Bleeding Hearts von RubyRose (Bis(s) dass der Tod uns nie mehr scheidet) ================================================================================ Kapitel 8: Confessions of a Vampire ----------------------------------- Ich blieb auf meinem Stuhl sitzen und wartete. Und wartete. Ach ja, und ich wartete. Victor kam einfach nicht zurück. Ob etwas Schlimmes passiert war? Oder vielleicht konnten sie Jason auch einfach nur nicht finden. Mein Kopf malte sich die unterschiedlichsten Bilder aus, hunderte mögliche Szenarien gingen mir durch den Kopf, angefangen dabei, dass einer der Jungs draußen womöglich von einem Auto überfahren war bis hin zu Crystal, die sich an meinen Freund ran machte und versuchte ihn mir auszuspannen, und Victor das mit sich machen ließ. Ich wollte gerade schon der Eifersucht in mir nachgeben und wütend werden, da sah ich Crystal am anderen Ende des Raumes stehen. Wenigstens diese eine Gefahr war gebannt. Lilly war bereits von ihrer Mutter abgeholt worden. Meine beste Freundin war müde gewesen und hatte keine Lust mehr gehabt. Natürlich hatte sie mich gefragt, ob sie mich nicht noch nach Hause bringen sollten, aber ich wollte lieber auf Victor warten, er würde mich schon heim bringen später. Jedenfalls dachte ich das. Doch je mehr Zeit verstrich, desto unsicherer wurde ich mir dessen. Nicht, dass da wirklich noch etwas Ernstes passiert war! Das wäre nicht auszudenken. Ich wartete eine halbe Stunde. Ich wartete noch eine halbe Stunde. Hin und wieder holte ich mir noch etwas zu trinken oder unterhielt mich mit dem einen oder anderen Mädchen, das keine totale Vollzicke war. (Von denen gab es bei uns an der Schule leider nur ziemlich wenige.) Aber immer hielt ich mich nahe bei der Tür auf und hatte stets mindestens ein Auge auf den Eingang gerichtet, aber nichts tat sich. Kein Victor Blackraven. Kein Jason. Nicht einmal einer ihrer Freunde, mit denen Victor losgegangen war, kam zurück. Mittlerweile machte ich mir wirklich große Sorgen. Ich konnte nicht einfach tatenlos hier sitzen bleiben und zusehen wie der Sekundenzeiger auf der großen Uhr eine Runde nach der anderen drehte. Ich ging zur Garderobe, schnappte mir mein dünnes Schultertuch und machte mich auf nach draußen. Ich war fest entschlossen die Jungs suchen zu gehen! Draußen schlug mir beißende Kälte entgegen, die mich sofort zittern ließ und mir die Tränen in die Augen trieb. Ich hätte mir eine warme Jacke mitnehmen sollen... Ein eiskalter Wind wehte mir die Röcke um die Beine, die mit nichts weiter als einer dünnen Seidenstrumpfhose bedeckt waren. Es würde auch nicht lange dauern und die Kälte würde durch meine Schuhe kriechen und mir meine Zehen zu tauben Eisklumpen werden lassen. Wenn ich nur wüsste ich welche Richtung ich gehen sollte! Zuerst versuchte ich es mit den Plätzen, an denen wir uns am liebsten während unserer Pausen aufhielten, aber ich konnte niemanden entdecken. Am Himmel kam der Mond hinter ein paar Wolken hervor und ließ den Asphalt, auf dem ich leif, hell erstrahlen. Eigentlich war es eine sehr schöne Nacht, viele Sterne schienen am Himmel. Wenn es nur nicht so kalt gewesen wäre! Ich zog mir das Tuch fester um die Schultern und betete, dass ich die Jungs bald finden würde, damit ich schnell wieder in einen warmen Raum kommen konnte. Ich vernahm plötzlich ein Rauschen und blickte hinüber zu dem Wald, der ein paar hundert Meter hinter unserem Schulgebäude begann. Ein Vogelschwarm stieg zwischen den Baumwipfeln auf, als hätte irgend etwas die Tiere plötzlich aufgeschreckt. Natürlich konnte es irgendein Waldtier gewesen sein. Ein Fuchs vielleicht, oder auch eine Eule. Aber mein gefühl sagte mir etwas anderes... Ganz automatisch beschleunigte ich meine Schritte und kam dem Wald immer näher. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich dort mitten zwischen den Bäumen Antworten finden würde, und hoffentlich auch endlich meinen Victor. Es war ganz schön schwer mit den spitzen Absätzen meiner Schuhe durch das Laub zu laufen. Immer wieder knickte ich um, oder mein Absatz bohrte sich in die Erde, die noch nicht überall gefroren war. Irgendwann war es mir dann zu viel und ich zog die Schuhe kurzerhand einfach aus. Ich trug sie in der Hand und lief barfuß weiter. Ich merkte nicht wie kalt der Boden war, zu sehr war ich in Gedanken damit beschäftigt Victor zu finden. Wenn ihm nun wirklich etwas Schlimmes passiert war? Mittlerweile war ich mir völlig sicher, dass es so sein musste, denn sonst hätte er mich doch niemals so lange alleine gelassen, wo er mir doch versprochen hatte bald wieder zurück zu sein? Während ich lief achtete ich auf jedes Geräusch um mich herum, aber abgesehen von dem Rauschen des Windes durch die blattlosen Äste, die wie völlig verzerrte Gerippe gegen das helle Licht des Mondes aussahen, und meinen eigenen Schritten im am Boden vermodernden Laub konnte ich nichts weiter hören als hier und da die vereinzelten Rufe einer Eule. Und dann blieb ich plötzlich stehen. Ich hatte das Gefühl, dass mich irgendjemand..... oder irgendetwas..... beobachtete. Hastig wandte ich den Blick in alle Richtungen, konnte aber weder etwas hören oder sehen. Ich spürte nur diese merkwürdige drohend wirkende Präsenz. Die Haut in meinem Nacken kribbelte, und ich schüttelte mich, als ob ich dieses unangenehme Gefühl so loswerden könnte. „Victor...?“ Meine Stimme war ganz leise. Ich wagte es gar nicht irgend etwas laut zu sagen. Warum ich dann trotzdem Victors Namen rief wusste ich überhaupt nicht so richtig. Ich wünschte mir, dass er jetzt hier wäre um mir die angst zu nehmen und mich zu beschützen. Ich bildete mir plötzlich ein rechts von mir ein glühendes Augenpaar zu sehen, dass mir nachschaute und mir folgte, wo immer ich mich auch hin wandte. Verdammt, war das unheimlich! Ich schlang meine Arme um meinen Oberkörper und hielt mich selber ganz fest, ohne es wirklich zu merken. Dafür spürte ich, wie eine merkwürdige Kälte in meinen Körper kroch. Ich schob es auf die eisigen Temperaturen im Wald. Immerhin war es Dezember und schon fast Nacht. Das war wohl kaum ein Wetter um in einem Bikini in das nächste Gewässer zu springen. „Ist da jemand“, fragte ich nun etwas lauter, aber kein Stück selbstsicherer. Ich hatte eine verdammt große Angst und konnte mir gar nicht richtig erklären wovor. Das blau funkelnde Augenpaar war genau so plötzlich verschwunden wie es aufgetaucht war, aber ich spürte immer noch die Anwesenheit eines Wesens, was auch immer es sein mochte. Ein Wolf vielleicht? Gab es hier Wölfe? Ehrlich gesagt wusste ich das nicht einmal so genau. Oder war es... ein Geist...? Ein Gespenst...? Das war eigentlich albern, denn ich glaubte nicht an übernatürliche Wesen. Das war eher etwas für Lilly, die sich mit allergrößter Begeisterung Horrorfilme ansah und jedes Buch über Okkultismus las, das sie zwischen die Finger bekommen konnte. Also war sie, was das anging, das komplette Gegenteil von mir. Ich sah die Dinge eher rational. Für alles scheinbar Unerklärliche, was geschah, konnte sich, wenn man nur gut genug danach suchte, eine Ursache finden lassen. Und so würde es auch in meinem jetzigen Fall sein. Zumindest hoffte ich das. Ich hörte immer noch kein einziges Geräuschs, außer einem Vogel, der hin und wieder seinen Ruf erschallen ließ. Hoch oben am Himmel schien immer noch der Mond durch die nackten Zweige der Bäume, und sie sahen aus wie knochige Hände, die über mir ausgebreitet waren und nur darauf zu warten schienen mich zu packen und in kleine Fetzen zu zerreißen. Ich spürte dieses Wesen näher kommen, doch wohin ich auch blickte, ich konnte nichts sehen und nichts hören. Ich wurde immer ängstlicher, und die Tränen traten mir in die Augen. Heiß rannen sie meine Wangen hinab. Mir war furchtbar kalt, es war dunkel und spät, und ich war nicht allein. Ich konnte mich keinen Zentimeter bewegen, nicht einen einzigen. Irgend etwas hielt mich davon ab. Dann legten sich plötzlich zwei große arme von hinten um mich. Ich erschrak so sehr, dass ich laut aufschrie und zusammenzuckte. „Hab keine Angst“, sprach eine wohlbekannte Stimme leise an meinem Ohr. „Es ist alles gut.“ Es war Victor! Er hielt mich so fest, dass ich mich nicht umdrehen und ihn sehen konnte. Ich konnte auch immer noch nicht sprechen. Ich war noch so erschrocken, dass mir immer noch das Herz bis zum Hals schlug. Ich musste erst ein paar mal schlucken, bevor ich mit kratziger Stimme sprechen konnte. „Wo bist du gewesen? Ich habe mir Sorgen gemacht!“ „Ssshhht, Stella.“ Er strich mir sanft über den Kopf. Ich spürte seinen Atem an meinem Hals, und seine kalte Hand um meine Taille. Ich zitterte, und das nicht nur vor Kälte, sondern auch immer noch vor angst. „Was machst du hier? Wo sind die anderen?“ „Die sind nicht da.“ Ich war verwirrt. „Wieso sind sie nicht da? Wo sind sie denn hin?“ „Ssshhht....“ Was, zum Teufel, war hier eigentlich los? Regungslos verharrte ich in Victors Armen und wartete auf das, was als nächstes geschehen würde. „Stella...“ Ich konnte ihm immer noch nicht in die Augen blicken, weil er mich fest hielt. „Ja...?“ Seine Stimme war immer noch gedämpft, während er zu mir sprach, leise und eindringlich. So ganz anders, als ich es von ihm kannte. Verdammt, alles war anders an ihm! Victor benahm sich total merkwürdig. „Ich muss dir etwas erzählen.“ „So....“ Was konnte es sein? In meinem Kopf sponn sich ein Bild zusammen, wie er vielleicht seinen Bruder umgebracht hatte. Ich wusste natürlich, dass das total albern war, aber das hätte wenigstens seine Veränderung mir gegenüber erklären können. „Ich bin nicht der, den du zu kennen glaubst.“ „Was... was meinst du damit...?“ Ich wusste wirklich nicht, worauf Victor eigentlich hinaus wollte. „Glaubst du an übersinnliche Dinge, Stella?“ Seine ruhige aber kalte Stimme jagte mir eiskalte Schauer über den Rücken. „N...nein.... eigentlich nicht.... Wieso...? Weshalb fragst du...?“ Nun drehte Victor mich endlich zu sich um. Das helle Mondlicht schien auf seine Haut, die ohnehin schon sehr blass war, aber nun wirklich weiß wie der Mond selbst war. Seine Haut war so makellos, Victor sah aus als wäre er direkt aus einer Werbeanzeige gesprungen. Er war einfach perfekt. Es saß nie auch nur ein Haar an ihm nicht da, wo es eigentlich hin gehörte. Mein Atem bildete kleine Dampfwölkchen in der Luft. Sein Atem tat das nicht. Ich konnte nichts anderes tun als Victor einfach nur anzustarren. Seine saphirblauen Augen schienen mich regelrecht zu durchbohren. Er grinste, als er weitersprach. „Nun, dann wirst du jetzt vielleicht lernen daran zu glauben.“ Er öffnete den Mund, und seine Lippen legten sein makelloses Gebiss frei. Was daran ungewöhnlich war, waren die verlängerten Eckzähne. Verdammt, seit wann hatte er die denn?!? Mir stockte der Atem. „Du bist ein.... ein.....“ „Ganz richtig, ich bin ein Vampir.“ „Aber die gibt es doch gar nicht“, hauchte ich hilflos in die Stille der Nacht hinein. „Das ist völlig unmöglich!“ „Wenn es so unmöglich ist, wieso stehe ich dann hier?“ „Aber verbrennen Vampire nicht, wenn das Sonnenlicht sie berührt?“ Ich war nun völlig verwirrt. Mein ganzes Weltbild war ins Wanken geraten, und ich versuchte nun krampfhaft es wieder zum Stillstand zu bewegen. Victor grinste mich immer noch an und wirkte auch immer noch so völlig anders als ich ihn kannte. Eigentlich war er fröhlich, sorglos und verdammt cool, aber nun... Er gab sich kühl, berechnend und... ich konnte es nicht richtig beschreiben, mir fehlte das passende Wort dazu. Er hatte die Oberhand in dieser Situation, und das war ihm auch absolut bewusst. „Das mit dem Sonnenlicht ist absoluter Blödsinn. Ich habe keine Ahnung, wer sich das ausgedacht. Bestimmt irgend so ein Typ aus Hollywood.“ „Und was ist mit Knoblauch“, wollte ich von ihm wissen. „Alles, wirklich alles, was die Menschen über Vampire aus Filmen und Büchern und diesem ganzen Mist kennen, ist totaler Schwachsinn.“ „Also gibt es euch wirklich. Du bist wirklich echt?“ Ich streckte zögerlich meine Hand nach ihm aus und berührte sein Gesicht. Ich fühlte kaum etwas, weil meine Hand bereits völlig eingefroren war und schmerzte, genau wie meine Füße, die ich schon längst nicht mehr spüren konnte. Ich konnte Victor anfassen, also war er folglich auch kein Traumgebilde. Ich stand wirklich hier mit ihm in diesem Wald, und das mitten in der Nacht. Der Vollmond schien hell über unseren Köpfen. Ich konnte das vermodernde Laub auf dem Waldboden riechen, und die eiskalte Nachtluft duftete nach Schnee. „Wenn du willst werde ich dir zeigen wie echt ich wirklich bin.“ Er drehte mich wieder um, so dass ich mit dem Rücken zu ihm stand. Dies tat er so abrupt, dass der Stoff meines Kleides um meine Beine flog. Eine von Victors Händen lag auf meinem Kopf und streichelte kaum spürbar mein Haar. Die andere lag oberhalb meiner Brust und hielt mich in einem festen Griff. Vielleicht hätte ich mich daraus befreien können, wenn ich gewollt hätte. Oder wenn ich dazu fähig gewesen wäre mich auch nur ein winziges kleines Stück zu bewegen. Aber ich stand einfach nur da. Mein Blut rauschte mir in den Ohren. Irgendwo rief schon wieder ein Vogel. Mein Blick war stumpf und starr mitten auf die Schwärze des Waldes vor mir gerichtet. Ich dachte nicht mehr nach, ich war nur noch. Ich war und wartete auf das, was Victor mit mir tun würde. Hatte er vor mich zu beißen? Würde er mich damit töten? Trotz dieser Gedanken verspürte ich nicht das geringste bisschen Angst. „Du musst dich nicht vor mir fürchten, Stella, solange du mein Geheimnis für dich bewahrst. Tust du es aber nicht, dann....“ Ich konnte mir sehr gut vorstellen, was Victor mit diesem Satz andeuten wollte. Wenn ich ihn verriet, dann würde ich sicherlich nicht mehr lange leben. Instinktiv wusste ich, was nun geschehen würde. Ich sah wie zunächst nur eine Schneeflocke vor meinen Augen vorbei tanzte, dann noch eine und schließlich immer mehr. Es schneite, zum ersten mal in diesem Winter. Victor senkte seinen Mund auf meinen Hals und ich zuckte zusammen, als ich den stechenden Schmerz spürte, den seine Zähne verursachten, als sie meine Haut durchdrangen. Für einen kurzen Moment erschien alles um mich absolut klar und rein. Ich hatte das Gefühl alles sehen zu können, jede einzelne Kleinigkeit, die von der Dunkelheit eigentlich verschluckt wurde. Ich hörte die Geräusche des Waldes sehr viel intensiver. Es war ein faszinierendes Gefühl. Ich hatte keine Angst mehr, ich fühlte mich, als ob ich in einen Rauschzustand geraten wäre. Willenlos überließ ich mich voll und ganz Victor. Dann wurde mir schwarz vor Augen. In dieser Nacht hatte ich den ersten von vielen merkwürdigen Träumen.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)