um ihre noch junge Beziehung. Vielleicht würde Madara sich ja von ihr trennen, wenn sein Neffe sie nicht mochte? Immerhin war der ihm doch sehr wichtig, sonst hätte er sich nicht nach dem Tod seines Bruders um den Jungen gekümmert. In Madaras Schlafzimmer standen genauso wie im Büro Fotos seines Neffen. Es war nicht zu übersehen, wie viel der mittlerweile erwachsene Neffe seinem Onkel bedeutete. Vielleicht war er sogar so etwas wie ein Sohn für den älteren Mizu geworden.
 

Itachi war diese Situation zwar fremd, aber irgendwie mochte er jene Frau, die vielleicht irgendwann seine Tante werden könnte. Das sagte er seinem Onkel auch, als Akina für ihren Freund und dessen Neffen Tee aufbrühte. „Das ist prima“, sagte Madara und küsste seine Freundin zum Dank, als sie mit gefüllten Tassen zu ihnen kam, blickte sie warm und… anders an.

Der jüngere Mizu kannte diesen Blick an Madara nicht, wusste ihn nicht zu beschreiben. Diese Zuneigung und Liebe. So, wie Madara Akina anschaute, hatte er zuvor niemanden angesehen. Der Soldat hatte davon zumindest nie etwas mitbekommen.

Ob Itachi Sasuke auch so ansah?

Ganz bestimmt tat er das. Er liebte diesen jungen Mann mehr als irgendetwas sonst, obwohl Sasuke ein schwieriger Mensch war. Und es war Itachi egal, dass er seinen Exfreund drei lange Jahre nicht mehr gesehen und sich bei ihrem ersten bewussten Wiedersehen mit ihm gestritten hatte. Er liebte ihn, das war für ihn einfach so. Vielleicht würde sich das irgendwann ändern, aber er bezweifelte es.
 

„Wie lief eigentlich dein Auftrag? Habt ihr Kisame gefunden?“, riss Madara ihn aus den Gedanken.

Leicht schüttelte Itachi den Kopf. „Er war vorher weg. Nicht einmal Sasuke hat ihn gesehen.“

Sofort wurde der Blick des anderen Mizu ernst. „Was hat der Junge damit zu tun?“, hakte er nach.

Itachi blickte auf seine Teetasse und seufzte, bevor er antwortete: „Er hat sich gegen die Anweisungen eingeschlichen und wollte Kisame stellen. Aber es war wohl keiner da. Wir haben Sasuke später aufgegabelt und Shisui hat ihn zur Büroarbeit verdonnert.“

Der Jüngere wusste: hätte er Madara von Sasukes Panikanfall erzählt, wäre sein Exfreund noch tiefer in dessen Achtung gesunken. Sollte Itachi irgendwann wieder eine Beziehung mit dem Uchiha führen, hätte der es ohnehin schon schwerer. Madara konnte ihn nicht mehr ausstehen. Vielleicht würde sich das auch nie ändern. Deshalb nahm sich der 28-jährige vor, seinem Onkel nicht alles von Sasuke zu erzählen. Es war vielleicht falsch, aber er wollte Sasuke vor allem beschützen. Dazu zählte auch die enorme Abneigung Madaras, der für den Uchiha kein freundliches Wort mehr übrig hatte. Der jüngere Mizu konnte der Sturheit seines Onkels nichts abgewinnen. Er mochte es nicht, da war es egal, ob diese Abneigung nachvollziehbar war oder nicht.
 

„Ich bin froh, dass Ihnen und Ihrem Freund nichts zugestoßen ist“, lächelte Akina und zwinkerte Itachi verschmitzt zu. „Und es ist freundlich von Ihnen, uns zu besuchen.“

Itachi verstand den Ablenkungsversuch der Frau und war ihr dankbar. Er konnte es nicht ausstehen, wie sein Onkel über Sasuke sprach, auch wenn er es verstand und nicht zeigte. Madara hatte es auch nicht leicht gehabt im Leben. „Ich muss doch sehen, was mein alter Onkel macht und ob es ihm auch gut geht“, grinste er deshalb breit. Er wusste, wie sein alter Onkel darauf reagieren würde.

„Alt? Ich hör wohl nicht recht! Soll ich dir die Ohren lang ziehen?“, murrte Madara, was seiner Freundin ein leises Lachen entlockte.

Der jüngere Mizu war froh über die Freundin seines Onkels. Er kannte sie zwar erst seit vielleicht eine Stunde, doch er mochte sie. Und irgendwie passte sie zu Madara. Und das sogar sehr gut.
 

Spät am Abend, als Itachi sein Elternhaus nach sieben Monaten zum ersten Mal wieder betrat und seinen Rucksack einfach im Flur auf den Boden warf, fühlte er sich wohl. Lange hatte er mit Akina -mit der er mittlerweile per Du war- und Madara gesprochen, sehr lange. Sein Onkel hatte ihm angeboten, doch bei ihnen zu übernachten, aber es zog Itachi nach Hause. In sein Elternhaus. Irgendwie kam es ihm dort vor, als wären sie da. Seine Mutter und sein Vater- und Sasuke. Der Mizu wusste nicht, wie viele schöne Stunden Sasuke mit ihm in diesem Gebäude aus Holz und Stein verbracht hatte, aber von ihm aus durften es ruhig mehr werden. Sasuke würde immer bei ihm willkommen sein.
 

Als Itachi sich Bettfertig machte, war es mit dem schönen Abend vorbei. Nichtsahnend nahm er den Anruf entgegen, weil ihm die Nummer bekannt vorkam.

„Itachi?“, drang aus dem Telefonhörer die Stimme Shisui Uchihas. „Ich bins, Shisui. Wir haben einen Informanten bei Kisame.“

Misstrauen

>A thousand times I´ve tempted fate.

A thousand times I´ve played this game.

A thousand times that I have said today, today, today.<

30 seconds to mars- Up in the air
 

„Bist du dir sicher, dass euer Informant vertrauenswürdig ist?“, wollte Itachi unsicher wissen und warf einen Blick auf den neuen Lageplan.

Shisui nickte ernst. „Vertrauensvoller, als du glaubst.“

„Wer ist es?“, hakte der Mizu nach. „Woher weißt du, dass du dich auf ihn verlassen kannst?“

Er war unsicher. Informanten waren nicht immer nützlich. Itachi hoffte, doch wenigstens zu erfahren, in welcher Verbindung die ihm unbekannte Person zu Kisame stand. Wieso sie Kontakt zu ihnen aufgenommen hatte und wusste, wo sich der Hoshigaki aufhielt. Was sie damit beabsichtigte. Das alles wusste er nicht, und Sasukes Cousin hüllte sich in Schweigen. Als ob ihn das beruhigen könnte!

„Ich weiß es einfach. Du solltest mir vertrauen“, wich ihm der Uchiha schon wieder aus.

Itachi blickte ihn finster an. „Ich vertraue dir, aber nicht deinem Informanten. Was machst du, wenn er Sasuke in Gefahr bringt?“

„Das würde er nie tun.“

„Und das weißt du woher?“

Der Polizist seufzte. „Itachi, wir können froh sein, dass sich der Informant bei mir gemeldet hat.“

Der Mizu schüttelte den Kopf. „Da bin ich anderer Meinung“, brummte er. „Du kannst ihm ja vertrauen, aber mir ist das zu unsicher. Ich fahre jetzt zu Sasuke und behalte ihn im Auge, bis Kisame geschnappt worden ist.“

„Und deine Einheit?“, hakte Shisui nach.

„Was soll mit der sein? Sie können ein paar Tage ohne mich arbeiten. Wenn es etwas Neues gibt, erfahre ich das umgehend.“

Der Uchiha blieb skeptisch. „Itachi, du bist verantwortlich für diese Einheit. Wie stellst du dir das vor?“

„Ich werde Sasuke klar machen, dass seine Suche nach Kisame nur ihm selbst schadet. Dann kann ich euch helfen.“ Mit diesen Worten wandte sich der Mizu ab und verließ den Raum. Zurück blieb ein Polizist, der nicht wusste, ob er den Plan des Soldaten so gut finden sollte. Er wusste ja nicht einmal, was Itachi tun wollte!
 


 

Sasuke war ziemlich irritiert, als er die Haustür öffnete und in das Gesicht seines Exfreundes blickte. Itachi konnte ihm ansehen, dass er mit dem Gedanken spielte, dem Mizu einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen, was dieser nicht zulassen würde. Diesmal nicht. Er hatte die Wünsche und Grenzen des Uchiha so oft beachtet, dass dieser ihm wenigstens dieses eine Mal zuhören sollte. Er konnte ihn nicht mehr schonen.

„Hallo“, grüßte er Sasuke deshalb und platzierte bewusst seinen rechten Fuß in der Tür. „Kann ich reinkommen?“

Der Uchiha nickte lediglich und führte seinen Gast in den Wohnraum. Es war seltsam still im Haus und auf dem Wohnzimmertisch befanden sich noch Teller und Essstäbchen.

„Mine hat mit Fugaku die Stadt verlassen. Mutter begleitet die beiden, um sicher zu gehen, dass sie gut bei meinen Schwiegereltern ankommen“, erklärte das Clanoberhaupt diesen ungewohnten Anblick.

Verstehend nickte Itachi. „Wann sind sie abgereist? Gestern haben sie dich doch sicher aus dem Krankenhaus abgeholt.“

„Ich konnte sie heute Morgen vom Weggehen überzeugen. Bei Mines Eltern sind sie besser aufgehoben, bis Kisame gefasst wird“, erklärte der jüngere der beiden, bevor er sich auf dem Sofa niederließ. Itachi setzte sich mit etwas Abstand zu ihm.

Dann gestand er dem Familienvater, dass er ihn deshalb besuchte.

Sasuke schnaubte. „Das hätte ich nie erwartet.“

Unbeeindruckt überging der Mizu den deutlichen Sarkasmus. „Ich kann verstehen, dass du Kisame finden willst, aber du kannst nicht einfach losstürmen und alle in deiner Nähe so beunruhigen oder irgendwann sogar gefährden. Du weißt doch selbst, dass er nicht davor zurückschrecken wird, Mine und Fugaku zu entführen, um sich an dir zu rächen, oder?“, gab er zu Bedenken.

„Das ist mir klar, aber die beiden waren doch schon in der Schusslinie, seit sie meine Familie sind“, stimmte ihm der Uchiha betreten zu.

„Ja“, meinte Itachi. „Aber mit deinem Leichtsinn stachelst du Kisame irgendwann dazu an, ihnen etwas zu tun. Vielleicht provoziert ihn deine Suche nach ihm, obwohl du dich nicht gegen ihn wehren kannst.“

„Und wie ich das könnte!“, zischte Sasuke aggressiv.

Itachi blieb ruhig. Er wusste, wie schutzlos sein Exfreund war, auch wenn der es nicht wahrhaben wollte. Deshalb verlangte der Mizu: „Beweis es mir.“
 

Irritiert blickte der Uchiha den anderen an. „Wie soll ich das denn machen?“, wollte er mit hochgezogener Augenbraue wissen.

„Du begleitest mich jetzt. Ich verrate dir nicht, wohin wir fahren. Wenn du dort, wo ich dich hinbringe, durchdrehst, suchst du nicht mehr nach Kisame. Dann müsstest auch du in deinen Dickkopf bekommen haben, dass du das nicht schaffst. Und du wirst zu deiner Familie fahren. Bist du einverstanden?“
 

Sasuke biss sich auf die Unterlippe. Selbst in seinen Ohren klang Itachis Vorschlag vernünftig. Wenn er sich zusammenreißen konnte, würde sein Exfreund vielleicht sogar Shisui überreden, Sasuke mit ihnen suchen zu lassen.
 

Welche Wahl hatte er denn schon?
 

„Okay“, stimmte er ihm deshalb zu. „Machen wir deinen dämlichen Test. Danach darf ich mit euch nach ihm suchen.“

Itachi schwieg.
 


 

Sasuke bereute seine Entscheidung in dem Moment, in dem er das Gebäude erblickte. Er spürte die Angst, die sich in ihm zusammenkauerte wie eine lauernde, hungrige Katze, die eine ahnungslos durchs dichte Gras huschende Maus beobachtete.

Itachi hatte das garantiert genau so geplant! Vielleicht ahnte der Mizu, dass das hier eine echte Probe war. Dass Sasuke nie dorthin zurückgekehrt war, seit sein Vater in diesem Gebäude seinetwegen ermordet worden war. Dass Sasuke nicht wusste, wie er darauf reagieren würde.
 

Nur deshalb hatte dieser Mistkerl ihn dorthin gebracht!

Sasuke war davon fest überzeugt.

Felsenfest.
 

„Wollen wir reingehen?“, fragte ihn sein Begleiter, während er den Uchiha genau musterte.

Der junge Familienvater schluckte schwer, bevor er nickte, wissend, dass Itachi alles an ihm nach Panik absuchte. Der ältere hatte ihn wahrscheinlich schon längst durchschaut und wollte ihn unter Druck setzen, um ihm seine psychische Instabilität aufzuzeigen. Aber Sasuke war nicht instabil, und das würde er seinem Exfreund nun auch beweisen. Er würde nicht durchdrehen! Itachi würde schon sehen, dass er ruhig blieb bei diesem dämlichen Rundgang, den Itachi sicher geplant hatte. Und dann würde er dafür sorgen müssen, dass Shisui ihn wieder arbeiten ließ- dass er ihn suchen ließ!
 

Doch unwillkürlich drängte sich eine Frage in seinen Kopf, die er sich nie gestellt hatte: War da noch diese Blutlache? Klebte noch die Blutpfütze am Boden dieses grausamen Gebäudes, die das Zeugnis des Mordes an seinem Vater war? Fugaku Uchiha war dort gestorben. In einem Kellerraum. Sasuke hatte keine Ahnung, wie es dort aussah. Er hatte diesen Ort nie besucht. War nie dorthin zurückgekehrt. Wieso zwang Itachi ihn jetzt dazu? Er hatte seinen Exfreund doch Jahrelang nicht gesehen, ihm nichts getan, sich für getane Fehler entschuldigt. Das hier musste doch einen Grund haben!
 

Eine warme Hand legte sich auf seinen Rücken und drückte ihn vorwärts. Itachi schob ihn auf das Hallentor zu.
 

Die Katze in ihm machte sich zum Sprung bereit. Die Maus –er- spürte, dass das, was nun geschah, falsch war. Grundlegend falsch.

Aber er versuchte, sich zusammen zu reißen.

Ließ sich von Itachi in dieses Gebäude schieben, in dem sein Vater gestorben war.

Ermordet.
 


 

Und dann war er in der riesigen Halle.
 

Keine Menschen waren dort eingesperrt, keine Kisten standen herum.
 

Es war wirklich niemand da.
 

Sasuke spürte die Angst und wusste, dass er durchdrehen würde.

Es bestand für ihn kein Zweifel.

Die Wände schienen unendlich weit von ihm entfernt zu sein.
 

Als Itachi ihn auf das Ende der Halle zuschob, wo sie durch eine alte Stahltür eine Treppe hinab in den Keller gelangten, taumelte Sasuke kurz.

Einen Schritt nur.

Er konzentrierte sich auf seine Füße, blickte zu Boden. Machte einen Schritt nach dem anderen. Die Treppe hinab. Den schmalen Gang entlang.
 

Er wäre weitergegangen, aber sein Begleiter schob ihn bestimmend in den weitläufigen Kellerraum, in dem sein Vater gestorben war.
 

Der Uchiha atmete schwer und ihm wurde kalt. Er zitterte und schwitzte und die Katze sprang. Sie fing die unruhige Maus und biss zu.
 


 

Sasuke sackte völlig überfordert in sich zusammen. Itachi war da, hinter ihm, packte ihn und setzte ihn vorsichtig auf den Boden. Zog ihn in seine Arme und trug ihn in eine Ecke des Raums. Als Itachi das tat, konnte Sasuke etwas rostrot-braunes am Boden im hinteren Teil des Raums wahrnehmen.

Oder bildete er sich das ein?
 

Trocken schluchzte er auf, klammerte sich fest an Itachi, der sie beide so in der Ecke hinsetzte, dass Sasuke nicht die Halle sehen musste. Nicht diesen Raum. Er sah die Wände und konnte sich so ein bisschen beruhigen.
 

Sicher, er atmete schwer.

Hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen.

Fühlte sich, als wäre er wieder diesen grausamen Elektroschocks ausgesetzt…
 

Aber Itachi war da.

Itachi, der immer für ihn dagewesen war.
 

Und Sasuke wusste einfach, dass ihm nichts geschehen würde.

Itachi hielt ihn fest, flüsterte beruhigende Worte in sein Ohr und wiegte ihn wie ein kleines Kind.

„Es ist alles Okay“, hörte er ihn leise sagen. Ruhig. Itachi wurde nicht panisch, Itachi blieb ganz ruhig. „Ich bin hier. Keiner wird dir etwas antun oder hier sterben.“
 

Sasuke war ihm unheimlich dankbar dafür.
 


 

Die beiden wussten nicht, wie lange sie schon dort waren. Es war ganz still gewesen und Sasuke hatte sich beruhigen können. Itachi wusste, dass der Weg aus diesem Gebäude kritisch für seinen Liebhaber war. Das war seine ganze Aktion hier gewesen, aber es war gut so. Sasuke hatte verstanden, dass er das nicht konnte. Dass er nicht in der Lage war, dem Mörder seines Vaters gegenüber zu treten.

Er konnte ja nicht einmal dieses Gebäude ohne Angst betreten.
 

Als die beiden aufstanden und sich auf den Weg aus der Halle machten, vergrub Sasuke sein Gesicht in Itachis Halsbeuge, sodass er den Raum nicht sehen musste. Und den Blutfleck, der vielleicht noch dort war.
 

Sasuke zitterte, konnte sich kaum auf den Beinen halten, aber Itachi war bei ihm. Er stützte ihn und führte den Uchiha aus dem Raum und den schmalen Gang entlang zurück in die große Halle.
 


 

Zumindest wollten sie das.

Doch plötzlich hielt Itachi inne und wies Sasuke an, still zu sein.
 

Schritte ertönten, Stimmen erklangen.

„Sichert alles und warnt mich vor, wenn jemand hier ist“, donnerte eine tiefe Stimme.
 

Sasuke wusste nicht sofort, wer da gerufen hatte. Er verstand nicht, wieso Itachi ihn fester packte, ihm eine Hand auf den Mund drückte und ihn zurückzerrte. In einen anderen Raum, einen kleineren. Die Tür trat er zu. Sie schloss leise, was Sasuke irritierte. Itachi ließ ihn los und sprang mehrmals nach oben, um die Decke zu berühren. Eine Deckenplatte verschob sich irgendwann, Itachi packte Sasuke und hob ihn hinauf. Völlig neben sich stehend kämpfte sich der Uchiha in den engen Raum. Ein Hohlraum voller elektrischer Leitungen. Itachi streckte die Hand nach ihm aus, und Sasuke zog ihn nach oben. Er begriff noch nicht, was los war, und blieb ruhig.

„Sei still“, warnte der Mizu im Flüsterton und drückte ihm dann doch die Hand auf den Mund.
 

Aber war nicht alles okay? Immerhin waren die Wände nah bei ihm, alles war für diesen Moment in Ordnung für Sasuke.

Er würde nicht panisch werden.
 

Dennoch schob Itachi die Deckenplatte zurück an ihre Stelle und schloss somit jegliches Licht aus. Sasuke hörte, wie Stoff raschelte, vernahm schwere Schritte auf der Treppe und dann im Gang. Das Display eines Handys leuchtete in der Dunkelheit auf, Itachi warf ihm einen kurzen Blick zu und nahm dann die Hand vom Mund seines Begleiters, als er erkannte, dass der ganz ruhig war. Schnell tippte der Mizu auf dem Display herum und steckte das Gerät wieder in seine Tasche.

„Hast du ein Handy dabei?“, wollte er wissen.

Sasuke verneinte leise.

Sein Handy lag in seinem Haus auf dem Wohnzimmertisch.
 

„Pass auf, Sasuke“, ertönte Itachis Stimme. „Du darfst kein Wort von dir geben. Nichts. Rühr dich nicht. Keiner darf uns finden, okay?“

Als Zeichen, dass er verstanden hatte, drückte der Uchiha die Hand des anderen.
 

Die Tür des Raumes, in den Itachi ihn gezogen hatte, wurde aufgestoßen. Jemand brüllte „leer“, dann verließ derjenige wieder den Raum. Die Stimmen und Schritte klangen nun lauter. Sasuke stellte fest, dass er gut lauschen konnte, was dort geschah.
 


 

Wieder ertönte diese kräftige Stimme: „Seid vorsichtig. Niemand darf bemerken, dass wir hier sind. Kommen Sie, Dareshimo, ich führe Sie herum.“
 

„Wo sind wir hier eigentlich? Wollten wir nicht in den Bürobau, der bald abgerissen werden sollte?“, erklang eine Frauenstimme, die Itachi bekannt vorkam.

Sasuke neben ihm keuchte auf. Sofort reagierte Itachi, drückte den Jüngeren an sich und erstickte dessen leises Keuchen an seiner Brust.

„Pscht“, machte er leise und lauschte, ob jemand sie gehört hatte. Aber diese Frau unterhielt sich immer noch mit Kisame, dessen Stimme Sasuke noch nicht erkannt zu haben schien. Oder hatte er ihn erkannt und war deshalb so?
 

Ein leises Wimmern drang kaum wahrnehmbar in Itachis Ohren.

Nur undeutlich hatte er verstanden, dass er ein Wort gewimmert hatte.

Einen Namen.

Itachi zog ihn fester an sich und wusste, dass es vorbei war für sie beide. Sasuke würde nicht mehr ruhig und rational denken können wie vorhin, egal, wie er das geschafft hatte.
 

Diese Frau war hier in diesem Gebäude, und sie schien Kisame zu kennen. Mit ihm zusammen zu arbeiten.
 

Er verfluchte sie, die eigentlich an einem ganz anderen Ort sein sollte.

Hoffnungslos

>Wie tief willst Du noch fallen?

Wie lange kannst Du Dich noch wehren?

Siehst Du Dich- Siehst Du nicht,

dass Du längst vergangen bist?<

Eisbrecher- zu Sterben
 

Sasuke vergrub sein Gesicht fest an Itachis Brust. Er spürte die starken Arme und Beine des anderen, die ihm jede Bewegung unmöglich machten. Und er fühlte Itachis Atem in seinem Nacken. Die eine Hand des Mizu drückte sich unangenehm auf seinen Mund. Wüsste er nicht, dass Itachi ihn so schützen wollte, hätte er sich dagegen gewehrt. So sehr, wie er sich noch nie gegen einen anderen Menschen zur Wehr gesetzt hatte.
 

Denn da unten, irgendwo in diesem verfluchten Keller, war seine Frau. Mine.

Er hatte ihre Stimme sofort erkannt.
 

War seine Frau Kisames Verbündete? Schützte sie ihn vor der Polizei, versteckte sie ihn?

Oder war sie sein Opfer? Hatte Kisame sie entführt, weil er wusste, wer sie war? Aber wieso sollte er sich dann fast schon vertraut mit ihr unterhalten? Und wo war Fugaku? Wo war sein Sohn, der sich noch nicht verteidigen konnte, der jedem möglichen Angreifer hilflos ausgeliefert war? Mine würde ihn doch nie mit zu Kisame nehmen, oder? Fugaku war doch auch ihr Kind!
 


 

„Ich fand dieses Versteck hier besser. Sie müssen wissen, dass mich hier niemand suchen würde“, durchdrang die Stimme des Hoshigakis erneut die Stille. „Und hier können wir Ihnen sogar ein Gästezimmer mit dem Nötigsten einrichten, Dareshimo.“
 

Itachi spürte, wie Sasuke in seiner Umklammerung heftig zusammenzuckte und stöhnte. Der Mizu war erleichtert, dass kaum ein Laut zu hören war. Vielleicht konnten sie in ihrem Versteck ausharren, bis Shisui oder sein Onkel eintraf. Der Soldat hatte Sasukes Cousin längst informiert und auch Madara um Hilfe gebeten.
 


 

Mine schüttelte entschieden den Kopf, bleib aber höflich. „Nein, danke. Ich habe keine Zeit.“

Der blauhaarige Hüne schlang einen Arm um ihre schmalen Schultern. Die junge Mutter fühlte sich unwohl dabei und löste sich umgehend von ihm. Sasuke war nie derart aufdringlich. Sie hoffte nur, dass er in Sicherheit war und weit weg. Ihr Mann musste nicht wissen, was sie hier tat. Was sie für ihn tat.
 

„Tut mir leid“, verbeugte sich Kisame Hoshigaki mit den unheimlichen, spitzen Zähnen galant. „Ich hoffe, ich bin Ihnen nicht zu nahe getreten.“

„Es geht schon. Ist es hier auch wirklich sicher?“, tat sie die Umarmung als nichtig ab, obwohl ihr dieser Mann zuwider war.

Ein grollendes Lachen ertönte.
 

Die Uchiha hatte den Mörder noch nie lachen gehört. Sie mochte diesen Klang nicht. Alles am Hoshigaki widerte sie an. Aber sie musste hier bleiben und so tun, als mochte sie den blauhaarigen. Sie musste.

Immerhin würde sie ja nicht für immer hier sein müssen. Shisui hatte ihr auf dem Revier einen Peilsender gegeben. Sie hatte ihn in ihre Kleidung eingenäht, damit er nicht gefunden werden konnte.
 

Sasukes Cousin würde sicher bald eintreffen.
 

„Natürlich ist es sicher hier“, säuselte Kisame. „Ich würde Sie nie in Gefahr bringen, wo Sie mir bei der Flucht geholfen haben. Möchten Sie mir eigentlich nicht verraten, wieso Sie das getan haben?“

Mine riss sich zusammen, um diesem aufdringlichen Kerl nicht noch eine Ohrfeige zu verpassen, der ihr schon wieder den Arm um die Schultern legte. Grob stieß sie seine Pranke von sich. „Glauben Sie nicht, ich hätte keinen Vorteil davon, Ihnen geholfen zu haben.“

„Woher wussten Sie überhaupt so gut Bescheid über die Polizeiaktion?“, hakte der Mann nach.

„Mein Mann ist Polizist“, antwortete sie knapp.

Der Hoshigaki lachte. „Und Sie die einsame Ehefrau, die sich um Kind und Haushalt kümmern muss und davon die Nase voll hat? Sie gefallen mir!“

„Nicht ganz“, entgegnete Mine kühl. „Ich möchte nur nicht, dass meinem Mann etwas zustößt.“
 

Kisames Grinsen verblasste. „Wie ist Ihr Mann denn so, Dareshimo?“

„Fürsorglich, aber leichtsinnig“, meinte sie ehrlich. Je ehrlicher sie war, umso besser konnte sie vielleicht verheimlichen, wer sie war.

„So einen kenne ich auch“, meinte der Mörder. „Kopflos, stürmisch. Ich habe mich eine Weile um ihn gekümmert. Er ist ein netter Junge.“

„So? Wie heißt er denn?“, tat die Uchiha unwissend.
 

„Sasuke Uchiha“, brummte der Hüne. „Mein bester Freund hat ihn kennen gelernt und sich in ihn verknallt. Die beiden sind stockschwul. Sieht man ihnen nicht an.“

Mine lächelte gespielt. „Ehrlich?“

Der Mann grinste. „Ja. Aber nun zu Ihnen, Dareshimo. Sie erzählen so wenig, ich langweile Sie sicher irgendwann. Haben Sie Familie?“

„Ein Kind. Mein Mann und ich leben bei meiner Schwiegermutter.“

„Da haben Sie sicher viel zu tun“, spaßte ihr Begleiter. „Wie schaffen Sie es dann noch, für die Sicherheit Ihres Mannes zu sorgen?“

Die junge Mutter lächelte noch immer. „Oh, das schaffe ich. Der Cousin meines Mannes unterstützt mich und versucht, meinen Mann aus allem raus zu halten.“
 

Das Grinsen des Hoshigaki verblasste. „Der Cousin Ihres Mannes? Sagen Sie, Dareshimo, wie heißt Ihr Mann?“, fragte er plötzlich und fasste sie grob an. Er lächelte mittlerweile nicht einmal mehr und Mine begriff, dass sie etwas zu ehrlich gewesen war.
 

Dieser Dreckskerl war ihr auf die Schliche gekommen.
 

„Ich wüsste nicht, wieso ich Ihnen das sagen sollte“, versuchte sie, sich aus der Affäre zu ziehen. „Ich habe Ihnen geholfen und Sie tun mir einen Gefallen, wenn er nötig sein sollte. Damit hat es sich.“

„So?“, grollte der Mann. Noch bevor die junge Frau es bemerkte, waren Kisames Angestellte aufgetaucht. Alles Männer, die er irgendwann irgendwo kennengelernt und angeworben haben musste. Vielleicht waren sie damals auch zusammen mit ihm untergetaucht. Er hatte immerhin Geld.
 

Kisame Hoshigakis Augen funkelten vor Wut. „Sagen Sie mir, Dareshimo, heißt Ihr Mann vielleicht Sasuke Uchiha? Und sein Cousin Shisui?“

Mine schwieg, aber eine Antwort war auch gar nicht mehr nötig.

„Ich habe auch meine Informanten, Frau Uchiha, das müssten Sie wissen. Ich habe gewollt, dass man mich findet. Sasuke wäre dort gewesen, vielleicht sogar noch vor allen anderen. Ich hätte Zeit gehabt, mich mit ihm zu befassen und ihm und Itachi klarmachen können, dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Sie haben doch eh keine Chance gegen mich! Wären Sie, liebe Frau Uchiha, nicht aufgekreuzt und ich Ihrem Charme nicht verfallen, hätte ich das durchgezogen- aber Nein! Sie mussten sich ja einmischen!“

Der Mörder stieß sie von sich. Grob wurde sie gepackt. Kisames Schergen wussten, was der Blauhaarige wollte. Mine wehrte sich nicht. Es war aussichtlos. Sie war eine Frau, umgeben von starken Männern, die vor Gewalt nicht zurückschrecken würden.
 

Dennoch forderte sie ein, was sie noch hatte: „Sie sind mir noch etwas schuldig, Kisame!“

Diese Worte hatte sie boshaft gezischt, als sich der Mörder abwenden wollte.
 

Kisame schnaubte vor Wut. Dieses Weib war so dreist? Wie hatte er nur übersehen können, dass sie Sasukes Frau war? Die beiden passten wirklich hervorragend zueinander! Fugakus Balg hätte ihn in dieser Situation auch noch an Gefälligkeiten erinnert!

„Meinetwegen. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie den Gefallen einlösen wollen.“
 


 

Sasuke schrie unterdrückt auf.

Itachi presste ihn fester an sich, als die Gegenwehr stärker wurde. Dennoch schaffte es der Uchiha, ihm den Ellbogen in die Seite zu rammen.

Leise stöhnte der Ältere auf.
 

Sasuke hatte wirklich Kraft, wenn er wollte!

Seine Seite brannte stark, und für einen Moment wurde er nachlässig.
 

Sasuke trat zu und schrie.

Sofort presste der Mizu ihm die Hand auf den Mund und wollte ihn zum Schweigen bringen, doch es war ohnehin zu spät.
 

Es war völlig unmöglich, dass irgendwer in diesem Gebäude überhört haben könnte, dass der Uchiha nach seiner Frau rief.
 


 

Natürlich hatte man Sasuke gehört.

Kisame grinste diabolisch und winkte seinen Helfern. Die erstarrte, bleiche Mine wurde einfach stehen gelassen, als die Männer in Richtung Geräuschquelle und dem unregelmäßig ertönenden Trommeln folgten, dass wenig später erstarb.
 

Ihr Herz pochte bis zum Hals, sie zitterte vor Angst. Diese Stimme würde sie unter Tausenden erkennen! Wie war ihr Mann hierhergekommen? Hatte er sie gesucht, folgte er wieder der Polizei, ohne es zu dürfen? Ging es ihm gut? Ihr war übel vor Angst, als Rufe laut wurden.

Dieser widerliche Hoshigaki stellte sich neben sie und legte ungefragt einen Arm um ihre Schultern. Dieses Mal ließ die junge Frau ihn in Ruhe. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun sollte.
 

Im nächsten Moment wurde Itachi Uchiha aus einem der Räume heraus geführt. Der schwarzhaarige Soldat wehrte sich mit Händen und Füßen und wandte immerzu den Kopf nach hinten.
 

Wenig später wusste Mine, wieso.

Zumindest sah sie nun auch, was sie nach diesem Schrei gewusst hatte.
 

Sasuke Uchiha war wirklich hier in diesem Gebäude.

Seine Frau konnte nur ahnen, wieso er mit seinem Exfreund hierhergekommen war.
 

Ob es die Lagerhalle war, in der ihr Schwiegervater ermordet worden war?
 

Mines Ehemann sah schlecht aus. Er war blass und völlig außer sich, wehrte sich ebenfalls gegen die Kriminellen, die ihn führten. Doch als er seine Frau erblickte, ließ die Gegenwehr nach.
 

Keine Minute später stand sich das Ehepaar gegenüber. Die junge Mutter bemerkte, wie sehr Sasuke versuchte, den Blick nicht von ihr zu lösen.
 

Wie war es für ihn, dem Mörder seines Vaters gegenüber zu treten und nichts tun zu können?
 

Sie wünschte, sie könnte etwas für ihn tun. Sie wünschte sich ein Messer oder eine andere Waffe in ihre Hände. Etwas, womit sie diesen widerlichen Mörder verletzen konnte. Womit sie ihn umbringen konnte. Denn sie wusste: Nur Kisames Tod könnte ihrem Mann Frieden verschaffen. Ihnen eine neue Chance ermöglichen. Einen Neuanfang.
 

„Wieso bist du hier?“, hauchte sie in die dröhnende Stille, die herrschte, seit die beiden Männer in den Flur geführt worden waren.

Itachi war es, der antwortete. „Ich habe ihn hergebracht.“

Das sagte er leise und mit einer seltsamen Stimme. Er war nicht ruhig. Mine konnte seinen Körper beben sehen.
 

Immerzu hatte Itachi Sasuke beschützt.
 

Wie musste es ihm dann gehen? Er hatte den Polizisten erst hergebracht. Mine konnte sich denken, warum.

Weil er gehofft haben musste, Sasuke so davon zu überzeugen, nicht nach diesem Mörder zu suchen.

Sie hatte auf eine solche Aktion seitens des Mizu gehofft. Aber dass es so ausgehen würde, damit hätte wohl keiner gerechnet.
 

„Wieso bist du hier?“, wimmerte Sasuke, der völlig neben sich stand.
 

Mine wusste, dass er kurz vor einem Zusammenbruch stand. Sie wusste es. Sie kannte ihn.

Und konnte doch nichts tun, um ihm zu helfen.
 

Kisame lachte. „Na, wenn das mal kein Zufall ist! Itachi, Sasuke, wie geht’s euch denn? Sasuke, du hättest mir deine schöne Frau ruhig einmal vorstellen können!“
 

Die Uchiha wurde wütend. Grob riss sie sich los und spuckte dem Hoshigaki ins Gesicht.

„Sie sind widerlich, fassen Sie mich nicht an! Und lassen Sie meinen Mann in Ruhe!“
 

Im nächsten Moment stolperte sie nach hinten.
 

Ihre Wange brannte von Kisames Hand.

Dieser Mistkerl hatte sie geschlagen!
 

„Halt dein vorlautes Mundwerk, Flittchen“, zischte der Hoshigaki drohend. „Sonst könnte deinem Mann oder seinem Freund etwas passieren. Würde dir das gefallen?“
 

Mit diesen Worten zog der Mann ein Messer und winkte seinen Handlangern. Itachi wurde zu ihm gezerrt. Kisame zuckte mit den Schultern, ehe er dem Mizu die Klinge ins Bein rammte. „Tut mir leid, Kumpel. Du wirst mir zu anhänglich.“

Itachi schrie ohrenbetäubend auf und fiel zu Boden. Die Männer, die ihn gehalten hatten, ließen ihn stürzen. Das Messer blieb in der Wunde stecken, der Mizu wand sich vor Schmerz. Sasuke schrie den Namen des Verwundeten, und wenig später stürzte er sich an Mine vorbei auf den Hoshigaki und warf ihn zu Boden.
 

„Sasuke!“, schrie sie panisch, denn sie wusste, dass er völlig unbewaffnet war.

Selbst, wenn er eine Waffe dabei gehabt hätte, hätten diese Männer sie ihm weggenommen.
 

Er konnte nur verlieren.

Sie konnten nur verlieren.
 

Auch hinter ihr brach ein Tumult aus. Mine registrierte es jedoch nur am Rande. Sie musste hilflos zusehen, wie der blauhaarige, massige Hüne ihren Mann von sich schleuderte, neben Itachi, und sich auf ihn stürzte. Wie er „töte mich doch, wenn du das kannst“, brüllte, als er auf ihren Mann einschlug.
 

Kisame würde ihren Mann umbringen, danach Itachi und sie dazu.

Eine Träne brannte in ihren Augen, als sie nach vorne stürmte, auf Kisame zu.

Sie würden ihren Sohn nie wieder sehen.

ohne Angst

>Komm und wärme mich,

füll die Glut in mich.

Brich das Eis für mich-

Komm und heil mich!<

OOMPH!- viel zu tief
 

Itachi stöhnte und brauchte sicher ein paar Minuten, um wieder etwas anderes als den alles überdeckenden Schmerz der tiefen, blutenden Wunde wahr zu nehmen, in der noch immer das Messer steckte. Doch irgendwann bekämpfte sein Körper die Qual, pumpte Adrenalin durch seine Venen und setzte Endorphine frei, um den brennenden, alles verzehrenden Schmerz zu unterdrücken, so gut es ging. Und so bekam der Mizu die Rangelei mit.

Mine saß halb auf Kisames breitem Rücken und zerrte am Blauhaarigen, versuchte, ihn festzuhalten, während der über Sasuke kniete und diesen schlug. Ins Gesicht, in den Magen. Der Uchiha versuchte, sich zu wehren, trat den Hünen und biss ihn sogar, boxte ihn, aber es nutzte ihm nichts.
 

Kisame hatte zugesehen, als Sasuke das Kämpfen gelernt hatte. Er war ihm trotz dessen Können überlegen in diesem Moment- nicht nur, weil er wusste, wie dieser sich wehrte, sondern auch wegen seiner reinen Masse. Der Hoshigaki war riesig. Mit seiner Größe und seinem Gewicht konnte er den jungen Familienvater problemlos am Boden halten, was er auch tat. Und Mine hatte gar keine Chance. Sie versuchte es, aber sie war zu schwach. Sie war eine Hausfrau und hatte vielleicht nie gelernt, sich zu verteidigen.
 

Das alles wurde dem Mizu innerhalb kürzester Zeit bewusst, als der Schmerz von seiner Angst überdeckt wurde. Und Itachi hatte zu Recht Angst. Sasuke konnte sich nicht wehren. Nicht gegen Kisame, nicht in diesem Moment.

Itachi hatte Angst um den Mann, der ihn von sich stieß, der sein Leben auf den Kopf stellte und nach dem er sich doch immer richten würde. Für das Glück des Uchihas hielt er sich von ihm fern.
 

Er liebte ihn zu sehr.
 

Deshalb griff er an sein schmerzendes, versehrtes Bein und zog das Messer heraus.
 

Itachi wusste, dass sein Handeln dumm war. Sein Bein könnte noch mehr Schaden nehmen. Nerven könnten beschädigt werden. Er könnte wegen des Blutverlustes zusammenbrechen. Aber er biss sich auf die Unterlippe, bis diese blutete, und stöhnte vor Pein.
 

Sasuke könnte sterben.
 

Er zog das Messer aus der Wunde, hielt es mit zitternder Hand fest und kämpfte sich auf die Knie. Wie er den Schmerz ertrug, wusste er nicht. Sein Körper konnte nicht alle Empfindungen abstellen. In dem Moment, in dem er sein Bein so belastete, schrie er vor Schmerz und warf sich doch auf seinen ehemals besten Freund.
 

Kisame heulte vor Wut und Schmerz auf, als sich das blutige Messer in seinen Rücken bohrte. Nur ganz knapp hatte Itachi Mine verfehlt. Sie wurde wie er auf den Boden geworfen, als sich der Mörder aufbäumte und nach seinen Handlangern schrie. Als er brüllte, dass sie Kisames Feinden den Gar ausmachen sollten.
 

Itachi blieb liegen. Er konnte sich nicht mehr rühren, aber er sah, wie sich Sasuke fing –wie auch immer sein Exfreund das tat- und dem blauhaarigen kräftig in den Magen trat, sich auf ihn stürzte und das Messer aus der Wunde zog.
 


 

Sasuke wusste nicht, was er tat. Er handelte einfach, Kopf und Angst ausgeschaltet. Er packte das Messer, zog es grob und sicher sehr qualvoll für Kisame aus dessen Rücken, ließ sich und den Mörder seines Vaters nach hinten fallen und rammte ihm das Messer in den Bauch. Sicher würde er die Pein des Mannes so vergrößern, und in diesem Moment wollte er sogar noch einmal zustechen.
 

Für seinen Vater, der tot war.
 

Für Fugaku, der beinahe seine Eltern verloren hatte.
 

Für Mine, die so weit für ihn gegangen war.
 

Für Itachi, der sein Leben umgekrempelt hatte, um mit dem Verrat seines besten Freundes und den Verletzungen durch ihn, Sasuke, zurecht kommen zu können.
 

Und für sich selbst, der sein altes Leben zurückwollte, sein Leben mit Itachi, sein Leben mit seinem Vater. Sein Leben als Jugendlicher.
 


 

Doch jemand ließ das nicht zu.

Jemand packte Sasukes Hand, entwand ihm das Messer, das der Uchiha schon aus der Wunde gezogen hatte, und verdrehte ihm das Handgelenk, bis er vor Schmerz aufschrie.
 

Jemand zerrte ihn von dem Mörder fort und drückte ihn auf den Boden.
 

Jemand zwang seine Hände auf seinen Rücken und legte ihm kaltes Metall darum.
 

Jemand legte ihm Handschellen an!
 

Jemand redete auf ihn ein, aber Sasuke verstand kein Wort.
 

Das Blut rauschte laut in seinen Ohren, ihm war schwindelig und er zitterte.
 

Ob es Itachi und Mine gut ging?
 

Er wusste es nicht.
 

Er wusste, wusste, wusste nichts. Es machte ihn wahnsinnig!

Deshalb versuchte er, sich trotz seiner ausweglosen Situation zu wehren.

Ihm war zu schwindelig, als dass er irgendwo in der Menschenmasse seinen Exfreund, den er noch immer liebte, oder seine Ehefrau, die ihm wichtig war, sehen konnte.
 


 

Itachi warf immerzu einen Blick über die Schulter. Zurück zu Sasuke.
 

Das Clanoberhaupt lag am Boden, schien völlig verwirrt. Er begriff wahrscheinlich gar nichts mehr und Itachi wusste, dass ein Notarzt schon unterwegs war.
 

Ein Notarzt und zwei Rettungswagen.

Einer für Kisame, einer für Sasuke und den Mizu.
 

Mine ging es gut. Körperlich zumindest

Sie hatte sich nicht verletzt, als sie zu Boden gestürzt war. Und deshalb machte sie sich –wie Itachi- eher um ihren Mann Sorgen.
 

Zwar hatte dieser durch sein Eingreifen Schlimmeres verhindert, stand dafür nun aber völlig neben sich. Deshalb schickte Itachi einen der ihm unterstellten Soldaten los, die Räume zu sichern, und humpelte dann unter starken Schmerzen zu seinem Exfreund. Der musste am Boden fixiert werden, damit er sich selbst nicht schaden konnte, und erkannte seine eigenen Kollegen nicht.

Das war für Itachi schlimmer als die Wunde an seinem Bein. So kniete er sich unter Qual zum Clanoberhaupt, der ihn erst wie einen Fremden ansah, bis er ihn erkannte. Der Mizu legte sich ganz auf den Boden, weil das ein bisschen weniger schmerzhaft für ihn war, und strich über das verschwitzte Gesicht.
 

„Es ist alles Okay, Sasuke“, sagte er ruhig, und nach einiger Zeit beruhigte sich der Uchiha wirklich. Itachi hatte sich selten derart erleichtert gefühlt.
 

Sasuke nuschelte etwas. Itachi verstand ihn nicht.

Der jüngere der Beiden fragte erneut leise: „Was ist mit Kisame?“

„Wir haben ihn“, antwortete Itachi und war irgendwie stolz auf diesen jungen Mann, der sich trotz seiner Panik auf einen stärkeren Gegner gestürzt hatte.

Der junge Vater seufzte erleichtert.

Sofort wies der Mizu den Polizisten, der Sasuke noch immer festhielt, an, von ihm abzulassen. Doch Sasuke regte sich nicht mehr- nicht einmal, als ihm die Handschellen abgenommen worden waren. Und obwohl Itachi verletzt war und starke Schmerzen litt, zog er den erschlafften Körper an sich und ließ ihn erst los, als die Sanitäter in den Keller liefen, um nach ihm und dem jungen Mann in seinen Armen zu sehen.
 

Die ganze Zeit über spürte er Mines warmen Blick auf sich und wusste, dass sie lächelte. Als Itachis Bein verbunden und Sasuke auf eine Trage gebettet war, half die junge Mutter dem Langhaarigen aus dem Gebäude.

„Danke“, meinte sie.

Itachi blickte sie nur verwirrt an und fragte, wofür sie sich bedankte.

Die lächelte immer noch. „Du hast ihm geholfen, Itachi. Mehr, als du glaubst.“

Der Mizu nickte.
 

Er würde Sasuke immer helfen, das wusste nun auch Mine.
 

Aber würde Sasuke ihn überhaupt noch akzeptieren können?

Nähe

>Das Labyrinth des Zweifels

musste ich so lang durchwandern.

Es waren Träume eines Fremden:

die Gedanken eines andern!<

ASP- Wanderer
 

Itachi packte seine Tasche.
 

Vor einer Woche war Kisame Hoshigaki, sein ehemals bester Freund, festgenommen worden. Die Wunden des Polizisten-Mörders waren so tief, dass er ambulant im Krankenflügel des Gefängnisses versorgt werden musste. Eine Operation würde nicht nötig sein. Fluchtgefahr bestand nicht. Kisame konnte sich nur schwerfällig und unter starken Schmerzen bewegen. Itachi wusste das, weil er ihn besucht hatte. Wieso, das wusste er selbst nicht einmal. Sie hatten sich unterhalten, ganz ruhig. Sasuke war in keiner Sekunde erwähnt worden.
 

Es war ein bisschen wie damals gewesen, bevor es Sasuke im Leben des Mizu gegeben hatte.

Aber es gab Sasuke.
 

Der Uchiha war im Krankenhaus gelandet. Seine Verletzungen hielten ihn einige Tage dort. Er bekam jeden Tag Besuch von Mine. Itachi wusste das, weil die junge Mutter ihn danach immer anrief.
 

Madaras Neffe hätte eigentlich auch dort bleiben müssen, aber er hatte sich geweigert. Nun humpelte er jeden Tag zum Arzt, um die Verbände wechseln zu lassen. Sein Zustand hinderte seine Vorgesetzten allerdings nicht daran, ihn wieder zurück zu beordern, zusammen mit den anderen Soldaten. Itachi hatte nichts dagegen.
 

Er wüsste nicht, wie er Sasuke gegenüber treten sollte.

Er hatte ihn doch selbst in Gefahr gebracht.
 

Das Sasuke im Krankenhaus gelandet war, war allein seine Schuld.
 

„Bist du dir sicher, dass ich dich nicht begleiten sollte?“, riss ihn eine tiefe Stimme aus seinen Gedanken.

Es war sein Onkel, der ihn besorgt musterte. Der Sasuke dafür hasste, dass Itachi diese Schuldgefühle hatte und noch stiller war als normalerweise.
 

Der jüngere der Beiden schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin ja nicht alleine unterwegs.“

„Aber du bist verletzt“, beharrte Madara Mizu. „Du solltest um Urlaub bitten, bis du wieder gesund bist.“

Schritte ertönten, Akina erschien in der Wohnzimmertür. Sie wirkte nicht minder besorgt, obwohl sie Itachi noch keine zwei Wochen kannte. Ihn erst seit einer Woche jeden Tag mit ihrem Freund besuchte.

„Madara hat recht, so ungern ich es zugebe. Du bist verletzt. Wie willst du an einem Einsatz oder an den Übungen teilnehmen?“, gab sie zu bedenken.
 

Der 28-jährige senkte das Haupt. „Es wird schon gutgehen. Ich bin freigestellt von den Übungen und darf nur Schreibtischdienst leisten, bis alles geheilt ist.“

Es beruhigte die beiden nicht, das spürte er. Aber wieso sollte es sie beruhigen?

Sein verletztes Bein war ja nicht das Problem.
 

Sie wollten nicht, dass er diese Schuldgefühle hatte.
 

Diese verdammten, berechtigten Schuldgefühle.
 

Er hatte Sasuke in Gefahr gebracht, das konnte niemand ändern oder ihm ausreden.

Das würde ihn sein Leben lang nicht mehr in Ruhe lassen.
 


 

Als Madara sich widerstrebend mit Akina auf den Heimweg gemacht hatte und Itachi es sich gerade auf dem Sofa bequem machen wollte, klingelte es an der Tür. Der Mizu warf einen Blick auf die Wanduhr über dem Fernseher und runzelte irritiert seine Stirn. Sicher, er wartete auf das Essen, das er bestellt hatte, aber der Lieferdienst konnte es nicht sein. Noch nicht. Er hatte seine Bestellung erst vor gut einer halben Stunde aufgegeben. Aber wer sollte dann an seiner Tür klingeln? Denn Mine war es sicher nicht. Sasukes Ehefrau hatte ihm am vorigen Abend mitgeteilt, dass Sasuke entlassen wurde und sie sich um diesen kümmern wollte.
 

Dennoch erhob sich der Soldat schwerfällig. Es war gut möglich, dass er sogar noch an diesem Abend zurück zum Armeestützpunkt musste.
 

Offiziell war er im Dienst.
 

Aber damit, dass Sasuke vor seiner Haustür stehen könnte, hatte er keine Sekunde lang gerechnet.
 


 

Sasuke sah mies aus. Eigentlich war er ein attraktiver Mann, aber der Verband, der den Großteil seines Gesichts verbarg, machte jeden Funken seiner Schönheit zunichte. Und die Haut, die unter dem Verbandsmaterial hervorblitzte, war gelblich verfärbt. Mine hatte Itachi ja schon berichtet, dass Sasuke fast überall blau geschlagen worden war, aber der Mizu hatte sich das nicht vorstellen wollen. Die Hände, die man trotz der weiten Kleidung des anderen sehen konnte, waren ebenfalls beide verbunden.
 

„Hallo“, grüßte Sasuke ihn leise und senkte den Blick. „Kann ich reinkommen?“
 

Ein Clanoberhaupt senkte nicht sein Haupt. Es sorgte dafür, dass andere zu Boden blickten.

Aber in diesem Moment war Sasuke nur Sasuke. Nicht Sasuke Uchiha.
 

Itachi nickte sofort und ließ seinen Exfreund eintreten.
 

Die beiden setzten sich ins Wohnzimmer. Der Mizu hatte seinen Besucher umgehend dorthin gebeten, als er sah, wie erschöpft dieser war. Sasuke blinzelte müde unter den Verbänden und unterdrückte nur schwer ein Gähnen.
 

Itachi war froh, dass es Sasuke nicht schlimmer erwischt hatte, auch wenn zwei, drei Rippen des jungen Vaters geprellt waren.
 

Sasuke hätte tot sein können.
 


 

Eine Weile schwiegen sie sich an. Itachi kochte Tee für sie beide und Sasuke dankte ihm dafür. Aber als der Uchiha auch nach zehn endlosen Minuten noch kein Wort gesagt hatte, wurde Itachi ungeduldig wie sonst selten.
 

Kisame war gefasst, was trieb seinen Exfreund nun also zu ihm?

Wieso schwieg er und verhielt sich so zurückhaltend?
 

„Wieso bist du hergekommen?“, fragte er deshalb.

Der Mizu war müde, er wollte nur noch ein wenig essen und sich dann hinlegen. Die Ruhe nutzen, die ihm noch blieb.
 

Selbst Sasukes Besuch änderte daran nichts. Er fühlte sich nicht imstande, mit dem anderen zu streiten. Denn streiten, das würden sie sicher.

Vielleicht warf Sasuke ihm ja auch vor, ihn und Mine so gefährdet zu haben, obwohl Mine sich selbst dazu entschieden hatte. Sie hatte es dem Mizu erklärt, als Sasuke noch in Behandlung gewesen war und Madaras Neffe das Krankenhaus verlassen wollte.
 

Sie hatte Sasuke schützen wollen, so wie er. Aber ihr wäre es fast geglückt.

Nein.

Sie hätte es geschafft, hätte er Sasuke nicht dorthin mitgenommen.
 

Sasukes Stimme riss ihn aus seinen Gedanken: „Ich will mit dir reden.“

„Worüber?“, wollte der Mizu wissen.

Das Clanoberhaupt blickte auf Itachis Bein. Gut unter der Stoffhose verborgen befand sich die Wunde, die Itachi seinem einst besten Freund zu verdanken hatte. Mine hatte Sasuke erzählt, wie es dem Mizu ergangen war. Dass die Fleischwunde schlecht ausgesehen und nur schwer hatte genäht werden können, weil der Soldat die Klinge selbst entfernt hatte. „Über uns“, murmelte er dann leise.

Aufmerksam wurde er beobachtet. Der Vater spürte, wie sehr er seinen Exfreund irritierte.
 

„Ich habe mit Mine geredet“, erklärte er deshalb. „Und sie um Rat gefragt. Sie ist großartig. Wurde nicht böse und meinte, sie will mit mir verheiratet bleiben. Obwohl ich schwul bin und wir nur gute Freunde sind. Obwohl ich ein Idiot bin.“

Sasuke lachte leise.

Itachi lächelte. Er freute sich für den anderen, auch wenn er nicht verstand, wieso dieser ihm davon erzählte. Was nutzte es Sasuke, ihm das zu sagen?
 

„Deshalb bist du hier?“, fragte er deshalb.

Sasuke verneinte und blickte ihn dann unsicher an. „Ich möchte eine Chance, Itachi.“
 

Nun vollends verwirrt starrte Itachi sein Gegenüber lediglich an, ehe er sich zu einem „Was für eine Chance denn?“ durchringen konnte.

Was für eine Chance könnte Sasuke von ihm wollen?
 

Anscheinend war seine Reaktion jedoch die denkbar falscheste Antwort, die es geben konnte, denn sofort wurde der Uchiha unsicher und blickte ihn nicht einmal mehr an, sondern erhob sich schnell, als habe er sich verbrannt. „Keine Chance. Mach dir keine Gedanken. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder“, murmelte er, bevor er sich zum Gehen wandte.
 

Was hatte Itachi falsch gemacht?

Er verstand es nicht.

Aber was er verstand, war: Sasuke wollte gehen.
 

Für immer.
 

Sofort war der verletzte Mizu auf den Beinen und packte den anderen am Handgelenk, obwohl der dadurch Schmerzen haben musste. Zischend atmete Sasuke aus.
 

„Welche Chance willst du haben?“, hakte der Mizu unbeeindruckt nach und ignorierte den Funken Hoffnung, der in ihm aufflammte. Kämpfte ihn zunichte.

Sasuke konnte ihn doch nicht einmal ausstehen!
 

Doch nun blickte ihm eben jener traurig in die Augen. „Ich wollte für uns eine Chance, Itachi. Ich will mit dir zusammen sein, wenn du hier bist. Oder dich mal besuchen können. Ich will nicht, dass du wieder vor mir abhaust, weil ich ein Trottel bin und nie Rücksicht nehme.“
 

Itachi starrte ihn an.

Brauchte eine Weile, um sich zu fangen.

Der Funken Hoffnung wurde zur Stichflamme, aber er versuchte weiter, sie zu unterdrücken.

Diese verdammte Hoffnung.
 

„Du willst eine Beziehung mit mir führen?“, fragte er unsicher.

Hoffte, den Uchiha nicht falsch verstanden zu haben.
 

Sasuke nickte lediglich und wollte sich wieder abwenden, aber der Mizu zog ihn in seine Arme.

Ihre Verletzungen waren ihm egal.
 

Er konnte Sasuke halten.

Sasuke wollte ihn!
 

„Ich will dieselbe Chance“, murmelte er in das Ohr des Clanoberhaupts, während er ihn vorsichtig festhielt.
 

Er hatte furchtbare Angst, zurückgestoßen zu werden.

Ihre Beziehung war nie einfach gewesen, und nun wäre sie noch schwieriger.

Sie könnten nie essen gehen, sich nie in der Öffentlichkeit küssen oder auch nur die Hände halten.
 

Sasuke war ein Clanoberhaupt.

Er hatte Verantwortung zu tragen.

Sicher würde er das nicht wollen, diese verdeckte Beziehung- erst recht nicht mit ihm.

Nicht nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war.

Was überhaupt alles vorgefallen war.

Itachi erinnerte sich an Kisames Ruf, dass Sasuke ihn doch umbringen solle, wenn er es könne, als hätte der Hoshigaki diese Worte erst vor wenigen Sekunden gebrüllt.
 

Sasuke hatte es nicht gekonnt.

Hatte Kisame nicht töten können.
 

Eine heimliche Beziehung mit Itachi führen, das konnte er vielleicht ebenso wenig.
 

Aber Sasuke stieß ihn nicht zurück, sondern erwiderte zögernd seine Geste. Schien diese Nähe wirklich zu wollen.
 

Es war ihre erste Umarmung nach drei langen Jahren.



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Kommentare zu dieser Fanfic (15)
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Von:  Takui
2013-09-03T10:11:18+00:00 03.09.2013 12:11
Hey, danke wieder für die ENS.
Das Ende der ganzen Story kann sich doch echt sehen lassen. Bin sehr froh, dass Itachi und Sasuke jetzt doch noch zusammengefunden haben. Eine bessere lösung für das Problem hätten sie wohl kaum finden können. Auch wenn es jetzt wohl wirklich noch schwieriger als vorher für sie wird.
Einen großen Respekt hat Mine sich verdient. Welche Ehefrau tut sowas schon für ihren Ehemann. Für sie ist die Sache auch nicht leicht. Es ist schön zu sehen, dass alles ein gutes Ende gefunden hat. ; )

L.G.
Takui
Von:  Takui
2013-08-26T10:22:04+00:00 26.08.2013 12:22
Endlich haben sie ihn!
Hat ja auch echt lange gedauert. Bin total froh dass es noch alles gut gegangen ist. hab schon befürchtet dass einer noch wegen Kisame sein Leben lassen müsste. Zum Glück ist dem ja nicht so. ^^
Jetzt bin ich echt gespannt wie die Sache zwischen Sasuke und Itachi enden wird. Wofür Sasu sich wohl entscheiden wird. Ich kann mir nicht so wirklich vorstellen, dass er komplett zu Itachi zurückkehren wird, obwohl er ihn immernoch liebt. Aber vielleicht überrascht er uns alle ja?

L.G.
Takui
Von:  Takui
2013-08-19T12:05:26+00:00 19.08.2013 14:05
Hey, danke für die ENS.
Das Kapitel war wieder klasse! Mines Aktion finde ich ehrlich gesagt etwas seltsam. Also, ich versteh zwar ihre Beweggründe, aber wirklich clever war das ganze nicht. Und sie hätte sich auch besser eine bessere Identität für Kisame ausdenken können. War nicht gerade klug ihm soviel zu sagen. Kisame ist ja nicht blöd...
Sasuke ist wirklich zu dickköpfig. Itachi hätte ihn da sicherlich irgendwie heil rausbringen können. Aber in der Situation konnte er wahrscheinlich nicht rational denken. Hoffentlich kommen sie da alle heil wieder raus.

L.G.
Takui
Von:  Takui
2013-08-13T13:30:39+00:00 13.08.2013 15:30
Hey, wieder danke für deine Benachrichtigung.
das Kapitel war klasse. Sasukes Emotionen sind toll beschrieben. Man konnte sich wirklich gut in ihn hineinversetzen.
Diese Frau kann ja eigentlich fast nur Mine sein. Auch wenn ich das nicht hoffe. Aber es gibt momentan zu viele Anzeichen dafür. Schließlich sollte sie ja weg sein. Genauso wie Mikoto, aber die würde Kisame ja niemals helfen. Fragt sich nur, was sich die Informantin (Mine?) von der Sache verspricht. Bin gespannt. ; )

L.G.
Takui
Von:  yuki471
2013-08-11T12:17:55+00:00 11.08.2013 14:17
haii
klasse kapitel
armer sasuke,muss an den ort zurück, wo sein vater gestorben ist und es wird immer spannender...
wer ist die partnerin von kisame oder ist das auch gleichzeitig die informantin.....
freue mich schon auf den nächsten kapitel

Von:  Takui
2013-08-08T11:34:09+00:00 08.08.2013 13:34
Hey, danke für die ENS.Sorry dass ich erst jetzt zum lesen kam. Hab eine Menge zu tun.
Das Kapitel fand ich wirklich schön. Ich freu mich für Madara, dass er jetzt eine Freundin gefunden hat. Hoffe, die zwei werden glücklich miteinander. ^^
dass Sasuke langsam Einsicht zeigt ist auch toll. Hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben. Bin jetzt gespannt was Mine Shisui erzählt hat.

L.G.
Takui

Von:  Takui
2013-04-29T16:21:42+00:00 29.04.2013 18:21
Hey, wieder ein großes Dankeschön für deine ENS. ; )
Das Kapitel war wirklich gut. Sasuke ist nach wie vor ein Sturkopf. Und nicht sonderlich kritikfähig. Er versucht immer die Schuld von sich selbst auf andere zu schieben. Keine sehr gute Eigenschaft. Hoffentlich lernt er mal zu seinen Fehlern zu stehen. Schließlich verletzt er mit seinen Äußerungen auch andere. Haben wir ja schonmal gesehen...
Vielleicht sieht er es aber endlich auch ein und entschuldigt sich bei Itachi.
Mach weiter so!

L.G.
Takui
Von:  Takui
2013-04-14T09:05:19+00:00 14.04.2013 11:05
Hey, ein klasse Kapitel!
ich frag mich wirklich, wer diese Dareshimo ist (und ob das ihr wirklicher Name ist). Ob sie eher zuden guten gehört lässt sich ja bisher schlecht einordnen.
Sasuke hat sich selbst wohl maßlos überschätzt. Er kann nur froh sein, dass die Halle leer war. Von Shisui wird das sicherlich noch Ärger geben. Aber ich bin froh, dass Itachi und er sich jetzt endlich wiedersehen. ^^
Frag mich schon, wie sie sich jetzt gegenüber verhalten werden. ; )

L.G.
Takui
Von:  Takui
2013-04-01T17:18:49+00:00 01.04.2013 19:18
Hey,
danke für die lieben Grüße und deine Antworten. Wünsche auch dir noch ein frohes Fest. ^^
Das kapitel war toll. Freut mich, dass sasuke beschloßen hat ehrlich zu sein. Mine hat echt cool reagiert. Hätte ich nicht gedacht. Ich kann sie mittlerweile ziemlich gut leiden.
Fragt sich nur, ob sasuke und Itachi sich nun wiedersehen und wie das trffen mit ihnen abläuft. Bin schon gespannt. ; )

L.G.
Takui
Von:  Takui
2013-03-19T11:42:19+00:00 19.03.2013 12:42
Danke für deine Nachricht. War wieder sehr aufschlussreich. ^^
Mine ahnt jetzt also was. vielleicht hätte Mikoto das mit der innigen Beziehung nicht erwähnen sollen. Sie wird jetzt wohl alles daran setzen raus zu finden was dahinter steckt. Sasuke wird sich darüber gar nicht freuen. Ich befürchte, da bahnt sich ein kleines Gewitter an...
von Shisui war es richtig sasuke aus der Sache raushalten zu wollen. Allerdings hat Itachi mit seiner Vermutung, dass er sich nicht davon abhalten lassen wird selbst zu suchen wohl leider Recht.
Bin gespannt wann sie sich endlich mal wiedersehen. ; )

L.G.
Takui


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