Der Fluch der Meerjungfrau von irish_shamrock (Die Gier und ihre verheerenden Folgen) ================================================================================ Kapitel 1: Von alten Legenden und begehrten Schätzen ---------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Eins ≈ Vᴏɴ ᴀʟᴛᴇɴ Lᴇɢᴇɴᴅᴇɴ ᴜɴᴅ ʙᴇɢᴇʜʀᴛᴇɴ Sᴄʜäᴛᴢᴇɴ ≈ Katzengleich schlich ich durch die dunklen Gassen der kleinen Stadt. Seit drei Tagen lagen wir hier nun schon vor Anker und wenn ich der Aussage Robins Glauben schenken konnte, dann lag der Schatz, den man hier vermutete, in meiner unmittelbaren Nähe. Für eine Diebin, wie ich es war, schien es ein Leichtes, Menschen zu manipulieren, sie auszufragen um mir so die gewünschten Informationen zu beschaffen. Da man auch an diesem Ort Piraten mied und uns verurteilte, war es an Lysopp, Robin und mir, sich mit der Erkundung der Insel zu begnügen. Ruffys nervöses Auftreten und sein Drang, ständig aufzufallen, war uns allen ein Dorn im Auge. Trotz seines Versprechens, sich zurückzuhalten, blieb er unter den Argusaugen Zorros auf dem Schiff. Auch dem Schwertkämpfer lag wenig daran, uns zu begleiten, woran meine Person wohl nicht gänzlich unschuldig war. Dass ich ihn als Babysitter für unseren Kapitän beorderte, missfiel ihm sichtlich, doch ich ignorierte seine Beleidigungen und die murrenden, protestierenden Laute seinerseits. Chopper und Franky wollten ebenso wenig mit uns kommen und auch der Smutje schien nicht interessiert an Kultur. Laut Sanji hatten wir noch genügend Proviant vorrätig, sodass wir erst die nächste Insel würden ansteuern müssen, um uns mit frischen Lebensmitteln einzudecken. Also stiefelten der Kanonier, die Archäologin und meine Wenigkeit am Vormittag über den Markt, besahen uns die verschiedenen Plätze und ebenso den Ort, auf den ich geradewegs zusteuerte. »Man erzählt sich von einer Truhe, die reichlich gefüllt sein soll mit Gold, Juwelen und Perlen«, begierig lauschte ich Robins Worten, während wir wieder den Rückweg antraten. »Auch eine Krone soll dabei sein. Zumindest sagen das die Bewohner. Aber gefunden hat die Kiste bis jetzt noch niemand!« »Ammenmärchen!«, höhnte Lysop und ich warf ihm einen verstimmten Blick zu. Mit den Händen in den Hüften, marschierte der schwarzhaarige Lockenkopf vor uns her und verfiel in sein typisches, hohles und hohes Gelächter. »Wenn selbst die Leute den Schatz nicht finden konnten, wie willst du es denn dann schaffen, Nami?« Seine Worte reizten mich in diesem Moment so sehr, dass ich ihm am liebsten einen Tritt in den Hintern verpasst hätte, doch etwas Wahres schien darin mitzuschwingen. Ich würde noch mehr Erkundigungen einholen müssen. Mein Entschluss war gefasst und bereits wenige Stunden später in die Tat umgesetzt worden. Eine alte, ziemlich gebrechlich aussehende Frau kreuzte meinen Weg, als ich in die Dorfschenke einkehrte. »Junge Frau«, hielt sie mich auf und ich blieb wie gemeißelt stehen, ungeachtet dessen, dass meine Finger bereits auf dem Holz der Schwingtür lagen. Sie kam näher, war flink, beinahe nur ein Windhauch. Sie zog mich an meinem T-Shirt auf ihre Höhe (sie war recht klein, sodass ich mich beinahe hinhocken musste) und raunte mir verschwörerische Dinge zu. Ihr wäre bekannt, so erzählte sie, dass es genügend Leute, Piraten, Marinesoldaten gab, die den begehrten Schatz dieser Insel bergen wollten, doch die, die es versuchten, starben eines grausamen Todes. Sie musste mir meine Skepsis angesehen haben, deshalb wedelte die alte Hexe hastig mit den Händen, um meinem Argwohn keine Möglichkeit mehr zu bieten, meine Gedanken zu vergiften. »Du, Mädchen, vollbringst vielleicht das Wunder!«, prophezeite sie und in ihren alten, beinahe schwarzen Augen blitzte etwas Gefährliches auf. Angst kroch augenblicklich über meinen Rücken und auf meinen Armen machte sich eine Gänsehaut breit. »Aber nimm dich vor dem Fluch in Acht!«, zischend spie sie die Worte aus, ließ von mir ab, verschränkte die Hände hinter ihren Rücken und watschelte die spärlich beleuchte Straße hinauf. Lange blickte ich ihr nach, ehe ich mich dazu entschloss, dennoch das Gasthaus zu betreten und mehr über den Schatz, nebst möglichem Fluch, in Erfahrung zu bringen. Der Barkeeper war sehr gesprächig, ebenso wie die Dorfbewohner, die sehr viel Gerstensaft vertrugen und nach und nach die gewünschten Auskünfte preisgaben. Ich tat ungläubig, u nicht überzeugt und dennoch dankend, als man mir so bereitwillig von den Sagen und Märchen erzählte: »Vor sehr langer Zeit, als weder Krieg noch Verderben die Welt vergifteten, gab es ein Land, in dem es so friedvoll und glücklich zuging, dass es von allen Reichen geschätzt und geehrt wurde. Neid und Missgunst waren noch nicht geboren. Liebe und Güte galten als Grundsätze für jene Epoche, die so hell, herrlich und ruhig in den Büchern verewigt wurde. Doch wo das Licht regiert, gibt es dennoch Schatten. Feuer, wie Eis. Wärme, wie Kälte. Freude, wie Leid. Harmonie, wie Unruh. Güte wurde nichtig, das Leuchten starb, der Friede ward Geschichte. Und über dem einst so leuchtenden Reich, indem ein König regierte, lag ein Schleier aus Finsternis, denn die schöne und gütige Frau an der Seite des Herrschers, gab ihr Leben für das ihres Kindes. Der König in seiner Trauer und seinem Schmerz, verzieh dem Sohne seine gar grausame Tat und gebot ihm dennoch Schutz, Segen und den Platz auf seinem Throne. Der Prinz, so sanft, friedvoll und großzügig, wuchs heran zu einem Mann, den man die alten Schriften lehrte und in den Traditionen unterwies. Doch dem neuen Herrscher war es nicht gewillt, dem Beispiel seines Herren zu folgen. Die Güte gefror, ebenso das Herz, als er ebenjenes an ein Mädchen verlor. Ein Wesen weiblicher Natur und doch so abgewandelt in dieser Art, dass es ihm schier den Kern seines inneren Seins spaltete. Jene Jungfer, rein, unschuldig, ward dazu verdammt ihr Dasein in den Tiefen des Meeres zu fristen. Als Tochter Poseidons, Cousine des Neptun, Mutter des Lebens in den weiten der See. Er liebte jenes Kind des Wassers so sehr und missachtete die Warnungen, die man ihm gebot. Dunkle Wolken überzogen das leuchtende, blühende Reich. Zorn in Zweisamkeit mit Gräuel. Das Mädchen des Meeres blickte traurig zu ihrem Liebsten auf, als dieser an der Spitze jener höchsten Klippe stand, und bittere Tränen der Sehnsucht vergoss. Ein strahlend heller Blitz erhellte das finstere Firmament und schlug neben dem jungen König auf. Als das Licht verebbt ward, hatte es den Herrscher zu Boden gerissen. Sowie er erwachte aus seinem traumlosen Schlafe, blickte er in das Antlitz seiner unerreichbaren Gefährtin. Statt Flossen zierten zwei Beine ihre vollkommene Erscheinung. Doch neben dem unbeschreiblich Schönen, stand eine Gestalt, von solch einer Hässlichkeit gezeichnet, dass ihm jenes, freudig schlagende Herz abrupt zu pochen versagte. Sein Augenmerk galt dem Wesen, so zart und zauberhaft, menschlich, warm und glücklich. Doch die Gestalt, so verbittert und zornig, nahm ihm das Liebste, noch ehe jenes einen Atemzug getan. »Verflucht seist du, egoistischer Königssohn! Eure Liebe ist widerwärtig! Nie war es euch bestimmt, beisammen zu sein!«, kreischend spie das finstere Wesen die Silben und stieß die Tochter des Meeres zurück dahin, woher sie gekommen war. Lange, bleiche Krallen griffen nach der schimmernden Krone, die auf dem Haupt des Königs verweilte. »Verflucht seist du, König, du und dein Gefolge! Verboten und versagt ist dir die Liebe! Dir und deinen Ergebenen! Der Zenit deiner Herrschaft geht mit dem Glanze dieser Krone unter! Verflucht sei jener, an dem es sei, das Zepter der Macht in den Händen zu halten! Nie wirst du mit ihr zusammen sein, König!« Auf die Worte der grausamen Hexe hin, erhob sich der Prinz des leuchtenden Reiches japsend und keuchend. Ein letzter Blick über die Klippe, hinunter zu den tosenden Wellen und der peitschenden Gischt. Ein letzter Versuch des Mannes, mit dem Wesen seines Herzens vereint zu sein. Die gezischten Verwünschungen wurden von den stürmischen Wellen der See zerrissen, ebenso wie der Königssohn.« »Was genau ist jetzt mit dem Fluch?«, wollte ich wissen und eine Augenbraue wanderte argwöhnisch zu meinem Haaransatz, als ich den Worten mit Skepsis lauschte. »Die Krone ist der Fluch. Aber so genau weiß das niemand, da niemand den Schatz gefunden hat!« Der Kerl neben mir, der bereits das fünfte Bier seine Kehle hinunter spülte und gefährlich auf dem Barhocker schwankte. Doch der Blick, den mir der Barkeeper zuwarf, sprach für die Wahrheit in den Worten des Mannes. »Sagen und Legenden!«, sagte ich leichthin und tat das Geplänkel mit einem Zucken der Schultern ab. »Aber ist an jeder Sage, jedem Märchen nicht ein Fünkchen Wahrheit? Auch wenn sich über die Jahrhunderte hinweg der Wortlaut ändert, ist es im Kern doch immer noch wahr.« Nun war es der Barkeeper, der skeptisch dreinschaute. Wieder ich zuckte die Schultern, zahlte meine Getränke und hatte nur eines im Sinn: Noch in dieser Nacht würde der Schatz mein sein, Fluch hin oder her! Mein Herz schlug wild gegen meine Brust. Das Licht der Taschenlampe schenkte nur spärliche Sicht auf meine Umgebung und dem, das vor mir lag. Meine Lunge brannte und meine Hände erfasste ein Zittern. Gleich, gleich ist es soweit!, jubelte ich in mich hinein und aus dem Zittern wurde ein wohliges Kribbeln. Niemand wusste, wo ich war, ich wusste es ja selbst kaum und doch schien mich etwas magisch anzuziehen. Durch Gestrüpp streichend, hastete ich über Baumstümpfe, verfing mich in den herunterhängenden Ästen der hageren Bäume, doch das Adrenalin in meinen Adern zerrte mich unaufhörlich weiter. Die Sichel des Mondes wurde ab und an von Wolken verschleiert und nahm mir die Sicht. Abrupt hielt ich inne. Japsend rang ich nach Luft und beäugte meine Umgebung kritisch. Eine kleine Gestalt schien vor mir und zwischen den Bäumen hin und her zu schwirren. Das Licht der winzigen Lampe, die das Wesen in den Händen hielt, flimmerte und flackerte bei den plötzlich aufkommenden Windstößen, die nun an Intensität zunahmen. Die Erscheinung verschwand so schnell, wie sie mir erschienen war. Nur das Leuchten der Laterne schimmerte schwach und wies mir den Weg. Was auch immer dieses Geschöpf vor hatte, wohin es mich zu locken versuchte, es hatte mich am Haken. Langsam tat ich einen Schritt vor den anderen. Hier, im Dickicht des Waldes, der auf der gegenüberliegenden Seite der Insel lag, gab es doch tatsächlich eine Höhle! Misstrauisch nahm ich jenes Gewölbe unter die Lupe, als ich einen Fuß in das Innere setzte. Wieso haben die Bewohner des Dorfes hier nicht schon längst nachgesehen?, ging es mir durch den Kopf, als ich die Wände dieses steinernen Baues mit meiner Taschenlampe ableuchtete. Stalagmiten säumten meinen holperigen Weg, Stalaktiten ließen kaltes Wasser auf mich niedergehen. Ein rhythmisches Tropfen hallte von den steinernen Mauern wider. Plitsch, tropf, platsch, tropf ... Meine Taschenlampe begann gefährlich zu flackern und kurz zog ich in Erwägung, kehrt zu machen um am morgigen Tage wiederzukommen, doch etwas ließ mich diesen Gedanken sofort verwerfen, denn das Licht der kleinen Laterne flimmerte nicht unweit von mir auf. Hastig stolperte ich über Steine, lief durch Pfützen und eilte weiter. Leise sollte ich sein, und doch rief ich nach der Gestalt, die mich weiter in die Tiefen der Höhle lockte und mich dazu anhielt, ihr zu folgen. Das Wesen lotste mich weiter und endlich wurde der Schein der Laterne größer. Das, was ich als kleines Wesen, als Gestalt, als Erscheinung bezeichnet hatte, starrte mich plötzlich mit alten, schwarzen Augen an. Kapitel 2: Von Verwünschungen, Reichtümern und verhängnisvollen Konsequenzen ---------------------------------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Zwei ≈ Vᴏɴ Vᴇʀᴡüɴsᴄʜᴜɴɢᴇɴ, Rᴇɪᴄʜᴛüᴍᴇʀɴ ᴜɴᴅ ᴠᴇʀʜäɴɢɴɪsᴠᴏʟʟᴇɴ Kᴏɴsᴇǫᴜᴇɴᴢᴇɴ ≈ Hastig stolperte ich zurück, war verwirrt und schien sprachlos. »Ah, Mädchen, ich wusste, dass du hier her kommen würdest!«, war die Antwort auf meine nicht gestellte Frage. »Was?«, stotterte ich und beobachtete die alte Frau, die soeben die Laterne vor ihren knochigen Füßen abstetzte und mich mit ihren aufblitzenden, finsteren Seelenspiegeln betrachtete. »Hier ist das, was du suchst, Diebin!«, zischte sie, ohne von meiner Frage Notiz zu nehmen. Die Alte trat einen Schritt beiseite und zum Vorschein kam eine Truhe. Klein, verwittert, bemoost und doch von solcher Schönheit, dass mein Herz einen Hüpfer tat. Beinahe hätte ich vor Freude in die Hände geklatscht, doch der Moment und die Atmosphäre ließen es nicht zu. Aus dem Glücksgefühl wurde ein Schauer, eine Reaktion meines Körpers auf Furcht und Angst. »Komm näher, Mädchen!«, forderte die Hexe und streckte ihre langen, dürren Finger nach mir aus. Ein Schatz!, sagte ich mir, kniff die Augen zusammen und trat einen Schritt vor. »Na los!«, forderte die Greisin neben mir, als ich mich vor die Kiste kniete. »Öffne sie!« Etwas ergriff augenblicklich von mir Besitz. Ich war plötzlich nicht mehr Herrin meiner Sinne, stattdessen griffen meine Hände nach der Truhe und hoben diese an. Sie war leichter, als es den Anschein hatte. Ihre Schwere machte mir nichts aus, als ich apathisch wankend den Ausgang der Höhle ansteuerte. »Gut. Gut, Mädchen!«, zischte die Alte und lief mit flinken Schritten neben mir her. Ihre Laterne lotste uns aus der Finsternis und kaum hatte ich das Ende des Ganges erreicht, trat ich hinaus ins Freie. Die schmale Sichel des Mondes leuchtete schwach, in ein paar Tagen erst würde der Mond seine volle Pracht entfalten. Ich liebte den Vollmond und ahnte nichts von all dem, das mir mit dem Öffnen der Truhe bevorstand. Erneut kniete ich mich hin, stellte die Kiste vor mir auf den Boden und blickte mit leeren Augen zu der Gestalt, die danach gierte, endlich das Schloss zu öffnen. »Ich habe keinen Schlüssel!«, fiel es mir auf, doch das Mütterchen schenkte mir nur ein spöttisches Grinsen. Mit einem kurzen, aber prägnanten Tritt gegen die verwitterte Truhe, hob sich der Deckel sofort. Das Schimmern, das aus dem hölzernen Gefäß hervor drang, stand dem Glanz des Trabanten über uns in nichts nach. Wie von Robin prophezeit drangen Gold, Perlen, Juwelen, Silberstücke und Zepter aus der Kiste hervor. Irrsinnig und trügerisch, wie mir erst später bewusst werden sollte. So sehr ich mich danach sehnte, alles zu betrachten, mir die Ketten um den Hals zu schlingen, die Ringe an die Finger zu stecken und das Gold in meine Taschen zu bugsieren, zerrte ein anderes Verlangen an mir. Doch es war nicht mein Wunsch, dies zu tun. Jemand befahl, gebot mir, forderte und drängte mich, nach etwas anderem zu greifen. »Nimm sie!«, zischte die alte, gebrechliche Frau und ich wusste, was ich zu tun hatte. Ohne zu zögern streckte ich meine Finger aus, hob es in die Höhe, betrachtete fasziniert den Schein, das Leuchten, das Schimmern und den Glanz, ehe ich die silberne Kronen auf mein Haupt bettete. Schwärze umfing mich augenblicklich. Nur das schrille, geisterhafte Kichern der Alten hallte in meinen Ohren wider. Wie lange ich schlief, vermochte ich nicht zu sagen. Erneute Laute und der Klang meines Namens rissen mich aus meinem Traum, der kalt war, leer und so unendlich finster, dass ich fror. Man rief nach mir, denn ich verspürte plötzlich eine vertraute, willkommene Wärme. Jemand trug mich und ich vernahm japsende Laute. Der Boden unter meinen Füßen schwand, doch die Hitze, die mich umgab, blieb bestehen. Heute weiß ich, dass mich Chopper den ganzen Weg getragen hatte, dass Zorro und Franky, abwechselnd, die Truhe schleppten und dass mein Handeln bittere Folgen nach sich zog. Als wir das Schiff betraten, war es unser Kapitän, der mir eine Standpauke hielt. Die Enttäuschung über mein Abenteuer ließ nagte an ihm. Ruffy war wütend darüber, dass ich ihn nicht mitgenommen hatte. Doch ich hatte weder ihn, noch die anderen gebeten, mit mir zukommen. Das war meine Aktion. Ich wollte, dass die Kasse wieder klingelte und unsere Ausgaben im Gleichgewicht waren. Ein Schwanken erfasste mich, als mich Chopper absetzte. Zorro warf mir einen mürrischen Blick zu, ehe er die Truhe abstellte und öffnete. Die verdutzten Blicke meine Kameraden bemerkte ich nicht, auch nicht das Flüstern, das ihren Lippen entwich. Denn Lysop beanspruchte meine Aufmerksamkeit für sich, somit war ich viel zu abgelenkt, um die Verwunderung in den Gesichtern der Crew auch nur zu erkennen. »Was hast du da auf dem Kopf?«, fragte der Kanonier und betrachtete fasziniert das Ding, auf meinem Schopf. Abrupt wurde mir bewusst, dass sich das silbrig schimmernde Krönchen noch immer auf meinem Haupt breit machte. Ich griff danach und stutzte. Noch mals rüttelte ich an dem filigranen Gerüst aus Silber, Perlen und Edelsteinen. »Es geht nicht ab!«, entkam es mir und die Ereignisse fielen über mich her, ließen mich erneut schwanken und den Boden unter meinen Füßen bersten. »Es geht nicht ab. Es geht nicht ab. Es geht nicht ab«, panisch spie ich immer wieder dieselben Worte aus und konnte nicht begreifen, was mit mir geschehen war. Man hatte mich in unsere Kajüte gebracht, Robin saß auf meinem Bett und blickte argwöhnisch drein. Noch jemand war da, doch ich war so in meiner Furcht gefangen, dass ich weder die Gestalten, noch die dazugehörigen Stimmen hätte zuordnen können. Chopper, als Schiffsarzt, warf Robin einen entsetzten Blick zu. »Es ist wahr!«, ich presste die Hände an meine Ohren und blickte verzweifelt zu Robin auf. Sie schwieg und ich hasste sie in diesem Moment dafür. »Was ist wahr?« Die Frage galt der Archäologin, doch klang sie scharf, wütend und ebenso neugierig. Ein vertrauter Geruch aus Qualm stieg mir in die Nase und ich wusste sofort, wer sich neben Robin und Chopper noch in diesem Zimmer aufhielt. »Au!«, jaulte ich, als Robin abermals versuchte, mir die Krone vom Kopf zu nehmen. »Sie geht wirklich nicht runter.« Erstaunen schwang in den Worten der Frau mit. »Vielleicht kann man sie abschneiden?!« Meine Augen weiteten sich sofort. »Nein!« Meine Haare waren schon so kurz, wenn sie noch kürzer werden sollten, dann würde ich aussehen wie Zorro und das wollte ich auf gar keinen Fall. Doch das »Nein« kam nicht aus meinem Mund. Gestochen scharf hatte Sanji, unser Smutje, das Verbot ausgesprochen. »Kommt nicht in Frage!«, betonte er und Robin ließ die Finger von meinem bekronten Haupt. Ein Seufzen entkam ihrem Mund, dann erhob sie sich von meinem Bett. Ich setzte mich auf und blickte in die Runde. »Der Fluch!« Ein raues Flüstern schlich sich von meinen blassen, trockenen Lippen. »Die Legende ist wahr. Die Krone. Sie ist verflucht. Die Alte, sie hat mich gezwungen ...« Verständnislosigkeit breitete sich in ihren Gesichtern aus. Niemand verstand mich, meine Worte schienen in einer fremden Sprache zu meinen Freunden zu gelangen. »Die alte Hexe!«, wiederholte ich und schlug mir schluchzend die Hände vors Gesicht. Jemand griff nach meinem Körper, hielt mich fest und wiegte mich. Kräftige Hände, starke Arme, und der vertraute Duft von Gewürzen und Zigarettenqualm hüllten mich ein. Kapitel 3: Vom Schrecken erfasst -------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Drei ≈ Vᴏᴍ Sᴄʜʀᴇᴄᴋᴇɴ ᴇʀғᴀssᴛ ≈ Ein Fluch?« Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie Lorenor Zorro allein bei dem Wort Fluch die Augen verdrehte, einen schnaubenden Ton von sich gab und seelenruhig in seinem Vorhaben, ein Nickercken zu machen, fortfuhr. Das Stimmengewirr meiner Kameraden drang bis in die Kajüte vor, in der ich noch immer wie erstarrt saß und in der mich der Smutje noch immer in seinen Armen hielt, ohne aufdringlich zu sein, oder, wie üblich, in Heulkrämpfen zu verfallen, sobald Robin oder mir etwas zustieß. »Robin versucht gerade ihnen zu erklären, was mit dir passiert ist.« Seinen Atem hätte sich der Schiffskoch wahrlich sparen können, schoss es mir bitter durch den Kopf. Natürlich probierte die Archäologin nach Leibeskräften, ihren stumpfsinnigen Kameraden meine Situation so begreiflich wie möglich zu machen, auch wenn ich selbst nicht genau verstand, was mit mir geschehen war. Ich erzählte dem Koch von den Ereignissen, an die ich mich zu erinnern vermochte und bat ihn, Robin von all dem zu berichten. Sanji lauschte meinen Ausführungen, auch wenn jene von hysterischen Aufschreien und Anfällen die eine oder andere Unterbrechung erfuhren. Ich erzählte ihm von der alten Frau, meiner ersten Begegnung mit ihr vor der Bar, erläuterte die Legende, die die Bewohner mir zugetragen hatten und vertraute ihm an, dass ich mich vom Schiff gestohlen hatte, um der Sage auf den Grund zu gehen. »Diese verbitterte, alte Schachtel!«, zischte er zustimmend und ich kam nicht umhin, ein wenig über seine Worte zu schmunzeln. Wieso gerade er es war, der neben mir saß, mir zuhörte und versuchte, aus meinem Geplapper die notwendigen Schlüsse zu ziehen, sollte ich erst später begreifen. Doch aus einem Gefühl der Vertrautheit heraus, das mich überkam, hatte ich für richtig erachtet, ihm alles, was mir bekannt war, zu beichten. Es war zwar nicht das letzte Mal, dass ich zitternd nach Luft rang, aber Sanji schien bereits zu ahnen, dass meine Anfälle bald ein Ende haben würden. Er gab mich frei, und doch hielt ich meine Hände gegen meinen Kopf gepresst und biss mir auf die Lippen. Der Smutje erhob sich von dem Bett und begann nachdenklich in unserer Kajüte umher zu marschieren. »Ich komme gleich wieder«, meinte Sanji, nachdem er gefühlte Kilometer in den Teppich getrampelt hatte. Die Tür wurde geöffnet und leise wieder geschlossen. Ich saß allein auf meinem Bett und versuchte angestrengt, ein paar Fetzen an Gesprochenem zu erlauschen. Es war vergebens, denn dieses schrille, kreischende Kichern der alten Hexe fesselte meine Gedanken und schien sie in die Truhe zu werfen, aus der ich dieses dämlich vor sich hin schimmernde Krönchen geholt hatte. Abermals unterlag ich der Versuchung, die Tiara vom Kopf zu heben und seufzte enttäuscht auf. Mein Kopf schmerzte, dröhnte gar und Tränen stiegen mir in die Augen. Atme ganz ruhig!, bemüht, mich selbst zu kontrollieren, schüttelte ich dennoch mein Haupt. All die Anstrengungen waren null und nichtig. Doch dann, ganz plötzlich und aus heiterem Himmel, begann sich etwas in mir zu regen. Mir graute es, denn solch eine Empfindung war mir fremd. Ein Beben nahm meinen Körper in Beschlag, fast unterlag ich dem Drang, mich zu übergeben und wollte mich zeitgleich vom Bett fallen lassen, um Schutz zu suchen. Etwas geschah mit mir und niemand kam um mir zu helfen. Leises Gemurmel drang an meine Ohren. Ich wusste kaum noch, wo ich mich befand, als ich, allem Anschein nach, wieder Bewusstsein erlangte. »Sie ist vom Bett gefallen?« Lysop schien misstrauisch, denn seine Stimme war mit Argwohn durchsetzt. »Sie hat gekrampft. Seht doch, sie zittert immer noch!« Es war Chopper, der die Crew über meinen Zustand in Kenntnis setzte. »Warum nimmt sie nicht endlich diese bescheuerte Krone vom Kopf?!« Dies konnte eindeutig nur aus Zorros Mund gekommen sein, denn die Erwiderung, die ich vernahm, war protestierend und beschützend zugleich und entfloh niemand geringerem als dem Smutje. »Was hast du gesagt? Sie hätte dieses verfluchte Teil ja längst runtergenommen, aber es geht nicht runter du, Hirni!«, fauchte Sanji augenblicklich. Etwas zog plötzlich an meinen Haaren, sodass mir ein murrender Laut entfloh. »Oh, hey Leute, Nami ist wach!« So überschwänglich konnte nur Ruffy reagieren und ich sollte mit meiner Vermutung Recht behalten. »Du Idiot!«, donnerten Lysop und Sanji synchron und lautes Gepolter mischte sich unter das entstandene Stimmengewirr. Wie an einem Seil zog mich etwas empor und als ich die Augen aufschlug, starrte ich in die ratlos dreinblickenden Gesichter der Strohhut-Bande. »Nami?« Ich wandte mein Haupt nach links und starrte die Knopfaugen des Rentiers, das mich, mit einem Stethoskop um den Hals, prüfend betrachtete. »Erschreck nicht! Du hattest Krampfanfälle, und dein Körper wurde etwas in Mitleidenschaft gezogen.« Dumpf drang die Prognose meines Zustandes zu meinem Gehirn vor. Ich verstand nicht einmal die Hälfte von dem, was unser Schiffsarzt mir klar zumachen versuchte. »Nami«, begann Chopper erneut, schluckte einmal tief und atmete genauso schwer wieder aus, »bitte, werde jetzt nicht hysterisch!« Sein Gesuch ging mit dem Schweigen der Mannschaft einher. Wieder begriff ich rein gar nichts. Mein Schädel drohte zu platzen, ich brauchte Luft und würde sie in einem überfüllten Raum nicht bekommen. Reflexartig schlug ich die Bettdecke zurück, mit der man mich bedeckt hatte, setzte einen Fuß auf den Boden und wollte einen Schritt tun, als meine Beine sich strikt weigerten, ihre Arbeit zu verrichten. Ich fiel vornüber und wäre beinahe mit dem gesamten Gewicht meines Körpers auf den Boden gefallen, hätte mich Franky nicht aufgefangen. »Oh oh!« Ein warnender Ausruf, der meinem erschrockenen Gesicht wohl alle Ehre machte. »Nami du ...«, legte Ruffy nach, als er mit seiner Warnung viel zu spät kam. »Wieso?«, fragte ich mit großen Augen an Franky gewandt, dem der Mund offen stehen blieb. Mein Versuch, mich empor zustemmen, mich hoch- und fortzudrücken, misslang. Ich war verwirrt, irritiert und fühlte mich so hilflos. Warum reagierten meine Beine nicht auf die Befehle, die mein Gehirn ihnen gab? Wut schäumte in mir hoch. Plötzlich schluckte auch der Cyborg ebenso schwer, wie Chopper es getan hatte. »Nami!«, meinte Franky und klang beinahe verängstigt. Zögerlich wagte ich es, in die Gesichter meiner Mannschaft zu blicken. Ich schaute in jedes Antlitz, in ein Augenpaar nach dem anderen, ehe ich an mir hinunter sah und ein gellender Schrei das Schiff, unsere Thousand Sunny, zum Beben brachte. »Ich bin ein Fisch!«, kreischte ich in Panik und wusste kaum, wie mir geschah. Mein Drang, Halt zu finden, ging in lautem Gejaule unter. Allem Anschein nach hatte ich um mich geschlagen und Lysop und Brook in arge Bedrängnis gebracht. Zumindest sahen sie sehr ernüchtert drein, doch die Beulen und blauen Flecken verrieten ihr Übriges. »Nein, kein Fisch, eher eine Meerjungfrau«, versuchte Chopper zu erklären und ich vernahm nur die gesäuselten Freudenschreie des Kochs, der schwebend durch die Kajüte glitt und dessen Gesicht eine Röte umspielte, wie man sie beinahe alltäglich zu sehen bekam. »Eine Meeeerjungfrau!« Sanji faltete die Hände wie zum Gebet und wurde prompt von Zorro in die Schranken verwiesen. »Wow, cool. Genau wie Oma Cocolo!«, jubelte Ruffy und lachte lautschallend. »Sei still!«, drohte Lysop und schlug ihm auf den Gummikopf. Während all dies geschah, blickte ich an mir herunter. Man hatte mich wieder auf das Bett bugsiert und nun lachte mir das Ausmaß meiner Gier entgegen. Die Krone war verflucht und ebenjener Bann lag nun auf mir. Auf meinen Armen befanden sich vereinzelte, silbrig-leuchtende Fischschuppen, und mein Unterleib zierte nun eine glänzende, gräulich-schimmernde Flosse. Das Gefühl, welches mich plötzlich überkam, als ich probierte mich zu bewegen, war eigenartig und mit Worten beinahe nicht zu beschreiben. Es war, als würden Schenkel, Waden und Füße in einen Schlauch gepresst. Ein beengendes Empfinden, meine Bewegungsfreiheit war eindeutig mehr als eingeschränkt! Es hielt mich noch immer gefangen und doch war da noch etwas anderes, etwas Neues, das drängte und dürstete! »Wasser!«, keuchte ich und stützte mich mit den Armen auf dem Laken ab. An meine Ohren drang nur Gestolper, Tür auf- und wieder zuschlagen und dann hielt man mir bereits ein Glas kristallklares Wasser vor die Nase. Doch das Nass in dem Becher verlangte ich nicht, und es verlangte auch nicht nach mir. Ich blickte auf und sah in angespannte Gesichter. Zögernd nahm ich dennoch das Gefäß entgegen, trank und reichte es zurück. »Besser?«, wollte Chopper wissen, und da ich ihn nicht enttäuschen wollte, nickte ich knapp. »Etwas, ja. Vielen Dank.« Mein Lächeln war gezwungen und doch schien es zu wirken. Wieder meldete sich das Verlangen in mir und ich wurde unruhig und nervös. »Wasser?«, fragte jemand und ich nickte abermals, doch hielt ich plötzlich inne. »Salz!«, sagte ich leise und schüttelte den Kopf über meine Worte. Wieder lautes Gepolter, dann trat Ruffy vor mir und grinste. Er reichte mir den Becher und tat etwas, dass ihm erneut Schelte einbrachte. Ich hielt das Glas in den Händen, blickte argwöhnisch und bestaunte den Versuch des Kapitäns, mittels Salzstreuer ein paar Kristalle in das Wasser fallen zu lassen. »Du Vollidiot!« Nun war es Zorro, dem das Spektakel wohl die Hutschnur überspannte. Erneut kassierte Ruffy Kopfnüsse. »Aber sie wollte doch Salz haben!« Der Kapitän zog schmollend eine Schnute und versuchte, sein Vorhaben zu rechtfertigen. »Ja, Salzwasser, und kein Salz aus dem Streuer. Dein Gummischädel ist genauso löchrig!«, blaffte Sanji wütend, da auch ihm das Verhalten unseres Anführers nicht zu behagen schien. »Wir könnten ... ach nein«, fuhr Brook mit seinen Worten dazwischen, stoppte jedoch, da ihm sein eigener Gedanke wohl zu abwegig erschien. »Brook?« Robin bat ihn dennoch fortzufahren. »Nun, wir könnten Nami doch ins Wasser werfen«, schlug er vor und erlitt, ebenso wie Ruffy, beinahe ein Schädelhirntrauma von den Schlägen, die man an ihn austeilte. »Spinnst du? Nami ins Wasser zu werfen. Bei euch sind wohl die Sicherungen durchgebrannt!« Der Smutje war ganz außer sich und schnaufte wie ein wilder Stier. »Eine Überganglösung wäre auch das Galeriebad oder das Aquarium in der Bar«, schlug Robin in ruhigem, diplomatischem Ton vor. »Oder wirklich das Meer.« Kapitel 4: Vom Wählen und dem Treffen von Entscheidungen -------------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Vier ≈ Vᴏᴍ Wäʜʟᴇɴ ᴜɴᴅ ᴅᴇᴍ Tʀᴇғғᴇɴ ᴠᴏɴ Eɴᴛsᴄʜᴇɪᴅᴜɴɢᴇɴ ≈ Schweigen trat auf die Worte der Archäologin hin ein. Alles starrte gebannt zu der Frau, die sich allem Anschein nach keiner Schuld bewusst war. Auch ich meinte meinen Ohren nicht zu trauen, doch ich hatte weitaus größere Sorgen. Natürlich musste eine Lösung her, auch machte sich wieder dieser Drang bemerkbar, als Robin das Meer erwähnte. Ein Begehren brüllte in mir auf und abermals dürstete es mich nach dem erfrischenden, kühlen Nass. Während ich versuchte, der Sehnsucht Einhalt zu gebieten, hatten meine Kameraden das unterbrochene Gespräch wieder aufgenommen. Jeder quasselte wild durcheinander und nahm nur wenig Notiz von mir oder meinem Leiden. Die Stimmen wurden immer lärmender. Verzweifelt versuchte ich meinen, auf die Brust gesackten, Kopf zu heben. Es fiel mir schwerer, als ich angenommen hatte. Meine Kräfte schwanden, sodass mich das Heben meines Hauptes unheimlich anstrengte. Mir war, als würde alle Flüssigkeit aus meinem Körper gesogen. Plötzlich erstarben sämtliche Laute in der kleinen Kajüte, die Robin und mir als Schlafstätte diente. Wieder spürte ich, wie sich alle Blicke auf mich richteten und ein unangenehmes Gefühl nahm mich in Beschlag. »Das Galeriebad!« Ich wusste nicht, wer die Worte ausgesprochen hatte, doch augenblicklich verlor ich das weiche Polster unter meinem Gesäß. »Heißes oder kaltes Wasser?« Ruffy wandte den Kopf zur Tür, nachdem er diese mit ordentlichem Schwung geöffnet hatte und postwendend von Franky mit einem protestierenden Laut ermahnt worden war. »Willst du sie etwa dünsten?«, fauchte Sanji, drängte sich an Franky vorbei, der mich auf seine Arme gehoben hatte, und schickte den Kapitän aus dem Badezimmer. »Ein Schaumbad?« Robin hob fragend eine Augenbraue empor und deutete auf die Seifenblasen, die bereits aus dem Becken empor quollen. »Hey, Küchenchef ...« Robins Versuch, den Smutje an seinem Vorhaben zu hindern, schien bei diesem jedoch auf taube Ohren zu stoßen. Ich wagte einen Blick auf Franky, der genauso wenig angetan von der Idee zu sein schien, wie ich es war. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern und folgte der Anweisung Sanjis, mich in den Raum zutragen. Sanjis Euphorie wurde jedoch jäh gebremst, als mich der Cyborg in die große Wanne plumpsen ließ. »Hey Franky, ein bisschen mehr Sensibilität, wenn ich bitten darf!«, herrschte der Smutje und funkelte seinen Kameraden finster dreinblickend an. Mittlerweile hatten auch die anderen Mitglieder der Strohhut-Bande das Bad erreicht und drängten und drucksten sich vor der Tür herum. Sowie ich in die Wanne rutschte, umspülte mich der kalte Schaum, doch das Wasser war mir mehr als willkommen. Und ehe ich mich versah, versank mein Oberkörper im Nass und meine Flosse ragte über den Rand des Beckens. Die Schuppen auf meinen Armen schienen mit dem kühlen Nass zu reagieren. Ich wusste nicht, was geschah, als ich kopfunter zu dem Schaum aufblickte. Atme!, befahl ich mir und versuchte tief Luft zu holen, doch meine Lungen reagierten nicht. Vor Schreck fuhr ich auf und die Seifenblasen zerstreuten sich über die Fliesen des Badezimmers. Ich wischte mir den lästigen Schaum aus den Augen und starrte in entsetzte Gesichter. Lysop sah aus wie ein begossener Pudel, doch auch Sanji, Robin und Franky erging es nicht anders. Ruffy reckte den Kopf in die Tür und begann lautschallend zu lachen. Wieder versuchte ich Luft zu holen und es gelang mir tadellos. Es war, als wäre ich zeitlebens nie anders zu Atem gekommen. »Nami?« Es war Robin, die das Wort an mich richtete. »Wie geht es dir?« Ich überlegte, ehe ich ihr antwortete. Es ging mir zwar nicht schlecht, aber auch nicht unbedingt besser. »Es ... es ...«, ich hielt inne und betrachtete die Crew erneut. Mittlerweile hatte sich Ruffy beruhigt und nun war er es, der mich kritisch musterte. Der Kapitän trat auf mich zu. »Du, Nami«, begann er und fuhr gespielt überlegend mit einer Hand unter sein Kinn, »du siehst komisch aus!« »Sie ist eine Meerjungfrau, du Idiot!«, knurrte Sanji und schlug nach ihm. »Aua, Sanji!« Ruffy hielt seine Hände schützend über dem Kopf zusammen. »Aber sieh doch mal!« Wieder lenkte er die Aufmerksamkeit aller auf mich und wieder überkam mich Unbehagen. Etwas Rotes lief dem Smutje aus der Nase, sodass ich angewidert das Gesicht verzog. Chopper kam auf ihn zugeeilt, hielt ihm sofort ein Taschentuch entgegen und lotste ihn aus dem Badezimmer. Ich vernahm nur den schwärmerischen Ton Sanjis, der immer wieder betonte, dass ich eine 'richtige Meerjungfrau' sei. »Nami, guck doch mal!« Abermals vernahm ich Ruffys Worte und verspürte langsam einen Hauch von Ungeduld und Wut in mir aufsteigen. Robin ließ ihre Hände sprießen und reichte mir einen Spiegel. Widerwillig blickte ich in mein Antlitz und erstarrte: Nicht nur, dass nun auch meine Wangen ein paar Schuppen zierten, auch schienen meine Haare, aufgrund der Berührung mit Wasser, länger geworden zu sein. Einzig der Stoff meines T-Shirts schien durchnässt, aber das erschien bei solch einer Aktion nicht verwunderlich. Wieder durchfuhr ein gellender Schrei die Stille, ehe ich mich gegen die vorherrschende Situation zu wehren versuchte. Das Schaumwasser platschte aus dem Becken und setzte das Bad unter Wasser. Auch die beruhigend klingenden Worte der Crew vermochte ich nicht hinzunehmen. »Ich will hier raus!«, forderte ich und strampelte wild um mich. »Nami!«, jaulte Ruffy und wurde von einer Fontäne überrascht. Erst die Gefangenschaft durch Robins Hände sorgte dafür, dass ich mich einigermaßen in den Griff bekam. »Beruhig' dich, Nami!«, meinte meine Kameradin in ruhigem, überlegtem Ton. »Vielleicht ist diese Art von Bad nicht das Richtige.« Robins Blick wanderte zu Franky, der nachdenklich den Kopf in Schräglage hielt. Auch er schien zu grübeln. »Dann schmeißt sie doch erst mal übergangsweise ins Bassin«, spie Zorro aus, lehnte lässig im Türrahmen und gähnte herzhaft. Stille trat ein und nun war es der Schwertkämpfer, der sich unseren Blicken ausgesetzt sah. »Was ist? Nun macht schon!«, entgegnete er, doch noch immer sprach niemand ein Wort. »Auf was wartet ihr denn?« »Ach nichts!«, entkam es Lysop und Franky unisono und beide winkten ab. Man darf behaupten, dass wir auf eine Reaktion Sanjis warteten, doch Chopper hatte den Smutje wahrscheinlich unter Deck gebracht, um ihn zu verarzten. »Also die Aquarium-Lounge?«, wollte Franky wissen und Robin und ich nickten bejahend. Ich biss mir auf die Lippen, als mich Franky aus der Wanne fischte, erneut auf seine Arme hob und Anstalten machte, das Badezimmer zu verlassen. Ich hatte das reinste Chaos fabriziert! Beinahe alle Utensilien im Raum schwammen auf kleinen Schauminseln. »Keine Sorge, das kriegen wir schon wieder trocken.« Mit einem Lächeln versuchte Robin mich zu beruhigen, da sie meinen Blick bemerkt haben musste. Im Gänsemarsch verließen wir das Galeriebad und stiegen die Stufen in Richtung Fischtank-Luke hinab. Ruffy hob das Gatter an und blickte dann eher unschlüssig zu Franky herüber. »Nami?«, wandte er sich an mich und ich zuckte nur mit den Schultern, ehe mich der Zimmermann so vorsichtig wie möglich ins Wasser setzte. Ich dümpelte wenige Augenblicke wie eine Boje vor mich hin, ehe ich es wagte, unterzutauchen. Wieder versuchte ich Luft in meine Lungen zu pressen, doch nichts geschah. Ich tauchte auf und mein Blick traf ratlose Gesichter. Allem Anschein nach warteten sie auf eine positive Reaktion ihrer vorangegangenen Aktion. Nochmals tauchte ich unter. Der Salzgehalt, der hier vorherrschte, war wesentlich angenehmer auf der Haut als das Schaumbad von eben. Mein Kopf hob sich und ich signalisierte meinen Freunden, dass es mir gut ging. Doch als Ruffy das Gitter wieder schließen wollte, umklammerte etwas meinen Körper und schien mir die Brust zu zuschnüren. Mein Versuch, an die Oberfläche zu gelangen, hatte nur die Dauer eines Wimpernschlages. »Nein, nicht!«, schrie ich und die Panik in mir drang augenblicklich nach außen. »Nicht das Gitter schließen!« Meiner Bitte wurde Folge geleistet. Erleichtert atmete ich aus, wie vorhin bereits bemerkt, zogen meine Lugen genüsslich, beinahe gierig, Luft ein. »Hey, Nami«, begann Ruffy und hockte sich vor die Luke, »hast du jetzt Kiemen?« »Keine Ahnung«, gab ich wahrheitsgemäß zurück, »lasst mir ja die Gitter auf, sonst schreie ich!« »Ja, schon gut, sie bleibt offen. Also, hast du jetzt Kiemen?«, wiederholte Ruffy und grinste. Mein Zustand schien ihn sehr aufzuheitern. Mir entkam ein grummelnder Laut. »Hörst du nie zu, wenn man dir etwas sagt? Sie hat doch gesagt, sie weiß es nicht«, meinte Lysop und schlug ihm mit der Handkante auf den Kopf. »Wir können es ja testen«, schlug Ruffy, offenbar unbeeindruckt von Lysops Tat, vor. Ich konnte nur mit den Schultern zucken, dennoch tat ich dem Kapitän den Gefallen. Nach einer gefühlten Ewigkeit signalisierte mir Brook, dass ich auftauchen konnte. Er hielt eine Stoppuhr in den skelettierten Händen und schien beeindruckt. »Wie lange?«, fragte ich und der Musikant hielt mir den Zeitmesser entgegen. Ruffy hatte wohl bereits das Interesse an mir und dem Versuch verloren, da ich ihn nirgends ausmachen konnte. »Du warst gut vierzig Minuten unter Wasser. Nach fünf Minuten hat Ruffy beschlossen, dass du wirklich so etwas wie Kiemen haben musst«, schloss Brook und in mir begann es unweigerlich zu brodeln. »Und du lässt mich so lange da unten?«, fauchte ich und erntete nur ein perplexes Schulterzucken. »Soll ich dir ein Lied spielen?«, wollte Brook wissen und ich schüttelte den Kopf. »Dein Höschen kannst du mir ja jetzt nicht mehr zeigen.« Mit diesen letzten Worten brach das Skelett in tränenreichem Gelächter aus und ich blickte mich hilfesuchend nach Robin um. Endlich sah ich sie und sie hatte auch etwas bei sich, um das ich sie, trotz aller Hektik, noch gebeten hatte. Mittlerweile hatten sich auch die anderen Mitglieder der Crew in alle Winde verstreut, sodass Robin dem Musikanten begreiflich machen konnte, dass dieser nicht mehr länger benötigt wurde. Wortlos reichte mir Robin das kleine Bündel und ich inspizierte den Inhalt. »Danke, Robin«, meinte ich und bekam es fertig, etwas zu lächeln. Kapitel 5: Vom Warten und Nichtstun ----------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Fünf ≈ Vᴏᴍ Wᴀʀᴛᴇɴ ᴜɴᴅ Nɪᴄʜᴛsᴛᴜɴ ≈ Um den Anschein und das Aussehen einer richtigen, wie Sanji es nannte, Meerjungfrau zu wahren, bat ich Robin mir eines der diversen Bikini-Oberteile zu bringen, die ich besaß, da der Stoff des Hemds bereits einiges an Gewicht auf mich ausübte. »Es guckt niemand«, flüsterte Robin leise, als sie mir das winzige Nichts an Stoff reichte, ich mich mehr als unbeholfen aus meinem durchnässten Gefängnis befreite und den Bikini, oder zumindest den für mich in diesem Moment wichtigeren Teil davon, überstreifte. »Wie geht es dir?« Erneut erkundigte sich die Archäologin nach meinem Befinden. Während ich ihr kundtat, dass es mir nun etwas besser ginge, reichte ich ihr das T-Shirt, das pitschnass vor sich hin tropfte. Chopper kam die Stufen hinauf gewackelt und machte einen verdutzten Eindruck. Mittlerweile färbte sich der Himmel orange und violett und kündigte die sich langsam anschleichende Dunkelheit an. »Sie haben dich jetzt ins Bassin gesteckt?« Die Frage des Schiffsarztes erschien mir überflüssig, da ich mich auf die Dielen stemmte und gemeinsam mit Robin die Ankunft des Rentiers erwartete. »Sanji geht es besser, nur leichtes Nasenbluten. Das Abendessen ist auch gleich fertig.« Robin erhob sich aus der hockenden Position, in der sie verharrt hatte, trat an die Reling und wrang den triefenden Stoff aus. Während ich ihr dabei zusah bemerkte ich, dass Chopper etwas angespannt dreinschaute. Seine kleinen Ohren wackelten und das nervöse Scharren seines Hufs verrieten mir, dass ihm etwas auf der Seele lag. Ich lächelte ihm aufmunternd zu, doch der Arzt richtete seinen Blick unschlüssig auf den Boden. »Ich bin zwar nicht begeistert von der Situation«, meinte ich und tippte gegen die Tiara auf meinem Kopf, »aber irgendwie werde ich schon meinen alten Körper zurückbekommen.« Man konnte die Zahnrädchen in seinem Kopf förmlich rattern hören, als Chopper nachdenklich vor sich hin starrte. Offenbar überlegte er, was als nächstes zu tun sei. Ich konnte es ihm nicht verübeln, doch schien ich ebenso ratlos zu sein, wie er. »Was ist los?«, fragte ich leise und ließ mich langsam wieder zurück in das kühle Nass sinken, sodass ich abermals wie eine Boje dahin trieb. Mein Körper brauchte die Nähe des salzigen Wassers und ich spürte jede Regung der Zellen, die nun dankbar vor sich hin summten. »Du hast etwas vom Mond gesagt«, brachte der Schiffsarzt endlich hervor und betrachtete mich prüfend. »Habe ich das?«, hakte ich nach und zog die Augenbrauen zusammen, denn ich war mir keines solchen Ausspruchs bewusst. »Wann?« »Als du einen Krampf hattest«, fuhr Chopper erklärend fort und legte nachdenklich den rechten, vorderen Huf unter sein Kinn. »Vollmond.« »Vollmond?«, hörte ich Robin echoen, die nun, mit dem ausgewrungenen Hemd wieder zu uns heran trat. »Die Sage von der Tiara auf deinem Kopf beinhaltet den Vollmond.« »Ach?«, entkam es mir verblüfft und ich grübelte in meinem Oberstübchen nach ebenjenen Worten. Allmählich schlossen sich die Erinnerungslücken und dann fiel es mir wieder ein. »Ja, du hast recht«, sagte ich und blinzelte verwirrt. »Die Dorfbewohner sagten, dass mit der runden Pracht des Mondes der Zenit des Zaubers erreicht sei. Oder war es die Macht des Königs? Ich weiß es nicht mehr.« Plötzliche Erschöpfung übermannte mich. Die letzten Worte, die meinen Lippen entflohen, waren leise, kaum hörbar. »Nami?« Der tröstende Klang meines Namnes ließ mich zu Chopper blicken. »Du brauchst Ruhe!« Ich nickte langsam, bedeutete meinen Freunden jedoch zum wiederholten Male, die Luke des Tanks offen zu lassen. Sie folgten meinem Wunsch und dann verließ mich einer nach dem anderen. Ein gähnender Laut entkam mir, als die letzten Schritte verklangen. Es nützte nichts. Sie würden sich nun in die Küche begeben und zu Abend essen. So, wie wir es gewohnt waren. Meine Finger glitten von den Dielen des Holzbodens, ehe mein Haupt nun ebenso in den Tiefen des Wassers abtauchte. Ich schlug ein paar Mal mit der silbernen Schwanzflosse und innerhalb eines Wimpernschlages befand ich mich auf dem Grund des Beckens. Noch immer staunte ich über das Detailreichtum im Inneren dieses Bassins. Franky hatte wirklich an alles gedacht. Anemonen, Tang und Algen waberten hier unten und die interne Beleuchtung sorgte dafür, dass ich mich mit meiner Umgebung vertraut machen konnte. Ein Poltern erregte meine Aufmerksamkeit. Nun, es war kein Poltern, eher schlug jemand sachte gegen das Glas des Beckens, das zur Aquariumbar gehörte. Doch die Töne waren so laut, dass ich glaubte, mein Schädel wolle in abertausende Stücke zerspringen. Wütend starrte ich in das Gesicht des Kapitäns, er mir mit einer Fleischkeule zuwinkte. Ich schüttelte den Kopf und hoffte, dass er meine Handzeichen verstehen, und das Hämmern gegen die Scheibe unterlassen würde. Ich irrte mich, wie so oft. Endlich hielt Ruffy in seinem Tun inne, da ihn offenbar jemand rief. Zu meiner Verblüffung hatte sich die gesamte Mannschaft in der Bar eingefunden, und lümmelte sich nun auf den langen Bänken und aß seelenruhig das von Sanji zubereitete Mahl. Mein Zorn über Ruffy verflog, als ich mich auf den Grund des Beckens niederließ und meinen Freunden beim Speisen zu sah. Seltsamerweise verspürte ich keinen Drang, ebenfalls essen zu müssen. Auch Durst schien kein Problem zu sein. Ich strich mir die wirren Haare aus dem Gesicht, die immer wieder nach vorn schwangen, da das Wasser stets und ständig in Bewegung war. Ich überlegte, ob ich Robin nicht noch um einen zweiten Gefallen bitten sollte, mir ein Haarband zu bringen, da es ungewohnt für mich war, nun eine solche Haarpracht zu besitzen. Kurz zählte ich die Mitglieder unserer Strohhut-Bande. Trotz meines Zustandes wirkten sie gelöst und Ruffy und Lysop alberten herum. Ich lächelte und rückte näher an die Scheibe. Meine Hände lagen nun auf dem kühlen Glas und ich fuhr mit dem Zählen meiner Freunde fort. Irritiert musste ich feststellen, dass jemand fehlte. Ob es ihm immer noch so übel erging? Ich sollte mir keine Gedanken um den Koch machen, immerhin hatte er für die Crew das Essen zubereitet, also musste sein Zustand stabil sein. Dennoch sah ich ihn nirgends. Robin ließ sich vor mir auf der Bank nieder und betrachtete mich aus ihren hellblauen Augen heraus. Richtig schlau wurde ich nie aus ihrem Gesicht und auch jetzt gelang es mich nicht, ihren Gedanken zu folgen, geschweige denn diese zu erahnen. Dennoch, sie beobachtete mich und als ich mittels Fingerzeig nach oben, an die Oberfläche, deutete, nickte sie und erhob sich sogleich wieder von ihrem Platz. Ich schüttelte den Kopf, ich wollte nicht, dass sie wegen mir ihr Abendbrot nicht genießen konnte, doch da hatte die Frau bereits die Lounge verlassen. Gedämpfte Schritte verlangten nach meiner Aufmerksamkeit. Ich schoss binnen weniger Sekunden nach oben, doch mein Elan rächte sich sogleich und so landete mit dem Oberkörper voran auf die sonnengewärmten Dielen des Decks. Gerade kam Robin auf mich zu und legte den Kopf schief. »Zu viel Schwung«, erklärte ich und rappelte mich auf. Abrupt reagierten meine Sinne, meine Haut und die Schuppen auf mein Fernbleiben. Ich hatte mein Terrain verlassen. Umständlich drehte ich mich herum und bugsierte die untere Hälfte meines Körpers auf das Metall des Lukenrandes. »Robin«, begann ich und sah zu ihr auf. Der Blick meiner Kameradin schimmerte vor Faszination, ehe sie mich mit einem schwachen Nicken aufforderte, fortzufahren. »Ich wollte dich nicht beim Essen stören.« »Kein Problem«, gab sie zurück und wischte meine Entschuldigung mit einem Wink beiseite. »Ich wollte dich um zweierlei Dinge bitten«, sprach ich weiter. »Erstens: Ruffy soll aufhören, gegen das Glas zu schlagen. Es ist ohrenbetäubend laut und ich hatte beinahe das Gefühl, mein Kopf würde bersten.« »Ist notiert«, erwiderte Robin mit einem ruhigen Lächeln in der Stimme. »Niemand klopft an das Glas des Bassins. Einverstanden. Ich werde mich bemühen, es den Jungs begreiflich zu machen.« »Danke«, murmelte ich und schlug sanft mit der Flosse in das Nass unter mir. »Und Zweitens: Wärst du so nett, mir ein Haarband zu bringen? Diese Mähne nervt und ich kann nicht genügend Konzentration aufbringen, sie mir immer wieder aus dem Gesicht zu streichen, wenn ich mich für ein paar Augenblicke ruhig verhalte.« »Ist ebenfalls notiert. Sonst noch was?«, hakte sie nach und ich konnte mir nicht erklären, weshalb sie sich so verhielt. »Hm, ja«, entkam es mir leise. »Wo ist Sanji? Hat er allein gegessen?« »Der Schiffskoch müsste noch in der Kombüse sein«, gab Robin zurück und zuckte mit den Schultern. »Aber es geht ihm besser.« Ich nickte und ließ mich wieder in das Wasser gleiten. Abermals reagierte mein Körper sofort, doch ein kurzer Aufenthalt an der Luft schien dennoch möglich. Keine zwei Minuten später kam Robin mit dem, von mir erbetenen, Band zurück und ich wickelte es hastig um das lange Wirrwarr feuchter, dunkler Strähnen. »Brauchst du noch etwas?« Sorge schwang in der Stimme der Archäologin mit, doch ich schüttelte dankbar den Kopf. Somit begab sich Robin wieder in das Innere der Sunny. »Ach, und Nami ... der Schiffskoch hat heute Nachtwache«, ließ sie noch beiläufig verklingen, ehe Robin endgültig aus meinem Sichtfeld verschwand. Verdutzt neigte ich den Kopf zur Seite, beließ es jedoch bei ihren Worten. »Hey, Nami.« Jemand rief nach mir. Ich sah von meinem Tun, die Muscheln am Boden zu betrachten, auf und erblickte Franky an der offenen Luke stehen. Ich eilte zu ihm empor, jedoch in einem gemäßigten Tempo, da ich meine Schnelligkeit erst noch erproben musste. »Franky«, sagte ich, als mein Haupt aus dem Wasser ragte. »Ich habe die Temperatur des Wassers etwas erhöht«, gestand er und ich nickte, da ich mir dieser Veränderung bereits bewusst geworden war. Nachdem die Crew das Abendmahl beendet hatte und die Lichter der Bar erloschen waren, bemerkte ich einen Unterschied. Es waren nur wenige Grade, jedoch war mir die Wärme sehr willkommen. »Danke«, sagte ich erleichtert und wippte mit meiner Schwanzflosse. »Kommst du zurecht?«, hakte er nach und ich nickte, auch wenn ich noch nicht vorstellen konnte, wie ich diese Nacht ohne Kissen, Decke und einer Matratze unter meinem Rücken, überstehen sollte. Plötzlich presste ich meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. »Wir finden einen Ausweg«, versicherte mir Franky und ich war dankbar für seine Worte, auch wenn ich sie von ihm nicht erwartet hatte zu hören. »Da sind wir uns alle einig!« Seinem letzten Satz muss eine rege Diskussion vorangegangen sein, dennoch erfüllte mich die Sorge meine Kameraden mit einem warmen Gefühl. Klackernd hob Franky die Laterne vom Boden auf, und der Schein warf seine Schatten auf Dielen, Schiffswand, ihn und mich. Dann zockelte er davon und das Licht des Lämpchens verlor sich in der Dunkelheit. Kapitel 6: Von nagender Verzweiflung und bitterer Angst ------------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Sechs ≈ Vᴏɴ ɴᴀɢᴇɴᴅᴇʀ Vᴇʀᴢᴡᴇɪғʟᴜɴɢ ᴜɴᴅ ʙɪᴛᴛᴇʀᴇʀ Aɴɢsᴛ ≈ Mit dem Verschwinden des Zimmermanns breiteten sich die Schatten aus und zogen über die Dielen des Decks. Brachten Dunkelheit mit sich und tauchten die Umgebung in finstere Nacht. Nur das Klatschen der Wellen vernahm ich, die sich rhythmisch gegen die Schiffswände drängten. Kleine Lämpchen unter mir flackerten plötzlich auf. Offenbar hatte Franky das Becken mit winzigen Lichtern ausgestattet, die nun für eine diffuse Beleuchtung sorgten. Sie waren nicht sonderlich grell, dennoch konnte ich den Boden des Bassins ausmachen. Ich fragte mich, ob die Fische nicht lieber im Dunkeln blieben, und würde versuchen, vielleicht ein wenig zu schlafen, wenn es mir denn gelänge. Auch kam mir die Temperatur wieder in den Sinn. Für mich, als Mensch, war es ein angenehmes Gefühl und auch, wenn ich vor dieser Katastrophe oft schwimmen gegangen war, und nicht selten einen Unterschied innerhalb des Wassers bemerkte, was die Gradzahlen anbetraf, so schien ich nun, im Körper einer Meerjungfrau, keine warmen Strömungen mehr zu benötigen. Ich wusste nicht, was meine neuen Mitbewohner von mir dachten, oder von mir hielten, doch auch ihnen schien der Wechsel der Temperatur bewusst zu sein und ich wollte nicht, dass sie eines Tages leblos an der Oberfläche trieben. Franky würde, so entschied ich zum Wohle aller im Becken untergebrachten Lebewesen, alles so belassen, wie es zuvor der Fall gewesen war. Mit Dunkelheit und kühler Umgebung. Dumpfe Schritte gelangten an meine Ohren. Doch waren sie noch viel zu weit von mir entfernt. Trotzdem vernahm ich sie, als stünde dieser jemand nur wenige Meter vor mir. Sanji drehte also seine Runde. Es galt, bei der Nachtwache, nicht nur im Krähennest zu hocken und dem Versuch zu erliegen, nicht die Augen zu schließen. Auch das Ablaufen des Schiffes, vom Bug bis zum Heck, gehörte dazu. Ich vermochte nicht zu sagen, ob Sanji meine Nähe absichtlich mied, immerhin schlummerte unser Arzt bestimmt schon seelenruhig in seiner Kajüte und dem Smutje bei seinem Blutverlust behilflich sein, konnte ich nicht. Im Gegenteil. Ich würde wohl noch mehr Leid anrichten, als vermindern. Deshalb dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis die Schritte näher kamen. Allmählich zog der Lichtkegel seine Kreise und das Poltern seiner schweren, dunklen Schuhe wurde deutlicher. Warum ausgerechnet er Wache hielt, entzog sich meinem Wissen. Ich wusste noch, dass Lysop an der Reihe gewesen wäre auf das Schiff aufzupassen, doch ich vermutete, dass dieser sich wohl wieder davor drückte. Meist geschah dies, wenn wir eine Herbstinsel oder gar eine Winterinsel ansteuerten und er wieder einmal irgendeine seiner erfundenen Krankheiten als Begründung vorschob. Doch seit Chopper bei uns an Bord war, musste er sich jedes mal aufs Neue etwas anderes einfallen lassen. »Ah!«, entkam es mir, als mich der Schein der schlackernden Laterne traf und sich vor meinen Augen für einen Moment nur noch bunte Punkte und seltsame Gebilde auftaten. Also schirmte ich meinen Blick ab. »Tut mir leid!«, vernahm ich Sanjis Stimme, die jedoch noch ein paar wenige Schritte von mir entfernt war. Allmählich kam seine hohe Gestalt auf mich zu. Groß, dunkel, sich jedoch von der Finsternis um uns herum abhebend. Das Glimmen der Zigarette in seinem Mundwinkel verriet mir, dass er nicht mehr lange brauchen würde, um vor der Luke des Tanks zum Stehen zu kommen. »Ist alles in Ordnung?«, verlangte der Smutje zu wissen. Ich nickte, bejahte jedoch seine Frage. Um den Koch nicht noch an Blutverlust umkommen zu lassen, entschloss ich mich dazu, oberhalb der Wasseroberfläche zu bleiben. Folglich lugte nur mein bekrontes Haupt aus dem salzigen Nass, als Sanji die Laterne auf das Metallgatter abstellte und sich in eine hockende Position begab. »Wie geht es dir?«, fragte ich vorsichtig und bemühte mich, nicht mehr von mir preiszugeben. Leichte Wellen schlugen gegen meine Wangen und ich mühte mich, den Mund geschlossen zu halten, denn ich war bis zur Nasenspitze wieder abgetaucht. Dem Smutje schien meine Aktion nicht entgangen zu sein. Argwöhnisch zog er die gekringelte Augenbraue empor. Sein Blick jedoch verriet mir, dass er sich wohl ein wenig amüsierte, immerhin hatten wir beide begriffen, dass ich, sobald ich zum Sprechen ansetzte, bis zum Kinn aus dem erwärmten, feuchten Element würde emporkommen müssen. »Nami«, setzte Sanji an und brachte mich dazu, aufzuhorchen. »Was soll das? Sei nicht albern!« Ich begriff nicht, was er mit seiner Frage bezweckte, also zog ich ein fragendes Gesicht. Widerwillig ließ ich mich die wenigen Zentimeter nach oben tragen, sodass ich nun bis zum Hals aus dem Wasser ragte. »Ich will nur nicht, dass ich die anderen aufwecken muss, weil du Blut verlierst.«, entkam es mir zögernd und beinahe trotzig, doch der Smutje schüttelte das flachsblonde Haupt. Unfreiwillig schlug ich mit der Schwanzflosse, sodass jene ein platschendes Geräusch von sich gab, als sie auf der Oberfläche aufkam. Im Schein der Laterne bemerkte ich den neugierigen, sehnsüchtig-schmachtenden Blick Sanjis und zwang mich, diese Dummheit nicht noch einmal zu begehen. »Wann haben wir Vollmond?«, verlangte ich zu wissen, und das nicht nur, um den Smutje von meiner Wenigkeit abzulenken, nein, auch, weil ich den runden Trabanten nicht erspähen konnte. So schnell, wie ein Gewehrschuss, schoss Sanjis Kopf herum. Er erhob sich, hastete auf die Reling zu und blickte zum Sternen besetzten Himmel hinauf. Fast hatte ich Angst, er könne sich seinen Hals verrenken, so, wie er diesen streckte und reckte, nur um meiner Bitte nachzukommen. »Ah!«, rief er freudig klingend aus. Offenbar war es ihm gelungen, das Gestirn zu erblicken. »Hm«, ließ der Koch verlauten, ehe ich ein Rascheln vernahm und seine Stimme wieder näher kam, »in drei oder vier Tagen.« »Oh je«, entkam es nicht nur meinem Mund, auch mein ganzer Körper schien mit dem Ausruf des Erschreckens in einem Zittern gefangen. Gefühle, von solch unterschiedlicher Natur und Stärke, schienen in meinem Inneren miteinander zu ringen. Meine menschliche Seite kämpfte, rannte gegen die Zeit an, die mir durch die Finger glitt, während der meerjungenfrauenhafte Teil beinahe einen Freudentanz aufzuführen schien. »Nami?« Besorgnis und Angst verklangen in meinem Namen, der von Sanjis Lippen gekommen war. Ein Platschen gelangte an meine Ohren und ein Schwall Wasser schwappte über den Rand des Beckens, ehe ich zwei starke Arme ausmachte, die mich umklammerten. »Aber Sanji!«, schrie ich auf und versuchte, den Schiffskoch von mir zu schieben. Sein Griff war nicht einengend, aber fest, sodass ich mich in einer für mich ausweglosen Lage sah. »Sanji«, wiederholte ich spürte die Wärme seines Körpers, trotz der durchweichten Kleidung, die uns trennte. »Sanji, bitte! Du holst dir noch den Tod.« Noch immer war ich so überrascht und überrumpelt von seiner Tat, dass ich nichts weiter zu tun vermochte, als mich und ihn oberhalb des Wassers treiben zu lassen. »Wir finden einen Weg, dich von all dem zu befreien!«, murmelte er an meinem Hals, während vereinzelte, nasse Strähnen seines goldblonden Haares mein Gesicht streiften. Mir war zum Heulen zu mute! Ich wollte keine Meerjungfrau sein! Als er mir näher kam, und sich seine warme Haut an meiner Wange spürte, konnte ich nicht verhindern, dass mir meine Misere in heißen Tränen in die Augen schoss. Ein einziges Mal erst hatte ich entschlossen und laut nach Hilfe verlangt. Damals, als mein Dorf Kokos unter der Tyrannei Arlongs beinahe Zugrunde gerichtet wurde. Ich bat Ruffy, uns zu befreien, mich zu befreien. Mir die Last zu nehmen, die mich eine Dekade lang in Ketten hielt, mir mein Zuhause nahm, meine Familie, meine Mutter, mein Lebensglück und meinen Traum. »Hilf mir!«, flüsterte ich und hoffe inständig, dass Sanji nicht die bittenden Silben vernommen hatte. Doch der Smutje legte plötzlich beide Hände um mein Gesicht, hielt mich ein paar Zentimeter zu sich auf Abstand, nur, um mich anzusehen. Ich wollte nicht, dass er mich so sah. Nicht als Meerjungfrau, nicht verletzlich, nicht klein und hilflos. Und doch zeigte ich ihm all jenes, legte meine Verzweiflung offen, bot sie ihm dar. Seine Daumen strichen über meine Wangen, die brannten und benetzt von salzigen Perlen waren. Seine Finger fuhren zu beiden Seiten meines Halses entlang. Warm, geschmeidig, stark, mit kleinen Schwielen, und Narben. Kapitel 7: Vom Rufen des Meeres ------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Sieben ≈ Vᴏᴍ Rᴜғᴇɴ ᴅᴇs Mᴇᴇʀᴇs ≈ Wie lang mich Sanji in seinen Armen hielt, vermochte ich nicht zu sagen. Viel zu sehr musste ich mich konzentrieren und darauf bedacht sein, mich nicht in seiner Wärme, seinem Duft, der mir unweigerlich in die Nase stieg, und den plötzlich aufkeimenden Gefühlen zu verlieren. Seine Berührungen brachten mich durcheinander. Die Zuneigung seinerseits und die Worte, die von seinen Lippen gewichen waren, die Zuversicht, Mut und Erfolg versprachen. Noch immer verharrten seine langen Finger auf meiner glühenden Haut. Linderten die schmerzliche Hitze, die sich zitternd aus meiner Kehle quälte und meinen Körper zum Beben brachte. So sehr ich mich danach sehnte, befreit aufzuatmen, hielt ich jenen Drang unter Verschluss. Die Crew hatte durch meine Taten bereits genug Leid erfahren müssen und ein Aufschrei meinerseits würde nicht nur mich, sondern auch den Smutje, in eine prekäre Lage bringen. Ich musste etwas tun, doch versagten mir Körper und Verstand ihren Dienst. Ich wollte reagieren und Sanji, wenn es mir gelänge, sanft, aber bestimmt, von mir drücken, denn noch immer verharrte ich tatenlos und schlug nur behutsam mit der Flosse, um uns über Wasser zu halten. Die unmittelbare Nähe zu ihm verunsicherte mich. Ein Räuspern, dass meinen Lippen entfloh, klang kläglich und krächzend zugleich. Abrupt spürte ich einen kühlen Hauch, der mir versicherte, dass der junge Koch ein wenig Abstand zwischen uns brachte. Ich wagte es kaum, ihn anzusehen, denn ich war mir gewiss, dass Sanji fragend und besorgt dreinblicken würde. Dennoch konnte ich dem Drang nicht widerstehen, hob den Kopf und schluckte schwer, als mich das tiefe Blau seiner Augen traf. Die Intensität seiner Seelenspiegel schien ich mir in all der Zeit entgangen zu sein, doch nun, in diesem Moment, war mir, als hätte er mich nie anders betrachtet. Nur erahnen konnte ich, was in dem Mann vorging. »Nami.« Seine Stimme schickte ein Kribbeln über meine, von silbernen Schuppen besetzte, Haut, floss wie Honig über die brennenden Wunden meines Leides. Meinen Namen von seiner Zunge rollen zu hören, schien all das Übel zu lindern, benebelte meinen verzweifelten Verstand und betäubte jene Gedanken, die meinen Geist verdarben. »Ich werde dir helfen!«, versicherte er mir flüsternd. »Nami? Hey, Nami!«, dumpf drang die Stimme unseres Zimmermannes an meine Ohren. Verschlafen rieb ich mir die Augen und hob den Blick. Wie einfach es doch gewesen war, die Nacht in den Tiefen des Bassins zu verbringen, vermochte kaum in meinen Verstand vordringen. All das Nass um mich herum, die Bewohner des Beckens eingeschlossen, schien in Bewegung, wirkte ruhe- und rastlos, dennoch war es mir gelungen, ein wenig Frieden zu finden. Nachdem mir der Smutje seine Unterstützung versprach, verharrte er noch einige Wimpernschläge, die mir beinahe das Herz zerrissen. Denn nie zuvor hatte ich solch eine Zuwendung erfahren, nicht, nach all dem, was gesehen war. Jemandem bedingungslos mein Vertrauen zu schenken war etwas, das ich nur sehr selten tat. Und sich blindlinks Freunde zu machen, so wie es unser Kapitän hielt, zählte auch nicht zu meinen Stärken, ganz im Gegenteil. Ich prüfte so lang und wartete regelrecht darauf, enttäuscht zu werden, dass ich ein Leben als Einzelgängerin führte. Auch wenn ich in den Jahren meiner Jugend gejagt, gehetzt, hinters Licht geführt und verletzt wurde, musste ich doch erkennen, dass nicht jeder Böses im Schilde führte. Ganz langsam und Stück für Stück gelang es mir, die Crew, die Strohhüte, in meine Hoffnungen einzubinden. Und Sanji war unweigerlich ein Teil davon. Als dieser sich aus meinem Blickfeld entfernte, noch triefend nass bis auf die Knochen, war ich umso überraschter, dass sich eine eisige Kälte über mich zu legen drohte, die einer schweren Decke gleichkam, die mich umklammert hielt und sich weigerte, mich aus ihren Fängen freizugeben. Das Licht der Laterne war nur noch ein kleiner Punkt in Mitten von Schwärze. Erneute Angst nagte an mir. Mit dem stetig wandernden Mond spürte ich die Verlockung, eine Versuchung, auf ewig im salzigen Meer daheim zu sein. Ich kehrte dem Trabanten den Rücken, begab mich unter Wasser, um mir, sofern möglich, ein wenig Ruhe zu gönnen. Verblüfft stellte ich fest, dass das diffuse Leuchten der Lämpchen innerhalb der Aquarien-Lounge jene Räumlichkeit in sanfte Töne tauchten. Eine Gestalt huschte durch das Zimmer, ehe ich mich auf den Grund des Beckens niederließ und den Smutje erkannte, der, in eine Wolldecke gehüllt, auf der Sitzbank vor dem gläsernen Behälter Platz nahm. Lang betrachtete ich ihn, folgte, unbewusst, seinen ruhigen Atemzügen, ahmte diese nach und verfiel allmählich in einen dämmerigen Zustand vollkommener Schwebe. Erst Frankys Rufen riss mich aus meiner nächtlichen Flucht. Wieder sah ich zu unseren Zimmermann auf, der verschwommen vor meinen Augen tanzte, ehe ich meinen Blick auf Sanji richtete, den ich nicht ausfindig machen konnte. Von ihm, und der Decke, fehlte jede Spur. Dass der Smutje, trotz Nachtwache und seiner dummen, heiklen Aktion, die eine Erkältung sicherlich nicht ausschloss, seiner Arbeit mit Gewissenheit nachging, war mir bewusst, und doch konnte ich nicht leugnen, dass mir sein Fehlen abermals einen Stich ins Herz versetzte. Ich besann mich, schüttelte weitere Gedanken von mir und begab mich zu Franky an die Oberfläche. »Guten Morgen, Franky«, rief ich ihm zu, doch dieser legte den Kopf schief, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte und mit dem linken, nackten Fuß auf die Dielen tippelte. »Ist alles in Ordnung?«, fragte der Zimmermann. Ich nickte, doch dann entsann ich mir meinem Vorhaben, ihn auf die Umstände innerhalb des Tanks aufmerksam zu machen. Also bat ich Franky darum, alles so zu belassen, wie er es vor meiner Malediktion für richtig befunden hatte. Mit wild umher fuchtelnder Gestik gebot ich ihm, dass ich nicht für den Tod der vielen, vielen bunten Fische verantwortlich sein wollte und hoffte, dass er auch die Lichter löschte, breche die Nacht herein. Franky zeigte sich verständlich, nickte und ich hoffte, dass er meinen Anliegen entgegen kam. »Ah, Nami«, begann er von Neuem. »Lysop hat sich da etwas einfallen lassen.« Mir schwante bereits Übles. Nicht, dass ich kein Vertrauen in die Fähigkeiten unseres Kanoniers und Hobby-Bastlers hatte, doch wenn es um das Funktionieren diverser Gerätschaften ging, dann machte man um Lysop lieber einen großen, sehr großen Bogen. »Oh je«, platzte es dennoch aus mir heraus, ohne, dass ich es den Silben hätte verbieten können. »Keine Panik, seine Idee ist eigentlich ganz cool«, meinte Franky und ob grinsend den Daumen gen Norden. Und obschon sich wieder jene Buchstaben in meinem Kopf zu sammeln drohten, hielt ich sie unter Verschluss. »Ich zeig es dir!« Mit jenen Worten hatte mir der Zimmermann seine Hände gereicht, mich aus dem Becken gefischt und rauschte, mit mir im Schlepptau, unter hastigen, trampelnden Schritten über das Deck. »Achtung, Leute, hier kommt sie!«, flötete Franky und ich glaubte schon daran, dass eine Horde wilder Barbaren auf uns wartete und Franky nur freundlich tat, um mich in Sicherheit zu wiegen, um mich dann, als Attraktion, den Frevlern vorzuführen. Aber meine Ängste und Bedenken zerstreuten sich binnen weniger Sekunden. Vor uns ragte eine riesige Glaskugel auf, die entfernt an ein hiesiges Goldfischglas erinnerte. Im Innern vermochte ich sogar so etwas wie leuchtende Steine und Algen erkennen. Rings um die Kugel standen Ruffy, Chopper und Lysop, dessen Brust vor Stolz anschwoll. »Da guckst du, hm, Nami?«, fragte Lysop und lachte kehlig. Ich verzog das Gesicht und warf Franky einen fragenden Blick zu. »Ist doch gut geworden.« Ich wandte meinen Kopf, um hinter Franky zu spähen und sah Robin aus unserer Kajüte kommen. Langsam stieg sie die Stufen zur Rasenfläche hinab und gesellte sich, ganz die Ruhe selbst, zu unserer Gruppe. Je länger ich dem kühlen Nass fernblieb, desto mehr drängte alles in mir danach, so schnell wie möglich wieder salziges Wasser um mich herum zu spüren. Unweigerlich leckte ich mir die Lippen. »Franky«, erhob Robin erneut ihre Stimme, und deutete mit einem Nicken auf das Gefäß. Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. Robins Gespür für Situationen und ihre Beobachtungsgabe waren für uns unverzichtbar. »Okay«, lachte Franky auf und ging um die Glaskugel herum. Erst jetzt erkannte ich, dass Lysop eine Art Treppe, oder eher Trittleiter, an den Behälter geschlagen hatte, sodass mich der Schiffszimmermann mühelos über den Rand hievte und ins Wasser gleiten ließ. Ein stiller, zufriedener Seufzer verließ meinen Mund, als mein Körper wieder seine, für ihn neue, Umgebung ausmachte, aber dieses Glasding war weit weniger geräumig, als es das Bassin tat, doch um mich benetzt zu halten, genügte es offenbar. »Was sollen die Steine?«, fragte ich und griff nach dem Rand der Kugel, um mich empor zu heben. »Das ist Deko«, meinte Ruffy stolz. »Das ist Blödsinn!«, fauchte ich unwirsch und entschuldigte mich sofort. Wieder entwich ein Seufzer meinen Lippen, doch dieses Mal laut und geräuschvoll. »Keine Deko?«, wollte unser Kapitän wissen und zog betreten eine Schnute. »Doch, doch Ruffy«, entgegnete ich resigniert und zwang mich zu einem Lächeln. »Hey, Nami!« Rasch schien meine Unzufriedenheit vergessen, sodass Ruffy breitgrinsend auf mich deutete. »Sieh mal!« Ein Ruck durchfuhr meinen Körper, drängte mich gegen die gläserne Wand und zog mich immer weiter. Dass Lysop das Gefäß auf eine Art Handwagen bugsiert hatte, war mir entgangen und auch Franky schien diese Konstruktion nicht sonderlich zu behagen, zumindest, wenn ich seinem Gesichtsausdruck Glauben schenken konnte. Munter fasste unser Kapitän nach der Griffstange und zog mich über das Grün, jauchzte und lachte, während Lysop hinter ihm her hechtete und aus voller Kehle jubelte und grölte. Selbst Chopper, zu Beginn noch ein wenig verhalten, schien Gefallen daran zu finden und bat darum, mich auch einmal durch die Gegend zerren zu dürfen. »Hey Jungs«, hörte ich abermals Robins Stimme. »Nami sieht schon ziemlich grün aus, im Gesicht!« Abrupt stoppte das Ruckeln und ich schwankte leicht zur Seite. Mich trafen argwöhnische Blicke, als ob ich mich erst über ihre Köpfe würde erbrechen müssen, bis Ruffy und Lysop mit dem Theater inne hielten. Einzig unser Schiffsarzt brachte mir einen besorgten Blick entgegen. »Nami«, begann Chopper und starrte vorwurfsvoll zu mir auf. »Warum hast du denn nichts gesagt?« Noch immer schwirrte alles um mich herum, sodass ich Choppers Anliegen erst einmal ordnen musste. Ich schüttelte den Kopf. »Ich wollte euch den Spaß nicht verderben«, sagte ich stattdessen und zwang ich zu einem Lächeln. »Ja ja, spätestens wenn sie ins Becken gekotzt hätte«, ätzte Lysop, doch ich schlug mit der Flosse auf die Oberfläche, sodass den Kanonier ein Schwall Meerwasser überfiel. »Nami!« Dem Wutanfall des Kanoniers wusste ich mit dem Herausstrecken meiner Zunge entgegen zu wirken. Uns allen entging der skeptische Blick Zorros nicht, als dieser, nach seinem Training, auf uns zu kam. Ein Schnauben, dann das Schütteln des grünen Schopfes folgte, ehe der Schwertkämpfer den Weg in Richtung Kajüten der Männer einschlug. »Also, ich finde meine Idee gut!«, verteidigte sich Lysop, nachdem Zorro im Innern des Schiffes verschwand. »Ich auch«, pflichteten ihm Ruffy und Chopper bei und nickten eifrig. Knarrend wurde die Tür zur Kombüse geöffnet. Sich die Hände an einem Geschirrtuch trocknend, schweifte Sanjis Blick über das Deck. Der Smutje trat an die Reling und wollte wohl soeben mit dem Sprechen beginnen, als ihm die Worte offenbar in der Kehle stecken blieben. Er hastete ans Geländer, kniff die Augen zusammen, sodass sich eine Sorgen- und Grübelfalte bildete. Seine Miene, erst angespannt, löste sich innerhalb weniger Sekunden mit einem breiten, freudigen Grinsen ab. »Da seid ihr ja«, flötete er lachend. »Was haltet ihr davon, wenn wir heute draußen essen?« Seinem Vorschlag kamen vor allem die Jungs mit Begeisterung nach, während ich nur ein schiefes, wenn auch dankbares Lächeln zustande brachte. Denn mich, innerhalb dieser Glaskugel, bis in die Kombüse zu wuchten, käme wohl eher einem Akt der Verzweiflung gleich. Eiligst wies der Koch seine Kameraden an, Tische und Bänke herbei zu schaffen, während Robin, unter Zuhilfenahme ihrer Teufelskräfte, die Tafel deckte. »Ich würde dir gern helfen«, sagte ich an die Archäologin gewandt, doch diese schüttelte, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, den Kopf. Abermals schob man mich an einen freien Platz. »Jungs«, setzte ich an, »das ist mir peinlich.« »Ach ja?«, hörte ich Lysop fragen, der in meiner Aussage wohl eine kritische Äußerung suchte. »Aber sieh es doch mal Positiv, so können wir dich überallhin mitnehmen.« »Na toll«, murmelte ich und ließ mich, für einen kurzen Augenblick, wieder ins Wasser gleiten. Überallhin? Aber ich wollte nicht für Ewig mit einer schuppigen, riesigen Schwanzflosse geschlagen sein. Ich kämpfte den erneuten Zwist der menschlichen- und meerjungfrauenhaften Seite nieder, denn ich spürte, wenn meine Gedanken eine solche Richtung nahmen, den Krieg zwischen ihnen mehr als deutlich. »Komm ... komm zu mir!« Ich hob den Kopf und hielt in der Bewegung, mir die Gabel zum Mund zu führen, inne. »Hat jemand von euch gerade etwas gesagt?«, fragte ich in die Runde, während die Schmatzgeräusche anhielten. Wie immer war es laut und lärmend, und dass wir nun an Deck speisten, minderte diesen Umstand wenig. Ringsum schüttelten meine Kameraden die Köpfe, während ich Robins argwöhnischen Blick auffing, die vorsichtig ihr Haupt von einer Seite zur anderen wandte. Wieder gab man sich dem Verköstigen der Speisen hin und ich tat jenes Flüstern, das an meine Ohren gedrungen war, als Hirngespinst ab. »Ich warte!« Erneut horchte ich auf, doch niemand, nicht einmal Robin oder Franky, gaben einen Laut von sich. Viel zu sehr waren sie mit sich, dem Essen und ihren Gedanken beschäftigt. »Komm ... ich warte auf dich ... so lange schon ...« Klirrend fiel mir die Gabel aus der Hand und landete geräuschvoll auf den Teller. Meine Nervosität tat ich mit einem Zucken der Schultern ab, als mich verdutzte Blicke trafen. Die Sonne über uns setzte ihren Weg fort, sodass es mir in meinem Fischglas allmählich zu warm wurde. »Du siehst blass aus«, meinte Robin, während ich das feine Porzellan auf der einen Hand balancierte und mir mit der anderen Luft zuzufächeln versuchte. Ein Keuchen entrann meiner Kehle, als ich den Kopf schüttelte. Plötzlich verschwand der Teller aus meinen Fingern, wurde mir vor der Nase entführt und über den Rand der Glaskugel gehoben. Das man, in meinem Zustand, nicht kalte Schweißperlen von kühlen Wassertropfen zu unterscheiden vermochte, machte meine Situation in diesem, um mich herum und für mich brodelnden Kessel, nicht erträglicher. »Findet ihr nicht, dass es hier nach Fischsuppe riecht?« Eine solche Frage konnte einzig nur von unserem Kapitän gestellt werden. Alarmierend schossen sämtliche Köpfe in meine Richtung. »Nami!« Donnerten Stimmen auf mich ein, doch ich zog betreten meinen Schopf unter Wasser. »Franky, los!«, ordnete Sanji an, der bereits auf dem Sprunge schien. »Schaff sie in den Tank zurück, sofort!« Während mich der Zimmermann aus dem Gefäß wuchtete, keifte der Smutje weiterhin Befehle und Beleidigungen und ließ kein gutes Haar an der Idee des »selbst ernannten Vize-Kapitäns«. Verteidigend schleuderte Lysop ihm eine Begründung nach der anderen entgegen. »So eine vollkommen idiotische Idee, sie in der Mittagszeit in ein Glas zu stecken, das sich aufheizt!«, fauchte der Smutje weiter, ohne auf Robins beruhigende Worte Acht zu geben. »Aber Lysop hat es doch nur gut gemeint«, hob Chopper an und verstummte jäh. Unter quietschenden Lauten öffnete Franky mit einem Fuß die Luke zum Tank und ließ mich, abermals behutsam, ins Wasser sinken. Ich warf ihm einen sorgenvollen Blick zu, den Franky nur mit einem ebenso mitleidigen Zucken der Schultern erwiderte. »Und zur Strafe wascht ihr ab!«, vernahmen wir Sanjis Stimme, ehe schwere, wütend klingende Schritte an unsere Ohren gelangten. Der Smutje steuerte auf uns zu, zündete sich im Gehen eine Zigarette an, während der Ausdruck auf seinem Gesicht wohl jeden, der sich anschickte ihn anzusprechen, in ein Häufchen Asche zu verbrennen drohte. »Du bist nahe!« Fröstelnd fuhr ich mir über die Arme, und zu meinem Glück lag Frankys Interesse bei der Verstimmtheit des Schiffskochs, als auf meiner Person. Dennoch hatten wir Sanji selten so wütend erlebt. Ähnlich einer Dampfwalze ging er den schmalen Gang zwischen Fischtank und Reling auf und ab. Eilte an Franky und mir vorbei, nur um dann, nach ein paar Schritten, wieder umzukehren und mit diesem Spektakel fortzufahren. »Ich kann dich riechen, schmecken ... spüren!« Unruhig warf ich einen Blick zwischen Sanji und Franky hin und her. Keiner von ihnen schien die Stimme zu hören, die nach mir verlangte und mich gleichsam in Panik versetzte. Als der Zimmermann ging, blieb der Smutje bei mir, ließ in seinen Bewegungen jedoch keine Änderung erkennen. Noch immer schien Wut die Oberhand zu besitzen. Ich schüttelte den Kopf und zuckte zusammen, als mich das Flüstern erneut erreichte. Verzweifelt presste ich beide Hände an meine Ohren, um dem Wispern so zu entkommen. »Sanji«, meine eigenen Worte drangen brüchig, zögernd und zaghaft aus mir heraus. Dieser hielt inne und betrachtete mich mit forschem und unruhigem Blick. Der Smutje kniete sich vor das Gatter und streckte seine Finger nach mir aus. Als seine Fingerspitzen meine Wange streiften, vernahm ich das fordernde, drängende Hauchen erneut. »Was ...?« Mit großen Augen sah ich zu Sanji auf. »Nami, was ist das?« Erleichterung überkam mich, da ich mir nun sicher war, nicht den Verstand verloren zu haben. Und als ob die Berührung seiner Glieder nicht genügte, haschten seine Hände nach meinem Gesicht. Halb drohte der junge Koch erneut zu mir ins Becken zu fallen, doch ich reckte mich ihm entgegen, sodass ein Absturz vielleicht verhindert werden konnte. »Nami«, leise, aber umso beunruhigter erklangen seine Worte. »Was ist das? Wer ruft nach dir?« Tränen sammelten sich in meinen Augen. Ohne, dass eine Silbe von meinen Lippen wich, schüttelte ich den Kopf. Sanjis Finger lösten sich von mir. Zeitgleich schien die Stimme über mich herzufallen. Wieder spürte sich seine Hände auf meinen Wangen, ebenso wurde ich etwas aus dem Wasser heraus und in die Höhe gezogen. Der Smutje legte seine Stirn an meine und schloss die Augen, als ob er sich sehr konzentrieren müsse. »Du gehörst zu mir! Wir brauchen einander ... Beeil' dich!« »Sanji ...«, flehte ich und wurde von einem Zischlaut seinerseits unterbrochen. Angestrengt lauschte der junge Mann Worten, die in meinem Kopf umher spukten. »Das Meer«, sagte er, ohne die Lider zu heben. »Das ist es. Das verlangt nach dir.« Ich versuchte den Kopf zu schütteln, doch Sanji hinderten mich daran. »Seit wann hörst du diese Stimme?«, verlangte er zu wissen. »Seit ihr mich in dieses doofe Glas gesteckt habt. Aber vielleicht habe ich es, in all der Aufregung, einfach nicht hören können«, gestand ich und schluckte zitterig, während Wellen, mit jedem Herzschlag drängender, begierig an unser Schiff schlugen. Kapitel 8: Von tiefen Gefühlen und gierenden Fängen --------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Acht ≈ Vᴏɴ ᴛɪᴇғᴇɴ Gᴇғüʜʟᴇɴ ᴜɴᴅ ɢɪᴇʀᴇɴᴅᴇɴ Fäɴɢᴇɴ ≈ Ratlosigkeit machte sich auf den Gesichtern der Strohhut-Piraten breit. Als der Smutje mich freigab und ich zurück ins Becken rutschte, war Sanji mit schnellen Schritten den anderen entgegengeeilt, um ihnen Bericht zu erstatten. Zu meinem Verdruss dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis die gesamte Mannschaft eintraf und mich mit Neugierde, Furcht und Anspannung betrachtete. Erst nach der Erläuterung Sanjis hin, wagte es Robin, nach meinen Wangen zu haschen. Ihre warmen Finger streiften meine Haut und waren mir längst nicht so angenehm, wie es die Berührung des Kochs gewesen war. Dennoch, Robins gerunzelte Stirn offenbarte jenes Entsetzen, das ich bereits erwartet hatte. »Nami – was zum?«, ähnlich den Worten Sanjis, spie auch die Archäologin jene Frage aus. Robin erhob sich aus der hockenden Position in der sie verharrt hatte und blickte von einem Mitglied der Crew zum anderen. Einzig der Smutje vermied es, sie anzusehen. »Robin, was?« Es war Ruffy, der allmählich zu erfassen schien, was vor sich ging. »Berührt sie!«, sagte Robin und ich riss die Augen auf. »Wangen, Stirn ... aber seid ruhig und hört zu!« Abrupt wurde an mir gezerrt. Erst Franky, der mir seine Pranke aufs Haupt drückte. Ihm folgte Brook, der mich mit einem skeletierten Finger an der Schulter traf. Beide schwiegen, lauschten und wichen dann zurück. »Unglaublich«, entkam es dem Schiffszimmermann, während ich trotzig und beleidigt zu Robin aufsah. »Ist ja gruselig!«, hörte ich den Musikanten sagen, verdrehte aber sogleich die Augen, denn wohl nichts war schauriger, als ein sprechendes Skelett mit Geige und Zylinder! Den beiden Neulingen schlossen sich Lysop und auch Chopper an. Der Kanonier etwas grob und ungelenk, doch unser Arzt bemühte sich um Sanftheit. Ähnlich Frankys Tat patschte Ruffy mitten in meinem Gesicht umher, während sich Zorro damit begnügte, unter wachsamen Augen des Smutjes, nach meinem Oberarm zu greifen. »Und jetzt?«, fragte Ruffy in die Runde. »Wir sperren sie weg, bis der Fluch gebrochen ist!«, schlug Zorro vor und beinahe war ich versucht, ihm zuzustimmen. »Wir können Nami nicht wegsperren«, sagte Robin entschieden und auch Sanji hatte bereits seine Stimme erhoben, versiegelte dann aber seine Lippen. »Ich werde noch einmal an Land gehen und die Bewohner befragen.« »Ich komme mit!«, entkam es dem Smutje entschieden, doch die hochgewachsene Frau schüttelte den Kopf. Kurz schien Robin zu überlegen, doch dann deutete sie auf Zorro und Lysop, die, ob nun gewollt oder nicht, teil ihres Vorhabens sein mussten. »Wieso ausgerechnet die zwei?«, fragte ich und sah zu Robin auf. »Was Zorro nicht hört, schnappt Lysop auf, und was einen entgeht, erfasst der andere.« Mit einem Zwinkern wandte sie sich zum Gehen. »Sehr schlau«, merkte Franky an und tippelte abermals grübelnd mit dem nackten, linken Fuß auf den Dielen herum. »Sie gleicht ihre Schwächen aus.« Schweigend sah ich dem Trio nach und hoffte auf das Beste. Ein grummelnder Laut entwich meiner Kehle, da Ruffy erneut versuchte, mir im Gesicht umher zugrabbeln. »Ruff- ... Ruffy, lass das!«, zischte ich, wich seinen Fingern aus und glitt vor ihm davon. »Ups«, vernahmen wir noch, eher der Kapitän kopfüber ins Becken plumpste. »Ich habe doch gesagt, du sollst das lassen!«, entkam es mir fauchend, als ich den Gummi-Kerl an Franky übergab. »Wie wäre es mit Ohrenschützern?«, schlug Ruffy vor, zwar noch immer vor Nässe triefend, doch mit einem wachsamen Ausdruck auf dem Gesicht. Zur Verdeutlichung klopfte er gegen die eigenen Lauscher, umso die bauschig-flauschigen Wärmer anzudeuten. »Das sieht bescheuert aus!«, knurrte Sanji, als das Oberhaupt unserer Crew, kaum, dass er den Vorschlag äußerte, von dannen rauschte und mit dem weichen Material zurückkam. »Wenn es funktioniert«, schmollte Ruffy. »Lysop hätte es gefallen!« »Der ist ja auch für jeden Blödsinn zu haben«, erwiderte der Smutje bissig. Irritiert sah ich zu meinen Kameraden auf, nahm aber dennoch die Schoner entgegen. Zwar dämpften diese die Lautstärke und ebenso das Rufen, doch noch immer vernahm ich deutlich die drängenden Worte des Meeres. Ich schüttelte den Kopf, übergab die Ohrenschützer wieder unserem Kapitän und seufzte. »Noch drei Tage«, murmelte Chopper gedankenverloren, während er einen Huf unter sein Kinn schob. Noch drei Tage, echote es in meinen Ohren. »Sanji«, mahnte ich und sah mit verstimmte Miene zu ihm herüber. Der Smutje war nicht von meiner Seite gewichen, seit er der Crew das Abendessen bereitgestellt hatte. »Du musst etwas essen, und schlafen. Du kannst doch nicht die ganze Nacht hier draußen bleiben!« Der Smutje überging meine Worte, und blieb, wo er war. Sanji hatte sich vor dem Gitter niedergelassen, die Beine angezogen und die Arme um die Knie geschlungen, während er mich aufmerksam betrachtete. Robin und die Jungs waren noch immer nicht wieder an Bord. Vermutlich würden sie auch die ganze Nacht fortbleiben und den Worten der Insulaner lauschen, sollten diese noch ein paar nützliche Details preisgeben. Ein schwerer Seufzer verließ meine Lippen, ehe ich den Kopf schüttelte. Wieder sah ich zu dem jungen Mann auf, der sich erneut eine Zigarette anzündete. Die Dritte, innerhalb der letzten zehn Minuten, so zumindest meine Vermutung. Tief holte ich Luft, während ich mich auf den Koch zubewegte. Sanji vernahm das Platschen, das ich verursachte und wirkte verdutzt. Meine Hand hob sich aus dem Nass und griff behutsam nach seinen Fingern. »Geh schlafen!«, forderte ich flüsternd. Ich wollte nicht, dass er sich sorgte, doch meinen Willen würde ich nicht bekommen, denn der Smtuje schüttelte den Kopf. Die Wärme, die mich erfasste, zauberte mir einen roten Schimmer auf die kühlen, blassen Wangen. »Nami.« Die Stille zwischen uns zerbrach durch den erstaunten Ausspruch meines Namens. Ein flüchtiges Lächeln verweilte auf meinen Lippen, als ich in Sanjis fragendes Gesicht blickte. Sein Griff um meine Finger war behutsam, er gab mir Halt, dennoch haschte ich nach dem Metall der Luke, und erlag dem Versuch, mich aus dem Bassin empor zu heben. Schnell fasste Sanji nach meinem Körper und bugsierte mich, so vorsichtig es ihm möglich war, auf das Gatter. Als er das Wort an mich richten wollte, unterbrach ich seine unausgesprochene Frage, indem ich ihm einen Finger auf die Lippen legte. Ich wollte nichts hören, zumindest nichts, das einem Vorwurf gleichkam, oder vor Besorgnis triefte. Die wirren Stimmen, und das drängende Rufen raubten mir schon zu genüge den Verstand. Auch wenn ich dem Smutje das Sprechen verbot, konnte ich dennoch genug Worte in seinem Gesicht finden, die mich für mein plötzliches Verhalten rügten. Lang ertrug ich es nicht an der Luft. Ohne meinen neuen »Lebensraum« würde es mir alsbald elend zumute sein. Wahrlich wäre ich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Würde japsen, keuchen und nach Wasser gieren. Nach Meer und mehr ... Wieder fuhr mir der Schreck in die Glieder, denn noch immer hallte, wütete und lechzte jenes Verlangen nach mir. Das kühle Nass würde mich willkommen heißen, mich umhüllen wie einen Kokon, mir Kraft und Schutz schenken. Doch etwas in mir weigerte sich, Erbarmen zu zeigen. Ich würde und wollte nicht aufgeben, denn meine Freunde würden alles daran setzen, mich aus dieser misslichen Lage zu befreien. All meine Hoffnung ruhte auf Robin und den Jungs ... und Sanji. Noch immer verweilte mein Finger auf seinen Lippen, doch berührte ich jene sensiblen Stellen kaum. Die Wärme, die sein Körper verströmte, drohte mich zu versengen, gar auszutrocknen. Hart schluckte ich, denn ich wollte ihm nicht zeigen, welch Kraft es mich kostete, an Land und an seiner Seite zu sein. Ich erschrak, als ich seine Hände bemerkte, die sich um mein Gesicht schmiegten. Eingehüllt war ich in seiner Stärke, seiner Wärme und ihn. Sanft fuhren seine Finger über meine Haut. »Geh wieder ins Wasser!«, orderte er, ehe Sanji seine Stirn gegen die meine sinken ließ. »Ich will nicht, dass es dir schlecht geht!« Behutsam griff ich nach seinen Händen, Sanji jedoch behielt seine langen, geschmeidigen Glieder noch immer an Ort und Stelle. Sein Atem ging ruhig und er verharrte in Stille. Um von mir abzulassen, müsste er sich regen, doch der Smutje tat nichts dergleichen. Abermals musste ich den Drang niederkämpfen, die salzigen Perlen nicht hervortreten zu lassen, die sich als schwerer Kloß in meinem Halse zusammenrotteten. Sanji tat mir gut. Ein Sehnen, das stärker war, als das Drängen dem Rufen des Meeres zu folgen, wallte in mir auf und drohte auf mich niederzugehen. Mein Herz ... Es schlug wild in meiner Brust. Die Sehnsucht, die mich erfasste ... Worte, die jenes Gefühl beschrieben, fand ich nicht. Schmerzlich rief ich mir meine Situation ins Gedächtnis. Es durfte nicht sein. Nicht mit ihm... Sein warmer Atem streichelte meine Haut, und oh... das schlagende Instrument, das mich am Leben hielt, setzte für einen Schlag aus. Sanft und behutsam drückte Sanji seinen Mund auf meine Lippen und ich ließ es geschehen. Tränen drangen vorwitzig aus meinen Augenwinkeln ... fielen schweigend, ehe mich ein Zittern erfasste und ich nach Luft verlangte, um diese tief in meine Lungen zu ziehen. Doch das Einzige, das ich schmeckte, war Sanji ... »Du gehörst mir!« Abrupt riss ich die Augen auf und mich von den Lippen des Smutjes los. Etwas, das ich nicht sah, zog mich fort, weg von ihm. All das geschah so schnell, dass mich seine rettenden Finger nicht mehr erreichten. Die dunkle Stimme zerrte an mir, drohte und umschmeichelte mich gleichermaßen. Ich wollte nicht gehen, wollte nicht fort, doch das Meer, der Fluch, forderten ihren Tribut. Erstickt schnappte ich nach Luft, als mich die finstere Macht gegen die Reling presste und mir den Atem nahm. Haltsuchend klammerte ich mich an das Schiffsgeländer, hörte, dass Sanji, ganz außer sich und verzweifelter Panik, meinen Namen schrie. Ich wusste kaum, wie mir geschah, als mich jenes düstere Verlangen über die Brüstung zog. »Sanji«, rief ich und sah ihn holpernden Schrittes auf mich zu kommen. Wieder wich mein Name von seinen Lippen, sein Blick war von Furcht gepackt, von Sorge durchtränkt und Zornes geschwängert. Der Smutje hechtete mir nach, doch hielt ihn die Reling zurück. Das Letzte, was ich sah, war Sanjis entsetzter, erschrockener Ausdruck auf dem Gesicht, ehe er begriff, dass es kein Entkommen gab. Das Stampfen und Getrampel von eiligen Schritten ließ den jungen Koch herumfahren, denn der Tumult war den übrigen Strohhut-Piraten nicht verborgen geblieben. Ein erneuter, verzweifelter Ausruf meines Namens wich von seinen Lippen, doch gelangten seine Worte nicht an meine Ohren, das Meer hatte mich bereits in seinen eisigen Fängen. In Wut versuchte ich, mich zu befreien, wollte nach oben, an die Oberfläche. Ich gierte nach dem Himmel, nach Luft und meinen Freunden. Mein Blick verschwamm, ob Tränen oder Wasser, salzig waren beide, es machte keinen Unterschied. Doch da, ganz plötzlich, ein Einbruch im Gefüge von wildem Wasser. Jemand fiel, versank wie ein Stein und doch schien ihm eine Leichtigkeit inne, die das eilige Winden wie einen Tanz wirken ließ. »Sanji.« Erleichterung erfasste mich, nahm mein Herz und umhüllte es schützend. Doch er würde für seinen Edelmut zahlen. Das Meer hatte mich in seiner Gewalt und mein Retter drohte sein Ende in den tiefsten Tiefen zu finden. Flink und schnell schwamm der Smutje auf mich zu, hoffend, mich ergreifen zu können, doch je näher er mir kam, desto energischer zog es mich fort. Kapitel 9: Von den Tiefen der See und verlorenen Seelen ------------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Neun ≈ Vᴏɴ ᴅᴇɴ Tɪᴇғᴇɴ ᴅᴇʀ Sᴇᴇ ᴜɴᴅ ᴠᴇʀʟᴏʀᴇɴᴇɴ Sᴇᴇʟᴇɴ ≈ Hoffnungslos wand ich mich, schlug um mich, wollte atmen. Das Spektakel vor meinen Augen verschwamm, mischte sich mit dem Dunkel des Wassers um mich herum. Mein Stern, jenes Leuchten, mein Ritter, mein Retter ... fort stieß man ihn. Er entglitt meinen Fingern, schnell ... unbarmherzig ... gnadenlos. Ein Kichern, kreischend und von solcher Bosheit, dass mir ein Schauer über den Körper lief, hallte in meinen Ohren wider. Tränen, Quell meiner Qualen, ließen sich nicht bändigen. Mein Herz, es brach. Zerfiel. Meine Finger, klamm und kraftlos. Mein Körper erschöpft und ermattet. Meine Seele zersplittert, verloren und schwarz. »Komm zu mir ...« Ich folgte ... gehorchte ... und starb. Kälte, so unbeschreiblich, dass ich auffuhr. Finster war es um mich herum. Nichts vermochte ich erkennen. Weder Tag, noch Nacht ... Die Zeit, still und schweigend, verharrte reglos. Eis züngelte an meinem Leib, leckte und liebkoste mich, hielt mich fest und gab mich nicht frei. Atme!, forderte ich, doch keine Luft drang in meine Lungen. Ich schlief, starb und erwachte erneut. Jenes Spiel vollzog sich endlos. Kein Weichen, kein Sprechen, kein Fühlen. Was mit mir geschah, was vor sich ging, ob Himmel oder Hölle, Wonnen oder Schmerz, nichts voll dem vermochte ich benennen oder gar von einander unterscheiden. Und doch ... Dort, ein Laut. Klein, kaum zu vernehmen. Leise, dennoch zunehmend, zwang mich auf. Ein Licht, klein, kaum flackernd, stahl sich durch die Dunkelheit. Ich wandte mich um, kehrte dem Schein den Rücken. Schon einmal war ich einem solchen Funkeln erlegen, hatte gewollt und den Schrecken erfahren. Ob Rettung, Hoffnung, Erlösung ... nichts davon begehrte ich. Hier wollte ich bleiben. Hier war ich daheim. In der Finsternis, der Kälte, der Ruhe. Mein Reich, so endlos weit, tief und gefährlich. Es würde mich beschützen, mich rächen, mir zu willen sein. Es würde mir dienen, gehorchen. Wir waren eins, die See und ich. »Nein!« Ein Wort nur, wie eine Last ... dröhnend hallte es in mir nach. Ich kannte es und die Gefühle, die es mit sich brachte. Schrecken, Zurückweisung, Angst. Doch auch Schmerz, Begehren und Bedauern, Unglauben und Furcht. Willen und Trotz. Dumpfe Taubheit legte sich wie ein Schatten über das Land, das mir gehörte. Kein Licht, kein Gefühl, nur das Meer. »Nein!« Wieder jene Silben, die ihre Krallen und Fänge in mich schlugen. Drängend, fordernd. Die Bedeutung ging verloren. Ich wusste nicht mehr, was Recht von Unrecht trennte. Was Glauben und Hoffen miteinander verband. Mein Funken war erloschen. Versiegt und unwiederbringlich verloren. Die Gier hatte gesiegt, labte sich genüsslich an meinem Leiden, meiner Einsamkeit. Nie würde ich zurückkehren. Bleiben würde ich, verharren, und auf die nächste Seele warten, die sich dem Glanze schöner Dinge erwehren würde. Ein Kichern entfloh mir. Kalt, hohl und in der Tiefe verhallend. Finger legten sich um das Herz, das nicht mehr schlug. Dennoch spürte ich jene langen, gebrechlichen Glieder. Es waren die Hände der Hexe, die den kalten, schwarzen Klumpen meiner Brust entrissen und ihn in eine Truhe warfen. Murrend kniff ich die Augen zusammen. Das Kreischen der Vögel war mir zuwider. Ich wollte nicht ihren Liedern lauschen. Keine munteren Klänge vernehmen und kein Frohlocken, da die Sonne bereits ihre ersten Strahlen über die Welt schickte. Schwer fiel es mir, die Lider zu heben. Verschwommen war mein Blick, nichts mochte ich erkennen. Nur das vertraute Rauschen der Wellen ließ mich erleichtert aufatmen. Atmen? Tief sog ich Luft in mich hinein - durch Nase und Mund. Luft bedeutet Leben. Allmählich gelang es mir, mich zu besinnen. Was war geschehen? Meine Finger ertasteten nassen Boden. Sand, feuchter Sand, Tang, Steine und gebrochene Muscheln. Vage wandte ich meinen schweren Kopf von einer Seite zur anderen und registrierte meine Umgebung. Links ragten hohe Felsen auf. Eine Klippe, wie mir schien. Zu meiner Rechten sah ich einen weiten Streifen Land, überwuchert mit Bäumen und Gestrüpp. Eine Bucht, klein und menschenleer. Ich erlag dem Versuch, mich aus meiner Position aufzustemmen. Wie eine Gestrandete hatte ich liegend verharrt. Wurde vom Wellengang, den tirilierenden Boten und der leuchtenden Sonne dazu ersucht, mich zu erheben, aufzustehen. Ein Wirrwarr nasser Strähnen klebte an meinem Rücken und fiel mir ins Gesicht. Langes Haar, im Wasser wie seidig-schimmernde Bänder, die um mich wirbelten. Mein Kopf schmerzte, lindernd griff ich mir an die Stirn, doch das Pochen wollte nicht versiegen. Meine Finger, zitternd, tasteten hinauf zum Schopf und erfassten etwas Schweres. Die Tiara. Die Krone. Jenes machtvolle Herrschaftszeichen, das mich als Herrin der See beschrieb. Doch weshalb war ich an Land? Erschrocken fuhr mein Blick meinen Körper hinab. Stoff bedeckte meinen kühlen Leib, durchnässt zwar, trotz allem vermochte ich statt einer silbrig-schimmernden Schwanzflosse, zwei menschliche Beine zu erspähen. Ein Mensch? Ich? Wie absurd! Ich war eine Meerjungfrau, die Hüterin des Meeres, und kein dummes Menschenkind, das auf zwei Beinen durch die Welt streifte! Eine Regung durchfuhr mich wie ein Blitz. Ich biss mir auf die Lippen, schmeckte Salz und Angst. Wo war ich? Wie war ich hier her gelangt? Wer hatte mein Fortbleiben zu verschulden? Ich schluckte und bemerkte den Drang, etwas kühles meine ausgedörrte Kehle hinab zu spülen. Es erforderte Kraft, meinen Körper den Wellen entgegen zu bringen. Ich fiel vorn über und versuchte mit aller Mühe, etwas Wasser in meine Hände zu schöpfen. Ich kostete und verzog das Gesicht. Noch mehr Salz. Ich schüttelte den Kopf. Erneut erlag ich dem Versuch und spie Laute aus, die ungewohnt für meine Ohren klangen. Kein Meer, keine Flosse. Ich würde sterben. Hilflos blickte ich um mich. Ich war allein. Niemand, der mir zu Hilfe kam. Heiße, nasse Tränen liefen meine blechen Wangen hinab. Kraftlos schleppte ich mich den Strand entlang. Durst hatte ich, mein Magen zog sich protestierend zusammen. Er verlangte nach etwas, das ich zuvor nie in Betracht gezogen hätte. Essen, Nahrung ... Jenes plötzliche Begehren war mir fremd. Es verwirrte mich, ließ mich straucheln und stolpern. Die Schmerzen in meinem Kopf wurden schlimmer. Beinahe unerträglich. Meine Entscheidung, den Wald zu meiden, rächte sich nun. Hier, an der Küste, gab es keinen schattigen Ort, an den ich mich hätte retten können. Es hatte mich zu den hohen Felsen gezogen. Meine Spuren im Sand wurden von den Wellen verschluckt. Sie trugen sie fort, als hätten sich meine Fersen nie in den vielen Körnchen verloren. Meine Schritte waren träge und schleppend. Mein Verlangen nach etwas Trink- und Essbarem schien mir die Sinne zu rauben. Verschwommen und flimmernd traten Bilder auf und zogen von dannen. Ein Reigen, ein Spiel bunter Farben umfing mich, ehe ich den Halt verlor. »Nami?« Ein leises Flüstern drang an meine Ohren. Jemand, etwas, hielt mich gefangen. Arme umschlagen mich, ein Körper presste sich an den meinen. Ein Beben, ein Keuchen. Worte und Stimmen, die mir unbekannt waren, ließen die willkommene Stille in tausend Splitter zerfallen. Laute und Klänge die Freude kundtaten, doch jene Regung war mir unbekannt. Ich wusste weder, wo ich mich befand, noch, wer diese Leute waren. Gesichter tauchten vor mir auf und verschwanden. Nichts greifbares, alles war haltlos, ziellos. »Wo habt ihr sie gefunden?« »Allein?« »Ohne Flosse?« »Was ist mit der Truhe?« »Das könnte eine Falle sein!« ... Fragen, so viele, und Antworten, die ich nicht geben konnte. Doch andere taten dies für mich. »An der Küste, nahe den Klippen.« »Ja, niemand sonst, der bei ihr gewesen wäre.« »Auf zwei Beinen, siehst du doch!« »Keine Truhe, nur Nami.« »Und wenn schon, sie ist wieder da, oder?« ... »Ist der Fluch jetzt gebrochen?« Eine kraftvolle, dunkle Stimme, die alle anderen verstummen ließ. »Nein« Dort, das etwas, das mich hielt, deren Klangfarbe anders war, als die dessen, das ich zuvor vernommen hatte. Es sprach. Sanft, leise, wohltuend. »Nein«, beharrte es weiter. »Das war noch nicht alles. Seht sie euch an!« Wieder schwammen Gesichter auf mich zu. Betrachteten mich, studierten mich wie einen Fisch, den man sezieren musste. Blicke, fragend und besorgt zugleich. Ich hob den Kopf. Wollte Wut und Empörung zu erkennen geben, doch das, was ich fand, war Bestürzung. »Ihre Augen.« Etwas kleines, flüchtiges, das zitternd nach Worten rang und dessen Erscheinung ich mit einer hölzernen Anemone in Verbindung brachte. »Leer, und tief ...« Ich wandte mein Haupt, um den Urheber zu erspähen. Ein komischer Mann, mit komischen Mustern auf den Armen, die an Seesterne erinnerten. Er hatte gesprochen. »Glaubt ihr ...« Erneute Laute, doch sie kamen von einem in Stoff gehüllten Knochengerüst. »Ja, sie ist ein Werkzeug. Eine Hülle. Eine Puppe, die das Werk ihres Meisters beenden soll. Seelenlos ...«, abermals erhob der hünenhafte Seestern-Mann das Wort. Mit letzter Kraft versuchte ich mich, den Armen und Händen entgegen zu stellen. Denjenigen, der mich hielt, stieß ich zurück. Ich erhob mich, suchte und fand einen Ausgang. Auf wackeligen Beinen stürmte ich hinaus und niemand hielt mich zurück. Kapitel 10: Von schlagenden Herzen ---------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Zehn ≈ Vᴏɴ sᴄʜʟᴀɢᴇɴᴅᴇɴ Hᴇʀᴢᴇɴ ≈ Ein Brennen, so heiß wie Feuer, erfüllte meine Lungen, als ich mich aus den Händen dieser Gestalten befreite. Ich lief, doch wusste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Wo war ich? Wer hatte mich hier her gebracht. Warum stolperte ich auf zwei Beinen umher? Sollte ich nicht in den sicheren Tiefen des Meeres verharren? In der schützenden See? Hastend und strauchelnd suchte ich nach einem Ausweg. Meine Füße polterten über blankes, poliertes Holz. Verzweifelt hob ich den Blick, doch meine Augen waren von Tränen verhangen. Hilflos fiel ich in mich zusammen. Krümmte mich, japste nach Luft, die ich nicht benötigte. Ich brauchte Wasser. Kraftlos schleppte ich mich dahin, kroch, wimmerte und vernahm Schritte hinter mir. »Verschwindet!«, fauchte ich, während mir salzige Perlen über die Wangen strömten. »Lasst mich gehen!« Worte, sie formten sich wie von selbst. Ich sprach, doch wie? Eine Stimme, laut und schrill, drang aus meiner Kehle empor. Fremd fühlte es sich an ... Abrupt hielten die stampfenden Laute inne. Ich hob den Kopf, doch erkannte nichts, nur verschwommene Silhouetten. Schatten, die sich im Licht bewegten. Bunte Splitter, die vor meinen Augen tanzten. Ich musste ihnen entkommen. Ich gehörte nicht hier her. Ich musste fort, weg von diesen Biestern, diesen Gestalten, die mich gefangen hielten und mich daran hinderten, wieder in schützende Gewässer zu fliehen. »Nein!«, schrie ich, als wollten meine Lungen bersten. Jemand griff nach mir, packte mich, hob mich empor. »Tötet mich!« Stille trat ein, niemand wagte es, zu sprechen. »Tötet mich!«, bettelte ich und ergab mich den Klauen, die mich hielten. Meine Kräfte waren versiegt. Schwäche hatte meinen Körper erfasst, mich überwältigt. »Was macht ihr?«, klagte ich erschöpft, als mich jenes Wesen auf seine Arme hob. Das Geschöpf wandte sich zu seinen Kameraden um, wirkte verwirrt, während ich kaum wagte, Atem zu schöpfen. Wie schlaffer Tang hing über den Muskeln und bemerkte ein Zucken. Dann Laute, die schnell und hastig in meinen Ohren widerhallten. Niemand sprach, doch das Pochen blieb. »Was machen wir mit ihr?«, vernahm ich und erlag erneut dem Versuch, meine Neu-Entdeckung zu gebrauchen. Ein Krächzen entrann meiner Kehle, doch andere Töne kamen nicht hervor. Was taten sie mit mir? Was hatte ich ihnen getan? Warum? Warum konnten sie mich nicht in Frieden dem Meer übergeben? Mir fehlte die Kraft, mich zu winden. Meine Macht war verloren. Erschöpft ließ ich mich fortreißen. Nichts war mir geblieben. Keine See, die mich rettete. Kein Meer, das mich beschützte. Ich war gefangen. Mein Blick leer, meine Ohren taub. Doch da, abrupt und plötzlich, kaum hatte ich den Gedanken gesponnen, drang ein merkwürdiges Trommeln zu mir heran. Es wuchs, schwoll an, vermischte sich mit anderen, hämmernden Lauten zu einer Art Rhythmus. Viele, kleine Tropfen, die sich zu etwas Großem zusammenfügten. Ich hob die Lider und erkannte Gesichter. Erkannte jene Figuren wieder, die ich zuvor bemerkt hatte. Der Seestern-Mann, der mich auf seinen Armen trug. Sein Hämmern vernahm ich deutlicher, doch auch das Pochen der anderen Gestalten vermochte ich zu hören. Was war das? Ich lauschte, horchte in mich hinein, doch jene Laute konnte ich nicht ausmachen. Still war es in mir. Kein Pochen, kein Klingen. Was war geschehen? Ohne, dass ich mich dem Folgenden hätte zur Wehr setzen können, ließ man mich fallen. Ein platschendes Geräusch erklang und ich rang, vom Schrecken erfasst, augenblicklich nach Luft. Doch das, was ich in meine Lungen strömen ließ, war salzig und nass. Ich zappelte, wand mich und trat ins Leere. Das, was mich so plötzlich umgab, war jenes Nass, das ich so sehr herbeigesehnt hatte, doch erschien es mir trügerisch, als wolle es mich verschlingen. Kein Schutz, keine Rettung. Es zog mich tiefer und presste den letzten, mir noch verbliebenen Odem aus mir. Ich wollte sprechen, wollte schwimmen, doch ich sank, rutschte und fiel. Ergeben schloss ich die Augen, als das letzte Bisschen Atem meinen Lungen entwich. Ich bemerkte kaum, dass etwas nach mir haschte. War dies der Tod, der mich endlich zu sich nahm? Schon oft hatte ich ihn gesehen, begrüßt und wieder fortgeschickt. »Seid ihr wahnsinnig geworden?« Dumpf drangen die Worte zu mir. »Sie ist geflohen und wir dachten ...«, folgte die Erwiderung leise, beinahe flüsternd. »Was dachtet ihr? Dass ihr sie wieder ins Wasser werfen könntet?« Abermals vernahm ich jene Stimme, die erregt schien, aufgebracht und erbost. Dann umfing mich erneute Stille. Ein Trugbild. Verschwommen sah ich eine Gestalt auf mich zuschweben. Groß, dunkel und doch spürte ich eine Wärme, die sich auf meine kühle Haut legte. Wieder bemerkte ich einen Körper, der mich umhüllte, doch er war dünn und weich. Gemurmel vertrieb die Stille. Ein Wesen, das flüsternd etwas verlangte. Doch, was war es? »Bleib bei mir!«, forderte es sanft, umschlang mich mit seinen Armen und presste sich an meine Schultern. Ein Beben setzte ein, das mich gleichermaßen in Schwingung versetzte. Es zitterte, hielt mich fest, ehe Laute, so eigenartig klingend, meine Welt zerbrechen ließen. »Nami.« Wieder dieses Wort ... leise drang es zu mir. »Nami.« Etwas in mir horchte auf. Klein, wie eine Knospe, erschien es mir, während die Gestalt jene Silben sprach. Der Klumpen, schwarz, leblos, brach entzwei. Schrecken ließ mich frösteln, denn ein winziges, leuchtendes Korn entwand sich dem toten, kargen Leib. Ich wehrte mich, wollte nicht, dass der Keimling wuchs. Jene Schlacht in meinem Inneren zog sich fort. Der Kern, und war er noch so jung, reifte, wucherte und dehnte sich mit jedem Herzschlag, der nicht der meine war. Der Klumpen, schwer und voller Finsternis, zerfiel. Wieder hörte ich jenes Pochen. Es schwoll an und zersprang. Wellenrauschen, ein Klang, eine liebliche Melodie, ein Ziehen, ein Zerren und dann ... Ein Laut, so kraftvoll und stark, dass ich glaubte, den Verstand zu verlieren. Etwas schlug in mir, schnell und aufgeregt. Etwas wütete in mir, presste und peitschte, forderte, ehe ich nach Luft rang. »Ein Glück«, flüsterte jene Gestalt und zog mich näher zu sich heran. Mein Kopf, er dröhnte, als wolle er brechen. Meine Finger, klamm, aber dennoch beweglich in den Gliedern. Mein Innerstes erfüllt von einem Klang, den ich so sehr vermisst hatte. »Nami«, wieder ertönte jenes Wort, doch ich erkannte es. Ich erkannte ihn. So schwach ich mich auch fühlte, mein Herz ... es schlug. Pumpte Blut und Sauerstoff durch meinen Körper. »Sanji«, wich es voller Erschöpfen von meinen Lippen. Seine Arme hatten mich umschlungen, ebenso wie die Decke, in die man mich gehüllte hatte. Ich spürte die einzelnen Strähnen seines blonden Haares an Hals und Wange, während sich der Smutje, erleichtert seufzend und Gebete flüsternd, an mich schmiegte. Sanji umklammerte mich wie eine Schlingpflanze aus tropischen Gefilden. Ein mildes Lächeln legte sich auf mein Gesicht. Es war merkwürdig, die Lippen der Art grotesk zu verziehen, doch ich kannte das Gefühl. Ich erkannte es wieder. »Ist der Fluch jetzt gebrochen?« Erwartungsvoll blickten die Strohhut-Piraten auf mich herab. Noch immer war ich in den schweren Stoff gehüllt, denn meine Haut war ausgekühlt. Ruffy, wie hatte er mir gefehlt, trat auf mich zu, ging in die Hocke und taxierte mich. Er musterte mich eindringlich, dann haschte er nach mir. Ich wich zurück, doch ich besann mich und ließ den Kapitän gewähren. Ruffy griff nach der Krone auf meinem Kopf und rüttelte daran, ehe er resigniert den Kopf schüttelte. »Heißt das«, erhob Brook das Wort, »dass es noch nicht vorbei ist?« »Sieht wohl ganz danach aus«, merkte Lorenor Zorro an, der, an eine Wand gelehnt, das Schspiell aus der Ferne beobachtet hatte. Ich stutzte. Zorro? Zorro war hier? Schwach vermochte ich mich zu erinnern, dass Robin, mit ihm und Lysop im Schlepptau, nochmals die Dorfler befragen wollte. Ich reckte den Hals und versuchte, jene hochgewachsene Frau zu erspähen. Erleichterung überkam mich, als ich sie bemerkte, doch sie schwieg. Erneut blickte ich in die Runde. Sah mit großen Augen von einem zum anderen. Wartete auf ein Wort, auf irgendetwas, das mich erlösen würde, doch es blieb still. »Was? Was ist los?«, fragte ich und durchbohrte die Archäologin mit meinem Blick. »So lang ...«, hob Robin endlich an, »so lang noch nicht Vollmond ist, können wir nichts tun.« »Gut«, meinte Sanji und löste sich aus der verkrampften Haltung, in der er sich befunden hatte. Lauernd und beinahe wie zum Sprung bereit, hatte er neben mir verharrt und die Arme vor der Brust verschränkt. »Und wann ist Vollmond?«, verlangte er zu wissen. »Heute Nacht«, ließ Robin verlauten. »Und dann ist alles wieder wie früher?«, fragte ich und war nicht sonderlich überzeugt. Das war zu leicht, nach all dem Schrecken, der mir und uns, widerfahren war. »Nein«, gab unsere Kameradin zurück. »Nein, denn dann fängt alles erst an.« »Spürst du das?«, fragte Chopper und strich mit einer Feder über meinen linken Arm. Ich nickte. Die kleine Daune war bereits das zehnte Objekt, mit dem das kleine Rentier versucht hatte, mir zu entlocken, wie es um meine Empfindsamkeit bestellt war. »Und das?«, fragte Lysop und boxte, wenn auch nur leicht, gegen meine Schulter. »Hey Lysop«, fauchte Chopper sofort und schwoll zu seiner monströsen Form an. Auch ich hatte etwas erwidern wollen, doch ich rieb mir über die schmerzende Stelle und taxierte den Kanonier mit wütendem Blick. »Das macht zehntausend Berry, weil du mir einen blauen Fleck verpasst hast!«, zischte ich und schlang die Wolldecke wieder um meinen Körper. Unter murrendem Protest verließ Lysop die Kajüte. »Er kann froh sein, dass Sanji von all dem nichts mitbekommen hat«, murmelte unser Schiffsarzt und suchte in seinem Koffer nach dem nächsten Gegenstand, den ich auf meiner Haut fühlen sollte. Als er jedoch Sanjis Namen erwähnte, kam ich nicht umhin den Blick zu senken. Was hatte ich ihm angetan? Was hatte ich der Crew angetan? Wann war dieser Schrecken endlich vorüber? Ich konnte nicht länger still und leise ausharren. Ich musste etwas tun, etwas unternehmen. Entschlossen schälte ich mich aus dem Stoff und kam holperig auf die Beine. »Aber Nami.« Chopper sah von seinem Vorhaben auf. »Mir geht es gut, danke Chopper«, versicherte ich ihm und verließ das Zimmer. »Ich muss zur Klippe«, sagte ich, als ich die Kombüse betrat und in die erschrockenen Gesichter meiner Freunde blickte. Das Stimmengewirr war augenblicklich verebbt, als man Notiz von mir nahm. »Auf gar keinen Fall!« Es war Ruffy, der das Wort ergriff, noch ehe jemand anderes dazu im Stande war. »Ruffy«, knurrte ich und sah meinen Plan bereits in Gefahr. »Nur ich allein kann mich dem stellen.« »Nein«, gebot mir der Grünschnabel. »Nein. Ich bin der Kapitän und ich verbiete es!« »Nein«, zischte ich, »den Teufel wirst du tun! Ich habe uns in diese missliche Lage gebracht und ich allein kann uns da auch wieder herausholen, begreifst du das denn nicht, Ruffy?« »Nami«, wandte Robin ein und packte das Buch beiseite, in dem sie gelesen hatte, »wir ...« »Nein!« Doch diesmal war nicht ich es, die sprach. Sanji hatte seine Stimme erhoben. Ein Gefühl, das ich als eigenartig und seltsam empfand, rollte sich tief im Innern meines Herzens zusammen. »Ich werde mit ihr gehen. Allein.« Mein Verstand überschlug sich, denn ich begriff nicht, warum man für den Smtuje kein Wort des Protestes übrig hatte. »Aber ... ihr bleibt in der Nähe. Sollte diese garstige, alte Schachtel eine linke Tour veranstalten, wäre es sicherlich ein Pluspunkt, euch im Hintergrund zu wissen.« Damit war für Sanji die Diskussion beendet. Kapitel 11: Von Klippen, dem Vollmond und nahendem Ende ------------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Elf ≈ Vᴏɴ Kʟɪᴘᴘᴇɴ, ᴅᴇᴍ Vᴏʟʟᴍᴏɴᴅ ᴜɴᴅ ɴᴀʜᴇɴᴅᴇᴍ Eɴᴅᴇ ≈ Mühsam zählte ich die Stunden, bis der Vollmond aufgegangen war. Schob Minuten und Sekunden von einer Seite auf die andere. Folgte den Zeigern, die mein Schicksal festlegten. Unruhe erfasste mich, ließ mich frösteln und zugleich drohte ich schier zu verbrennen. War das, was geschehen war, nur ein Test? Ein Vorgeschmack? Eine Art Probe? Hatte ich mein Glück so sehr strapaziert, dass Fortuna auf Rache sann? Oder hatte mir die Gier wirklich ein Bein gestellt? War meine Jagd nach Reichtümern nun endgültig beendet? Sollte ich wirklich, wenn es uns nicht gelänge den Fluch zu brechen, ein Dasein in den Tiefen des Meeres fristen? Allein? Ohne Freunde? Und ohne jemals meinen Traum erfüllt zu haben? Ich hielt die Hände schützend über den Kopf zusammen, als die Tür zur Kombüse geöffnet wurde. Meine Kameraden hatten mir die Ruhe gegönnt, nach der ich verlangte. Dass ich Ansprüche geltend gemacht hatte, die mir nicht zustanden, rechnete ich ihnen hoch an. So viel war geschehen. So viel Kummer hatte ich ihnen bereitet und trat ihre Freundschaft mit Füßen. Ein grimmiges, verbittertes Lächeln legte sich auf meine Lippen, während ich an die Schwanzflosse dachte, mit der ich bis vor wenigen Stunden noch geschlagen war. Der Bann, noch immer auf mir liegend, hatte seine Wirkung noch immer nicht verloren. Wie vielen Seelen es wohl schon widerfahren war, das Schicksal einer Meerjungfrau annehmen zu müssen? War ich bisher die Erste und Einzige? Hatte mich unsere Reise absichtlich hierher geführt? War es vorbestimmt, oder hatte ich jene Fäden selbst zu einem Strang zusammengeknüpft, der zu fest verwoben war, um ihn zu zerreißen? War es mir vorherbestimmt, die Truhe zu finden? Oder hatte ich mich dem Gold mehr verschrieben, als meinem Herzen gut tat? Ein Luftzug riss mich aus meinen Gedanken. Vor mir erhob sich der Smutje. Von ihm ging eine Anspannung aus, die ich mit jeder Faser fühlen konnte. War es das? War er es? Sollte er es sein? Mein Blick traf erneut das polierte Holz der Tischplatte. Ich vermied es, ihn anzusehen. Er war bereit. Bereit sich dem zustellen, das uns erwartete. »Bist du soweit?«, fragte Sanji und endlich schaffte ich es, zu ihm aufzusehen. Er streckte die Hand nach mir aus, geduldig darauf wartend, dass ich sein Angebot annahm. Noch einmal atmete ich tief durch. Sog Luft in meine Lungen und bemerkte, dass solche Kleinigkeiten lebenswichtig waren. All die Dinge wie laufen, sprechen, atmen ... So selbstverständlich und doch, wenn man jenen Alltäglichkeiten beraubt wird, scheint das Leben auf den Kopf gestellt und aus den Fugen geraten. Die Bank unter mir kratzte über den Boden, als ich sie weiter nach hinten drückte. Ich erhob mich, langsam und sachte, ehe ich um den Tisch herum ging und Sanjis Hand ergriff. Das Meer, mein Reich, das mich verstoßen hatte, rauschte und brauste und beinahe schien es mir, als hätte ich mir den Zorn der See aufgeladen. Bald schon stünde der Mond in seiner hellen Pracht oben am Himmel. Die letzten, magentafarbenen Streifen flohen vor der nahenden Dunkelheit. Das Wechselspiel von Sonne und Mond hatte erneut begonnen. Doch wer hätte ahnen können, dass eine Nacht, so klar, romantisch gar, über Leben und Tod entschied? Fest hielten mich Sanjis Finger umklammert. Mein Herz, es schlug, es schlug so wild, dass ich glaubte, es wolle meiner Kehle entspringen. Zügig setzten wir unseren Weg fort. Immer wieder wandte ich mich zu unseren Freunden um. Freunde, die meine Familie waren. Wärme breitete sich in meinem Inneren aus. Ebenso hoben sich meine Mundwinkel gen Norden. Ich drohte, mich in den Gedanken zu verlieren, doch Sanjis energischer Gang zwang mich, mich wieder auf das Bevorstehende zu konzentrieren. Niemand wusste, was uns dort erwartete, niemand konnte sagen, welchen Ausgang diese Nacht nehmen würde. »Was auch immer geschieht, Nami«, hob Sanji an und ich wagte es, zu ihm aufzusehen. »Ich bleibe bei dir.« Wieder überkam mich ein Gefühl, das mein Herz wärmte. War es das merkwürdige, zuversichtliche Funkeln in seinen Augen, oder das Lächeln in seinem Gesicht? Seine Stimme, die mir Stärke schenkte oder das Vertrauen, das er ausstrahlte? Ich intensivierte den Druck meiner Finger, wollte ihm so signalisieren, dass ich mich auf seine Worte verließ. Kurz hielt ich Sanji zurück. Der Smutje, überrascht von dem plötzlichen Ruck, wirkte für einen flüchtigen Moment verwirrt. Behutsam und vorsichtig strich ich mit der freien Hand über seine Wange. Ich behielt meiner Finger dort und schaffte es, dass er mir näher kam. Doch noch bevor sich unsere Lippen auch nur berührten, unterbrach ich jenes Vorhaben. »Danke«, wisperte ich und stieß ihn von mir. Tränen brannten in meinen Augen, liefen heiß und unbarmherzig meine glühenden Wangen hinab. Wieder war ich geflohen. Wieder war es mir gelungen, zu entkommen. Fahrig wischte ich mir die lästigen Perlen aus dem Gesicht. Ich rannte, geriet ins Wanken und stolperte weiter. Noch immer hörte ich meinen Namen. Er rief nach mir. Sanji, ich wandte mich ab. Ich wollte ihn nicht hören, wollte nicht, dass er in meinem Herzen nachklang wie ein Echo, dass sich an meiner Pein labte. Die Klippe, entsann ich mich atemlos und hielt inne. Wie ich hierher gefunden hatte, konnte ich nicht benennen. Meine Füße schienen mich wie von selbst geführt zu haben. Etwas, tief in mir, wallte und brüllte auf, doch vermochte ich nicht zu sagen, ob es menschlicher, oder dämonischer Natur war. Denn so bezaubernd die Vorstellung auch erschien, mit den Fischen zu schwimmen, man war einzig und allein an das Meer gebunden. Gefesselt und verankert im Herzen der See. Ich sah auf, spürte die Kälte, die der Wind mit sich brachte. Fröstelnd schlang ich die Arme um meinen Körper. Ich fror, zitterte so sehr, dass meine Zähne klappernd aufeinander schlugen. Mein Haar wurde von den Böen zerzaust, ebenso wehte und bauschte sich das weiße, so unschuldig wirkende Kleid, das ich trug, um mich herum. Es flatterte und ergab sich dem Spiel der salzigen Lüfte. Langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Meine nackten Sohlen klatschten auf den kargen Stein, während der unnatürlich starke Hauch seine helle Freude an mir hatte. Wie eine Strohpuppe wurde ich in den Strömungen gebogen und es kostete mich Kraft und Mühe, mich nicht von dem Felsen hinabwehen zu lassen. Endlich, als ich am höchsten Punkt der Klippe angelangt war, wagte ich es, über den Rand zu spähen. Nur die wütende See peitschte unaufhörlich die Gicht an den Mauern empor, während der Wind eisig pfiff und jaulendes Klagelied von sich gab. Vielleicht weinte das Meer um seine Tochter? Oder aber es wartete nur darauf, mich für immer zu verschlingen. »Nami!« Ich wandte mich um. »Verschwinde!«, brüllte ich gegen den tosenden Wind an, der mir die Haare ins Gesicht wehte. »Nami«, wiederholte der Smutje und hastete auf mich zu. Ich wusste nicht, wie es mir gelang, doch als ich den Jungen auf mich zukommen sah, erfasst mich ein Gefühl, das mich zornig werden ließ. »Verschwinde!«, forderte ich abermals und streckte ihm meine flache Hand entgegen. Ich zielte auf seine Brust und sah nur noch, wie der Smutje durch die Luft gewirbelt wurde. Fort von mir. Ich erschrak. Ich wollte ihn nicht verletzen, ihm nicht wehtun. Nicht ihm, nicht Sanji. Wieder brannten Tränen in meinen Augen und ich wandte den Blick ab. Wäre er doch dort geblieben, wo er war! Noch ehe ich einen weiteren Gedanken fassen konnte, vernahm ich das kreischende Kichern der alten Hexe. Verwirrt und erschrocken blickte ich um mich, doch hier oben, auf der Klippe, konnte ich sie nicht ausmachen. Das fürchterlich Kreischen musste seinen Ursprung woanders haben. Ich sah zu Sanji, der noch immer verzweifelt versuchte, sich aufzuraffen. Doch je mehr er sich mühte, desto stürmischer wehte der Wind und drückte ihn nieder. »Komm, Mädchen!« Ich zuckte zusammen, als ich das Rufen der Alten vernahm. Ich sah sie nicht, doch hörte ich ihre Stimme, als stünde sie direkt vor mir. Die brausende See und der heulende Wind schienen ihren Worten nichts anzuhaben. »Komm zu mir, Mädchen!«, forderte die Hexe erneut. Zögernd wagte ich es, mich an den Klippenrand zu tasten. Und dort, auf einem kleinen Felsen, inmitten des tobenden Meeres, stand die winzige Gestalt. Die kleine Laterne und das Flämmchen im Innern erkannte ich sofort. »Nein, Nami, bitte!« Gebannt starrte ich in die Tiefe, doch etwas hielt mich zurück. »Nami, tu' es nicht, bitte!« Der eisige Hauch zerrte an mir, doch ich vernahm nur die drängenden Worte, die ich nicht hören wollte. Wenn ich dem Rufen der Hexe folgte, hätte alles ein Ende. Es wäre vorbei. Ich löste mich von dem flackernden Licht und blickte zum Himmel hinauf. Über mir erhob sich das finstere Firmament, das mit Sternen übersät schien und dort ... beinahe über mir, zog der helle, strahlende Vollmond auf. Wie eine Perle, so schön, so sanft, so anmutig. Er lockte mich, bat mich darum, ihm zu folgen. Mit ihm ins Meer hinabzutauchen, zu versinken. »Du musst nur springen« ... Doch es war nicht der Trabant, der zu mir sprach. Geisterhaft und von einer solchen Boshaftigkeit, dass mein Herz zu zerspringen drohte. Ich riss mich von dem Bild los, wandte mich um und hastete dem entgegen, der mir Schutz versprach. Sanji, noch immer gegen den Wind ankämpfend, wurde durch mein Handeln von den Füßen gerissen. Ich klammerte mich an ihn, wollte mich in ihm verkriechen, wollte, dass all dies ein Ende hatte. Der Smutje hielt mich fest in seinen Armen, während der Sturm um uns wütete. »Das Ende ist nah«, zischte die Hexe und verharrte in den tosenden Wellen, die gierig nach mir verlangten. »Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Spring! Spring und nimm ihn mit dir!« »Nein«, schrie ich mit erstickter Stimme. Ich weinte, weinte bittere Tränen, um mich, das Meer und den Jungen, der mich festhielt. »Sei nicht dumm, Kind. Komm!«, forderte die alte Frau und plötzlich löste ich mich aus der Umarmung des Smutjes. Ich hatte dem nichts entgegenzubringen. Mir war, als hinge ich an einem Faden, der mich mit sich zog. »Nein! Nicht noch einmal, nein!«, herrschte Sanji und hielt mich zurück. »Du bekommst sie nicht!« »Schweig! Unwürdiger Mensch! Deine Seele ist ebenso verkommen, wie die ihre. Gier war es, die sie leiden ließ. Ein Fehler, so verhängnisvoll. Gold und Silber vernebeln den Verstand und Liebe ... sie verdunkelt das Herz. Mögen deine Absichten auch noch so ehrenhaft sein, Jüngling, ihr Ende ist besiegelt. Sie gehört mir!« Mit jenen, letzten Worten brauste die See unter den knochigen Füßen des finsteren Wesens auf und hob es leichtfüßig bis zum Klippenrand empor. Das Haar der Greisin, erst schlohweiß, gewann mit jedem traurigen Schlagen des Herzens, an Schatten. Die fahle, faltige Haut glich nun nicht mehr der, eines alten, gebrechlichen Mütterchens, sondern schien glatt, geschmeidig und makellos. Doch die Augen der Gestalt, trotz äußerlicher Schönheit, blieben schwarze Perlen in einem Meer aus Vollkommenheit. »Sieh mich an!«, forderte die Hexe und ließ sich von der tobenden See auf den Rand der Klippe niedersetzen. »Sie mich an, Königssohn!« »Nein, Sanji, nein. Sieh sie nicht an!«, bettelte ich, denn ich war mir sicher, dass die Greisin, in dieser unbegreiflich faszinierenden Gestalt, schon viele Männer in den Tod geführt hatte. Sanji wich zurück. Er presste mich an seine Brust, während ich mich in den schützenden Lagen des Hemds verkroch. Er wandte den Blick ab, als weigere er sich, der Aufforderung Folge zu leisten. »Ich bin kein Prinz!«, fauchte der Smutje und kniff die Augen zusammen, während die Hexe immer näher schlich. »Oh doch«, drohte jene bezaubernde Magierin, deren Schönheit nur dazu diente, den Verstand zu umgarnen. »Jeder Junge, jeder Mann ist ein Nachkomme des edlen und eitlen Königs. Die Brut des Bösen.« Schützend hielt mich Sanji in seinen Armen. Er hielt mich fest, als wolle er nie mehr von mir lassen. Meine Finger krallten sich haltsuchend an ihm fest, während er der Hexe zu entkommen versuchte. Doch es half nichts. All der Wille, die Augen geschlossen zu halten, erlosch. Sanji hob den Blick, doch starrte er nicht in das Antlitz der wunderschönen Hexe, sondern er sah mir direkt in die Seele. »Sieh sie dir an! Sie hat kein Herz. Sie kennt nur Gier. Da ist nur Verlangen. Verlangen nach Schätzen, Juwelen, Geld und Gold. Und du ... du armseliger Narr! Du klammerst dich an den Gedanken, sie zu retten? Wie töricht. Wie dumm! So etwas wie Liebe gibt es nicht! Sie liebt dich nicht. Und du ... du liebst sie nicht. Du bist nur dem Gedanken erlegen, einem Trugbild, das dein Herz verdreht. Sie reizt dich, ist lieblich anzusehen, doch begreife, Jüngling, dass jene Gefühle nie erwidert werden.« Schrecken erfasste mich, als jenes Biest die Worte sprach, doch der Smutje ließ mich nicht aus den Augen. »Auch wenn sie mich nicht liebt, werde ich sie beschützen!«, knurrte er und zog mich noch enger an sich. »Selbst wenn sie mich nicht liebt, und ich ein dummer, blinder Narr bin, werde ich nicht von ihrer Seite weichen!« Seine Stimme durchfuhr meinen Körper, vibrierte in meinen Knochen. Seine Worte erreichten ihr Ziel. Und auch, wenn es noch so unpassend schien, die Situation nicht hätte auswegloser sein können, schlang ich meine Arme um seinen Hals und presste, in blinder, elender Verzweiflung, meine Lippen auf seinen Mund. Der Strom meiner Tränen wollte nicht schwinden, nicht versiegen. Der Sturm um uns tobte, während mein Leid in salzigen Perlen um uns tanzte und das dunkle Wesen immer näher Schritt. Zaghaft löste ich mich von dem Smutje, hielt noch immer die Lider geschlossen. Ich wollte ihn nicht ansehen. Wollte nicht, dass mich die Qual in Sanjis Augen dazu verdammte, mit Schuld geschlagen zu sein. Langsam ließ ich von ihm ab, bettete meine Hände auf seiner Brust und bemerkte das stetige Zucken seines wild schlagenden Herzens. Ich wich von ihm fort, erlag dem Versuch, ihn erneut von mir zu stoßen, so, wie es mir bisher immer gelungen war, doch er hielt mich auf. »Nicht noch einmal, Nami!«, drohte er und kämpfte gegen den heulenden Wind. »Du verlässt mich nicht schon wieder!« Kraftvoll riss er mich an sich, und noch eh ich begriff, was er tat, stemmte er sich auf. Trotz des tosenden Hauchs, der an uns zerrte, und der peitschenden See, die wütend und verlangend ihre Finger nach mir streckte, richtete sich der Smutje auf. »Verschwinde!«, brüllte er der finsteren Zauberin entgegen. »Du bekommst sie nicht!« »Dann sterbt ihr beide«, kreischte die Hexe und trat einen weiteren Schritt auf uns zu. Wie mühelos es ihr gelang, voran zu kommen, war mir nicht geheuer. »Bleib bei mir!« Wieder vernahm ich Sanjis Stimme. Es waren jene Worte, die mich aus den Tiefen der Dunkelheit befreit hatten. »Bleib bei mir!« Ich blickte zu ihm auf. So viel Leid und Kummer hatte ich verursacht. So viel Schaden angerichtet. Er war nur ein Mensch. Er war nicht willens und nicht stark genug, sich diesem Ungeheuer zu stellen und ich ... ich war es auch nicht. Beide würden wir untergehen. »Sanji«, entfloh es meinen Lippen, doch der Smutje fixierte das hübsche Fräulein, ohne, dass ich ihn von seinem Vorhaben abbringen konnte. Ich wollte nicht, dass er sie betrachtete, denn ich wusste, dass jene schwarze Magierin die Macht besaß, Herzen, wie seines, zu brechen. »Ja«, frohlockte die dunkle Schönheit, »sieh mich an!« Und Sanji tat es. Als er es wagte, einen Schritt auf sie zu zugehen, bemühte ich mich, ihn aufzuhalten. Mit all meiner mir noch verbliebenen Kraft klammerte ich mich an ihn. Doch er, er ließ plötzlich von mir ab. So schnell, so flink, dass ich fiel. Sanji trat der gefährlich verwirrenden Hexe entgegen. Nicht einen Blick schenkte er mir. Ich hatte verloren. Hatte mein Herz an ihn verloren und ihn gleich mit. »Sanji«, schrie ich gegen das Klagelied des Windes an, doch er hörte mich nicht mehr. Ich sah nur noch, wie er auf die bezaubernde Frau zu ging und die Hände nach ihr ausstreckte. Mit einem Lächeln, so voller Hass und Finsternis, schlang die Hexe ihre langen, bleichen Fänge um den Jungen. Hilflos und machtlos hing Sanji in ihren Armen. »Sieh ihn dir an, Mädchen!«, fauchte die Gestalt und jener Liebreiz in ihrem Gesicht schwand. »Er ist wie alle anderen. Du konntest den Prinzen nicht retten. Er gehört mir!« Das kreischende, hohe Lachen ließ mein Herz zersplittern. Ich eilte dem Jungen entgegen, doch die Hexe wehrte mich ab. So, wie ich den Smutje zuvor mit einer Kraft in Schach gehalten hatte, tat das dunkle Wesen es bei mir. Ich wurde von den Füßen gerissen, rappelte mich auf und fiel erneut. Ich kämpfte gegen den Sturm, den Regen und das Meer, das sich dunkel und drohend unter uns erhob. »Sanji«, keuchte ich, während sein schlaffer Körper in den Händen der Kreatur verweilte. »Siehst du, Mädchen?!« Ein Hauch von Mitleid und womöglichem Bedauern lag in den Worten der bösen Fee, als sie den Koch am Halse packte. »Sanji«, schrie ich in blinder Wut und ebenso blinder Verzweiflung. »Nein! Nein! Nicht! Tu' ihm nichts! Bitte!« »Seine Augen«, säuselte die Hexe. »So schön, so blau und doch so ... leblos. Leblos, wie es deine waren!« Ihre letzten Worte gingen mit einem erneuten, kreischenden Lachen einher. »Du willst versuchen, ihn zu retten? Nur zu, du dummes Ding. Doch seine Seele gehört mir!« Das diabolische Grinsen auf ihrem Gesicht brachte erneut das alte, verbitterte Mütterchen zum Vorschein, das ich einst traf. »Seine Seele, sie wird mich am Leben halten. Mir meine Schönheit und Anmut wiederbringen.« Ich stutzte und hielt in meinem Versuch, mich wieder vorwärts zu bewegen, inne. »Du raubst den Männern nicht nur den Verstand, sondern auch noch ihre Seelen?«, fauchte ich und sank erschöpft auf die Knie, während ich das Wesen weiterhin taxierte. Sie nahm Sanjis Gesicht in ihre Hände und zeigte mir das Ausmaß ihrer Macht. Die Wahrheit streckte mich nieder. Sanji, mein Sanji ... Sein Blick, seine Augen, leer und seelenlos. Ich erschrak. Hatte ich nicht schon einmal dieselben Worte vernommen? War es mir wie ihm ergangen? »Sanji«, schluchzte ich und schlug mir die Hände vors Gesicht. Bitterlich heulte ich auf. Klagte mit dem Wind und fiel erneut in mich zusammen. Mein Herz, es riss. Zersprang in viele tausend Stücke. Blutrot, glitzernd ... Wie in Trance nahm ich Notiz von dem, das mein Ende sein sollte. Doch etwas, das ich nicht erwartet hatte, geschah. Es geschah so schnell, dass ich kaum jene einzelnen Teile zusammenfügen konnte. Das dunkle Wesen, dessen Schönheit schier den Verstand kostete, stolperte. Nein, es wurde gestoßen. Doch von wem? Ich hob den Blick und bemerkte die Statur eines Mannes, der die Hexe über den Rand der Klippe zu drängen versuchte. Noch eh sich die Bilder zu einem Ganzen zusammensetzen ließen, erkannte ich Sanji. Er brüllte und stieß die Hexe weiter. Wieder erhob ich mich, und es gelang mir. Kein Wind, der mich hinderte. Ich sah mich um. Niemand war da. Niemand, der mir, uns, zu Hilfe kam. Wo waren meine Freunde? Hatten sie nicht versprechen müssen, in unserer Nähe zu sein? Nahmen sie unser Schicksal einfach als gegeben hin? Würden wir sterben? Würden sie um uns weinen? Ich würde weinen. Weinen um mich und um den Smutje, der sich gegen dieses finstere Subjekt zu behaupten versuchte. Was Sanji der Hexe entgegen zusetzen hatte, konnte ich nicht ausmachen. Ich hastete auf sie zu und bemerkte, dass die Krone auf meinem Kopf nicht mehr jene Tiara war, deren Druck ich zuvor verspürt hatte. Etwas leichter als sonst, erschien es mir. Zaghaft tastete ich nach dem Silber und zuckte zusammen, als ich einen kleinen Riss in dem vollkommenen Gebilde erkannte. Tief war der Schnitt nicht, doch er genügte, um sich in meine Haut zu fressen. Aus der Kuppe meines Fingers quoll Blut hervor. Ich hatte mich geschnitten. Die Krone bekam Risse. Hoffnung wallte in mir auf. Unbeholfen kam ich auf die Füße, doch da war nichts, das mich daran hindern würde, all den Schrecken zu beenden. Ich lief und rannte der Gestalt entgegen und noch ehe ich einen Blick auf Sanji werfen konnte, stieß ich die Hexe mit all meiner Kraft über den Klippenrand. Kapitel 12: Von rettenden Ankern und mutigen Taten -------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Zwölf ≈ Vᴏɴ ʀᴇᴛᴛᴇɴᴅᴇɴ Aɴᴋᴇʀɴ ᴜɴᴅ ᴍᴜᴛɪɢᴇɴ Tᴀᴛᴇɴ ≈ Ein Schrei gellte durch die Nacht, deren Pracht nur noch vom vollen Mond in den Schatten verbannt wurde. Der Unheil bringende, alles zerstörende und doch so unschuldig wirkende Trabant, der seine Bahnen zog und nichts von all dem zu bemerken schien, das unter seinen schlafenden Augen geschah. Leuchtend und kraftvoll strahlte das Gestirn vom finsteren und bedrohlichen Firmament, eine Perle, schimmernd, glitzernd, in einem Meer aus Dunkelheit. Nicht einmal seine treuen Begleiter, die vielen, vielen Sterne, mochten ihm zur Seite stehen. Es war ein einsames Dasein. Während meine Augen zu erfassen versuchten, was meine Hände taten, schien der Rest meines Körpers mehr denn je zu verstehen, dass dies, mein Tun, alles oder nichts zu bedeuten hatte. Ich fiel, fiel mit der Hexe die steile Klippe hinab, deren Felsen wie Dornen waren und der nahende Abgrund mir wie ein gewaltiges Maul erschien, das begierig nach uns verlangte. Mit all der Kraft, die ich noch in mir zu tragen glaubte, hatte ich mich dem Irrglauben hingegeben, jenes machtvolle Wesen hinab in die Tiefe zu zerren. Tränen der Wut, der Verzweiflung und Genugtuung schwanden mit dem Wind, der mir entgegen schlug, während wir den Speeren näher kamen, die sich unter uns erhoben. Ein Laut, so unbekannt, fremd, erfasste meine Ohren. Ein Zischen, Ratschen und Zerren. Schmerz durchbohrte mich wie eine Salve kleiner Steine, abgefeuert aus einem Instrument des Todes. Mir war, als würde mir alle Luft aus den Lungen gerissen. Alles in mir erstarrte, als die Sekunden vergingen und ich mein Ende mit offenen Armen in Empfang nahm. »Robin!« Ich riss den Kopf hoch, ließ von der gierenden Gestalt unter mir ab. Doch die Hexe krallte sich in meine Schultern, stach durch Haut und erfasste Knochen. Schmerz, so elendig, dass ich mich der Hoffnung erwog, es möge schnell vonstattengehen. Schmerz, so heiß und sengend, dass ich glaubte, das Gerüst, das mich trug, würde verschwimmen. Schmerz, der mich zitternd nach Luft ringen ließ, und mir doch allen Atem nahm. Die langen Finger der Greisin verharrten in mir, bohrten sich durch mich hindurch, suchten und fanden einen Weg, mir den letzten Funken Zuversicht zu nehmen. »Lass sie gehen!«, vernahm ich jene vertrauten Klänge, doch tat ich das Gehörte mit einem Trugbild ab. »Ich kann sie nicht beide halten«, japste jemand, dessen Stimme mir lieb geworden war. Abermals versuchte ich, das Spektakel zu ergründen, doch die boshafte Frau zog mich an sich, als wolle sie in meinen Leib fahren. »Vergiss deine Freunde, vergiss deinen Liebsten. Sie können dich nicht mehr retten, Mädchen. Es ist vorbei. Komm mit mir! Komm ...« So verführerisch und verlockend waren ihre Worte. Meine Kräfte verließen mich. Ich fühlte mich leicht, ich schwebte und ergab mich. »Nami!« Nun war das Zischen lauter, dichter, beinahe schien es mir, als wollten jene Silben das Letzte sein, das ich bemerkte, bevor ich starb. »Gib auf, Jüngling!«, drohte die Hexe und mein Körper schlug hart gegen die Felswand. »Sie gehört mir!« Erneut vernahm ich den kreischenden Schrei, dicht an meinen Ohren. Das Gewicht, das jene dunkle Magierin auf mich ausgeübt hatte, schwand. Es wurde fortgerissen. Ich schmeckte Blut auf meiner Zunge, spürte die Qual, als mich die spitzen Fänge verließen. Das Wesen fiel, fiel tiefer, als ich es für möglich hielt. Wärme hüllte mich ein, doch schrieb ich es den letzten Atemzügen zu, die mir noch vergönnt waren. »Jetzt zieht uns endlich rauf!«, forderte die Stimme. Sie erschien mir kraftvoll, dennoch gebrochen. Und all dies bemerkte ich nur verschwommen und am Rande meines kläglichen Bewusstseins. »Schnell!« Eine Forderung die mich aus meinen Träumen riss. »Sie muss es tun, bevor die Sonne aufgeht!« »Nein, sie schafft es nicht!« Eine Erwiderung, die mich zweifeln ließ. Was war geschehen? War all der Schrecken nunmehr vorüber? Hatte ich verloren? Meinen Verstand, meine Seele und mein Herz jenen dunklen Kräften geschenkt? Unter flatternden Lidern versuchte ich etwas zu erfassen. Der harte Untergrund bohrte sich in meinen Rücken und ein Druck, der auf meinen Körper ausgeübt wurde, wollte nicht schwinden. Ich könnte die schnellen Schläge der Herzen hören, die um mich herum wie Trommeln einem Rhythmus nachgingen, der von Aufregung zeugte. Blut begann in meinen Ohren zu rauschen, wie die Wellen der wütenden See. Ich fuhr auf und blickte mich um. Über mir erhoben sich die Gesichter meiner Freunde. Ruffy, Zorro, Lysop, Brook, Franky, Chopper und Robin. Ich wandte mich der Archäologin zu, wollte bereits Worte formen, die meinen Mund verließen, doch stattdessen schnappte ich nach Luft. Mein Japsen vermischte sich mit dem aufbrausenden Wind. Ich war mir nicht bewusst, dass sich jene Töne, die keuchend von Lippen gewichen waren, zu einem Namen zusammengefügt hatten. Die Menge um mich herum teilte sich und bot mir freie Sicht auf jenen Mann, der mir zu Hilfe gekommen war. Am Rand der Klippe verharrte der Smutje. Ich versuchte mich zu erheben und erhielt Unterstützung bei meinem Vorhaben, da Franky und Chopper mich auf meinen wackeligen Beinen hielten. »Nami?« Ich wandte mich erneut zu Robin um, als diese zu mir sprach. »Die Zeit drängt. Du musst ...« Doch ich nickte nur. Ich hatte verstanden und begriff, was zu tun war. Dankbarkeit erfasste mich, ebenso regte sich Erleichterung in mir. Sie ließen mich gehen, ließen mich meinen Weg allein beschreiten. Tapfer setzte ich einen Fuß vor den anderen und endlich trat ich an Sanjis Seite. Ich sah in den nächtlichen Himmel auf und suchte nach dem vollen Mond, der mein Schicksal mit sich nehmen würde, sobald er seinen Platz mit der aufgehenden Sonne tauschte. Wortlos griff ich nach der Krone, die mir, und uns, so viel Leid beschert hatte. Die Tiara löste sich von meinem Haupt, mühelose. Ich spürte Sanjis Blick auf mir. Er hatte mich bemerkt und mein Tun ebenso. »Ganz leicht«, sagte ich und betrachtete das einst so funkelnde Gerüst aus Silber und Perlen. Doch all der Glanz schien erloschen. Stumpf, beinahe schwarz wirkte das Gebilde. Die feinen Glieder, die die Krone zusammen hielten, waren von Rissen durchzogen. Ein Windhauch würde genügen und die Tiara mit sich nehmen. Mein Blick fand den des Smutjes. Auf seinem ernsten Gesicht zeichnete sich ein aufmunterndes Lächeln, wenn auch nur einen Wimpernschlag lang. »Bereit?«, fragte er und ein wohliges Kribbeln kroch über meinen Rücken. Abermals nickte ich und warf die Krone von mir. Ich übergab sie der See und hoffte auf Erlösung. Mit einem leichten Platschen traf die Tiara auf die Meeresoberfläche und wurde sogleich von der tosenden See verschluckt. Gespannt warteten wir ob sich etwas tat. Doch nichts geschah. Verwundert sah ich zu Sanji, der ebenso misstrauisch wirkte. Beide wandten wir uns zu unseren Freunden um. Auf ihren Gesichtern allerdings vermochte ich Anspannung erkennen. »Was ist los?«, rief ich ihnen zu. Robin nagte auf ihrem Daumen herum, während der Rest der Truppe nervös hin und her blickte. »Nami«, erhob Robin ihre Stimme und trat einen Schritt näher. Etwas in ihrer Stimme verriet mir, dass der Schrecken noch nicht vorüber war. Panik erfasste mich. »Die Krone«, begann die Archäologin abermals, »sie muss erst auf den Meeresgrund gelangen. Und das, bevor die Sonne aufgeht.« »Was?«, erschrocken riss ich die Augen auf, doch Sanji schien den Ernst der Lage bereits begriffen zu haben. »Aber sie ist zu leicht!«, wimmerte ich ängstlich und wandte mich zu dem Meer um, das noch immer aufbrausend Wellen gegen die Felsen schickte. Wieder suchte ich den Himmel nach dem Mond ab. Ich fand ihn, doch rang mich plötzlich etwas nieder. Ich sackte zusammen und fühlte ein Gewicht auf mir, das sich nicht fortdrücken ließ. Wieder fühlte ich mich wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ich brauchte Wasser, Meer ... Meine Hände, und Arme ... besetzt mit ... Ich sah zu Robin auf, die ebenso ängstlich wirkte. Ich tastete nach meinen Wangen und fühlte auch dort Fischschuppen ... »Nein!« Wie ein Hauch wich der Kummer von meinen Lippen. Ein Keuchen entrann meiner Kehle, ehe ich einen Schmerz verspürte, der meinen Körper erlahmen ließ. Aus meinen Beinen entwuchs eine Flosse, silbrig schimmernd. »Es ist zu spät...« Ich fuhr zusammen, konnte nicht verstehen, dass die Stimme der alten Hexe noch immer in mir widerhallte. »Sanji, nicht!«, vernahm ich Robins erstickte Worte und sah nur noch, wie sich der Smutje in die Wellen stürzte. »Sanji!« Ich versuchte meinen tauben Körper zu bewegen, als ich Ruffys Aufschrei bemerkte. Auch Zorro hörte ich etwas Unfeines fluchen, während er mit hastigen Schritten auf uns zu kam. »Dieser blöde Idiot!«, fauchte dieser und schien, ebenso wie der Smutje, keinen Gedanken daran zu verschwenden, was geschehen würde, als auch er in die Tiefen des Meeres sprang. »Was?«, entfloh es mir wimmernd. »Was macht ihr denn? Hört auf! Sag ihnen, dass sie aufhören sollen!«, bettelte ich und klammerte mich an Robin. Tränen strömten über mein Gesicht. Ich weigerte mich zu verstehen, was gerade vor sich gegangen war. Als auch Ruffy versuchte, sich die Klippe hinab zu stürzen, hielt Lysop ihn auf. »Du kannst ihnen nicht hinterher, Ruffy! Du würdest untergehen wie eine Bleiente!«, zischte Lysop und versuchte unseren Kapitän an den Armen zurückzuhalten. »Aber dann wäre ich schneller unten!«, herrschte Ruffy und versuchte, sich von dem Kanonier zu befreien. Erst Robins Einschreiten ließ den jungen Strohhut zur Besinnung kommen. »Sie schaffen es nicht«, winselte ich. »Das Meer wälzt sich ständig um und die Krone ist bereits so weit entfernt. Und sie bis auf den Meeresgrund zu bringen ... ist glatter Selbstmord. Es tut mir leid.« Schmerzvoll heulte ich auf. Versuchte mir mit den Fingernägeln die Schuppen von den Wangen zu kratzen. »Ich ... ich muss ...«, spie ich aus, entwand mich Robins Armen und robbte bis zum Klippenrand. »Nami«, schrie man mir nach, ehe ich den Boden unter mir verlor. »Franky, bitte!« Den Blick des Schiffszimmermannes wusste ich nicht zu deuten. Doch bemerkte ich den schweren Kloß, an dem Franky schluckte. »Pass auf dich auf!«, flüsterte er und warf mich der gierenden See entgegen. Sowie ich im kühlen Nass versank, begann alles in mir zu summen. Ich war daheim. Die Schuppen auf meinem Körper reagierten und das Meer hieß seine verlorene Tochter willkommen. Doch mir blieb keine Zeit, jenes euphorische Gefühl auszukosten, das ich der Meerjungfrauen-haften Seite zuschrieb. Ich musste mich beeilen! Also schwamm ich, schwamm so schnell, wie es mir möglich war, ehe ich ein Pochen vernahm. Ich suchte in dem Dunkel des Meeres nach jenem Schlagen und fand Zorro, der flink und hastig geg Boden abzielte. Ich haschte nach ihm und spürte sofort eine Klinge an meinem Hals. Zorro hob die Hände und eine entschuldigende Miene trat in sein Gesicht. Er deutete nach unten und ich begriff. Irgendwo dort musste Sanji stecken. Ich stieß den Schwertkämpfer beiseite, bedeutete ihm, dass er hinauf zur Oberfläche sollte, ehe ihm die Luft ausging. Doch Zorro zögerte. »Geh!«, herrschte ich und ließ von ihm ab. Weiter und immer tiefer tauschte ich hinab. Meine Ohren erfassten das Schlagen eines weiteren Herzens, doch es war schwach. »Nein«, schrillte alles in mir. Ich hastete vorwärts, drängte mich dem Wasser entgegen und erblickte endlich den Smutje, dessen Kräfte ihn alsbald verließen. Ich eilte auf ihn zu, griff nach ihm, erhaschte sein Gesicht. Einzelne Luftblasen verließen seinen Mund und das Pochen seines Pulses drohte in wenigen Augenblicken zuverklingen. Wie in Trance schwebte er vor mir her, erst dann entsann ich mich dem Druck, der in den Tiefen vorherrschte. Sein Körper hielt dem nicht stand. Ich presste Sanji meine Lippen den Mund und hoffte, ihm so ein bisschen mehr Zeit zu verschaffen. Luft strömte aus meinen Lungen in die seinen, ehe sich das Trommeln seines Herzens langsam zu stabilisieren schien. Ich glitt weiter mit ihm nach Oben, um ihn so von der Last zu befreien, die ihn beinahe hatte ohnmächtig werden lassen. Immer mehr Luft schenkte ich ihm, bis ich seinen Puls in meinen Ohren hörte. Sanji hob die geschlossenen Lider und sah mich an. Ich löste mich von ihm, doch er hielt mich auf. Der Smutje drückte mir etwas an die Hand, das ich nicht erkennen mochte. Ich nickte zur Oberfläche empor, doch Sanji schüttelte den Kopf. Er deutete auf meinen Schopfund dann verstand ich. Er hatte es geschafft. Es war ihm gelungen, einen Teil der Krone zu ergreifen. Wieder wallten Euphorie und Dankbarkeit in mir auf, doch noch war der Fluch nicht gebrochen. Ich stieß Sanji mit aller Kraft von mir. »Nach oben, jetzt beeil' dich!«, fuhr ich ihn an und wusste nicht einmal, ob er mich überhaupt hörte, geschweige denn verstand. Dann hetzte ich den letzten Metern entgegen, die über mein Schicksal entschieden. Kapitel 13: Von Erlösung und Liebe ---------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Dreizehn ≈ Vᴏɴ Eʀʟösᴜɴɢ ᴜɴᴅ Lɪᴇʙᴇ ≈ Immer drängender versuchte ich den Grund zu erreichen, doch die Hoffnung, dass jenes, kleine Stück der Tiara genügte, um mich von diesem Elend zu befreien, schwand, je näher ich dem Meeresboden kam. Was würde geschehen, wenn es zu spät war? Wenn die Splitter der Krone nicht genügten? Wenn die Sonne bereits ihre Fühler ausstreckte, die mir wie Klauen waren und mich an das Schicksal einer Meerjungfrau banden? Ich erreichte mein Ziel, endlich. Eiligst strichen meine Finger durch den schweren, dunklen Sand, ehe ich das letzte Puzzleteil an seinen Platz legte. Das einstige, silberne Herrscherzeichen berührte den Boden. Ich übergab es der See. »Nein!« Ich zuckte zusammen und sah jene Hexe, die mir so viel Leid beschert hatte. Die Greisin hielt auf mich zu. Viel zu überrascht war ich von ihrer Wendigkeit und dem Tempo, mit dem sie voran kam. Die pechschwarzen Augen in Panik und Furcht weit aufgerissen erlag sie dem Versuch, die kümmerlichen Reste der Krone vom Boden zu klauben. Ihr Kopf schoss zu mir herum, ehe sie sich mir näherte und ich ihre kalten Krallen an meiner Kehle spürte. Die Kraft, die sie zu beherrschen schien, Bitternis und Zorn, die in den schwarzen Perlen wie Funken aufflackerten, ließen das Weib noch fürchterlicher aussehen. In blinder und rasender Wut packte sie meinen Hals und presste mir alle Luft aus dem Körper. Der Groll fiel über sie her, während ihr Gesicht mir Enttäuschung, Angst und verlorene Liebe zeigte. »Keine Liebe«, zischte sie und bohrte ihre spitzen Nägel in mein Fleisch. »Keine Liebe! Nicht für dich. Für Niemanden!« Das Fauchen des Mütterchens schwoll zu einem Brüllen an. Sie ließ mich sehen, wie sehr sie unter der Zurückweisung des Königssohns hatte leiden müssen. Ich las in ihren Augen, wie ihr das Schicksal die Erfüllung ihres Lebensglücks genommen hatte. All die feindseligen Gefühle, die sich an ihr labten, die einen gebührenden Wirt fanden, um sich zu nähren. All der Kummer und die Traurigkeit. All der Schmerz ... all das Dunkel. Um mich herum wurde es finster. Ich schloss die Augen und wähnte mich bereits dem Tode, als der Druck um meine Kehle schwand. Meine Lider hoben sich und ich bemerkte, wie das Mütterchen verschreckt zu mir blickte und sich die Hände hielt, als habe es sich verbrannt. Dann geschah etwas mit ihrem Gesicht. Jenes alte, faltige Antlitz schien abrupt frisch, rein und makellos, so, wie ich es auf den Klippen gesehen hatte. Das Haar nahm ebenso einen satten, dunkleren Ton an. Aus der alten Frau wurde das schöne Mädchen, das es einst gewesen war. Doch noch immer lag mein Blick auf ihrem vollkommenen Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können, denn um den Mund der Zauberin zuckten Muskeln, als sich ihre Lippen zu einem sanften Lächeln hoben. Ich verstand nicht, was dort vor sich ging und versuchte den Kopf zu schütteln. Dann bemerkte ich, dass die böse Magierin ihren Fokus auf die Krone gerichtet hatte. Traurigkeit blitzte in ihren finsteren Augen auf. Dann sah sie zu mir, und für einen kurzen Moment, der einem Wimpernschlag glich, sah ich das schöne, zarte Blau des Meeres in ihren Irden leuchten. »Geh! Schnell. Die Zeit drängt. Es eilt!« Ihre Stimme klang nach der einer Melodie. So fein und samtig, dass ich kaum begriff, das von diesen Lippen je ein böses Kreischen geflohen war. »Rette deinen Liebsten!« Noch immer verharrte ich ungerührt. Waren ihre Worte nur Täuschung? Doch ich hob den Kopf und erspähte, viele Meter über mir, den Körper Sanjis. Warum war er nicht bereits an der Oberfläche? Ein stechender Schmerz in meiner Kehle mahnte mich zur Eile. Ein letztes Mal noch blickte ich zu dem Mädchen ... zu dem ich beinahe geworden war. Einsam ... Allein ... eine verlorene Seele. Wieder jagte ich die Zeit, die mir durch die Finger glitt. Wieder schwamm ich gegen Sekunden an, die alles oder nichts bedeuteten. Verblüffung zierte mein Gesicht, als ich den Smtuje erblickte. Ich packte sein Hemd und zog ihn mit mir. Doch etwas hinderte mich am schnellen Vorankommen. Ich sah an mir herab und erkannte, dass aus der Schwanzflosse zwei Beine entwachsen waren. Panik brachte alle Glöckchen in meinem Inneren in Alarmbereitschaft. Ich würde es nicht schaffen. Wir würden es nicht schaffen. Ein Schmerz, stechend und pulsierend, brannte in meiner Kehle. Die Kiemen, schalt ich mich. Jene Organe zogen sich bereits zurück, sodass mir nur blubbernd die so dringend benötigte Luft in Blasen aus dem Mund quoll. Nein, nicht jetzt! Angst und Furcht packten mich erneut und ließen mich wie einen schweren Stein hinab sinken. Ich würde es nicht schaffen, es würde mir nicht gelingen, uns beide aus den Tiefen des Meeres zu befreien. »Gib nicht auf!« Erschrocken blickte ich zu Sanji. Seine Stimme hallte in meinen Ohren nach. Doch seine Lippen waren versiegelt. Ich legte ihm meine Finger an den Hals um einen Pulsschlag zu erfühlen. Verwirrung zeigte sich auf meinem Gesicht, denn der Smutje schien einer Ohnmacht nahe. Wieder drängten mich seine Worte zur Eile. Versprachen Mut und Zuversicht. Hoffnung ... sie war zum Greifen nahe, ebenso wie das rettende Licht der Sonne. Wie es mir gelungen war, die Oberfläche zu erreichen, vermag ich nicht mehr zu beschreiben. Doch nur langsam verschwand das Adrenalin aus meinem Körper und ließ einen summenden Klang zurück. Tief sog ich Luft in meine Lungen. Ich atmete! Ich roch die salzige Meeresluft, ja sogar den nahenden Morgen, während ich versuchte, Sanji und mich ans Ufer zu bringen. Japsend schleppte ich uns an den Strand. Zog ihn an den Händen mit mir, ehe ich selbst ermattet und kraftlos in mich zusammenfiel. In der Ferne, viel zu weit, vernahm ich Stimmen. Waren es die Bewohner der Insel, oder gar unsere Kameraden? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich noch lebte. Mein Blick richtete sich auf Sanji, er auf dem Rücken liegend allmählich Luft bekam. Er hustete, röchelte und würgte und da war ich mir sicher, dass der Fluch seine Wirkung verloren hatte. Seinem letzten Versuch, den salzigen Geschmack hinauszuzwingen, folgte das gierige Einsaugen von Sauerstoff. Ein zufriedenes, glückliches Lächeln legte sich auf meine Lippen. Er lebte. Wir lebten. Wir hatten es überstanden. Wir hatten die Prüfung gemeistert. Das Unheil war abgewendet. Die Verwünschung gebrochen. Tief holte ich Luft, schöpfte Atem und schloss die Augen, doch bemerkte ich einen Schatten, der sich über mir erhob. Das sanfte Streicheln seiner Finger ließ mich zusammenfahren, dennoch entfloh mir ein kichernder Laut. Sanji beugte sich zu mir herunter und bettete seinen Mund auf meine Lippen. Ich schmeckte das Meer, den Morgen und ihn. Als ich zu dem Smutje aufsah, erfasste mich Wehmut. Beinahe hätte ich ihn, meine Freunde, meine Freiheit und meinen Traum verloren. Stürmisch schlang ich meine Arme um seinen Hals und zwang ihn so, sich näher an mich zu schmiegen. Eine Sehnsucht wallte in mir auf. In Dankbarkeit verzog sich mein Mund zu einem Lächeln, das Sanji unweigerlich teilte. Schweigend lehnte ich mich an seine Brust und sah der Sonne zu, wie sie langsam über die wogende See glitt. Sanji hatte seine Arme um mich geschlungen, während ich zwischen seinen Beinen verweilte und auf die Wellen blickte, die an den Strand gespült und diesem wieder entrissen wurden. Der Smutje rieb seine Nase an meiner Wange und wieder war ich erfüllt von einem Gefühl, das sich schlicht als »Glück« beschreiben ließ. Ich griff nach seinen Fingern und verknotete sie mit den meinen, wandte mich zu ihm um und küsste ihn flüchtig und neckend. »Mach das nie wieder, hörst du!«, drohte er, kuschelte sich jedoch noch näher an mich. Ein Lachen entfloh mir, ehe ich an mir herunter sah. Ich hatte meine Beine wieder, keine Fischflosse zierte mehr meinen Unterleib. Auch waren die Schuppen auf Armen und Gesicht verschwunden. Bedauerlicherweise waren mir die langen Haare lieb geworden, doch dass mein Haar nun wieder an gefühlten Metern eingebüßt hatte, musste wohl so sein. »Bereust du es?«, fragte ich. »Was?«, hakte er mit einem nervösen Auflachen nach. »Dass du noch etwas warten musst, bis du die nächste Meerjungfrau zu Gesicht bekommst?«, fuhr ich fort und stieß ihm leicht in die Rippen. Sanjis Antwort war nur ein weiterer Kuss, der mich beinahe aus dem Gleichgewicht brachte. Als der Smutje von mir abließ, schnaubte er jedoch nur verächtlich und schüttelte das flachsblonde Haupt. »Mein Interesse an Meerjungfrauen ist für die nächste Zeit gestillt«, raunte er dicht an meinem Ohr. Seine Worte ließen die kleinen Härchen auf meinen Armen zu Berge stehen. »Schön zu hören«, presste ich hervor und mühte mich, mein rasendes Herz zur Räson zubringen. »Und du ...?«, merkte er abermals an. »Wirst du es lassen, deine langen Finger nach Schätzen auszustrecken?« Scharf zog ich Luft durch meine Zähne, ehe ich Sanji wütend anfunkelte. »Auf gar keinen Fall!«, keifte ich und hörte nur das kehlige Lachen seinerseits. Kapitel 14: Vom Suchen und Finden, Fühlen und Verstehen ------------------------------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Vierzehn ≈ Vᴏᴍ Sᴜᴄʜᴇɴ ᴜɴᴅ Fɪɴᴅᴇɴ, Füʜʟᴇɴ ᴜɴᴅ Vᴇʀsᴛᴇʜᴇɴ ≈ Ewig konnten wir unser Beisammensein nicht auskosten. Die Stimmen, die an meine Ohren drangen, erst so weit entfernt, rückten näher. Ich wandte meinen Kopf in die Richtung, aus der ich den Tumult vernahm, ehe sich ein Grinsen auf meinen Lippen ausbreitete. Sanji jedoch schien nicht viel daran gelegen, die Ruhe, oder mich, zu teilen. Fester hielt er mich in seinen Armen, als drohte ich, ihm abermals zu entwischen. Wieder lehnte ich mich gegen ihn, genoss das Schlagen seines Herzens, das mich vor so viel Elend beschützt hatte. Ihn bei mir zu wissen, ließ mich das Geschehene beinahe vergessen. »Mann ... hey, Ruffy! Lass sie in Ruhe!«, dröhnte Zorro, als wir das kichernde Lachen unseres Kapitäns vernahmen. Sanji, die Stirn zwischen meine Schulterblätter gebettet, gab nur einen ergebenen, murrenden Laut von sich. »Nami!«, rief Ruffy laut grölend und ruderte wild mit den Armen. Lysop und Chopper liefen mit Tränen überströmten Gesichtern und triefenden Nasen auf uns zu. »Lass sie doch«, sagte ich sanft und versuchte mich aus Sanjis Umarmung zu lösen. Widerwillig ließ er es geschehen, hielt jedoch meine Hand fest mit seinen Fingern umklammert, als ich mich aus dem Sand erhob. Mein Blick erfasste Robin, die ein erleichtertes Seufzen von sich gab. »Euer Timing war auch schon mal besser!«, fauchte ich, grinste jedoch. Abrupt kam Ruffy vor uns zum Stehen, legte den Kopf schief und wandte sich zum Rest der Crew um. »Wie ...?«, hob unser Kapitän an, doch wurde er von Lysop unterbrochen. »Die beiden wollen allein sein, siehst du das nicht?«, zischte dieser und stemmte die Hände in die schmalen Hüften. »Nein«, sagte ich freiheraus, »das meine ich nicht.« Kurz sah ich zu dem Smutje, der sich ebenso erhoben hatte, doch wirkte Sanji bei meinen Worten ein wenig zerknirscht, um nicht zu sagen, verletzt. »Nein, nein, so meine ich das nicht!«, entfloh es mir hastig und ich hoffte, die trübe Stimmung des Jungen so etwas abzumildern. »Warum seid ihr zu spät gekommen?«, verlangte ich zu wissen und richtete meinen Fokus wieder auf Robin. Ich wusste, dass sie keinerlei Schuld traf und doch appellierte ich in diesem Moment an ihre diplomatische Ader. »Auf den Klippen?«, fügte ich hinzu, da ich nicht wollte, dass das Missverständnis heikler oder Sanjis Gemüt noch verbitterter wurde. Doch Robin blieb stumm, während sich der Zauber des Wiedersehens langsam davonzuschleichen versuchte. »Tut mir leid«, murmelte ich und senkte betreten den Blick. Ich sollte mich schämen, denn nur durch meine Gier waren wir in einen solchen Schlamassel geraten. Salzige Perlen sammelten sich in meinen Augen, brannten und drohten sich in meiner Kehle zu verfangen. Ich schluckte an dem schweren Kloß, der mir die Luft zunehmen drohte. Erst, als meine Knie den weichen Sand berührten bemerkte ich, dass ich in Tränen ausgebrochen und in mich zusammengefallen war. Doch all mein Weinen änderte nichts an der Vergangenheit, oder den Worten und Anschuldigungen, die ich vorgebracht hatte. Dass ich überhaupt noch ein Teil der Crew war ... »Nami?« Ich hob den Kopf, versuchte etwas durch den trüben Schleier zu erspähen und blinzelte die Tränen fort. Die Archäologin trat auf mich zu, klaubte mich auf und drückte mich an sich. »Hey Jungs, das klären wir später. Jetzt lasst uns erst einmal etwas essen.« Ihre Worte und das laute, fröhliche Zustimmen der Mannschaft, ließen mich zitternd auflachen. »Ist schon gut«, fuhr Robin flüsternd fort und strich über mir über den Kopf. Durch all den Trubel war das Knurren meines Magens völlig in den Hintergrund gerückt. Dass ich in all den Stunden nichts gegessen hatte, rächte sich nun und ich verschlang regelrecht die Portionen, die man mir auftrug. Wir hatten das Frühstück kurzerhand an den Strand verlegt und nahmen uns von dem reichhaltigen Angebot, das Sanji für uns bereitstellte. Chopper hatte mich, bevor wir uns auf das Menü stürzten, einer ausgiebigen Untersuchung unterzogen. Erleichtert hatte unser Arzt geseufzt, als er keinerlei Blessuren ausfindig machen konnte. Nun, abgesehen von ein paar Schrammen und blauen Flecken, die aber alsbald verheilen würden. Auch Sanji wurde einer akribischen Sichtung unterzogen, doch bei ihm stellte Chopper, zu meiner Angst, mehr Wunden fest, die jedoch im inneren Bereich lagen. Geprellte und angeknackste Rippen ... dass er sich in die Fluten gestürzt und sein Leben riskiert hatte ... »Alles okay«, sagte er und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, während Chopper einen Verband um seine Brust schlang. Er musste meinen ängstlichen, bangen Blick bemerkt haben. Wieder schluckte ich an einem Kloß in meinem Hals, der angefüllt von Schuldgefühlen war. »Hey«, meinte Sanji und haschte nach meiner Hand, die er zuversichtlich drückte. »Es ist alles in Ordnung. Nichts, was unser Chopper nicht wieder hinkriegt, oder Chopper?« Das Rentier, so sehr in seiner Arbeit vertieft, hob den Blick, zuckte mit den Öhrchen und nickte. Ich blieb so lang, bis unser Arzt den Smutje freigab. Die Bandage blitzten ab und an unter Sanjis Hemd auf, während er sich der Zubereitung des Essens widmete. Mein Blick schweifte umher, blieb an Lysop und Ruffy hängen, die so unbefangen schienen. Ich erspähte Zorro, der ausgestreckt im Sande liegend ein Schläfchen hielt, Franky, der Sanji dabei half, die nötigen Vorkehrungen für das Brutzeln und Braten zu treffen. Brook, der munter auf seiner Violine spielte und eine Siegeshymne zum Besten gab. Robin saß etwas abseits, im Schatten der Bäume, die Hände im Sand aufgestützt und Beine ausgestreckt. Ich entschied das Gespräch mit ihr zu suchen, da der Rest der Crew mit sich, oder dem Essen beschäftigt schien. Langsam ließ ich mich neben ihr nieder, zog die Knie an und starrte aufs Meer. »Also ...«, sagte ich und wandte mich ihr zu. Auf Robins Gesicht trat ein Lächeln, das ihre Augen jedoch nicht erreichte. Dann zog auch sie die Beine an, schlang die Arme um ihre Knie und richtete, wie ich zuvor, den Blick auf die See. »Viele Informationen haben sie uns nicht geben können«, begann sie und ich wusste, dass sie die Dorfler meinte. »Doch ein alter Mann, der Dorfälteste, hatte berichtet, dass ein Exemplar der Sage auf Pergament gebannt wurde.« »Ach?«, entkam es mir überrascht und ich nickte zögernd, verstand jedoch nichts. Ich entließ die angehaltene Luft, als Robin mit ihrer Erzählung fort fuhr: »Es war schon spät, nach elf Uhr, doch er gebot uns, das Schriftstück näher zu betrachten. Wir sagten ihm, dass wir Forscher seien, die sich auf Legenden und Mythen spezialisiert hatten. Zwar beäugte er den Schwertkämpfer kritisch, doch als ich ihm sagte, dass es sich bei diesem mürrisch-dreinblickenden Kerl um unseren Bodygard handle, gab sich der alte Herr damit zufrieden und führte uns zu einem Altar, der die die Legende barg. Die Schrift war alt, das Papier verwittert und beinahe nicht mehr zu entziffern«, legte die Archäologin nach. »Aber ...«, unterbrach ich Robins Rede. »Wenn ein solches Schriftstück existierte, warum haben mir die Bewohner dann keine richtige Auskunft geben wollen?« »Vermutlich aus Angst«, erklärte meine Kameradin. »Viele, junge Männer mussten ihr Leben lassen, sobald die Hexe dem Meer entstieg.« »Hm ...«, murmelte ich grübelnd. »Hatten mich die Dorfler etwa aus Vorsicht mit falschen Informationen versorgt?« »Unwahrscheinlich«, fuhr Robin fort. »Alle hier wissen um die Legende. Wir waren vermutlich nur zur falschen Zeit, am falschen Ort.« »Du meinst ...«, überlegte ich weiter. »Wenn sie um den Fluch der Hexe wussten, dann haben sie nur auf ein dummes Kind gewartet, das nach der Truhe sucht?« Robin schwieg und mir wurde mit einem Male ganz flau im Magen. Wie naiv, einföltig und blind ich doch gewesen war! Gierig, gar besessen von einem Schatz. »Dieses Pack!«, fluchte ich und spürte heiße Tränen der Wut und Enttäuschung in meinen Augen brennen. »Die haben mich benutzt! Mich belogen!« »Nami«, versuchte mich Robin zu beschwichtigen, doch ich winkte ab. Der Groll in meinem Inneren brodelte jedoch unerbittlich. »Soll ich weitererzählen?«, fragte Robin und ich nickte widerwillig, ehe sie damit begann, die Bruchstücke des Puzzles zusammenzufügen. »Die dunkle Fee, die die Krone verzauberte, war unsterblich in den Königssohn verliebt«, sprach Robin und ich nickte abermals, da mir dieser Teil bereits bestens bekannt war. »Dieser jedoch, hatte sich ein Mädchen des Meeres verliebt. Der Hexe jedoch missfiel die tiefe Zuneigung des Jungen, da sein Herz nicht für sie, sondern für die Tochter der See schlug. Das Kind des Ozeans sehnte sich jedoch ein Leben an Land herbei, um für immer mit ihrem Liebsten zusammen zu sein und zu ihrem Glück half man ihr dabei, nicht wissend, dass jene Güte nur ein fauler Zauber war, hinterlistig, falsch und durchtrieben. Doch die Hexe schenkte dem Mädchen statt den Flossen zwei Beine und als der Prinz seine Liebste erspähte, verlangte er sofort die Heirat. Als Zeichen seiner Liebe und Treue übergab ihr die Tiara. Oben, auf den Klippen, schlossen sie ihr Versprechen, aber jemand kam ihnen zuvor. Der Hexe, deren Schönheit jedes Herz verwirrte, war es nicht gelungen, die Zuneigung des Thronerben zu gewinnen, denn dieser hatte sich in das zauberhafte Wesen mit den Flossen verliebt. Die Zurückweisung und das Unverständnis wallten im Innern der Frau, sodass sie das Schmuckstück mit einem Fluch belegte. Sobald die Krone das Haupt des Meermädchens berührte, zierte eine Flosse erneut ihren Leib.« Ich schluckte, denn mir war es auf den Klippen nicht anders ergangen. Zwar schien das glitzernde, schimmernde Krönchen seine Macht verloren zu haben, doch war die Tiara nur das Mittel zum Zweck. »Es war der Tochter Neptuns nicht vergönnt, mit ihrem Geliebten zusammen zu sein. Die finstere Magierin labte sich an dem Unglück der beiden Liebenden. Die gekrönte Prinzessin stürzte sich die Klippen hinab, da ihr ein Leben an Land nun nicht mehr geboten war. Der Prinz jedoch vermisste seine Braut so schmerzlich, dass er sich ebenso in den Tod stürzte. Sein Blut mischte sich mit den salzigen Wellen, während sein Mädchen Tränen vergoss. Nicht ohne ihren Liebsten leben wollend, fand sie eine Möglichkeit, auch ihrem Dasein ein Ende zu setzen. Sie bat die Hexe erneut um einen Gefallen, und diese erfüllte ihr jenen Wunsch mit Freuden, auch wenn das dunkle Herz der Frau einen Riss davon trug. Während ihr Körper auf den Boden des Meeres sank, flog die Seele des Mädchens in den Himmel hinauf, um sich dort, in aller Hoffnung, mit der ihres Prinzen zu vereinen, doch die Hexe verschloss das fühlende Innere des Mädchens in eine Truhe. Die dunkle Fee, noch immer voll Gram und verschmähter Liebe, schwor jedem Mann Rache. Rache für ihr Unglück und die unerwiderte Liebe. Und wenn die Zeit gekommen ist, so erhebt sie sich aus den Wellen, in den Händen eine Truhe haltend. Und all dies geschah vor langer Zeit, in einer mondhellen Nacht.«, damit endete Robin die Legende. Ich schluckte und wischte mir die Tränen von den Wangen. »Aus diesem Grund war es der Hexe so wichtig, dass du die Truhe findest. Vielleicht ergab sie sich der Hoffnung, dass die Tage, bis zum Vollmond, nicht genügten, um dich von dem Flucht zu befreien.« Ich nickte, doch lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. »Dann waren die Perlen und Goldstücke ...?«, meine Gedanken überschlugen sich. »Nein, Nami«, meinte Robin. »Die Truhe war leer. Nur die Tiara war darin verborgen.« »Und die Seele der Meerjungfrau?«, fragte ich hastig und befand mich nun Nase an Nase mit Robin. »Die Schutzheilige, der gute Geist«, erwiderte meine Kameradin und ich wich von ihr zurück. »Vielleicht hat sie dich beschützt?« Ich forschte in meinen Erinnerungen. Die Truhe war leer, keine Perlen, kein Silber, kein Gold. Die Hexe und die Bewohner dieser Insel hatten also wirklich nur auf ein dummes Kind gewartet, dass sich der Gier ergab. »Beschützt?«, wiederholte ich und zog die Stirn in Falten. »Und was hat Sanji damit zu tun?« »Möglicherweise schützt sie die Liebenden«, gab Robin zurück und zuckte die Schultern. »Ein Jüngling und ein Mädchen, die zusammengehören ...« Ich warf meiner Freundin einen skeptischen Blick zu, ehe ich mich nach Sanji umsah und das warme Gefühl bemerkte, das sich unweigerlich in mir ausbreitete. »Möglich ...«, flüsterte ich. »Offenbar musstest du all das auf dich nehmen, um zu erkennen, dass ...«, hob sie an, doch dann verstummte Robin. »Die Jungs rufen zum Essen.« So schnell, wie sie die Worte gesprochen hatte, erhob sie sich, klopfte sich den Sand von der Hose und hielt auf die lange Tafel zu. Ich blieb, wo ich war und dachte an die letzten Minuten zurück. »Lasst uns von hier verschwinden!«, hörte ich Zorro sagen, als wir die restlichen Sachen zusammenpackten. »Ja«, grölte Franky und ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln. »Wir haben hier schließlich genug Zeit vertrödelt. Oh, ähm, nichts für ungut, Nami.« »Kein Problem«, sagte ich. »Aber eine Nacht müssen wir noch bleiben. Der Logport stellt sich erst in ein paar Stunden wieder neu ein.« Das allgemeine Raunen ließ selbst die Vögel in dem Wäldchen aufgeschreckt davon fliegen. Die Sonne versank langsam in den Wellen, während sich der Himmel färbte und die Nacht allmählich anschlich. »Der Mond nimmt ab.« Ich zuckte zusammen, als ich Sanjis Stimme hinter mir ausmachte. Er trat an meine Seite und blickte, ebenso wie ich, zum Firmament hinauf, wo sich bereits vereinzelte Sterne blinkend zeigten. Schweigend haschte ich nach seinen Fingern und legte meinen Kopf an seine Schulter. »Hat euch Robin von der Legende erzählt?«, fragte ich und schielte zu ihm auf. Sanji nickte, entwand sich meiner Hand, legte mir den Arm um die Hüfte und zog mich näher zu sich heran. Ich stutzte, als ich die kleinen Lichter bemerkte. Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. »Glühwürmchen«, entfloh es mir, doch ich erntete nur ein amüsiertes Schnauben. Sanji drückte mir einen Kuss aufs Haupt, während ich mich noch näher an ihn drängte. Ich spürte sein schlagendes Herz, hörte das Trommeln und erinnerte mich, dass ich ohne ihn verloren war. »Sanji«, flüsterte ich und zwang ihn, mich anzusehen, indem ich nach seinem Hemd griff. Seine Finger fuhren zu meinem Gesicht, hielten es behutsam und vorsichtig, als befürchte er, ich könne zerbrechen. Ich reckte mich ihm und seinen Lippen entgegen und Sanji kam meiner stummen Aufforderung nach. Ein Rauschen erfasste meine Ohren, mein Puls schlug wild. Ich unterbrach jenen Moment, indem ich meine Arme um seine Mitte schlang und mein Kopf abermals an seiner Brust ruhte. »Danke«, entkam es mir schwer atmend, aber dennoch erleichtert. Ich hatte mein Leben wieder, meine Freunde, meinen Traum ... und ich hatte jemanden, der mich beschütze und mich liebte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)