Der Medic-nin von TilyaDraug ================================================================================ Kapitel 6: Am Krankenbett ------------------------- Das Zimmer, in welches Doku von Zetsu geführt worden war, war düster wie ein Kerker, und fast ebenso spartanisch eingerichtet. Die einzige Lichtquelle in diesem Raum stammte von einer müde flackernden Öllampe. Ein kleiner runder Beistelltisch kauerte in einer Zimmerecke zwischen zwei großen, altmodischen Ohrensesseln, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Zwei hohe Schränke standen an der Südwand, gleich zwei finsteren, unnachgiebigen Wachmännern, dicht beieinander. Und an der Ostwand ließen sich, mit einem deutlich größeren Abstand voneinander, zwei grob zusammengezimmerte Bettkästen erkennen. Das eine Bett war leer, und ordentlich gemacht. Vor dem anderen hockte eine hünenhafte Gestalt, die den beiden Besuchern den Rücken zugewandt hatte. Dokus Augen brauchten, obwohl sie der Nachtsicht mächtig waren, einige Sekunden, bis sie die andere Person ausmachen konnten; die Person, die IN diesem Bett lag. Der junge Mann, über den sich der riesenhafte Kerl, der ihnen den Rücken kehrte gebeugt hatte, war so blass, dass sich seine Haut kaum von der weißen Bettwäsche abhob. Das lange, feine Haar schien wie Fäden aus flüssigem Pech auf die Kissen zu fließen. Er war schön, insofern Doku das beurteilen konnte; nicht einfach nur gut aussehend oder bloß attraktiv, sondern er besaß tatsächlich jene Schönheit, die man eigentlich nur bei Frauen vorfinden konnte. Seine feinen, fast aristokratisch wirkenden Gesichtszüge wirkten auf eine beängstigend anziehende Weise feminin. Doch sie spiegelten gleichzeitig auch die kalte, schicksalshafte Aura des Todes wieder. Er hatte die Augen geschlossen, nur die bleichen, fein geschwungenen Lippen bewegten sich leicht, als er leise mit dem breitschultrigen Hünen sprach. Natürlich musste es sich bei seinem neuen Patienten um den schmächtigeren, liegenden der beiden handeln, da war sich Doku zumindest sicher, und sofort ergriff ein vertrautes Gefühl von ihm Besitz. Er wusste nicht, ob es einen Namen für diese Empfindung gab, die ihn zur Ruhe zwang, klares, analytisches Denken auch in Extremsituationen ermöglichte, und trotzdem den empathischen, zwingenden, und mitunter auch hysterisch verzweifelten Unterton des Verantwortungsgefühls trug. Doku zuckte zusammen, als er ein weiteres Mal Zetsus kräftige Hand spürte, die sich um sein Genick legte, und ihn vorwärts drängte. „Ich unterbreche euch zwei ja nur ungerne bei eurem Tete a Tete.“ schnarrte die dunkle Stimme Zetsus. „Aber ich störe nur, um euch endlich den Medic-nin aus Yuga vorzustellen. Team Zombie hat es tatsächlich geschafft, ihn lebendig ins Hauptquartier zu schaffen, und nun steht er Akatsuki frei zur Verfügung…“ Doku hörte den Hünen entnervt schnauben, dann drehte er sich unwillig zu den beiden Besuchern um. Sein Blick traf Doku direkt und unvermittelt, und der Junge kam nicht umhin, überrascht nach Luft zu schnappen. Das waren keine menschlichen Augen, die ihn da mit unverhohlener Angriffslust anstarrten. Das waren die Augen eines Tiefenjägers; Augen, die ihm schon oft begegnet waren, wenn er auf dem Meeresgrund nach Korallen und Muschelschalen getaucht hatte. Augen, die ihn hier wie damals mit einer unangenehmen Mischung aus aufdringlicher Neugier und überheblicher Abschätzigkeit taxierten, die klar machte: Du wirst meine Beute, wenn ich mich dazu herablasse, dich fressen zu wollen. So sicher, wie der Ozean tief ist… Doku hatte es unter Wasser nie auf eine Konfrontation mit den Knorpelfischen ankommen lassen, deren faszinierende Haut dieselbe blaugraue Färbung hatte, wie die des Mannes, der sich nun vor ihm zu seiner ganzen, stattlichen Größe erhob. Und, grundgütige Mutter Natur, auch er hatte Kiemenspalten unter seinen stechenden Raubfischaugen, die ihn nun langsam, von oben bis unten musterten! Er hob einen Arm, dessen Bizeps sicher einen größeren Umfang hatte, wie der Dokus beider Oberschenkel zusammen, und tippte dem Medicus gegen die bandagierte Hühnerbrust, worauf dieser hörbar japste. „DAS ist der Medic-nin?“ grollte es aus einem Mund, in dem zwei Reihen gefährlich scharfer Zähne blitzten. „Willst du mich auf den Arm nehmen, Zetsu? Das ist ein Kind!“ „Ich bin … neunzehn…“ erwiderte Doku, wobei er versuchte, seine Stimme möglichst tief zu stellen. „Er ist neunzehn…“ wiederholte die dunklere Stimme des Pflanzenmannes in säuselndem Tonfall, dann fügte die weiße Stimme hinzu: „Und er ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet, sagt man.“ Kisames starrende Blicke flogen einige Sekunden wild zwischen dem gelassen grinsenden Zetsu und dem angespannten, schmächtigen Doku hin und her, dann griff er nach dem leeren Wasserglas, welches auf Itachis Nachttisch stand, und holte aus. Einen furchtbaren Moment glaubte Doku, der aufgeladene Hüne wollte ihm das gläserne Gefäß auf dem gefiedertem Kopf zerdeppern, doch der Haifischmann begnügte sich damit, das Ding an die nächstgelegene Zimmerwand zu schleudern, an der es klirrend zerbrach. Kurz sah es so aus, als wollte er dann dennoch die restliche Wut an dem eingeschüchterten Hänfling auslassen, denn der Riese stapfte grimmigen Blickes einige Schritte auf Doku zu, doch anstatt dem kleineren eine zu zimmern, warf er den Kopf in den Nacken, um in ein tiefes, kehliges Lachen auszubrechen. Ratlos glotzte Doku auf die beeindruckenden Sägezahnreihen, die sich bei diesem schaurig wirkenden Unterfangen entblößten. „Ich glaub es nicht! Soll das ein Witz sein?“ lachte Kisame, doch es hörte sich nicht wirklich amüsiert an. „Uchiha Itachi liegt in seinen letzten Zügen, und was tut unser ‚Leader‘?“ Der Haifischmann gestikulierte energisch mit seinen Bratpfannen-großen Händen über Dokus eingezogenen Kopf herum, und der Junge spürte die mühsam gebändigte Aggression, die aus seinen Worten troff. „Er lässt einen blutjungen Bengel aus der hintersten Ecke Yugas herkommen! Nicht einen aus Ame, oder Kiri, oder auch aus Konoha. Nein, es musste ausgerechnet Yuga sein, dieser hinterwäldlerische Haufen geballter Unfähigkeit!“ „Du weißt, dass man eine Person nicht nach seinem Äußeren beurteilen sollte, Kisame.“ ließ sich plötzlich eine leise, aber eindringliche Männerstimme vernehmen, die die seines Partners sofort zum Schweigen brachte. „Aber ebenso wenig geben dir Alter und Herkunft einen Anlass für eine eindeutige Einschätzung.“ Doku klappte unwillkürlich die Kinnlade hinunter, als der blaue Unhold sich umdrehte, und den Blick auf Itachi wieder freigab, welcher inzwischen die Augen geöffnet hatte. Der Schmerz hatte die feinen Gesichtszüge nur noch verfeinert. Tiefschwarze Seelenspiegel ließen den jungen Mediziner nicht mehr aus ihrem Bann. „Der Leader wird sich etwas dabei gedacht haben, als seine Wahl auf diesen Burschen fiel. Stille Wasser sind tief, Kisame. Aber…“ Der Federhaarige schluckte, als die angenehm sonore Männerstimme einen Moment lang erschöpft verstummte, und schwere Augenlider sich über die rabenschwarzen Iriden senkten. „Aber dennoch wünsche ich, dass in Zukunft von jeden weiteren medizinischen Maßnahmen an mir abgesehen wird. Lasst ihn gehen.“ Kisame schnellte entrüstet vor. „Soll das jetzt heißen, dass du einfach aufgibst?“, bellte er empört. Itachi schenkte seinem Partner nur ein müdes Lächeln. „Es geht zu Ende mit mir, Kisame. Ich spüre die Umarmung des Todes stärker als je zuvor, und ich weiß, dass er mich dieses Mal nicht wieder loslassen wird. Es sieht aus, als hätte das Schicksal doch einen anderen Plan mit mir, als erwartet.“ „Ja, aber… Was wird dann mit deinem Bruder?“ Aus Kisames Stimme ließ sich ein Unterton heraushören, der neben hilfloser Wut auch blanke Verzweiflung wiederspiegelte. Itachis entspanntes Gesicht verfinsterte sich kaum merklich, doch er blieb seinem Partner die Antwort schuldig. Die großen Fäuste des Riesen ballten sich, und Doku starrte mit wachsendem Unbehagen auf die dicken Adern, die sich die muskulösen Oberarme entlang schlängelten. Mit vernichtendem Blick fixierte der Blauhäutige den jungen Mediziner, der sich immer unwohler in seiner Haut zu fühlen begann. „Ich kann deine Entscheidung verstehen.“ knurrte er, mehr zu sich selbst, als zu Itachi. „An deiner Stelle würde ich auch einen Tod in Ruhe und in Würde vorziehen, bevor ich als Versuchskaninchen eines kleinen Quacksalbers aus Yuga ende, der noch grün hinter den spitzen Ohren ist.“ In dieser Sekunde trat Konan in das Krankenzimmer, elegant ein Tablett in einer grazilen Hand balancierend, auf welchem ein Schüsselchen mit warmer Suppe dampfte. „Und?“ erkundigte sie sich mit einem skeptischen, aber erwartungsvollen Blick in die Runde. „Wie läuft es?“ „Es läuft geradezu fabelhaft…“ säuselte Zetsus schwarze Seite sarkastisch. „Herr Uchiha verweigert jegliche Untersuchung und Therapie, und Herr Hoshigaki unterstützt ihn dabei, indem er die Kompetenz unseres kleinen Doc´s in Frage stellt. Die kooperative Motivation in diesem Raume ist nicht mehr zu unterbieten. Soll ich dich mit Details verschonen, meine Liebe?“ „Ich bitte darum.“ seufzte die Angesprochene und stellte das Tablett auf Itachis freigewordenen Nachttisch ab. Sie durchbohrte den Liegenden dabei streng mit ihren goldfarbenen Augen. „Itachi, entschudige mich bitte, aber ich hoffe, dir ist bewusst, dass wir dir diesen Jungen nicht gebracht haben, um dir die Entscheidung zu überlassen, dich von ihm behandeln zu lassen oder nicht. Er WIRD dich behandeln, und zwar auf den BEFEHL des Leaders hin. Eine Option gibt es nicht. Akatsuki braucht dich, Itachi. Wir können uns nicht leisten, dich zu verlieren.“ Sie wandte sich von ihm ab, und trat nun dicht vor Kisame, der unwillkürlich einen Schritt vor der energischen Frau zurückwich. Oh ja, die nach außen hin so sanfte Konan konnte energisch sein. Vor allem, wenn sie die Interessen des Leaders vertrat. Ihre Stimme hatte sich nicht erhoben, aber die bestimmte Art, mit der sie die folgenden Worte aussprach, verliehen ihnen eine gewisse Schärfe. „Kisame, Itachi wird möglicherweise sterben, während dieser Knabe ihn behandelt. Aber er wird mit tödlicher Sicherheit sterben, wenn er es nicht tut. Gib ihm eine Chance, sein Können zu beweisen, was haben wir zu verlieren?“ Es war nicht zu übersehen, dass diese Frau in jenem Punkte keinen Widerspruch dulden würde. Kisame biss sich auf die Unterlippe, und bemerkte nicht einmal, dass sie blutete, als er auf Itachi hinabsah. Dieser erwiderte seinen Blick, jedoch ohne jede Wildheit. Sein abgeschlagener Gesichtsausdruck verriet halbherzige Abgeneigtheit, dann jedoch nickte er ergeben. Kein eigenwilliges, stolzes Aufbegehren. Sein Schweigen war wie eine stumme, kampflose Niederlage. Kisame schluckte mühsam seine Wut hinunter, und verließ mit zornigen, schnellen Schritten das Zimmer; nicht ohne Doku eine wüste Drohung entgegen zu knurren. Es klang so, wie:„Mal sehen, wie lange du hier überlebst, Federschädel. Wenn du einen Fehler machst, wird es dein letzter sein.“ Dann fiel die Tür krachend ins Schloss. Doku atmete tief durch. Dann trat er zu Itachi ans Bett, und kniete sich vor ihm nieder. Er senkte den Blick, als sich die onyxfarbenen, matt gewordenen Iriden unverwandt auf ihn richteten. Er wollte nicht in der eisig kalten Melancholie ertrinken. Er wollte nicht den Tod sehen, der sich in seinen Augen spiegelte, denn er war so nah, als würde er ihn tatsächlich bereits in seinen Armen halten; ungewillt ihn loszulassen. Der Tod ließ nicht gerne los, das wusste Doku. Aber er nahm gerne den mit, der sich in seiner Nähe aufhielt. Dennoch beugte sich Doku vor, lehnte sich dicht zu dem Todgeweihten hinab, bis sein Mund dicht vor dem Ohr des Kranken verharrte. „Danke.“ flüsterte der Federhaarige. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)