Kai - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von -Viala- ================================================================================ Prolog: -------- ~Flashback~ Russland! So kalt und ohne Hoffnung. Hier bin ich geboren und werde wohl auch sterben. Ich fühle mich jetzt schon tot. Immer das gleiche… so kalt. Wieso kann nicht alles wieder so werden wie früher? Ich will hier raus! Warum hilft mir denn Keiner? Der neun Jahre alte Kai erlebte mal wieder einen dieser depressiven Tage, die ihn zum Verzweifeln brachten. Doch er zeigte keine Emotionen, er war darauf trainiert worden sich nichts anmerken zu lassen. Die unzähligen Schläge von Boris und seinem Großvater hatten ihm gezeigt, wie man ihn verabscheute und vor allen Dingen, was er NICHT wert war. Ihm wurde schon tausende Male eingebläut, dass man ihn nur zum Kämpfen brauchte, dass er nur eine Waffe war... und als eine solche fühlte er sich auch. ~Flashbackende~ Kapitel 1: Vor Gericht ---------------------- Nun saß er hier, fühlte sich nicht zum ersten Mal in seinem Leben hilflos und verlassen. Und doch war es anders. Er sprach diese dumme Sprache nicht und verstand dadurch kein einziges Wort. Zudem wurde er von allen Seiten gemustert und er spürte förmlich wie man über ihn sprach. Sein Großvater war ebenfalls anwesend und unterhielt sich auf Japanisch mit dem japanischen Richter. Er hatte Voltaire seit einer Woche nicht mehr zu Gesicht bekommen. Kai wusste nicht was los war, denn niemand hatte ihm auch nur das Geringste gesagt. Er hatte so einige Theorien aufgestellt, worum es gehen könnte. Doch Kai war sich darüber im Klaren, dass sein Großvater ein einflussreicher und stolzer Mann war, der sich nicht so schnell unterkriegen ließ. Lag Kai in seiner Vermutung richtig, wusste er dass es keine Beweise dafür geben würde, dass Voltaire Kai und all die Jungen misshandelte. Doch die Frage war, wie sollen die Behörden auch nur davon Wind bekommen haben? Und was würde aus ihm werden? Er bemerkte, dass ihn ein junger Mann schon die ganze Zeit von der Seite musterte. Er unterhielt sich ebenfalls fortwährend mit dem Richter und stritt sich mit seinem Großvater. Es war zum Verzweifeln. Was ging hier vor? Dieses ungewohnte Gefühl, dass er durch seine eiserne Maske vorzüglich versteckte, verstärkte sich nur noch, als der Richter ihn in Japanisch ansprach und ein Mann, der sich als Dolmetscher zu erkennen gab, es auf einem halbwegs guten Russisch übersetzte. „Beschreibe mal bitte deine Beziehung zu deinem Großvater.“ Im Saal wurde es still und alle warteten auf eine Antwort des bisher stillen Jungen. Kai zögerte, sollte er die Wahrheit sagen? Sein Blick wanderte kurz zu Voltaire. Dieser saß dort, stolz wie eh und je. Kai schaute wieder zum Richter, sein Entschluss stand fest. Wenn er endlich etwas an seiner Situation ändern wollte, dann musste er jetzt handeln. Mit seinem eiskalten Blick schaute der elfjährige Junge den Richter an und antwortete mit einer hellen, jedoch eiskalten Stimme im perfekten Russisch: „Ich habe zu tun was er mir befiehlt.“ Voltaire war auf diese Offenheit seines Enkels wohl nicht vorbereitet. Sofort wollte er protestieren, doch man unterbrach ihn. Kai konnte zwar kein Japanisch, aber trotzdem wusste er die Gesten und die Mimik gut zu interpretieren. Weitere Fragen folgten, wie Voltaire ihn behandelt hatte oder unter welchen Umständen Kai bei ihm gelebt hatte. Kai antwortete nur karg, traute sich nicht sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Wenn alles schief laufen würde und er mit Voltaire zurückkehren müsste, dann befürchtete er das Schlimmste. Dennoch war deutlich aus Kais Bemerkungen heraus zu filtern, dass er nicht gerade gut behandelt wurde und erst recht nicht in guten Lebensverhältnissen lebte. Nach gefühlten tausenden von Fragen bedankte der Richter sich bei Kai und dieser sollte den Saal verlassen. Der junge Russe ging langsam, mit einer stolzen Haltung, raus und setzte sich draußen hin und spannte aus. Er ließ die letzten Tage noch einmal Revue passieren. ~Flashback~ Kai war wieder mal bei seinem harten Training, als einer von Voltaires Männern kam und ihn zum „Boss“ brachte. Kais Großvater schaute diesen mit Abschaum in den Augen an und befahl ihm sofort seine Sachen zu packen und entließ Kai ohne weitere Worte wieder. Kai machte sich in Gedanken über Voltaire lustig. Welche Sachen sollte er denn packen? Bis auf Dranzer und ein paar Anziehsachen hatte er ja nichts. Dann ging es los. Kai wurde zusammen mit seinem Großvater zum Flughafen gebracht und gleich ging es im Privatjet nach Japan, soviel wusste Kai. Der Junge kam im hintersten Winkel des Flugzeuges auf einem kleinen Klappstuhl unter, der ohne Handlehne an der Wand befestigt wurde. Zu seiner Zufriedenstellung wurde er für den Rest des Fluges nicht mehr beachtet. Das bescherte ihm wenigstens noch ein bisschen Ruhe. In Tokyo wurde Kai von irgendwelchen Leuten in Empfang genommen und von seinem Verwandten getrennt. Erst eine Woche danach sah er ihn im Saal wieder. In der Zwischenzeit saß er die meiste Zeit in einem Hotelzimmer oder im Hotel eigenen Park. Auch wenn er unter ständiger Beobachtung irgendwelcher Leute in schwarzen Anzügen stand, tat diese kleine Freizeit ihm sehr gut, besser als er zugegeben hätte. ~Flashbackende~ Die schweren Holztüren zum Gerichtssaal gingen wieder auf und er wurde erneut hereingebeten. Alle Augen waren auf Kai gerichtet, der sich seine Nervosität nicht anmerken ließ. Nachdem der junge Russe sich gesetzt hatte wurde das Urteil verlesen und für Kai direkt übersetzt. „Und somit wird beschlossen, dass das Sorgerecht von Kai Alexander Hiwatari an Leo Hiwatari übergeht.“ Kai war nun die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. Er hörte nur wie Voltaire fluchte, auf Russisch und dem Richter drohte. Der junge Mann von vorhin schaute Kai mitleidig an, doch man merkte, dass er sich innerlich freute. Er kam auf Kai zu und schaute ihn aus seinen rotbraunen Augen an. Er sagte was zum Dolmetscher, der neben Kai stand und dieser richtete seine Worte an den Jungen. „Er sagt, dass er sich freut dich kennen zu lernen, nach so langer Zeit. Sein Name ist Leo Hiwatari. Er ist dein Bruder!“ Kapitel 2: Neue Schule ---------------------- Kai schaute Leo an. Leo schaute Kai an. Letzterer konnte es nicht fassen. Wieso musste er in Russland, in dieser Hölle aufwachsen, wenn es jemanden gab, der ebenfalls mit ihm verwandt war? Er schaute zu ihm hoch, da er um einige viele Zentimeter größer war: Seine schwarzen Haare hingen ihm in Strähnen ins Gesicht und verdeckten zur Hälfte seine rot-braunen Augen. Kai blieb emotionslos und schaute nach einiger Zeit in den Raum. Sein Großvater hatte schon seinen Platz und wie es schien gleich den ganzen Saal verlassen und auch die restlichen Leute gingen nach und nach. Der Dolmetscher verabschiedete sich und nun versuchte Leo ihm irgendetwas zu sagen, doch er verstand nur Bahnhof. „Komm, wir gehen jetzt erst mal zu mir!“ Leo machte eine schnelle Handbewegung, die soviel heißen sollte wie „komm mit“, und Kai verstand. Sie fuhren mit einem Taxi zum Hotel – um Kais Sachen zu holen - und anschließend vor ein großes Haus. Kai war die ganze Zeit über still geblieben und hatte nur auf die Erde geschaut, während Leo vor Aufregung fast platzte. . Der junge Kai schaute sich vorsichtig um. Das Haus glich einer Villa und war riesig. Im Erdgeschoss war noch ein Laden eingebaut. Im Nachhinein stellte sich dieser als den Beyblade Shop von Leo heraus. Leo schaffte es irgendwie Kai sein neues Zimmer zu zeigen und Kai sollte sich erst einmal ausruhen. Damit begann das Leben zu dritt im Hause der Hiwataris. Ja, zu dritt, denn Kai hatte noch eine ältere Schwester. Sie war damals, als er ankam, 14. Ein paar Jahre später „KAI! Kai! Wenn ich wegen dir zu spät komme, dann ist aber was los!“ schrie Kiara durch das ganze Haus. Wieso hatte seine Schwester nur so einen Hass auf ihn? Kai konnte es sich einfach nicht erklären. „Komme ja schon, reg dich ab!“ gab der mittlerweile 16-jährige Junge in einem halbwegs gutem Japanisch von sich. Die letzten fünf Jahre hatte er regelmäßig eine Internationale Schule außerhalb der Stadt besucht und dort Japanisch gelernt. Heute war sein erster Schultag in einer normalen Schule. Diese lag viel näher und Leo, der mittlerweile schon 27 war, musste ihn nicht jeden Morgen mit dem Auto fahren. Nur heute sollte Kai gebracht werden, da sein älterer Bruder sowieso Kiara, seine Schwester, zum Bahnhof bringen musste. Dort holten sie eine Freundin von Kiara ab, die für 2 Wochen aufgrund eines kurzzeitigen Praktikums bei ihnen wohnen würde. So war es zumindest geplant. Kiara selbst hatte gerade noch Semesterferien und war demnach sehr froh, ein wenig weibliche Unterstützung im Hause zu wissen. Doch jetzt befürchtete sie, aufgrund von Kai zu spät zu kommen. Kai schritt langsam die Treppe hinunter. Seine Augen waren kühl zur Erde gerichtet und er ging mit Absicht in einem Schneckentempo. Kiara wusste, dass er innerhalb von einer Sekunde unten sein konnte. „Jetzt beeil dich!“ „Wieso sollte ich? Ich muss ja wohl nicht so früh schon am Bahnhof sein, oder?“ „Du Arschloch!!“ Kiara wollte Kai an die Gurgel springen, doch dieser hielt beider Arme von ihr mit seiner Hand fest und lächelte sie nur höhnisch an. Kai hatte in den letzten paar Jahren nicht nur enorm an Muskeln zugenommen, was ihn um einiges stärker machte als seine Schwester, sondern war nun auch um einiges größer als sie. „HÖRT AUF ZU STREITEN UND KOMMT!“ schrie Leo geladen vor Wut. Daraufhin kamen beide im Eillauf angedackelt. 10 Minuten später stand Kai vor seiner neuen Schule. Klein aber fein könnte man sagen. Leo und Co. waren schon längst zum Bahnhof gefahren und er durfte sich allein auf die Suche nach dem Sekretariat machen. Aber stören tat es ihn nicht. Wieso auch? Wäre ja schließlich schlimmer, wenn er hier mit Kleinfamilie-Hiwatari ankommen würde. Grässlich!!! Also lief er fest entschlossen den Schildern nach. Er fand das stinkende Räumchen, wo eine etwas ältere Frau drinnen saß, die ihn erst einmal musterte und nach einer etwas längeren Diskussion, die zu lang wäre um sie hier aufzulisten, zum Klassenraum brachte. Dort war die Hölle los, als er ankam. Überall wurde mit Sachen rumgeschmissen. Kai schlich in den hintersten Winkel und setzte sich auf einen freien Platz. Erst jetzt wurden ein paar Leute auf ihn aufmerksam, während er selbst den Tisch musterte. Bereits in seiner alten Schule hatte er keine Freundschaften geschlossen. Kai war sich sicher, dass sich das hier nicht groß ändern würde. Er konnte mit anderen Jugendlichen seines Alters einfach nichts anfangen. Ein paar Mädchen versammelten sich um seinen Tisch und kicherten. Ein blondhaariges Mädchen raffte sich endlich auf und stellte sich als Erste vor. „Hi! Ich bin Fiby! Und das sind meine Freundinnen. Bist du neu hier in der Klasse? Wenn ja, dann herzlich willkommen! Wie heißt du?“ „Kai!“ seine Stimme war kalt und abweisend. Er schaute sie herablassend an und da er keine Anstalten machte weitere Fragen zu beantworten gingen die Mädchen beleidigt weg. Er hörte eine noch flüstern „… dabei sieht der so gut aus. Hat aber einen miesen Charakter“. Darüber musste er ein wenig fies grinsen. Nach zehn Minuten kam der Lehrer. Er schaute sich im Raum um und als er Kai entdeckte, bat er ihn sich vorzustellen. Nun hatte auch der dümmste im Raum bemerkt, dass es einen Neuen gab. „Mein Name ist Kai Alexander Hiwatari und ich bin 16 Jahre alt!“ Kai wollte sich schon wieder setzen, da kam der aufdringliche Lehrer auf die Idee ihm noch ein paar Fragen zu stellen. „Du hast einen leichten Akzent! Was ist das für einer? Russisch?“ „Ja!“ „Bist du gebürtiger Russe oder hast du einfach mal in Russland gewohnt, oder hast du einfach russische Eltern?“ „Ja, ich habe in Russland gewohnt, ja, meine Eltern waren Russen! Sonst noch was? Ich würde mich gerne wieder setzen!“ Kai ging diese Fragerei zu weit. Er wartete die Antwort gar nicht ab und setzte sich grummelnd hin. Da begann der Unterricht und Kai konzentrierte sich auf Mathe! In der Pause setzte sich Kai unter einen Baum und las ein Magazin über Beyblades, das er sich aus dem Laden seines großen Bruders genommen hatte. Er war so darin vertieft, dass er nicht merkte, wie sich ein Junge näherte. Dieser war ein Berg von einem Jungendlichen und schaute interessiert auf das Magazin, das in Kais Händen lag. „He, du, kann ich mal sehen?“ fragte er schon fast in einem befehlenden Tonfall. Kai ließ sich das nicht gefallen und sagte, wie er es gewohnt war, „Nein!“ „Du weißt wohl nicht, mit wem du es hier zu tun hast! Gib mir jetzt das Teil!“ der große Junge zog Kai am Kragen hoch. Er war um eineinhalb Köpfe größer und um einiges fülliger als der Russe. Daneben sah Kai regelrecht schwach aus. „Das ist meins und wenn du eins haben willst, dann kauf es dir!“ Kai war wütend, was fiel diesem Typen ein. Mittlerweile hatte sich eine Traube an neugierigen Schülern um die beiden versammelt. Kai konnte auch Leute aus seiner neuen Klasse entdecken. So schnell wie die Faust auf sein Gesicht zuraste war Kai gar nicht dazu in der Lage zu reagieren. Schon hatte er eine verpasst bekommen und flog zwei Meter weiter, bis er unsanft zu Boden ging. Ein paar Aufschreie von den Schaulustigen waren zu vernehmen. Doch jetzt war Kai wütend. Er stand auf und klopfte sich den Dreck von seinen Anziehsachen. Mit Ärgernis musste er ein Loch in der Hose bemerken. „Na Kleiner! Willst du jetzt zu deiner Mama rennen?“ diese Aussage machte Kai noch wütender! „Du suchst wohl Streit! Den kannst du haben!“ Kai ging auf den Streitlustigen zu und boxte ihm einmal gekonnt ihn den Bauch, dann nahm er den Arm und drehte diesen mit einem gekonnten Handgriff auf den Rücken. Es machte einmal „knack“ und das Schultergelenk war gebrochen. Kai selbst war kurze Zeit darüber geschockt, denn eine solche Verletzung wollte er dem Größeren trotz seiner schwer zu bändigen Wut eigentlich nicht zufügen. Doch den Schock ließ er sich nicht anmerken, denn er hatte seine Gedanken und Gefühle schon immer gut unter Kontrolle gehabt. Nur die Wutausbrüche ließen sich oftmals nicht verhindern. „Da hast du deinen Streit!“ wutentbrannt lies Kai den Jungen los und bahnte sich einen Durchgang durch die Menge um sich woanders nieder zu lassen. Als er saß faste er sich vorsichtig mit der Hand an die Wange, wo der Junge ihn geschlagen hatte. Sie war schon dickrot angelaufen und Kai wusste, dass das noch ein schönes Feilchen geben würde. 15 Minuten später klingelte es, ohne das jemand Kai noch mal gestört hätte. Er machte sich auf den Weg zum Klassenraum. Bevor er diesen jedoch erreichen konnte, wurde er von einer Lehrerin aufgehalten. „Junger Mann, kommen sie mal bitte her!“ Kai ging zu der Frau hin. Sie drängte ihn in einen Raum, in dem nichts stand außer alten Stühlen und einer schiefen Tafel. Nun gab es eine Standpauke, die sich gewaschen hatte. Die Frau machte Kai Vorwürfe, was ihm den Einfalle einem Jungen den Arm mitten auf dem Schulhof zu brechen. Sie sei schockiert über eine solche offensichtliche Brutalität. Kai konnte so oft er wollte sagen, dass der Größere mit der Gewalt sogar angefangen hatte, die Lehrerin wurde nur noch lauter mit ihrem Geschimpfe. Alles lief daraufhin, dass Kai zum Direktor geschickt wurde und dieser Leo benachrichtigte. Kais großer Bruder holte diesen wütend von der Schule ab. Da der andere Junge für seine Aggressivität und Schikanieren der Mitschüler bekannt war, bekam Kai lediglich eine dicke Verwarnung und er hatte für den Rest des Tages nicht mehr zur Schule zu kommen. Auch Leo konnte Kai so oft er wollte schildern was passiert war, der Ältere blieb wütend. „DU GEHST JETZT SOFORT AUF DEIN ZIMMER UND LÄSST DICH DEN REST DES TAGES NICHT MEHR BLICKEN! DENK GAR NICHT DARÜBER NACH MIR HEUTE NOCHMAL UNTER DIE AUGEN ZU KOMMEN!! HABE ICH ES HIER EIGENTLICH NUR MIT IDIOTEN ZU TUN?“, keifte er Kai an. Dessen Wunden hatte er noch nicht mal bemerkt. Also humpelte Kai nach oben in sein Zimmer, nicht ohne vorher einen Verbandskasten aus dem Badezimmer geholt zu haben. Leise verband sich Kai sein stark blutendes Knie. Er verzog keine Miene dabei, obwohl es total wehtat. Danach ging er zu seinem Computer und ging ins Internet. Wenn er mies drauf war ging er in einen internationalen Chatroom und unterhielt sich dort mit allerlei Leuten. Dort konnte er mal ganz anders sein. Hier konnte er aus seiner Realität entfliehen. Bis zum späten Abend surfte er ohne Unterbrechung. Leo schien wirklich sauer zu sein, sonst wäre er schon längst in Kais Zimmer gekommen und hätte mit ihm geredet. Es war nicht das erste Mal, dass es zu Reibungen zwischen den beiden Brüdern kam, schließlich war Kai seit seinem Einzug nicht gerade ein einfacher Mitbewohner gewesen. Dennoch zeigte Leo in der Regel Verständnis und so folgte einer Standpauke im Normalfall eine etwas ruhigere Moralpredigt, in der Leo versuchte die Wogen zu glätten. Diesmal nicht. Da Kai müde war und seine Wange immer noch schmerzte, legte er sich in sein Bett zum schlafen. Keine Minute später war er eingenickt. - Zur gleichen Zeit in der Küche - Leo hatte Kiara und ihrer Freundinn Nina erzählt, was in der Schule vorgefallen war. „Der ist echt bekloppt. Anstatt sich Freunde zu machen, stiftet er nur Ärger an. Das hat er auch schon auf der alten Schule gemacht, aber jemanden den Arm brechen, nur weil dieser mal das Heft sehen wollte, echt! Der hat eine Schraube locker. Kaum zu glauben dass er mein Bruder ist!“ Kiara konnte es immer noch nicht glauben. „Kai war, ist und bleibt mir ein Rätsel.“ Schlussfolgerte Leo, „aber vergiss nicht, er ist immer noch dein Bruder! Du musst ihn nicht immer wie den letzten Abschaum behandeln. „Tu ich das?“ „Ja! Meinst du nicht, er hat in der Abtei damals nicht schon genug gelitten?“ „Jetzt fang nicht schon wieder damit an! Das sind doch alte Kamellen!“ Kiara hatte es satt, dass Leo Kai stets in Schutz nahm. Egal was der Jüngere anstellte, Leo schob dies immer auf Kais Kindheit in Russland. Kiara konnte diese Entschuldigung aus Leos Mund einfach nicht mehr hören. Kai war schließlich schon lang genug in Japan. Kiara war der Meinung, dass er sich so langsam an dieses Leben gewöhnt haben und sich demzufolge den sozialen Konventionen wenigstens ein bisschen beugen sollte. Aber das tat er nicht. „Mmh, wäre ich mir nicht so sicher! Aber egal, ich bring ihm mal etwas zu Essen hoch, sonst verhungert er noch. Er muss morgen wieder zur Schule! Eine Chance hat er noch bekommen.“ Leo seufzte und ging mit einem Tablett nach oben. Was er da sah, wunderte ihn. Kai schlief! Dabei war er sonst immer so nachtaktiv und meistens länger wach als er selbst. Er dachte sich nichts weiter dabei, stellte das Tablett auf den Schreibtisch und mit einem letzten Blick auf seinen kleinen Bruder – der im Schlaf so friedlich aussehen konnte - verließ er den Raum! ----------- to be continued soon ;) Kapitel 3: Rückblick -------------------- Der nächste Morgen kam und Kai wachte mit übelst starken Kopfschmerzen auf. Er schaute in den großen Wandspiegel in seinem Zimmer und musste feststellen, dass sein Auge dick und blau angeschwollen war. Dieses tat tierisch weh. Er humpelte ins Bad um sich umzuziehen. Auf dem Verband am Knie war ein roter Fleck sichtbar geworden. Alles in allem sah Kai ganz schön mitgenommen. Er zog sich schnell an. Für Anziehsachen und Mode hatte er nicht viel übrig, was ihm die Schuluniform um einiges sympathischer machte. Nachdem er in einer schlichten schwarzen Hose und einem weißen Hemd gekleidet war ging - humpeln würde es eher treffen – Kai zurück ins Zimmer. Dort wechselte er seinen Verband. Die Wunde war leicht am eitern und selbst Kai fand den Anblick nicht gerade fein. Wahrscheinlich war ein bisschen Schmutz in die Wunde gekommen, als er nach dem Schlaf auf die Erde fiel. Während er so am machen war, steckte Leo seinen Kopf durch den Türspalt. Ein kurzer Blick zum Schreibtisch sagte ihm, dass Kai die Nacht wohl durchgeschlafen hatte, denn das Essen vom Vorabend war noch unberührt. Als Leo Kai dann auf dem Bett so herumhantieren sah, ging er sofort zu diesem hin. „Was hast du denn angestellt? Du siehst ja schrecklich aus!“ „Habe ich dir das nicht gestern mehrmals erklärt? Der Idiot hat angefangen!“ kam es frustriert und genervt von Kai. Noch genervter wurde er, als er feststellte, dass er sich gerade nörgelnd bei seinem Bruder beschwerte. Das ging eigentlich gegen seine Prinzipien. Leo hingegen musste einsehen, dass Kai anscheinend doch nicht, wie angenommen, gelogen hatte. Er half ihm sofort beim Verbinden des Knies. Er war noch nicht ganz fertig, da kam auch Kiara herein. Kai schenkte ihr sogleich einen bösen Blick, denn er konnte es nicht ausstehen, wenn seine Schwester ohne anklopfen sein Zimmer betrat. „Was ist denn hier los?“ „Kai hatte wohl doch nicht gelogen, was den Vorfall anbelangt. Schau ihn dir an!“ „Bin ich jetzt hier ein Ausstellungsstück?“, fragte Kai entrüstet, als auch noch Kiaras Freundin Nina verschlafen den Raum betrat und sich die Wunde anschaute. Kai mochte diese Blicke nicht. Er wollte einfach nur seine Ruhe. „Geschieht dir recht! Endlich hast nicht immer nur du ausgeteilt.“ Bevor Kai kontern konnte, verließ seine Schwester auch schon den Raum. Auch wenn er aufgrund dieser barschen Zurechtweisung leicht stutze, überraschte ihn die Schadenfreude seiner Schwester doch nicht. Ihr Verhältnis zueinander war nun einmal sehr kompliziert. Leo indes schwieg. Er wusste, es machte keinen Sinn sich dort groß einzumischen. Fünf Jahre lang hatte er gehofft, dass Kiara und Kai sich irgendwann näher kommen würden, aber in diesem Fall blockten beide vehement ab. Keine halbe Stunde später war Kai auch schon auf dem Weg zur Schule. Er hatte überhaupt keine Lust, allein schon wegen seines Feilchens. Aber zu Hause bleiben, wie Leo es ihm angeboten hatte, wollte er erst recht nicht! Er wollte verhindern, dass er bereits nach dem ersten Tag als Schwächling oder Feigling abgestempelt wird, weil er nach einem solchen Vorfall zuhause bleibt. Mitten auf dem Weg zur Schule holte er trotz der Knieverletzung eines der Mädchen ein, die ihn am Tag zuvor noch in der Schule so schräg von der Seite angequatscht hatten. Prompt geschah das Selbige noch mal. „Oh, du hast aber ein Feilchen! Ist das gestern bei deiner Rangelei passiert? Tut das nicht total weh? Die ganze Schule hat von nichts anderem mehr gesprochen…“ „Ja, Ja und nein!“ „Hä? Was war das denn jetzt?“ „Das waren die Antworten auf deine Fragen!“ „Oh, na dann! ........ Bist du eigentlich immer so mies drauf?“ Kai gab keine Antwort und so beließ das Mädchen es dabei. Sie ging schweigend neben ihm her. Er sah super gut aus. Seine grau-blauen Haare fielen Kai leicht ins Gesicht und er hatte wunderschöne große rötliche Augen. Auch sein Körperbau war stattlich. Er war nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Durch das Hemd hindurch waren deutlich die Konturen von wohlgeformten Muskeln zu sehen. Aber Kais Gesicht war ausdruckslos, wenn überhaupt ein wenig grimmig. Er schaute stur geradeaus und seine mürrischen Antworten hatten das Mädchen verschreckt. So herrschte, bis die beiden im Klassenraum ankamen, ein totenähnliches Schweigen. Dort wurde Kai erst einmal wieder gemustert. Diesmal hatte er für lange Zeit die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden Schüler. Kai ließ sich genervt auf seinen Platz fallen und versuchte die Blicke zu ignorieren. Und als ob er Sachen beschwören könnte, kam wieder einer dieser Beamten, die den Kindern versuchen etwas auf öde Weise einzutrichtern, und begann mit dem Geschichtsunterricht. Kai hörte zwar aufmerksam zu und machte sich auch Notizen, aber aktiv am Unterricht nahm er nicht teil. Die Lehrer interpretierten dies als Desinteresse an ihrem Unterrichtstoff und in Kombination mit dem Vorfall vom Vortag legte Kai nicht gerade einen guten Start an dieser neuen Schule hin. Doch das war ihm egal. Die nächste Pause kam und Kai verkrümelte sich wieder in eine Ecke auf dem Pausenhof um zu lesen. Immer noch das gleiche Magazin, da er es am Vortag ja nicht fertig gelesen konnte. Es war gerade Spätsommer, so war es draußen recht angenehm. Diesmal hatte Kai sogar etwas zu trinken dabei. Leo hatte ihm am Morgen noch schnell eine Flasche Wasser eingepackt. Kai wunderte sich immer wieder darüber, wie fürsorglich sein Bruder war. Die Pause versprach ruhig für Kai zu enden, denn als es klingelte, konnte er ohne irgendwelche Vorfälle in die Klasse gehen. Dort herrschte mal wieder ein riesen Trubel, nur anders als die letzten Male. Fast die ganze Klasse hatte sich um einen Jungen versammelt, den Kai zuvor noch nicht gesehen hatte. Besagter Junge hatte langes, pechschwarzes Haar, das er zu einem Zopf gebunden hatte. Gekleidet war er irgendwie.....ausländisch. Ja, er schien aus China zu kommen. Kai fragte sich, wieso der Chinese keine Schuluniform trug, wie alle Schüler. „Ray, endlich wieder da!“ „Na, warst du erfolgreich?“ „Bleibst du diesmal länger?“, das war alles was Kai von seinem Platz aus verstehen konnte. Da er nicht Lust hatte, sich über weitere Nichtigkeiten den Kopf zu zerbrechen, z.B. wer der Typ wohl war und was er hier machte, holte er schon mal die Bücher für die nächste Stunde heraus und lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Wand hinter sich. Plötzlich hörte er eine Stimme neben sich. Die Ansprache schien ihm zu gelten. „Hi! Du bist wohl der Neue, der angeblich Tsubasa den Arm gebrochen hat!? Mach dir keine Vorwürfe, dem geschieht es recht. Der terrorisiert immer Neue und Schwächere.“ Kai öffnete langsam die Augen und schaute sich mit ausdrucksloser Miene um. Es war Ray, so hieß anscheinend der Junge, der ihn da angesprochen hatte. Ausgerechnet wurde der Platz neben ihn durch den Chinesen beansprucht. Das konnte ja noch heiter werden. Kai hatte sich schon über diesen einsamen Sitzplatz gefreut. „Ja, ich bin neu in der Klasse, das ist doch wohl offensichtlich! Außerdem mache ich mir keine Vorwürfe. Wer mich nervt, der muss auch mit den Konsequenzen rechnen.“ „Du hast aber auch etwas abbekommen!“ „Ja und?“ knurrte Kai. Damit war das Gespräch auf unhöfliche Art und Weise für beendet empfunden. - 5 gequälte Stunden später - Schon nach dem zweiten Tag hatte Kai die Schule satt. Überall in der Entwicklung zurück gebliebene Kiddis und nervende Lehrer. Womit hatte er das verdient??? Langsam wurde der Weg nach Hause angetreten, wobei Kai die ganze Zeit nur auf die Erde schaute und vor sich hin grummelte, so wie er es gerne mal tat. Er dachte an seiner alte Schule, wo er mühselig japanisch gelernt hatte um dazu in der Lage zu sein, auf eine staatliche Schule in der Stadt gehen zu können. Leo hatte viel Mühe investiert um Kai zu integrieren. Am Anfang hatte er versucht Kai an Altersgenossen heranzuführen und gehofft, dass sich so Freundschaften bilden. Doch entweder hatte Kais abweisendes Wesen andere Kinder nach kurzer Zeit verschreckt oder Kai sich bereits von Anfang an kategorisch gegen Leos Versuche verweigert. So fiel es Kai nicht schwer, als er dann endlich die Schule wechselte. Er selber fühlte sich nun freier, weil er nicht mehr Abhängig davon war gebracht und abgeholt zu werden. Außerdem wusste er, dass seine alte Schule sehr kostspielig war und es somit auch finanziell eine Entlastung für seinen Bruder bedeutete. Auf halbem Wege kam ihm Leo, überaus freudig, entgegengelaufen und musste Kai erst mal sehr fest drücken. „He, was soll das Leo, lass mich los!!!“ Kai hasste nichts mehr als körperliche Nähe. Das wusste Leo auch, doch er war so überschwänglich erfreut, dass er dies in seinem Eifer übergangen war. „Sorry Kai! Ich bin ja so froh! Die Stadtverwaltung hat endlich eingewilligt, dass ich an die Villa noch ein Anbau machen darf.“ „Und warum? Ist das Haus nicht groß genug?“ fragte Kai verdutzt, während er weiter Richtung Haus ging, wusste er doch, dass noch viele Zimmer unbenutzt waren. Hatte Kai irgendwas nicht mitbekommen, oder Leo einfach etwas verschwiegen? „Ich baue einen Beyblade-Treff! Dort können sich begeisterte Beyblader treffen und zusammen, bzw. gegeneinander bladen! Du hörst mir aber auch nie zu!“ „Nee, wozu auch?!“ gab Kai ironisch von sich. Sein Blick war stur geradeaus gerichtet, während er weiter nach Hause ging. Leo hatte sogar Mühe mit Kai mitzuhalten. „Warum bist du immer nur so schlecht drauf? Ich versteh dich nicht!“ Leo fand Kais Verhalten zum Haare raufen. „Brauchst du auch nicht! Ich habe dich nie darum gebeten mich verstehen zu versuchen“ schnauzte Kai seinen Bruder genervt an. „KAI! Hör auf immer den sturen, kühlen Jungen zu spielen, hörst du? Ich habe alles daran gesetzt dich da damals raus zu holen und dir ein gutes Leben zu bieten. Und wie dankst du es mir? Indem du dich auf stur stellst! Kein Wunder dass Kiara dich nicht mag, wenn du immer so abweisend und verletzend bist.“ rutschte es Leo raus. Kai schaute Leo stur in die Augen. Es war nicht oft, dass Leo Kai auf seine Vergangenheit ansprach. Kai hatte es zu einem ungesagten Tabu gemacht, mit ihm darüber zu sprechen. Sein großer Bruder vermochte nicht zu erraten was gerade in ihm los war. Leo rechnete schon regelrecht damit, dass Kai wie so oft ausrasten würde. Unkontrollierte und plötzliche Wutanfälle waren genauso häufig wie Kais tödliche Todesblicke. Doch genau das Gegenteil geschah. Kai ging einfach weiter in Richtung Villa ohne seinen Bruder weiter zu beachten. Leo musste nun schon fast laufen um mithalten zu können. Angekommen, rannte Kai in sein Zimmer und schloss sich ein. Er wollte nur noch allein sein. . Kais Gedanken rasten und sein Herz schlug wie wild, als er erst einmal einige Runden in seinem Zimmer drehte und versuchte sich abzureagieren. So dachte Kai noch viel länger nach ohne wirklich nach einer Antwort zu suchen. Schließlich blieb er erschöpft an seinem Schreibtisch sitzen, bis er unruhig, noch voll bekleidet, mit dem Kopf auf den Armen auf diesem einschlief. „Ich glaube ich habe übertrieben, als ich ihn so angeschrieen habe! Aber es hat mich so rasend gemacht, wie... ja, was hat er eigentlich gemacht? Er war eigentlich normal!“ Leo saß am Küchentisch und hatte die Arme über den Kopf zusammen geschlagen. „Reicht das nicht aus um einen zum Rasen zu bringen?“ Kiara konnte das schlechte Gewissen ihres Bruders einfach nicht nachvollziehen. „Nein! Ich bin immer noch der festen Überzeugung, dass Kai nichts dafür kann. Ich weiß nicht ob du dich noch daran erinnern kannst, aber Kai war früher mal ganz anders! Es war kurz bevor unsere Eltern von Voltaire umgebracht wurden. Voltaire bekam danach das Sorgerecht für Kai weil er für unschuldig gehalten wurde! Und ich, bzw. wir sahen ihn erst vor fünf Jahren wieder, während wir beide ins Kinderheim kamen.“ „Wie war Kai denn?“ Kiara stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch und hörte Leo gespannt zu. Sie wollte mehr von ihrer Vergangenheit erfahren. Sie hatte sie innerlich schon total verdrängt. ~Flashback~ Es war einer dieser warmen Sommertage. Leo, der damals noch 15 war, saß auf einer der Sonnenliegen im Garten und bräunte sich, während Kiara mit dem vier Jahre alten Kai auf der Wiese saß und spielte. Der Jüngste der drei Kinder lachte laut auf, als Kiara ihn kitzelte. „Hör auf Kiara! Tust... mir... weh!“ versuchte er unter seinem Lachen heraus zu quetschen. Er kam total nach ihrem Vater. Das schöne blaue Haar, die braunen, fast schon roten, Augen und sein Lachen. Während Kiara, mit ihrem pechschwarzem Haar und den strahlend blauen Augen total nach ihrer Mutter kam. „Seid mal leiser, ich versuche mich zu konzentrieren!“ motzte Leo gespielt ärgerlich. Das stachelte den Jungen Kai noch mehr an. Er schnappte sich die Gieskanne und schlich sich an seinen großen Bruder heran. Dieser bekam es nicht mit und kriegte eine riesige Ladung Wasser ab. Das gefiel Leo natürlich überhaupt nicht. Er schnappte sich Kai und warf ihn in den Teich der Villa. Dieser war nicht gerade tief und Leo sorgte dafür, dass Kai auch sofort wieder rausgefischt wurde. Trotzdem freute er sich kurz darüber, sich an Kai gerächt zu haben. Doch daraufhin fing Kai bitterlich an zu weinen und Lara Hiwatari kam raus in den Garten und fischte den nun nassen Kai aus Leos Armen heraus. „Echt, Leo, schau ihn dir an! Geht man so mit seinem Bruder um?“ Diese Standpauke wollte der Pubertierende nicht auf sich sitzen lassen. „Er hat angefangen! Schau! Ich bin total nass, von meinem Buch ganz zu schweigen!“ „Du musst Rücksicht auf ihn nehmen. Er ist doch noch so klein. Ich möchte nicht das ihm was passiert! Niemanden von euch dreien soll etwas geschehen“ fügte sie leise noch hinzu, so dass es Leo gerade noch so mitbekommen konnte, „aber bei Kai muss man aufpassen. Ich möchte ihn nicht verlieren.“ Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie schnell ins Haus um Kai abzutrocknen. Leo hatte erst viel später realisiert, was seine Mutter damit gemeint hatte. Aber dann war es auch schon fast zu spät. ~Flashbackende~ „... sie wusste damals schon, dass Voltaire ein Auge auf ihn geworfen hatte. Kai war als kleiner Junge ein totaler Spitzbub, der nur Mist angestellt hat. Jedoch war er auch total verletzlich und sensibel. Ich möchte nicht wissen, wie er es anfangs bei Voltaire erlebt hat. Er muss sich die Seele aus dem Leib geweint haben...“ ~Flashback~ „Nein! Ich will nicht! Lass mich!“ schrie ein kleiner Junge, nicht älter als vier Jahre. Über seine Wangen flossen wie in Sturzbächen die Tränen. Wie er sich unten in den Kellern der riesigen Abtei versuchte aus den festen Griffen der schwarzen Männer zu befreien, sah er richtig verloren und einsam aus. Seine hilflosen Schreie hörte man hoch bis in die Zimmer der anderen Kinder. Einer, der die Schreie des kleinen Jungen vernahm, hatte rote Haare und war gerade fünf geworden. Er selbst war genauso ausgerastet, als er hierher kam. „Er tut mir Leid! Er weiß anscheinend gar nicht was mit ihm passiert!“ „Seit wann machst du dir Sorgen um Andere, Tala?“ „Du hast recht Brian, komm wir sollten schlafen! Morgen steht wieder so ein blöder Tag vor der Tür!“ Also überhörten sie einfach die immer leiser werdenden Schreie und widmeten sich ihres wohl verdienten Schlafes. Dieser kleine Junge, dessen Name Kai war, schlief in dieser Nacht nicht! Er wusste gar nicht, wie ihm geschah. Er saß hier unten in einem Kerker, angekettet an schweren Eisenringe und ihm war eisig kalt. Allein! Warum hatten diese Männer ihm das angetan? Wo war er überhaupt? Wo waren seine Eltern? Seine Geschwister? Bei dem Gedanken an seine Familie fing er wieder an zu weinen. Er wusste nicht mehr, was geschehen war. Alles ging plötzlich so schnell und jetzt saß er hier unten. Es kam wie von selbst. Er musste seiner ganzen Verzweiflung Luft machen. Da half nur weinen. Insgesamt verbrachte er eine Woche dort unten. Nach diesen mühsamen sieben Tagen, wo er kaum etwas zu essen bekommen hatte, musste er an einem täglichen Training teilnehmen. Schlafen tat er in einem Raum, nicht größer als 10 m², wo er jede Nacht mit dem Ungeziefer Bekanntschaft machte. Weinen tat er nie wieder! ~Flashbackende~ „In der Abtei muss er auch das Japanische verlernt haben. Weißt du noch, als er zu uns kam, sprach er perfektes Russisch, aber kein Wort Japanisch. Es war ein Krampf sich mit ihm zu unterhalten.“ Leo erinnerte sich noch sehr lebhaft an die ersten Wochen nach der Rückkehr seines Bruders. „Habe ich mich damals mit Kai gut verstanden?“ Kiara war neugierig geworden. „Ihr wart ein Herz und eine Seele.“ „Kaum zu glauben, dass er jetzt so ist. Er spricht nur, wenn man ihn was fragt, oder wenn er damit jemanden eine reinwürgen kann. Er freut sich über nichts und hat keine Freunde.“ „Er hat sich um 180° gewendet!“ danach herrschte Stille. Keiner wollte mehr was sagen. Alle hingen ihren Gedanken nach. Plötzlich durchbrach Kiara das Schweigen mit einer Idee! „Es wird Zeit dass Kai neue Freunde kriegt! Er bladet doch, oder?“ „Da merkt man mal wieder wie schlecht du ihn kennst! Er bladet für sein Leben gern. Ist das einzige, was er bei Voltaire gelernt hat, worüber er froh ist.“ Leo konnte über Kiaras Unwissenheit über Kai nur den Kopf schütteln. „Na, wenn der Anbau fertig ist, dann müssen wir dafür sorgen, dass Kai Freunde kriegt!“ „Gute Idee, hoffen wir, dass es so leicht ist, wie es sich anhört.“ Aber Leo hegte nach den Anstrengungen und Rückschlägen der letzten Jahre kaum Hoffnung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)