Happy Day von Talitious ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Als ich abends ausgestreckt auf meinem Bett lag und die Decke anstarrte, ging ich den Tag in Gedanken nochmal durch. Alles kam mir plötzlich so unwirklich vor, wie Reita mich angesprochen hatte, wie er mich später eingesammelt und dann mit mir den Tag verbrachte. Unsere Klassenkameraden hatten uns gesehen, aber das war ihm anscheinend egal, denn auf dem Rückweg hatte er während der kompletten Busfahrt meine Hand gehalten, was bei den Anderen Schülern fast schon einen Aufstand verursacht hatte, den er aber gekonnt ignorierte. Seine Freunde, mit denen ich mich so gut verstanden hatte. Miyavi, der sich so liebevoll um mich gekümmert hatte als ich die völlig bescheuerte Aktion von wegen 'Ich mach mich unsichtbar und verdrück mich einfach mal' gebracht hatte, für die ich mich jetzt schämte. Meine Wangen wurden bei dem Gedanken an meine Arme heiß und ich drehte mich zur Seite, zog meine Knie an den Körper und vergrub mein Gesicht im Kissen um die aufsteigende Hitze zu verdrängen. Wir hatten uns geküsst. Die Bilder schossen mir wieder vor Augen und ich ließ meinen Zeigefinger hauchzart über meinen Mund streichen. Mir war, als würde ich seine weichen Lippen immer noch auf den meinen Fühlen. Als er danach in meinen Armen gelegen hat, hatten meine zitternden Finger angefangen durch seine gefärbten Haare zu streichen und ihn kraulend zu beruhigen. Als er mich zaghaft fragte, ob ich mich nochmal mit ihm treffen würde und ihm vielleicht eine Chance geben könnte mein Herz zu erobern, hatte ich nur zaghaft genickt und ihm einen Kuss auf die Stirn gehaucht, damit er das Zittern in meiner Stimme ja nicht bemerkte. Anschließend hatte er seine Arme um mich geschlungen und war bis zum Ende der Fahrt so sitzen geblieben. Ich hatte mich dieser Umarmung hin gegeben. Mir war schwindelig geworden, aufgrund der Berührung und seines guten Geruches. Erst da realisierte ich, was da gerade geschehen war und dass ich schon wieder dabei war in eine Falle zu tappen. Mein Kopf gaukelte mir doch tatsächlich vor, dass ich eine echte Chance bei ihm hatte. Was wäre denn, wenn er mich einfach nur flachlegen wollte? Oder noch schlimmer, wenn er eine Wette verloren hatte? Meine Gedanken begannen zu kreisen und mein Körper verkrampfte sich vor Panik. Was tat ich hier eigentlich? Er schien es zu bemerken und auch zu verstehen, dass es die Angst war, die abermals in mir aufkeimte und mich zu ersticken drohte. Vorsichtig löste er sich etwas von mir und schaute mir etwas traurig in die Augen. "Du traust mir immer noch nicht, richtig?" Fragte er leise und vorsichtig. Ich konnte die Enttäuschung in seiner Stimme ganz genau hören und hielt seinem Blick nicht länger stand. Beschämt schlug ich meine Augen nieder und blickte zur Seite. Irgendwie war es mir verdammt unangenehm, da ich mir ja eigentlich vorgenommen hatte ihm zu vertrauen, aber so schnell würde das wohl nicht gehen. "Ich... es tut mir leid!" Nuschelte ich vor mich hin. "Nein, schon okay! Ich kann dich verstehen!" Lenkte er ein und hob langsam mein Kinn an. Dann kehrte unvermittelt sein Lächeln zurück. "Ich werde wohl um dich kämpfen müssen! Ich werde dir beweisen, wie ernst ich es meine! Ganz bestimmt! Und irgendwann wirst du mir bedingungslos vertrauen, da bin ich mir sicher!" Bevor ich darauf noch etwas antworten konnte, drückte er mir noch einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und zog mich dann an der Hand aus der engen Kabine wieder ins freie. Während der Fahrt hatte ich gar nicht bemerkt, wie wir schon wieder am Boden angekommen waren, doch die Anderen warteten bereits auf uns, was mich stutzen ließ. Waren sie nicht allesamt nach uns eingestiegen? Oder waren wir die einzigen zwei gewesen, die jetzt mit dem Riesenrad gefahren waren? Ich bekam die Antwort gerade, als wir bei ihnen angekommen waren, denn Miyavi lachte mir schon entgegen: "Wow, Ruki! Also entweder kann da jemand nicht genug bekommen, oder du hast ihm die Höhenangst ausgetrieben!", zwinkerte er, was mir einen Rotschimmer ins Gesicht jagte. Wir waren also aus Versehen zwei Runden gefahren. Jetzt war nur noch die Frage, was genau die Anderen mitbekommen hatten, beziehungsweise wann wir wieder unten vorbei gekommen waren. Als mir bewusst wurde, bei was sie uns gesehen haben mussten, verwandelte sich der leichte Rotschimmer in meinem Gesicht in ein sattes rot und ich sah beschämt zu Boden, was den Anderen aber nur ein leichtes Lachen entlockte, welches Kai allerdings schon nach kurzer Zeit mit einem Blick auf die Uhr unterbrach. „Ich will ja echt nicht drängen Leute, aber so langsam solltet ihr zusehen, dass ihr zum Ausgang kommt, damit ihr eure Busse nicht verpasst.“ Also hatten wir uns alle voneinander verabschiedet und die Jungs meinten, dass sie mich unbedingt bald wieder sehen wollten, was mich sehr freute, aber eben auch verunsicherte. Schließlich kannte ich so etwas überhaupt nicht. Reita hatte meine Hand nicht ein einziges mal los gelassen, bis wir wieder auf dem Schulparkplatz waren und uns voneinander verabschiedeten. "Soll ich dich noch nach Hause begleiten?" Fragte er vorsichtig, als er vor mir stand, viel zu dicht wie ich fand. Die Anderen Schüler um uns herum waren nicht dumm und konnten sich bestimmt ihren Teil denken. Wenn er mich jetzt küssen würde, würde ich immerhin Gewissheit haben, ob er mich nur verarscht, wenn alle anderen Schüler anfangen würden mich auszulachen, zu verspotten und mich am Ende wahrscheinlich gnadenlos zusammen schlugen, weil ich mich an ihrem Liebling vergriff. Ein Stich durchfuhr mein Herz. Sollte ich es wirklich zerstören? Meinen Wunschtraum von diesem perfekten Tag? Wobei ich wahrscheinlich noch relativ glimpflich davon kam, wenn ich das ganze jetzt beendete, als wenn ich wieder anfing mich womöglich noch richtig in diese Sache hinein zu steigern. Ich schloss kurz die Augen um mich zu sammeln und atmete noch einmal tief durch. Gleich würde es verdammt weh tun und ich konnte nur hoffen, dass ich es schaffte meine Tränen zurück zu halten. Zumindest solange bis ich am Boden lag, dann könnte man sie auch einfach nur für Schmerzenstränen halten und nicht auf meine Gefühle zurück führen, was mich noch verletzlicher gemacht hätte. Aber mein Herz bekamen sie nicht. Dafür würde ich schon sorgen, denn ich verbarg es tief. "Nicht nötig! Aber Danke!" Hatte ich schon fast emotionslos gehaucht und ihm einen flüchtigen Kuss aufgedrückt, was einigen um uns herum ein sprachloses Keuchen oder einen verhassten Blick entlockt hatte. Innerlich hatte ich mich bereits darauf vorbereitet weggestoßen und angebrüllt zu werden, von allen verachtende Blicke zugeworfen, auf dem Boden zu landen und mich vor Schmerz zu krümmen, doch nichts dergleichen war passiert. Ich hatte mich umgedreht und wollte gehen, doch ich war nicht weit gekommen, da hörte ich auch schon Schritte hinter mir. Mir rutschte das Herz in die Hose, als ich eine warme große Hand an meiner Schulter spürte, die mich bestimmt herum drehte. Und los geht's! Sagte ich mir innerlich und kniff ängstlich die Augen zusammen. Doch ich riss sie erschrocken wieder auf, als ich Hände an meinen Wangen spürte und ein warmes Paar Lippen, das sich auf die meinen legte. Reita küsste mich vor versammelter Mannschaft. Und nicht nur so ein kleines Küsschen, wie ich es ihm gegeben hatte, nein! Seine Hände krallten sich in meine Haare und ich spürte eine forsche Zunge an meinen Lippen, der ich augenblicklich Einlass gewährte. Ich bekam nicht mit, was um uns herum passierte, so sehr nahm mich sein heißer Atem und seine vorwitzige Zunge gefangen, die mich hingerissen auf seufzen ließen. Ich sackte fast in seinen Armen zusammen, so weich waren meine Knie auf einmal, doch ich konnte mich mit rasendem Herzen mit Müh und Not an seinem Shirt festkrallen und lehnte mich zitternd an ihn. Als er sich wieder von mir löste, sahen wir uns nach Atem ringend, tief in die Augen und er hauchte ein tiefes und heiseres: "Bis morgen!" gegen meine ebenfalls noch zitternden Lippen, die meinen flachen und gehetzten Atem nur stoßweise gegen sein Gesicht entließen. Dann ließ er mich langsam los, schenkte mir noch ein letztes Lächeln, schulterte seine Tasche und verschwand. Einen Moment stand ich mit wackeligen Beinen da, bevor ich mich all der starrenden Blicke besann und los rannte. Weg von den Anderen, weg von der Gefahr wieder hilflos die Schmerzen erleiden zu müssen und mich gedemütigt unter ihren hasserfüllten Blicken zu winden. Auch als ich bereits außer Sichtweite war verlangsamte ich mein Tempo nicht. Erst als ich vor meiner Haustür stand hielt ich schnaufend an und rang nach Atem. Meine Mutter, die im selben Moment mit dem Auto vom Einkaufen zurück gekommen war und gerade ausstieg, musterte mich verwundert, bat mich aber lächelnd ihr beim Tragen zu helfen. Doch ich hatte die Tür bereits aufgeschlossen und wollte nur noch in mein Zimmer, also stürmte ich kommentarlos die Treppe hoch, was normalerweise so gar nicht meine Art war, aber ich wollte gerade niemanden sehen. Ich schloss mich in meinem Zimmer ein und schmiss mich erschöpft auf das für mich viel zu große Bett, und hier lag ich nun schon seit dem ich nach Hause gekommen war und dachte über den heutigen Tag und alles was geschehen war nach. Zwischendurch hatte meine Mutter besorgt geklopft und war nicht verschwunden ohne mir mit Taschengeldsperre und Hausarrest zu drohen, falls ich ihr nicht sofort öffnen würde, damit sie mir etwas Essbares einflößen konnte, doch natürlich wusste ich, dass sie das nicht ernst meinte und versicherte ihr nur durch die geschlossene Tür hindurch, dass es mir wirklich gut ging und ich nicht wieder gehänselt worden war. Ein paar Minuten später klopfte es noch einmal, was mich genervt auf seufzen ließ und sie teilte mir mit, dass sie mein Essen neben die Tür gestellt hatte, worauf ich nur mit einem Brummenden Laut antwortete. Ich steckte mir die Kopfhörer in die Ohren und summte leise mein Lieblingslied mit, was mir etwas half das Chaos von wirren Gedanken in meinem Kopf zu ordnen. Über dem ganzen nach grübeln merkte ich nicht, wie ich immer müder wurde und schließlich angezogen einschlief. Am nächsten Morgen erklangen die leisen Töne meines Musikweckers und ich wachte frierend auf. Ich konnte mich kaum bewegen, alles tat mir weh und war verkrampft. Ächzend schleppte ich mich ins Bad und entledigte mich meiner Klamotten. Als das heiße Wasser der Dusche auf meinen Rücken prasselte seufzte ich genießerisch auf und merkte, wie es langsam meine Muskeln entspannte. Doch ich pflegte unter der Dusche für gewöhnlich nach zu denken und schon schwebte mir der gestrige Tag wieder vor Augen und mich beschlich eine leise Ahnung was das für Konsequenzen auf die restliche Zeit in der Schule haben würde. Immerhin hatte ich mich als schwarzes Schaf dem Schulschwarm auf Tod und Verderben absolut nicht zu nähern und gestern hatte der mich immerhin ziemlich offensichtlich geküsst. Bei diesem Gedanken strich ich abwesend über meine Lippen. Ich konnte sie schon wieder fühlen und es jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken. Ich beeilte mich lieber fertig zu werden, bevor es meinem Gehirn noch einfallen würde an ganz andere Dinge zu denken. Da meine Mutter relativ spät zur Arbeit musste schlief sie noch und ich schlich mich angezogen mit meiner Tasche und Jacke bewaffnet aus meinem Zimmer. Mir viel das kalte Abendessen ins Auge, das immer noch vereinsamt vor meiner Tür stand. Dabei hatte sie es so liebevoll zubereitet. Ich seufzte innerlich und tapste vorsichtig die Treppe herunter um auch ja kein Geräusch zu machen. Ich wusste, was es für ein Donnerwetter geben würde, wenn sie merkte, dass ich nicht mal etwas zum Frühstück aß, doch ich war so gespannt auf den heutigen Tag, dass ich vor Aufregung eh nichts herunter bekam. Unten angekommen wollte ich gerade in meine Schuhe schlüpfen, als ich leise und besorgt meinen Namen hörte. Erschrocken fuhr ich herum und erblickte meine Mutter im Türrahmen der Küche stehen, in einen Yukata gehüllt mit einer dampfenden Teeschale in der Hand. „Takanori, was ist los? Wir hatten doch eine Abmachung, schon vergessen? Du wolltest mir Bescheid sagen, wenn die Hänseleien wieder los gehen.“ Ihre Stimme klang ruhig und melodisch, aber auch sehr bestimmt, dass ich schuldbewusst den Kopf senkte. Sie kam langsam auf mich zu, zog meinen Kopf an ihre Brust und hauchte mir einen Kuss auf die Haare, was ich wehrlos über mich ergehen ließ. „War der Ausflug gestern nicht schön? Was ist passiert?“ Fragte sie weiter nach. Ich wusste, dass ich ihr nicht entkommen würde und da ich noch früh drann war beschloss ich ihr zumindest ein paar beruhigende Grundinformationen zu geben, damit sie mich wenigstens in die Schule gehen lassen würde, denn da wollte ich heute unbedingt hin, egal wie der Tag ausgehen würde. Ich war tierisch gespannt auf seinen Verlauf! „Ich... doch, es war sehr schön!“ Langsam sah ich auf und schenkte ihr ein ehrliches Lächeln. Erstaunt sah sie mich an. Sie schien etwas zu ahnen, denn ihre Augen funkelten verschmitzt zurück. „Soso!“ Schmunzelte sie. „Und wer ist es? Bringst du ihn mal mit? Sieht er denn gut aus? Und behandelt er dich auch ordentlich? Er ist bestimmt von deiner Schule, hab ich recht?“ Plapperte sie einfach drauf los ohne eine Antwort abzuwarten, während sie grinsend von mir abließ und in der Küche etwas herumhantierte. Ich sah sie nur geschockt an. Wie zur Hölle war sie darauf gekommen? Und warum ging sie davon aus, dass es ein Junge war? Ich schüttelte resignierent den Kopf. Ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass meine Mutter mich gnadenlos durchschaut hatte. Als sie meinen ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkte hielt sie einen Moment inne und ihre Züge wurden weich. „Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst. Ich möchte einfach nur wissen ob es dir gut geht, verstehst du? Ich mache mir nur Sorgen um dich!“ Sie sah mich direkt an, sodass ich schlucken musste. Ich wollte ihr widersprechen, doch bekam ich kein Wort heraus, sondern sah sie nur hilflos an. Plötzlich blitze der Schalk aus ihren Augen, bevor ihre Stimme wieder ernst wurde. „Aber ich würde ihn trotzdem gerne mal kennen lernen! Also bring ihn ruhig mit! ~ Außerdem hast du gestern schon wieder nichts zu Abend gegessen! Das müssen wir echt langsam in den Griff bekommen! Hier hast du dein Bento und noch ein Onigiri für den Schulweg. Was möchtest du heute zu Mittag essen? Du darfst dir etwas wünschen!“ trällerte sie schon wieder fröhlicher. Ich seufzte innerlich. Wäre ich die schnellen Themenwechsel meiner chaotischen Mutter nicht schon längst gewöhnt, würde ich bestimmt an einem Schleudertrauma leiden, wenn ich das Haus verlasse. Also packte ich dankend mein Bento ein und nahm mir das Onigiri, das ich skeptisch in meiner Hand begutachtete. Einen Augenblick überlegte ich, auf was ich denn Lust hatte zu Mittag, doch mir fehlte jeglicher Appetit, so zuckte ich nur unentschlossen mit den Schultern und nuschelte ein „Überrasche mich!“, während ich schon auf dem Weg zur Tür war und mich beeilte das Haus zu verlassen, damit sie mich nicht mit noch mehr Fragen bombardieren konnte. Auf dem Schulweg aß ich schließlich doch in Gedanken versunken das Onigiri. Meine Schritte wurden immer langsamer, je näher ich der Schule kam und vor dem großen Tor blieb ich erst einmal stehen. Ich war unentschlossen, noch war das Tor offen und ich konnte einfach hinein gehen, aber ich traute mich nicht. Irgendwie beschlich mich ein ungutes Gefühl und ich musste meinen kompletten Mut zusammen nehmen um es schließlich unter aufdringlichen Blicken, dummen Kommentaren und leichten körperlichen Angriffen bis vor mein Klassenzimmer zu schaffen, wo ich die wartende Person erst gar nicht bemerkte. Erst als es mucksmäuschenstill um mich geworden war, bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte und blickte panisch auf. In diesem Moment stieß sich der wartende Junge von der Wand ab und kam auf mich zu. Leises Tuscheln erklang, doch niemand stellte sich ihm in den Weg oder wagte es ihn an zu sprechen. Er griff kommentarlos nach meiner Hand und schleifte mich von meinen Klassenkameraden weg. Ich war so verdutzt, dass ich mich weder wehrte, noch Protest einlegte. Was jetzt wohl wieder kam? Ich kannte ihn nur vom Sehen her und wusste, dass er öfter mit Reita zusammen hing, aber wer er war blieb mir vorerst schleierhaft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)