Der Fluch der Meerjungfrau von irish_shamrock (Die Gier und ihre verheerenden Folgen) ================================================================================ Kapitel 13: Von Erlösung und Liebe ---------------------------------- Der Fluch der Meerjungfrau ›Die Gier und ihre verheerenden Folgen‹ Kapitel Dreizehn ≈ Vᴏɴ Eʀʟösᴜɴɢ ᴜɴᴅ Lɪᴇʙᴇ ≈ Immer drängender versuchte ich den Grund zu erreichen, doch die Hoffnung, dass jenes, kleine Stück der Tiara genügte, um mich von diesem Elend zu befreien, schwand, je näher ich dem Meeresboden kam. Was würde geschehen, wenn es zu spät war? Wenn die Splitter der Krone nicht genügten? Wenn die Sonne bereits ihre Fühler ausstreckte, die mir wie Klauen waren und mich an das Schicksal einer Meerjungfrau banden? Ich erreichte mein Ziel, endlich. Eiligst strichen meine Finger durch den schweren, dunklen Sand, ehe ich das letzte Puzzleteil an seinen Platz legte. Das einstige, silberne Herrscherzeichen berührte den Boden. Ich übergab es der See. »Nein!« Ich zuckte zusammen und sah jene Hexe, die mir so viel Leid beschert hatte. Die Greisin hielt auf mich zu. Viel zu überrascht war ich von ihrer Wendigkeit und dem Tempo, mit dem sie voran kam. Die pechschwarzen Augen in Panik und Furcht weit aufgerissen erlag sie dem Versuch, die kümmerlichen Reste der Krone vom Boden zu klauben. Ihr Kopf schoss zu mir herum, ehe sie sich mir näherte und ich ihre kalten Krallen an meiner Kehle spürte. Die Kraft, die sie zu beherrschen schien, Bitternis und Zorn, die in den schwarzen Perlen wie Funken aufflackerten, ließen das Weib noch fürchterlicher aussehen. In blinder und rasender Wut packte sie meinen Hals und presste mir alle Luft aus dem Körper. Der Groll fiel über sie her, während ihr Gesicht mir Enttäuschung, Angst und verlorene Liebe zeigte. »Keine Liebe«, zischte sie und bohrte ihre spitzen Nägel in mein Fleisch. »Keine Liebe! Nicht für dich. Für Niemanden!« Das Fauchen des Mütterchens schwoll zu einem Brüllen an. Sie ließ mich sehen, wie sehr sie unter der Zurückweisung des Königssohns hatte leiden müssen. Ich las in ihren Augen, wie ihr das Schicksal die Erfüllung ihres Lebensglücks genommen hatte. All die feindseligen Gefühle, die sich an ihr labten, die einen gebührenden Wirt fanden, um sich zu nähren. All der Kummer und die Traurigkeit. All der Schmerz ... all das Dunkel. Um mich herum wurde es finster. Ich schloss die Augen und wähnte mich bereits dem Tode, als der Druck um meine Kehle schwand. Meine Lider hoben sich und ich bemerkte, wie das Mütterchen verschreckt zu mir blickte und sich die Hände hielt, als habe es sich verbrannt. Dann geschah etwas mit ihrem Gesicht. Jenes alte, faltige Antlitz schien abrupt frisch, rein und makellos, so, wie ich es auf den Klippen gesehen hatte. Das Haar nahm ebenso einen satten, dunkleren Ton an. Aus der alten Frau wurde das schöne Mädchen, das es einst gewesen war. Doch noch immer lag mein Blick auf ihrem vollkommenen Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können, denn um den Mund der Zauberin zuckten Muskeln, als sich ihre Lippen zu einem sanften Lächeln hoben. Ich verstand nicht, was dort vor sich ging und versuchte den Kopf zu schütteln. Dann bemerkte ich, dass die böse Magierin ihren Fokus auf die Krone gerichtet hatte. Traurigkeit blitzte in ihren finsteren Augen auf. Dann sah sie zu mir, und für einen kurzen Moment, der einem Wimpernschlag glich, sah ich das schöne, zarte Blau des Meeres in ihren Irden leuchten. »Geh! Schnell. Die Zeit drängt. Es eilt!« Ihre Stimme klang nach der einer Melodie. So fein und samtig, dass ich kaum begriff, das von diesen Lippen je ein böses Kreischen geflohen war. »Rette deinen Liebsten!« Noch immer verharrte ich ungerührt. Waren ihre Worte nur Täuschung? Doch ich hob den Kopf und erspähte, viele Meter über mir, den Körper Sanjis. Warum war er nicht bereits an der Oberfläche? Ein stechender Schmerz in meiner Kehle mahnte mich zur Eile. Ein letztes Mal noch blickte ich zu dem Mädchen ... zu dem ich beinahe geworden war. Einsam ... Allein ... eine verlorene Seele. Wieder jagte ich die Zeit, die mir durch die Finger glitt. Wieder schwamm ich gegen Sekunden an, die alles oder nichts bedeuteten. Verblüffung zierte mein Gesicht, als ich den Smtuje erblickte. Ich packte sein Hemd und zog ihn mit mir. Doch etwas hinderte mich am schnellen Vorankommen. Ich sah an mir herab und erkannte, dass aus der Schwanzflosse zwei Beine entwachsen waren. Panik brachte alle Glöckchen in meinem Inneren in Alarmbereitschaft. Ich würde es nicht schaffen. Wir würden es nicht schaffen. Ein Schmerz, stechend und pulsierend, brannte in meiner Kehle. Die Kiemen, schalt ich mich. Jene Organe zogen sich bereits zurück, sodass mir nur blubbernd die so dringend benötigte Luft in Blasen aus dem Mund quoll. Nein, nicht jetzt! Angst und Furcht packten mich erneut und ließen mich wie einen schweren Stein hinab sinken. Ich würde es nicht schaffen, es würde mir nicht gelingen, uns beide aus den Tiefen des Meeres zu befreien. »Gib nicht auf!« Erschrocken blickte ich zu Sanji. Seine Stimme hallte in meinen Ohren nach. Doch seine Lippen waren versiegelt. Ich legte ihm meine Finger an den Hals um einen Pulsschlag zu erfühlen. Verwirrung zeigte sich auf meinem Gesicht, denn der Smutje schien einer Ohnmacht nahe. Wieder drängten mich seine Worte zur Eile. Versprachen Mut und Zuversicht. Hoffnung ... sie war zum Greifen nahe, ebenso wie das rettende Licht der Sonne. Wie es mir gelungen war, die Oberfläche zu erreichen, vermag ich nicht mehr zu beschreiben. Doch nur langsam verschwand das Adrenalin aus meinem Körper und ließ einen summenden Klang zurück. Tief sog ich Luft in meine Lungen. Ich atmete! Ich roch die salzige Meeresluft, ja sogar den nahenden Morgen, während ich versuchte, Sanji und mich ans Ufer zu bringen. Japsend schleppte ich uns an den Strand. Zog ihn an den Händen mit mir, ehe ich selbst ermattet und kraftlos in mich zusammenfiel. In der Ferne, viel zu weit, vernahm ich Stimmen. Waren es die Bewohner der Insel, oder gar unsere Kameraden? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich noch lebte. Mein Blick richtete sich auf Sanji, er auf dem Rücken liegend allmählich Luft bekam. Er hustete, röchelte und würgte und da war ich mir sicher, dass der Fluch seine Wirkung verloren hatte. Seinem letzten Versuch, den salzigen Geschmack hinauszuzwingen, folgte das gierige Einsaugen von Sauerstoff. Ein zufriedenes, glückliches Lächeln legte sich auf meine Lippen. Er lebte. Wir lebten. Wir hatten es überstanden. Wir hatten die Prüfung gemeistert. Das Unheil war abgewendet. Die Verwünschung gebrochen. Tief holte ich Luft, schöpfte Atem und schloss die Augen, doch bemerkte ich einen Schatten, der sich über mir erhob. Das sanfte Streicheln seiner Finger ließ mich zusammenfahren, dennoch entfloh mir ein kichernder Laut. Sanji beugte sich zu mir herunter und bettete seinen Mund auf meine Lippen. Ich schmeckte das Meer, den Morgen und ihn. Als ich zu dem Smutje aufsah, erfasste mich Wehmut. Beinahe hätte ich ihn, meine Freunde, meine Freiheit und meinen Traum verloren. Stürmisch schlang ich meine Arme um seinen Hals und zwang ihn so, sich näher an mich zu schmiegen. Eine Sehnsucht wallte in mir auf. In Dankbarkeit verzog sich mein Mund zu einem Lächeln, das Sanji unweigerlich teilte. Schweigend lehnte ich mich an seine Brust und sah der Sonne zu, wie sie langsam über die wogende See glitt. Sanji hatte seine Arme um mich geschlungen, während ich zwischen seinen Beinen verweilte und auf die Wellen blickte, die an den Strand gespült und diesem wieder entrissen wurden. Der Smutje rieb seine Nase an meiner Wange und wieder war ich erfüllt von einem Gefühl, das sich schlicht als »Glück« beschreiben ließ. Ich griff nach seinen Fingern und verknotete sie mit den meinen, wandte mich zu ihm um und küsste ihn flüchtig und neckend. »Mach das nie wieder, hörst du!«, drohte er, kuschelte sich jedoch noch näher an mich. Ein Lachen entfloh mir, ehe ich an mir herunter sah. Ich hatte meine Beine wieder, keine Fischflosse zierte mehr meinen Unterleib. Auch waren die Schuppen auf Armen und Gesicht verschwunden. Bedauerlicherweise waren mir die langen Haare lieb geworden, doch dass mein Haar nun wieder an gefühlten Metern eingebüßt hatte, musste wohl so sein. »Bereust du es?«, fragte ich. »Was?«, hakte er mit einem nervösen Auflachen nach. »Dass du noch etwas warten musst, bis du die nächste Meerjungfrau zu Gesicht bekommst?«, fuhr ich fort und stieß ihm leicht in die Rippen. Sanjis Antwort war nur ein weiterer Kuss, der mich beinahe aus dem Gleichgewicht brachte. Als der Smutje von mir abließ, schnaubte er jedoch nur verächtlich und schüttelte das flachsblonde Haupt. »Mein Interesse an Meerjungfrauen ist für die nächste Zeit gestillt«, raunte er dicht an meinem Ohr. Seine Worte ließen die kleinen Härchen auf meinen Armen zu Berge stehen. »Schön zu hören«, presste ich hervor und mühte mich, mein rasendes Herz zur Räson zubringen. »Und du ...?«, merkte er abermals an. »Wirst du es lassen, deine langen Finger nach Schätzen auszustrecken?« Scharf zog ich Luft durch meine Zähne, ehe ich Sanji wütend anfunkelte. »Auf gar keinen Fall!«, keifte ich und hörte nur das kehlige Lachen seinerseits. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)