Born in the Dark von 13thBlackCat (Im Schatten geboren) ================================================================================ Kapitel 3: Sorgen ----------------- Matsuri saß nachdenklich auf der hohen Mauer, die den Kakteengarten des Kage begrenzte. Unter ihr liefen immer wieder kleinere Gruppen von Menschen vorbei, deren Gesprächsfetzen trotz ihrer unterdrückten Stimmen an ihre Ohren drangen. Der Anschlag war seit nunmehr fünf Tagen das Gesprächsthema der ganzen Stadt. Die Leute wussten nicht viel mehr, als dass es einige Bedenken wegen der Herkunft des Messers gab. Diese und ähnliche Halbwahrheiten ebneten den Boden für allerlei Gerüchte, eines haarsträubender als das andere. Dabei war die Wahrheit noch viel schlimmer. Die Stimmung der Leute hatte sich mit jedem Tag etwas mehr verändert. Anfängliches Entsetzen und der überall herrschende Unglauben hatten sich in Wut und Zorn einerseits, sowie Angst und Hilflosigkeit andererseits umgewandelt. Über der gesamten Stadt lag ein Schleier des Misstrauens gegenüber Jedermann. Immer wieder sah das Mädchen unter einem Gewand die Klinge eines Dolches aufblitzen, manche Einwohner trugen ihre Schwerter ganz offen, eine stumme Warnung. Sie alle hatten Angst. Seufzend erhob sich die Dunkelblonde, klopfte den Sand aus ihren Kleidern und sprang kurzerhand hinunter in den Garten, wo sie beim Aufkommen einigen Staub aufwirbelte. Drei Zebrafinken flogen auf und sie sah ihnen betrübt nach. Wenn doch die unsichtbare Bedrohung auch so einfach davonfliegen könnte! Ein Blick zur Sonne sagte ihr, dass die Besprechung, der Gaara beiwohnen musste, beendet war. Unverzüglich wandte sie sich dem Palast zu, um ihn aufzusuchen. Er hatte am Morgen keine Zeit für das Training gehabt, doch sie vermutete, dass er sie absichtlich mied. Am vergangenen Abend war er beim Abschied ausgesprochen gereizt gewesen, nachdem sie ihn die ganze Zeit zu überreden versucht hatte, eine Leibwache als Schutz vor weiteren Anschlägen anzustellen. In ihrer Verzweiflung war sie sogar so weit gegangen, sich selbst vorzuschlagen. Das hatte ihn die Diskussion abrupt beenden lassen. Ohne allzu große Hoffnungen, ihn anzutreffen, klopfte Matsuri gegen die Tür zu seinen Zimmern. Wie erwartet erhielt sie keine Antwort. Mutlos ließ sie die Schultern hängen. Es war nicht unüblich, dass er nicht dort war, aber trotzdem hatte sie das Gefühl, er ging ihr aus dem Weg. Dabei wollte sie nur, dass er sicher war! Wenn sie den Erzählungen der Augenzeugen Glauben schenken konnte, dann hatte sein Sand ihn bei dem Attentat nicht so geschützt, wie er es üblicherweise tat. Gaara hatte, als sie ihn darauf angesprochen hatte, nur geschwiegen und sie nach einem zweiten Versuch aufgefordert, sich auf die Übungen zu konzentrieren. Noch immer war sie nicht in der Lage, das Jutsu richtig auszuführen. Ihre Gedanken kreisten so unaufhörlich um ihren Sensei, dass sie seit Nächten kaum mehr ein Auge zugetan hatte und am Tage schaffte sie es immer weniger, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, so sehr sie sich auch bemühte. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, ging sie zurück in den Garten und setzte sich an den Rand einer kahlen Fläche. Der Sand war jetzt, am frühen Nachmittag, heiß und trocken. Sie rief sich die richtigen Fingerzeichen ins Gedächtnis und fing dann an, sie zu formen um den Sand dazu zu bringen, sich wellenförmig fortzubewegen. Gaara hatte ihr gesagt, dass sie es erst auf einer kleinen Fläche üben sollte, bevor sie es draußen in der Wüste wiederholten. Dieses Jutsu konnte in vielerlei Hinsicht nützlich sein, aber trotz ihrer Mühen gelang es ihr ein weiteres Mal nicht, auch nur ein Körnchen vom Fleck zu bekommen. Frustriert gab sie es auf als sie Schritte hinter sich vernahm. In Erwartung eines roten Haarschopfes drehte sie sich um, erkannte aber schnell, dass nicht der Kage sich zu ihr gesellte, sondern die junge Frau, die sie schon des Öfteren bei den Abgesandten hatte sitzen sehen. Wie immer lächelte sie. „Hallo Matsuri. Machst du Fortschritte?“ Mineko hockte sich neben sie und musterte kurz die Sandfläche, die noch immer unverändert vor ihnen lag. Die Jüngere schüttelte den Kopf. „Ich bekomme zur Zeit einfach keinen klaren Kopf. Zu viele Gedanken bestürmen mich.“ Sie lächelte traurig. „Nachts kann ich kaum schlafen.“ Mineko sah sie mitleidig an und setzte sich neben die Dunkelblonde. „Geht es um den Anschlag?“ Sie nickte. „Ich befürchte, dass ihm etwas zustößt“, flüsterte Matsuri. „Er weigert sich, einige Männer zu seinem Schutz mitzunehmen. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch machen soll...“ Schluchzend verbarg sie das Gesicht in ihren Händen. Mineko legte ihr sanft einen Arm um die Schultern und zog sie näher zu sich. „Ich h-habe solche Angst... um ihn...“ Minekos Augen wurden feucht bei der fast greifbaren Verzweiflung des Mädchens. Die Tränen weg blinzelnd sah sie in den Himmel und versuchte, an etwas anderes zu denken. Dunkle Wolkenberge türmten sich am Horizont. Schon bald würde ein Unwetter über sie hereinbrechen. Beinahe eine halbe Stunde saßen sie dort am Boden. Matsuri hatte sich schließlich beruhigt und auch ihr Schluchzen war endlich verstummt. Nun lag sie erschöpft und niedergeschlagen in den Armen der Schwarzhaarigen und starrte mit leerem Blick auf die Sandfläche vor ihr. Mineko beobachtete, wie die Wolken langsam näher kamen. Erst als ein Schauder die Jüngere durchlief, wandte sie ihr den Blick wieder zu. „Es hat sich ziemlich abgekühlt. Wir sollten zurück gehen.“ Damit strich sie ihr noch einmal über den Rücken und stand, als Matsuri sich erhob, ebenfalls auf. Gemeinsam gingen sie den Weg zurück. Als sie das Halbdunkel betraten, holte die Dunkelblonde tief Luft, bevor sie ihre Begleiterin bat: „Mineko, ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe, aber ich weiß einfach nicht weiter...“ Die Schwarzhaarige blieb stehen und sah ihr fragend in die schwarzen Augen. Matsuri atmete noch einmal tief ein und aus. „Ich bitte dich, rede du mit ihm. Vielleicht hört er auf dich! Du bist meine letzte Hoffnung. Ich würde es nicht verkraften, wenn er getötet würde...“ Erneut liefen ihr Tränen über die Wangen, doch sie sah der Älteren fest in die Augen, die ihren Blick ruhig erwiderte. „Du liebst ihn, nicht wahr?“ Ihre Augenbrauen zogen sich schmerzhaft zusammen und sie senkte nun doch den Kopf, nickte aber. Mineko atmete aus. „Gut, ich werde mit ihm sprechen. Erwarte aber nicht zu viel, okay?“ Dabei legte sie ihr eine Hand auf die Schulter. Das Mädchen nickte. „Danke“, hauchte Matsuri, schlang dann ihre Arme um die junge Frau und nach einem Augenblick der Verwirrung erwiderte Mineko die Umarmung. „Ist schon gut“, flüsterte sie. Die beiden Frauen lösten sich voneinander, als sie Schritte auf dem Gang hörten. Kurz darauf kam der Kazekage um eine Ecke, blieb aber abrupt stehen, als er die beiden erblickte. Mineko lächelte sofort wieder. Matsuri sah errötend zu Boden. Obwohl es kaum möglich war, fürchtete sie, dass Gaara einen Teil der Unterhaltung mitangehört haben könnte. Dieser ließ sich jedoch nichts anmerken. „Ein Sturm zieht auf, Matsuri. Du solltest nach Hause gehen.“ Seine Stimme war so gefühlskalt wie immer. Die Dunkelblonde wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, doch als sie den Blick des Rothaarigen sah, schwieg sie und nickte nach kurzem Zögern. Als sie sich zum Gehen wandte, fing sie noch einen aufmunternden Blick von Mineko auf, dann ging sie in Richtung Garten davon. Als ihre Schritte verklungen waren, breitete sich Schweigen zwischen den beiden Zurückgebliebenen aus. Schließlich ergriff Gaara das Wort: „Du kannst es dir sparen, mich zu belehren. Ich werde meine Meinung nicht ändern.“ „Ihr irrt Euch. Ich hatte nicht vor, Euch umzustimmen, denn ich weiß sehr wohl, dass das nicht möglich ist.“ Gaara sah sie zweifelnd an. „Ich wollte Euch nur mitteilen, dass Euer Verhalten egoistisch und verantwortungslos ist“, fuhr sie fort, „denn Ihr habt kein Recht, Euer Leben so leichtfertig auf's Spiel zu setzen. Im Gegenteil – Ihr habt die Pflicht, es zu schützen, so sehr Ihr könnt, denn von Eurem Tod seid nicht Ihr allein betroffen, sondern alle Einwohner Sunas und genauso Eure Verbündeten. Als Kage solltet Ihr soviel Weitblick haben.“ Gaaras Augen wurden schmal. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, ging er an ihr vorbei und auf den Garten zu, der mittlerweile in einem trüben, bedrückenden Dämmerlicht lag. In dem Moment trat eine Diener aus einer Seitentür und begann, die Laternen an den Wänden zu entzünden. Mineko eilte hinter dem Kage her und holte ihn schnell ein. Während sie schweigend neben ihm her schritt, bemerkte sie seine zu Fäusten geballten Hände und die angespannten Kiefermuskeln. Lange Zeit war das Heulen des Windes das einzig hörbare Geräusch. Beim ersten Regentropfen, der sie traf, begann der Kazekage mit heiserer Stimme zu sprechen: „Das Leben ist ein merkwürdiger Zustand. So sehr man an seinem eigenen hängt, gibt es doch immer einen Menschen, für den wir es gerne geben würden.“ „Aber nie ist dieser Mensch bereit, es auch anzunehmen“, entgegnete Mineko. „Wie könnte man auch verlangen, dass er mit dem Schmerz weiterleben muss? Welchen Wert hat sein Leben dann noch für ihn?“ Gaara blickte verbittert zu Boden. Die Schwarzhaarige betrachtete ihn von der Seite. „Einen Wert, den es ohne den Tod seines Beschützers nie erlangt hätte!“ Sie zögerte kurz. Dann fuhr sie mit einer im Donnergrollen fast unhörbaren Stimme fort: „Den Wert der Liebe...“ Gaara sah überrascht auf, doch die junge Frau hatte sich abgewandt und sah in den Himmel hinauf. Ihre sonst so strahlenden Züge wirkten in dem Dämmerlicht entrückt. Die Regentropfen auf ihrem Gesicht zeichneten dünne Linien auf die bronzene Haut und plötzlich war der Rothaarige sich nicht mehr sicher, ob es wirklich Regen war. Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten in eine weite Ferne, die niemand außer ihr wahrnehmen konnte. Ein jähes Gefühl durchzuckte ihn. Schmerz, Trauer und noch etwas anderes, das er nicht ganz benennen konnte. Eine unbestimmte Sehnsucht... Ein gleißend heller Blitz, dicht gefolgt von dröhnendem Donner, riss ihn aus seiner Verwirrung. Ohne noch darüber nachzudenken, packte er Minekos Oberarm und zog sie in Richtung des Palastes. Sie schien aus einem Traum zu erwachen und sah sich einen Augenblick orientierungslos um. „Was ist?“ „Wir sollten rein gehen. Das Unwetter ...“ Der Körper des Kage reagierte noch ehe er sich des bedrohlichen Gefühles überhaupt bewusst war. Er stieß die Schwarzhaarige zu Boden und ließ sich selbst zur anderen Seite fallen. Bevor er den Boden berührte, formte der Sand einen schützenden Schild um ihn, gerade noch rechtzeitig, um die kaum sichtbaren Waffen abzuwehren, die auf den jungen Mann zugeschossen kamen. Ihm war augenblicklich klar, dass es sich nicht um normales Kampfgerät handelte. Wie von selbst formten seine Hände die Zeichen und mit rasender Geschwindigkeit bildete sich ein Kegel aus Sand um Mineko, die noch immer dort lag, wo er sie hin gestoßen hatte. Ohne Zeitverlust ließ er direkt darauf einen Sturm aus sehr feinkörnigem Sand aufkommen, um seinen unsichtbaren Gegner zu enttarnen. Für einen kurzen Moment schloss er, den Rhythmus der Sandwirbel nach der störenden Stelle durchsuchend, die Augen, doch bevor er den genauen Standort des Feindes hatte orten können, musste er zwei weiteren dieser merkwürdigen Geschosse ausweichen und zu seinem größten Entsetzen streifte ihn eine der schwach silbrig schimmernden Klingen am Arm. Sein Sand hatte ihn abermals im Stich gelassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)