Bloody Fragments von KagerixShinsui ================================================================================ Kapitel 1: Sorrow ----------------- An diesem Ort schwand er dahin. Er schwand aus Gedanken und Erinnerungen. Jeden Tag ein Stück mehr. Doch wann verging ein Tag? War denn schon einer vergangen? Dieser Ort war ohne Raum und Zeit. Ewig und unausweichlich. Hier lag er und lauschte anderen Stimmen. Immer wieder kamen neue dazu. Der Himmel war in sanftes orangerot getränkt. Er war gefangen in dieser Welt. Eine Welt, die seine Seele bergen sollte, denn auf der Welt der Menschen wurde sie nicht mehr gebraucht. Doch er würde das nicht zulassen. Nicht, ehe er nicht all seine Erinnerungen zurückerlangt hatte. Allerdings musste er einen Weg zurück in die Menschenwelt entdecken um sein Ziel zu erreichen. Er lag auf diesem Boden, der von weißen, reinen Rosenblättern übersäht war. Der schwarze Mantel knirschte bei jeder kleinsten Bewegung. Die Augen des Jungen waren geschlossen, seine Ohren komplett auf Geräusche konzentriert. Der Wind wehte, raschelte durch die Blütenblätter und zerzauste sein Haar. Stimmen waren von überall hörbar. Einige glücklich und zufrieden. Andere verzweifelt. Die meisten hatten sich mit ihrem Schicksal abgefunden, manche sahen diesen Ort sogar als Paradies. Doch er nicht. Er konnte noch nicht tod sein. Noch nicht. Die alten Glocken des Uhrenturms ertönten, doch wurden sie fast von lärmenden Geräuschen der Automotoren übertont. 19:00 Uhr. Inzwischen war es finster und kalt. Der vom Smog der Stadt verdreckte und doch so weiße Schnee fiel unaufhörlich. Naoki lief auf dem überfüllten Gehweg. Diese Stadt kannte keine Nacht. Autos standen im Stau, Menschen sah man an jeder Ecke, alles war lebendig. Doch vom Gefühl der Sicherheit keine Spur. Jede noch so hell leuchtende Straßenlaterne half nicht, denn die vielen düsteren Gassen blieben im Dunkeln der Nacht. Diese Stadt war unsicher und gefährlich, das wurde ihm immer klarer. Viele grausame Dinge hatte er nun schon sehen müssen, seitdem er der Polizei beigetreten war. Morde, Vergewaltigungen, Missbrauch und Entführungen. Drogenhandel und Verat. Die Dunkelheit versteckte sich hinter den schimmernden Wolkenkratzern. Mysteriöse, unerklärliche Morde traten immer öfter auf. War dieser Ort dabei in vollkommener Angst, Schrecken und Dunkelheit zu versinken? Schon seit längerer Zeit hatte Naoki dieses Gefühl gehabt. Irgendetwas stimmte schon lange nicht mehr. Dieses Gefühl bedrückte ihn, ließ ihn Nachts schwer einschlafen und gab ihm manchmal, wenn auch nur selten, kuriose Alpträume von all möglichen unvorstellbaren Weßen. Was war geschehen? Die Zeit hatte diesen entspannten Jungen zu einem ernsten Erwachsenen mutieren lassen und immer wieder stellte Naoki sich die "was wäre wenn" Frage. "Was wäre wenn ich an diesem Tag zuhause geblieben wäre? Vielleicht wäre er dann noch am leben und Mum und Paps würden vielleicht nicht getrennt leben", es ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Zwei Jahre waren vergangen, doch der Todestag seines Bruders riss ihn immer wieder zurück zu diesem Tag, als wäre es gestern geweßen. Nie hatte er zuvor einen toten Menschen gesehen. Nun sah er es öfters, als wäre es nichts besonderes, nichts außergewöhnliches. Etwas alltägliches. Ja, für manche Menschen war es das auch. Für manche war es normal jeden Tag den Tod eines anderen zu sehen. Naoki würde einer dieser Menschen werden, die immer öfter einen leblosen Körper zu sehen bekamen. Hatte er die richtige Entscheidung getroffen? Selbst wenn er den Täter finden würde, so gab es keinen Weg seinen Bruder zurück zu holen. Er war tod. Für immer verschwunden von dieser Welt, als hätte es ihn nie gegeben. Was blieben waren Erinnerungen, auch wenn es leider nicht viele schöne waren. Doch wollte Naoki nicht, dass dieser Fall im dunkeln verschwand. Er wollte nicht, dass noch mehr Menschen im 'mirror incident' um´s leben kamen. Die Person, die auf diese grausame Art und Weise mordete ohne jegliche Spuren zu hinterlassen, musste gefasst werden. Ein Psychopat, ein weiterer Serienmörder, der eine Gefahr für jeden Menschen dastellte. Naoki wollte dieser Person ein Ende machen. Er wollte diesen Fall abschließen. "Junge Dame wir schließen jetzt", Saori erschrak leicht, als sie plötzlich eine Stimme hinter sich hörte. Sie klappte das Buch zu und steckte es in ihre Tasche. "Okay..ich werde mir das Buch ausleihen. Bis morgen", antwortete sie leicht verlegen und stand auf. Der Mann der sie angesprochen hatte nickte und ging zur großen aus dunkelholz bestehenden Eingangstür der Bücherei. Saori verließ die alte Bücherei und trat in die nur leicht beleuchtete, feuchte Gasse. Von hier aus war der alte Glockenturm und seine Uhrzeiger sehr gut zu sehen. Genau 20.00 Uhr. Saori hatte total die Zeit vergessen. Schnell lief sie aus der Gasse und eilte zur nächsten U-Bahn. Es war kalt. Saori sah ihren eigenen Atem in weißlichem Nebel vor ihr. Schnee bedeckte ihr langes, schwarzes Haar, als sie am nächsten Treppengang zur U-Bahn ankam. Schnell stieg sie in die nächste Bahn und suchte nach einem freien Sitzplatz. Vergebens. Alles war besetzt. Seufzend packte Saori einen der Haltegriffe und blieb stehen. Nach ungefähr einer halben Stunde kam Saori in ihrem Wohngebiet an. Sie lief die Treppe nach oben und ging in das Hochhaus auf der gegenüberliegenden Straße. "Aufzug außer Betrieb", laß sie auf dem Schild, welches an der Aufzugtür hing. Für sie wurde der Tag immer schlechter. Letztendlich hatte sie keine andere Wahl. Sie lief die vielen Treppen hinauf und zog einen Schlüssel aus ihrer schwarzen Jacke. Leise öffnete sie die Tür und schloss diese in der selben Lautstärke wieder. Vorsichtig schlich sie den Gang entlang und war endlich an ihrer Zimmertür angekommen. Doch so viel glück sollte Saori nicht haben. Ohne eine Strafe sollte sie nicht davon kommen. Genau in diesen Moment, in dem sie die Türklinke in die Hand nahm um in ihr Zimmer zu verschwinden und sich schlafen zu legen, in diesem Moment, in dem sie unschönen Konversationen und schmerzen für sowohl ihren Körper als auch ihrer Seele aus dem Weg gehen wollte, beleuchtete helles Licht den zuvor so dusteren Gang. "Hey Schwesterherz. Auch mal wieder Zuhause? Mum und Dad wollen dich sehen. Sie sind verdammt sauer", Saori kannte diese sadistisch klingende Stimme nur zu gut. "Du solltest zu ihnen gehen bevor sie noch wütender werden". Saori ließ den Griff ihrer Tür los und lief an dem Jugendlichen vorbei, der dann plötzlich ihren Arm packte und sie zu sich zog. "Und wenn du damit fertig bist kannst du ja zu mir ins Zimmer kommen..", flüsterte er ihr ins Ohr und schubste sie von sich. Lachend ging er zurück in das Zimmer aus dem er gekommen war. Wut und zugleich tiefste verzweiflung machten sich in Saoris innerem breit und wanderten durch ihren ganzen Körper. Diese Situation war aussichtslos. Wie lange würde es noch so weiter gehen? Ohne widerstand zu leisten, ohne überhaupt zu versuchen diesem Leben zu entkommen lief sie in das große Wohnzimmer, in dem Frau und Herr Johnson auf dem Sofa saßen und wieder einmal alle möglichen Serien ansahen. Als Johnsons Augen seine Adoptivtochter entdeckten schaltete er den Fernseh stumm und stand sofort auf. "Da bist du ja du Göre! Wo warst du so lange!?", brüllte er sofort in lautem Ton los. "Ich..Ich war...", Saori schwieg. Niemals würde sie den Ort verraten der ihr Ruhe bot. Johnson wartete auch nicht auf eine Erklärung sondern eilte auf das verängstigte Mädchen zu. Mit zornigen Augen sah er sie an und hob seine Hand. Saori wusste was als nächstes kommen würde. Sie zuckte und kniff ihre Augen zusammen und da war es auch schon geschehen. Große schmerzen spürte sie in ihrer nun glühenden Wange. Doch Herr Johnson war noch lange nicht zufrieden. Er zog an dem langen, seidigen Haar des Mädchens und brüllte weiter: "Wag es nicht noch einmal einfach so abzuhauen! Du bist für den Haushalt da und sollte es noch einmal passieren, dass du vor deinen Pflichten davonläufst gibt´s richtigen Prügel!". Saori zitterte. Angst durchströmte ihren gesammten Körper. Endlich ließ der Mann sie los, doch nur um ihr den nächsten Schlag zu verpassen und sie dann so heftig zu stoßen, dass sie das Gleichgewicht verlor und zu Boden fiel. "Das soll dir eine Lehre sein du kleines Miststück". Frau Johnson sah dem ganzen nur zu und schien recht amüsiert zu sein. So war es immer, denn Saori war für diese Familie nur ein Spielzeug und zugleich die Putzfrau. Sie war eine Sklavin, der man ein unsichtbares Halsband mit einer Kette angelegt hatte. Alles was sie tat war falsch. Selbst wenn sie gehorchte wurde sie bestraft. Es war, als wäre ihre komplette Existenz eine Sünde. Schon länger fühlte sie so. Ja, denn es war wirklich eine Sünde, dass sie alleine übrig geblieben war. All die anderen waren gestorben. Ihr Vater, ihre Mutter und auch ihre Schwester. Nun war es, als würde Saori von einem Fluch verfolgt werden. Etwas suchte sie heim und wollte sie in den Wahnsinn treiben. Vielleicht war sie aber auch schon längst im Wahnsinn versunken. Ihre Seele war dabei zu zerreißen und in Einzelteinen in einem Fluss von Verzweiflung, Angst und Wut unterzugehen. Saori stand auf. Ihr Körper schmerzte. Schweigend verließ sie das Wohnzimmer und lief durch den Gang. Sie sehnte sich nach Ruhe, sehnte sich nach der alten Bücherei und den vielen Büchern, die von all möglichen Fantasiewelten erzählten. Saori war müde und wollte schlafen, doch schlaf wurde ihr nun noch nicht gegönnt. Sie kam nicht bei ihrer Zimmertür an, denn irgendetwas packte an ihren Arm und zog sie in ein anderes Zimmer. Heller Holzboden und eine dunkelrote Wand, die von Postern bedeckt war. Auch einige Poster von nackten Frauen waren auf dieser Wand zu finden. Saori kannte dieses Zimmer nur zu gut. Es war Davids Zimmer. "Schwesterherz, hattest du meine Bitte vergessen?", wollte dieser wissen und saß auf seinem hellen Holzbett. Die darauf liegende Decke war mit einem schwarzen Bettbezug, auf dem sich Totenkopfmuster befanden, bedeckt worden. Die schwarzen Kissen passten dazu. "Was für ´ne bitte?", wollte Saori wissen und hielt sich mit aller Kraft ihre Tränen zurück. Dieser Tag wollte einfach nicht enden. "Stimmt, du hast recht. Ich hatte dich ja gar nicht um etwas gebeten...es war eher ein Befehl, nicht wahr?", Davids braunen Augen sahen seine Adoptivsschwester an. "Und trozdem scheinst du es vergessen zu haben. Ich hatte dir doch klar und deutlich gesagt, dass du in mein Zimmer kommen solltest". "Tut mir Leid..", murmelte Saori leise. "Was? Ich hab das nicht so richtig verstanden. Sag´s nochmal". "Tut mir Leid!", entschuldigte sie sich laut und ballte ihre Fäuste. "Schon besser. Ich denke ich verzeihe dir noch einmal. Und jetzt komm", David klopfte mit seiner Hand auf das Bett. "Was willst du machen?", fragte Saori leise. "Das wirst du schon noch sehen", ein sadistisches lächeln zeigte sich auf dem Lippen ihres 'Bruders', der es wohl kaum noch erwarten konnte sie in seiner nähe zu haben. "Na los. Komm endlich her. Du weißt doch wie das sonst wieder endet? Dad wird immer ziemlich schnell sauer, wenn du nicht nett zu mir bist", erwähnte er. Saori zwang sich zu jedem Schritt, den sie nun näher an sein Bett tat. Letztendlich stand sie genau vor ihm. "Na also, und jetzt setz dich". Widerwillig setzte Saori sich neben ihn. "Braves Mädchen. Das machst du echt gut!", er sprach zu ihr, als wäre sie sein Hund. Saori hasste es. In ihr kochte wieder einmal Wut auf, doch konnte sie sich nicht wehren. Herr Johnson würde sie nur wieder halbtod Prügeln. David fuhr ihr durchs Haar. "Weißt du Saori..ich mag deine Haare. Die sind schön weich". Erneut ballte sie ihre Fäuste. Sie wollte nicht, dass er ihre Haare berühte. Er sollte weder ihr Haar, noch irgend einen anderen Teil ihres Körpers berühren. "Außerdem hast du echt schöne Haut", nun fuhren seine Finger über ihre Wange und streichelten danach über ihre Lippen. David kam ihr näher. Er tat es schon wieder. Saori spürte seine Lippen auf ihren. Sie konnte seinen warmen Atem spüren. Plötzlich umfassten seine Arme ihren Körper. Er drückte sie an sich, während er über ihre Lippen leckte und somit andeutete, dass er mehr wollte. Angewiedert zwang Saori sich dazu ihren Mund zu öffnen und seiner Zunge einlass zu gewähren. Es quählte sie, einem Menschen, den sie so sehr hasste, so unglaublich nah zu sein. Und er hörte einfach nicht auf. Doch nun tat er etwas, das eindeutig zu viel war. Er überschritt die Grenze, als er Saori unter den Rock packte und anfing an ihrem Höschen zu reiben. Ruckartig löste Saori diesen wiederlichen Kuss und kurze Zeit später landete ihre Hand in einer heftigen Geschwindigkeit mit stark ausgeholtem Schwung auf seiner Wange. David sah sie an, in seinen Augen funkelte Wut. "Das wirst du bereuen du Biest", zischte er bedrohlich und schubste sie von seinem Bett. "Morgen wird jeder in der Schule erfahren was für ein hinterhältiges Dreckstück du doch bist!". Saori eilte aus dem Zimmer ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Endlich kam sie an ihrer Zimmertür an und öffnete diese. Sie nahm ihren Rucksack, den sie als sie nach Hause gekommen war an der Tür abgestellt hatte, und stellte diesen in die Ecke. Danach legte sie sich auf die schmutzige Matratze, welche auf dem Boden lag. Tränen liefen über ihr hübsches, doch ausdrucksloses Gesicht und ließen ihre schwarze Schminke verlaufen. "Irgendjemand...irgendwer...muss mir doch helfen können...ich kann das nicht mehr! Ich will das nicht mehr!", Saori wollte ihren Gedanken Freiheit geben. Sie wollte sie herauß schreien doch sie konnte nicht. Tränen liefen weiter. Unzählige Tränen hatte sie bereits schon in diesem Zimmer vergossen. Tränen gefüllt mit Gefühlen, tief aus ihrem Inneren. Tränen gefüllt mit Wünschen und Träumen, die niemals wahr werden würden. Tränen gefüllt mit tiefster Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)