Der Traum aller Männer und das Monster. von SchmokSchmok ================================================================================ Kapitel 1: M.O.N.S.T.E.R. ------------------------- Der Traum der Männer und das Monster. Mary Sue van Hauenstein kam aus Deutschland und war der wahr gewordene Traum aller Männer. Ihre Engelsgleichen Locken umrahmten ihr rundes Gesicht, fielen in langen Strähnen in ihren Nacken und wehten um ihren Hals. Ihre Haut schimmerte in einem Karamellton, die in ihrem Gesicht dagegen in einem warmen Milchkaffeeton. Unter ihrem goldblonden Pony lugten zwei große, blaue Augen hervor, die immer ein wenig wirkten, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, weil sie so groß und glänzend waren. Ihre Iris war azurblau und stand im krassen Gegensatz zu den dunklen Pupillen. Dies ließ das Blau ihrer Augen nur noch heftiger leuchten. Ihre Zähne blitzten weiß und perfekt in zwei sauberen Reihen. Ihr Atem roch immer nach Pfefferminz und sie selbst duftete nach Flieder und ein wenig Zedernholz. Ihre schlanke Taille wurde von einem E-Körbchen und einer genauso fülligen Hüfte noch mehr betont. Kurzum sie war das wohl schönste Geschöpf, das jemals Gottes Erden betreten hatte. Sie war der Traum aller Männer und die größte Angst aller Frauen. – Wer wollte schon mit Mary Sue konkurrieren müssen? Und ich? Ich bin Derpette Derpington und der durchschnittliche Klischee-Emo jeder Schule. Zumindest auf den ersten Blick. Meine schwarzen Haare sind mit allerlei bunten Extensions geschmückt, meine Augen und Lippen immer schwarz geschminkt und meine Fingernägel immer schwarz lackiert. Mein Kleidungssortiment ist auf schwarz ausgelegt, meine Springer und Chucks sind allesamt Lila oder schwarz. Manche würden mich wahrscheinlich als Emo oder Goth bezeichnen, ich selber bevorzugte M.O.N.S.T.E.R. (Mädchen ohne sichtliche Tendenz zu einer Rasse). Mary Sue nannte mich immer „ihren Lichtblick des Tages“, manchmal aber betitelte sie mich auch mit Wörtern wie „Abfflunvlwidslh“ (Aller beste Freundin für's Leben und noch viel länger, weil ich dich so lieb hab). Im Moment beobachtete ich aus der Ferne, wie sie sich mit Thomas Brown unterhielt, der neu in der Parallelklasse war und sich auffällig unauffällig an sie heranwarf. Nicht zu bemerken, dass er auf sie stand, war ungefähr so unmöglich, wie zu bemerken, dass Wasser Berge runter- und nicht hochfließt. Oder, dass grau die Farbe eines wolkenverdeckten Himmels war. Oder auch die eines Rhinozeroshinterns. Mary Sue spielte an ihren Locken, zwirbelte und ließ sie wieder springen. Inzwischen kannte ich sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich für Thomas interessierte und ich wohl in den nächsten Tagen reichlich viel mit ihm zu tun haben würde. Prinzipiell hatte ich wenig dagegen, dass sie sich ein neues Subjekt gesucht hatte, aber dieser Thomas war mir schon von der ersten Minute an unsympathisch gewesen. Nicht etwa, weil er mich vor versammelter Mannschaft als Emo-Bastard beschimpft hatte und meinte, ich solle mich doch in die Ecke verkriechen, aus der ich gekommen war. Nein, keines Wegs. Ich war recht kulant und tolerant gegenüber solchen Aussagen, doch, dass er es wagte, sich auf meinen Platz zu setzen, das hatte den Ausschlag gegeben. So ungehobelte Menschen konnte ich einfach nicht ausstehen. Als Mary Sue mich entdeckt hatte und auf mich zugeeilt kam, lächelte ich sie an und sagte zur Begrüßung: „Du hättest dich auch noch weiter mit Objekt 247 abgeben können.“ Doch sie küsste mich nur auf die Wange, runzelte die Stirn und erwiderte: „Objekt Zwei Vier Sieben? – Ach, ich frag' am besten gar nicht nach. Ich wollte mich nun mal lieber mit dir unterhalten, als Thommy zu nerven.“ So wie er abwechselnd sie ansah und abwechselnd mich ansah, hatte er sich ganz sicher nicht von Mary Sue genervt gefühlt. „Außerdem wollte ich mit dir noch über unseren DVD- Abend am Wochenende sprechen. Was du für Filme mitbringst und was du am liebsten zu Essen hättest. Ich dachte mir, ich koche mal wieder richtig für uns.“ Sie lächelte mich strahlend an und ich konnte nicht anders, als ihr ebenfalls ein Lächeln zu schenken. „Ich dachte an All the Boys love Mandy Lane, Tucker and Dale vs. Evil und extra für dich aus der Videothek ausgeliehen: Die Stadt der Engel“, antwortete ich und blickte auf meine Armbanduhr, „Du könntest deinen Stachelbeerkuchen backen, wir haben doch grade Saison, oder nicht?“ Mary Sue nickte und legte ihre Hand auf meinen Arm. Das nächste Mal nach der Schule sah ich Mary Sue Hand in Hand mit Objekt 247 durch die Stadt gehen. Vielleicht sollte ich eines der anderen 246 Objekte erledigen, bevor ich mich an die 247 wagte. Ich hatte eine Liste mit Menschen erstellt, die ich nicht mochte, die mich nicht mochten und mit denen ich niemals etwas zu tun haben wollte. Oder, wenn sie eine Eins besaßen, bestenfalls nur töten wollte. Doch für Mary Sue würde ich mich zusammenreißen und Thommy eine Chance geben. Vielleicht war er jah doch … ganz … nett. Mary Sue warf mir ein strahlendes Lächeln zu und zwinkerte verheißungsvoll. Mir war klar, was sie mir damit sagen wollte. Zwischen ihnen beiden lief es genauso, wie sie es sich gewünscht hatte. Nur bei mir lief es nicht so, wie ich gewollt hatte. Ethan hatte sich nach unserer Verabredung am Montag nicht mehr gemeldet und als ich ihn am Tag zuvor angerufen hatte, ob er sich heute mit mir treffen wolle, hatte er nur zögerlich zugesagt. Inzwischen saß ich bereits zweieinhalb Stunden vor der Stadtbücherei und wartete. Entweder er hatte es nicht mit Pünktlichkeit oder er wollte mir damit einfach zeigen, dass er kein Interesse an mir hatte. Kein netter, aber dafür umso wirksamerer Weg, um einem Menschen Desinteresse zu zeigen. Mary Sue blickte nach hinten und während sie so tat, als würde sie Thommy bei seinen Ausführungen über seinen Handballverein zuhören, beobachtete sie Derpette dabei, wie sie allein und verlassen auf einer Bank saß und immer wieder auf ihre Uhr blickte. Sollte sie erfahren, wer dafür verantwortlich war, dass Derpette so verletzlich aussah, dann würde diese Person nie wieder glücklich werden. „Und betätigst du dich auch sportlich?“, fragte Thommy in diesem Moment und warf Mary Sue aus ihren Gedanken. Um Abzulenken lachte sie ein wenig und fragte: „Wollen wir uns nicht in das Café setzen und ein Eis essen?“ Er nickte begeistert und die beiden setzten sich an einen der Tische, als der Kellner kam, bestellte sich Thommy einen Erdbeerbecher, Mary Sue einen Krokantbecher und ein Glas Mineralwasser. Während Thommy wieder vollkommen begeistert davon erzählte, wie es gewesen war, in Oregon gewohnt zu haben, beobachtete Mary Sue Derpette und fragte sich, warum sie immer wieder so etwas mit sich machen ließ. Derpette war ein hübsches, intelligentes Mädchen, das so voller Temperament und Gefühl steckte. Sie hatte es nicht verdient so verletzt zu werden, wie … jah, wie Mary Sue die Jungen verletzte. Mary Sue war schon mit vielen Jungen zusammen gewesen. Sie sah einen von ihnen und musste ihn haben. Immer und immer wieder musste sie ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, denn sie wusste, sie konnte jeden haben. Ihre Attraktivität zog Männer an, wie das Licht die Motten, doch keiner machte sich Gedanken darum, wie sie wirklich war. Auch Thommy war nicht anders. Er redete von sich, denn er war davon überzeugt, sie zu haben. Doch die Einzige, die jemanden unter Kontrolle hatte, war sie selbst. Jungs waren einfach zu durchschauen und einfach zu manipulieren. Besonders, wenn man die richtigen Mittel dazu hatte. Mary Sues größte Herausforderung war, einen Jungen zu erobern. – Und das nur aus einem Grund. Mary Sues Interesse für Jungen entwickelte sich schon recht früh, hatte ich bemerkt. Damals war ich in der sechsten Klasse gewesen, da kam dieses hübsche, schüchtern wirkende Mädchen in unsere Klasse. Sie setzte sich neben mich und traute sich nicht, ein Wort mit mir zu wechseln. Doch nach der ersten Woche brach das Eis und wir freundeten uns an, wie sich Elfjährige nun einmal miteinander anfreunden. Wir waren beste Freundinnen. Selbst als ich Mitte bis Ende der achten Klasse die schwarze Szene für mich entdeckte, wandte sie sich nicht von mir ab, was uns zu noch engeren Freundinnen machte. Auch ihre immer häufigeren Alkoholeskapaden hinderten mich nicht daran, bei ihr zu bleiben. Sie war schließlich meine beste Freundin. Ich sah noch einmal auf die Uhr und bemerkte, dass inzwischen schon drei Stunden vergangen waren. Scheinbar hatte ich mich doch nicht geirrt und Ethan wollte sich nicht mit mir treffen. Scheinbar hatte ich ihn drei Tage zuvor nicht so begeistert, wie er mich begeistert hatte. „Mist“, murmelte ich und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel, „Dann halt nicht.“ Nachdem ich aufgestanden war, packte ich meine Tasche, fuhr mir noch einmal über die Augen und lief dann langsam Richtung Underground. Ein wenig Stolz konnte ich wenigstens behalten. Mary Sue hatte also richtig gesehen. – Derpette weinte. Sie lächelte Thommy an und sagte mit einem kecken Aufschlag ihrer Wimpern: „Wie wäre es, wenn ich heute Abend einfach bei dir vorbeikomme? Ich muss noch etwas erledigen. Sagen wir, so gegen 20 Uhr?“ Er sah sie verwirrt an und runzelte die Stirn: „20 Uhr?“ „Jah, 20 Uhr. Oh, entschuldige. Trotz der langen Zeit kann ich mich einfach nicht an die verschiedenen Uhrzeiten gewöhnen. 8 p.m. Okay?“, antwortete sie und warf ihre Tasche über ihre Schulter, „Wie sehen uns dann. Ciao.“ Und im nächsten Moment rannte sie Derpette hinterher. „Thommy...!“ Die Luft war elektrisiert und schwer von heftigem Atmen. Mary Sue zog die Decke über sich, als Thommy sich von ihr gerollt hatte. Sie strich sich die Haare aus der mit Schweiß benetzten Stirn und versuchte ihren Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. „Wow … ich meine … wow“, schnaufte Thommy vor sich hin und wischte sich ebenfalls den Schweiß von der Stirn, „Das war wirklich … wow.“ „Ich weiß“, antwortete Mary Sue und richtete sich auf. Sie schwang ihre Beine über die Bettkante und angelte ihre Kleidung vom Boden: „Nun … ich muss jetzt leider auch gehen, sonst dreht meine Mutter wohl durch.“ In Rekordzeit war sie in ihre Hose geschlüpft, hatte ihre Bluse zugeknöpft und ihre Tasche geschnappt. „Wir sehen uns“, rief sie ihm noch zu und verschwand, so schnell sie konnte (ohne, dass es wie eine Flucht wirkte) aus dem Apartment der Browns. Währenddessen kreischte sich Tobias Schultka von We butter the bread with butter in meinem Zimmer die Seele aus dem Leib. Normalerweise hörte ich sie nicht all zu oft, aber ab und an brauchte ich das ganze Zeug einfach. Fleißig wurde Ich mach dich kalt von Patricia Mennen verschlungen und irgendwann verflog die Zeit nur noch, während ich mit meinen Gedanken abdriftete. Mein Handy vibrierte und ich schlug mir vor Schreck meinen Hinterkopf an meinem Bettrücken an. Sorry wegen heute. Morgen treffen? Einen Moment verstand ich gar nicht, was mir diese SMS sagen wollte. Dann sah ich den Absender und schluckte meinen aufkommenden Ärger herunter. Sollte ich diesem unverschämten Menschen antworten oder sollte ich ihn lieber einfach ignorieren? Kein Problem, solange hab ich jah gar nicht gewartet. Wann und wo willst du dich treffen? Und bevor sie sich eines Besseren besinnen konnte, hatte sie die SMS auch schon abgeschickt. – Verdammt. Ich war schwach und es war mir auch vollkommen klar. Wenn man es genau nahm, schämte ich mich auch nicht wirklich dafür. Morgen 6p.m. Rockfabrik. Eine Nachricht später stand fest, dass ich ein Date hatte … oder zumindest irgendetwas in der Art. Natürlich erzählte ich Mary Sue sofort am Telefon davon und obwohl sie mir dringend davon abriet, dorthin zu gehen, konnte keins ihrer lieb gemeinten Worte mich überzeugen. Als wir uns am späten Nachmittag des Freitagabends bei ihr Zuhause einfanden, standen auf dem kleinen Couchtisch in ihrem Zimmer Knabbereien wie Sour-Creme-Chips, Käse- und Erdnuss-Flips und kleine Salzbrezeln. Daneben stand ein typisch deutsch aussehender Stachelbeerkuchen. Sie hatte eine kleine Sektflasche daneben gestellt und zwei Flaschen Mineralwasser. Normalerweise war ich kein großer Alkoholtrinker. Ich mochte den Geschmack der meisten Sachen nicht und das Gefühl war mir auch suspekt. Doch heute hatte ich allen Grund, mir einmal richtig einen hinter die Binde zu kippen. Wir legten den ersten Film ein und ich beobachtete sie fasziniert dabei, wie sie ihre Haare zusammensteckte. Eine Haarsträhne rutschte aus der Konstruktion heraus und fiel ihr in die Stirn. Sie strich sie zur Seite und warf mir einen Blick aus dem Augenwinkel zu: „Willst du mich noch lange so anstarren?“ „Vielleicht“, antwortete ich und nuckelte an meinem Radler herum, „Die Vorschau ist nun mal immer so langweilig.“ Sie drehte den Ton leise und sah mich mit gerunzelter Stirn an: „Was hat er gemacht? Wenn er gegenüber dir nur ein falsches Wort gesagt hat, dann bekommt er es mit mir zu tun, das weißt du, oder?“ Ich seufzte und starrte auf den Bildschirm: „Ich bin doch selber schuld, er hat jah Recht.“ Ein seltsamer Blick wurde mir zuteil, das spürte ich ganz genau, also sprach ich weiter: „Er meinte, ich sei wirklich blöd, drei Stunden lang auf ihn zu warten und dann auch noch rumheulen würde. – Aber er hat jah Recht. Ich bin doch wirklich blöd gewesen, da hin zu gehen. Schließlich hast du es mir auch abgeraten.“ Ein Finger schnippte mir gegen die Stirn und ich sah auf. „Wie kannst du behaupten, blod zu sein?“, fragte sie und nahm mein Gesicht in ihre weichen Hände, „Blöd wärst du gewesen, wenn du ihm sofort einen Hintergedanken unterstellt hättest. Du bist ein wundervoller, vertrauensseliger Mensch. Du bist intelligent, gutaussehend und hast einen wundervollen Charakter. Was willst du mehr? Nur weil eine Niete dabei war, heißt das nicht, dass du blöd bist. Der Kerl hat dich nicht verdient. So einfach ist das.“ Ich lächelte leicht und schloss die Augen einen Moment. Und im nächsten Moment spürte ich ihre Lippen auf meinen. Ich riss die Augen und und blickte auf ihre fest geschlossenen Augenlider. Mit einem heftigen Ruck löste ich mich von ihr und starrte ihren leicht geöffneten Mund an. Mary Sue schrak zurück und schlug sich eine Hand vor den Mund: „Oh Gott, das tut mir so wahnsinnig leid! Ich … ich wollte das nicht!“ Und ohne einen ersichtlichen Grund brach sie in Tränen aus. Einen Moment zögerte ich, doch dann nahm ich sie in den Arm. Es war doch egal, was das zu bedeuten hatte. Wer würde sie schon weinen lassen? Wer könnte sie weinen lassen? „Ich wollte das nie tun“, schluchzte sie, „Ich hab doch so lange versucht das wegzukriegen. Aber es hat einfach nicht geklappt. Und … und ich konnte einfach nicht anders.“ Sie heulte Rotz und Wasser, während sie sich immer fester in mein Oberteil klammerte. Wahrscheinlich war sie davon überzeugt, dass ich verstand, was sie mit ihrem Gestammel sagen wollte, aber irgendwie war dem nicht so. Irgendwann hatte sie sich beruhigt und sah mich mit verschmierter Wimperntusche und von Tränen feuchten Augen an. „Kannst du mir das verzeihen?“, fragte sie und schluchzte noch einmal. Und aus irgendeinem Grund wusste ich, dass es nicht schlimm war, was sie getan hatte. Vielleicht hatte es gar nicht besser kommen können. The End. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)