Bloody Fragments von KagerixShinsui ================================================================================ Prolog: Beginning ----------------- Der zweite Dezember - es war der schlimmste Tag Naokis jungen Lebens. Ja, es war der Tag geweßen, an dem er zum ersten mal eine Leiche gesehen hatte. Doch es war nicht irgendeine - es war die seines Bruders. 2 Jahre waren seitdem vergangen. 2 Jahre, seitdem er an einem eisigen Wintertag seinen Bruder auffand, tod, blut überströmt. Opfer eines Mordes, welcher bis heute noch nicht aufgeklärt werden konnte. Es war eindeutig das Grauenvollste, dass Naoki je gesehen hatte. Die Alpträume quählten ihn noch immer und noch immer stellte er sich die Frage: "Warum?". Es stimmte, dass sein Bruder nicht der tollste Kerl geweßen war. Er war das Gegenteil eines charmanten Jungen von dem die Mädchen immer träumten. Ja, er war ein wirklicher Kotzbrocken geweßen, nervtötend und ätzend. Trozdem hatte es keine Gründe gegeben, warum man ihn hätte ermorden sollen - und dann auch noch auf solch eine Art und Weise: unzählige Schnitte im ganzen Körper und tiefe Stichwunden. Man hatte ihm sogar das rechte Auge durchtrennt. Eindeutig hatte der Mörder große Wut in sich..oder er war einfach nur verdammt verrückt und schadensfreudig, ein richtiger Psychopat eben. Vielleicht ein Massenmörder, dem es egal war, ob er Mann oder Frau niedermetzelte? Dem es egal war, ob er sein Opfer kannte oder nicht? So viele Fragen und trozdem keine einzige Spur. Naoki saß am Computer in einem der Büros, die weiße Kaffeetasse in der blassen Hand. Er starrte auf seinen Bildschirm, während er noch einmal genaustens alle Details über diesen Fall durchging. Viel zu lesen war es nicht, er tappte erneut im dunkeln. Verdächtige gab es nicht. Keine Fingerabdrücke, Hinweise für die benutzte Waffe oder fremde Haare - nichts. Der Killer war wohl Profi in diesem Gebiet. Naoki rieb sich mit zwei Fingern über die Stirn. Sein Kopf schmerzte, er dachte zu viel nach. Spiegelscherben, ja, sein Bruder war umgeben von Spiegelscherben geweßen, womöglich waren diese auch die Tatwaffen geweßen, allerdings waren sie unberührt. Unberührt, aber blutüberströmt. Man hätte schon beinahe glauben können, der Mörder sei nicht einmal menschlich. "Nun bleib mal auf dem Teppich. Das ist doch Schwachsinn", grummelte Naoki. Wie konnte er es sich erlauben über so etwas auch nur eine Sekunde nachzudenken? Übermenschliche Weßen gab es nicht. Es würde sie auch nie geben. Trozdem war er immer verwirrter, je öfter er die Akte 'mirror incident' in die Hand nahm. Sein großer Bruder war nicht das einzige Opfer geweßen. Es gab mehrere und immer war es dasselbe: blutige Spiegelscherben, keine Hinweise auf einen möglichen Mörder und keine Einbruchsspuren. Es unterscheidete sich nicht einmal die Mordart. Der Täter hatte auch keine Besonderheiten, die er beim verletzen seiner Opfer beachtete. Nur waren es immer Schnitte und Stiche, unterschiedlich tief. "Die Tat eines psychopatischen Serienmörders", vermutete Naoki. Der Killer nahm sich nicht die Zeit seine Opfer zu töten. Er metztelte sie grausam nieder. Manchmal schneller, manchmal langsamer. Die Opfer kannten sich alle nicht, waren sie also alle Zufallswahlen geweßen? "Shinsui! Was tust du da schon wieder?! Hör endlich mit dem ständigen herum getrödle auf und bewege deine faulen Hintern in das Büro deines Vorgesetzten!", das genervte gemaule eines Polizeibeamten ließ Naoki hochschrecken und zog ihn komplett aus seinen Gedanken, in die er zuvor so vertieft war. "Verzeihung! Es wird nicht mehr vorkommen ich werde sofort gehen!", entschuldigte Naoki sich und verließ das Büro. "Will ich auch hoffen", grummelte der Beamte und ging weiter. Naoki seufzte. Noch immer konnte er sich nicht um die Fälle kümmern, die er wirklich übernehmen wollte. Er war immernoch Auszubildender und hatte noch einen langen Weg vor sich. Naoki konnte nur hoffen, dass er zufälligerweiße an einen mit 'Mirror Incident' verknüpften Vorfall gelangen könnte. Doch die Morde hatten schon seit einiger Zeit aufgehört und man war dabei die Fälle ad acta zu legen. Manche Leute vermuteten, Naokis Bruder habe sich selbst umgebracht, aber Naoki wusste es besser. Sein Bruder hätte so etwas nie getan. Vielleicht stimmte es, dass ihm Dinge wie der Tod gleichgültig waren. Oft hatte er gesagt: "Wenn er kommt, dann kommt er eben. Aber ich hab' nicht vor so schnell abzukratzen. Kommt er mir zu früh lasse ich mich noch nicht holen". Er hätte sich nie selbst getötet. Warum auch? Einen Grund hatte dieser Kerl wirklich nicht. Ja, er war vielleicht etwas verrückt im Kopf, aber er hatte nie über Selbstmord nachgedacht. Außerdem hatte es ja mehrere Opfer gegeben, die auf genau dieselbe Art und Weise gestorben waren. Es konnte also nur Mord geweßen sein. Erneut versuchte Naoki seine Gedanken auszuschalten und klopfte an die weiße Tür mit dem Glasfenster auf dem 'Daniel Miller' stand. Es wunderte Naoki, dass er so schnell ein "herein" zu hören bekam, denn meistens verbrachte dieser Kerl die Zeit eher im Raucherzimmer, als in seinem Raum. "Ah, Naoki du bist es. Welche Begründung hast du dieses mal für deine späte Erscheinung?", wie immer dachte Miller nicht einmal daran, den ledernen, schwarzen Bürostuhl so zu drehen, dass er den Auszubildenden anblicken konnte. Er kümmerte sich wieder einmal nur um die schwarzen Buchstaben auf seinem vor sich leuchtenden Bildschirm. "Entschuldigen Sie. Ich war in Gedanken", Naoki wusste, dass das eine Antwort war, die Miller nicht gerne hörte, doch er wollte ehrlich bleiben. "Du solltest aufhören dein Leben in deinen Gedanken zu verschwenden Junge. Lebe im hier und jetzt und träume nicht in deinen Gedanken vor dich hin". "Aber wenn es für einen Fall war?", wollte Naoki wissen. Eigentlich hätte er die Klappe halten sollen. Er hätte still nicken sollen, seinem Vorgesetzten recht geben sollen. So kam es nur wieder zu einer Diskussion. "Ach? Welcher Fall? Und komm mir jetzt nicht wieder mit 'Mirror Incident'", grummelte Miller und trommelte gernervt mit seinen Fingern auf dem glatten Holz des Tisches vor sich - ein Zeichen dafür, dass er wieder Lust auf eine stresslindernde Zigarette hatte. Miller rauchte eindeutig zu viel. Das Zimmer roch nach Rauch, obwohl er hier drinnen nie eine rauchte. Der Geruch klebte einfach an ihm und ließ ihn nicht los. "Nun ja...also...", Naoki fand keine Ausrede und wollte eigentlich auch keine finden. Ehe er sich nun entscheiden konnte was er antworten wollte, wurde er auch schon unterbrochen: "Ich glaub das einfach nicht. Wie lange willst du dich noch mit diesem Fall beschäftigen? Es ist sinnlos. Nicht einmal die Profis unter uns sind in der Lage irgendwelche Infos über diesen Fall zu gewinnen. Was ist es, was dich so an diesen Fall fesselt? Hast du irgend einen bestimmten Grund?". Naokis Mund öffnete sich, doch er gab keinen Ton von sich und schloss ihn danach wieder, als hätte er sich es gerade anders überlegt. Für kurze Zeit schwieg er, bis er dann eine Antwort gab: "Nein, kein bestimmer Grund". Eine Lüge. "Unglaubwürdig. Du lügst. Denkst du wirklich, du könntest einen Profi wie mich für dumm verkaufen?", genau deswegen lügte Naoki ihn nicht gerne an. Aber er wollte auch nicht den wirklichen Grund verraten. "Es tut mir leid, dass ich Sie angelogen habe, aber ich möchte den Grund nicht erwähnen". "Was auch immer dein Grund ist, ich hoffe nicht, dass dieser Fall der Grund war, weshalb du der Polizei beitreten wolltest. Du kannst dich in diesem Job nämlich nicht einfach nur um deine Angelegenheiten und um die Fälle, die dich interessieren, kümmern. In diesem Beruf geht es darum anderen zu helfen und die jenigen, die es verdienen, hinter Gitter zu bringen. Wenn du nur aus Rache hier bist oder nur wegen einem bestimmten Fall, bei dem zum Beispiel eines deiner Familienmitglieder oder einer deiner wichtigen Freunde draufgegangen ist, dann bist du hier am falschen Ort", Miller war so direkt wie immer ohne auf seine Wortwahl zu achten, "Stell dir vor, man würde diesen bestimmten Fall lösen. Was würdest du dann tun? Was, wenn du den Verantwortlichen erwischt hast? Wenn du nur wegen einem Fall hier bist ist es sinnlos". Naoki hatte ein seltsames Gefühl in seinem Magen, welches dadurch ausgelöst wurde, dass David Miller den Nagel auf den Kopf traf. "Sie haben recht. Ich werde mich von nun an nur noch um die Fälle kümmern, bei denen ich als Auszubildender an Ermittlungen teilnehmen soll". Das seltsame Gefühl in seinem Magen verschwand schon bald und wandelte sich in große Entschlossenheit, denn nun konnte Naoki erst recht mit einer neuen Denkweise an die Fälle heran gehen. Auch an Fälle, die nicht mit dem Mirror Vorfall zu tun hatten. Er musste einfach nur an die Zurückgebliebenen des Verstorbenen denken, die die Wahrheit wissen wollten. Er würde derjenige sein, der ihnen diese Wahrheit bringen würde und eines Tages, sobald es an der Zeit war, würde er selbst die Wahrheit über den Tod seines Bruders raußfinden, da war er sich sicher. "Gute Entscheidung", der lederne Bürostühl drehte sich und Miller zeigte sein Gesicht. Er trug wie immer einen drei Tage Bart. Die nussbraunen Augen sahen den Auszubildenden an und die dunkelbraunen, kurzen Haare waren frisch geschnitten. Der vor kurzem 41 gewordene Mann setzte seine rahemnlose Brille ab und legte sie ins schwarze Brillenetui, welches er sich in die Jackentasche steckte. Danach stand er auf und lief zur Tür. "Dann komm jetzt. Ein neuer Auftrag wartet". Naoki nickte. Schweigend und stark motiviert folgte er seinem Vorgesetzten. "Hey, Chinese! Wie geht´s?", der Junge mit dem blonden, mittellangen Haar stand vor ihrem Tisch und sah auf sie herab. "Ich...bin eine Japanerin", murmelte sie, während sie längst vergessen hatte wie oft sie es schon versucht hatte klar zu machen. "Ach! Ist doch alles dasselbe! Willst du mir heute wieder dein Pausengeld schenken? Halt, warte, habe ich vergessen deine Eltern geben dir ja keins!", wieder einmal konnte er sie nicht in ruhe lassen, "Ich werde meine Frage also korrigieren. Willst du mir dein Pausenbrot geben?". "Ich habe kein Pausenbrot dabei...ich habe ein Bento", Saori starrte auf ihren hölzernen Tisch. Stark bleiben, das war alles was sie in solch einem Moment tun konnte. "Jaja, wie auch immer dann gib eben dieses so genannte Bento her, wenn du einen einigermaßen angenehmen Schultag haben möchtest!". Saori reagierte nicht. "Hey! Bist du taub oder was!? Ich hab gesagt du sollst mir dein Essen geben!", forderte ihr Klassenkammerad sie auf. Nachdem er selbst damit kein Erfolg hatte verlor er die Geduld und packte Saori an ihren schwarzen, langen Haaren. Er zog unglaublich grob und fest an ihnen, als würde er sie in großen Büscheln herauß reißen wollen. Ein stechender Schmerz, der sie dazu zwang aufzugeben, zog Saori durch ihren Kopf. Mit letzter vebrleibender konzentration griff sie in ihre Tasche und zog die dunkelrote, rechteckige Dose aus ihrem Rucksack. "Na also. Geht doch", der Schüler ließ Saoris Haare los und öffnete die Box. Nachdem er das Innere genauer betrachtet hatte hob er eine Augenbraue. "Soll ich den beiliegenden Reis mit der Hand essen oder wie?", grummelte er genervt. "Nein...dafür sind doch die Holzstäbchen da...", murmelte Saori leise. Der Schüler schien nicht beeindruckt von dieser Antwort zu sein. Schließlich warf er die Box samt Inhalt zu Boden. "Freak", war das letzte Wort, welches Saori von ihm zu hören bekam, bevor er zur Tür des Klassenzimmers lief. Vermutlich wollte er in den Pausenhof, denn die Pause hatte längst begonnen. Die restlich versammelten Schüler kicherten und machten sich über das eben geschehene lustig, wie immer. Leise seufzend erhob sich Saori langsam und machte sich auf den Weg zur Tür, während das geflüstere und gegrummele im Raum weiterging. Was war so anders an ihr? Warum wurde sie so gehasst? Sie war nicht das einzige asiatische Mädchen an dieser Schule. Da gab es noch zwei oder drei andere. Es gab wohl auch gar nicht so viele Unterschiede. Saori fiel da nur einer ein, der vermutlich der Unterschied war, der sie zu dem 'Klassenopfer' krönte. Sie hatte ihre Familie verloren. Alle. Mutter, Vater, Geschwister. Saori lebte bei einer Adoptivfamilie. Ihr 'Bruder' ging ebenfalls an diese Schule und erzählte bösartige Gerüchte über sie und ihre 'japanischen Angewohnheiten'. Die meisten dieser seltsamen Angewohnheiten hatte er sich aber nur ausgedacht. Er behauptete, dass sie jeden Abend, bevor sie zu Bett ging, ans Fenster ginge und zum Himmel spreche. Danach würde sie seltsame Zeichnungen und Zettel an ihre Fenster kleben, damit die Auseridischen und anderen Wesen ihr Zimmer nicht betreten könnten. Er behauptete, dass Saori erzählt habe dies sei etwas, an das sie fest glaube. Es war nur eine von vielen schwachsinnigen Erzählungen und Lästereien, die er sich ausgedacht hatte, um seine Adoptivschwester niederzutrampeln. Viele hatten diese kuriosen Unfugsgeschichten angefangen zu Glauben und hatten angefangen sie zu ärgern. Dieses geärgere war aber schon längst nicht mehr einfach nur ärgern. Es wurde für Saori zur Hölle auf Erden. Kurz bevor sie an der Zimmertür ankam stolperte sie nun auch noch über etwas, worauf die Klasse wieder anfing zu lachen. "Zu dumm das Mädel!", meinte eine stark geschminkte Mitschülerin mit braun gelocktem Haar, welche ihr ein Bein gestellt hatte. Schweigend und schnell verließ Saori kurz darauf den Raum und rannte in den Pausenhof. Nun wollte sie sich einfach nur noch einen Ort suchen an dem sie ihre ruhe haben konnte. Kapitel 1: Sorrow ----------------- An diesem Ort schwand er dahin. Er schwand aus Gedanken und Erinnerungen. Jeden Tag ein Stück mehr. Doch wann verging ein Tag? War denn schon einer vergangen? Dieser Ort war ohne Raum und Zeit. Ewig und unausweichlich. Hier lag er und lauschte anderen Stimmen. Immer wieder kamen neue dazu. Der Himmel war in sanftes orangerot getränkt. Er war gefangen in dieser Welt. Eine Welt, die seine Seele bergen sollte, denn auf der Welt der Menschen wurde sie nicht mehr gebraucht. Doch er würde das nicht zulassen. Nicht, ehe er nicht all seine Erinnerungen zurückerlangt hatte. Allerdings musste er einen Weg zurück in die Menschenwelt entdecken um sein Ziel zu erreichen. Er lag auf diesem Boden, der von weißen, reinen Rosenblättern übersäht war. Der schwarze Mantel knirschte bei jeder kleinsten Bewegung. Die Augen des Jungen waren geschlossen, seine Ohren komplett auf Geräusche konzentriert. Der Wind wehte, raschelte durch die Blütenblätter und zerzauste sein Haar. Stimmen waren von überall hörbar. Einige glücklich und zufrieden. Andere verzweifelt. Die meisten hatten sich mit ihrem Schicksal abgefunden, manche sahen diesen Ort sogar als Paradies. Doch er nicht. Er konnte noch nicht tod sein. Noch nicht. Die alten Glocken des Uhrenturms ertönten, doch wurden sie fast von lärmenden Geräuschen der Automotoren übertont. 19:00 Uhr. Inzwischen war es finster und kalt. Der vom Smog der Stadt verdreckte und doch so weiße Schnee fiel unaufhörlich. Naoki lief auf dem überfüllten Gehweg. Diese Stadt kannte keine Nacht. Autos standen im Stau, Menschen sah man an jeder Ecke, alles war lebendig. Doch vom Gefühl der Sicherheit keine Spur. Jede noch so hell leuchtende Straßenlaterne half nicht, denn die vielen düsteren Gassen blieben im Dunkeln der Nacht. Diese Stadt war unsicher und gefährlich, das wurde ihm immer klarer. Viele grausame Dinge hatte er nun schon sehen müssen, seitdem er der Polizei beigetreten war. Morde, Vergewaltigungen, Missbrauch und Entführungen. Drogenhandel und Verat. Die Dunkelheit versteckte sich hinter den schimmernden Wolkenkratzern. Mysteriöse, unerklärliche Morde traten immer öfter auf. War dieser Ort dabei in vollkommener Angst, Schrecken und Dunkelheit zu versinken? Schon seit längerer Zeit hatte Naoki dieses Gefühl gehabt. Irgendetwas stimmte schon lange nicht mehr. Dieses Gefühl bedrückte ihn, ließ ihn Nachts schwer einschlafen und gab ihm manchmal, wenn auch nur selten, kuriose Alpträume von all möglichen unvorstellbaren Weßen. Was war geschehen? Die Zeit hatte diesen entspannten Jungen zu einem ernsten Erwachsenen mutieren lassen und immer wieder stellte Naoki sich die "was wäre wenn" Frage. "Was wäre wenn ich an diesem Tag zuhause geblieben wäre? Vielleicht wäre er dann noch am leben und Mum und Paps würden vielleicht nicht getrennt leben", es ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Zwei Jahre waren vergangen, doch der Todestag seines Bruders riss ihn immer wieder zurück zu diesem Tag, als wäre es gestern geweßen. Nie hatte er zuvor einen toten Menschen gesehen. Nun sah er es öfters, als wäre es nichts besonderes, nichts außergewöhnliches. Etwas alltägliches. Ja, für manche Menschen war es das auch. Für manche war es normal jeden Tag den Tod eines anderen zu sehen. Naoki würde einer dieser Menschen werden, die immer öfter einen leblosen Körper zu sehen bekamen. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen? Selbst wenn er den Täter finden würde, so gab es keinen Weg seinen Bruder zurück zu holen. Er war tod. Für immer verschwunden von dieser Welt, als hätte es ihn nie gegeben. Was blieben waren Erinnerungen, auch wenn es leider nicht viele schöne waren. Doch wollte Naoki nicht, dass dieser Fall im dunkeln verschwand. Er wollte nicht, dass noch mehr Menschen im 'mirror incident' um´s leben kamen. Die Person, die auf diese grausame Art und Weise mordete ohne jegliche Spuren zu hinterlassen, musste gefasst werden. Ein Psychopat, ein weiterer Serienmörder, der eine Gefahr für jeden Menschen dastellte. Naoki wollte dieser Person ein Ende machen. Er wollte diesen Fall abschließen. "Junge Dame wir schließen jetzt", Saori erschrak leicht, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich hörte. Sie klappte das Buch zu und steckte es in ihre Tasche. "Okay..ich werde mir das Buch ausleihen. Bis morgen", antwortete sie leicht verlegen und stand auf. Der Mann der sie angesprochen hatte nickte und ging zur großen aus dunkelholz bestehenden Eingangstür der Bücherei. Saori verließ die alte Bücherei und trat in die nur leicht beleuchtete, feuchte Gasse. Von hier aus war der alte Glockenturm und seine Uhrzeiger sehr gut zu sehen. Genau 20.00 Uhr. Saori hatte total die Zeit vergessen. Schnell lief sie aus der Gasse und eilte zur nächsten U-Bahn. Es war kalt. Saori sah ihren eigenen Atem in weißlichem Nebel vor ihr. Schnee bedeckte ihr langes, schwarzes Haar, als sie am nächsten Treppengang zur U-Bahn ankam. Schnell stieg sie in die nächste Bahn und suchte nach einem freien Sitzplatz. Vergebens. Alles war besetzt. Seufzend packte Saori einen der Haltegriffe und blieb stehen. Nach ungefähr einer halben Stunde kam Saori in ihrem Wohngebiet an. Sie lief die Treppe nach oben und ging in das Hochhaus auf der gegenüberliegenden Straße. "Aufzug außer Betrieb", laß sie auf dem Schild, welches an der Aufzugtür hing. Für sie wurde der Tag immer schlechter. Letztendlich hatte sie keine andere Wahl. Sie lief die vielen Treppen hinauf und zog einen Schlüssel aus ihrer schwarzen Jacke. Leise öffnete sie die Tür und schloss diese in der selben Lautstärke wieder. Vorsichtig schlich sie den Gang entlang und war endlich an ihrer Zimmertür angekommen. Doch so viel glück sollte Saori nicht haben. Ohne eine Strafe sollte sie nicht davon kommen. Genau in diesen Moment, in dem sie die Türklinke in die Hand nahm um in ihr Zimmer zu verschwinden und sich schlafen zu legen, in diesem Moment, in dem sie unschönen Konversationen und schmerzen für sowohl ihren Körper als auch ihrer Seele aus dem Weg gehen wollte, beleuchtete helles Licht den zuvor so dusteren Gang. "Hey Schwesterherz. Auch mal wieder Zuhause? Mum und Dad wollen dich sehen. Sie sind verdammt sauer", Saori kannte diese sadistisch klingende Stimme nur zu gut. "Du solltest zu ihnen gehen bevor sie noch wütender werden". Saori ließ den Griff ihrer Tür los und lief an dem Jugendlichen vorbei, der dann plötzlich ihren Arm packte und sie zu sich zog. "Und wenn du damit fertig bist kannst du ja zu mir ins Zimmer kommen..", flüsterte er ihr ins Ohr und schubste sie von sich. Lachend ging er zurück in das Zimmer aus dem er gekommen war. Wut und zugleich tiefste verzweiflung machten sich in Saoris innerem breit und wanderten durch ihren ganzen Körper. Diese Situation war aussichtslos. Wie lange würde es noch so weiter gehen? Ohne widerstand zu leisten, ohne überhaupt zu versuchen diesem Leben zu entkommen lief sie in das große Wohnzimmer, in dem Frau und Herr Johnson auf dem Sofa saßen und wieder einmal alle möglichen Serien ansahen. Als Johnsons Augen seine Adoptivtochter entdeckten schaltete er den Fernseh stumm und stand sofort auf. "Da bist du ja du Göre! Wo warst du so lange!?", brüllte er sofort in lautem Ton los. "Ich..Ich war...", Saori schwieg. Niemals würde sie den Ort verraten der ihr Ruhe bot. Johnson wartete auch nicht auf eine Erklärung sondern eilte auf das verängstigte Mädchen zu. Mit zornigen Augen sah er sie an und hob seine Hand. Saori wusste was als nächstes kommen würde. Sie zuckte und kniff ihre Augen zusammen und da war es auch schon geschehen. Große schmerzen spürte sie in ihrer nun glühenden Wange. Doch Herr Johnson war noch lange nicht zufrieden. Er zog an dem langen, seidigen Haar des Mädchens und brüllte weiter: "Wag es nicht noch einmal einfach so abzuhauen! Du bist für den Haushalt da und sollte es noch einmal passieren, dass du vor deinen Pflichten davonläufst gibt´s richtigen Prügel!". Saori zitterte. Angst durchströmte ihren gesammten Körper. Endlich ließ der Mann sie los, doch nur um ihr den nächsten Schlag zu verpassen und sie dann so heftig zu stoßen, dass sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. "Das soll dir eine Lehre sein du kleines Miststück". Frau Johnson sah dem ganzen nur zu und schien recht amüsiert zu sein. So war es immer, denn Saori war für diese Familie nur ein Spielzeug und zugleich die Putzfrau. Sie war eine Sklavin, der man ein unsichtbares Halsband mit einer Kette angelegt hatte. Alles was sie tat war falsch. Selbst wenn sie gehorchte wurde sie bestraft. Es war, als wäre ihre komplette Existenz eine Sünde. Schon länger fühlte sie so. Ja, denn es war wirklich eine Sünde, dass sie alleine übrig geblieben war. All die anderen waren gestorben. Ihr Vater, ihre Mutter und auch ihre Schwester. Nun war es, als würde Saori von einem Fluch verfolgt werden. Etwas suchte sie heim und wollte sie in den Wahnsinn treiben. Vielleicht war sie aber auch schon längst im Wahnsinn versunken. Ihre Seele war dabei zu zerreißen und in Einzelteinen in einem Fluss von Verzweiflung, Angst und Wut unterzugehen. Saori stand auf. Ihr Körper schmerzte. Schweigend verließ sie das Wohnzimmer und lief durch den Gang. Sie sehnte sich nach Ruhe, sehnte sich nach der alten Bücherei und den vielen Büchern, die von all möglichen Fantasiewelten erzählten. Saori war müde und wollte schlafen, doch schlaf wurde ihr nun noch nicht gegönnt. Sie kam nicht bei ihrer Zimmertür an, denn irgendetwas packte an ihren Arm und zog sie in ein anderes Zimmer. Heller Holzboden und eine dunkelrote Wand, die von Postern bedeckt war. Auch einige Poster von nackten Frauen waren auf dieser Wand zu finden. Saori kannte dieses Zimmer nur zu gut. Es war Davids Zimmer. "Schwesterherz, hattest du meine Bitte vergessen?", wollte dieser wissen und saß auf seinem hellen Holzbett. Die darauf liegende Decke war mit einem schwarzen Bettbezug, auf dem sich Totenkopfmuster befanden, bedeckt worden. Die schwarzen Kissen passten dazu. "Was für ´ne bitte?", wollte Saori wissen und hielt sich mit aller Kraft ihre Tränen zurück. Dieser Tag wollte einfach nicht enden. "Stimmt, du hast recht. Ich hatte dich ja gar nicht um etwas gebeten...es war eher ein Befehl, nicht wahr?", Davids braunen Augen sahen seine Adoptivsschwester an. "Und trozdem scheinst du es vergessen zu haben. Ich hatte dir doch klar und deutlich gesagt, dass du in mein Zimmer kommen solltest". "Tut mir Leid..", murmelte Saori leise. "Was? Ich hab das nicht so richtig verstanden. Sag´s nochmal". "Tut mir Leid!", entschuldigte sie sich laut und ballte ihre Fäuste. "Schon besser. Ich denke ich verzeihe dir noch einmal. Und jetzt komm", David klopfte mit seiner Hand auf das Bett. "Was willst du machen?", fragte Saori leise. "Das wirst du schon noch sehen", ein sadistisches lächeln zeigte sich auf dem Lippen ihres 'Bruders', der es wohl kaum noch erwarten konnte sie in seiner nähe zu haben. "Na los. Komm endlich her. Du weißt doch wie das sonst wieder endet? Dad wird immer ziemlich schnell sauer, wenn du nicht nett zu mir bist", erwähnte er. Saori zwang sich zu jedem Schritt, den sie nun näher an sein Bett tat. Letztendlich stand sie genau vor ihm. "Na also, und jetzt setz dich". Widerwillig setzte Saori sich neben ihn. "Braves Mädchen. Das machst du echt gut!", er sprach zu ihr, als wäre sie sein Hund. Saori hasste es. In ihr kochte wieder einmal Wut auf, doch konnte sie sich nicht wehren. Herr Johnson würde sie nur wieder halbtod Prügeln. David fuhr ihr durchs Haar. "Weißt du Saori..ich mag deine Haare. Die sind schön weich". Erneut ballte sie ihre Fäuste. Sie wollte nicht, dass er ihre Haare berühte. Er sollte weder ihr Haar, noch irgend einen anderen Teil ihres Körpers berühren. "Außerdem hast du echt schöne Haut", nun fuhren seine Finger über ihre Wange und streichelten danach über ihre Lippen. David kam ihr näher. Er tat es schon wieder. Saori spürte seine Lippen auf ihren. Sie konnte seinen warmen Atem spüren. Plötzlich umfassten seine Arme ihren Körper. Er drückte sie an sich, während er über ihre Lippen leckte und somit andeutete, dass er mehr wollte. Angewiedert zwang Saori sich dazu ihren Mund zu öffnen und seiner Zunge einlass zu gewähren. Es quählte sie, einem Menschen, den sie so sehr hasste, so unglaublich nah zu sein. Und er hörte einfach nicht auf. Doch nun tat er etwas, das eindeutig zu viel war. Er überschritt die Grenze, als er Saori unter den Rock packte und anfing an ihrem Höschen zu reiben. Ruckartig löste Saori diesen wiederlichen Kuss und kurze Zeit später landete ihre Hand in einer heftigen Geschwindigkeit mit stark ausgeholtem Schwung auf seiner Wange. David sah sie an, in seinen Augen funkelte Wut. "Das wirst du bereuen du Biest", zischte er bedrohlich und schubste sie von seinem Bett. "Morgen wird jeder in der Schule erfahren was für ein hinterhältiges Dreckstück du doch bist!". Saori eilte aus dem Zimmer ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Endlich kam sie an ihrer Zimmertür an und öffnete diese. Sie nahm ihren Rucksack, den sie als sie nach Hause gekommen war an der Tür abgestellt hatte, und stellte diesen in die Ecke. Danach legte sie sich auf die schmutzige Matratze, welche auf dem Boden lag. Tränen liefen über ihr hübsches, doch ausdrucksloses Gesicht und ließen ihre schwarze Schminke verlaufen. "Irgendjemand...irgendwer...muss mir doch helfen können...ich kann das nicht mehr! Ich will das nicht mehr!", Saori wollte ihren Gedanken Freiheit geben. Sie wollte sie herauß schreien doch sie konnte nicht. Tränen liefen weiter. Unzählige Tränen hatte sie bereits schon in diesem Zimmer vergossen. Tränen gefüllt mit Gefühlen, tief aus ihrem Inneren. Tränen gefüllt mit Wünschen und Träumen, die niemals wahr werden würden. Tränen gefüllt mit tiefster Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Kapitel 2: Let´s make a deal ---------------------------- Zwei Tage vergingen wie im Fluge. Sie vergingen, wie alle anderen auch. Saori saß auf ihrem gewöhnlichen Sitzplatz als der Unterricht begann. "Frau Walker sind Sie schon wieder unsere Vertretung? Wo ist Herr Weston!?", fragte einer der Schüler ungeduldig, als die Lehrerin anfing Bücher aus ihrer Tasche zu ziehen. Walker war eine Lehrerin, die man ungefähr 30 schätzte oder etwas älter. Sie hatte wunderschöne grüne Augen, die wie ein smaragdfarbener reiner Edelstein strahlten. Die Frage des verwirrten Schülers war berechtigt, denn Herr Weston war nun schon seit ungefähr einem Monat nicht mehr in der Klasse geweßen. Ständig war er entschuldigt und man sah ihn nur selten im Schulgebäude. Auch heute schien er nicht anwesend zu sein. "Herr Weston ist entschuldigt. Ich werde heute wieder einmal seine Vertretung übernehmen". Die Stimmen der Schüler vermischten sich zu einem lauten gemurmele, in dem nichts mehr richtig zu verstehen war. Saori seufzte. Ihr war es eigentlich egal wer ihr Lehrer oder ihre Lehrerinn geweßen war. Die Hauptsache war, dass der Lehrer in der Lage war den Schultag so zu gestalten, dass man das Gefühl hatte er verginge wie im Fluge. Nachdem die Schule ihr Ende gefunden hatte machte Saori sich sofort auf den Weg. Kühle Luft und Schneeflocken schlugen ihr ins Gesicht. Sofort vergrub sie ihre Hände in den Taschen ihrer Winterjacke. Es war kalt. Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen und sie schütze ihr Gesicht im Kragen der schwarzen Jacke. Instinktiv lief sie den Weg, welchen sie jeden Tag nach der Schule nahm. Es war der Weg zu dem einzigen Gebäude, welches ihr die Ruhe schenkte, nach der sie sich sehnte: Die alte Bücherrei neben dem noch älteren Glockenturm. An der großen, hölzernen Tür angekommen öffnete sie diese und betrat den großen Raum. Sofort spürte Saori die angenehme wärme die sie umgab. Hier fühlte sie sich sicher und geborgen umgeben von alten Geschichten, die in alle Welten führten. Von Weßen wie Vampire, Dämonen, Teufel und Todesbringer, wobei ihr die Geschichten der zuletzt genannten Weßen am besten gefielen. Todesbringer, Weßen, die Tod aber auch Glück bringen konnten. Sie gingen einen Vertrag mit dem Menschen ein, wobei es sich immer um die verschiedensten Arten von Verträge handeln konnte. Erst neulich hatte sie eine Geschichte geleßen, in der ein Todesbringer ein Vertrag mit einem jungen Mädchen eingegangen war. Er hatte all ihre Probleme aus dem Weg geräumt und ihr ein glückliches Leben geschenkt. Jedoch wurde sie zu sehr von seiner Macht verführt, sodass sie ihren normalen Menschenverstand verlor. Letztendlich musste sie mit dem Tod bezahlen. Saori dachte öfter darüber nach wie das Leben wohl geweßen wäre, wenn mysteriöse und atemberaubende Weßen, wie es Todesbringer und Vampire waren, daran teilgenommen hätten. Aber woher sollte man wissen ob es diese Wesen gab oder nicht gab? Waren diese Geschichten wirklich nur erfunden oder aus eigener Erfahrung aufgeschrieben worden? Nein, Saori wollte sich keine großen Hoffnungen mehr machen. Nicht einmal ein Todesbringer würde für sie seine Waffen und Kräfte tanzen lassen. Dafür war sie viel zu unwichtig. Warum sollte ausgerechnet sie das Glück haben in eine fantastische Geschichte gezogen zu werden? Eine solche Möglichkeit war vollkommen ausgeschlossen. Saori seufzte und ließ ihren Rucksack auf einen der Stühle fallen. Danach begab sie sich in die Gänge der großen Bibliothek. Es roch nach Staub und alten Büchern. Nach mystischen Geschichten und Abenteuern. Es war ein angenehmer Duft, der sich mit der idyllischen Stille vermischte. Dieser Ort hatte eindeutig etwas magisches an sich. Für Saori war es ein ganz besonderer Platz. Außerdem mochte sie das Geräusch, welches die alten Klocken jede Stunde neu von sich gaben. In diesen alten Gebäuden versteckte sich so viel atemberaubende Geschichte. Saori wollte all diese Bücher lesen, die diese atemberaubenden Geschichten verbargen. Wie jeden Tag hatte Saori die Zeit schneller hinter sich gelassen, als sie es sich eigentlich Wünschte. "Junge Dame wir...". "Ich weiß", sie stand auf und hängte sich ihren Rucksack über die Schultern. Mit einem lächeln verabschiedete sie sich bei dem alten Herrn, der noch nie etwas dagegen gesagt hatte, dass Saori öfters den ganzen Tag in dieser Bücherrei verbrachte. Sie lief zur großen Holztür und ließ die schönen Geschichten und Märchen, den alten Geruch von geheimnisvollen Büchern und die magische Wärme hinter sich. Nun ging es wieder rauß in die eiserne Winterkälte. Pünktlich ertönten die Glocken des alten Turms um eine volle Stunde mitzuteilen. Ja, es war wieder 20.00 Uhr geweßen. Saori wusste was das zu bedeuten hatte. Die Johnsons würden wieder unglaublich wütend sein. Wenn der Winter doch nicht so eine kälte mit sich bringen würde, dann würde Saori gar nicht mehr zu diesem Haus zurückkehren. Doch momentan hatte sie keine andere Wahl. Sie seufzte. Total in Gedanken versunken bemerkte sie gar nicht, dass sie nicht die Einzige in der schlecht beleuchteten Gasse war. "Na wen haben wir denn da? Wenn das nicht die total abgedrehte Saori aus der Parallelklasse ist!", Saori kannte diese Stimme nicht wirklich gut, doch hatte sie den Jungen schon öfter in der Schule gesehen. Neben ihm standen seine zwei Kumpels. Die drei waren ziemlich schlimme Finger denen man aus dem Weg gehen sollte. Wenn man es sich mit ihnen verscherzte konnte man eine schöne Schulzeit vergessen. Zufälligerweiße hatte David ein unglaublich gutes Verhältnis mit den Dreien. Warum auch nicht? Er war ja genauso hinterhältig. "Hast du gar nichts zu sagen?", wollte der mittlere, der sie auch zuerst angesprochen hatte wissen. Sein schwarzes Haar war recht lang und zu einem Zopf zusammengebunden. Die grünen Augen sahen sie ungeduldig wartend an. Der Kerl links neben ihm hatte einen ziemlich abrasierten Kopf, auf dem nur wenige Haarstoppel abstanden. Viel zu viele Piercings 'verzierten' sein Gesicht und der stoppelige Bart half ihm auch nicht attraktiver zu wirken. Rechts von 'Mister schwarzhaariger Zopf' stand der nächste Kriminelle. Seine Jeans war total zerfetzt, als hätte er über ein Jahr lang nur diese eine für all seine Aktionen getragen. Sein Haar war kurz und schwarz. Ausdruckslos beobachteten seine dunkelblauen Augen jede Bewegung Saoris. Was wollten diese Kerle von ihr? Schnell bekam sie Angst und wünschte sich, dass sie heute direkt nach der Schule nach Hause gegangen wäre und sich um den Haushalt gekümmert hätte. "Was..wollt ihr von mir?", Saori gab sich mühe um ihre Angst nicht zu zeigen. Ihre Stimme war leicht zittrig, doch sie versuchte den Ton möglichst ausdruckslos zu halten, sodass man die Angst in ihrer Stimme nicht hörte. "Na ja..wo wir dich doch schon in einer so wenig belebten Gasse gefunden haben dachten wir, dass wir deine Fähigkeiten mal testen wollten", antwortete der schwarzhaarige Anführer der Clique. "Was für Fähigkeiten?". "Mädchen, stellst du dich blöd? Dein Bruder hat doch schon alles herum erzählt wir wissen bescheid du musst es nicht versuchen zu verheimlichen", ließ er sie wissen, doch Saori blieb weiterhin verwirrt. "Oder willst du wissen welche genaue Fähigkeit wir meinen? Wir meinen nicht, dass wir sehen wollen, wie du zu deinen Außerirdischen Freunden sprichst. Wir wollen wissen was du im Bordell damals so gelernt hast". Das glaubten sie wirklich? Saori war geschockt und überrascht zugleich darüber, dass man David jeden Mist abkaufte. "Das hat sich David nur ausgedacht ich war nie an so ´nem schmutzigen Ort!", meinte Saori sofort, doch sie wusste, dass es vergebens war. Wer würde ihr schon glauben? Es kam, wie Saori es sich schon gedacht hatte: "Und das sollen wir dir nun glauben? Vielleicht können wir das besser beurteilen nachdem wir uns deine Fähigkeiten angesehen haben". "Könnt ihr vergessen!", schimpfte Saori laut und versuchte stark zu wirken. Innerlich jedoch zitterte sie vor Angst. Konnten diese Kerle nicht endlich aufhören auf ihr herumzutrampeln? Sie lag doch schon längst ganz unten, wo sollte sie denn noch hin? "Ohh? Die kleine will Befehle geben?", der Anführer der drei Jungs, der Kerl mit seinem schwarzhaarigen Zopf und seiner dunklen Lederjacke, packte Saori am Handgelenk. Aus reflex riss sie sich sofort, ohne zu zögern, los und begann zu rennen. Kurz gönnte sich der Kerl ein amüsiertes lachen. "Und jetzt auf einmal so feige! Vergiss es kleine! Du entkommst uns nicht!", nachdem er das hinter her gerufen hatte rannten er und seine Kumpel auch schon hinterher. Saoris Herz klopfte schneller, nein, es raßte förmlich vor Angst. Es war kurz dabei in tausend Stücke zu zerbrechen. Saori rannte obwohl sie wusste, dass sie keine Chance hatte. Diese Kerle waren schneller und hatten dazu auch noch viel mehr Ausdauer. Trozdem wollte Saori sich nicht schnappen lassen. Trozdem wollte sie einen Ausweg aus dieser Situation finden. Also rannte sie und bog so schnell wie es nur ging in verschiedene Gassen ab, um zu versuchen sie abzuhängen. Doch wie immer stand das Glück nicht auf Saoris Seite, denn sie lief schon bald in eine Sackgasse. An der Wand angekommen drehte sie sich ruckartig um. Es war still. Niemand war zu sehen. Doch nun, leise, hörte sie Schritte aus der Entfernung, die immer näher kamen. Was sollte sie tun? Es gab nichts zum Verstecken. Nicht einmal eine Mülltonne hinter die man sich hätte zwängen können oder schilmmstenfalls soger hätte hineinklettern können. Es war vorbei. Wenn diese Kerle in diese Sackgasse kommen würden, dann war alles vorbei. Wenn man ihr an diesem Abend auch noch die Jungfräulichkeit rauben würde, dann würde es alles zu viel werden. Die Schritte wurden lauter und kamen immer näher und dann kam es so, wie es kommen musste: Halber Glatzkopf mit zu vielen Piercings blickte in die Sackgasse und entdeckte sie sofort. Mit breitem Grinsen rief er seine Kumpels, die weiter gelaufen waren, zu: "Ich hab sie!". Saori lief es eiskalt den Rücken herunter. Ihr wurde schlecht vor Angst. Es gab keinen Weg mehr um zu entkommen. Die drei Idioten liefen auf sie zu. Gegen alle drei hatte sie nie eine Chance. "Also..dann lass uns doch ein wenig spaß haben", meinte der Kerl mit Zopf und öffnete den Gürtel seiner schwarzen Jeans. Saori lief ruckwärts, doch schon bald merkte sie die kalte Wand. Nun zog der Typ auch noch seinen Reißverschluss auf und auch seine zwei Freunde sahen aus, als würden sie sich auf das bevorstehende richtig freuen. Saoris Angst mischte sich mit einem Zorn über ihre Wehrlosigkeit. Sie stellte sich immer wieder die selbe Frage: "Warum ich? Warum hört es nicht auf?". Nie hatte sie sich richtig beschwerrt, doch das wurde eindeutig zu viel. "Na dann zeig mal was du kannst, kleines..". "Gar nichts werde ich tun! Ich hab genug von euch! Genug von euch allen! Warum lasst ihr mich nicht in ruhe!?", schrie sie plötzlich los und brach auch nicht ab, nein, ohne darüber nachzudenken machte sie weiter, "am liebsten wär´s mir, wenn ihr alle sterben würdet! Verreckt doch einfach!". Saori kniff die Augen zu, um herablaufende Tränen zu vermeiden. Tränen, welche aus Trauer, Verzweiflung und zugleich rießiger Wut entstanden waren. Doch plötzlich waren seltsame Geräusche zu hören. Rasselnde Ketten, Geräusche, die sich anhörten, als würde jemand die Luft zerschneiden, Flüssigkeit, die in Massen auf den Boden fiel. Plötzlich vermischte sich der kühle Winterduft mit einem eisernen Blutgeruch. Irgendetwas war auch auf Saoris Gesicht gelandet. Es war warm und Flüssig. Verwirrt öffnete sie vorsichtig ihre Augen und glaubte kaum, was sie dort sah. Vor ihr stand eine Gestalt komplett in schwarz gehüllt. Der Mantel reichte bis hin zum Boden. Die Kapuze verbarg das Gesicht. Saoris von geschmolzenem Schnee durchnässten Haare klebten in ihrem hübschen mit Blut befleckten Gesicht, während ihre verwunderten Augen den Fremden, der aus dem nichts kam, musterten. Seine Sense hielt er in der blassen Hand. Vor seinen Füßen lagen Leichen, die vor einer Sekunde noch lebten. Es war ein unheimlicher Anblick. Es war, als stünde Saori vor dem Sensemann - dem Tod. Trodzem hatte sie keine Angst vor ihm, sie wusste nicht warum, aber sie hatte wirklich keine Angst. Ihre Augen wanderten Richtung Boden, auf dem das Blut immer mehr im Schnee zerlief. Auf diesem Boden, in dieser Gasse, lagen ihre toten Schulkammeraden, aufgeschlitzt, mit starren, geweiteten und leeren Augen. Der Fremde ließ seinen Kopf gesenkt. Die Sense lag noch immer ruhig in seiner Hand, während ihre Spitze dunkelrot schimmerte. Die Stimme des Fremdem klang ruhig, ernst und jung: "War das alles? Waren es nur diese jämmerlichen Kerle, die dich tyrannisierten oder warum hast du so verzweifelt nach hilfe geschrien?". Nach Hilfe geschrien? Wann hatte sie nach Hilfe geschrien? Ja, ihr Körper schrie ständig nach Hilfe, doch nie verließ ein leidender Ton ihr inneres. Alles blieb verborgen. "Sag, soll ich dich auch von dem Rest befreien? Das war doch sicherlich noch nicht alles". Befreien? War Saori als nächste dran? Wollte er sie nun auch innerhalb von einer Sekunde niedermetzeln? Wenn es so geweßen wäre, dann war es ihr auch egal, denn ihr Leben war nicht viel wert. "Mach doch was du willst", antwortete sie kühl. "Ich soll also machen was ich will?", wiederholte er. Die blutige Sense aus seiner Hand verschwand so plötzlich, wie sie mit ihm auch aufgetaucht war. Er hatte sie einfach losgelassen und schon war sie in einem seltsamen Licht verschwunden, in einem Licht, welches Saori noch nie zuvor gesehen hatte. Blendend, kalt und doch irgendwie schön. Die blassen Hände des Fremden griffen nach seiner Kapuze und zogen diese von seinem Kopf. Wieder überraschte er Saori, denn sie hatte etwas anderes erwartet. Diese Aufmachung ließ sie einen älteren Banditen, der wie ein Schwerverbrecher aussah, vorstellen, oder vielleicht wirklich einen Sensemann. Doch statt eines knöchrigen Skelettes oder einem blassen unheimlich aussehenden Geistes blickte sie in das hübsche Gesicht eines jungen Mannes, der eine Narbe über dem rechten Auge trug, welches Grau gefärbt war. Wahrscheinlich war er blind, zumindest auf diesem Auge. Das andere war mit einer schönen, wenn auch kühlen, hellblauen und leuchtenden Farbe gefüllt. Sein Blick wirkte ohne jede Emotion. Silberne Piercings glänzten an seinen Lippen und Ohren. Der Fremde lief auf sie zu und wieder erlaubte er ihr nur ein blinzeln, ehe er direkt vor ihr stand. Zwei Finger seiner linken, kühlen Hand hoben Saoris Kinn an und zwangen sie, ihm direkt in die Augen zu blicken. "Dann werde ich alles tun was ich will, dann lass uns einen Vertrag eingehen", auf dem blassen Gesicht zeigte sich ein grinsen, ein unheimliches, vielleicht sogar leicht bösartiges grinsen. "Vertrag?", ehe Saori sich irgend etwas darunter vorstellen konnte, trafen die Lippen dieses Fremden plötzlich auf ihre. Kapitel 3: Contract ------------------- Geschockt riss Saori ihre Augen auf. Sie spürte seine warmen, weichen Lippen noch immer auf ihren. Wenige Sekunden dauerte dieser Kuss, doch für Saori schien es wie eine halbe Ewigkeit. Der Fremde löste sich von ihr und sah sie an. Sofort zeigte sich erneut ein grinsen auf seinem Gesicht, während seine Augen in ihre blickten. Seine Augen durchbohrten sie, als wäre er gerade dabei in sie hinein zu schauen um sich anzusehen was sie fühlte. Schock und Verwirrung. Saori hatte ihren Tod erwartet. Sie hatte erwartet, dass dieser Junge seine im Mondlicht schimmernde Sense durch ihr Herz bohren würde. Stattdessen hatte er ihr einen sanften und warmen Kuss gegeben und von einem Vertrag gesprochen. War das ganze vielleicht nur ein dummer Traum? Ja, so musste es wohl geweßen sein. Niemand würde einfach so in einer dunklen Sackgasse auftauchen und drei Jugendliche abschlachten. Es war einfach nur ein idiotischer und unsinniger Traum. Saori würde sicherlich schon bald aufwachen. Nachdem sie ihren Schock überwunden hatte wanderten ihre Augen zu Boden. Immer mehr Blut zerlief im Schnee. Diese Gasse stank nach Tod. Es dauerte noch eine Weile, bis Saori in der Lage war ihren Mund zu öffnen, doch letztendlich schaffte sie es die Verwirrung zu überwinden und sich langsam zu beruhigen. "W-Wer...Wer bist du..? Und...was für einen Vertrag? Was meinst du..?", deutliche Verwirrung war in der zittrigen Stimme zu hören. "Vertrag...hmm....gute Frage...es war eine Instinktive Handlung das zu tun. Irgendwas hat mir gesagt, dass ich es tun muss, wenn ich bleiben will". Instinktive Handlung? Wenn er bleiben wollte? Von was sprach dieser Junge? "Was ist das denn für eine bescheuerte Antwort? Kannst du dich nicht klarer ausdrücken?". "Du würdest mir nicht glauben wenn ich es dir erkläre". "Versuch es einfach". Kurz dachte Saori nach: "Was tu ich hier überhaupt? Ich spreche mit einem Fremden, der gerade vor meinen Augen mordete...ich spreche mit ihm, als wäre das alles nie passiert....". Ja, noch immer hatte sie keine Angst und noch immer betrauerte sie den Tod dieser Jungs nicht. "Ich...bin Kenta Shinsui...und...ich bin tod. Ich weiß nicht wie ich gestorben bin, ich weiß nicht was ich nun bin und ich weiß nicht wo ich in der Zeit war, in der ich nicht hier in dieser Gasse war. Es ist als hätte ich all meine Erinnerungen von meinem Todeszeitpunkt bis jetzt vergessen.....doch ich weiß, dass ich nicht hier war und ich denke, dass ein 'Vetrrag' notwendig war um mich bleiben zu lassen...", der Junge, der sich selbst als Kenta vorstellte, schien sich selbst nicht genau sicher zu sein was er sprach. Es wirkte, als wäre er selbst ein wenig Verwirrt, doch gab er sich Mühe seine Situation zu erklären. "A..ha...?", war alles was Saori aus sich heraus bekam nachdem sie diese unglaubwürdige Geschichte zu hören bekam. "Ich weiß..ich würd´s auch nicht glauben, wenn ich wer anders wäre", Kenta zuckte mit den schultern und seufzte, "keine Ahnung warum ausgerechnet du in der Lage warst mich zurück zu bringen, aber das alles ging dann auch einmal so schnell...wie ein reflex..diese ganze Sache da..mit dem töten und Vertrag schließen....". Kenta streckte seine Hände aus und blickte auf seine blassen Handflächen, als würde er darüber nachdenken wie er die Dinge getan hatte. "Und..jetzt..wo du wieder zurück bist...was hast du nun vor?", Saoris neugier packte sie, auch wenn sie noch immer dachte, dass sie sich in einem Traum befand. In ihrer kleinen naiven Fantasiewelt. "Ich will meine Erinnerungen zurück haben. Ich will wissen wie ich gestorben bin und vor allen Dingen wer mich getötet hat...und ich will wissen was ich nun bin", antwortete Kenta, "außerdem wäre es nicht schlecht zu wissen wo ich die ganze Zeit über geblieben bin und wie viel Zeit vergangen ist....was für ein Tag ist heute? Welches Jahr haben wir?". "Vierter Dezember 2012...", antwortete Saori. "2 Jahre also...", murmelte Kenta vor sich hin und sah das schwarzhaarige Mädchen wieder an. Mittlerweile waren ihre Haare stark vom hellen weiß der Schneeflocken verdeckt. Ihre Augen wirkten unschuldig und verwirrt, als sie auf die ausdruckslos kühlen von Kenta trafen. Es verging eine Weile, die von Stille umhüllt war, bis die nächste Handlung geschah. Kenta bewegte sich plötzlich, als wäre er auf einmal von einer Biene gestochen worden. Er packte Saori an der Hand und zog sie mit sich. Sofort wurde das Mädchen von erneuter Verwirrung ergriffen. "Wo willst du hin?". "Weiß nicht. Irgendwo hin wo man in ruhe reden kann". An einer abgelegenen Mauer angekommen blieb der Junge mit dem feurig roten Haar stehen. Er setzte sich auf die Mauer, welche von Schnee bedeckt war. Doch es schien ihm nichts auszumachen. Entweder war sein schwarzer Ledermantel so wärmegebend, dass er gegen die eisige kälte immun war oder ein Toter hatte einfach nichts gegen das für einen Menschen unangenehme Klima. Kentas Augen wanderten in den von Wolken bedeckten dunklen Nachthimmel. Ob es wohl an der Dunkelheit lag, dass seine Atmung keinen weißen Nebelschleier zeigte? Doch Saori konnte ihren eigenen, weißen Atem deutlich sehen. Kurz rieb sie sich über ihre kühlen Hände und wartete auf ein Wort ihres gegenübers. "Warum hast du gerufen?", es war schon wieder diese Frage. Er hatte ihr dieselbe Frage schon einmal gestellt. "Ich habe nicht gerufen", antwortete Saori. Gerne hätte sie sich neben ihn gesetzt, doch der hoch liegende Schnee war eindeutig zu viel für sie. Schon Kentas Anblick in der hohen Schneemasse sitzend gab ihr eine Gänsehaut. "Zumindest habe ich kein Wort von mir gegeben". "Aber in Gedanken?". Erst gab Saori keine Antwort, doch dann nickte sie zögernd. "Warum?", er wiederholte es erneut. "Weil...mein Leben ein Chaos ist...vielleicht deswegen....aber Fremden erzählt man sowas nicht gerne". "Aber vielleicht sollst du es mir erzählen? Vielleicht bin ich ja dafür da dein Leben wieder gut zu machen? Und dafür, dass ich dein Leben wieder in Ordnung bringe hilfst du mir meine Erinnerugen zu finden", auf seinen Lippen lag plötzlich ein amüsiertes und freches Grinsen. Was war so lustig? Machte ihm der Gedanke etwa spaß? Das war doch kein Spiel. "Vielleicht..", murmelte Saori. "Und wenn mein Einsatz sowas wie meine Seele ist?". Plötzlich fing der Junge an laut zu lachen. "Seh ich für dich aus wie ein Dämon oder sowas?", meinte er frech grinsend. "Wie ein böser Teufel, ja", Saoris gemurmel war unverständlich, doch Kenta schien es auch nicht wirklich zu interessieren was ihre Antwort war, denn er fragte nicht noch einmal. Saori dachte wirklich, dass er eine ähnlichkeit mit dem hatte, was man in Geschichten 'Teufel' nannte. Zwar hatte er keine Hörner, doch die Farbe seiner Haare passte wirklich gut. Seine Haut war leichenblass und die Augen wirkten eisig kühl, als könnte er einen Menschen in eine Eissäule verwandeln. Vielleicht hätten die Augen eines Teufels eher wie brennendes Feuer wirken sollen, doch Kentas eiskalte Augen wirkten genauso gruselig. Ein schwarz verschmierter Kayalstrich war um sie gezogen, welcher diesen Augen nochmehr Ausdruck verleihte. Als er noch lebte war er bestimmt ein Mädchenschwarm, denn es gab ja einige, die auf diese 'Badboy'-Art standen. Wie lange er wohl schon diese Narbe hatte, die sich über sein rechtes Auge zog? Kam sie von seinem Tod oder war es ein Unfall der sich schon zuvor begeben hatte? "Über was genau wolltest du jetzt eigentlich reden?". "Über das was nun als nächstes passieren soll....ich weiß nicht ob ich ohne dich herumirren darf. Schließlich haben wir ja einen Vertrag abgeschlossen". Saori seufzte. Diese Vertragssache war ihr zu dämlich und viel zu kompliziert. Was für eine bescheuerte Art von Vertrag war das, wenn man nicht wusste wie der Inhalt lautete? "Ich denke ich sollte es einfach so machen wie ich es dachte. Ich bring dein Leben ein wenig in Ordnung und suche nach meinen Erinnerungen", meinte Kenta und grinste erneut, "das wird bestimmt ´ne lustige Sache". Was war daran lustig? Saori verstand es nicht. "Wie du meinst....darf ich jetzt nach Hause?". "Klar". Mit seinen Beinen stoßte er sich von der Mauer ab und landete elegant auf seinen Beinen. Perfekt, wie eine flinke Katze. Der Mantel war leicht durchnässt, doch das schien Kenta nicht wirklich zu interessieren. Er zog sich seine von Fell umgebene Kapuze auf den Kopf und verabschiedete sich mit einem frechen, vielleicht sogar leich fieß wirkendem lächeln: "Ich denke man sieht sich dann". Und ohne auf ein weiteres Wort zu warten machte er sich auf den Weg in die Dunkelheit der Nacht. Nun stand sie alleine da. Alleine in einer der etwas abgelegeneren Gegenden der Stadt. Der Schnee wirkte noch immer unaufhörlich und nur von weitem war das Gehupe des Stadtchaos wahr zu nehmen. Bis auf die üblichen Geräusche des fernen Stadtlebens war es still. Der Wind wehte sanft und kühl durch Saoris Haar, als würde er es liebhaft streicheln. Das Mädchen zog ihre Jacke noch mehr zu, um sich vor der Kälte zu schützen. Sie zitterte leicht. Ihre Haare waren von geschmolzenen Schneeflocken durchnässt. Noch einmal drehte sie sich um, doch von Kenta fehlte jede Spur. Nicht mal mehr seine Schritte waren zu hören. Saori fühlte sich einsam und sie entschied sich vorsichtig den Heimweg anzutreten. Die Nacht verging, der Wecker klingelte unaufhörlich, nervtötend, laut. Saori hatte schlecht geschlafen, ihr Kopf gefüllt mit den verschiedensten Gedanken. War es nun ein Traum geweßen oder nicht? Sie seufzte und stand auf. Ihre nackten Füße berührten den eisig kalten Holzboden und hinterließen ihre Form im zuvor staub bedeckten Boden als reiner Abdruck, doch schon bald würden diese wieder unter Staub bedeckt liegen. Leise, beinahe lautlos tappste sie zum alten Schrank, zog ihre Schuluniform herauß und zog diese an. Die zarte Haut verschwand unter der weißen Bluße. Die schön geformten und schlanken Schenkel steckten im blauen Faltenrock und die nackten Füße waren nun in weiße Kniestrümpfe gepackt worden. Nun huschte das Mädchen nur noch in die braunen Schuhe und öffnete die Tür. Leise schlich sie in die Küche und bereitete ein Bento zu. Das traditionelle 'Pausenbrot', welches damals immer ihre Mutter für sie zubereitet hatte. Irgendwann hatte sie es dann selbst gelernt, doch das Bento, welches sie sich in diesem Haus zubereitete war längst nicht mehr traditionell. Die Zutaten waren anders, da dieser Haushalt nicht alle Zutaten hatte, welche für die japanische Mahlzeit üblich waren. Saori vermisste ihre Familie. Sie vermisste ihre Mutter, ihren Vater, ihren Zwillingsbruder und auch ihre ältere Schwester. Alle waren sie damals bei dem Unfall umgekommen. Sie war die einzige, die überlebt hatte. Es war wirklich so, als würde ein Fluch auf ihren Schultern lasten. Der Schultag verlief so, wie es für Saori schon normaler Alltag geworden war. Frau Walker als Ersatz Lehrkraft für Herrn Weston, eine einsame Pause, in der Saori das Bento an einen von Davids Schlägerfreunden abgeben musste und mal hier mal da etwas Lästerei über das japanische Mädchen. Saori hoffte, dass man sie wenigstens nach Schulschluss in ruhe lassen würde, doch es kam anders. "Hey kleines! Hast du noch ein wenig Geld dabei?", einer der Schüler ihrer Klasse hielt Saori an ihrer Schulter fest. Er hatte einen groben und festen Griff. "Nein, tut mir leid", flüsterte Saori und sah zu Boden. Wieder einmal raste ihr Herz schneller vor Angst. "Ach so? Dann lass mich doch mal nachsehen", ohne zu zögern nahm der Schüler ihren Rucksack und durchwühlte diesen. Nachdem ihm das gewühle zu blöd wurde packte er den Rucksack und leerte ihn aus. In wenigen Sekunden war sämtlicher Inhalt der Tasche auf dem verschneiten Boden gelandet, auch der schwarze sonst so unauffällige Geldbeutel, der im hellen weiß des Schnees jedoch am meisten ins Auge stach. Als der Junge ins innere blickte erfüllte sich seine Miene mit zorn. "Ach..kein Geld also!? Da is ja noch haufenweise was drinnen!", brüllte er sofort los und zog somit wieder einmal die ganze Aufmerksamkeit auf sich und Saori. Mit voller Wucht schubste er Saori, welche sofort zu Boden fiel. Auch wenn der Schnee ihr etwas Schutz vorm harten Aufschlag bot, so war es keine angenehme Landung. "Miststück!", der Kerl zog die restlichen fünf Dollar, welche in Saoris Geldbeutel gesteckt hatten, heraus und warf die nun leere und nutlose Brieftasche zu Boden. Doch noch immer war er nicht zufrieden, hob er nun sein Bein und trat Saori auch noch. Ein furchtbarer Schmerz zog durch Saoris Arm, auf welchen sie gestürzt war - und nun kam auch noch ein stechender Schmerz in ihren Rippen dazu. Auf einmal spürte sie, wie ihre Augen immer nässer wurden. Ihre Sicht wirkte verschwommen und dann fühlte sie auch schon die kullernden Tränen auf ihren Wangen. "Was..von dem bisschen heulst du jetzt? Das hast du doch wirklich verdient! Wer lügt verdient eine Strafe!", dieser Kerl zeigte kein bisschen Mitleid. Stattdessen wollte er sogar noch einmal zutreten. Verängstigt kniff Saori ihre Augen zu und machte sich für weiteren Schmerz bereit. Doch so weit kam es nicht. Es gab keine weiteren Schmerzen mehr. "Macht´s wirklich so sehr spaß andere Leute zu tyrannisieren?", als Saori diese Stimme hörte riss sie ihre Augen auf. Diese Stimme hatte sie schon einmal gehört. Sie kannte sie aus ihrem letzten Traum. "Wenn es dumme Leute sind, die nur lügen können, schon", antwortete der Kerl. Und plötzlich, ja, es ging unglaublich schnell, plötzlich fiel er auch schon zu Boden, da er einen heftigen Schlag ins Gesicht abbekommen hatte. "Wow..du hast recht, macht spaß bei Vollidioten". Saoris Blick erhob sich und sah in das Gesicht eines Jungen, welcher wohl ungefähr in ihrem Alter war. Rotes Haar, blasse Haut, ein blaues und ein graues Auge. Geschockt blickte sie ihn an. Das konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein. Auf seinen Lippen lag ein leicht bösartiges lächeln, als er sich zu Saoris Angreifer herab kniete. "Wenn du dieses Mädchen noch einmal anfässt..wirst du es bereuen, das schwöre ich dir", die Stimme des rothaarigen Jungen war leise, doch klang sie bedrohlich, gefährlich. Die Nase des Angreifers blutete stark. Der Junge hatte sie wohl perfekt getroffen. Das böse lächeln war aus seinem Gesicht gewichen. Alles was man nun in seinem Gesicht sah war purer ernst. "Was geht´n mit dir ab!?", brüllte der Kerl geschockt und hielt seine Hand an seine blutende Nase. "Nun, ich kann´s einfach nicht leiden, wenn Arschlöcher wie du eins bist, unschuldige Mädchen schlagen und tyrannisieren", antwortete der Rothaarige, "also mach´s nicht mehr". Nach seiner Drohung nahm er diesem Kerl die fünf Dollar ab, lief zum Geldbeutel und hob auch diesen auf. Der Rest des ausgeschütteten Tascheninhalts fand nun wieder Platz in dem leeren Rucksack, nicht wirklich ordentlich eingepackt, doch das war in diesem Moment auch gar nicht wichtig. Danach lief er zu Saori, welche die ganze Szene geschockt beobachtet hatte. Ihr Herz raßte unaufhörlich. War sie wieder eingeschlafen? Fing sie schon mit Tagträumerei an? Oder hatte dieser Frauenschläger sie vielleicht Ohnmächtig getreten? "Alles in Ordnung?", wollte der Rothaarige nun wissen und sah sie an. Sein Blick wirkte kühl. "Äh...ich....ich glaube..schon", stammelte Saori total durcheinander vor sich hin. Um die Beiden herum war nur gemurmele zu hören. Eine Menge an Schülern hatte dem Geschehen zugesehen. Der Junge hielt ihr eine Hand hin und Saori nahm diese. Er half ihr beim aufstehen und auch wenn Saori es eigentlich verheimlichen wollte zeigte sich nun kurz der Schmerz in ihrem Gesicht. "Sicher, dass alles in ordnung ist?", wollte er wissen und es war überraschend, wie sanft und vorsichtig seine Stimme klang. Sie war leise und nur an Saori gerichtet. Doch die Zeit reichte nicht für eine Antwort: "Hey! Was soll das ganze!?". Plötzlich war einer der Lehrer auf die chaotische Bühne auf der das Schauspiel stattfand getreten. "Du!", und schon zeigte er auf den aggressiven Schüler mit der blutenden Nase, "ab mit dir ins Sekretariat! Und du, Shinji, solltest nicht gleich an deinem ersten Tag negativ auffallen". Shinji? "Ja, ich weiß. Tut mir Leid, aber ich konnte einfach nicht mit ansehen wie der Kerl ein Mädchen schlägt", entschuldigte Kenta oder 'Shinji' sich. Saori blickte ihn irritiert an - und schon bekam sie einen "ich erklär dir das nachher"-Blick zugeworfen. Der Lehrer seufzte nur und ging dann zurück in die Schule um sich nun um den Rebellen zu kümmern. Plötzlich spürte Saori einen festen Griff um ihr Handgelenk und schon wurde sie vom großen Schulgebäude weggezogen. Schmerz zog sich durch ihren Körper und ihre Rippe schmerzte, als hätte man tausend Nadeln in sie gerammt. "Wo gehen wir hin?", den Schmerz unterdrückend sah sie den rothaarigen Jungen, der sie wegzog, an. "Irgendwo hin wo man in Ruhe reden kann". Saori fühlte sich wie in einem Geheimagenten Film. Immer wenn sie auf Kenta traf ging er mit ihr irgendwo hin wo man ungestört reden konnte, als hätten sie ein erschütterndes Geheimnis - welches sie vielleicht sogar hatten... In einer stilleren Gegend angekommen ließ Kenta endlich los. Saori sah sich um und als sie sich sicher war, dass keiner dem Gespräch folgen konnte zögerte sie nicht mehr die lang unterdrückten Fragen loszulassen: "Was soll dieser falsche Name?". "Ich hab´ mich an deiner Schule angemeldet. Ich dachte, dass es so am besten wäre. So kann ich dich am besten beobachten und auf dich aufpassen, was wohl auch wirklich nötig ist. Wenn dieser Kerl dich nochmal eingreift brech ich ihm das Genick", Kenta klang bedrohlich ernst, doch warum? Warum tat er das alles nur für Saori? Ein Mädchen, welches er doch gar nicht kannte. "Aber...warum tust du das alles?", offenbarte Saori ihre Gedanken. "Wer weiß was mit mir passiert wenn dir was zustößt. Ich bin mir sicher, dass ich wieder verschwinde, wenn dir was passiert und der Vertrag ungültig wird". Diese Antwort hatte Saori nicht erwartet. Sie spürte die Enttäuschung, die sich langsam in ihrem Körper ausbreitete, wie ein flüssiges Gift, welches sie zu sich genommen hatte. Doch was hatte sie denn eigentlich erwartet? Dachte sie wirklich, dass sie einem Fremden irgendwie wichtig wäre? Nur weil er ihr einmal das Leben rettete und sie danach einmal vor einem Schlägertypen beschützte? All das hatte er nur wegen des Vertrages getan. Für sein eigenes Wohl und sein eigenes Vergnügen. "Achso..", auch wenn sie es versuchte, gelang es ihr nicht ganz die in ihrer Stimme liegenden Enttäuschung zu unterdrücken. Ehe Kenta es bemerken oder sich irgendwie dazu äußern konnte änderte Saori rasch das Thema: "Und für was dann der andere Name?". "Ich kann meinen richtigen Namen nicht mehr nutzen. Kenta Shinsui ist tot". Stimmt ja, das hatte Saori beinahe vergessen. Er war tot. Leichenblass wie ein Geist und selbst seine Körpertemperatur für einen Menschen viel zu niedrig. Er fror nie und egal wie stark seine Atmung war es bildete sich nie der weiße Atemschleier der warmen Luft die er eigentlich hätte von sich geben sollen. Er wusste zwar nicht wie, doch er war auch in der Lage eine Waffe zu formen. Ja, als sie sich wieder an die Sense erinnerte lief ihr ein Schauer über den Rücken. Konnte es sein, dass er vielleicht sogar emotionslos geworden war? Es kam ihr immernoch wie ein Traum vor, doch Kenta hatte wirklich ohne mit den Wimpern zu zucken Menschen getötet. Kein bisschen Mitleid hatte er gezeigt. Kein schlechtes Gewissen plagte ihn. Doch er hatte schon öfter gelacht oder wirkte aggressiv. Nein, emotionslos konnte er nicht sein, auch wenn er die meiste Zeit über so wirkte. Plötzlich schnippste jemand mit seinen Fingern direkt vor Saoris Augen. "Hey! Über was denkst du so scharf nach?", fragte Kenta plötzlich, als Saori wieder anwesend war. "Was? Äh..ach..nichts besonderes....nur....", was wollte sie ihn gerade Fragen? Ob es ihm nichts ausmacht gemordet zu haben? "Nur?", dieses mal bohrte Kenta neugierig nach. "Nur....plagt dich kein schlechtes Gewissen? Du..hast Leute ermordet.....". Kenta zuckte mit den Schultern. "Schienen Arschlöcher geweßen zu sein. Was wollen drei Kerle mit einem Mädchen in einer dunklen Gasse? Das konnten einfach keine guten Typen geweßen sein...dich scheint es ja auch nicht wirklich zu belasten, dass sie nicht mehr da sind". Stimmt, es verursachte zwar manchmal ein stechen in ihrem Herzen einen Mord mit angesehen zu haben, doch...diese Kerle hatten es nicht anders verdient. Über diese Bande hatte man nie etwas positives gehört. Sie hatten sogar schon einige Probleme mit der Polizei gehabt, auch wenn es keine großen waren. Eigentlich hatten sie ihr Leben schon weggeworfen. Es war trauig zu sehen, dass Menschen schon in diesem jungen Alter zu solch bösartigen Taten im stande waren ohne an die Folgen und ihre danach verkorkste Zukunft zu denken. Wieder einmal wechselte Saori das Thema: "Und nun? Was hast du jetzt vor?". Kenta zuckte erneut mit den Schultern. "Ich werde mir erst mal die Stadt ansehen...was sich so in den zwei Jahren geändert hat....danach überleg ich mir wie ich am besten meine Erinnerugen zurück erlange". "Ah...dafür brauchst du mich nicht zwingend oder?". Kenta schüttelte den Kopf. "Gestern ging´s auch ohne dich. Also bin ich wohl nicht dein Schoßhündchen, dass du an der Leine herumführen musst". "Ist auch besser so. Ich wollte sowieso immer eher eine Katze haben". Kentas kühl wirkendes Gesicht zeigte plötzlich ein Grinsen. "Auf was willst du hinaus?". Erst jetzt fiel ihr auf, dass es klang, als wäre Kenta gemeint. Und eigentlich war es ein guter Vergleich geweßen, denn auf den ersten Eindruck wirkte er wirklich wie eine unabhängige und freie Wildkatze. "Ach, vergiss es", meinte Saori schließlich. Ihre Schuhe hinterließen einen Abdruck und knarzende Geräusche im Schnee, als sie einige Schritte lief. "Ich denke ich gehe jetzt nach Hause. Viel Spaß beim Streunen". "Danke, den werde ich vielleicht haben", antwortete Kenta schmunzelnd und auch er ging seinen Weg. Ehe Saori sich versah war der junge Mann auch schon verschwunden. Kapitel 4: Beginning of a disaster ---------------------------------- Naoki schloss die Augen und atmete tief durch. Doch kam es nicht zum erwünschten Beruhigungseffekt, denn der Gestank von Blut und Tod in der eiskalten Luft sorgte dafür, dass sich sein Magen noch mehr zusammenzog. "Wiederwertig", grummelte Miller mit verzogener Miene und zog die nächste Zigarette aus der Marlboro Schachtel. "Diese Psycho-Killer sind wirklich die Schlimmsten". Erneut öffnete Naoki seine Augen und erlaubte somit einen weiteren Blick auf diese grausame Tat. Zerstückelte und aufgeschlitzte Körper. Starre Augen der Toten, die ausdruckslos in den weiten, grauen Himmel blickten. "Reiß dich zusammen. So etwas wird alltäglich werden", auch Gedanken konnten ihn nicht beruhigen. Sein Magen blieb verkrampft und das Übelkeitsgefühl stark. "Kein schöner Anblick, nicht wahr Junge? Aber genau das ist die Art von Fall an der du doch gerne herumschnupperst. Genau deswegen hatte ich dich angerufen, denn dieser Fall ist nicht normal", informierte Daniel Miller ihn. "Was genau meinen Sie damit?", die Übelkeit war Naoki nicht nur anzuhören, auch sein Gesicht zeigte eine für ihn ungewöhnliche blässe. "Die Spurensicherung hat noch immer nichts gefunden. Es gibt keinen Beweis und auch keine Fingerabdrücke. Jedoch vermutet man anhand der Schnittwunden, dass etwas wie ein Schwert oder eine Sense als Tatwaffe verwendet wurde". "Die Opfer dürften alle ungefähr zur selben Zeit gestorben sein. Der genaue Todeszeitpunkt ist noch unklar, doch man geht davon aus, dass die Tat gestern stattfand", fügte einer der Ermittler hinzu. "Gibt es wirklich keine Hinweise?", vergewisserte Naoki sich und versuchte sich möglichst auf seinen Vorgesetzten zu konzentrieren um nicht noch einmal in geschocktes Starren zu geraten. Diese Dinge, die er gerade gesehen hatte, wollte er am liebsten wieder vergessen. "Bis jetzt noch nicht. Zeugen können auch nicht wirklich befragt werden, da die Tat in einer abgelegenen Gasse durchgeführt wurde. Allerdings gibt es eine Bibliothek in der nähe. Der Besitzer wird gerade gefragt ob ihm an diesem Abend irgendetwas aufgefallen ist oder ob er diese Jungs kennt", Miller entfernte sich etwas vom Tatort, zog dann das silberne Zippo Feuerzeug mit der Totenkopfgravur aus seiner Lederjacke und zündete die Zigarette, welche inzwischen in seinem von Bartstoppeln umrandeten Mund steckte, an. "Komm mit. Die Sache hier hinten ist noch nichts für dich, sieht man dir an", forderte Miller Naoki auf, welcher ihm auch sofort dankbar folgte. Für ihn war es eine große Erleichterung diesen von Blut beschmieren Ort, an welchem sich der Tod versammelt hatte, zu verlassen. Miller betrat die alte Bibliothek neben der noch älteren Kirche. Der Teil dieser Stadt war wirklich heruntergekommen, doch trozdem hatte er noch immer etwas schönes. Vielleicht war er ja eben dadurch so schön. Dadurch, dass er zeigte, dass diese Stadt nicht komplett in der Modernisierung und Umbau in rießigen Glastürmen und unnötigen elektronik Geräten erstickt worden war. Nein, diese Bibliothek war aus einfachem Stein gebaut und wirkte leicht Barock. Sobald man sie betreten hatte nahm man den Geruch der alten Geschichtsbücher wahr. Man roch förmlich den Duft alter Geschichte und spürte zugleich diese mystische Athmosphäre, welche auf diesem alt gewordenen Ort lag. Naoki betrat das erwärmte Gebäude und verließ die eisige Kälte, welche draußen in diesem trostlosen Winter herrschte. Noch immer waren zwei Polizeibeamte dabei den älteren Herrn zu befragen. "Ja, sie kommt öfter her. Doch ich sage Ihnen, sie ist ein wirklich freundliches und ruhiges Mädchen", der Mann wirkte ehrlich, während er die gestellten Fragen beantwortete, "ich glaube kaum, dass jemand wie sie in einen furchtbaren Mord verwickelt sein könnte". "Kennen Sie vielleicht den Namen dieses Mädchens?", fragte einer der Polizisten. Der Andere hielt einen kleinen Notizblock in seiner Hand und schrieb mit einem blauen Kugelschreiber darauf. "Den Namen? Ich bin nur einmal mit ihr in ein Gespräch gekommen..ich glaube sie hieß Saori. Ein wirklich hübsches, junges Mädchen. Sie ist eine Asiatin". "Verstehe. Und das ist alles was Ihnen aufgefallen ist?". "Ja", der alte Herr nickte, "ich hoffe ihr ist nichts zugestoßen. Diese Stadt ist wirklich gefährlich geworden". Bestürzt schüttelte er den Kopf und seufzte. "Damals war das wirklich noch nicht so". "Wir werden unser bestes geben um den Täter zu finden und diese Stadt wieder sicherer zu machen", versicherte der schreibende Polizist. Ein klick auf den Kugelschreiber zeigte, dass er mit der Befragung am Ende war und steckte den Stift zurück in die Jackentasche. "Vielen Dank, dass Sie Ihre Zeit mit uns geteilt haben. Diese Informationen werden uns sicherlich weiterhelfen", verabschiedete er sich und verließ das Gebäude, worauf sein Kollege ihm folgte. "Und? Was habt ihr aus dem Alten heraus bekommen?", Miller lehnte sich an seinen schwarzen BMW, welcher als Zivilwagen diente. "Er meinte, er habe gestern mitbekommen, dass diese Kerle ein Mädchen Namens Saori belästigt hatten, doch als er nach draußen ging um ihr zu helfen war sie und auch die Jungs schon verschwunden". "Verstehe. Also haben wir nun eine Verdächtige. Fragt in den Schulen in der nähe nach einer Saori und befragt sie, wenn ihr sie gefunden habt". Die Polizisten nickten, danach machten sie sich auch schon auf den Weg. Miller sah ihnen noch eine Weile nach, doch dann wandten sich seine nussbraunen Augen Naoki zu. Ein brutaler Mord, aufgeschlitzte Leichen, ein Tatort ohne jede Spur auf den Täter. Nicht einmal ein Häärchen hatte man gefunden und auch kein Fingerabdruck. Von der Tatwaffe fehlte jede Spur und Zeugen gab es auch keine. Alles was als Bestätigung dafür, dass ein Mord stattgefunden hatte, geblieben war, waren diese Leichen. "Ich werde mich auch auf die Suche machen", antwortete Naoki schließlich. Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich auf Millers Gesicht. "Sehr gut, dann mach dich auf den Weg und komm ja nicht mit leeren Händen wieder". Plötzlich hörte sie ein furchtbares Geräusch. Peitschenähnlich und unglaublich laut. Saori schreckte hoch. Ihr Herz raste unglaublich schnell. "Im Unterricht wird nicht geschlafen, Saori!", schimpfte die Lehrerin, welche mit dem hölzernen Zeigestock auf ihren Tisch geschlagen hatte. "T-Tut mir Leid..das wird nicht wieder vorkommen", entschuldigte Saori sich leise und seufzte. Der schnelle Herzschlag gleichte sich langsam wieder aus und auch ihren kurzen Schock überwandt sie. Die letzte Nacht über hatte sie kaum ein Auge zu bekommen. Ihr mit Gedanken und Fragen zugebombter Kopf hatte es nicht zugelassen. Ständig musste sie an ihre Situation denken. Vom Pech verfolgt, ein Vertrag mit einem Toten, dessen Inhalt unbekannt und nur eine Vermutung war. Dieser Junge, Kenta, war wirklich mysteriös. Was war das Geheimnis seines Todes? Welche Ketten halten ihn auf dieser Welt fest? Und was genau war jemand wie er? Ein Geist? Zu viele Fragen..doch auf diese Fragen folgten einfach keine Antworten. Die nächste Frage, die Saori sich stellte: "Was tut er gerade?". Ja, Kenta war nicht hier. Mit gefälschtem Namen machte er sich zu einem ihrer neuen Mitschüler, doch er war nicht anwesend. Hatte seine Schulzeit noch nicht begonnen? Vielleicht brauchten die im Sekretariat dieses mal etwas länger um seine Anmeldeformulare durchzugehen, sowas war schon öfter passiert. Saori bekam keine Gelegenheit weiterhin über die Gründe nachzudenken, denn plötzlich riss ein Türklopfen sie aus ihren Gedanken. "Ja?". Zwei Männer betraten das Klassenzimmer, nachdem die Lehrerin die Erlaubnis gegeben hatte. "Entschuldigen Sie für die Störung", entschuldigte sich der mit den schwarzen, kurzen Haaren. "Könnte ich Sie für einen kurzen Moment sprechen?". Frau Walker schien leicht verwirrt, doch nickte sie und verließ mit den zwei Männern den Klassenraum. Nachdem die ersten Minuten in Stille vergingen hörte man leise die ersten Flüstereien innerhalb der Klasse. Auch Saori war verwirrt, wie all ihre anderen Klassenkammeraden und fragte sich was diese Männer wollten. Es dauerte noch einige Minuten, bis Walker wieder ins Klassenzimmer trat, den Mund öffnete und zu sprechen begann: "Saori, könntest du bitte kurz mit diesen Männern unter sechs Augen sprechen?". Noch immer hatten diese Kerle ihren ernsten Blick behalten, welchen sie schon von anfang an nutzten. "W-Was? Warum?", fragte Saori und sie war irritiert, was man auch an ihrer Stimme deutlich feststellen konnte. "Das erklären wir dir dann", antwortete der Schwarzhaarige ruhig, während der andere junge Mann mit dem dunkelbraunen Haar noch kein Wort gesagt hatte. "Äh..okay..", zögernd und verwirrt zugleich erhob sich Saori und genau dann war der Moment gekommen, in welchem alle Augen auf sie gerichtet waren. Geflüstere und gemurmle fand im ganzen Klassenraum statt. Ein unglaublich unwohles Gefühl machte sich in Saoris innerem breit. Wahrscheinlich waren ihre Klassenkammeraden genau in diesem Moment wieder dabei irgendwelche dummen Gerüchte in die Welt zu setzen. Mit nervösem und unwohlen Gefühl verließ Saori den Klassenraum und spührte dabei die ganze Zeit, wie viele Augen auf ihren Rücken gerichtet waren. Nachdem die Zimmertür wieder geschlossen war und Saori sich mit den Jungs etwas weiter von dieser entfernt hatten wurde plötzlich ein Thema genannt, welches Saori am liebsten nie wieder gehört hätte: "Hast du bereits schon von dem Mord an drei deiner Mitschüler gehört?". Innerhalb weniger Sekunden rauschte ein Gefühlsblitz durch ihren ganzen Körper und lähmte sie. Richtig, diese Schüler. Ein rießiger Klos bildete sich in Saoris Hals und sie wusste nicht mehr was zu sagen war. Verängstigt schüttelte sie einfach nur den Kopf, auch wenn dies schon eine Lüge bedeutete. "Wirklich nicht?". "N-Nein..und...wer...sind Sie überhaupt?", mit großer Mühe brachte Saori einige Töne aus ihrem sich verknotet anfühlenden Hals. "Oh..wie unhöflich von mir, ich habe wohl vergessen mich vorzustellen. Ich bin Taylor Keegan und das ist mein Kollege Naoki Shinsui. Wir sind von der Polizei und ermitteln gerade diesen Mordfall", klärte Taylor sie auf. Naoki, der Junge, welcher die ganze Zeit noch kein Wort gesagt hatte, gab nun auch zum ersten mal Worte von sich: "Von dem Bibliothekar welcher eine Bibliothek in der nähe des Tatorts leitet haben wir erfahren, dass du wohl eine der letzten Personen warst, welche vor der Tat mit den Opfern gesprochen hatte". Das grüne Auge des Jungen sah Saori an. Es war ein kräftig leuchtendes grün. Das andere Auge blieb von einem Pony, welcher ihm ins Gesicht fiel, verdeckt. Was sollte Saori nun tun? Was sollte sie antworten ohne in Verdacht der Polizei zu geraten? Sie war nicht die Täterin. Sie war doch eigentlich unschuldig. Aber sie hat diesen Mord gesehen, wenn man es sehen nennen konnte. Schließlich hatte dieser Junge namens Kenta seine Opfer innerhalb kürzester Zeit niedergemetzelt, beinahe zu schnell für das menschliche Auge. Wo blieb dieser Kerl eigentlich? Hatte er nicht gesagt, er würde ihr helfen ihr leben besser in den Griff zu kriegen? Wieso war er dann nicht da? Gerade in einem Moment wie diesen hätte sie ihn wirklich gebrauchen können. "Äh..j-ja ich...habe sie gesehen...aber ich hatte nie wirklich mit ihnen zu tun...n-nur an diesem Abend", stammelte Saori nervös vor sich hin. "Was genau hattest du denn an diesem Abend mit ihnen zu tun? Was wolltest du von ihnen oder sie von dir?", wollte der Braunhaarige wissen. "Sie haben mich einfach nur ein wenig geärgert..i-ich bin nicht so beliebt an dieser Schule aber ich bin das schon gewohnt..nach einer Weile haben sie mich dann auch in ruhe gelassen und sind wieder gegangen..", antwortete Saori, doch Nervösität und Angst waren ihr ins Gesicht geschrieben. "Verstehe..und sonst hattest du an diesem Abend nichts mehr mit ihnen zu tun?", der braunhaarige junge Mann hörte einfach nicht mit seinen Fragen auf. Sein hellgrünes Auge sah sie ununterbrochen an, als würde es all ihre Reaktionen genaustens beobachten. Eine weitere Quahl war es wohl, dass er es nicht erahnen ließ, wie er über Saoris Äußerungen dachte. Durchgehend zeigte er ein Pokerface. "N-Nein", Saori schüttelte stotternd den Kopf. Noch nie waren ihre lügen so offensichtlich geweßen wie heute, das fiel sogar ihr selbst auf. "Und was hast du danach getan?". "Ich..bin nachdem sie mich in ruhe gelassen haben noch ein wenig durch die Gegend spaziert und bin dann nach Hause gegangen", antwortete Saori und ihre Nervösität verringerte sich nicht. "Zu welcher Uhrzeit bist du denn ungefähr angekommen?", hörte seine Fragerei denn wirklich nie auf? "Ähm...das weiß ich nicht mehr". Das Gesicht des Braunhaarigen änderte sich nicht, doch schwieg er kurze Zeit und es schien, als würde er nachdenken. "Okay. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast unsere Fragen zu beantworten. Übrigends so ehrlich wie möglich hoffe ich doch", endlich zeigte sich ein lächeln auf seinen Lippen, doch selbst dieses wirkte irgendwie kühl und man konnte nicht genau sehen ob es ein eher freundliches oder vielleicht bösartiges war. Da auch sein schwarzhaariger Kollege wohl keine Fragen mehr zu haben schien, ließen sie von dem Mädchen ab und gingen den Schulgang entlang. "Diese Stadt ist heutzutage nicht mehr so sicher, wie sie mal war. Pass gut auch dich auf", dies war wohl der endgültige Abschied, denn danach verlor der braunhaarige Ermittler kein Wort mehr und bald war er mit seinem Kollegen in den nächsten Gang verschwunden. Noch immer klopfte Saoris Herz panisch und unglaublich schnell vor Angst. Gedanken mit Sorgen gefüllt quählten sie. Was würde passieren, wenn sie nun unter Verdacht gerät? Diese Polizeibeamten verdächtigten sie bestimmt! Wahrscheinlich war sie die Hauptverdächtige, da sie zuletzt mit diesen Jungs gesehen wurde und dadurch, dass sie nun auch noch so auffällig gelogen hatte wurde der Verdacht nur bestätigt. Sie mussten nur ein Beweis finden, vielleicht würde ja eins ihrer Haare schon reichen. Immerhin hätten sie dann einen Beweis dafür, dass sie am Tatort war und ihre Aussagen falsch waren. Warum konnte sie nicht einfach die Wahrheit sagen? Doch plötzlich fiel ihr wieder ein, dass es wirklich einen überzeugenden Grund gab, weshalb sie nicht die Wahrheit sagen konnte. "Na ja..ich habe gesehen, wie diese Jungs ermordet wurden. Da ist plötzlich aus dem nichts ein Junge aufgetaucht der sie innerhalb von wenigen Sekunden abgemetzelt hat. Außerdem hat der Junge mir erzählt, dass er nicht mehr lebendig ist, sondern tod", das klang nun wirklich nicht nach einer überzeugenden Wahrheit. Diese Wahrheit war wohl nur gerade so überzeugend, dass man Saori in eine Zwangsjacke steckte und auf eine Erholungskur in die Psychatrie schickte. Plötzlich wurde Saori durch den lauten Schulgong aus ihren Gedanken gerissen. Die Türen der Klassenzimmer öffneten sich und die Schüler machten sich auf den Weg in den Pausenhof. Mit einem leisen seufzen mischte Saori sich unter die Mengen und ging den selben Weg. Von furchtbaren Gedanken und panischer Angst gequählt wusste Saori nicht, dass dies erst der Anfang weiterer tragischer Geschehnisse werden sollte... "Nicht schlecht, Naoki", meinte Taylor, wohl als ein Lob an seinen etwas jüngeren Kollegen. Taylor hatte seine Ausbildung als Polizist schon abgeschlossen. Wenn man sich das Gesicht des schwarzhaarigen Mannes ansah, dann schätzte man ihn wohl zwischen 20 und 30. "Die Befragungen kannst du wirklich schon ziemlich gut. Miller hat was gutes aus dir gemacht". "Wirklich? Na ja..ich denke etwas Übung brauch ich schon noch", Naoki zuckte mit den Schulten und auch wenn er seinem Kollegen zuhörte, so war er doch gleichzeitig auch in Gedanken. "Ach, in den ein oder anderen Dingen vielleicht, ja. Aber wie auch immer. Was meinst du zu dem Mädchen?". "Sie weiß etwas....ich würde sie nicht voreilig als Täterin abstempeln, aber definitiv weiß sie etwas..", antwortete Naoki und blieb plötzlich stehen. "Ich denke wir sollten etwas mehr über sie raußfinden und ihre Daten überprüfen". "Keine schlechte Idee", Taylor nickte zustimmend, "Außerdem sollten wir die Eltern befragen. Ihnen ist bestimmt etwas am Abend des Mordes aufgefallen, falls das Mädchen wirklich daran beteiligt sein sollte". Einige Stunden vergingen und Saori ließ einen lauten Seufzer frei. Der Klang verriet eindeutig die Verzweiflung, welche Saori versteckte. Während bereits all ihre Klassenkammeraden längst zu Hause waren steckte Saori im Klassenzimmer fest, da man sie zur Strafe ihrer Unaufmerksamkeit im Unterricht zu Nachsitzen verdonnert hatte. Nach all den heutigen Geschehnissen würde sie bestimmt nie wieder in der Schule einschlafen. Ungeduldig blickte Saori auf die Uhr: 16:58. In zwei Minuten hatte sie ihre 'Strafe' abgesessen. Endlich. Es war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen - und ihre Sorgen hatten die Wartezeit nicht schöner gemacht. "Du kannst nun gehen Saori", hörte das Mädchen plötzlich die Stimme ihrer Lehrerin, welche in das Klassenzimmer blickte um zu überprüfen ob sie nicht abgehauen war. Nickend erhob sich Saori und setzte ihren Rucksack auf ihren Rücken. Ohne weiteres zögern verließ sie das Klassenzimmer und die Schule. Der Winter hatte bereits dafür gesorgt, dass es langsam duster wurde. Eilig setzte Saori ihren Rucksack ab, um sich schnell in ihren warmen Wintermantel zu packen. Handschuhe sorgten nun für den Kälteschutz ihrer zierlichen, blassen Hände. Im dunkeln der langsam ewachenden Nacht überkam Saori ein unwohles Gefühl. Sie setzte die Tasche zurück auf ihren Rücken und bewegte sich rasch. "Hoffentlich erreiche ich die U-Bahn schnell", hoffte sie in Gedanken. Troz der belebten Atmosphäre der Stadt fühlte sie sich unsicher. Selbst die Polizisten hatten es erwähnt: "Pass gut auf dich auf. Die Stadt ist nicht mehr so sicher wie sie mal war". Und sie hatten recht. Irgendetwas war mit dieser Stadt geschehen. Die mysteriösen Mordfälle häuften sich und die Regierung verheimlichte die wahre Zahl der Opfer. Wahrscheinlich wäre die Wahrheit zu erschreckend geweßen. Ja, irgendetwas mit dieser Stadt stimmte längst nicht mehr. Mysteriöse Mordfälle und lebende Tote, was würde als nächstes kommen? Plötzlich wurde Saori aus ihren Gedanken gerissen. Wie lange...waren ihr diese Schritte schon gefolgt? Unauffällig erhöhte sie ihr Tempo, doch es schien so, als würde das kein Problem für den Verfolger darstellen, denn auch er wurde schneller. Sie wurde also tatsächlich Verfolgt? Mit rasend schnellem Herzschlag hoffte Saori darauf, dass es vielleicht Kenta war, den sie sehen würde, wenn sie sich umdrehte. Vorsichtig blieb Saori stehen, drehte sich um..und erschrak. "Herr Weston...?". Sein Anblick war fürchterlich. Er sah schon beinahe aus wie eine wiederauferstandene Leiche. Tiefe Augenringe hatten sich unter seinen Augen gebildet, als hätte er tagelang nicht geschlafen. Er war schon beinahe so weiß wie der auf dem Boden liegende Schnee. Sein Haar war zerzaust, der Bart ungepflegt. "Wollen Sie irgendetwas von mir?", mit Mühe versuchte Saori nicht geschockt von dem was sie vor sich stehen sah zu wirken. "Ich will Gerechtigkeit..", nur mit Mühe verstand Saori sein mit zorn erfülltes murmeln und es machte ihr etwas Angst. Die dustere Atmosphäre und der hasserfüllte Blick waren nicht zu ignorieren. Irgendetwas stimmte nicht. Herr Weston war immer ein netter Mann geweßen...doch das was vor Saori stand war das Gegenteil und sie fühlte, dass sie sich in einer gefährlichen Situation befand. "Ge...rechtigkeit?", unauffällig trat Saori einige Schritte zurück, doch das knarzende Geräusch des Schnees unter ihren Schuhsohlen verrut ihr zurück treten. Der zornerfüllte Mann reagierte sofort und holte die Schritte, die sich Saori von ihm entfernt hatte wieder ein. "Ja, ich will, dass ihr eure verdiente Strafe bekommt", seine Antwort klang finster, bedrohlich, hasserfüllt. Ihr? Wen meinte er? Seine Schüler? Der Lehrer ließ Saori keine Zeit um weitere Vermutungen anzustellen. Er zog etwas aus seiner Tasche. Etwas, das bedrohlich im Licht der flackernden Sttraßenlaterne funkelte. Erneut begann Saoris Herz schneller zu schlagen. Sie fühlte, wie mit jedem Herzschlag erneut die Angst durch ihren ganzen Körper fuhr. Das konnte doch nicht wahr sein. Was wollte er von ihr!? Ohne eine Antwort auf diese Frage zu bekommen lief der Mann einige Schritte näher zu ihr. Irgendetwas musste Saori nun tun um aus dieser gefährlichen Situation zu entkommen. "I-Ich denke Sie missverstehen irgend etwas...und...ich habe jetzt auch keine Zeit mehr tut mir Leid, aber meine Eltern warten auf mich!", unglaublich schnell verließen die angsterfüllten Worte in zittrigem Ton ihren Mund und Saori drehte sich um 180 Grad. Sie zögerte nicht mehr länger und rannte los. Sie rannte so schnell wie es ihre Beine erlaubten, doch war es schnell genug? "Bleib stehen! Ich lass euch nicht mehr entkommen!". Adrenalin floss durch ihr Blut und ließ sie schneller rennen als je zuvor. Doch wo rannte sie überhaupt hin? Schon längst hatte sie die Orientierung verloren und konnte nur noch darauf hoffen, dass sie ihren Verfolger abhängen konnte ehe ihre untrainierten Beine aufgaben. Ihre Atmung war schwer. Sie schnaufte unaufhörlich und spürte schon bald ein stechen in ihrer Seite. Doch sie konnte sich nicht ausruhen, konnte sich keine Pause gönnen. Die Schritte waren deutlich hinter ihr - und es kam ihr sogar so vor, als wären sie schon um einiges näher gekommen. Doch Saori konnte sich nicht umdrehen und sie wollte auch gar nicht sehen, wie nahe der Verfolger schon gekommen war. "Weglaufen bringt dir nichts!", brüllte Weston und schon kurze Zeit später packte etwas Saori grob am Arm. Das Mädchen verlor das Gleichgewicht und fiel. Schwer schnaufend öffnete sie nach dem groben Sturz ihre Augen. Vor ihr stand er. Mit einem Messer, welches nicht gerade klein war. Es sah scharf aus. Verzweifelt sah Saori sich um, doch keiner war in der nähe um ihr zur Hilfe eilen zu können. "Ich hatte dir doch gesagt das es nichts bringt wegzulaufen", ein zufrieden wirkendes gruseliges lächeln zeigten sich auf Herrn Westons Lippen. "Jetzt wirst du dafür bezahlen was du getan hast. Nur solche Leute wie du sind daran schuld, dass mein Leben noch schlimmer geworden ist als es sowieso schon war!", plötzlich wirkte der Mann wieder unglaublich aggressiv und brüllte weiter, "das hast du nur verdient!". Er hob die spitze Klinge in die Luft, jederzeit bereit einen verletzenden Angriff zu starten und Saori schrie. Kapitel 5: unknown blame ------------------------ Ein furchtbares Geräusch erfüllte den verlassenen Ort. Ja, deutlich war zu hören, wie frisches Blut auf den Boden spritzte. Saori hörte es, doch sie spürte nichts. Verängstigt und vorsichtig öffnete sie eins ihrer zugekniffenen Augen, doch ein schwarzer Mantel verdeckte ihre Sicht. Sie erblickte feuerrotes Haar, als sie nach oben sah. Kenta!? Noch immer fielen Bluttropfen zu Boden - und es waren nicht wenige. "Dich..kann man wirklich für keine Sekunde aus den Augen lassen, was?", Kentas Stimme klang schmerzerfüllt und doch unglaublich genervt. Er seufzte und zog das Messer aus seinem Oberkörper heraus, als wäre es gar keine große Sache. "Was hast du dir dieses mal wieder eingebrockt? Scheinst die Psychos ja richtig aus ihren Löchern zu locken". Auf einmal stoß Kenta den Mann so heftig, dass er zu Boden fiel. Danach öffnete er seine Hand und ein grelles, kühles Licht formte sich. Es wurde länger, größer, nahm die Form einer Sense an. Silbern schimmerte die Klinge und durchtrennte selbst die Luft mit einem schneidenden Geräusch, als Kenta sie durch die Luft schwingte, jederzeit bereit zuzuschlagen und dem Leben dieses Mannes ein Ende zu bereiten. "Stop!", schrie Saori plötzlich, "hör auf! Tu das nicht!". Kenta zeigte ihr sein Ausdrucksloses Gesicht, während er ihr eine Frage stellte: "Warum nicht? Er wollte dich doch auch töten". "Warum willst du sie nicht töten!? Du müsstest sie doch genau so hassen wie ich! Sie ist schuld daran, dass wir so sind!", mischte sich Weston wütend brüllend ins Gespräch ein. Kenta hob eine Augenbraue. "Was für ein Schwachsinn. Das Mädchen kann nicht einmal eine Fliege töten. Sie ist an überhaupt gar nichts Schuld", Kentas Blick wirkte noch immer vollkommen gleichgültig. Es schien ihn nicht im geringsten zu interessieren, dass er von einem verrückt gewordenen Mann angebrüllt wurde. Noch immer war er in Angriffsposition, jede kleinste Bewegung hätte den Mann wohl das Leben gekostet. "Verräter! Du merkst es vielleicht nicht, aber du stehst auf der falschen Seite! Sie ist böse!". "Auf der falschen Seite?", ein düsteres schmunzeln zeigte sich auf Kentas gepiercten Lippen, "ich stehe eigentlich auf gar keiner Seite....und wenn schon, dann unterstütze ich eben gerade das 'Böse' und es macht spaß, also scheiß drauf". Zorn und Hass zeigten sich erneut auf dem Gesicht des Lehrers. Blitzschnell sprang er auf, schnappte sich ein zweites Messer und machte sich zu einem Angriff bereit. Erfolglos. Die Klinge der Sense pirschte durch die Luft und schnitt sie. Es war ein reines, scharfes Geräusch. Doch Luft war nicht das einzige, was von der reinen und silbernen Klinge getroffen wurde. Plötzlich spritzten erneut große Mengen an Blut zu Boden. Geschrockt riss Saori Mund und Augen auf. Ihre Hände bedeckten nun ihren aus Schreck weit geöffneten Mund. Herr Weston fiel zu Boden. Einer der Lehrer, der eigentlich immer ziemlich lustig geweßen war, war gerade dabei auf diesem blutbedeckten Schneeboden an einer tiefen Schnittwunde zu sterben. Sie war zu tief um ihm noch helfen zu können. Innerhalb weniger Sekunden färbte sich der reinweiße Schnee in tiefem rot. Saori wusste nicht was sie mehr verstören sollte. Der halbtote Mann, der eigentlich immer gut zu ihr geweßen war oder der Fakt, dass er sie für irgendetwas was sie getan hatte hasste. Sie für böse hielt und ihr die Schuld für etwas grauenvolles gab und sie einfach nicht wusste was. Was hatte sie denn schlimmes in ihrem Leben angestellt? Was war ihre dustere Sünde? Warum starben die Leute um sie herum? Erst ihre Familie, dann diese Jungs und nun dieser Mann. War sie ein Todesbote? Wahrscheinlich nicht, doch so kam es ihr vor. Plötzlich bemerkte Saori die Wärme. Warme Tränen liefen über ihre gekühlten Wangen. Was hatte sie in diesem Leben nur falsch gemacht? Der Mann lag auf dem Boden, die Augen leer und starr. Kein Anzeichen von Leben war übrig geblieben. "Was...habe ich getan?", flüsterte Saori verzweifelt und sank zu Boden. Sie spürte eine furchtbar leere und kalte Einsamkeit, die ihren Körper überkam. Erneut vollbrachte Kenta das Kunststück die geformte Sense in schimmerndem Licht verschwinden zu lassen. Kühles und doch so wunderschön glänzendes Licht. "Du? Nichts hast du getan. Gib dir nicht die Schuld dafür", der rothaarige Junge verkürzte die Distanz zwischen den Beiden mit einigen Schritten. Bei jedem weiteren Schritt raschelte die Silberkette, welche an seiner mit Risse übersähten Hose befestigt war. "Und was dieser Kerl gesagt hat musst du dir nicht zu Herzen nehmen...er war nicht mehr normal...irgendwas stimmte nicht..", meinte Kenta und blickte skeptisch. Es wirkte, als würde er scharf nachdenken. Die im tiefen Schnee sitzende Saori blickte auf. Mit verschwommenem Blick nahm sie den roten Fleck auf Kentas Shirt wahr und ihre Augen weiteten sich erneut. "Du bist verletzt!", rief sie panisch. Plötzlich wirkte Kenta überrascht und blickte an sich herab. "..Bin ich das?", Verwirrung war in seiner Stimme zu hören, als er das Hemd hochzog und sein blasser, gut gebauter Oberkörper zum vorschein kam. Er war blutverschmiert, doch eine Wunde war nicht zu sehen. "Stimmt ja, er hat mich mit seinem Zahnstocher erwischt, nicht wahr?". Saori seufzte erleichtert, als sie keine Bedrohung mehr in der 'Verletzung' sah. Es wirkte so, als wäre ein Toter unverwundbar. Eigentlich ergab es auch Sinn, denn wer tot war konnte nicht noch einmal sterben. Trozdem war es unglaublich, dass Kenta noch immer dumme Späße machen konnte. Hatte er eigentlich schon wieder kein schlechtes Gewissen? Konnte er einfach mit der Sünde leben einen Menschen getötet zu haben? Der blasse Körper wurde wieder vom schwarzen Shirt verdeckt, in welchem nun ein großer Schnitt zu sehen war. "Das ist wohl hinüber...obwohl es eigentlich ganz cool aussehen würde, wenn es nicht so blutverschmiert wäre", murmelte Kenta und seufzte. "Was soll das!? Was soll diese Gelassenheit!? Du spinnst doch! Du hast schon wieder einen Menschen getötet und alles an was du denken kannst ist dein bescheuertes Shirt!? Herr Weston war ein guter Mensch!", schimpfte Saori und erneut liefen Tränen ihre Wangen hinab. "Ja, das habe ich gerade bemerkt..", erwiderte Kenta wobei pure Ironie in seiner Stimme zu hören war. "Er war nicht immer so! Er war wirklich nett!". "Aber irgendetwas hat ihn anscheinend verändert. Was auch immer es war er war schon tod bevor ich ihm das Leben genommen habe...hast du nicht die Ausdruckslosigkeit in seinen Augen gesehen? Da war nur noch Hass und Zorn zu sehen". Kenta hatte Recht. Was auch immer mit Herrn Weston geschehen war, es hatte ihn komplett verändert, als wäre er von einem hirnfressenden Virus infiziert und zerstört worden. "Irgendwas...stimmt mit dieser Stadt nicht...", murmelte Saori mit zittriger Stimme. Sie spürte Angst. Kenta nickte zustimmend und näherte sich Saori noch mehr. Nun stand er genau vor ihr, blickte zu ihr herab und streckte seine Hand aus. Zögernd nahm Saori diese und erhob sich. Inzwischen war ihre Hose durchgeweicht und sie zitterte. Plötzlich geschah etwas unerwartetes. Es ging so schnell, dass Saori eine Weile brauchte um es zu realisieren. Auf einmal hatte Kenta einen seiner Arme um sie gelegt und drückte sie etwas an sich. Die Hand seines anderen Armes verweilte sanft auf ihrem Kopf. "Vergiss einfach was passiert ist", Kentas Stimme war ruhig und leise. Sie sorgte dafür, dass Saori sich beruhigte und ihr Herz wieder gleichmäßig zu Schlagen begann. Wieder tat er etwas für sie, was nicht zwingend nötig war. Doch es war bestimmt nur seine Absicht Saori vor einer psychischen Störung zu schützen. Hier ging es nicht um Gefühle. Es ging nicht um Freundschaft. Es ging um sein eigenes Wohl, denn wenn Saori etwas geschah, so war es auch für ihn nicht gut. Sie waren verbunden durch einen Vertrag, der schon bald nicht mehr von großer Bedeutung sein würde... Kapitel 6: Ghosts ----------------- "Scheint so, als würde nichts aus deinem heiß ersehnten Urlaub werden, Shinsui", grummelte Miller genervt und zündete sich die nächste Marlboro an. Es war der siebte Dezember, als die Polizei erneut eine Leiche in einem abgelegeneren Teil der Stadt entdeckten. "Diese Morde machen mich krank". Naoki betrachtete mit unwohlem Gefühl im Magen die vor ihm liegende Leiche. Ein Mann im Alter von ungefähr 37 bis 40 Jahren, zumindest war das Naokis Einschätzung. "Das Opfer heißt Dylan Weston. Er ist 42, arbeitete als Lehrer und hat erst vor ungefähr einem Monat seine Frau verloren. Die Momentane vermutung ist Selbstmord, da nur ein Messer als Tatwaffe gefunden wurde und die einzigen Abdrücke darauf von ihm selbst stammen", berichtete einer des Spurensicherungsteams. "Ihr Hohlköpfe! Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass so eine tiefe Wunde entsteht, wenn man sich ein Küchenmesser in den Magen rammt!", brüllte Miller los. Er war heute wieder mal auf 180. "Es war Mord", Keegan mischte sich ein, "ein solch perfekter Schnitt konnte nicht von ihm selbst ausgeführt werden. Jemand hat die Tatwaffe geschwungen und ausgezeichnet sein Ziel getroffen. Außerdem ist die Tatwaffe etwas viel größeres als dieses Messer". "Herr Miller, ich glaube, dass die Neuigkeiten Sie erfreuen werden. Das Blut, welches auf dem Messer gefunden wurde stimmt mit der DNA und Blutgruppe des Opfers nicht überein". "Ach?", plötzlich zeigte sich ein zufriedenes Grinsen auf Millers Gesicht. "Heißt also, dass entweder der Täter verletzt wurde oder der Mann selbst versuchte jemanden zu töten....vielleicht ist dieser Fall doch gar keine so große Sache". Also hatte dieser Mord nichts mit irgendwelchen mysteriösen Mordserien zu tun. Zumindest sah es wenigstens für kurze Zeit danach aus, bis die Laborergebnisse vorhanden waren... "Das kann doch nicht euer ernst sein! Ihr müsst irgendein Problem mit eurem technischen Gerätemüll haben!", brüllte Miller und begann mit der zweiten Marlboro Packung. "Wenn ich es Ihnen doch sage! Unsere Geräte haben keinen Defekt! Jedes gab das selbe Ergebnis! Dieses Blut ist niemandem zu zuordnen!", verteidigte sich einer der Forscher. Wütend schlug Miller gegen die Wand seines Büros. "Und wie zur Hölle kommt dieses mysteriöse Blut an diese verdammte Waffe!?". Naoki konnte die Wut seines Vorgesetzten vollkommen verstehen. Auch er tobte innerlich. Was waren das für unlösbare Fälle? Gab es keine Möglichkeit den Täter zu fassen? "Diese mysteriösen Serienmörder scheinen momentan ja beinahe schon auf Bäumen zu wachsen. Das Motiv passt nicht mit unserem Spiegelmörder zusammen", unterhielt sich Taylor mit seinem Kollegen, Naoki. "Jetzt haben wir da draußen schon zwei unaufhaltbare Psychos. Sie sind beinahe so, als wären sie Geister". Zusammengekauert und versteckt lag Saori unter ihrer Bettdecke. Es war unglaublich, dass Frau Johnson ihr heute tatsächlich erlaubt hatte Zuhause zu bleiben. Wahrscheinlich tat sie es nur, damit ihr gutes Image als tolle Mutter nicht ins Schwanken kam, denn jeder hätte eine Mutter, die ihr Kind mit einer Grippe in die Schule zwang für eine grausame gehalten. Der gestrige Tag war einfach zu viel für Saori geweßen. Sowohl mental als auch körperlich. "Und du bist sicher, dass du klar kommst? Ich soll dich nicht mit nach oben begleiten?", fragt er sie erneut. "Nein...ist schon okay...danke, dass du mich nach Hause begleitet hast das reicht völlig", Saori will ihm nicht noch mehr Probleme bereiten. Sie zieht ihren Schlüssel und öffnet die große Haustür des alten Mehrfamilienhauses. Bevor sie die Türe hinter sich schließt schenkt sie Kenta noch ein lächeln, bei dem sie sich die größte Mühe gibt um nicht bedrückt zu wirken, doch es wird nicht erwidert. "Er hat wohl bemerkt das es kein ernst gemeintes lächeln war..", vermutet Saori während sie die Treppen nach oben in den fünften Stock läuft. Noch immer ist ihr fürchterlich kalt und sie zittert am ganzen Körper. Das kalte Wasser, welches an der Hose haftet, tropft leicht auf den dreckigen Fließenboden. Sie ist noch immer komplett durchnässt. Gerade eben saß Saori noch verzweifelt im Schnee und dachte darüber nach was sie falsch gemacht hatte. Nun fängt sie an sich schwächlich zu fühlen, als würde sie sich eine Erkältung einfangen. Aber eigentlich ist es klar, dass sie bei solch einer Verfassung nicht gerade resistent gegen Viren und Bakterien ist. Seufzend kämpft Saori mit dem Schloss der Wohnung, bis sie es endlich schafft die Tür zu öffnen. Sie hasste dieses Schloss und den dazu gehörenden Schlüssel. Wäre es so ein großer Act geweßen die Dinge mal auszuwechseln? Total durcheinander läuft sie den Gang entlang, öffnet die Tür, welche in ihr Zimmer führt und lässt schnell die durchnässten Sachen zu Boden fallen. Direkt danach zieht sie sich einen rosa Pyjama an, der recht süß wirkt. Es ist einer der wärmsten, die sie besitzt - und wärme brauch sie nun wirklich. Sie kriecht unter ihre Bettdecke und schmußt sich in ihr abgenutztes Kissen. Nie hatte sie sich in diesem Bett so wohl gefühlt wie in diesem Moment. Nach einem so schockierenden Erlebnis war selbst die letzte schrottige Matratze ein warmes, weiches Paradies. Müde und schwach schließt sie langsam ihre Augen und versucht Ruhe zu finden. Sie versucht zu vergessen was sie gesehen hat. "Vergiss was gerade eben passiert ist. Er war schon tod bevor ich ihn getötet habe", Saori erinnert sich an Kentas Worte, erinnert sich daran, wie er sie sanft in seinen Armen hielt und die eisig kalte Hand auf ihrem Kopf ruhte. Auch wenn ihr in diesem Moment furchtbar kalt geweßen war brannte ihr Kopf, denn er wurde zu dieser Zeit von einer unglaublich großen Gedankenmenge angeschürt. Daher hatte seine kühle Hand gut getan. Sie hatte dafür gesorgt, dass das Feuer langsam erlosch und die Gedanken stoppten. In Erinnerung dieser ruhigen Szene schläft Saori ein. Saori hustete. Ihr Kopf und Hals brannten, ihre Nase war verstopft. Saori ging es elend. "Das hast du nun davon, dass du die ganze Nacht durch die Gegend streunst!", erinnerte sie sich an Mutter Johnsons Worte. Wieder einmal konnte sie nur mit dem jungen Mädchen meckern. Dabei war nicht einmal ein Funken voller Sorge in ihrer Stimme zu hören. Es war einfach nur Unzufriedenheit geweßen, doch das war für Saori längst nichts neues. Eigentlich war es sowieso egal was sie tat. Frau Johnson wäre so oder so unzufrieden geweßen. Diese Frau wartete einfach nur gierig auf den nächsten Grund das Mädchen herunter zu machen. "Ich will sterben...", grummelte Saori und schniefte. Ihre Stimme klang heißer und verstopft. "Willst du das wirklich? Ich glaube damit wartest du noch ein bisschen", eine amüsierte Stimme war zu hören. Sie sorgte dafür, dass Saori ihren Kopf aus der Decke streckte. "Kenta!? Wie kommst du denn hier rein!?". Plötzlich fing der Junge an zu lachen. "Du hörst dich echt fertig an kleines!", nun, das war nicht wirklich eine Antwort auf ihre Frage geweßen und es nervte sie, dass er sich über sie lustig machte. "Wie fieß...", grummelte sie. "Jedenfalls ist das eine gute Frage, die du mir da gestellt hast und ich wünschte ich könnte sie beantworten. Kann ich aber leider nicht. Ist mir irgendwie zu blöd das zu erklären". "DU bist blöd". "Und du bist ganz schön frech, wenn du Krank bist", schmunzelnd kniete Kenta sich zu dem kranken Mädchen herunter und sah sie sich genauer an. "Geht´s dir wenigstens geistig besser als gestern?". "...Glaube schon....aber..ich bin verwirrt...". "Wie ich schon sagte. Denk nicht mehr darüber nach was der Psycho da vor sich her geschwaffelt hat". "Nein..das ist es nicht....zumindest nicht ganz", Saori setzte sich auf und sah Kenta an. "Ich frage mich warum es dir nichts ausmacht zu töten..". "Warum? Hmm...vielleicht weil ich schon zu damals, als ich noch lebte, nicht wirklich der nette Typ war. Ich war schon immer...etwas anders. Andere nennen mich gerne...'Psychopathen'....vielleicht haben sie ja irgendwo ein klein wenig recht...aber...ich würde keinen Unschuldigen töten der mir nie was getan hat. Wie ich schon sagte war dieser Mann bereits tot bevor ich ihn wirklich umbrachte". "Aber...er war wirklich mal nett...ich kann es immer noch nicht glauben, dass er nun....nicht mehr da ist. Warum passieren in letzter Zeit immer mehr von diesen furchtbaren Sachen?", Saori klang verzweifelt. "Das würde ich auch gerne wissen. Ich war zwei Jahre weg, doch es kommt mir vor wie zwei Jahrzehnte. Scheint so als wäre die Kriminalitätsrate in dieser Stadt um einiges gestiegen", Kenta seufzte, doch schien es nicht so, als wäre er irgendwie verzweifelt oder verängstigt über die momentane Situation. Irgendwie wirkte es beinahe so, als würde es ihm nichts ausmachen und als wäre alles, was ihn störte, der Grund, dass er nicht wusste weshalb es plötzlich so war. Ehe Saori weiter darüber nachdenken konnte lag seine Hand plötzlich erneut auf ihrem Kopf. Zärtlich fuhr er ihr durchs Haar und lächelte ein wenig. "Aber darüber solltest du dir nicht zu viele Gedanken machen. Ich will nicht, dass du am ende auch noch so durchdrehst, nur weil du dir zu viele Gedanken über solche Dinge gemacht hast". "Sonst würde das eine wahrscheinliche Gefahr für deine momentane Existenz auf dieser Welt bedeuten, nicht wahr?". "Das vermute ich", Kenta nickte, "ich denke du musst nicht unbedingt sterben, damit ich wieder zurück nach...wohin auch immer..komme". Dieser Kerl war ein Trampeltier! Wenigstens ein wenig vorsichtiger hätte er sich ausdrücken können, doch nun hatte er Saori förmlich ins Gesicht geschrien: "Du bist meine Eintrittskarte für Planet Erde. Auf dich muss ich super gut aufpassen, einfach weil ich ein Egoist bin und dich für mein eigenes Wohl brauche". "Kannst du dir nicht einfach irgendwen anders suchen?", und somit hatte sich Saori wieder unter ihrer Decke verkrochen. "Nein", frech wie er war zog Kenta ihr die Decke weg und grinste, "ich glaube ich finde nicht so schnell eine Person die mir so viel Action bietet. Bei dir ist ja ständig was los". "Ich hasse dich", grummelte Saori mit bösem Blick und riss ihm die Decke aus der Hand. Nach wenigen Sekunden war sie dann wieder unter der Bettdecke verschwunden. Kenta begann zu lachen. "Damit kann ich leben kleines. Du bist nicht die einzige Frau, die mich hasst". Ein wütendes Feuer brannte in Saori. War es nun wegen ihrem Fieber oder einfach weil dieser Junge sie so verdammt sauer machte? Oder beides? Wie konnte ein Junge so fürsorglich beschützend und doch so rücksichtslos und gemein zugleich sein? Er mordete eiskalt, hütete Saori wie einen Schatz, war so sanft zu ihr und brachte sie dann doch wieder vor Wut zum Kochen. Es war offensichtlich, dass sie nur ein Spielzeug für ihn war. Allgemein schien das alles nur ein Spiel für ihn geweßen zu sein. "Nein, ich glaube ich finde nicht so schnell eine Person, die mir so viel Action bietet. Bei dir ist ja ständig was los", die unverschämteste Antwort, die man hätte geben können. Irgendetwas stimmte mit diesem Jungen wirklich nicht. Wer sah so etwas als spaßig und actionreich an!? Das Leben ist kein Spiel und es anderen zu nehmen war auch nicht spaßig! Er hatte wohl wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank. "Geh weg", grummelte Saori und hustete. "Willst du deine Ruhe haben?". "Ja will ich, also lass mich in ruhe, Idiot", obwohl die Wut in ihrer Stimme deutlich hörbar war, war Saori nicht in der Lage wie gewollt lauter zu werden. Ihre Stimme blieb heißer und leise. "Außerdem, müsstest du nicht in der Schule sein?". "Eigentlich schon, aber es kam etwas dazwischen". Es kam etwas dazwischen? "Sie haben heute den Tod von Herrn Weston bekannt gegeben. Keiner der Schüler aus der Klasse konnte sich danach noch auf den Unterricht konzentrieren also wurden wir nach Hause geschickt". Erinnerungen begannen erneut durch Saoris Kopf zu raßen, als würde sie einen Film ansehen. Bilder des Todes dieses Mannes zeigten sich vor ihrem inneren Auge, während die Stimme in ihren Ohren hallte: "Leute wie du sind Schuld daran, dass ich so bin wie ich nun bin!". War es wirklich nur wirres Zeug gesprochen von einem verzweifelten Mann, der anscheinend seinen Verstand längst verloren hatte? Oder brachte Saori wirklich jedem Menschen in ihrer Nähe Unglück und Verzweiflung? Sie seufzte. Konnte sie nicht einfach aufhören darüber nachzudenken? Am liebsten würde sie die Zeit zurück drehen, denn dann wäre sie am gestrigen Tag nie in die nähe der Schule gegangen. Den ganzen Tag wäre sie daheim geblieben, auch wenn das furchtbaren Ärger mit Familie Johnson gegeben hätte. "Achso..", Saoris erkältete Stimme klang betrübt. Doch versuchte sie das Thema zu wechseln, ihre Trauer und ihre Verwirrung zu überspielen: "Und nun hast du nichts besseres zu tun als mich zu nerven?". "Scheint so", Kenta zuckte mit den Schultern. "Ich dachte mir, dass du dich vielleicht einsam fühlst. Außerdem war mir schon klar, dass du nur an den Vorfall von Gestern denken würdest, wenn man dich in diesem deprimierenden Zimmer alleine lässt". "Ah? Danke für dein geschauspieltes Mitgefühl, aber das brauche ich nicht. Lass mir einfach meine Ruhe, damit ich wieder gesund werden kann", mit diesen Worten verabschiedete sie sich und verschwand unter ihrer Bettdecke. "Wie du willst. Gute Besserung, wir sehn uns dann wohl morgen oder so". Auf einmal wurde es still. Vorsichtig und langsam blickte Saori aus der Decke hervor, doch sie entdeckte niemanden. Kenta war so schnell verschwunden, wie er auch aufgetaucht war. Nur noch sein Geruch lag in der Luft. Es war wirklich seltsam, doch irgendwie hatte es auch etwas aufregendes, auch wenn Saori es nicht zugeben wollte. Kontakt mit jemandem zu haben, der nicht mehr lebte - kurz fühlte sie sich wie ein Medium. Doch irgendwie war es wohl eher ein Fluch, denn der Kerl würde sie wohl erst in ruhe lassen, wenn er die Erinnerungen an seinen Tod zurückerlangt hatte. Sofort erwachte eine unglaubliche Neugier in Saoris inneren. Was würde passieren, wenn es so weit geweßen wäre? Wenn er seine Erinnerungen zurückgewonnen hätte? Wer hatte Kenta ermordet und warum war er nun so wie er war? Würde er alle Antworten auf seine Fragen finden? Und was würde er dann tun? Würde er ganz friedlich verschwinden? Wäre er zufrieden? Plötzlich fielen Saori tausend offene Fragen ein und auf einmal wollte auch sie selbst die Antworten wissen... Kapitel 7: Secret Memory ------------------------ Zu beginn der Schulwoche saß Saori wieder auf ihrem gewohnten Platz. Sie hatte keinen Unterrichtsstoff verpasst und sich die zwei Wochenend Tage über ausruhen können. Mit Kenta hatte sie in dieser Zeit kein Wort mehr gesprochen. Er hatte sich nicht mehr blicken lassen. Und momentan war er nicht ansprechbar. Zwar war er anwesend, doch waren die Mädchen höchst interessiert an dem neuen Schüler und machten es für Saori unmöglich ihn anzusprechen. Keinesfalls wollte sie sich in diese Mädchenmenge stürzen und so wirken, als wäre auch sie eine dieser dummen Tussen, die von seinem Aussehen geblendet waren. Kenta schien seinen Spaß zu haben. Zumindest sein Blick wirkte amüsiert. "Dieser Kerl ist unmöglich", grummelte Saori und seufzte. Sie begann sich zu fragen, warum ausgerechnet jemand wie er in der Lage geweßen sein sollte ihr zu helfen. Die Klassenzimmertür öffnete sich und eine junge Frau trat in den Raum. Ihre Füße steckten in schwarzen High Heels, passend zu dem genauso schwarzen Rock, der ihr fast bis zu den Knien ging und ihre hübschen Beine betonte. Sie trug eine weiße Bluße mit langen Ärmeln. Nur leicht angedeutet konnte man das weiße Hemd darunter erkennen. Die braunen, zu einem Zopf zusammengebundenen Haare, tanzten bei jedem weiteren Schritt, den sie tat. Die Absätze klackerten bei jedem Schritt. Sie rückte ihre Brille zurecht, hinter der ihre rosafarbenen Augen herausstachen. Welch eine unglaubliche leuchtende und schöne Augenfarbe. Saori hatte noch nie zuvor solche Augen gesehen. "Mein Name ist April Carrington", die Stimme der Frau klang ruhig und nach einer Persönlichkeit mit starkem, unbrechbaren Willen. Sie wirkte unglaublich selbstbewusst. "Ich werde für eine Weile an dieser Schule unterrichten und eure Vertretung sein, bis ein ofizieller Ersatz für Herrn Weston gefunden wurde". Ihre Augen wirkten stark, ohne jede Trauer. Doch es war kein Wunder, dass sie den Verlust eines Menschen, welchen sie nicht kannte, nicht stark betrauerte. Die Atmosphäre, welche im Klassenzimmer herrschte schlug jedoch rasant um. Nun waren überall die traurigen und betrübten Gesichter zu sehen. Die zuvor so neugierigen und gesprächigen Mädchen verstummten und setzten sich ohne jedes weitere Wort auf ihre Plätze. Plötzlich war es so still, dass man eine kleine Nadel hätte zu Boden fallen hören können. Auch Saoris Herz begann erneut zu schmerzen. Noch immer waren die Bilder vor ihren Augen gestochen scharf und sie fragte sich, ob sie je in der Lage sein würde die Dinge, die sie gesehen hatte zu vergessen. Zwei Morde. Ohne Zögern ausgeführt, als wäre es ein Kinderspiel. Bedrückt blickte sie auf ihre schwarzen Schuhe. "Solltet ihr außerdem irgendwelche Probleme haben oder noch immer stark vom Tod eures alten Lehrers mitgenommen sein könnt ihr euch an mich wenden. Ich bin Vertrauenslehrerin". Niemand meldete sich zu Wort. Die ganze Klasse schwieg und die Luft füllte sich mit Trauer. Es war, als würde eine rießige graue Wolke im Klassenzimmer hängen, welche so dicht war, dass sie jeglichen Sonnenschein von außen verhinderte. "Nun, wenn keiner weitere Fragen hat werde ich nun mit dem Unterricht beginnen", fuhr die Lehrerin fort und als auch dann keine Antwort kam begann sie mit ihrem Unterricht, bei dem die Schüler nur halbherzig aufpassten. Noch nie hatte Saori einen solch bedrückenden Unterricht erlebt. Keine einzige Sekunde hatte sich die düstere Stimmung, welche schwer in der Luft lag, gelöst. Die Schüler blieben den ganzen Unterricht über inaktiv, meldeten sich kein einziges mal. Nicht einmal die Klingel, welche das Ende des Schultages verkündete, konnte die düstere Stimmung verscheuchen. Die Schüler packten ihre Sachen, standen auf und verließen das Klassenzimmer. Erst dann begann zwischen einigen das ein oder andere leise Gespräch. Saori ließ ein gequählt klingendes Seufzen von sich. Ihr Körper fühlte sich schwer an und sie hatte auch nicht besonders viel Lust heute irgendetwas zu tun. In ihr tobte ein schreckliches Gefühl. Das Gefühl, ein Geheimnis für sich bewahren zu müssen, welches unglaublich duster war. Es war, als würde sie Ketten um sich legen. Sie konnte sich von diesem Geheimnis nicht befreien. Sie packte ihre Sachen ein und nahm ihren Rucksack, den sie sich dann auf den Rücken setzte. "Laufen wir gemeinsam nach Hause?", hörte sie plötzlich eine Stimme hinter sich und drehte sich überrascht um. Kentas Blick wirkte so ruhig wie immer und er wartete auf eine Antwort. "Äh..klar..". Kenta lächelte kühl. Danach lief er zur Tür und verließ das Klassenzimmer. Saori folgte ihm. "Du scheinst nicht mehr sauer zu sein". "Kann sein...ändert aber nichts daran, dass ich dich nicht mag", grummelte Saori leicht eingeschnappt, als sie sich wieder an den Tag zurück erinnerte, an den sie ihn zuletzt getroffen hatte. Er war einfach zu grob geweßen. "Damit kann ich wie gesagt leben", seine Stimme klang amüsiert und auf seinem Gesicht zeigte sich ein leicht gemein wirkendes Grinsen. "Idiot". Gemeinsam verließen die Beiden das Schulgebäude. Kühler Wind wehte durch Saoris Haar. Es roch nach eiskaltem Winter und auch war ein erdiger Geruch in der Luft wahr zu nehmen. "Sieht so aus als würde es heute nicht schneien, sondern eher regnen", vermutete Kenta, als er in den von grauen Wolken übersähten Himmel sah. Der dunkle Himmel ließ Saoris Stimmung noch düsterer werden. In letzter Zeit war das Wetter immer so. Es wirkte schon beinahe so, als würde es von Tag zu Tag schlimmer werden. Von weitem war ein Rumpeln zu hören. "Und Gewittern wird es wohl auch. Wir sollten wohl wirklich schnell zu dir nach Hause gehen". "Du willst wirklich mit? Und was hast du dann vor?". "Ehrlich gesagt...weiß ich das auch nicht so genau", Kenta seufzte. Dieses mal zeigte sich kein amüsiertes Grinsen auf seinem Gesicht. Auch seine Stimme klang nicht so spielerisch wie sonst. "Ich weiß nicht mehr was ich tun soll. Ich war schon Zuhause, aber meine Erinnerungen sind trozdem nicht zurück gekommen..ich war an Orten, an denen ich damals öfters war, aber auch das hat nichts gebracht". Kentas Blick wirkte nachdenklich. Jedoch schien er nicht deprimiert zu sein. "Hat es wirklich überhaupt nichts gebracht?". Er schüttelte den Kopf. Saori fragte sich, wie Kentas 'Zuhause' wohl nun aussah. Ob seine Eltern wohl noch immer dort waren? Oder war es ein leeres verlassenes Haus geworden? "Wie...sah es denn aus?", Saoris neugierde war zu stark. "Was meinst du?". "Das Haus meine ich...". "Es war leer. Na ja, nicht ganz. Einige uralte Sachen standen da noch rum, aber sonst war es eigentlich leer. Überall staubig und mit Spinnenweben übersäht. Scheint so, als wären meine Eltern nach meinem Tod umgezogen". Ein Neuenanfang also. Es war verständlich. Es war verständlich, dass seine Eltern an einen Ort wollten, an denen sie keine Erinnerungen an ihren verstorbenen Sohn hatten. Ob seine Eltern wohl nette Menschen waren? Es gab wohl keine Zweifel daran, dass ihr Sohn ihnen wichtig geweßen war. "Willst du es dir ansehen?", diese unerwartete Frage riss Saori komplett aus ihren Gedanken. "W-Was?". "Zuhause hast du doch eh nichts zu tun oder? Und vielleicht findest du ja irgend etwas verdächtiges", Kenta zuckte mit den Schultern, "war nur so´n Vorschlag. Du musst nicht, wenn du nicht willst". "Wenn es dir nichts ausmacht dann...werde ich es mir ansehen..", murmelte Saori, leicht beschämt von ihrer großen Neugier. "Gut, dann gehen wir. Aber wir sollten uns beeilen, wenn wir nicht nass werden wollen. Mir würde es nichts ausmachen, aber du willst dir doch nicht gleich wieder eine Erkältung holen oder?". Saori nickte. Inzwischen hatte sie schon den ein oder anderen kühlen Regentropfen auf ihrer blassen Haut zu spüren bekommen. "Dann komm", ohne weiteres Zögern lief Kenta los. Alles was ihn vor dieser Winterkälte schützte war die Schuluniform, welche er trug. Wo war sein Mantel geblieben? Saori setzte ihre Kapuze auf, um sich vor dem bald kommenden Regen zu schützen. Erneut war ein lautes donnern zu hören und der Wind wurde stärker. Es war kalt. Saori zitterte leicht. Selbst in ihrer dicken Jacke fror sie und Kentas Anblick in seiner dünnen Schuluniform war kein erwärmender Anblick. Auf den Boden blickend folgte sie ihm, bis er nach einer Weile auf einmal stehen blieb. "Wir sind da". Saori blickte auf und entdeckte ein hübsches Haus. Es war nicht recht groß, doch es war ausreichend für eine normale Familie. Der Garten war von Unkraut und anderen Pflanzen überwuchert. An der Wand des Hauses wuchsen große Efeuranken. Jedoch trugen sie momentan keine Blätter, dafür war es viel zu kalt. Die nackten Äste und der verkommene Garten ließen das hübsche Haus ein wenig unheimlich wirken. Doch wahrscheinlich war das bei jedem verlassenen Haus so. Die unheimliche Atmosphäre war einfach da. Kenta öffnete das Eisentor, welches in den Garten führte. Es gab ein furchtbar laut quietschendes Geräusch von sich. An der Tür des Hauses angekommen blieben sie stehen. "Die Tür ist abgeschlossen. Ich werde dich durch eines der Fenster hinein lassen". Und wie würde er hinein kommen? Ehe Saori darüber nachdenken konnte bekam sie ihre Antwort. Sie glaubte ihren Augen kaum. War das ein Traum? Kurz rieb sie an ihren Augen, doch es änderte sich nicht. Kenta löste sich weiterhin auf, bis er komplett verschwunden war. Er war wirklich wie ein Geist! Ungefähr eine halbe Minute später öffnete sich auch schon ein Fenster. "Komm rein". Saori lief zu dem geöffneten Fenster und versuchte hinein zu klettern. Jedoch war sie nie eine besonders gute Kletterin geweßen. Kenta seufzte - und ohne zu zögern packte er sie an ihrer Hüfte und hob sie in das Fenster hinein. "H-Hey! Deine Hilfe habe ich nicht gebraucht! Hätte ich auch ohne dich geschaft", meinte Saori und löste sich von seinem Griff, nachdem er ihr ins Haus geholfen hatte. "Sicher. Dann würden wir aber in einer Stunde noch warten müsen. Und bis dahin wärst du total durchnässt". Kenta schloss das Fenster wieder. Mittlerweile war das Gewitter und der dazu gehörende Regen über der Stadt angekommen. Es schüttete wie aus Eimern. Saori seufzte. Danach sah sie sich in dem großen, leeren Zimmer um. In jeder Ecke hingen große Spinnenweben. Schimmel hatte sich durch die hohe Luftfeuchtigkeit an den Wänden gebildet. Es roch modrig und alt. Große Mengen staub sorgten dafür, dass sich stark sichtbare Fußspuren der Schuhe der Beiden auf dem Boden gebildet hatten. In diesem Raum gab es wohl kaum irgendetwas, dass auf Kentas Tod hätte hinweisen können. "Sieh dich ruhig in den anderen Räumen um", meinte Kenta um noch einmal zu betonen, dass sie alles frei erkunden durfte. Zögernd lief sie zur einzigen Tür des Raumes und öffnete diese. Sie betrat einen schmalen Gang mit einer Treppe. In diesem Gang waren noch drei weitere Türen. Alle führten sie in leere, staubige Räume. Nachdem Saori sich die Räume angesehen hatte lief sie vorsichtig die Holztreppe nach oben. Diese knarzte bei jedem weiteren Schritt, den Saori tat. Der auf der Treppe liegende Teppich war abgenutzt und dreckig. Im ganzen Haus war es dunkel, denn es gab keine einzige Lampe. Ab und zu erhellten einige Blitze das Haus, wobei sich Saori jedes mal aufs neue etwas erschrak. Oben angekommen fand sie sich in einem kleinen, quadratischen gang wieder. Eine Tür links und eine Tür rechts und eine direkt gerade aus. Doch auch dieses mal war in keinem der Zimmer etwas interessantes zu finden. Es war kein Wunder, dass Kenta nicht in der Lage war an diesem Ort Erinnerungen zu sammeln. Hier war nichts mehr geblieben außer eine traurige Einsamkeit. Seufzend lief sie die Treppe wieder hinab. "Und?", Kenta stand im Gang und lehnte sich an die verkommene Wand. "Nichts auffälliges..es ist kein Wunder das du hier nichts-...", ein knackendes Geräusch unterbrach Saori. Sie hob ihren Fuß und erblickte etwas. Eine...Scherbe? Wo kam sie her? Saori sah sich um und entdeckte eine leichte verfärbung an der Wand. Es sah aus, als hätte dort für lange Zeit etwas gehangen, was die Wand an dieser Stelle davon abgebracht hatte sich zu verdunkeln. Vielleicht ein Spiegel? "Kann es sein das hier früher mal ein Spiegel hing?". "Hm?", Kenta blickte auf. Er lief zu ihr und betrachtete ebenfalls die Wand. Plötzlich schien er etwas überrascht zu sein. "Stimmt, du hast recht! Hier hing wirklich mal ein Spiegel...hatte ich total vergessen..". "Ist er zerbrochen? Ich bin gerade eben auf eine Scherbe getreten..". "Zerbrochen..?", Kenta kniete sich auf den Boden herab und sah die Scherbe an. Plötzlich weiteten sich seine Augen. "Ja....Ich kann mich da an etwas erinnern...an einem Tag stand ich vor dem Spiegel und dann zersprang er in tausend Teile...aber ich weiß nicht mehr warum das passiert ist...und was danach passiert ist weiß ich auch nicht mehr..". Sollte das heißen, dass er auch Erinnerungen verloren hatte, die irgendwann in seinem Leben geschehen waren? Oder fand dieses Ereignis kurz vor seinem Tod statt? "Vielleicht ist es kurz vor deinem Tod passiert? Du kannst dich doch sonst an alles erinnern oder? Also...an all die Dinge die vor deinem Tod geschehen sind?". Kurz dachte Kenta ein wenig nach. "Ich glaube schon. Ich denke es wäre sonst unlogisch. Warum sollte ich Sachen, die irgendwann in meinem Leben passiert sind, vergessen weil ich sterbe?". Dasselbe hatte Saori auch gedacht. Es würde keinen Sinn ergeben, also musste es in einer kurzen Zeitspanne vor seinem Tod geschehen sein. "Dann ist es vielleicht kurz vor deinem Tod passiert". Saori dachte nach: "Aber Spiegel zerspringen nicht einfach so...was wohl passiert ist? Vielleicht gab es ja einen Streit bei dem irgend etwas geworfen wurde oder ähnliches..". Saori wollte nicht mehr weiter in der Sache herumstochern. Natürlich hätte sie Kenta noch einige Fragen stellen können, doch wenn sie ihn mit Fragen überlastet hätte, hätte das seine Erinnerungen auch nicht zurück gebracht. Kenta kniete sich erneut auf den Boden herab. Vorsichtig griff er nach der zerbrochenen Scherbe und hob diese auf. "Was hast du damit vor?". "Vielleicht kann ich´s ja noch gebrauchen...vielleicht kommen meine Erinnerungen ja zurück wenn ich mir etwas Zeit nehme und über diesen Spiegel nachdenke und darüber, wie er zersprungen ist...ich weiß nicht wie es helfen soll meine Todesursache herauszufinden, aber es ist besser als nichts", Kenta zuckte mit den Schultern und seufzte leicht genervt. Es schien ihn wirklich zu stören, dass er keinen richtigen Anhaltspunkt auf seine Todesursache finden konnte. Das Haus war in schweigen und Dunkelheit gehüllt. Durch den von grauen Wolken bedeckten Himmel schien nur wenig Licht in das Haus hinein. Blitze erhellten ab und zu den Gang und ließen ein lautes, gröhlendes Donnern folgen. Dicke Regentropfen schlugen an die Scheiben des Hauses. "Scheint so als müssten wir noch eine Weile bleiben", vemutete Kenta, "es sieht nicht so aus, als würde das Gewitter schnell davon ziehen". "Scheint so", murmelte Saori und setzte sich auf die Verstaubten Treppenstufen. In diesem Moment war sie froh, dass sie nicht alleine war. Bei so einem Wetter alleine in einem leeren, staubigen und knarzenden Haus - das wäre wirklich unheimlich geweßen. Wind peitschte an das Dach des Hauses. Es hörte sich beinahe an wie ein verzweifelter Geist. Doch war wenigstens der Regen und das Gewitter dabei nachzulassen. Immer weniger und leiser war das gröhlen des Donners war zu nehmen und auch die Blitze zeigten sich jetzt nur noch selten. Nachdem noch eine Weile verging war nur noch ein ruhiges Regenplätschern zu hören. Im Haus war es bereits finster geworden. Nur noch Straßenlaternen, die durch die Fenster schienen, beleuchteten die Räume. "Möchtest du nach Hause?", Kenta durchbrach die Stille. "So stark regnet es nicht mehr, wir könnten gehen". Saori zuckte mit den Schultern. "Ist nicht so als wäre es Zuhause irgendwie besser". Ja, eigentlich wollte sie gar nicht mehr nach Hause. 'Zuhause' warteten auf sie die Menschen, die sie am wenigsten mochte. "Also willst du noch ´ne Weile hier sitzen bleiben?". Saori seufzte. "Nein..ich denke ich werde nach Hause gehen. Ich muss so oder so zurück...wenn ich mich davor drücke und zu spät komme gibts wieder ärger..". "Dann begleite ich dich noch", meinte Kenta und stand auf, "sonst passiert wieder irgendein Chaos". Saori seufzte erneut. Sie hasste dieses Leben. Nirgends war man sicher. Nicht einmal Zuhause...denn sie hatte ja nicht einmal einen Ort, den sie ihr richtiges Zuhause hätte nennen können. Saori erhob sich und lief zur Eingangstür, die sich von Innen öffnen ließ. Sie öffnete die Tür und trat auf die steinige Veranda, die direkt zum ebenfalls steinigen Weg durch den Garten führte, welcher am kleinen Tor endete. Am Tor angekommen öffnete sie dieses, welches sofort wieder ein lautes und leicht unheimliches quietschen von sich gab. Gemeinsam mit dem rothaarigen Jungen, von dem sie immer noch nicht wusste in welcher Verbindung sie nun zueinander standen, machte sie sich auf den Weg zu dem großen Mehrfamilien Haus. Ja, sie machte sich wieder einmal auf den Weg in ihre persönliche Hölle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)