seven days without you von Ruki-chan_ ================================================================================ Kapitel 5: Mittwoch ------------------- Verdammt, schon wieder verschlafen! Was hatte er getan, dass so etwas immer ihm passierte?! Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er sich jetzt nicht mehr beeilen musste. Sein Bus war gerade los und der Nächste würde erst in einer halben Stunde kommen. Kai schlug die Bettdecke beiseite und stand langsam auf. Es war still in seinem Zimmer, nur das leise Rauschen der Blätter im Wind war zu hören. Ungewohnt für ihn. Zu Hause hatten sie direkt an einer Hauptstraße gewohnt. Dort war es nie ruhig gewesen. Er schlich leise in das Bad, wollte seine Mutter nicht wecken und somit noch darauf aufmerksam machen, dass er verschlafen hatte. Mit den Fingern fuhr er sich durch die Haare. Ob er sie auch färben sollte wie Uruha? Vielleicht braun? Das Schwarz ließ ihn noch blasser aussehen, als er sowieso schon war. Er zog seine Uniform an und ging nach unten in die Küche. Nanami hatte ihm gestern Abend extra noch eine Bento-Box gemacht. ’Damit du den Tag ohne Sorgen überstehst’, stand auf dem kleinen gelben Zettel, der daneben lag. Kai musste lächeln. Seine Mutter hatte ihm schon lange kein Essen mehr für die Schule gemacht. Meistens stand sie sehr unter Zeitdruck wegen ihres Jobs oder war einfach nur im Stress. Doch trotz allem hatte sie immer ein wenig Zeit für Kai aufbringen können. Ja, er musste zugeben, dass seine Mutter ihn ziemlich beeindruckte. Noch eine Viertelstunde. Was sollte er so lange machen? Er könnte schon los zur Haltestelle laufen, vielleicht war ja Aoi auch zu spät dran oder er hatte eine Freistunde und würde ebenfalls dort warten. Er packte die Box in seine Tasche, nahm seinen Schlüssel und zog die Tür hinter sich zu. Es wurde endlich wieder wärmer draußen. Langsam trottete er zu der Haltestelle, doch von weitem konnte er niemanden entdecken. Aoi war wohl schon in der Schule. Mist, er hätte sich gerne mit ihm unterhalten. Er wollte endlich den Grund wissen, warum Aoi ihn in den Pausen nicht beachtete. Ob er sich vor Reita und Ruki nicht mit dem ’Neuem’ zeigen wollte? Aber wäre das denn so schlimm für ihn? Er zog seinen MP3-Player aus der Tasche und stöpselte die Kopfhörer in das Gerät. Die Lautstärke fast voll aufgedreht, ließ er sich auf die kleine Bank in dem Wartehäuschen sinken. Der Hof war gähnend leer, als Kai das Schulgelände betrat. Nur die vielen Fahrräder verrieten, dass heute ein gewöhnlicher Schultag war. Er sah auf seine Uhr. Die Hälfte der zweiten Unterrichtsstunde war mittlerweile auch schon vorbei. Beeilen brauchte er sich also nicht mehr. Langsam lief er auf das große Gebäude zu. Drinnen war es ungewohnt still. So kannte er die Schule gar nicht. Die Treppe hoch und den langen Gang entlang, sein Klassenzimmer war das Letzte. Ohne zu Klopfen zog er die Tür auf und trat ein. „Tschuldigung“, nuschelte Kai leise und wollte schon zu seinen Platz gehen. „Zu aller erst entschuldigt man sich in angemessener Lautstärke und mit einer glaubwürdigen Begründung, Uke-san!“ Ja, Tanaka-san war sauer, versuchte es aber so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten. „Ja, es tut mir leid“, antwortete er lauter und setzte sich neben Reita, der nur amüsiert nach vorne sah. „Hat Mama dich etwa nicht geweckt?“ Kai schnaubte. „Geht dich gar nichts an“, zischte er. Reita grinste. „Hab’ ich wohl genau ins Schwarze getroffen, was?“ „Du hast doch keine Ahnung, du Arsch!“, fauchte Kai zurück. „Wenigstens hab’ ich jemanden, der mich weckt, im Gegensatz zu dir.“ „Wie kommst du darauf?!“, Reita hatte seine Stimme nicht mehr unter Kontrolle und wurde lauter. „Suzuki-san! Anscheinend haben Sie mehr Interesse an einem Gespräch mit Uke-san, als an meinem Unterricht.“ Tanaka-san sah die beiden mit strengem Blick an. „Aber keine Sorge, Sie haben heute beim Nachsitzen genügend Zeit, um über Ihr Verhalten nachzudenken!“ Kai konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Sie brauchen gar nicht so zu lachen, Uke-san! Sie werden Suzuki-san dabei Gesellschaft leisten! Ich denke, Sie wissen warum!“ Er wandte sich wieder der Tafel zu. Den Rest der Stunde schwiegen sie. Seufzend legte Kai den Kopf in den Nacken. Wenigstens hatte er schon den halben Tag überstanden. Nur noch zwei Stunden und das Nachsitzen. Wenn Reita ihn nicht so provoziert hätte, könnten sie beide sicher wie alle anderen pünktlich nach Hause gehen. Er musste unbedingt mit Shou reden! Er sah sich um und sein Blick blieb wieder bei Reita, Ruki und Aoi hängen. Sie standen in der Mitte des Hofes und unterhielten sich. Doch diesmal würdigte Reita ihn keines Blickes und schien auch keine Witze über ihn zu reißen. Und Aoi … er hörte dem Blonden anscheinend überhaupt nicht zu, sah sich immer wieder um, bis er Kai plötzlich entdeckte. Wenn er sich nicht täuschte, hatte Aoi sogar gelächelt. Kai hob die Hand, wollte ihm zu winken, doch er sah schnell weg. Verwirrt kräuselte er die Stirn, schüttelte den Kopf. Er sollte erstmal nach Shou suchen. Er ging zu der kleinen Wiese am Rande des Schulhofes. Aber unter den wenigen Schülern, die dort saßen und ihr Mittag aßen, konnte er ihn nicht entdecken. Er lief zurück zum Haupteingang der Schule und versuchte Shou erneut zwischen den anderen Schülern ausfindig zu machen. Und wieder blieb sein Blick bei Aoi hängen, der ihn scheinbar beobachtete. Doch sobald sich ihre Blicke trafen, sah er schnell in eine andere Richtung. Kai schüttelte den Kopf und ging zu der großen Sporthalle. Dabei lief er absichtlich nah an den dreien vorbei. Als er auf Aois Höhe war, drehte er den Kopf in seine Richtung und sah ihm geradewegs in die Augen. Erschrocken senkte Aoi hastig den Kopf, doch Kai hatte den Rotschimmer auf seinen Wangen längst bemerkt. Er verhielt sich ziemlich komisch, wie Kai fand, aber trotzdem musste er darüber lächeln. Irgendwie erinnerte ihn Aois Verhalten an ein verliebtes Schulmädchen. Rechts neben der Sporthalle befanden sich zahlreiche hochgewachsene Büsche, wo das Sonnenlicht kaum hindurch kam. Ein ziemlich ruhiger Ort, keine Schüler waren hier. Ein perfekter Platz, um sich in den Pausen zurück zu ziehen und seine Ruhe zu haben. Er bog die Zweige auseinander und schob sich an den Ästen vorbei. Es war hier ziemlich kühl. Kai lehnte sich gegen den Zaun, der das Schulgelände umrahmte und schloss die Augen. „Shou ~“, flüsterte eine leise Stimme. Automatisch schlug Kai die Lider wieder auf und sah sich um. „Shou ~ jetzt mach’ schon …“ Er folgte den Geräuschen und konnte in dem schwachen Licht zwei Gestalten ausfindig machen. „Sei doch nicht so ungeduldig, Pon.“ Das war Shous Stimme! Und der andere … nein, aus dem Winkel konnte er ihn nicht erkennen. Leise schlich er näher an die beiden heran. Shou hatte den Jungen gegen die Wand der Sporthalle gedrückt und sein Knie gegen dessen Schritt gedrückt. Soweit Kai es erkennen konnte, küssten sie sich gerade besinnungslos. „Shou?“, fragte er zögerlich nach und fast augenblicklich fuhren die beiden Personen auseinander. Entschuldigend hob Kai die Hände. „Mensch, Kai! Hast du uns vielleicht erschreckt!“ Shou kam auf ihn zu und lächelte unsicher. „Hast du … uns gesehen?“ Die Situation war ihnen beiden sichtlich unangenehm. „Natürlich hat er uns gesehen. Wir waren ja auch nicht gerade leise!“, der Junge trat neben Shou. Jetzt konnte Kai auch sein Gesicht erkennen. „Hast du ein Problem damit?“, wurde Kai nun direkt von Hiroto gefragt. Zögerlich schüttelte er den Kopf. Nein, er hatte kein Problem damit, dass Shou und Hiroto anscheinend ein Paar waren. Immerhin war er doch selbst mit einem Jungen zusammen. „Ehrlich nicht?“ Shou knete nervös seine Finger und betrachtete ausgiebig den Boden. „Nein, ich … ich bin ja auch … mit einem Jungen zusammen“, zum Ende wurde Kai immer leiser. Shou sah ihn erstaunt und mit großen Augen an. Hiroto schien genauso überrascht zu sein. „Wow. Wie heißt er? Wie alt ist er? Sieht er gut aus? Hast du ein Foto von ihm?“ „Hiroto! Findest du das nicht ein wenig zu aufdringlich?!“ Kai lächelte, er war erleichtert. Bei den beiden musste er sich, was Uruha anging, nun nicht mehr verstellen oder befürchten, als eklig oder gar krank bezeichnet zu werden. „Er heißt Uruha und ist 17, wie ich. … Ja, ein Foto hab’ ich immer dabei.“ Er zog das kleine Polaroid aus der Hosentasche und hielt es den zweien hin. Hiroto schnappte es sich sofort und betrachtete es genau. „Wow. Er sieht echt heiß aus. Schau’ dir doch mal diese Oberschenkel an! Und der geile Blick erst- Au!“ Der Kleine hielt sich die Hand an den Hinterkopf, gegen den Shou gerade geschnipst hatte. „Und wie lange seid ihr schon zusammen?“ „Knapp drei Monate.“ „Wow, also noch fast frisch verliebt.“ Hiroto grinste. Kai wurde rot und lenkte lieber schnell von sich ab. „Und ihr? Ich meine … seid ihr ein Paar?“ Shou nickte leicht. „Schon seit fast einem Jahr!“, rief Hiroto begeistert. Kai sah sie beide überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet. „Und wohnt er auch hier?“ Hiroto gab ihm das Foto zurück. Er schüttelte den Kopf. „Nein, in Mie, da wo ich vorher auch gewohnt habe.“ „Also seht ihr euch jetzt kaum noch?“ Kai nickte, doch spürte er diesmal kein schmerzendes Stechen im Brustkorb, wie er es immer hatte, wenn er an Uruha dachte. Hiroto schien ziemlich angetan davon zu sein, dass Kai ebenfalls einen festen Freund hatte. Er hörte gar nicht mehr auf zu reden. Erzählte, wie Shou und er ein Paar wurden, wie ihre Eltern damit umgingen und dass sie es hier in der Schule geheim halten mussten. Die Lehrer sahen es nicht gern, wenn zwei Jungen sich sehr gern hatten. Kai war erstaunt, wie anders es hier war. In seiner Schule war jeder offen mit dem Thema gleichgeschlechtliche Beziehung umgegangen. Dort musste niemand sich verstecken. Aber wenn er sich nicht täuschte, hatte er auf der Wiese doch viele Mädchen mit einem Jungen schmusen und küssen gesehen. „Da sagen die Lehrer auch nichts. Das ist ja normal", zischte Hiroto. „Und habt ihr es schon miteinander getrieben?“ Kai schoss die Röte in die Wangen und er schüttelte zaghaft den Kopf. „Bist du noch Jungfrau?“ Er scharte mit dem Fuß über die Erde, nickte leicht. Shou legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ist doch nicht schlimm. Uruha ist sicher auch nicht so liebeshungrig wie Pon.“ „Liebeshungrig? Nur weil ich so oft von dir genommen werden wi-HM!“ Shou hielt Hiroto den Mund zu und lächelte verlegen. „Ja, Pon nimmt halt kein Blatt vor den Mund.“ Der Kleine schob die Hand weg. „Tu nicht so. Wenn wir erstmal dabei sind, bist du doch der Unersättliche.“ Das schrille Klingeln der Schulglocke schallte über den Hof. „Könnt ihr mir vielleicht noch sagen, wo der Raum 108 ist?“ Hiroto sah Kai verwirrt an. „Musst du nachsitzen?“ Kai strich sich durch die Haare. „Ja, ich war gestern schon zu spät und heute der Mist mit Reita.“ Er kickte wütend einen Stein weg. „Ich will lieber nicht wissen, was passiert ist.“ „Sollten wir nicht lieber reingehen, sonst kriegt Kai nachher noch eine weitere Stunde dazu.“ Shou zeigte auf den schon fast leeren Schulhof. Er spürte ununterbrochen den starren Blick Reitas auf sich. Wenigstens waren es nur noch fünf Minuten die er überstehen musste. Der Lehrer, der eigentlich auf sie achten sollte, war schon nach zehn Minuten wieder gegangen, mit der Begründung, ’er müsse noch einige wichtige Dokumente kopieren’. Doch das glaubte Kai weniger. Reita hatte ihn seit Beginn des Nachsitzens mit abwertenden Blicken fixiert, was diesen Referendar anscheinend ziemlich nervös gemacht hatte. Und jetzt saß Reita ihm gegenüber, nur ein Tisch trennte sie voneinander. Kai wollte die Stunde eigentlich nutzen, seine Hausaufgaben zu erledigen, doch darauf konnte er sich nur wenig konzentrieren. Immer wieder sah er nach oben zu Reita, der ihn nicht aus den Augen ließ. Seine ganze Ausstrahlung wirkte bedrohlich, als wäre er kurz davor, Kai eine runterzuhauen. Umso wohler fühlte er sich, als das Klingeln sie endlich erlöste. Schnell schmiss er seine Sachen in die Tasche und flüchtete beinahe schon aus dem Raum. Am Haupteingang atmete er einmal tief durch, bevor er die Tür öffnen wollte. Doch jemand griff nach dem Kragen seiner Jacke und zog ihn zurück. „Nur damit wir uns verstanden haben, wenn ich noch einmal wegen dir Nachsitzen muss, breche ich dir sämtliche Knochen“, knurrte Reita ihm ins Ohr, ehe er ihn von sich schubste und das Gebäude verließ. Draußen wartete Ruki, der Reita gleich freudig umarmte. Aoi stand neben ihm und lächelte kopfschüttelnd. Kai seufzte und trat nun auch nach draußen. Shit, er musste sich beeilen, wenn er seinen Bus noch bekommen wollte. Schnell rannte er an den dreien vorbei, Richtung Haltestelle. „Was haben wir denn da?“ Reita hob das Polaroid auf, welches Kai in der Hektik verloren hatte. Er drehte es um. ’Uruha and Kai in love’ stand dort in feinsäuberlicher Schrift und war mit einem roten Herz umrahmt. „Aufgenommen in Mie. Da kommt der Vollidiot doch her.“ Er gab das Foto an Ruki weiter, welcher es lang betrachtete. „Hey, willst du es ihm nicht wiedergeben?“ Aoi deutete auf die Jackentasche, in die Ruki das Foto soeben eingesteckt hatte. „Nein, warum? Er hätte darauf aufpassen müssen.“ Aoi schüttelte mit dem Kopf. „Hey! Warte mal!“, rief er Kai hinterher, als Reita ihm gegen die Schulter boxte. „Hör auf! Du hast Ruki doch gehört. Wenn es ihm was bedeutet, dann hätte er besser darauf aufpassen müssen.“ „Ej, Ru-chan. Wir müssen links lang.“ Reita hielt Ruki an der Schulter fest, zeigte auf die Straße, die zu ihnen nach Hause führte. „Ich weiß, aber … ich will Aoi noch nach Hause bringen. Er hat noch eine CD von mir.“ Reita nickte nur, verabschiedete sich von Aoi und verließ die beiden. „Warum hast du ihm das Foto nicht zurückgegeben?“ Ruki zuckte mit den Schultern. „Seid wann interessierst du dich dafür, ob die anderen ihre Sachen wiederbekommen, oder nicht?“ Aoi seufzte. „Keine Ahnung, ich finde nur, dass wir es ihm ruhig hätten zurück geben können.“ „Sag’ mal, empfindest du was für den oder warum nimmst du ihn so in Schutz?“ Ruki lachte. Aoi schwieg und blieb stehen. „Hm? Was ist?“ Ruki betrachtete seinen Freund, der sich sichtlich unwohl fühlte und wohl krampfhaft versuchte, seinem Blick auszuweichen. „Sag’ mir nicht, dass ich wirklich Recht habe.“ Aoi seufzte und setzte sich auf den Bürgersteig. „Ich weiß es nicht. Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, hab’ ich mich einfach nur wohl bei ihm gefühlt. Und jetzt … immer wenn ich ihn sehe, ist es, als würde etwas in mir explodieren. Shit, man Ruki, ich glaub’, ich hab’ mich echt in ihn verknallt.“ Aoi vergrub sein Gesicht in den Händen. Der Kleine lächelte nur schief. „Das weiß ich doch schon längst.“ Aoi hob den Kopf und sah Ruki völlig durcheinander an. „Denkst du echt, mir sind deine suchenden Blicke auf den Hof nicht aufgefallen? Oder wie du immer gegrinst hast, wenn du diesen Typ entdeckt hast.“ „Er heißt Kai.“ „Wie auch immer.“ „Aber er hat doch diesen Uruha. Da wird er wohl kaum Interesse an mir haben.“ „Ich lass’ mir schon was einfallen. Keine Sorge.“ .-~-. Das fiel seiner Mutter wirklich früh ein, dass er noch ein paar Lebensmittel besorgen sollte. Kaum war er nach Hause gekommen, musste er auch gleich wieder los. Nanami hatte ausdrücklich aufgeschrieben, wie dringend sie die Dinge benötigte. Und sich entschuldigt, dass es ihr erst so spät eingefallen war. Na ja, wenigstens das. Also hatte Kai sich das Geld geschnappt und war los zu dem Supermarkt, der glücklicherweise nur wenige Straßen entfernt lag. Doch schon von weitem konnte er laute Stimmen hören, klang ganz nach einem Streit. Ja, direkt vor dem Laden wurde ein Junge von zwei Größeren angemacht. Sie bedrängten ihn, schubsten und schrieen ihn an. Der Kleine hatte keine Chance gegen sie. Kai wollte gerade dazwischen gehen, als er ein „Hey!“ vernahm. Eine weitere Person schritt auf die Jungen zu. Aber wollte sie Helfen oder doch gleich mitmachen und den Kleinen weiter verängstigen? Kai hielt die Luft an. Der blonde Junge, der auf das Szenario zulief, war ... Reita. Er zog den einen Jugendlichen an der Schulter nach hinten, sodass dieser zu Boden fiel. Den anderen zerrte er am Hemdkragen zu sich, knurrte ihm etwas entgegen. Kai war zu weit entfernt, um verstehen zu können, was Reita sagte. Doch anscheinend wirkte es, denn er hob abwehrend die Hände und zog mit dem anderen von dannen. „Und lasst ihn in Zukunft in Ruhe!“, rief Reita ihnen hinterher, bevor er sich dem Jungen wieder zuwandte und ihm beim Einsammeln der heruntergefallenen Waren half. Kai verschränkte die Arme vor der Brust, als der Blonde ihm auch noch durch die Haare strich und ... lächelte? Kai traute seinen Augen nicht, aber ... doch! Reita lächelte wirklich. Er hielt ihm einen kleinen Zettel hin, bevor er die Hand hob und ging. Die Hände in den Hosentaschen vergrabend, hob er den Kopf und entdeckte Kai. Sein Lächeln verschwand, und er funkelte Kai wütend an. Beim Vorbeigehen rempelte er ihn grob an. „Reita!“, Kai drehte sich um. Der Blonde blieb stehen, sah über die Schulter zu ihm. „Was?!“, zischte er. „Das ... das war wirklich cool von dir. Du bist doch nicht so ein Macho wie du immer tust.“ Reita verdrehte die Augen: „Ja ja, schon gut, aber behalt’s für dich“, dann ging er weiter. Kai musste lächeln. Vielleicht war Reita doch nicht so übel, wenn man ihn näher kannte. Er schulterte die Tasche und betrat den Supermarkt. Das Reita ihn noch einen vorsichtigen Blick zugeworfen hatte, bemerkte er nicht mehr. Verdammt, wo hatte er das Foto hingetan?! Er hatte es doch wieder in seine Hosentasche gesteckt, aber warum war es dann nicht mehr da?! Er konnte es doch nicht verloren haben, oder? Vielleicht heute, als er zum Bus gerannt war? Wie sollte er das Uruha erklären … Uruha! Er hatte ihn gestern Abend nicht mehr angerufen, weil es schon so spät war. Er löste die Tastensperre und … ’Hey, Ruha. Sry, das ich nicht anrufen konnte. Hatte noch ein Gespräch mit –’ Das war die SMS, die er doch eigentlich Uruha geschickt hatte. Aber warum war sie geöffnet und nur halb fertig …? Nein! Er war gestern wohl beim Schreiben eingeschlafen! Dann hatte Uruha sie wohl nicht bekommen! Er war sicher stinksauer. Schnell wählte er die Nummer seines Freundes. „Moshi moshi?“ „Ruha. Ich bin’s Kai.“ „Ach, schön, dass du dich auch mal wieder meldest!“ „Es tut mir leid, Ruha, aber ich hatte ein Gespräch mit meiner Mutter und es war zu spät, um noch anzurufen –“ „Und da hättest du nicht wenigstens eine SMS schreiben können?! Kai, ich habe den ganzen Abend auf ein Zeichen von dir gewartet. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen vor Sorge.“ Uruha war enttäuscht. „Es tut mir wirklich leid. Ich …“, und jetzt auch noch das Foto, „ich hab’ auch … das Foto von dir … verloren. Aber das war keine Absicht, ich bin zum Bus gerannt und –“ „Kai.“ „J-Ja?“ „Ich bin wirklich enttäuscht und traurig. Bedeute ich dir eigentlich noch etwas? Ich komme mir gerade ziemlich verarscht von dir vor.“ „Ruha! Du bedeutest mir alles!“ „Hör auf! Ich will deine blöden Lügen nicht mehr hören! Sag mir doch ehrlich, wenn du nichts mehr von mir wissen willst. Es reicht mir!“ „Aber –“ Uruha hatte schon aufgelegt. Was sollte denn jetzt aus ihnen werden? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)