Vergessen von Eissturm ================================================================================ Kapitel 2: Der Anfang allen Übels --------------------------------- Etwa zwei Jahre zuvor... Bei jedem vorbeifahrenden Auto sprang der Gitarrist auf und lief zum Fenster. Doch der Ersehnte erschien nicht. Nervös begann Jan damit im Raum auf und ab zu laufen, schaute jede Minute mindestens einmal auf seine Armbanduhr und seufzte dann laut. Der Chilene hingegen saß gelangweilt auf dem Sofa, blätterte in einer Zeitschrift und blickte immer wieder zu Jan hinüber. "Jetzt reicht es aber mal, du machst mich wahnsinnig. Setz' dich gefälligst hin oder geh raus!" Erschrocken über diese plötzliche Ansage blickte Jan zu Rodrigo. "Er ist zu spät!" - "Das kennen wir doch schon von ihm. Er kommt immer zu spät, langsam solltest du dich dran gewöhnt haben, Jan!", erwiderte der Jüngere gereizt. "Später als üblich, meine ich. Nicht, dass was passiert ist. Es ist schließlich spiegelglatt draußen." - "Dann ruf ihn doch einfach an und frag ihn, wo er bleibt!" Genervt rollte Jan mit den Augen. Auf diese simple Idee hätte er auch selbst kommen können. Er kramte sein mobiles Telefon aus seiner Hosentasche und wählte die Nummer des Ältesten. "Hallo Dirk, ich wollte nur mal fragen, ob du vorhast heute nochmal vorbei zu kommen." ... "Wieso? Na, das Chilenchen und ich sitzen hier und warten auf dich!" ... "Vielleicht, weil wir verabredet sind? Wir wollen proben für die nächste Tour." ... Plötzlich entglitten dem Blonden sämtliche Gesichtszüge. "Die Tour, die in drei Monaten beginnt? Dirk, hast du dir jetzt sämtliche Gehirnzellen weggesoffen? Sieh zu, dass du deinen Hintern hoch bekommst und innerhalb der nächsten 20 Minuten hier auf der Matte stehst!" Wütend legte der Gitarrist auf und warf einen entsetzten Blick in Richtung des Chilenen, der interessiert aufblickte. "Was ist los?" - "Er hat's vergessen!" Gleichgültig winkte der Schwarzhaarige ab. "Mach keinen Elefanten draus! Kann jedem mal passieren. War gestern wohl doch ein bisschen später bei ihm. Kommt er noch oder verschieben wir die Probe?" - "Er hat die komplette Tour vergessen, soviel kann selbst ein Bela B nicht trinken! Was bildet der sich eigentlich ein?" - "Vielleicht ist das einfach eine Begleiterscheinung des Älterwerdens.", witzelte der Chilene. "Hauptsache ist doch, dass er nächsten Monat mit dabei ist.", Rodrigo erhob sich von seinem Stuhl "Ich bin draußen, noch schnell ein, zwei Zigaretten rauchen, bevor wir endlich loslegen können." Eine dreiviertel Stunde und drei Zigaretten später fuhr endlich der Wagen des Schlagzeugers auf den Hof. Rodrigo nahm einen letzten Zug, warf die Kippe auf den Boden und trat sie aus. "Hallo Dirk! Schön, dass du auch noch auftauchst. Gab's Stau?" - "Hi Rod! Nee, ich konnte meinen Autoschlüssel nicht finden. Ich hab das halbe Haus auf den Kopf stellen müssen, bis ich ihn endlich gefunden habe... Können wir?" - "Das haben wir gern. Erst zwei Stunden zu spät hier aufkreuzen und dann stressen.", grinste Rodrigo. "Tut mir ja leid, ich hab's einfach vergessen. Passiert doch jedem mal.", giftete Dirk. Besänftigend hob der Chilene die Arme. "Schon gut, schon gut, ich bin ein geduldiger Mensch. Jan ist es, dem du Rechenschaft ablegen solltest." Auf dem Weg nach drinnen betrachtete der Chilene den Schlagzeuger genau. Dessen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab. "Wo waren sie denn?" Überrascht wandt Dirk seinen Blick dem Jüngeren zu. "die Autoschlüssel.", bekräftigte Rod. "Achso." Der Kleinere grinste verlegen. "Ich hatte sie im Kühlschrank vergessen..." "BELAAAAAA!!!!! Jetzt reiß dich aber mal zusammen. Wir sind echt eingerostet und sollten wirklich proben. Wenn wir auf der Tour so grottenschlecht spielen, wird das unsere letzte sein!", Jan war wütend. Nicht nur, dass der Schlagzeuger sie zwei Stunden hatte warten lassen, nein, jetzt versemmelte er auch noch jedes dritte Lied. "Reg dich nicht so auf, Aussetzer gehören einfach mit zur Bühnenshow.", witzelte der Älteste. "Klar, hin und wieder einen Textaussetzer zu haben ist normal. Aber du übertreibst maßlos. Wir sind wirklich schlecht. - Ausgenommen von Rod, natürlich! Nächsten Monat müssen wir wenigstens einigermaßen überzeugen, sonst können wir einpacken, Die Fans in Tula kennen uns nicht, die erwarten ne einwandfreie Show!" Rodrigo, seineszeichens überaus harmoniebedürftig, war es der geschickt vom Thema ablenkte. "Jungs, ich hab echt Hunger. Lasst uns doch was essen gehen, vielleicht können wir mal ein bisschen über die Planung für das nächste Album sprechen. Das muss auch langsam in Angriff genommen werden. Zum Proben können wir uns ein andern Mal treffen. Bis zur Tour sind wir fit, hat bisher doch auch immer funktioniert. Kein Grund jetzt zu streiten." Wütend schnaubte der Blonde. "Ich hoffe, du behältst Recht." - "Sicher, cool bleiben! Lass uns gehen." Dirk war Rodrigo überaus dankbar für sein Ablenkungsmanöver und machte sich als erster auf den Weg nach draußen. Erst nachdem die Kellnerin die Getränke der drei Musiker an den Tisch gebracht hatte, begannen sie über die Planung des in Kürze anstehenden Albums. "Und? Habt ihr euch schon eure hübschen Köpfe über den Namen zerbrochen? Habt ihr Ideen? Anregungen?" Jan hatte sich mittlerweile wieder etwas entspannt und war wesentlich weniger feindseelig als noch vor einigen Minuten im Studio. Rodrigo schüttelte den Kopf. "Ich hatte zwar ein paar Ansätze, aber was wirklich gutes und aussagekräftiges ist mir nicht in den Kopf gekommen. In einem Haus, in dem ein Kind lebt, fällt das Arbeiten wirklich schwer. Aber der Name sollte das geringste Problem sein, viel mehr müssten wir so langsam die Stücke zusammentragen." Der Chilene wandte sich dem Schlagzeuger zu, welcher ziellos in der Gegend umherschaute. "Hilfst du mir wieder ein bisschen bei den Texten? Ich hab auch noch ein paar Akkorde überschüssig, vielleicht können wir den ein oder anderen bei deinen Texten mit unterbringen." Der Schlagzeuger reagierte nicht. Fragend warf der Jüngste der Runde dem Größten einen Blick zu. Der zuckte nur mit den Schultern. "Vielleicht hat er gerade eine spontane Eingebung bezüglich des Albumnamens.", witzelte er. Nachdem Dirk auch darauf nicht reagierte, wurde er von Rodrigo angestoßen. "Dirk, hörst du mir überhaupt zu?" Der Schlagzeuger schreckte auf. "Hast du was gesagt?" Jan und Rod grinsten. "Guten Morgen, Dornröschen. Ich hab gefragt, ob wir uns morgen nochmal treffen können um meine Texte durchzugehen." Der Schlagzeuger willigte ein. "Klar, ich bin morgen um zehn bei dir. Sorg' dafür, dass du was zum Frühstücken da hast, sonst fahr ich wieder heim." - "Geht in Ordnung, die Marzipancrossints stehen für dich bereit.", antwortete der Bassist lächelnd. Nach einem kurzem Blick auf die Uhr trank er seine Cola aus. "Jungs, ich muss gehen, Sandra hat einen Termin beim Arzt und ich muss Clara vom Kindergarten abholen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)