Rhythm of Life von 13thBlackCat (Das Leben ist ein Tanz) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Es war zehn vor neun. Ich brauchte normalerweise gut zehn Minuten bis ins Vollmond. Ich lief die Straßen entlang, rote Ampeln wie hupende Autos und sich beschwerende Menschen ignorierend. Schon von weitem hörte ich die Stimmen der Gäste, die eine sich langsam auflösende Schlange vor dem Eingang bildeten. Es musste kurz nach neun sein. Rücksichtslos drängelte ich mich durch die Menge, begleitet von Beschwerden und anzüglichen Bemerkungen. Einige der Männer waren schon gut angetrunken. Am Eingang erwarteten mich zwei unserer Securitys. Ich nickte knapp, sie reagierten nicht. Wichser. Ein paar Schritte weiter an der Garderobe stand mein Chef, Dai. Lächelnd begrüßte er seine Gäste und hatte für jeden ein freundliches Wort oder ein Kompliment während er hin und wieder ein Kleidungsstück entgegennahm. Er kannte die meisten persönlich. Auf diese Art hielt er erfolgreich seinen Ruf aufrecht. Als er mich erblickte, gab er mir ein kurzes Zeichen, in die Garderobe zu kommen. Ich verdrehte sie Augen bei der Vorahnung, die ich hatte. Genervt ging ich um die Ecke, öffnete die Tür und ließ sie hinter mir wieder zufallen. Es hingen nicht viele Sachen an den Kleiderständern. Kein Wunder, bei den Temperaturen. „Du bist mal wieder verdammt spät dran.“ Er sah mich nicht an. Ich erwiderte nichts. Was hätte ich auch sagen sollen? Dass mein Tag wie immer beschissen gewesen war? Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Einige Zeit verstrich, ehe er mich anblickte. Mit diesem ganz bestimmten Ausdruck. Er dachte – mal wieder – über eine Entlassung nach. Und er würde es wieder verwerfen, wenn er Pro und Kontra abwog. Viele der Stammkunden gingen auf meine Rechnung, so sehr ich diesen Umstand auch hasste. Es ließ sich nicht leugnen. Schon huschte der resignierte Ausdruck über sein Gesicht, als er zu dem gleichen Schluss kam. Er seufzte leise und schloss kurz die Augen, ehe er sich wieder seinen Kunden zuwandte. „Du bist in der Disko.“ Wo auch sonst. Meine Stimmung hatte bereits ihren absoluten Tiefpunkt erreicht. Ohne Weiteres abzuwarten, machte ich kehrt und ging nach links den Flur entlang, an dessen Ende sich die Tür zu unserem Aufenthaltsraum befand. Ich schloss auf, öffnete sie gerade einmal so weit, dass ich meine Tasche hinein schmeißen konnte, und zog sie anschließend wieder zu. Die Hände tief in den Taschen vergraben marschierte ich finster blickend den Flur zurück, an der Garderobe und der Lounge vorbei in den großen Schankraum, der in der Mitte von einer eckigen Bar dominiert wurde. Unsere drei Keeper Yasu, Shin und Katsumi gingen bereits voll in ihrem Element auf. Während sie die verschiedensten Getränke mischten, unterhielten sie sich locker mit den Gästen, scherzten und flirteten mit den Mädchen. Wäre ich in einer anderen Verfassung gewesen, hätte ich die drei wohl für ihre gute Laune bewundert, so aber konnte ich mich gerade einmal zu einem nicht allzu abweisenden Blick in Yasus Richtung durchringen als ich mir ein Tablett nahm, bevor ich an der Tür zur Disko ankam, aus der gerade Natsumi trat. Sie hatte also wieder meinen Teil der Arbeit übernommen, solange ich noch nicht da war. Wie immer lächelte sie mich freundlich an. Es kotzte mich an, auch wenn sie es nur gut meinte. Ich gab ihr nur mit einem Zeichen zu verstehen, dass ich ab jetzt übernahm. Sie nickte. Die Musik dröhnte zum Glück bereits so laut, dass eine Unterhaltung nicht möglich war. Mit versteinerter Miene trat ich in das Halbdunkel der Tanzhölle. Sofort schlug mir der beißende Geruch verschwitzter Körper entgegen. Es war bereits unerwartet voll. Super. Meine Finger krallten sich unwillkürlich in den Rand des Tabletts, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich langsam zu ihm um. Ein breites Grinsen zog sich über das Gesicht des Jungen. Ich konnte mich dunkel an ihn erinnern. Er war eine Stufe unter uns, musste also um die 17 sein, auch wenn er schon wie 20 aussah. Seine Blicken wanderten an mir herab. Ich stand stocksteif da, bemüht, mich im Zaum zu halten. Schon bereute ich, nicht länger bei Takuya geblieben zu sein. Meine Energiereserven waren anscheinend noch lange nicht erschöpft. Mit großer Anstrengung entspannte ich meine Körper soweit, dass ich eine einigermaßen lockere Haltung annehmen konnte, zog eine Augenbraue hoch und sah ihn fragend-auffordernd an. Ein Fehler. Er beugte sich zu mir herunter und legte seinen Mund an mein Ohr. „Willst´ ma´ kurz mit nach hinten kommen?“ Er meinte den Parkplatz, der sich hinter dem Vollmond befand. Abrupt trat ich zwei Schritte zurück, zeigte ihm meinen Mittelfinger und ging. Nicht ohne einen Klaps auf den Hintern zu kassieren. Ich tat, als hätte ich es nicht bemerkt, auch wenn ich am liebsten in die Luft gegangen wäre. Ziellos wanderte ich durch die Menge. Es wurde immer voller und somit schwieriger, den schweißnassen Körpern auszuweichen. Bald konnte ich nicht mehr unterscheiden, welche Berührungen Versehen und welche Absicht waren. Es war vermutlich auch besser so. Nachdem ich die Anzahl Bestellungen zusammenhatte, für die es sich in meinen Augen lohnte, nach vorn zu gehen, bahnte ich mir einen Weg aus der Disko und ging auf direktem Weg zur Bar. Ich sah mich nicht um, wer sonst noch da war. Ich wollte die Blicke, die mir zweifelsohne zugeworfen wurden, gar nicht sehen. Am Tresen musste ich kurz warten, dann war Katsumi frei. Wie immer ignorierte er meine vernichtenden Blicke und lächelte mich unbeirrt an. Ich hielt ihm wortlos den Zettel hin. Sein Ausdruck wurde konzentriert, das Lächeln wollte jedoch nicht ganz verschwinden. „Meine Fresse, Maiko! Wer hat dir denn das Schreiben beigebracht? Das sind Hieroglyphen!“ Ich sah ihn entnervt an. „Da drin ist es stockdunkel, ich sehe nicht, was ich schreibe!“ „Alles eine Sache der Übung. Und die hast du von uns allen noch am meisten.“ Mit einem schiefen Grinsen und einem Augenzwinkern zückte er einen Kugelschreiber. „Lies mal vor.“ Wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre, hätte ich ihn in diesem Moment tausend qualvolle Tode sterben lassen. Wutentbrannt riss ich ihm den Zettel aus der Hand und zählte für ihn noch einmal die Liste auf. Ich zumindest hatte keine Probleme, sie zu lesen. Nachdem er alles noch einmal für sich aufgeschrieben hatte, machte er sich an die Arbeit. Ich sah unwillig dabei zu, wie er geübt den Alkohol in die mit Eiswürfeln gefüllten Gläser goss, die Cocktails mit Fruchtstücken dekorierte und immer noch nebenbei den einen oder anderen Kunden bediente. Zumindest blieb mir eine Unterhaltung erspart. Erst als er plötzlich in meine Richtung sah und sich sein Gesichtsausdruck unübersehbar veränderte, merkte ich, dass jemand zu mir getreten war. Ich wäre am liebsten sofort gegangen. Schon drang ihre penetrante Singstimme an mein Ohr. „Na Maiko, du warst heute ja schon wieder zu spät.“ Mit angespannten Kiefermuskeln zwang ich mich, ihr mein Gesicht zuzuwenden. Wie ich diese Person hasste! Ihre grau-grünen Augen musterten abschätzig mein Outfit. Ich konnte ihr ansehen, dass sie Angst hatte, ich könne ihr die Show stehlen. Als wenn ich daran Interesse hätte. Zumal man ihren Aufzug, selbst wenn man es gewollt hätte, nicht mehr hätte toppen können, wie ich mit einem kurzen Blick feststellte. Sie trug ein so knappes Kleid, dass sie kaum mehr Aufsehen erregt hätte, wäre sie gleich ganz nackt zur Arbeit gekommen. Das Feuerrot stellte einen wirkungsvollen Kontrast zu ihren schwarzen Haaren dar. Ein Hingucker, in jedem Fall. „Tori, meine Süße! Wie kann ich dir helfen?“ Ich verdrehte die Augen während ich mich Katsumi wieder zuwandte. Er sah mich überhaupt nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf meine Kollegin und den Traum seiner schlaflosen Nächte gerichtet. Was sie sehr wohl wusste und skrupellos ausnutzte. Wie auch jetzt. Ihre Stimme war fast ein Schnurren, als sie ihn mit vorgerecktem Kinn verführerisch anlächelte. Sie verstand es, Männer um den Finger zu wickeln, das musste man ihr lassen. „Ich brauche dringend einen deiner Spezialdrinks!“ Katsumi sah unsicher aus. „Jetzt schon? Wir haben doch gerade erst angefangen und...“ Ihr Hundeblick ließ ihn verstummen. „Biiitte, Katsumi! Die Typen machen mich irre!“ Schon war sein Widerstand gebrochen. „Natürlich, kommt sofort! Und wenn dir einer der Kerle zu nahe kommt – sag´ mir Bescheid!“ Sie lächelte ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Koketterie an. „Sicher.“ Er verschwand eilig. Meine Bestellungen hatte er für den Moment vollkommen vergessen. Mir war´s fast egal. Ich hatte in dem Schuppen ohnehin nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Ergeben wartete ich darauf, dass Tori ihren Aufputschdrink bekam und abdampfte. Während sich Katsumi ins Zeug legte, bemerkte ich, wie sie sich nach Männern umsah, die in ihr Beuteschema passten. Soweit ich es beurteilen konnte, beschränkte es sich auf eine Körpergröße von mindestens einem Meter achtzig, ausgeprägte Muskeln und ein männliches Gesicht. Sie hatte Auswahl. Genervt atmete ich tief aus und schloss die Augen, stützte die Stirn in der Hand ab. Kurz darauf kam der Barkeeper zurück, ein Glas in der Hand, dessen Inhalt einen Farbton hatte, der irgendwo zwischen Blutrot und Magenta einzuordnen war. Ich hatte keine Ahnung, was er alles hineingeschüttet hatte. Mit glänzenden Augen nahm Tori das Getränk entgegen, schenkte Katsumi schon im Wegdrehen noch ein flüchtiges Lächeln und verschwand dann in der Menge. Ich betrachtete ihn abwartend, während er sehnsüchtig dem roten Rockzipfel nachsah. Als es mir zu lange dauerte, schlug ich ihm halbherzig mit der Faust gegen die Schulter. „Hey, ich warte.“ Er schreckte hoch, sah mich verwirrt an, schien sich dann aber an die Drinks zu erinnern, denn er ging zur anderen Seite der Bar und kam kurze Zeit später grinsend mit dem vollen Tablett zurück. Schwungvoll stellte er es vor mir auf dem Tresen ab. Ich sah ihn von unten durchdringend an. Er grinste noch immer. Sein Tag war wohl für heute gerettet. Oh Mann, was für ein Trottel. Ich griff nach dem Tablett und machte dann – schon im Drehen – einen Schritt von der Bar weg, blieb aber sofort wieder stehen. Fast wäre ich mit einem unserer Securitys, Rafu, zusammen gestoßen. Heute war wirklich nicht mein Tag. Der bullige Glatzkopf funkelte mich wütend an. „Pass' gefälligst auf, Miststück!“ „Fick dich“, entgegnete ich knurrend und schob mich an ihm vorbei. Ich war darauf gefasst gewesen, dass er mich herumreißen und zuschlagen würde, aber nichts passierte. Er war also noch im Dienst und hatte nicht genug Alkohol getrunken. Die Antwort würde aber nicht lange auf sich warten lassen. Ich musste vorsichtig sein. Mit Todesblick bahnte ich mir einen Weg zurück zur Disko. Immer wieder unternahm der eine oder andere den Versuch, mich anzusprechen, aber ich überhörte es und ging einfach weiter. Im Moment fühlte ich mich absolut nicht gesellschaftstauglich. Fast überkam mich Erleichterung, als ich wieder das Halbdunkel betrat. Doch der leichte Hauch, den ich vielleicht verspürt hatte, verflog im nächsten Moment wieder. Es war unglaublich voll, eng und stickig. Ich versuchte auf meinem Weg zu den Tischen so gut es ging, das Tablett zu schützen und trotz des ständigen Angerempels möglichst ruhig zu halten. Am ersten Tisch stellte ich, als ich die bestellten Getränke ablieferte, fest, dass tatsächlich nichts verschüttet war. Mir fiel Katsumis Bemerkung wieder ein, ich hätte die meiste Übung darin, hier zu bedienen. Ich schnaubte abfällig. Das Mädchen, das gerade bezahlen wollte, hatte es nicht mitbekommen. Kein Wunder, bei der Lautstärke. Sie reichte mir ihre Karte, auf der verschiedene Geldwerte abgebildet waren. Die kleine Lampe, die in meinen Stanzer eingearbeitet war, zeigte mir, dass sie nicht mehr genug Geld auf der Karte hatte. Ich machte sie darauf aufmerksam. Sie sah mich erschrocken an. Dann wandte sie sich zu ihren beiden Begleitern um und es folgte eine längere Diskussion. Scheinbar verstanden sie nur die Hälfte von dem, was sie sagte. Ich rollte mit den Augen und wippte ungeduldig im Takt der Musik. Schließlich stand einer der Jungs auf und kam zu mir. Man merkte ihm an, dass er schon einen zuviel über den Durst getrunken hatte. Als er sich an dem Mädel vorbei schob, stolperte er, stieß gegen den Tisch und fiel auf mich zu. Reflexartig fing ich ihn auf. Er war fast einen Kopf kleiner als ich. Sich an meiner Schulter festhaltend, grinste er mich von unten an und hielt mir seine Karte hin. Hätte er sie mir nicht auch einfach durchgeben können? Unsanft löste ich seinen Griff und brachte anderthalb Armlängen zwischen uns. Der andere Kerl lag vor Lachen flach auf dem Tisch, das Mädchen hielt sich die Hand vor den Mund. Ich biss die Zähne zusammen. Auch wenn sie nicht über mich lachten, es störte mich, dass ich involviert gewesen war. Ich stanzte den Restbetrag aus und gab dem Jungen die Karte wieder. Dann nahm ich das Tablett auf und schob mich an den anderen Gästen vorbei zum nächsten Tisch. Dort angelangt stellte ich, als ich zwei der Gläser herunternahm, fest, dass sie unten nass waren Dabei war ich mir sicher gewesen, auf der kurzen Strecke nicht angerempelt worden zu sein. Dann fiel mir wieder ein, dass der Junge gegen den Tisch gestoßen war. Ein leiser, aber heftiger Fluch entwich meinen Lippen. Mir war klar, dass sowohl Shin als auch Katsumi sich einen Kommentar nicht würden verkneifen können. Die nächste halbe Stunde verbrachte ich damit, die Getränke zu verteilen und neue Bestellungen aufzunehmen. Als ich auf dem Weg zurück zur Bar an einem Tisch vorbeikam, spürte ich plötzlich eine Hand an meinem Arm, die mich zurückzog. Ungehalten drehte ich mich um und wollte denjenigen schon anfahren, als ich Akito erkannte. Er musterte mich anzüglich, während ich vor ihm stand und Mühe hatte, mich zu fangen. Das war die Chance! Ich schluckte meine Wut hinunter und stellte das Tablett auf den Tisch, dann wandte ich mich ihm zu. Er schien freudig überrascht zu sein, als ich mich lächelnd zu ihm beugte, etwas Unanständiges zu raunte, das er nicht verstehen konnte, und meine Hand wie zufällig auf seinen Oberschenkel legte, von wo aus sie sofort weiter zu seinem Schritt wanderte. An seiner Reaktion merkte ich, dass er schon einiges intus hatte. Sein Grinsen wurde pervers und seine Hand wanderte von meiner Taille zu meinem Hintern und noch etwas tiefer, sodass seine Finger den Weg unter meine Hose fanden. Es kostete mich einiges, mir meinen Widerwillen nicht anmerken zu lassen. Mit einem süßen Lächeln entzog ich mich ihm, nahm das Tablett auf und ging, ohne mich noch einmal umzusehen, aber mit der Gewissheit, dass er meinem Hintern noch so lange wie möglich nachsah, weiter in Richtung Ausgang. Das Lächeln wandelte sich augenblicklich in ein finsteres Grinsen, das ich mir jedoch, sobald ich den Schankraum betrat, verbot. Mit abweisendem Ausdruck stellte ich mich an die Bar, kurz darauf kam Yasu zu mir. Er begrüßte mich, nahm mir den Zettel mit den neuen Bestellungen ab und machte sich ohne Beanstandung meiner Schrift oder des nassen Tabletts an die Arbeit, wofür ich ihm unendlich dankbar war. Er war der einzige, der so taktvoll war, meine Stimmungen einfach zu akzeptierten und weder nach dem Warum zu fragen, noch zu versuchen, mich aufzumuntern. Während er beschäftigt war, betrat ich ebenfalls die Bar und machte mich daran, das Tablett und meine klebenden Hände zu waschen. Anschließend setzte ich mich auf einen freien Teil der Arbeitsfläche und wartete. Die Aktion mit Akito hatte meine Stimmung um ein Beträchtliches angehoben und es fiel mir fast schwer, weiterhin tödliche Laune zu demonstrieren. Leicht amüsiert beobachtete ich Yasu, der immer wieder von den Getränken aufsah, um dem einen oder anderen Mann nachzusehen. Er hatte Geschmack, das musste ich ihm lassen. Und im Gegenzug fing ich auch immer wieder die Blicke einiger junger Mädchen auf, die ihn sehnsüchtig beobachteten. Es war auch wirklich eine Schande, dass er an die Männerwelt verloren war. Fasziniert betrachtete ich das Spiel seiner Rückenmuskeln, die sich durch das schwarze, eng anliegende Tanktop deutlich abzeichneten. Seine dunkle Haut glänzte leicht in dem Dämmerlicht und das gemusterte Kopftuch, dessen längere Enden auf seinen Rücken fielen und bei jeder Bewegung hin- und her schwangen, ließ ihn so unnahbar wie ein Wesen aus einer anderen Welt wirken. Eine freundliche Stimme riss mich aus meinen Beobachtungen. Natsumi hatte sich zu mir gestellt und war meinem Blick gefolgt. „Es ist ganz schön viel los, dafür dass erst Freitag ist, oder?“ Ich nickte stumm. Sie lächelte mich an. „Aber die Gäste sind ja zum Glück alle sehr nett.“ Darauf erwiderte ich besser nichts. Noch immer lächelnd ließ sie den Blick schweifen. Ich beobachtete sie von der Seite und bemerkte, wie das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwand als ihre Augen bei Katsumi verweilten. Unbewusst begann sie, auf ihrer Unterlippe zu kauen. In dem Moment trat auch noch Tori an ihn heran und seinem Gesicht war deutlich anzusehen, wie ihn das freute. Vermutlich brauchte sie wieder einen „Spezialdrink“. Die Kleine neben mir tat mir schon ein bisschen leid. Seit über einem Jahr war sie nun schon hoffnungslos in ihn verschossen, doch er hatte es bisher nicht bemerkt. Tori dagegen, die es wohl auch rausbekommen hätte, wenn die gutgläubige Natsumi es ihr nicht erzählt hätte, sah sich in keinerlei Verpflichtung und spielte trotzdem mit ihm. Das machte dem Mädchen ziemlich zu schaffen, doch sie zeigte es nicht und überspielte ihre Enttäuschung mit guter Laune. So wandte sie sich auch jetzt ab und automatisch zogen sich ihre Mundwinkel nach oben. In dem Moment kam Yasu zu uns. „Hey Sunny! – Maiko“, damit überreichte er mir das Tablett, „lass' dich nicht stressen.“ Mit einem Zwinkern drehte er sich um und ging zurück zum Tresen, wo schon zwei junge kichernde Mädchen warteten. Ich spürte, wie sich meine Gesichtszüge unwillkürlich entspannten. Seine Wirkung war immer wieder faszinierend. Natsumi war diese Veränderung nicht entgangen, denn sie strahlte mich förmlich an, sagte aber nichts weiter. Als ich ging, nickte ich ihr zu. Sie erwiderte winkend den Gruß. „Bis dann.“ Nachdem ich meine übliche Runde gedreht hatte, kam ich an dem Tisch vorbei, an dem vor einer Weile noch Akito gesessen hatte. Er war nicht mehr da. Plötzlich legte sich ein kräftiger Arm um meine Schultern und zog mich zurück. Sofort zur Gegenwehr bereit, drehte ich mich um, doch als ich ihn erkannte, entspannte ich mich etwas. Kiba grinste mich breit an und streckte mir seinen erhobenen Daumen entgegen. Ich zog fragend eine Augenbraue hoch. Zur Antwort hielt er mir sein Handy unter die Nase. Es dauerte etwas, bis ich erkannte, was auf dem leicht verschwommenen Bild zu sehen war: Akito stand nur mit Boxershorts bekleidet neben der Sitzecke, von der er sich gerade erst erhoben haben musste und starrte an sich hinunter. Vermutlich hatte er nicht sofort begriffen, was los war, was den anderen Gästen genug Zeit gegeben hatte, ein paar Fotos zu schießen. Ein Lächeln, das sich nun nicht mehr unterdrücken ließ, legte sich auf meine Lippen. Kiba zog das Handy zurück und sah mich grinsend an. Dann beugte er sich vor. „Wusste ich doch, dass du das warst!“ Anerkennend klopfte er mir auf die Schulter. Er war nach seinem Abschluss in der Stadt geblieben und hatte vor kurzem ein Hundesport-Zentrum gegründet. Akito und er hassten sich wie die Pest. Mein rechter Mundwinkel verzog sich zu einem schiefen Grinsen, das auch nicht mehr verschwand, nachdem ich mich im Wegdrehen mit einem lockeren Salut verabschiedete und zurück zur Bar ging. Heute Abend würde ich meine gute Laune wohl nicht mehr los werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)