Black and White von -akai- ================================================================================ Kapitel 6: Nikolaus ------------------- Diesen Tag würde Rui sich im Kalender rot anstreichen. Manabu war allen Ernstes vor ihm wach! Als Rui wach wurde, war das Bett neben ihm leer. Anstatt wie sonst Manabu zu sehen, wenn er die Augen aufschlug, blickte ihm Maru entgegen, die sich auf dem Kopfissen des Braunhaarigen zusammen gerollt hatte. Der Bassist kraulte Maru kurz über den Kopf, was sie mit einem leisen Maunzen quittierte, bevor er das Schlafzimmer verließ. Manabu saß mit einer Tasse Kaffee am Küchentisch und las Zeitung. „Frag nicht warum ich schon wach bin, ich hab keine Ahnung!“, begrüßte er Rui schulterzuckend, der ihn gerade fragen wollte, warum er schon wach war. „Seit wann kannst du Gedanken lesen? Das ist eigentlich mein Part“, schmunzelte der Bassist, während er sich ebenfalls eine Tasse Kaffee eingoss. „Wo ist eigentlich mein Adventskalender für heute?“, fragte Manabu und sah zu Rui, der mal wieder mit den Augen rollte. „Du Kleinkind“, grinste er, bevor er aufstand und die Küche verließ. Kurz darauf kam er mit einem eingepackten Geschenk wieder, doch zunächst drückte er Manabu noch seine Lieblingsschokolade in die Hand. Das Geschenk selber war rechteckig und ziemlich dick. „Ein Buch?“, wunderte sich der Gitarrist und nahm das Geschenk dankend an. Er riss neugierig das Papier ab und starrte den Rosahaarigen danach fassungslos an. „Ich… danke!“ Er wusste nicht, was er sagen sollte. In seinen Händen hielt er den zweiten Band des Romans, den er am Sonntag angefangen hatte zu lesen. Er hatte ja mit allem gerechnet, aber nicht damit. „Gefällt‘s dir?“, fragte Rui lächelnd und erntete ein Nicken. Bei der Probe gab es dann sogar ein Nikolausgeschenk von Kazuki. Er hatte gestern Abend scheinbar noch Kekse gebacken und verteilte diese nun an seine Bandmember. „Mit viel Liebe gebacken!“, grinste er und Jin, der gerade einen Keks probierte, verschluckte sich prompt. „Oh Gott, jetzt hab ich Bilder im Kopf!“, jaulte er und schüttelte selbigen. „Bilder?“, fragte Manabu ahnungslos, während die anderen drei schon lachten. Sie hatten direkt verstanden, was der Kleinste meinte. „Ja, Bilder. Oder momentan sogar einen Film, wie Byou ein lebendiges Plätzchen mit Zuckerguss und Co verziert und davon nascht. Viel Liebe und so“, jammerte der Drummer weiter und nun verstand auch der Gitarrist, was Jin gemeint hatte. „Keine Angst, das kam erst, nachdem die Plätzchen fertig und bereits weggepackt waren. Das weiße auf den Plätzchen ist also wirklich Zuckerguss und nicht was anderes!“, grinste der Sänger und leckte sich über die Lippen. „Byou!“, kam es angeekelt von Jin und Manabu, die angewidert das Gesicht verzogen, während der Rest immer noch lachte. „Wieso kommt mir jetzt gerade spontan Kekswichsen in den Sinn?“, fragte Rui und erntete dadurch einen Schlag von Manabu auf den Oberarm. „Bah, jetzt wird’s echt ekelig!“ Murrend rieb sich der Rosahaarige über den Arm. „Musst nicht gleich zuschlagen.“ Manabu kommentierte das nur mit einem „Memme“, doch bevor das wieder zu ihrer alltäglichen Streitigkeit ausartete, ging Kazuki dazwischen. „Die bösen Worte, die uns auf der Zunge liegen, sprechen wir jetzt nicht aus. Stattdessen nehmen wir uns ganz doll in den Arm und zeigen uns, wie lieb wir uns haben“, sagte er mit einer Stimme, als würde er mit Kindergartenkindern sprechen. Es hatte zumindest bei Manabu den Effekt, dass dieser lachte, doch Rui grinste. „Ich soll Manabu in den Arm nehmen und ihn lieben? Sag doch gleich, dass du einen Live-Porno willst!“ „Rui!“, kam es dieses Mal von dem brünetten Gitarristen und er sah seinen besten Freund irritiert an. „Was ist heute los mit dir?“ „Keine Ahnung, aber ihr habt damit angefangen“, antwortete er schulterzuckend. Kollektives Seufzen bei den anderen vieren, bevor sie sich wieder daran machten, weiter an Songs zu arbeiten. Gegen Nachmittag klopfte es an der Tür und ihr Manager steckte den Kopf durch die Tür. „Ihr könnt für heute Schluss machen. In zehn Minuten treffen wir uns im kleinen Saal im vierten Stock.“ Verwirrt sah die Band den Mann mittleren Alters an. „Ehhh? Wieso das?“, fragte Kazuki und in seinem Kopf arbeitete es schon. „Das werdet ihr dann gleich erfahren. Seid einfach in zehn Minuten da!“ Und damit war er auch schon wieder verschwunden. „Was könnten sie von uns wollen?“, fragte nun Byou, während sie ihre Instrumente zur Seite stellten. „Ich hab beim besten Willen keine Ahnung. Ich bin aber sehr gespannt“, antwortete der Leader. Fünf Minuten später waren alle Instrumente sicher verstaut. Taschen und Jacken konnten sie ja hier lassen, aber ihre Handys steckten sie alle ein und traten dann hinaus auf den Flur. Dort liefen sie auch gleich in die Jungs von Alice Nine rein, die ihren Raum am Ende des Flures hatten. „Wurdet ihr auch in den Saal beordert?“, fragte Manabu sogleich und Saga nickte. „Ja, unser Manager meinte, wir sollten dahin kommen. Worum es geht, wollte er uns aber nicht sagen“. „Okay, komisch. Na dann mal abwarten, was wir gleich zu hören bekommen." So machten sich die beiden Bands zusammen auf den Weg zum Saal. Dort waren einige Tische aufgestellt, die weihnachtlich dekoriert waren. An einem Tisch saß bereits die ‚obere Etage‘ der PSC und die anderen Bands, sowohl Indie als auch Major, hatten sich an die Tische verteilt. Auch Alice Nine und Screw gesellten sich nun dazu. „Wisst ihr, was das werden soll?“, wandte sich Kazuki an Aoi, doch der Schwarzhaarige schüttelte den Kopf. „Nein, scheinbar weiß keiner was, außer das Management.“ Mysteriös. Doch scheinbar waren sie nun vollzählig, denn einer der Manager erhob sich. „Ihr fragt euch bestimmt, warum wir euch alle hierher geordert haben“ Zustimmendes Gemurmel aus dem ganzen Saal. „Nun ja, wie ihr wisst, werden SuG uns Ende des Monats verlassen. Und wir haben uns überlegt, dass es aufgrund des engen Zeitplans einiger Bands kaum möglich sein wird, eine extra Abschiedsparty zu veranstalten, wo alle Bands dran teilnehmen könnten. Mit der Weihnachtsfeier wollten wir das aber auch nicht verbinden. Und deshalb dachten wir uns, dass wir uns heute alle zusammen einen schönen gemütlichen Nachmittag machen und das hier dann zum internen Abschied von SuG machen.“ Zustimmende Rufe von überall her. Das war wirklich eine gute Idee. Es wäre wirklich schwer geworden, jetzt noch einen Termin zu finden, wo alle Bands Zeit hätten. Zwar würden SuG auch an der Weihnachtsfeier und an der Silvesterparty teilnehmen, aber sie hatten wirklich eine eigene Party verdient. Der Manager eröffnete dann auch das Kuchen- und Süßkram-Buffet, was an einer Seite des Saals aufgebaut war. Es sah beinahe so aus, als hätte die PSC das ‚Sweets Paradise‘ ausgeraubt. Lauter Mini-Kuchen in verschiedenen Formen, Farben, Größen und in den verschiedensten Geschmacksrichtungen. Plätzchen gab es auch jede Menge und lauter andere Dickmacher. „Ich glaube, die wollen uns mästen!“, entfuhr es Manabu, als er vor dem Buffet stand. Tora, der neben ihm stand, grinste. „Naja, so viel wie wir unterwegs sind und teilweise Stress haben, wird das Zeug eh nicht ansetzen“ Gut, auch wieder wahr. Die meisten unter ihnen konnten wirklich so viel in sich reinstopfen wie sie wollten, aber sie nahmen trotzdem nicht großartig zu. Also lud sich der Braunhaarige einige Kuchen und Kekse auf den Teller und machte sich auf den Weg zurück zu seinem Tisch. Nachdem alle sich dann mit Kuchen vollgestopft hatten, hielt jeder SuG-Member eine kleine Rede. Sie bedankten sich für die tolle Zeit, die sie bis jetzt mit den anderen PSC-Bands gehabt hatten, erzählten von Momenten, die sie aus welchen Gründen auch immer nie vergessen würden und so weiter. Während die Member sprachen, war es still im Saal und alle lauschten den Worten der fünf Musiker. Danach gab es einen Applaus für SuG, der auch nicht so schnell abklang, was ihnen die Tränen in die Augen trieb. Vielleicht waren sie alle untereinander nicht die besten Freunde, aber dennoch waren sie gute Kollegen. Mit dem ein oder anderen verstand man sich vielleicht nicht allzu gut. Streitigkeiten gab es immer irgendwo, aber sie waren alle durch ihre Musik verbunden. Sie waren alle mit Leib und Seele Musiker und das reichte. Am Abend löste sich die Versammlung langsam auf. Auch Manabu und Rui machten sich auf den Weg nach Hause. Unterwegs erledigten sie noch den Einkauf. Auch wenn die meisten Läden hier 24 Stunden offen hatten und man somit immer kurz noch etwas holen konnten, war es sinnvoller, immer genug Dinge im Haus zu haben. „Ich finde es schade, dass SuG vorerst aufhören“, bedauerte Rui, während sie mit einigen Tüten beladen durch die Straßen liefen. „Ja, das stimmt. Ist immer blöd, wenn eine Band wegen was auch immer aufhört.“ Der Bassist nickte. „Ja. Ich glaube, ich werde die Zeit mit Chiyu echt vermissen. Er lernt so verdammt schnell.“ Die Bassisten trafen sich öfters Mal und übten gemeinsam. Doch nicht nur die beiden. Saga war meistens auch dabei und wenn es zeitlich passte, leistete Reita ihnen auch noch Gesellschaft. Sie tauschten Gegenseitig neue Techniken aus oder berieten sich über Melodien. Es war halt was ganz anderes, mit den gleichen Instrumenten zu üben als mit der eigenen Band. Und Chiyu hatte wirklich verdammt viel in sehr kurzer Zeit gelernt. „Naja, Chiyu wird ja weiter zu den Treffen kommen können. Nur, weil sie die PSC verlassen, heißt es ja nicht, dass sie ganz aus der Welt sind.“ Wahre Worte, die den Bassisten aufmunterten. „Du bist heute irgendwie komisch“, meinte Manabu, als sie ihre warme Wohnung erreicht hatten. „Heute Vormittag aufgedreht und pervers und jetzt still, betrübt und nachdenklich. Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte er, doch Rui schüttelte den Kopf. „Nein, alles okay.“, beruhigte er seinen Freund, der noch etwas skeptisch drein sah. „Du musst nur sagen, wenn ich dir nicht pervers genug bin. Es geht immer mehr“, grinste der Rosahaarige wieder und legte seine Arme um den Gitarristen, der ihm erneut auf den Oberarm schlug. „Du bist doch echt unmöglich. Ich mach mir in gewisser Weise Sorgen um dich und du kommst wieder mit sowas“, maulte er, was Rui zum Lachen brachte. „Jaja, mach dich nur über mich lustig, mit mir kann man das ja machen“, fuhr er fort, doch wieder grinste der Ältere nur. „Stell dich nicht so an, Zicke“. „Ich bin keine Zicke!“ „Okay, du bist keine Zicke, meine kleinen Diva!“ „Du bist nicht nur unmöglich, du bist scheiße! Du liebst mich gar nicht! Normalerweise gibt man einem Partner Kosenamen und keine Beleidigungen!“ Da war sie wieder, die alltägliche ‚Auseinandersetzung‘. Irgendwie schienen beide nicht ohne zu können, doch das Sprichwort „Was sich liebt, das neckt sich“ musste ja auch irgendwo seinen Ursprung haben. „Soll ich dich also lieber Hasi, Schnucki oder Mäuschen nennen?“, fragte Rui trocken und Manabu verzog das Gesicht. „Ich nehm alles zurück. Bleib bei der Zicke“, antwortete er und der Rosahaarige grinste wieder. „Ich wusste, dass du drauf stehst, Zicke“. Die Arme des Gitarristen legten sich um seine Hüfte. „Hättest du wohl gerne, Machoarsch“. Ruis Hände legten sich auf Manabus Hintern. „Und wie, Prinzesschen!“ Ihre grinsenden Lippen kamen sich näher. „In deinen Träumen, Schmalspur-Casanova!“. Ein kleines Blitzen in beiden Augenpaaren. „Ich liebe dich“. „Ich dich auch“. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)