Amnesie von Ruki-chan_ ================================================================================ Kapitel 1: one -------------- Die Sonne schien und keine einzige Wolke bedeckte den Himmel. Ich hatte mir wirklich den besten Tag zum – „Aoi? Hey, noch anwesend?“, Kai fuchtelte wild mit der Hand vor meinem Gesicht, so dass ich zurück zuckte. „Weißt du, wo Uruha bleibt?“ Ich sah ihn erst perplex an, bevor ich auf die Tür des Cafés deutete, durch die gerade der Brünette stolzierte. Mit einem charmanten Lächeln ließ er sich neben mir nieder. Ja, sein Lächeln war wirklich wunderschön. „Oh, ihr habt schon ...?“, meinte Uruha, als er sah, wie unsere Bestellung gebracht wurde. „Wir wussten ja nicht, wann du kommst, deswegen …“, versuchte Kai sich zu rechtfertigen, doch Uruha winkte ab. „Kein Problem, ich geh’ mir mal was holen.“ Damit verschwand er zum Tresen. Ich sah ihm nach. Fiel das nur mir auf oder hatte Uruha sich heute besonders hübsch gemacht? Es war doch nur ein Frühstück unter uns Freunden, da musste man sich doch nicht so rausputzen, oder? Nicht, dass er mit Make-up nicht schön aussah, aber mir gefiel die Natürlichkeit eines Menschen viel mehr. Ich griff nach meiner Tasse und trank einige Schlucke Kaffee um wach zu werden. „Und du willst wirklich nichts essen?“ Reita sah mich skeptisch an und biss von seinem Brötchen ab. Ich schüttelte den Kopf. „Solange ich meinen Kaffee und meine Zigaretten habe, reicht mir das.“ „Dann brauchen wir uns also nicht mehr wundern, warum du morgens immer so schlechte Laune hast. Die hätte ich auch, wenn ich nichts im Magen hab’.“ Ich streckte Kai die Zunge raus und griff nach meinen Zigaretten, holte eine aus der Packung. „Du darfst hier nicht rauchen.“ Ich sah hoch in Rukis grinsendes Gesicht. Ach, Mist! Wir saßen ja nicht im Raucherbereich. Murrend steckte ich sie also zurück in die Schachtel, als Uruha sich auch schon wieder mit Kaffee und Toast neben mich setzte. „Und was habt ihr heute noch vor?“, fragte ich einfach in die Runde, damit keine unangenehme Stille entstand. „Ich muss an meiner Maschine arbeiten, die macht komische Geräusche, wenn ich aufs Gas trete.“ Reita schob seinen leeren Teller von sich und schien schon in Gedanken alle möglichen Theorien durchzugehen. „Kein Wunder, wenn du immer mit 180 durch die Straßen donnerst.“ Ruki schüttelte verständnislos den Kopf, doch Reita grinste nur. „Neidisch?“ „Ich werd’ meiner Mutter helfen“, unterbrach Kai schnell das Thema, bevor es wieder ausartete. Das hatten wir schon einmal. Ruki hatte mit Reita gewettet, wer schneller den Führerschein bekommen würde. Und obwohl Ruki genau wusste, dass er unter Druck keine Prüfung bestehen würde, hatte er angenommen … und ist durchgefallen. Beim zweiten Versuch bestand er schließlich auch, aber durfte er sich seitdem immer Kommentare von Reita anhören, sobald es um Autos und Motorräder ging. „Was macht ihr denn?“ Uruha sah interessiert zu Kai und biss von seinem Toast ab. „In ihrer Firma findet morgen eine große Feier statt und ich helfe ihr bei den Essensvorbereitungen.“ Sein Grinsen war mal wieder unschlagbar. „Du und kochen“, Reita rollte mit den Augen. „Ich helfe doch nur!“ „Es hat auch niemand etwas gesagt, Kai. Und es ist doch schön, wenn du ihr hilfst und es dir auch noch Spaß macht.“ Ich lehnte mich zurück und trank einen weiteren Schluck. „Und du?“ Ich sah zu Uruha, der immer noch an seinem Toast knabberte. „Ich? Hm, ich wollte wahrscheinlich in den neuen Laden, der heute aufmacht. Ähm, möchtest du vielleicht mitkommen …?“ Bildete ich mir das wieder nur ein oder wurde Uruha gerade ein wenig rot? … Sicher nur das Licht. „Tut mir leid, aber ich hab’ auch schon was vor.“ Ich lächelte entschuldigend. Die anderen sahen mich an. „Was willst du denn machen?“ „… Surfen.“ Reita stöhnte genervt. „Wie jedes Wochenende …“ Ich sah ihn an. „Ich war schon seit drei Wochen nicht mehr am Meer.“ „Darf ich mitkommen?“, hörte ich Uruha leise fragen und auch Ruki sah mich bittend an. „Eigentlich wollte ich allein gehen. Den Kopf frei kriegen. Wie wär’s, wenn ihr beide zusammen shoppen geht?“ Ruki nickte und auch Uruha schien einverstanden. Na, bitte. Problem gelöst. „Gut, ich muss dann los, Leute.“ Kai stand auf. „Ich auch.“ Reita erhob sich. „Wir bleiben doch noch ein bisschen, oder?“ Ruki sah zu Uruha, der nur wortlos nickte und sich den letzten Bissen von seinem Toast in den Mund steckte. Ich verabschiedete mich auch von den beiden und wuschelte Ruki durch die Haare. Er grinste, jeden anderen hätte er jetzt lautstark die Meinung gegeigt. Nur ich durfte das und das machte mich wirklich glücklich. Ich schloss die Augen und atmete tief die Meeresluft ein. Es war noch Vormittag und die Sonne schien knallend heiß vom Himmel, doch ich konnte niemanden außer mir sehen. Umso besser … ich mochte es nicht, wenn man mich beim Surfen beobachtete. Ich wollte lieber allein sein dabei und meinen Gedanken nachhängen … Eilig nahm ich das Surfbrett und ging auf das Meer zu. Ich hatte wirklich Glück. Heute herrschte hoher Wellengang. Ich legte mich auf das Brett und paddelte hinaus. Lange musste ich nicht auf eine gute Welle warten. Ich hockte mich hin, behielt das Gleichgewicht und ließ mich mitreißen. Ja, so liebte ich das. Die Welle wurde höher und ich spürte das Adrenalin durch meine Adern rasen. Dieses Gefühl von Freiheit durchflutete meinen Körper. Doch leider verschwand es wieder zu schnell, je näher ich dem Strand kam und die Kraft der Welle abnahm. Ich setzte mich auf das Brett und ließ mich die letzten Meter treiben, bis ich den Sand unter meinen Füßen spürte. Ja, das hatte ich vermisst. Reita konnte da noch so viel seiner Kommentare abgeben, ich liebte das Surfen und das würde sich auch nie ändern. Ich legte mich wieder auf das Brett und paddelte erneut hinaus. Kaum eine Minute später stand ich wieder und ließ mich nach vorn tragen. „Aoi!“ Ich sah hoch, zum Strand. Jemand sprang aufgeregt herum und wedelte verrückt mit den Armen. Die Sonne schien mir direkt ins Gesicht, sodass ich denjenigen nicht erkennen konnte. Aber so, wie er oder sie wild umher sprang, musste es wohl wirklich wichtig sein. Ohne auf die nächste Welle zu achten, surfte ich weiter. Großer Fehler. Die Welle war höher, als ich erwartet hatte und nur wenig später begrub sie mich unter sich und ich verlor das Gleichgewicht. Ich spürte einen dumpfen Schlag auf meinen Hinterkopf, als das Surfbrett dagegen knallte. Dann wurde alles schwarz … „-in! Nein! Mach’ die Augen auf!“ Ich blinzelte, konnte verschwommen ein Gesicht über mir erkennen. Es kam mir bekannt vor … „Aoi-chan. Bitte, du musst wach bleiben!“ Weinte er? Warum? Kannte er mich? „Ich liebe dich doch. Wir sind doch erst ein paar Wochen …“ Was? Ich kniff die Augen zusammen, als ein unglaublicher Schmerz meinen Körper durchzog. Mein Kopf brannte und mir wurde schwindlig. „Nein! Lass’ die Augen offen! Aoi! Hey!“ Ich schloss die Augen, ich war plötzlich so müde … Ein gleichmäßiges monotones Piepen weckte mich. Ich blinzelte einige Male, bevor ich meine Augen vollständig aufschlug. Wo war ich? Mein Kopf drehte sich nach links. Ein schmaler Schrank stand in der Ecke. Ich hob meine Hand, als ich ein unangenehmes Pochen an meiner Stirn und meinem Hinterkopf spürte. Doch etwas hinderte mich daran, meinen Arm vollständig zu heben. Ich sah an mir herab. An meinem Finger steckte eine Art Klammer, die an eine Maschine angeschlossen war. Da kam also dieses Piepen her. Das Pochen wurde stärker und ich fuhr mit der anderen Hand über meine Stirn. Doch statt meiner Haut spürte ich nur rauen Stoff. Erschrocken riss ich die Augen auf und wollte mich aufsetzen, als ich von zwei Händen wieder zurück gedrückt wurde. „Oh, wie schön. Sie sind wach“, ertönte eine freundliche Stimme und ich sah in das lächelnde Gesicht einer jungen Frau. „Bitte bleiben Sie noch liegen. Ich hole schnell einen Arzt.“ Ich hob fragend die Augenbrauen, aber die junge Frau lief schon eilig zur Tür. „Warte“, wollte ich rufen, doch meine Stimme war nur ein leises Krächzen. Ich sah mich um. Ein kleiner Raum mit weißen leeren Wänden. Nur an der Tür hing ein großer Plan. Von hier konnte ich allerdings nichts Genaueres erkennen. Neben dem Bett stand ein kleiner Tisch mit einer Blumenvase – ohne Blumen. Daneben lagen Unmengen an verschieden, farbigen Verpackungen. Tabletten? Wo war ich denn hier gelandet? In meinem Kopf herrschte noch eine große Leere. Ich war doch gestern mit Freunden unterwegs gewesen, wir sind ins Kino und danach in unsere Stammkneipe. Hatte ich vielleicht mit dem Alkohol etwas übertrieben? Aber es war doch nie so schlimm gewesen, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Zumindest konnte ich mir vorstellen, dass es hier ein Krankenhaus war. „Guten Morgen“, eine tiefe Stimme ließ mich hochsehen. Ein junger Mann stand vor dem Bett und musterte mich aufmerksam. „Mein Name ist Kobayashi. Ich bin ihr behandelnder Arzt.“ Er hielt mir seine Hand entgegen, nach der ich vorsichtig griff. „Shiroyama Yuu“, antwortete ich mit meiner krächzenden Stimme. Sofort blätterte Kobayashi an seinem Klemmbrett und notierte sich eilig einiges. Ich fasste mir an den Hals. Ob ich nach etwas zu trinken fragen sollte? Auf dem Gang hörte man das leise Geräusch von herannahenden Schritten, bis sich die Tür öffnete und die junge Frau von eben mit einer großen Wasserflasche und einem Becher eintrat. Ich lächelte dankend, als sie mir den Becher entgegen hielt und ich ihn eilig leerte. „Das ist Frau Nakamura. Wenn Sie irgendwelche Fragen oder Probleme haben sollten, wenden Sie sich bitte an sie.“ Sie sah verlegen zur Seite und ich nickte nur. „Könnten Sie mir sagen, welches Jahr wir haben.“ Ich sah Kobayashi verwirrt an. Warum wollte er das wissen? „2007“, meinte ich. Er hob erstaunt die Augenbraue, bevor er sich wieder etwas notierte. „Und wie alt sind Sie?“ „21.“ Das hätte er auch auf meinem Ausweis nachsehen können. Den haben sie sich doch sicher angesehen, als ich hierher gebracht wurde. „Und woher kommen Sie?“ „Mie. Aber warum wollen Sie das alles wissen?“ Er steckte den Kugelschreiber an das Klemmbrett und sah mich ernst an. „Sie hatten einen Unfall.“ Meine Augen weiteten sich und ich spürte wieder das Pochen an meiner Stirn. „Ein … Unfall?“, flüsterte ich. „Sie haben sich beim Surfen den Kopf an ihrem Surfbrett angeschlagen. Sie können von Glück reden, dass gerade ein Freund von Ihnen vor Ort war und Sie vor dem Ertrinken gerettet hat. Allerdings … wir vermuten, der Schlag auf den Hinterkopf hat eine Amnesie ausgelöst. Genaueres werden wir erst durch die Tests erfahren.“ Ich sah Kobayashi lange an. Das konnte doch gar nicht wahr sein. Ein Unfall … beim Surfen? Ich konnte doch nicht einmal surfen! Fassungslos sah ich den Arzt an. „Ihre Reaktion ist völlig normal“, meinte er und sah auf sein Klemmbrett. „Draußen sitzen Ihre Freunde. Wenn Sie das möchten, kann ich sie reinlassen. Vielleicht können Sie dadurch schon grobe Erinnerungen zurückholen.“ Ich krallte mich in die Bettdecke und zuckte mit den Schultern. Ob Tadashi und die anderen mir wirklich helfen konnten? Wir kannten uns immerhin schon seit der Junior High. „Sie müssen nicht, wenn Sie nicht wollen. Ich richte den anderen aus, dass Sie noch Ruhe benötigen.“ Kobayashi drehte sich und ging zur Tür. „Nein“, er blieb stehen, „lassen Sie sie rein.“ „Oh Gott, Aoi! Geht es dir gut? Wir haben uns solche Sorgen gemacht, vor allem Ich!“ Stürmisch wurde ich in eine innige Umarmung gezogen. Unsicher drückte ich den anderen von mir und betrachtete ihn. Die braunen Haare fielen ihm ein wenig ins Gesicht. Er lächelte mich an und ich konnte ein Grübchen an seiner rechten Wange erkennen. Er war wirklich hübsch. „Du bist nicht Tadashi. Wer bist du? Und wer ist Aoi?“ Für einen Moment entglitten ihm alle Gesichtszüge, ehe er traurig lächelte. „Du erinnerst dich also wirklich nicht mehr.“ Was hatten denn alle? Ich konnte mich sehr wohl an alles erinnern! Außer vielleicht was nach der Sauferei mit Tadashi gestern Abend passiert ist und wie ich ins Krankenhaus kam. „Ich bin Kai, eigentlich Yutaka Uke, aber bitte bleib’ bei Kai. Wir kennen uns schon fast vier Jahre und sind auch ziemlich gut befreundet.“ Wahrscheinlich hatte er meinen verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkt, denn er unterbrach sich selbst und lächelte aufmunternd. „Du glaubst mir nicht, oder?“ Ich schüttelte den Kopf. Nein, irgendwie konnte ich ihm das alles nicht abnehmen, sie verarschten mich doch alle nur. „Ich kann dir nur sagen, was ich über dich weiß, damit du mir glaubst, dass ich dich wirklich kenne.“ Das war vielleicht gar keine so schlechte Idee. Als Fremder oder Bekannter könnte er höchstens noch meine Adresse kennen. Ich nickte und sah ihn erwartungsvoll an. „Du heißt Shiroyama Yuu, bist 26 Jahre alt –“ Ich schüttelte den Kopf und unterbrach ihn. „Ich bin 21.“ Kai sah mich an. „Du bist Anfang diesen Jahres 26 geworden. Wir haben 2012, du kannst unmöglich 21 sein.“ … 2012? Das ging doch gar nicht, das war nicht möglich. Kai nahm eine Zeitschrift vom Tisch und hielt sie mir hin. Ich sah auf das Datum oben rechts … 22. Juli 2012. Wie erstarrt blickte ich auf die vier Ziffern. Das war alles kein Witz oder blöder Scherz mehr. Ich hatte wirklich mein Gedächtnis und Erinnerungen verloren. Der letzten fünf Jahre. Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Panisch sah ich zu Kai. Er lächelte und griff nach meiner Hand. Und das allein reichte, mich zu beruhigen. Kai strahlte einfach eine innere Ruhe aus. Ich atmete tief durch. „Vier Jahre also?“ Er nickte und erzählte mir von gestern. Wir hatten alle zusammen gefrühstückt, bis ich mich auf zum Strand gemacht hatte, um zu surfen. Ich wollte allein sein, hatte ich gesagt. Ja, das passte zu mir. Ich mochte es nicht, Zuschauer zu haben. „Wenn dich einer von uns nicht gefunden hätte - … ich will gar nicht daran denken.“ Einer von uns? „Wer denn?“, fragte ich. „Na –“ „Hey, Kai. Wir wollten auch noch mal mit Aoi reden.“ Von hier konnte ich nicht sehen, wer an der Tür stand. „Ja, Reita. Ich bin schon fertig. Tschüss, Yuu.“ Kai erhob sich und verließ das Zimmer. Dafür setzte sich nun jemand anderes an mein Bett. Die blonden Haare waren iromäßig gestylt und er trug ein Band über der Nase. Wollte er damit etwas verstecken und gehörte das zu seinem Style? „Schon blöd, was passiert ist.“ Häh? Das war jetzt nicht sein Ernst, oder? Schien ihn ja wirklich sehr zu treffen.. „Du erinnerst dich wirklich nicht an mich?“ Ich schüttelte den Kopf. „Gut, dann … Suzuki Akira, oder auch Reita.“ „Reita … das … passt zu dir.“ „War ja auch deine Idee.“ Ich legte den Kopf schief. „Hm?“ „Du hast dir einen Namen für mich ausgedacht und ich einen für dich.“ „Aoi? Kai nannte mich so.“ Er nickte. „Ja, Aoi. Blau, wie der Himmel oder das Meer … du hast es wirklich geliebt, zu surfen. Verdammt! Hättest du nicht wenigstens gestern auf mich hören können? Manchmal bist du so stur.“ Ich lächelte verlegen. Reita war cool, ich mochte seine Art und … gut aussehen tat er auch. „Ich mag den Namen. Er ist schön“, meinte ich und Reita lächelte. „Das freut mich. Damals hast du mir nur die Zunge raus gesteckt, als ich dir den Vorschlag gemacht habe.“ War ich wirklich so kindisch gewesen? „Und du erinnerst dich an gar nichts mehr?“, fragte Reita mich noch einmal. „Nein, also … ich kann mich noch genau an das erinnern, was ich gestern – ähm, gestern vor fünf Jahren, gemacht habe.“ Reita nickte. „Schade, wir beide sind jede Woche mit meinem Motorrad am Strand entlang gefahren.“ „Beim Sonnenuntergang?“ „Du erinnerst dich?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich bin schon immer gern am Strand bei Sonnenuntergang gewesen.“ Reita sah auf seine Hände und lächelte. Es war wirklich schön, sich mit ihm zu unterhalten. Er redete nicht wie aufgezogen und hörte mir auch aufmerksam zu. Das mochte ich. „Ich werd’ dann mal. Beeil’ dich, hier raus zukommen. Es ist langweilig, ohne dich zu fahren.“ Er stand auf und richtete seine Sachen. „Ich vermisse dich“, flüsterte er. Hm? „Was?“, fragte ich, um sicher zu gehen, dass ich es auch richtig verstanden hatte. Reita winkte nur ab und drehte sich um. „Tschüss, Aoi.“ Er zog die Tür leise hinter sich zu. Was war das denn für ein Abgang? Und warum vermisste er mich oder hatte ich mir das doch nur wieder eingebildet? Ob er mich mochte? Klar, sonst hätte er sicher nicht so gelächelt, als ich meinte, mir gefalle der Name. Aoi. Ja, das klang wirklich schön. Ich hätte nicht erwartet, dass er ihn sich überlegt hatte. Auf den ersten Blick kam er ziemlich hart rüber, aber zum Ende hin, wurde er ziemlich … schüchtern? Ich hörte das leise Geräusch der sich öffnenden Tür. Noch jemand? Gespannt sah ich auf die Ecke, um die derjenige gleich treten musste – und es verschlug mir fast den Atem. Er war vielleicht einen halben Kopf kleiner als Reita, aber seine Haare waren fast genauso blond. Etwas heller noch. Er hob den Kopf, sah mich unsicher durch seine Ponyfransen an. Ich glaubte, mein Herz setzte kurz aus, als sein Blick meinen traf. Und anscheinend tat es das auch, denn die Maschine unterbrach einen Moment ihren gleichmäßigen Rhythmus, um in einem schnelleren fortzufahren. Er sah kurz auf das Gerät und lächelte leicht, ehe er sich neben das Bett setzte. „Hi“, flüstere er leise. „Hey.“ Ich sah ihn an. Er war unglaublich hübsch. Die blasse Haut, die blonden Haare und diese unschuldigen braunen Augen. Ein Rotschimmer legte sich auf seine Wangen und er sah auf den Boden, als ich ihn anlächelte. Er war schüchtern. Doch das passte zu ihm und ließ ihn noch niedlicher wirken. „Wie heißt du?“, fragte ich ihn, als er keine Anstalten machte, sich vorzustellen. „Matsumoto … Takanori“, kam es leise von ihm und er studierte weiterhin eingehend den Boden. „Hast du auch einen Spitznamen? So, wie Reita und Kai?“ Er nickte. „Ruki.“ Beinahe hätte ich ihn nicht verstanden, er sprach wirklich leise. „Und … wo kommst du her?“ „Eigentlich aus Kanagawa“, ist seine Stimme gerade fester geworden?, „… aber vor fünf Jahren bin ich hier her – nach Mie gezogen. Mit Reita und Uruha.“ Fünf Jahre?! Warum konnte ich mich dann nicht an ihn erinnern? „Aber wir kennen uns erst seit ungefähr drei Jahren.“ Das erklärte natürlich alles. „Ich bin so froh, dass du nicht ertrunken bist.“ Waren das Tränen in seinen Augen? „Ich auch, ich bin doch noch viel zu jung, um zu Sterben.“ Er lächelte gequält. „Ruki? Reita wartet auf dich“, kam es von Richtung Tür. Ruki gab ein leises ‚okay’ von sich und ging zur Tür, ohne mich noch einmal anzusehen. Dafür trat jemand anderes in das kleine Zimmer. Ich riss die Augen auf und auch mein Herz raste wie wild. Man musste schon fast Angst haben, dass die Maschine gleich kollabierte. Er trug eine weiße Hose, die seine langen Beine betonte und ein weißes Tanktop mit einer ebenfalls weißen Weste darüber. Es kam einen Engel gleich. Ich war sprachlos. Mit einem wunderschönen Lächeln setzte er sich auf den Bettrand. „Takashima Kouyou.“ Er zwinkerte. „Oder Uruha.“ Ich konnte meinen Blick nur schwer von seinen Oberschenkeln abwenden, um ihn in die Augen zu sehen. Die Maschine piepte immer noch in einem unglaublich schnellen Ton. Mir war das unangenehm, doch Uruha schien das wenig zu interessieren. „Du erinnerst dich an keinen von uns vier?“ Ich schüttelte den Kopf. „Es tut mir leid …“, ich drehte den Kopf weg. „Hey …“, er legte zwei Finger an mein Kinn, was ein angenehmes Kribbeln verursachte, und drehte mein Gesicht wieder zu ihm. „Das muss dir kein bisschen leid tun. Niemand ist an diesem Unfall Schuld. Und mit unserer Hilfe holen wir deine Erinnerungen schon zurück, okay?“ Ich nickte. Er war der Erste, der mich so aufbaute und mir ein wenig Mut und Hoffnung gab. „Und dein Freund?“ Ich sah ihn fragend an. „Erinnerst du dich an deinen Freund?“ „F-Freund?“ „Ja, deine Beziehung. Deine große Liebe.“ Ich war in einer Beziehung? Warum hatte mir das denn niemand erzählt?! Oh, ich würde sicher ein schlechter Freund sein, der sich an keine schönen Erlebnisse mehr erinnerte. „Wer ist es?“, fragte ich eilig. Uruha schüttelte den Kopf. „Ich kann es dir nicht sagen. Du solltest auf dein Herz hören, es wird dir den richtigen Weg weisen. Das ist der beste Weg.“ Er stand auf und verabschiedete sich mit seinem wunderschönen Lächeln. „Ruh’ dich jetzt aus und schlaf’ etwas.“ Ich sah ihm perplex nach. Wer von den vieren war denn nun mein fester Freund? _________________________ das nächste kapitel kommt voraussichtlich ende oktober, da ich ab dienstag in japan bin. groan of diplosomia! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)