Esme von _stern_ (Weil sie auch eine eigene Geschichte verdient hat) ================================================================================ Kapitel 1: Ein neuer Anfang --------------------------- Dunkelheit war Teil meines Befindens. Ich wusste nicht wie lange und nicht wieso, ich wusste nur das ich sie plötzlich wahr nahm. Wie als hätte jemand einen Schalter umgelegt, umgab sie mich. Sie begann an meinen Zehen und zog sich hoch bis zu den Schläfen. Ich wusste nicht ob mir kalt war. Es war nicht unangenehm. Genau genommen war es gar nichts. Ich konnte mich nicht in meine Umwelt einordnen. Als stünde ich neben mir ohne mich zu sehen. Es musste eine endlose Dauer gewesen sein, in der ich es einfach akzeptierte. Vollkommen eingenommen von dieser tiefen und all um fassenden Leere. War es wärmer geworden? Dazu müsste ich wissen ob es je kalt gewesen war? Doch kein einziger Thermorezeptor meiner Haut wollte meinem Gehirn Aufschluss geben. Irgendwie machte mich das Gefühl wütend. Ich wollte doch, ich wollte mich spüren, doch es war nicht möglich. Doch ich konnte meiner Wut keinen Ausdruck verleihen. Der perfekte Kontrollverlust. Es war mir nicht mal möglich meine Finger zu bewegen, geschweige denn die Nägel ins Fleisch zu graben um meiner Emotion Nachdruck zu verleihen. War es eine Emotion? War ein tauber Körper wie meiner überhaupt dazu möglich Emotionen zu empfinden? Hass, Liebe? Während ich darüber nachdachte, und es schien als wäre mir eine endlose Zeit des Denkens gegeben worden, manifestierte sich ein Bild vor meinen Augen. Eine junge Frau mit karamellfarbenem Haar vor einem großen Spiegel, die Hände um den Bauch gefaltet. Dann sah ich was sie schützte. Der Bauch war wohl gerundet, voll aber nicht krankhaft. Ich sah ihre Finger über die Haut streichen, ein Lächeln auf den Lippen. Etwas in ihr bewegte sich und sie war erfüllt von tiefer Freude. Ich wollte mich mit ihr freuen, über dieses neue Leben, eine erneute Seele die einen Körper gefunden hatte. Das endlose und vollkommene Glück einer Frau die bald Mutter wurde. Mutter. Ein Leben. Dann verzerrte sich das Gesicht der Frau. Es sah schmerzhaft aus. Doch ich konnte es nicht nachempfinden. Wie eine Taubheit die meinen Körper besudelte und mich lähmte. Ich sah wie sie zusammen brach. Blut drang aus ihr und breitete sich in einer Lache unter ihr aus. Sie schrie vor Schmerz, zumindest öffnete sie den Mund, doch ein Ton drang nicht an meine Ohren. Vollkommen reg- und emotionslos beobachtete ich ihr Leiden. Das Leben wich aus ihr und wiederum auch nicht. Es wich aus einem Teil von ihr. Nein! Ich wollte ihr helfen. Und dann spürte ich es. Als wäre eine Blockade in meinem Hirn gelöst worden. Meine Emotionen wurden befreit und drangen in mein Bewusstsein ein. War es möglich den Schmerz den ich verspürte in einem Menschlichen Körper zu manifestieren ohne ihn dabei zu zerreißen. Es war als würde das Leid der Frau sich auf mich übertragen, nein viel schlimmer, sich zu duplizieren, ein grauenhaftes schnell wachsendes allumfassendes Gefühl was die Dunkelheit nicht verdrängte, sondern ihr eine noch grauenhaftere Aura verlieh. Mein Körper meldete meinem Gehirn den Befehl, meiner Trauer durch Tränen Ausdruck zu verleihen. Weinte ich? Ich wollte meine Hände zu meinen Augen bewegen und es prüfen, doch es war als hätte man mein Rückenmark vom Hirn getrennt. Ein sauberer glatter Schnitt ohne jeglichen Fehler. Grandios. Meisterhaft. Keine einzige Verbindung war beständig genug gewesen diesem Schnitt zu widerstehen. Ich versuchte herauszufinden ob dieser Schnitt Schmerzen mit sich zog, doch da war nur Taubheit. Meine Ohren nahmen plötzlich das Öffnen von Türen wahr. Konnten sie das schon die ganze Zeit, oder war dies ein Rückschluss auf meine plötzlich wiederkehrenden Empfindungen. Lag ich im Sterben? War ich deshalb taub? Oder hatte ich die Linie schon überschritten und meine Seele fand langsam wieder Bezug zu sich selbst? Vielleicht war es auch nur das letzte Aufbäumen bevor es endgültig zu Ende ging. Wie gemein. Wie fies. War Gott so grausam? Eine Seele noch einmal so zu quälen bevor er sie in die unendliche Erlösung holte. Strich man mir über die Wange? Mir war als hätte ich eine Berührung an dem einzigen nicht tauben Teil meiner Selbst wahr genommen. War das die Hand Gottes, die mich beruhigen wollte. „Es wird Alles Gut?“ Eine Stimme? Nein. Diese Stimmer war klar, aufrichtig, melodisch. Viel zu schön für eine menschliche Stimme. Das musste die Stimme Gottes sein. Wollte er mich beruhigen. Wollte er mir sagen: »Sieh, dein menschliches Leben hat dir nur Kummer gebracht. Komm zu mir. Ich gebe dir mehr als ich dir nehme.« Ich war bereit. Ich wollte Erlösung, Hoffnung und vor allem nie wieder Schmerz. Nur das unendliche Glück des Paradieses. Ich wartete. Nichts geschah. Wie lange ich darauf hoffte mich endlich wieder zu spüren und es geschah nichts. Nichts wahr vielleicht nicht ganz richtig. Ich hatte das Gefühl, dass mein Gehirn schlagartig von einem trüben dunklen See zu einem klaren, reinen Ozean wurde. So unendlich weit. Und dann füllte sich der Ozean mit Erinnerungen. Sie waren nicht beruhigend, sie waren schrecklich. Die schwangere Frau, das war ich. Das Blut was sich unter mir ausbreitete war das Letzte was ich von meinem Kind wahrnahm. Es war tot. Nicht mehr existent. Nicht mehr in mir und doch noch da. Wieso? Wieso hatte man mir mein kleines Glück genommen? Ich erinnerte mich an das Glück was ich empfand, damals als ich erfuhr das ich Mutter werden sollte. Mein Traum war wahr geworden. Ich hatte kein großes Ziel in meinem Leben gehabt. Ein einfaches Mädchen aus einer einfachen Familie. Und doch war es der glücklichste und erfüllenste Moment in meinem Leben. Und dann war es fort. Mein Glück und mein Wille zu leben. Ich wusste noch wie ich zur Klippe hinter unserem kleinem Haus ging. Wie oft saß ich hier. In meiner Jugend war es der schönste Ort. Mehrere Meter steiles Gestein. Darunter Strand. Endlos weißer feiner Sand der sich im tobendem Meer verlor. Der Wind zerrte an mir, die Füße schmerzten, wie ich sie blank und fest auf den Boden aufsetzten. Ich trat in Dornen doch es war mir egal. Als ich sprang fühlte ich Freiheit, Erleichterung und dann... Nichts. Dann war ich hier. Wo auch immer hier war. Zwei Dinge geschahen plötzlich auf einmal. Mein Körper war wieder da. - Jede einzelne Gliedmaße, jeder Teil meines Rumpfes. Vom komplexen Fasergemisch meiner Haut und meines Fleisches bis zu jeder einzelnen Zelle meines Knochens. Ich hätte mich gefreut meinen Körper wieder zu haben, wenn nicht im selben Moment ein unnatürlicher Schmerz durch mich fahren würde. Jede Zelle die gerade wieder zurück gekehrt war, wurde nun von Schmerzen erfasst. Es war wie Feuer und Eis in einem Atemzug. Ich brannte lichterloh und doch war das Feuer nicht heiß genug die unendliche Kälte die mich erfasste zu lindern. Es war als könnte ich beides gleichzeitig erfassen. Und dann schrie ich. Ein klarer langer Ton bis mein Atem ausging. Dann schrie ich wieder. Und wieder. Und erneut. Doch es half nichts. Der Schmerz wurde nicht gelindert. Eher verstärkt. Ich wand mich von links nach rechts. Drückte meine Wirbelsäule durch und kugelte mich zusammen. Wie wünschte ich mir die Taubheit zurück. Nichts fühlen war immer noch besser als dieses Gefühl. Wie wechselhaft ich war. Erst wollte ich mich spüren und nun wieder nicht. Ich versuchte es erneut mit einem Schrei und krampfte die Hände zusammen. Da war etwas. Eine Hand? Der Schmerz war so allumfassende wie es die Dunkelheit vorher war und da beides ineinander übergegangen war hatte ich meine Umgebung nicht bewusst registriert. Doch der unendliche Ozean in meinem Kopf nahm nun alles war. Ein seltsamer Geruch. Nicht unangenehm, aber unvertraut. Es roch so herrlich und doch half das Glück was ich bei diesem Duft empfand nicht gegen den Schmerz der in meinem Inneren weiter wütete. Ich hörte alles Mögliche. Geräusche von Tieren, von Autos von allem in geschätzt einem Kilometer Entfernung und ich hörte ein sanftes Atmen. Ein wundervoll harmonisches Geräusch. Es war nicht mal eine Sekunde vergangen. Es war mir irgendwie peinlich. Hatte ich vor einem andren Menschen dermaßen die Beherrschung verloren. Es musste lächerlich aussehen wie ich mich hin und her wand, in der Hoffnung den Schmerz aus meinem Körper zu stoßen und wie ich schrie. Wo war ich eigentlich? Würde mich jemand schreien hören? Würde die Person an meiner Seite wegen mir in Schwierigkeiten kommen? Und wenn schon, schließlich sah sie zu wie ich litt. Warum tat man nichts gegen meinen Schmerz? Gebt mir Morphium, betäubt mich... nein... tötet mich. Oh bitte, bitte schneidet mir die Kehle durch. Doch keiner half mir. Also versuchte ich mich auf das Wesen neben mir zu konzentrieren. Eine Hand hielt meine Hand, da war ich mir sicher. Immer wenn ich mich wand und zuckte spürte ich Stoff und Federung unter mir. Ich lag also in einem Bett. Erkenntnis! Der Schmerz nahm mir die Freude. Wenn ich ruhig lag spürte ich wie jemand mein Gesicht berührte, die Haare zurück strich. In der Berührung lag etwas Entschuldigendes. War es, weil man mir nicht helfen konnte? Dann Begriff ich das zu mir gesprochen wurde. Eigentlich schon die ganze Zeit wie ich plötzlich begriff, ich hörte nicht zu. Nicht weil ich dazu nicht in der Lage war. In meinen Ozean von Gehirn passte so viel. Ich hätte die Bibel rückwärts zitieren können und in Gedanken einige Musikstücke singen können. Hätte mir über meine Zukunft und die Vergangenheit Gedanken machen können und doch konnte ich mich immer noch auf den Schmerz konzentrieren. Mir war als wäre noch jemand anderes im Haus. Doch sicher war ich mir nicht. Nicht weil es nicht eindeutige Geräusche von Schritten und regelmäßiger Atmung waren, sondern weil ich mir selbst nicht traute. Dann plötzlich war es als würde der Schmerz abklingen. Er war immer noch grauenhaft, aber er ließ nach. Wie viel Zeit wohl vergangen war? Und dann begann mein Körper ein neues Gefühl zu entwickeln. Ich hatte definitiv Hunger. Kein Wunder. Wenn ich hier schon eine Weile lag, dann war mein Energiespeicher komplett leer. Er musste aufgefüllt werden. Doch zu dem Hunger gesellte sich ein widerwärtiges Gefühl. Die Bitte darum mir die Kehle aufzuschlitzen nahm ich sofort zurück, denn es fühlte sich an als täte es gerade jemand. Jetzt. Da der Schmerz nachließ. Ein Schmerz wurde geringer, der andre mehr. Meine Kehle fühlte sich nicht mehr zerschlissen an, eher trocken und brennend. Wie als hätte ich eine Fackel verschluckt. Ich versuchte durch die Lider zu blinzeln die ich die ganze Zeit über geschlossen hatte. Und beschloss dabei zu bleiben. Meine Augen brannten im hellen Licht der Nachttischlampe als hätte ich sie noch nie benutzt. Und dann zerriss es meinen Oberkörper. Jeder Schmerz wich aus den Zellen und strömte in meine Brust. Ich schrie noch einmal laut und melodisch auf und dann war alles still – bis auf das unangenehme Gefühl in meinem Hals. Ich blinzelte und öffnete die Augen. Jemand hatte ein anderes, angenehmeres Licht angeschaltet. Ich sah mich um. Der Raum in dem ich mich befand war riesig. Fast dreifach so groß wie mein altes Zimmer. Die Fenster waren mit schwerem Stoff verhangen. Zu schwer für meinen Geschmack. Ich liebte das lockere, sanfte. Allerdings war das Farbspiel zwischen dem dunklen Stoff und den hellen Wänden schön anzusehen. Die Möbel waren dunkel. Nicht schwarz, aber ein tiefes braun mit hellem Stoff und Kissen bezogen. Ein paar Blumen hätten dem ganzen Raum gut getan. Es war schön, aber zu leblos. Als würde hier eigentlich niemand wohnen. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah in das liebevolle Gesicht eines blonden Mannes. In diesem Moment begriff ich, dass sich meine Augen verändert hatten. Die Herrlichkeit der neuen Umgebung wirkte in einem unglaublichen Ausmaß auf mich ein, weil ich anders sah. Der Schleier war fort. Kein Detail blieb mir verborgen. Keine Zelle der perfekten Haut meines Gegenüber, das tiefgründige Lächeln, der ehrliche Blick aus honigfarbenen Augen. Stumm. Und doch erzählte der Blick tausend Geschichten. Der Raum war erfüllt von allen möglichen Düften. Ich seufzte. War das der Himmel? Dieser Mann sah aus wie Gott. „Wie geht es dir?“ Diese Stimme. Er MUSSTE Gott sein. So warm, so lieblich. Eine allumfassende Fröhlichkeit umgab mich. Ich wollte ihm in die Arme fallen und danken. Er hatte mich erlöst und trotz meiner Schmach des Selbstmordes in den Himmel aufgenommen. Ich senkte den Blick. Wie konnte ich Gott nur so anstarren. Und doch konnte ich nicht unterdrücken was ich empfand. Von dem Moment als ich ihn erblickte liebte ich ihn. Sollte man Gott so lieben? Ich befürchtete nicht. Denn meine Gedanken waren nicht koscher. Wieso empfand ich so? Ich schien alles um mich besser und intensiver wahr zu nehmen. Vor allem aber die Schmerzen in meinem Rachen die mittlerweile unerträglich wurden. Dann war es doch nicht der Himmel. „Du musst schrecklichen Durst haben.“ Er sprach einfach weiter, während ich noch mit Entscheidungen rang. Was sollte ich tun? Durst? Es fühlte sich eher an als müsste ich meinen Hals in Eiswürfel einwickeln. Sachte legte er die Hand um meine Hüfte und zog mich aus dem Bett. Ich war mir sicher erröten zu müssen, doch ich spürte kein Blut was in die Gefäße meiner Wangen schoss, im Gegenteil, sie schienen erstarrt. Stumm folgte ich ihm nach draußen. Gab es hier einen See? Und warum hatten wir keine Schüssel dabei? Ich fürchtetet nicht schnell genug Wasser mit der Handfläche in mich schaufeln zu können um das Brennen zu unterdrücken welches überhand nahm. Mit schmerzverzerrtem Blick fasste ich mir an die Kehle und holte tief Luft. War es gerade das erste mal das ich atmete? Wo war der Sauerstoff? Ich schmeckte die Umgebung doch kein Luftzug drang in meine Lunge. Sie war tot. Wie ich. Also doch der Himmel? Die Umgebung war ebenso Atemberaubend wie das Haus. Gepflegt und doch wild. Es war die abgeschiedenste Gegend die ich mir vorstellen konnte. Es gab nur Wanderwege. Weit und breit nicht mal eine Hauptstraße. Es war menschenleer. Vielleicht gab es ja einen Himmel für jeden Menschen – einen eigenen nur für mich. Und dieser Mann war mein privater eigener Gott. Wie egoistisch so zu denken. Sollte er wirklich mir gehören? Er musste das schönste Wesen sein, was ich je getroffen hatte. Und er respektierte die Zeit für meine Gedanken. Er versuchte nicht mich zum Reden zu zwingen, sondern führte mich tiefer in den Wald. Das Stillen meines Durstes war momentan sein oberstes Gebot. Nur ich. Hatte ich so viel Aufmerksamkeit verdient? Wir liefen nicht lange, doch hatten eine erstaunliche Strecke zurückgelegt. Um ehrlich zu sein, hatte ich nicht mal gemerkt, dass ich lief. Dann roch ich etwas. Es war nicht appetitlich, aber es roch nahrhaft. Mein Körper rebellierte bei dem Gedanken. Wie als wenn man ein kleines Kind zwingen wollte Spinat zu essen. Mein Begleiter umfasste meine Hüfte und neben den vielen andren Empfindungen und Gedanken die diese Berührung in mir auslösten nahm ich wahr, was er mir sagte. Was ich hörte ließ den Traum meines Himmels wie einen Spiegel zerspringen. Was? Hatte ich es nicht verstanden während ich brannte, oder wollte ich es nicht hören. Ein Abgrund tat sich auf und ich stürzte in meine Hölle. Ich sollte ein Vampir sein? Ein Leben nehmen um meinen Durst zu stillen. Wie sollte ich das tun? Die Worte drangen wie tausend Messer in mich. Es waren nur Tiere? Aber, es waren doch auch Leben. Wie konnte ich das tun? Wieso hatte man mir das angetan? War das die Strafe die auf Selbstmord stand? Ich wollte weinen, schreien. Doch aus meinem toten Körper drang nichts. Das Verlangen nach etwas Natürlichem, etwas Instinktivem ließ mich meine Beherrschung verlieren. Ich wusste nicht was es für ein Tier war, ich wusste nicht wie es schmeckte und wie ich es erbeutet hatte, ich wusste nur,dass der Durst abnahm und mein Verstand wiederkehrte. Als ich an mir herab sah bemerkte ich ein blutverschmiertes weißes Kleid. Ich wischte über meine Lippen. Blut klebte an mir, an meinen Händen, an meiner Seele. Ich wollte weinen, wieso konnte ich nicht weinen? Zwei Arme umfassten meine Statur. Sie trennten meine Beine vom Boden und trugen mich. Ich schloss die Augen um nichts mehr zu sehen und doch nahm mein Gehör jeden windenden Grashalm, jedes brechende Stück Holz, jedes heulen des Windes wahr. Ich roch den Duft des Mannes der mich trug und ich hasste mich für die Empfindungen die er in mir auslöste. Er hatte mich verdammt und ich liebte ihn. Wie konnte ich. Ich war durch und durch schlecht. Vielleicht verdiente ich es ja so zu leiden. Ich lag in der Unendlichkeit von weichen Laken und wartete auf den Schlaf. Ich hatte Geschrien und die wüstesten Beschimpfungen gebraucht die ich aufbringen konnte und wusste das meine Mutter sich für mich in den Boden geschämt hätte. Der blonde Mann, dessen Namen ich immer noch nicht kannte hatte mich schreien lassen und ließ mir auch jetzt meinen Frieden. Er hatte Geduld, das musste man ihn lassen. Vielleicht gab es andere Menschen die sich nach diesem Leben sehnten. Unsterblich, kaum verwundbar. Ich seufzte. Wohl schon zum hundertstem Mal in fünf Minuten. Der Schlaf kam nicht. Also wälzte ich mich hin und her und dachte nach. Mein Gehör war exzellent. Vor einigen Stunden, ich hatte gerade zum 2057 Mal meine Position auf dem Bett verändert, kam ein weiterer Mann dazu. Auch wenn ich ihn durch meine geschlossene Tür nicht sah, schätzte ich ihn Jünger als den Mann der mich verwandelt zu haben schien. Seine Stimme war ebenso wohlklingend, hallend aber heller. Er begann einen Monolog zu führen und ich wunderte mich wieso. Denn er schien auf Unausgesprochenes zu antworten. Somit konnte ich nicht viel aus ihrer Unterhaltung schließen. Jetzt wo ich mich beruhigt hatte, fühlte ich mich schlecht. Vielleicht hatte ich übertrieben. Mein Blick streifte durchs Zimmer und ich setzte mich auf. Es war hoffnungslos auf den Schlaf zu warten, er würde nicht kommen. Also stand ich auf und ging durch das Zimmer. Roch an den dunklen Schränken und fuhr mit dem Finger über die Kissen. Abgehangen in einer Ecke stand ein Spiegel. Ich wusste nicht ob ich mich gerade sehen wollte, wenn ich es überhaupt konnte und doch war die Neugier plötzlich da. Also zog ich einen der Vorhänge auf. Es war hell. Wie lang musste ich hier gelegen haben? Das Licht drang durch die Fenster und ich blickte hinauf in die Sonne. Sie strahlte unglaublich hell und tauchte die Umgebung in ihr sanftes Licht, sodass der Wald der See und alles um mich so herrlich erleuchtet und einladend wirkte, dass meine Trauer wie weggeblasen war. Tausend Farben spiegelten sich an der Zimmerdecke. Wie als würde ein Diamant sie zurück werfen. Ich blickte mich um, doch sah ich keinen. Ein Diamant hätte auch gar nicht in dieses Zimmer gepasst. Die Möbel wirkten zwar teuer, aber nicht protzig. Ich seufzte. Also verbrannten Vampire nicht bei Sonnenlicht. Ich hob meinen Arm um zu sehen ob er noch da war. Mein Atem stockte. Was war mit meiner Haut? Der Diamant den ich suchte war ICH. Jetzt musste ich in den Spiegel sehen. Meine Haut reflektierte das Sonnenlicht auf eine ungewöhnliche Art und Weise. Ein wenig erschreckend, aber auch irgendwie schön. Wie sehr hatte ich mir als kleines Mädchen ein so schön glitzerndes Armband gewünscht. Hatte ich das? Die Erinnerungen waren nebelig. Als hätte ich sie nur geträumt und als wären sie nicht real. Ich betrachtete mein Spiegelbild. Es hatte auf den ersten Blick nur sehr wenig von der Person die ich einmal war. Meine Haare waren voller, viel geschwungener, aber immer noch in der Farbe von Karamell. Meine Haut unnormal weiß, aber makellos. Unnormal war das richtige Wort. Meine Augen waren das schlimmste. Rot waren sie. Aber alles in Allem harmonierte jede kleine Zelle miteinander und bildete eine perfektes Gesamtbild. Unsterblich und hübsch. Vielleicht könnte ich so leben. Ich musste ja keine Menschen töten. Mein Vater war früher oft Jagen und brachte frisch Erlegtes mit nach Hause. Dies war doch nichts anderes? Vielleicht hatte ich überreagiert. Ich entschloss, mich zu entschuldigen. Langsam ging ich zur Tür. Die Klinke war angenehm warm. Ich wusste nicht wie ich mich entschuldigen sollte. Seufzend drückte ich die Klinke hinunter und trat aus der Tür über den Flur ins Wohnzimmer. Der Mann der mich verwandelt hatte saß auf einem weißen Sofa. Davor stand ein schöner Glastisch. Neben ihm in einem kleineren Sessel saß der junge Mann den ich vor einigen Tage gehört hatte. Er hatte kupferfarbenes Haar und schien jünger als der andere. Obwohl sie verschieden waren, hatten sie gleiche Merkmale wie die weiße Haut, die goldenen Augen, die makellosen Züge. Wie sollte ich anfangen. Ich könnte mich ja vorstellen. „Hallo ich heiße Esme. Nett das ihr mich aufgenommen habt.“: dachte ich. Und im selben Atemzug kam es mir lächerlich vor. Wollte ich das hier denn? Der Jüngere lachte. Ein schönes klares Lachen. Eher wie von einem Kind. Er lächelte mich mit einem Lächeln an welches dem eines Kindes zu seiner Mutter gleich kam. Mein Kind hätte wie er sein können. Stattlich, freundlich. Zumindest wirkte er so auf mich. Ein neues Gefühl mischte sich unter die restlichen in meinem Körper. Ein Gefühl was mir in meinem alten Leben verwehrt geblieben war. Eine Liebe, nicht wie man einen Mann zu lieben vermochte, sondern wie man ein Kind liebte und ich lächelte zurück. „Setzt dich. Du brauchst nichts zu erklären.“ meinte der junge Mann und deutete mit der Hand auf den Platz neben dem älteren. Dieser schien erleichtert. Darüber das ich mich wieder gefangen hatte nahm ich an. Ich lächelte wieder und setzte mich neben ihn. Dann hörte ich zu. Sie erzählten mir ihre Geschichte. Der Mann der mich verwandelte hatte, Carlisle hieß er, hatte auch den anderen welcher den Namen Edward besaß verwandelt. Ich hörte einfach nur zu. Was sie mir über die Regeln erzählten, welche sie aufgestellt hatten. Sie dienten dem Schutz der Menschen. Sie wirkten gut auf mich. Obwohl sie doch etwas so schreckliches waren, hatten sie eine unglaublich Art an sich. So gutmütig, höflich und selbstlos. Sie wussten was sie waren und doch verleugneten sie es. Ich fühlte mich zunehmend wohler. Während ihre Geschichte auf mich wirkte entspannte ich mich. Vielleicht war dies hier nicht das Ende, sondern eine andere Art von Anfang. Mittlerweile war eine volle Woche vergangen. Ich war erstaunt, trotz fehlendem Schlafes konnte ich mittlerweile die Tage voneinander trennen. Das Wetter hatte sich verschlechtert und es drang nur noch selten Sonne an mich heran. Ich versuchte einen gewissen Rhythmus aufrecht zu erhalten. Tagsüber kümmerte ich mich ums Haus, nachts lag ich im Bett und begann zu lesen. Edward und Carlisle hatten eine Arbeit der sie nachgingen. Es hatte mich erst überrascht. Ein Arzt und ein Pianist. Nicht die gewöhnlichsten Berufe, aber sie gingen etwas regelmäßigen nach. Zyklische Handlungen in einem versteinertem Leben. Für mich sollte es das nächste Jahr über erst einmal nicht möglich sein am gesellschaftlichen Leben teil zu haben. Der Geruch von menschlichen Blut wäre zu überwältigend. Keine Fehler. Ich wollte niemanden verletzten, also verbannte ich mich selbst in dieses Haus. Sie waren nachsichtig mit mir. Wenn ich allein sein wollte, ließen sie mich allein und wenn ich reden wollte hörten sie mir zu. Vor allem Carlisle kümmerte sich rührend um mich. Er achtete auf meine regelmäßige Ernährung und half mir mit der neuen Situation zu recht zu kommen. In seiner Nähe fühlte ich mich geborgen und wohl. Nicht das ich Edward nicht mochte. Er war das Bild eines Sohnes. Schon nach wenigen Tagen brachte er mir das unendliche Vertrauen und die reine Liebe eines Kindes entgegen und ich liebte ihn wie meinen Sohn, doch was ich für ihn empfand war unvergleichbar mit dem was ich für den Mann zu empfinden in der Lage war, welcher mich verwandelt hatte. Unser Miteinander war schon nach wenigen Tagen so vertraut und selbstverständlich als hätten wir Jahre zusammen gelebt. Sein gütiger Blick und sein selbstloses Verhalten welches er seinen Patienten gegenüber brachte rührte mich. Er hatte einen starken Willen. Wenn er heim kam trug er den Duft von Menschen mit sich. Obwohl er auf mich den Eindruck machte mich zur Begrüßung gern umarmen zu wollen, ließ er es gegen sein Bedürfnis sein. Der Geruch der ihn umgab ließ in mir eine andere Seite erwachen. Eine die mich etwas ängstigte. Wenn dieser Duft an mich drang, so süßlich so zart und appetitlich setzte mein rationales Denken aus. Der Durst der durch die regelmäßige Nahrung unterdrückt wurde bracht durch und ich spürte ein Verlangen in mir welches mich fast verrückt machte. Doch die beiden Männer achteten sorgsam auf mich. Edward gelang dies auf Grund seiner besonderen Fähigkeit ein wenig besser als Carlisle, der aus manchen meiner Verhaltensweisen nicht schlau zu werden schien. Es viel mir erst einige Tage nach unserem ersten Gespräch auf. Edward antwortete auf unausgesprochene Fragen. Er erfüllte meine Bitten bevor ich sie vortragen konnte und das mit einer Selbstverständlichkeit die mich erneut die Liebe einer Mutter spüren ließ. Irgendwann erklärte er mir dann nebenbei das er in der Lager war Gedanken zu hören. Nebenbei. Als wäre es normal. Es hatte sein Gutes und sein Schlechtes. Ich wusste, dass er es rechtzeitig bemerken würde, wenn mein Verlangen nach Blut zu überwältigend wurde und das beruhigte mich und ließ mir eine gewisse Freiheit über meine Gefühle. Andererseits hatte er auch Einblick in Gedanken die ich lieber für mich behalten wollte. Besonders über die, die mich überkamen wenn ich wieder einmal in Carlisles Nähe war. Ich konnte die Empfindungen normalerweise gut unterdrücken, doch wenn er mich mit seinem unendlichen Blick ansah, mit der Freude und der Hoffnung die darin lagen, empfand ich ein Verlangen nach seiner Nähe welches mich zu übermannen drohte. Und wenn ich ihn darauf hin anlächelte bildete ich mir ein, Glück in seinem Blick erkennen zu können. Er hörte mir geduldig zu, auch wenn ich nur sinnloses Zeug über meine Vergangenheit erzählte, doch mich beruhigte es darüber zu reden. Es war als würden mir die Erinnerungen entgleiten wenn ich nicht oft genug darüber sprach. Manche wollte ich verlieren, manche nicht. Auch heute war wieder so ein Tag an dem ich Zeit hatte über mein Vorleben zu sinnieren. Edward war im Theater und probte dort mit den Schauspielern und anderen Musikern für einen kommenden Auftritt. Nicht das er Proben nötig hatte. Er spielte perfekt, auch wenn er es nicht zu gab. Immer wenn er am Klavier im Wohnzimmer saß und spielte gab mir das ein Gefühl von Freude. Unvergleichbar mit der Freude welche Musik in Menschen auslöste. Wenn man Musik mit Blumendüften vergleichen konnte, hatte seine Kunst den Geruch von Lilien. Klar und rein. Carlisle war im Krankenhaus und erneut begann ich ihn zu bewundern. Gegen seine Natur widerstand er seinem abgründigen Ich und half Menschen. Er war wirklich durch und durch gut. Ich huschte durch die Wohnung und suchte nach Staub welchen ich entfernen, oder Kissen die ich zurecht rücken konnte. Heute morgen hatte ich wie jeden Tag Kuchen gebacken, ich hatte gekocht und gebraten und damit es nicht verfiel gab ich es wie immer den Männern mit, welche es an ihre Mitmenschen brachten. Carlisle brachte mir daraufhin jeden Abend selbst gemalte Bilder von den Kinder im Krankenhaus mit, welche sich auf die Art bei mir bedankten und Edward überbrachte Danksagungen und Bewunderungen über meine Kochkunst. Der Gedanke daran stimmte mich fröhlich. So unperfekt ich im Vergleich zu den Beiden war, wenigstens eine Sache beherrschte ich. Ich wünschte ich könnte den ganzen Menschen meine Freude zeigen. Wie gerne würde ich Edward bei den Theaterstücken spielen hören, oder Carlisle und seinen Kollegen Pausenbrote vorbei bringen, so wie es eine Frau tat. Eine Frau? Seine Frau. Bei dem Gedanken wurde mir wohl, doch ich verdrängte ihn gleich wieder. Ich zupfte zum hundertsten Mal an einer Bettdecke als plötzlich die Gartentür aufgeschlagen wurde. War die Zeit doch schneller vergangen als ich dachte? Die Sonne war zwar hinter den Wolken doch es war definitiv zu hell, als dass einer der beiden zurück sein konnte. Ich lauschte den Schritten, auf den nicht vorhandenen Herzschlag und ich brauchte nicht mal eine Sekunde um die Treppe hinunter zu schweben und im Wohnzimmer auf das Öffnen der Wohnungstür zu warten. Carlisle trat ein. Er sah mitgenommen aus. Als hätte er kaum geschlafen. Wie lächerlich, er schlief auch nie. Seine Augen waren schwarz und darunter lagen tiefe Schatten. Ein Bild was mir heute morgen schon aufgefallen war, aber es war nicht verwunderlich, wenn ich überlegte dass er seit meiner Verwandlung nicht mehr Gejagt hatte. Er hatte sich zu sehr darauf konzentriert, dass ich genug Nahrung hatte und es mir gut ging, dass er sich selbst vergessen hatte. Mein Gewissen nagte an mir. Ich war so selbstsüchtig. In weniger als einer Sekunde war ich bei ihm. Diesmal war ich die Diejenige die den Arm um ihn legte und ihn sanft aufs Sofa drückte. Einige weitere Sekunden vergingen ohne das er sprach. Er lehnte sich gegen meinen Körper und hielt in der Berührung inne. Dann öffnete er die Augen und sprach, ruhig und beherrscht doch irgendwie schwang leichter Selbsthass mit. „So viele Jahre. So lange hat es mir nichts ausgemacht und heute hätte ich fast die Beherrschung verloren.“ Er legte seine Hand über die Augen als ob er sie so versiegeln wollte. Ich tätschelte leicht seine Hand und hielt ihn an sich zu beruhigen. „Es war schrecklich. Ein Massaker. Ein Haus war zusammen gebrochen. Sprengstoff, es stank überall danach. Und da lagen sie. So viele Menschen und alle blutüberströmt.“ Erst jetzt viel mir das Brennen im Hals auf. Eine Reaktion auf den unendlich betörenden Geruch von menschlichen Blut, den er mitgebracht hatte. Wann würde ich darüber hinweg sein. Ich biss die Zähne zusammen, doch wich nicht von seiner Seite. Er hatte ihnen nichts getan. Mehreren blutüberströmten Menschen die alle so herrlich rochen. Wie ich ihn bewunderte. Er war direkt hierher gefahren um sich wieder zu fangen. Also sollte ich mich auch endlich mal zusammen reißen. Es war sicherlich eine reine Willensfrage. Wenn ich mich nicht so auf den Geruch konzentrierte war es vielleicht möglich. Dumm nur, dass mein endloses Gehirn mit so vielen Empfindungen gleichzeitig fertig wurde. Er registrierte meine steife Körperhaltung, die zusammen gebissenen Zähne. „Verzeih mir, es muss schrecklich für dich sein. Ich geh duschen.“ Er versuchte seinen Arm meinem Griff zu entziehen, doch ich ließ es nicht zu. Es war mir egal. Auch wenn meine Kehle lichterloh in Flammen stand. Es gab ein Gefühl welches den Durst übermannte. Das erste Mal in meinem neuen Leben das ich diese Seite von mir im Griff hatte. Wohl weil ich gestern Abend erst meinen Durst gestillt hatte und so voll war, dass nichts mehr in mich passte, oder einfach weil es grade Wichtigeres für mich gab. Wir schauten uns einige endlose Sekunden lang an. Wenn ich zur Blutzirkulation fähig gewesen wäre, wären meine Wangen leuchtende Punkte. Dann lag ich plötzlich in seinen Armen und meine Lippen auf seinen. Mein toter Körper begann sich zu verändern. Jede Empfindung, alles was ich bisher zu fühlen im Stande gewesen war, war nichts im Vergleich mit dem Gefühl was sich Stück für Stück in mich einmeißelte. In dieser Sekunde wusste ich, dass es niemals einen Mann geben würde den ich mehr, bedingungsloser und tiefgründiger lieben würde als diesen. Und meine Unsterblichkeit bekam für mich einen Sinn. Kapitel 2: Zukunft oder so ähnlich ---------------------------------- Ich zupfte ungeduldig an dem Sofakissen, rutschte nach links und rechts und stand mehrfach auf um mich wieder zu setzen. Nicht das ich das alles nötig hatte. Ich hätte Stunden in der Position verharren können, in der mich meine neue Familie zurück gelassen hatte, ohne mich dabei unwohl zu fühlen, aber ich ging der menschlichen Hoffnung nach, dass die Zeit schneller vergehen würde wenn ich mich mit Irgendetwas beschäftigte. Ich hatte Beide förmlich gezwungen mich alleine zu lassen, auch wenn ich genau das Gegenteil wollte. Doch es war nun auch mal an mir zurückzustecken und meiner neuen, kleinen Familie die Chance zu geben sich Nahrung zu beschaffen. Ich beobachtete die grauen Wolken aus denen sich pausenlos Regen ergoss und unbarmherzig auf die kleinen Grashalme knallte. Der Geruch war herrlich. Nicht vergleichbar mit dem den ich früher bei Regen wahrgenommen hatte. Zum zehntausendsten Mal sah ich auf die Uhr. Sie waren seit zwei Stunden dreiundfünfzig Minuten und einundzwanzig Sekunden fort. Es war nicht leicht gewesen mich gerade jetzt von Carlisle zu trennen und sein strahlender Blick machte es mir nicht einfacher, doch ich bestand darauf. Winkend und mit einen Lächeln sah ich ihnen nach während sie im Dickicht verschwanden. Von da an war ich allein und ich konnte mich mit meinen Gedanken auseinander setzen. Es war nicht das erste Mal das ich mich verliebt hatte. Ich versuchte mich an meine Jugend zu erinnern. War ich bei den Männern beliebt gewesen? Irgendwie fehlte mir jegliche Erinnerungen. Dann versuchte ich mir den Vater meines verstorbenen Kindes ins Gedächtnis zu rufen. Doch ein richtiges Bild bekam ich nicht. Hatte ich ihn geliebt? Ich spürte etwas unangenehmes wenn ich an ihn dachte. Obwohl da kein Bild war, war da Schmerz. Es war als würde ich verschwommene Bilder vor mir sehen. Von mir. Der Körper übersät von blauen Flecken. Ein Veilchen am Auge. Meine Mutter die mir sagte ich sollte mich nicht so haben. Männer waren aufbrausend. War das wirklich mal passiert. Ich war mir nicht sicher. Worüber ich mir hundertprozentig sicher sein konnte war, dass eine derartige Liebe wie ich sie gerade empfand meinen menschlichen Körper in tausend kleine Stückchen zerrissen hätte. Nicht das es mir nicht egal gewesen wäre. Ich hätte es hingenommen, mich in Staub aufzulösen wenn ich nur einmal diese Empfindung hätte spüren dürfen, doch jetzt wo ich sie mit meinem ganzen Körper, mit meinem unendlich kapazitären Gehirn aufnehmen konnte war ich dankbar, dass es mich nicht zerriss. Ich wollte dieses Gefühl nie wieder hergeben. Doch so schön auch der Moment war umso mehr hatte ich Angst vor der Zukunft. Nicht die, die in der Ferne lag. Diese war mir relativ egal, ich bezweifelte, dass ich von diesem Gefühl jemals genug haben würde. Es war eher das nahe liegende, was mir Angst bereitete. Wie sollte es nun weiter gehen. Würde ich ihn verletzen wenn ich nachher einfach in mein Zimmer gehen würde und mich verhielt wie sonst auch. Und wenn ich dies nicht tat? Wir könnten ewig lang nebeneinander auf dem Sofa sitzen und es würde uns nicht stören zu schweigen. Einfach nur nebeneinander in endloser Vollkommenheit. Doch wenn er mir wirklich gestatten sollte mit in sein Zimmer zu gehen, was sollte ich dann tun. Schlafen konnte ich nicht um der Zwickmühle zu entgehen. Nicht das ich nicht wusste was ein Mann und eine Frau miteinander anstellen konnten, schließlich war ich nicht durch das bloße Betrachten eines männlichen Wesens schwanger geworden. Oder? Wieder ein stechender Schmerz. Wollte ich an frühere körperliche Beziehungen denken? Irgendwie wurde mir schlecht davon. Was war passiert, ich hatte keine Erinnerung. Doch mit ihm konnte es nicht schrecklich sein. Aber war es nicht zu früh? Wenn ich auf mein Innerstes hörte, wollte ich nichts anderes und dafür schämte ich mich. So war ich nicht erzogen worden. Wie war ich überhaupt erzogen worden? Außerdem musste ich daran denken das wir nicht alleine waren. Nicht nur das dass Gehör von Vampiren geschärft war, nein Edward war in der Lage jeden Gedanken zu erfassen. Ich vergrub mein Gesicht vor Scham. Nicht nur das ich so explizit darüber nach dachte, ich musste die Gedanken mit jemanden teilen. Ich nahm ein Kissen vom Sofa und zog es mir beschämt über den Kopf um meine Gedanken zu schützen. Es war sinnlos. Ich musste an etwas anderes denken. An etwas Koscheres und nicht an die Fantasien die gerade in mir hoch krochen. „Nein, nein, nein.“ Das waren MEINE Gedanken. Sie gehörten mir. Ich entschloss mich abzulenken. Also ging ich in mein Zimmer und schaute in den Spiegel. Ich trug ein Hemd und eine alte Hose von Edward. Mein Kleid, welches ich am Tag meines Todes getragen hatte, war nicht nur zerschlissen sondern auch blutbefleckt. Es lag im Wäschekorb und wartete darauf gewaschen zu werden, oder weggeschmissen, je nach Grad der Beschädigung. Ich hatte mir keine großen Gedanken über mein Aussehen gemacht in den letzten Tagen. Zum einen lag es daran, dass ich einfach nicht darüber nachgedacht hatte, zum anderen musste ich körperlich nichts an mir verschönern. Meine Wimpern waren voller als zu Lebzeiten, ebenso wie meine Haare. Gedankenverloren griff ich nach eine Bürste und fuhr mir damit durchs Haar. Ich drückte sie hinunter und sie sprangen wieder in die perfekte Form zurück, die sie zuvor auch schon hatten. So wie sie es auch taten, wenn ich aus dem Bett aufstand, oder mir ein Oberteil über den Kopf streifte. Mein Gesicht war makellos. Kein Make Up hätte eine solche Wirkung gehabt. Ich seufzte. In diesem Haushalt gab es nichts weibliches und bis jetzt hatte es mich nicht gekümmert. Ich musste unbedingt einen Einkaufszettel schreiben. Ein bis zwei Kleider. Einige Blusen, einen Pullover. Vielleicht auch zwei Hosen und ein paar Schuhe. Haarnadeln, Zopfgummies und ein oder zwei Spangen. Ob das zu viel war? Ich würde es selbst kaufen, doch ich fürchtete mich davor Fehler zu machen. Also zupfte ich ein wenig an meinem Hemd. Krempelte die Ärmel hoch und drehte meine Haare zusammen, nur um sie im selben Atemzug wieder fallen zu lassen. Wann würde ich wohl aus dem Haus können. Was wenn ich mich nie beherrschen konnte. Was wenn ich jemanden tötete. Ich setzte mich aufs Bett und versteinerte in dieser Position. Eine weitere Stunde verging und ich vermisste es schlafen zu können. Wie viel Zeit man als Mensch mit Schlaf vergeuden konnte. Als ich endlich Schritte hörte verfiel ich in eine unbekannte Euphorie. Ich wirbelte die Treppe hinunter. Sie waren zurück. Es schien sich endlos hinzuziehen bis sich die Wohnungstür öffnete. Ich schwor mir das sich meine Füße nicht einen Millimeter vom Platz bewegen würden. Contenance Madame dachte ich mir. Und doch verbrauchte ich sämtliche Willenskraft damit,dem Mann der gerade durch die Tür trat nicht um den Hals zu fallen. Ich widerstand dem umwerfenden Lächeln, den nun strahlenden goldenen Augen und verweilte auf meinem Platz. Wo war Edward? Wieso war er allein? Mein Mutterinstinkt brach durch und paralysierte mich. War etwas geschehen, hatte er sich verletzt. Mir entglitten die Gesichtszüge und meine Stirn zog falten. Mein Gegenüber lächelte unentwegt, trat auf mich zu, und schloss mich in die Arme. Als er seine Lippen sanft auf meine Haare drückte entspannte ich mich wieder. Er würde nicht so gelassen sein, wenn Edward etwas passiert wäre. Auch wenn ich das Ausmaß des Vertrauens und des Verständnisses, dass die Beiden teilten nicht ermessen konnte, war ich mir dieser Tatsache bewusst. „Er nimmt Rücksicht.“, Carlisle lächelte mich an. Jetzt fühlte ich mich schuldig. Hatte ich Edward jetzt aus dem Haus vertrieben. Was wenn ihm etwas zustieß, nur weil er uns einen Moment der Zweisamkeit geben wollte. Er nahm zu viel Rücksicht. Der blonde Mann sah mich immer noch strahlend an und gab mir ein kleines Päckchen. Wann hatte er das denn besorgt? „Ich hoffe es gefällt dir.“ Ich war sprachlos. Ein Geschenk? Womit hatte ich das verdient. „D..danke.“ Ich öffnete den Deckel und etwas Beiges kam zum Vorschein. Ich strich mit dem Finger über den Stoff. Es war Seide und fühlte sich wundervoll an. Er hatte mir etwas zum Anziehen gekauft. War das Zufall oder hatte man mal wieder meine Gedanken durchforstet. Es war egal, ich freute mich. Ich nahm es aus der Schachtel und hielt es an meinem Körper. Das Kleid war knielang und hatte zarte Ärmel. Es war nicht tief eingeschnitten und nicht vulgär und was viel besser war es traf genau meinen Geschmack. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen um mich mit einem Kuss auf die Wange zu bedanken. Innerhalb von 3 Sekunden war ich im Nachbarzimmer, hatte mich umgezogen und stand wieder im Wohnzimmer. Carlisle hatte sich nicht einen Millimeter bewegt und bewunderte lächelnd das Kleid. „Es steht dir hervorragend.“ Für eine Sekunde war ich mir sicher Selbstgefälligkeit in seinem Blick erkennen zu können doch dann war sein Gesicht wieder das perfekte Ebenbild des gütigen Gottes der mich erschaffen hatte. Er schloss mich in die Arme und wir verharrten in dieser Umarmung. Eine Sekunde, eine Minute und vielleicht noch länger. Keiner von uns sprach. Wenn unsere Zeit nicht schon angehalten geworden wäre, dann würde sie jetzt still stehen. „Ich musste lange auf dich warten.“ Seine Stimme war leise, ein Flüstern nicht mehr, doch ich verstand jedes einzelne Wort so klar und deutlich als spräche er laut. Ich seufzte und fuhr mit den Fingern durch sein Haar. Es war so weich und er roch fantastisch. Mein Verstand funktionierte in diesem Moment unglaublich einfach. Ich fragte mich wer von uns beiden gerade eine maskulinere Denkweise einnahm. Doch so musste es sich anfühlen wenn jede Bewegung, jeder Reflex auf simple Bedürfnisse heruntergestuft wurde. Ich versuchte mich selbst zur Besinnung zu rufen während seine Lippen an meinem Hals entlang glitten. War das falsch? Meine Mutter würde mich ein Flittchen nennen. Eine Schlampe. Erst heiraten, dann das Vergnügen. Ich glaubte das war ihr wichtig gewesen. Das Erscheinungsbild nach außen war ihr wichtig gewesen, aber sie hatte sich nicht gekümmert als mein Ehemann mich verprügelte. Hatte er das? Ich verdrängte die Erinnerung. Andere Gefühle nahmen Oberhand. Konnte ich mich vergessen ohne das er mich für eine Frau hielt die billig und leicht zu haben war? Es war ein Kuss der meine Zweifel verjagte und auch jeglichen rationalen Verstand. Ich hielt die Augen geschlossen. Er schlief nicht und ich schlief nicht. Das wussten wir beide. Doch es war gut so. Es hatte etwas harmonisches so dazuliegen. Arm in Arm. Ohne Kleidung ohne irgendetwas. Es war Wochenende. Es gab keine Verpflichtungen und wir könnten Stundenlang einfach nebeneinander liegen, oder das fortführen was wir unterbrochen hatten. Der Gedanke machte mich glücklich und verlegen zu gleich und ich vergrub mein Gesicht in seinem Oberkörper. Seine Hand strich über meinen Rücken. Es war alles so einfach. Ich hatte alles verloren und doch so viel gewonnen. Ich war dankbar. Dankbar für jede Sekunde jede Minute und es würde nie enden. Solange er mich wollte. Es mussten Stunden vergangen sein, als jemand das Haus betrat. Ich war froh darüber, dass es Edward gut ging, doch auch enttäuscht das mein Traum so abrupt enden musste. Ich seufzte und wollte mich aufrichten. Doch Carlisle hielt mich an den Schultern fest und zog mich zurück in seine Arme. Nur zu gerne gab ich nach. Meine Gedanken schweiften ab und ich verlor mich in seinem makellosen Körper. Dann stockte ich. Meine Gedanken waren jetzt nicht mehr „sicher“. Jede noch so kleine Fantasie teilte ich mit Edward, ob wir wollten oder nicht. Ich versuchte an Blumen zu denken, oder an irgendetwas harmloses. Kleine süße Häschen, oder fröhliche Fische. Jede Berührung brachte mich aus der Fassung und ich versuchte sie wieder zu erlangen. Armer Edward. Er sollte das nicht sehen. Es war gemein. Ich versuchte mich erneut aufzurichten und es wurde mir gewährt. Ich streifte mir mein Kleid über, der Rest saß perfekt wie immer. Carlisle brauchte nicht länger bis er angezogen und lächelnd neben mir stand. Wir gingen ins Wohnzimmer wo Edward saß und den Nichtsahnenden mimte. Die Zeitung ausgebreitet, mit wachen Blick darüber. Er grüßte uns ganz ungezwungen. Was für ein Gentleman. So ein fantastischer Junge. Mein Brust schwoll voll Mutterstolz an, obwohl ich diesen wundervollen Jungen nicht in die Welt gesetzt hatte. Er lächelte dankend über meinen Gedanken. Ich beschloss meiner Arbeit nachzugehen. Ich brauchte etwas Anspruchsvolles, also begann ich den Dachboden aufzuräumen. Edward und Carlisle waren wieder in ein stummes Gespräch verfallen und ich konnte mein Glück in Ruhe genießen. Mein Dasein verging harmonisch. Ich hatte meinen Einklang gefunden. Ich konnte Tagsüber Hausfrau und Mutter sein und Nachts Geliebte. Mein Leben viel mir leichter. Nicht zuletzt auf Grund der großartigen Liebe die ich von meiner Familie erfuhr. Ein Jahr verstrich. Ich hatte gemerkt wie sich das Verlangen nach Blut leichter unterdrücken ließ, und war froh das andere Empfindungen somit verstärkt werden konnten. Doch ich traute mich nicht die Bitte zustellen, endlich unter Menschen zu dürfen. Die Abgeschiedenheit und Ruhe hatten mir Frieden gegeben, doch sie hatten innerlich die Angst in mir geschürt. Ich versuchte mich regelmäßig auf die Probe zu stellen, in dem ich an Carlisles Arbeitskleidung roch bevor ich sie wusch, doch sein herrlicher Geruch schien alles andere zu überlagern. Verpassen tat ich nicht viel. Zumindest dachte ich das. Edward spielte jedes seiner Stücke aus dem Theater für mich. Carlisle erzählte mir jeden Tag von seiner Arbeit. Von der sich verändernden Welt. Doch erleben tat ich es nicht. Es schien mich nicht zu kümmern, ich hatte alles was ich wollte. Auch wenn es mir immer noch unangenehm war allzu intim zu werden wenn Edward im Haus war, gestaltete sich das Leben mit Carlisle als Mann einfacher als gedacht. Wir brauchten nicht zwangsläufig eine tiefe Intimität um unsere Liebe auszudrücken. Es waren kleine Sachen. Ein Kuss in den Nacken während ich Wäsche bügelte. Das Sanfte berühren unserer Hände wenn wir aneinander vorbei gingen, oder das Gefühl wenn ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht strich, wenn er über einem Buch saß. Oder einfach nur ein Lächeln. Ein endloses, friedliches, erfülltes Lächeln. Mir fiel auf das Edward uns oft beobachtete und er tat mir Leid. Wie gönnte ich ihm unser Glück. Er war so ein lieber und fantastischer Junge. Er haderte sehr mit sich und konnte sich innerlich nicht damit abfinden was aus ihm geworden war, dass er seine Seele verloren hatte. Zumindest glaubte er das. Ich war anderer Meinung. Ich versuchte ihm zuzusprechen wie es eine Mutter tat. Fuhr ihm durch die strubbeligen Haare und versicherte ihm, dass niemand den Segen Gottes mehr verdient hatte als er. Dann lächelte er dieses seelige Lächeln, doch ich wusste das er ein guter Lügner war. Ich hatte nun auch einen eigenen Kleiderschrank. Manchmal zog ich mich täglich mehrfach um. Ich hatte adrettes, einfaches, lässiges und auch ein paar laszive Stücke. Sie gefielen mir alle. War es tatsächlich schon ein Jahr her? Sollte ich Carlisle fragen ob wir es testen konnten. Es musste ja kein Jahrmarkt sein. Eine abgelegene Gegend mit zwei, drei Menschen. Ich traute mich nicht. Edward hatte heute morgen für sein neues Stück geprobt. Die Töne erfüllten das Haus mit einem angenehmen Klang und umgaben mich mit Seeligkeit. Er hatte mir vor ein paar Wochen ein Lied gewidmet. Was für ein guter Junge. Es klang so herrlich, dass ich es nicht in Worten ausdrücken konnte. Wie vieles was ich seit meinem neuen Lebens wahr nahm. Mein Vokabular reichte nicht aus. Also hatte ich es versucht in Bildern auszudrücken. Farbkompositionen die alle mein Leben wieder spiegelten. Es klopfte an meine Tür und im selben Augenblick trat mein Mann ein. Mein Mann. Wir waren nicht verheiratet, aber immer wenn er mit seinen Arbeitskollegen sprach nannte er mich seine Frau und es hatte sich wundervoll angefühlt. Carlisle übergab mir ein Paket. Ein Geschenk. Wieder einmal. Wie sollte ich mich nur für diese ganzen Sachen revangieren. „Das wäre doch nicht nötig gewesen.“ Ich wünschte ich könnte erröten. „Du hast heute quasi Geburtstag.“, er lächelte. „Außerdem ist es nur ein Teil des Geschenks.“ Ein Teil? Wie viel wollte er mir noch geben. Ich öffnete die Schachtel. Sie war größer als die Schachteln die ich sonst bekam, wenn sie mir Kleidung schenkten. Darin lagen Ton in Ton ein paar hochhackige Schuhe und ein Kleid. Ich stellte die Schuhe vorsichtig ab und nahm das Kleid heraus. Im Kleid befand sich eine weiter kleine Schachtel, welche heraus fiel als ich es entfaltete. Carlisle fing sie mit einer leichten Handbewegung auf. Das Kleid war schwarz. Ein sattes, schönes schwarz. Der Stoff war weich und fühlte sich teuer an. Das ganze Kleid sah von oben bis unten prunkvoll aus. Ein Abendkleid. Vorne war es gerade geschnitten. Wahrscheinlich schlüsselbeinfrei. Der Ausschnitt hinten war tief, vielleicht zu tief. Aber es war in sich komplett stimmig. Ich sah den blonden Mann mit offenem Mund an. Wann sollte ich ein solches Kleid tragen. War es nicht zu schade, es nur zu Hause zu tragen? Er nahm mich in den Arm. „Zieh es bitte an. Wir gehen aus.“ Wir gingen aus? Wohin? Wann? Zitterten meine Hände? Ich schwebte ins Bad. Meine Gedanken waren gefüllt mit Angst. Wohin gingen wir? Was wenn ich es nicht schaffte? Ich zwang mich, mich zusammen zu reißen. Das war doch was ich wollte. Ich wollte wieder in die Öffentlichkeit. Raus aus meinem Exil. So sehr ich es hasste, so sehr gab es mir auch Sicherheit. Was wenn ich ihn enttäuschte. Er hatte so viel Vertrauen in mich. Das Kleid stand mir wirklich, auch wenn der Ausschnitt hinten ziemlich tief ging. Ich betrachtete die schwarzen Handschuhe und steckte mir die Haare hoch bevor ich sie anzog. Hochgesteckte Haare? War das überhaupt noch Mode? Ich fühlte mich nicht wie ein Jahr verbannt, sondern wie zehn. Ich holte tief Luft als ich aus der Tür trat. Carlisle wartete schon auf mich. Der Anzug den er trug war ebenfalls schwarz. Er stand ihm hervorragend. Sein Gesicht strahlte. „Ich hatte es mir wundervoll an dir vorgestellt. Aber das ist.... umwerfend.“ Er öffnete die Schachtel die er vorhin gefangen hatte und legte mir ein Collier um den Hals. Mit roten Steinen. Sie erinnerten mich an meine Augen vor einem Jahr. Es war keine schlimme Erinnerung. Ich fand die Steine schön. Meine Augen waren mittlerweile ebenfalls honigfarben. Sie hatten nach drei Monaten begonnen sich zu verändern, von da an wurden sie Stück für Stück goldener. Ein Zeichen meiner strengen Diät. Ob ich heute Abend einen Fehler machen würde? Carlisle bemerkte meine Angst. Wie konnte man sie nicht bemerken. „Keine Sorge.“, flüsterte er mir ins Ohr. „Und wenn ich etwas falsch mache?“, die Angst klang in meiner Stimme mit. „Du wirst perfekt sein... Wir müssen los. Die Vorstellung beginnt bald.“ Die Vorstellung? Edward probt seit Tagen an einem neuen Stück von einem noch unbekannten Schreiber. Eine Liebesgeschichte, soweit ich es aus den Skripten herauslesen konnte. Ein voller Saal? So viel Vertrauen setzten sie in mich? Wenige später saßen wir im Auto. Ein Auto. Vielleicht sollte ich auch lernen zu fahren. Während der Fahrt hörten wir Radio. Ich war fasziniert. Nicht weil ich Radios nicht kannte, es war nur alles so neu und gleichzeitig vertraut. Nach dem ersten Weltkrieg hatte sich viel verändert. Ich versuchte irgendwelche Erinnerungen an damals zu fassen, doch etwas in mir gab mir zu verstehen das es besser wäre wenn nicht. Von draußen drang der Geruch von Menschen an mich heran. Es war nicht so schlimm wie ich es mir gedacht hatte. Ganz im Gegenteil. Es war erträglich. Ich entspannte mich zunehmend. Carlisle entging dies nicht und er lächelte in sich hinein. Als wir ausstiegen kamen uns drei Männer entgegen, welche Carlisle begrüßten. Wahrscheinlich Arbeitskollegen, sie gingen zumindest so mit ihm um. „Das hier ist Esme, meine Frau.“, stellte er mich vor. Mein Name. Er sprach ihn mit so viel Stolz und Güte aus. Die Männer wandten sich mir zu und ich setzte das schönste Lächeln auf zu dem ich fähig war und versuchte mich an meine Kinderstube zu erinnern. Meine Mutter hatte viel Wert darauf gelegt, dass ich unter die Haube kam. Der Gedanke daran versetzte mir einen Stich. Seit dem ich verwandelt worden war hatte ich nur an die positiven Seiten meines Vorlebens gedacht. Als ob mein Körper das Schlechte verdrängen wollte. Also tat ich ihm den Gefallen. Die Männer nahmen nacheinander meine Hand und küssten sie. Ihre Berührung war warm. Nicht unangenehm, aber ein deutlicher Unterschied zu der Temperatur die ich gewöhnt war. Menschen mussten eine höhere Temperatur haben als wir. Hoffentlich viel es ihnen nicht all zu sehr auf. Lächelnd lösten wir uns von ihnen und gingen in den Saal. Sie folgten uns und obwohl sie sich flüsternd unterhielten verstanden wir sie. „Wie unglaublich hübsch.“, sagte der eine. „Warum er sie uns so lange vorenthalten hat...“, antwortete der andere. „Vielleicht weil er nicht teilen will.“, fiel der nächste lachend ein. Mich teilen? Ich wollte nicht geteilt werden. Für immer und ewig würde ich nur einem Mann gehören. Carlisle lachte leise. Zu leise für menschliche Ohren. Die Sitze waren samten und gefüttert. Weich und wohlig. Wir hatten nicht viele Menschen um uns. Wir hatten ja auch die besten Plätze. Ich sah mich um. Es wirkte alles so anders. Viel intensiver. Viel klarer als ich es von früheren Theaterbesuchen kannte. Als das Stück begann konnte ich Edward erkennen. Die Musiker saßen eine Etage tiefer als die Schauspieler, doch obwohl wir so weit oben waren und weit weg von der Bühne konnte ich jeden Gesichtszug genau erkennen. Edward erblickte mich und lächelte mir zu, ich lächelte zurück und ließ mich von der Musik einnehmen. Eine alte Frau neben uns hing fast über der Brüstung und versuchte mit ihrem Opernglas etwas zu erkennen. Ihre Augen sahen einen Bruchteil von dem was ich sah. Meine Sicht war klar. Ich konnte sogar die überschminkten Schauspieler ganz genau erkennen. Die Wangen viel zu rot, ebenso wie die Lippen. Carlisle legte den Arm um meine Hüfte. Er genoss den Moment, als hätte er ewig darauf gewartet. Am gesellschaftlichen Leben teil zu haben war der letzte Punkt für unser unendliches Glück. Ich konnte endlich normal sein. So normal es ging. Vielleicht sollte ich mir eine Arbeit suchen. Etwas künstlerisches vielleicht. Egal was. Solange meine Familie bei mir war, war alles perfekt. Kapitel 3: Schönheit ist nicht alles ------------------------------------ Ich hatte aufgehört die Jahre zu zählen. Es mussten nicht viele gewesen sein, aber seit ich ein Vampir geworden war kamen mir Jahre nicht mehr so lang vor. Es machte keinen Unterschied ob ein Monat verging oder ein Jahr. Es war so unendlich viel Zeit. Zu viel um immer etwas neues zu erleben, aber auch das einfache machte mein Leben lebenswert. Ich hatte mich so an das alte Haus gewöhnt, das es mir nicht leicht viel, als wir es verlassen mussten. Ich hatte so viel von mir in alles gesteckt. Die kleinen Beete. Die Blumen. Ich schwieg während der gesamten Fahrt. Der Grund war einleuchtend. Carlisle und Edward sahen zu jung aus für ihr Alter. Und jedes Jahr gefährdeten wir unsere Identität mehr und mehr. Die Umgebung raste an mir vorbei und veränderte sich minütlich. Hätte ich weinen können, hätte ich es getan. Edward tätschelte mir die Hand während Carlisle stur auf die Straße starrte. Er hasste es wenn ich litt. Die neue Wohnung war größer. Prunkvoller. Nicht das die Alte klein gewesen war, aber diese war einfach größer. Carlisle hatte versucht alle meine Vorlieben zu treffen, um es mir so einfach wie möglich zu machen. Die Wände waren größtenteils verglast. Der Blick viel auf einen See. Die Küche war groß. Obwohl wir nicht aßen legte ich wert darauf. Vielleicht wollte uns ja mal jemand besuchen. Unser Zimmer war hell. Auch wenn wir uns nicht in der Sonne zeigen konnten, ich liebte sie trotzdem. Auf ein Bett hatte ich bestanden. Ich bekam eines. Ein großes, das größte was wir finden konnten. Als ich mich zwischen Kissen und Laken setzte bereute ich es mal wieder nicht schlafen zu können. Die Träume in einen so unglaublichen Bett würden ebenso atemberaubend sein. Doch brauchte ich keinen Schlaf um meine Träume auszuleben. Edwards Zimmer war ein Etage tiefer. Er wollte lediglich eine Couch und ich hatte jegliche Diskussion verloren, ihm ein Bett anzudrehen. Dafür nahm eine riesige Anlage sein Zimmer ein. Jedem das Seine. Carlisle hatte noch ein Arbeitszimmer, welches von oben bis unten zugestellt mit Bücherregalen war. Verzweifelt sucht ich nach einem Platz für Blumen und stellte sie schließlich auf den riesigen Bürotisch. Die ersten Tage brachte ich damit zu die Wände zu malern. Carlisle begann im städtischen Krankenhaus als Chirurg zu arbeiten und Edward beschloss erst einmal mit mir zu Hause zu bleiben. Vielleicht fühlten sie sich schlecht, wenn sie mich in dieser neuen Umgebung allein zurück ließen. Dabei war sie gar nicht so schlecht. Es gab eine örtliche Patisserie die ich gerne besuchte. Nicht weil die Törtchen mir so köstlich mundeten, eher weil ich die Aufmachung und die Verzierung so hübsch fand. Ich kaufte täglich mehrere Küchlein, Pasteten und ähnliches und brachte es den Kindern im Waisenhaus. Auch heute verbrachte ich Stunden damit durch die Reihen zu schlendern und mir die ganzen Köstlichkeiten anzusehen, Edward begleitete mich aus Gewohnheit. Für diese Meisterwerke schien ich ihn nicht begeistern zu können. Er kam einfach nur mit, um mich nicht allein zu lassen und weil ihm meine Freude glücklich stimmte. Gerade als mich mein Blick an eine Hochzeitstorte fesselte betrat eine junge Frau den Laden. Sie war bezaubernd. Hüftlanges blondes Haar, ein adrettes rotes Kleid, kurz aber nicht billig. Für einen Menschen war sie unglaublich hübsch. „Miss Hale. Wie schön sie zu sehen.“, die Verkäuferin säuselte der Blondine Höflichkeitsfloskeln entgegen. Edward und ich beobachteten die beiden eine ganze Weile. Sie gingen oberflächlich miteinander um. Im normalen Leben wären sie nie befreundet gewesen, doch hier taten Sie als würden sie sich schon Jahre kennen. Edward schmunzelte unentwegt, wahrscheinlich wieder über Gedanken die ich nicht in der Lage war zu hören. Die blonde Frau, Rosalie wie ich erfuhr, warf den Kopf elegant zurück und ließ ein schallendes, oberflächliches Lachen hören. „Ja, er ist wunderbar. Und sieh her, wir werden bald heiraten.“ Sie hielt der Verkäuferin den teuren Ring unter die Nase. Die Nähe wäre selbst für einen Menschen nicht nötig gewesen, schließlich funkelte und glitzerte er so sehr, dass man ihn in hundert Metern Entfernung hätte wahr nehmen können. Die beiden Frauen gingen die Liste der Hochzeitstorten durch. Das Miss Hale Prunkvolles mochte sah man ihr an, doch ihre Vorstellung einer Hochzeitstorte übertrafen meine Vermutungen bei weitem. Wenn die Verkäuferin sie nicht gebremst hätte und die Schwerkraft nicht existieren würde, wäre wohl der Türrahmen ein Hindernis geworden. Ich musste lächeln. Sie war wie so viele Mädchen der heutigen Zeit. Sie wusste wie sie auf Männer wirkte und wollte viel, mehr, das Beste was man dabei herausschlagen konnte. Sie war kein schlechter Mensch. Ein bisschen verwöhnt, aber nicht schlecht. Die Imperfektion in der Perfektion machte sie für mich irgendwie liebenswert. Edward und ich verließen mit ihr gemeinsam den Laden. Sie betrachtete uns nur kurz und wandte dann den Blick wieder ab. Normalerweise sahen uns die Menschen länger nach. Es war mir oft unangenehm, daher störte mich die mangelnde Bewunderung nicht. Edward folgte mir still. Wir hatten über die Zeit gelernt uns lautlos zu verständigen. Ich hatte es mir von Carlisle abgeschaut und wurde mittlerweile recht gut darin. Er fand die junge Frau ein wenig hochnäsig. Wir folgten Rosalie eine Weile. Beobachteten sie, wie sie ihr Aussehen im Schaufenster prüfte und sich dann auf den Weg zu einer Freundin machte. Diese empfing sie freudestrahlend. Einen kleinen schwarzhaarigen Jungen auf dem Arm. Was für ein süßes Kind. Schließlich entschlossen Edward und ich wieder Heim zu kehren. Ich kümmerte mich um die Wäsche während er sich in sein Zimmer zurück zog und Musik hörte. Als das Telefon schellte unterbrach ich meine Arbeit. Es war Carlisle. „Esme?“ Seine Stimme war so herrlich, dass ich sie erst einige Sekunden genoss bis ich ihm antwortete. „Ja?“ „Es tut mir Leid, wir sind gerade unterbesetzt. Ich werde heute wohl erst spät nach Hause kommen.“ Die Nachricht stimmte mich traurig. Auch wenn wir jetzt schon länger zusammen lebten, auch wenn wir uns so oft gespürt hatten. Es war immer noch wie am ersten Tag und ich vermisste meine abendlichen Umarmungen, seine Hände auf meiner Haut während ich auf dem Bett lag und mit geschlossenen Augen seinem Atem lauschte. Ich seufzte. „Schon in Ordnung. Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich auch.“ Er klang aufrichtig. Ich wusste wie schlecht es mir ging als er das erste Mal Überstunden gemacht hatte. Damals hatte ich ihn das erste Mal auf der Arbeit besucht. Ich spürte erst dort das Ausmaß seiner Stärke und Willenskraft. So viele verletzte Menschen. Trotz meines gebändigten Hungers viel es mir schwer meinen Kopf klar zu halten. Während ich vor dem OP auf ihn wartete beobachtete ich die Schwestern. Sie drängten sich zu hauf um Carlisle. Knöpften die Kittel auf, rafften die Röcke und warfen das Haar in seiner Gegenwart besonders oft zurück. Ich glaubte das erste Mal so etwas wie Eifersucht zu spüren. Während ich daheim saß war mir schon klar das er nicht nur männliche Kollegen hatte und war mir über seine Wirkung auf Frauen durchaus bewusst, doch dies nun in Natura zu erleben machte mich Traurig. Als er endlich aus dem OP kam und mich auf die liebevollste Art und Weise in den Arm nahm und mich leidenschaftlich küsste konnte ich ihre giftigen Blicke im Rücken spüren. Und als er mich an diesem Abend anrief um mir von den Überstunden zu berichten, tauchten in meinen Gedanken tausende Bilder auf. Er mit diesen Frauen. Allein. Warum sollte er sich mit mir zufrieden geben wenn er sie alle auf einmal haben konnte? Ich saß wie ein Trauerkloß auf der Couch. Edward war Jagen und ich somit allein. Allein mit all meinen Bildern. Es war weit nach Mitternacht als Carlisle wieder kam. Ich biss mir auf die Lippe. Er hatte weder Lippenstift am Kragen, noch roch er nach einer anderen. Doch die Bilder vernebelten meine Wahrnehmung. Ich wusste nicht ob er meine Stimmung in diesem Moment registrierte. Doch später als wir in unserem Zimmer waren konnte ich es nicht mehr verbergen. Er hatte sich neben mich gesetzt und die Arme um meine Tallie geschlungen, während er meinen Nacken mit den Lippen streichelte. Ich ließ mich nicht wie sonst gehen. Ganz im Gegenteil. Ich war verkrampft. „Alles in Ordnung?“ Er klang besorgt. „Ja es ist nichts.“ Die Antwort kam zu schnell und zu unüberlegt. Ich blickte ihm nicht in die Augen. „Esme?“ Er drehte meinen Kopf und sah mich an. Und dann sprudelte es aus mir heraus. Ich tat ihm unrecht, dass wusste ich. Es war lächerlich, dass wusste ich ebenso. Als ich endete brach er in einen Lachanfall aus. Sollte mich das jetzt beruhigen? Machte er sich über mich lustig? Dann schloss er mich fest in die Arme. „Wie kannst du Sowas nur denken?“, nun klang er ernst. „Wie lange hatte ich auf dich gewartet? Für mich wird es niemals eine wundervollere Frau als dich geben.“ Und dann verlieh er seinen Worten Nachdruck. Als Edward neben mir das Radio einschaltete wurde ich aus meinen Gedanken gerissen. Er lächelte mich an. Und wieder einmal schämte ich mich diese Gedanken mit ihm geteilt zu haben. Wir begannen Schach zu spielen. Eigentlich ein sinnloser Vertreib, doch er machte die manchmal unendlichen Stunden angenehmer und es lenkte mich ab. Gegen Edward zu spielen war von vorneherein eine aussichtslose Sache. Nicht nur das ich dieses Spiel nicht gut beherrschte, es lohnte sich eigentlich nicht mit jemanden zu spielen der jeden meiner Züge hören konnte als würde ich sie ihm entgegen schreien. Die Zeit verging und es wurde Mitternacht. Kurz nachdem die Uhr eins geschlagen hatte hörten wir Schritte, eindeutig die von Carlisle. Doch unter seinen Duft mischte sich der Duft frischen Blutes. Es war für Edward und mich nicht von belangen, wir waren satt und hatten kein Problem mit dem Geruch. Ich sprang zur Tür und öffnete sie. Carlisle trat ein. In seinen Armen trug er die blonde Frau aus der Patisserie, welche von oben bis unten blutverschmiert war. Einige Wunden schienen Schnitt- und Stoßverletzungen, andere innerlich zu sein. Ihre Lippen waren blau, als hätte sie einige Stunden in der Kälte gelegen. Ich schickte mich die Couch frei zu räumen und legte Tücher unter. Carlisle legte Rosalie auf die Laken. Sie schien nicht mehr bei Bewusstsein, zumindest nicht richtig, dann beugte er sich über sie. Es war die erste Verwandlung die ich mit erlebte und noch nie fühlte ich so viel gleichzeitig. Als sich seine Lippen auf ihren Hals legten und die Zähne in ihr Fleisch drangen überkam mich die Eifersucht, dann empfand ich Mitleid, Bedauern und tausend andere Gefühle. Während Carlisle Rosalie verwandelte erklärte mir Edward was geschehen war. Rosalies Geschichte kam mir bekannt vor. Irgendwas in mir wusste wie es sich anfühlte geschlagen zu werden und auch wie es war zu etwas gezwungen zu werden, was man nicht wollte. Ich dankte Gott dafür, dass er genauere Erinnerungen daran gelöscht hatte. Ich nahm es Carlisle nicht übel das er bei ihr blieb. Er hielt ihre Hand und redete auf sie ein, wie er es auch bei mir getan hatte. Er erklärte ihr was mit ihr geschah. Sie schrie, ebenso wie ich geschrien hatte und ich konnte den Schmerz nachempfinden, den Carlisle dabei empfunden hatte, als er mich derartig leiden sah. Edward hingegen war aufgebracht. „Rosalie Hale?“ in meinen Ohren klang es wie ein Schrei, doch er sprach in normaler Lautstärke. „Denkst du nicht sie ist ein bisschen zu auffällig? Sie werden sie suchen lassen, damit niemand den Satan verdächtigt.“ Carlisle blieb ruhig. „Vielleicht möchte sie danach ihre eigenen Wege gehen.“ Ich verstand beide. Es war eine Verschwendung ein so hübsches Mädchen einfach so sterben zu lassen und doch wusste ich was das für uns bedeutete. Ein erneuter Umzug. Ich seufzte. Stündlich brachte ich Rosalie neue kaltfeuchte Handtücher. Ich hoffte das sie das Feuer welches gerade in ihr wütete stillen konnten. Doch es war nur eine leise, kleine Hoffnung. Sie gehörte noch nicht zu uns und doch begann ich sie wie meine Tochter zu lieben. Ich litt mit ihr. Als Rosalie die Verwandlung überstanden hatte schloss sie sich in eines der Zimmer ein. Carlisle hatte nun Zeit mir seine Beweggründe zu erklären. Denn er verwandelte Menschen nicht ohne Grund. Auch wenn ich es damals nicht verstanden hatte, doch er hatte mich aus tiefer Liebe verwandelt. „Ich hab es für Edward getan.“ Er schwieg und ich verstand. Er empfand wie ich, auch was Edward betraf. Er war unser Sohn und mit dieser Frau hatte sich Carlisle erhofft ihm zu geben, was wir bereits hatten. Doch das ganze wahr nach hinten los gegangen. Er wollte sie nicht. Als Schwester vielleicht schon, doch nicht als Geliebte. Aber was sollten wir tun? Einfach auf gut Glück Sterbende verwandeln und hoffen, dass eine seinen Geschmack traf? Fünf Tage, nachdem wir wieder reisefähig waren verließen wir diesen Ort. Dieses Land. Carlisle und Edward hatten Bekannte in Denali zu denen wir reisten. Der weiteste Weg den ich je bis dato zurück gelegt hatte. Rosalie folgte uns, obwohl ich mir sicher war, dass sie uns für das, was wir ihr angetan hatten in Stücke reißen wollte. Ich versuchte ihr sämtliche Liebe zu geben zu der ich fähig war, doch ich hatte selten ein so stures und eigenwilliges Mädchen erlebt. Die Denalimädchen waren herzlich und empfingen uns freundlich. Ich konnte mich trotzdem nicht richtig wohl fühlen. Wir blieben ein paar Monate bis Rosalie sich gefangen hatte und suchten uns dann einen neuen Ort zum leben. Ich hasste Umzüge. Wenn ich mich nicht so schnell an eine Umgebung binden würde, wäre es wohl einfacher gewesen. Carlisle hatte versucht eine Wohnung zu finden die der alten ähnlich sah, doch es war nicht das selbe. Rosalie hatte sich von uns getrennt. Allerdings nur für einige Monate. Eines Tages stand sie wieder vor unserer Tür und wir nahmen sie auf, ohne Fragen zu stellen. Doch sie wirkte ausgeglichener. Als hätte sie eine Angelegenheit geklärt. Auch wenn ich ihr vom ersten Tag an Unterstützung und Liebe bot dauerte es eine Weile bis sie sie annahm. Sie und Edward verstanden sich jetzt besser. Sie mochten sich, wenn auch nicht auf die Art wir Carlisle und ich es uns erhofften und auch wenn Rosalies Art ab und zu eine wenig eigen war. Ein paar Jahre später, es kam mir nicht lange vor, vergrößerte sich unsere Familie erneut. Es war ein sonniger Tag gewesen. Carlisle und ich waren gerade dabei unsere Wände neu zu streichen und die Wohnung ein bisschen umzugestalten. Edward war wie so oft unterwegs, er wanderte in letzter Zeit oft. Wie sehnte ich mich zu der Zeit zurück als er noch fröhlich am Klavier saß, doch in letzter Zeit war er trotz guter Laune wenig gewillt zu spielen und ich ließ ihm seine Ruhe. Es war alles harmonisch und im Einklang, von weit her sang ein Vogel ein liebliches Lied, als Carlisle plötzlich aufsah. Ich wusste was er gerochen hatte, ich nahm es auch wahr. Der Geruch menschlichen Blutes. Der Duft kam immer näher und näher und plötzlich stand Rosalie in der Wohnungstür. Ihr Gesichtsausdruck unlesbar. Perfekt versteinert. In ihren Armen einen kräftig gebauten Mann, blutüberströmt. Es war ein bizarres Bild. Diese zarte, engelsgleiche Gestalt, so zierlich und scheinbar schwach und dann dieser kräftige, starke Mann, viel zu schwer für ihre Arme. So schien es. Während ich noch ratlos mit dem Pinsel in der Hand verharrte war Carlisle bei ihr. Er nahm ihr den Mann aus den Armen und legte ihn auf die Couch. Er war noch am Leben, wir konnten sein Herz hören. Rosalies Blick entspannte sich. Sie sah aus als wäre sie Meilen gelaufen. Das Kleid zerschlissen und in den Haaren Zweige und Laub. Sie sah Carlisle an. „Bitte.“ Es lag weniger eine Bitte, als eine Forderung in ihrer Stimme. Warum nicht? Wenn sie auch nur annährend das selbe für ihn empfand, was Carlisle und ich für einander empfanden, dann musste es das Richtige sein. Während der Junge litt wich Rosalie nicht von seiner Seite. Ich schickte mich nicht kalte Handtücher zu bringen, Rosalie hatte mir gebeichtet, dass es nichts brachte. Also sah ich den beiden zu. Ich bewunderte den Jungen auf eine Art. Er versuchte nicht zu schreien, doch sein Gesicht war schmerzverzerrt. Carlisle ging wie gewohnt zur Arbeit und als Edward wieder nach Hause kam, verhielt er sich wie sonst auch. Nach drei Tagen war es überstanden und der Junge mit dem Namen Emmett Teil unserer Familie. Es machte mir Freude die beiden zu beobachten, wie glücklich sie miteinander waren, doch die Leidenschaft die sie für einander entdeckten machte es uns nicht leicht. Ich konnte mich noch genau an das erste Mal erinnern, an dem Carlisle dermaßen die Beherrschung verloren hatte, dass unsere Möbel darunter litten. Es war die zweite Nacht gewesen die wir miteinander verbracht hatten. Bei unserem ersten Mal war er mit jeder Faser seines Körpers darauf bedacht vorsichtig und sanft zu mir zu sein, doch die Euphorie über unser Glück hatte ihn dermaßen benebelt, dass er sich am kommenden Abend nicht mehr beherrschen konnte und mit einem unbedachten Griff die Stangen, die den Himmel unseres Bettes trugen, zu Staub zerbröselte. Das Gestell krachte auf das Bett, auf dem wir eine Sekunde früher noch gelegen hatten. Doch das kümmerte ihn nicht im geringsten. Wir waren im Sprung auf dem Tisch gelandet, der ebenfalls unter unserem Gewicht nachgegeben hatte und auch das war uns in der Sekunde egal gewesen. Im Nachhinein war es mir peinlich. Ich mochte die Einrichtung sehr, doch noch mehr mochte ich das Gefühl, welches ich in dieser Nacht verspürt hatte. Ähnlich verhielten sich auch Rose und Emmett, doch den beiden war es egal was wir von ihnen dachten und sie führten das ganze et absurdum. Carlisle und ich hatten Rücksicht auf Edward und die Möbel genommen, die beiden taten es nicht. Nach dem siebten Bett, dem dritten Schrank und einigen Kratern in der Wand, hatte auch meine engelshafte Geduld ein Ende. Kapitel 4: Regenschirme sind für Anfänger ----------------------------------------- Nicht unweit von unserem Haus befand sich ein brach liegendes Fundament auf einem verwildertem Grundstück. Ringsumher befanden sich Bäume. Ein perfekter Ort wie ich fand und wir begannen für die beiden ein Haus zu bauen. Es war nicht das erste Mal, vor einigen Jahren hatten Edward und ich eine kleine Gartenlaube zusammen gezimmert, doch was wir geplant hatten war weitaus größer als ein Hüttchen. Ich kannte Rosalie mittlerweile sehr gut. Ihr würde ein kleines Häuschen nicht genügen. Für die Zwecke des Paares war es durchaus ausreichend, doch ich wollte das es ihnen so gut gefiel, dass sie es länger als einen Tag stehen lassen würden. Also stürzten Edward und ich uns in die Arbeit. Wir hämmerten, zimmerten und werkelten von früh Morgens bis spät Abends. Rosalie und Emmett waren nicht unglücklich über unsere Abwesenheit, zumindest vorerst und da Carlisle uns nach der Arbeit half, hatten sie alle Zeit der Welt sich ihren Tätigkeiten hinzugeben. Ich hoffte sie würden zumindest unser Fundament verschonen. Wie dem auch war, ich kaufte schon keine neuen Möbel mehr nach. Nach drei Wochen waren wir fertig. Es steckte sehr viel Liebe und endlose Zeit in dem was wir geschaffen hatten. Es war kein Haus geworden, es war ein Schloss. Begonnen hatten wir mit der unteren Etage und Edward hielt fest, dass ein Haus unter drei Etagen Rosalies Stolz verletzen und das ganze eher nach einem Rausschmiss als nach einer Überraschung aussehen lassen würde. Nach einigen Tagen hatten die beiden unsere regelmäßige Abwesenheit bemerkt. „Ihr habt Geheimnisse vor uns.“, stellte Rosalie eines Morgens fest. Es war wirklich mehr eine Feststellung als eine Frage. „Ach, nicht doch Rose.“, ich versuchte sie milde zu stimmen. „Komm schon Rose. Sie wollen uns unseren Spaß lassen.“, feixte Emmett, der vor einigen Stunden jagen gewesen und daher bei bester Laune war. Nach dem wir ihr einen neuen Wagen versprochen hatten war sie milder gestimmt. Ein neuer Wagen... Alles veränderte sich ziemlich schnell, während wir in unserer Unendlichkeit erstarrt waren. Der zweite Weltkrieg war ausgebrochen. Kriege waren immer gleich. Einer trat dem andren auf den Fuß und löste damit einen Schneeballeffekt aus. Ich glaubte nicht daran, dass eine Bombe genügend Kraft aufzubringen im Stande war unsere Körper zu zerschmettern, doch das Beton unserer Häuser würde einen derartigen Schlag nicht verkraften. Wie lachhaft. Entweder Emmett und Rosalie würden unser Kunstwerk mit ihrer Leidenschaft in Schutt und Asche legen, oder die verrückten Idioten mit ihrem Kriegsspielzeug. Ich war mir sicher, das Ersteres mich weniger treffen würde. „Sollte eines dieser Monster unser Geschenk eher vernichten als Rose und Emmett, werde ich dem General dieser Streitmacht persönlich den Kopf abreißen. Und danach fahre ich nach Deutschland und trete diesem Hitler persönlich in seinen Allerwertesten.“, hatte ich eines Abends aufgebracht zu Carlisle gemeint, während das Radio erneute Schreckensbotschaften über zerbombte Städte und tote Menschen verkündete. Warum mussten Menschen überhaupt Krieg führen? Ihre fragilen Körper hielten nicht mal dem Schuss einer normalen Handfeuerwaffe stand und dann fuhren sie mit Panzern in den Krieg und über ihre eigene Spezies. Ich seufzte während Carlisle damit beschäftigt war, den Krankenhausleiter abzuwürgen. Er hatte seine Fertigkeiten auf dem Chirurgischen Gebiet so arg präzisiert, dass es nirgends einen besseren Arzt für Chirurgie als ihn gab, wahrscheinlich gab und würde es nie überhaupt einen Arzt geben, welcher ihm das Wasser reichen konnte. Aus genau diesem Grund versuchten sie ihn an die Front zu holen. Irgendwie belustigte mich der Gedanke wie Carlisle gelassen auf einen Panzer zu schritt und das Kanonenrohr mit einer Hand zu einer kunstvollen Schnecke einrollte. Seufzend ließ er sich neben mir aufs Bett sinken. Ich strich ihm durchs Haar und er berichtete mir, dass eine der Ärztinnen heute einen Brief der Armee erhalten hatte. Ihr Sohn war gefallen. Umso mehr konzentrierte ich mich danach auf die Fertigstellung des Hauses. Wenigstens etwas Schönes und Herrliches in einer Zeit der Zerstörung. Die Einrichtung hatte ich mit Bedacht gewählt. Umso mehr Prunk und Edel in dem Haus steckte, so hoffte ich, umso länger würde es bestehen bleiben. Ich hatte noch ein paar Beete angelegt und Rosen gepflanzt, als Carlisle von der Arbeit kam und mit mir nochmal jedes Detail durchging. Ich war damit beschäftigt eine rote Geschenkschleife an die Tür zu hängen, während er die Angeln und Scharniere überprüfte. Seufzend tätschelte ich die kalte Wand des kleinen Schlosses. „Ich hoffe nur, sie tun dir nicht all zu sehr weh... Du wirst sie schon überleben.“ Carlisles Lachen ertönte neben mir. „Sie werden es nicht wagen, etwas so Wunderbares zu zerlegen. Ehrlich. Das Haus ist großartig geworden.“ Ich sah ihn beruhigt an, als er mich in die Arme nahm. „Warum bauen wir denn für Edward kein Haus?“, die Frage war eigentlich berechtigt, doch die Antwort genauso klar. Ich hatte mich so sehr an meine Kinder gewöhnt, dass es mir wie jeder Mutter schwer fiel, sie gehen zu lassen. „Möchtest du ihn unbedingt los werden.“, ich lachte. „Nein, was denkst du nur. Ich dachte nur, dass wir vielleicht auch mal wieder ein paar Möbel zertrümmern könnten. Du könntest eh einen neuen Schrank gebrauchen.“, er lächelte mich verschmitzt an. Anfangs war es uns sehr schwer gefallen einen Kompromiss zu finden. Wir wollten Edward und die Möbel nicht verletzen, also beherrschten wir uns. Erst kostete es Mühe, doch dann wurde es immer einfacher. Es war nicht so, dass unsere Leidenschaft für einander abnahm, sie veränderte sich. Es wurde nicht langweiliger, sondern gesetzter. Wir konnten uns nach ein paar Jahren gänzlich gehen lassen, ohne Gefahr zu laufen, ein Möbelstück ersetzen zu müssen. Vielleicht lag es auch daran, dass wir mit der Zeit lernten unsere Kraft besser zu kontrollieren. Ich konnte mich in ein Kissen krallen ohne es zu zerfetzen, so wie dies Anfangs der Fall war. Man bekam ein gewisses Gespür, wie fest man einen Bettrahmen umklammern konnte, ohne ihn zu zerquetschen, oder raus zu reißen. Carlisle deutete mein Schweigen richtig. Natürlich wollte ich es. Ich konnte ihm nicht widerstehen, auch wenn ich es versucht hätte, was ich nicht tat. Es war wie eine Droge von der man einfach nicht weg kam. Ich blickte mich um und sah auf eine kreisrunde Fläche der Verwüstung. Bäume lagen übereinander, in der Mitte zerbrochen oder gänzlich entwurzelt. Es sah ein bisschen aus, als wäre ein deutscher Kampfpilot über unseren kleinen Wald hinweggebraust und hätte aus Spaß an der Freude eine Bombe fallen lassen. Was war passiert? Gerade eben standen wir noch vor Rosalies und Emmets neuem Haus und auf einmal befanden wir uns mehrere Meter weiter tief im Wald, in einem Kreis aus Baumschrott. Von meinem Körper hing das teure Kleid was ich getragen hatte in Fetzen. Carlisle hatte es noch geschafft sein Hemd auszuziehen. Es hatte ganz harmlos mit einem Kuss begonnen und dann wurden meine Gedanken derartig berauscht, dass ich es nicht mal merkte, wie ich mit dem Rücken gegen einen Baum stieß, welcher der ungeheuren Kraft nachgab. Auch nicht, dass wir auf Grund der fehlenden Stütze umfielen und unter uns die Reste eines Busches begruben. Wir hatten nur uns gespürt und einen Krater hinterlassen. Beschämt fuhr ich mir durchs Haar. Carlisle saß neben mir, den Arm um meinen entblößten Körper gelegt und sah zufrieden drein. Nach endlosen Sekunden in denen wir nur den Moment an sich wahr nahmen, begannen wir das Unheil zu beseitigen. Den peinlichen Fragen sollte einfach keine Angriffsfläche geboten werden. Auf dem Rückweg beschlossen wir uns durch den Kellereingang ins Haus zu schleichen, dort hing gerade die Wäsche vom Vortag und wir hatten somit Gelegenheit uns umzuziehen, bevor jemand etwas bemerkte. Als wir ins Wohnzimmer traten, saßen Rosalie und Emmett an dem großen Wohnzimmertisch und hatten die Arme auf eben diesen gestützt und ineinander verschränkt. „Einen Pelzmantel darauf, dass du mich nicht schlagen kannst.“, grinste die Blonde siegessicher. „Eine neuer Motor, dass ich es doch schaffe.“, Emmett schien wirklich locker. „Stopp. Stopp. Ich mag den...“ , doch in just dem selben Moment zerbrach mein heiß geliebter Esszimmertisch unter der Wucht des Aufschlages einer Hand. Emmett triumphierte und Rosalie verzog schmollend den vollen Mund und ich betrachtete traurig den Überrest eines antiken Holztisches. Die beiden waren nicht glücklich, wenn sie nicht täglich mindestens ein Möbelstück ins Jenseits beförderten. Ich seufzte, gab den beiden den Schlüssel für ihr neues Heim und hoffte innerlich, dass es zumindest diese Nacht überstehen würde. Am nächsten Morgen, Rosalie und Emmett waren mit Edward jagen gewesen und sie saßen nun zu dritt auf der Couch und lauschten den neusten Nachrichten über die Ereignisse in Deutschland, schwärmte Rosalie Edward von ihrem neuen Haus vor. „Und erst der Spiegel. In reines Gold gefasst.“ Welch Wunder, ich hatte der Einrichtung nicht mal eine Nacht gegeben und einen Ersatz im Keller bereit gestellt. „Und erst die Umgebung. Emmett und ich haben heute morgen eine kleine Lichtung nicht weit vom Haus entdeckt. Fast kreisrund. Was die Natur so alles erschaffen kann.“ Ich senkte meinen Kopf, wohl wissend, dass ich nicht in der Lage war zu erröten und Carlisle grinste munter in sein Buch. Edward war uns auf stille Art und Weise dankbar, dass wir die beiden aus dem Haus verbannt hatten. Er musste es Leid sein und Emmett machte es ihm nicht einfach. Er stichelte ihn in den ersten Tagen öfters, doch Edward ertrug es wie ein Mann und schon bald verlor Emmett das Interesse daran. Wenn man es genau betrachtete war unsere Familie ziemlich facettenreich. Ich hatte erst befürchtet das gerade diese Unterschiede das Leben erschweren würden. Doch alle drei erkannten uns Wortlos als Eltern an. Auch untereinander kamen sie gut zu Recht. Eines Tages erwischte ich Edward und Emmett sogar, wie sie sich auf der Wiese kabelten. Wenn auch auf eine wesentlich brutalere Weise als man es von normalen Jungen kannte. Erst wollte ich dazwischen gehen, doch als ich sie lachend über die Wiese kugeln sah, während sie sich eine Backpfeife nach der anderen verpassten, wusste ich, dass es ein Spiel war. Emmett hätte in jeglichem Kampf nie eine Chance gegen Edward gehabt. Keine Strategie, keinen Schritt hätte er verbergen können. Auch zu Rosalie fand Edward Zugang. Obwohl man es manchmal nicht für möglich hielt, doch sie liebten sich, wie sich Geschwister lieben konnten. Auf Grund dessen waren wir froh darüber, dass unsere Familie so gewachsen war. Es hatte etwas heimisches. Das Haus war immer erfüllt von Stimmen. Ob es nun der Streit unter den Kindern war, oder einfache Gespräche. Es gab mir das Gefühl von Glückseeligkeit. Diese Glückseeligkeit half mir über die vielen Umzüge hinweg. Wir blieben meist nie länger als zehn Jahre. Meist begleiteten uns Rose und Emmett, manchmal gingen sie ihre eigenen Wege. Edward kam immer mit uns. Ein beständiger Teil der Familie. Ich wusste nicht, wie oft wir schon umgezogen waren. Ich konnte mich an jedes Haus erinnern, doch ich wollte nicht mehr zählen. Schlussendlich hatte ich zwei Jahrhundertwechsel mit erlebtund einen enormen Fortschritt der Technik. Die Autos in der Garage waren erst schnell, dann schneller, dann am schnellsten. Immer das Neuste und immer das Beste und Schnellste. Das lag wohl daran, dass wir zu Fuß schon so unglaublich schnell waren, dass wir die Geschwindigkeit auch an unseren Hilfsmitteln nicht missen wollten. Doch nicht nur die Automobilindustrie veränderte sich. Als Carlisle das erste Mal einen Fernsehapparat mit nach Hause brachte bekamen wir die Kinder geschlagene fünf Tage nicht von der Couch. So begeistert waren sie von dieser Erfindung. Doch mit der Zeit verlor das Massenmedium für sie den Reiz. Es machte keinen Unterschied mehr, ob die Bilder farbig oder schwarz-weiß waren, ob der Fernsehapparat ein kubisches Gebilde war oder eine flache Scheibe, ob er einen Durchmesser von 15 Zoll oder von 76 Zoll hatte. Doch wie alles in unserer Umgebung waren unsere Geräte immer auf dem neusten Stand. Ich hatte Carlisle nie gefragt wie viel Geld wir eigentlich besaßen, aber mit unseren Ausweispapieren wechselten auch unsere Konten. Carlisle und ich hatten nie geheiratet, trotzdem trugen er, ich, Edward und Emmett den Nachnamen Cullen. Rosalie hatte auf ihren Nachnamen bestanden und wir ließen ihn ihr. Sie und Emmett hatten Spaß daran, alle Dekaden aufs Neue zu heiraten. Dann wechselte sie ihren Nachnamen wieder zurück. Ihr Kleiderschrank hing voll mit Brautkleidern, die sie nur einmal getragen hatte. Ich dachte zuerst, dass Emmett es nur Rose zu liebe tat, aber es war den Beiden ihre kleine eigene Form von Theater und sie waren gute Schauspieler. Ich bekam somit des Öfteren die Gelegenheit große Festmenüs zu kochen und auch Carlisle machte das Ganze nichts aus. Er hatte mich nie gefragt ob wir heiraten wollten. Vielleicht wusste er etwas über meine vorherige Ehe, was ich längst vergessen hatte und ihn davon abhielt. Zurückblickend hatte ich eigentlich so gut wie alles vergessen, was vor meiner Verwandlung stattgefunden hatte und es war nicht weiter schlimm. Jeder Mensch den ich gekannt hatte war tot. Carlisle war mit mir einmal zu dem Bauernhof gefahren auf dem ich früher gelebt hatte, doch er weckte in mir keine Erinnerungen. Vor fünf Jahren waren wir erneut umgezogen. Ein herrliches Häuschen am See. Manchmal fragte ich mich ob Carlisle die Häuser, die wir verließen untervermietete, denn er kaufte Häuser immer, er mietete sie nicht. Auf Nachfragen antwortete er mir nur, dass Immobilien eine gute Geldanlage seien. Es war an einem trüben Morgen. Emmett und Rosalie hatten gerade das fünfte Kartenhaus aufgebaut und wieder abgerissen, Edward das dritte Mal die Tageszeitung gelesen, Carlisle sein zweites Buch beendet und ich den fünften Korb Wäsche gebügelt. Es war ein anderer Geruch, als wenn sich uns Menschen nährten. Die Schritte waren zu sanft. Menschen traten fester auf. Es war nicht das erste Mal, dass wir auf Vampire stießen. Es waren kurze Gespräche die man mit ihnen führte, einige Höflichkeitsfloskeln und dann trennten sich unsere Wege wieder. Es war nicht so, dass keine netten Kreaturen unter ihnen waren, doch unsere unterschiedliche Lebensweise separierte uns auf eine Weise, zum anderen taten die restlichen Vampire sich nicht gern in Gruppen zusammen. Der Zirkel der Denalimädchen war schon ungewöhnlich groß für Vampire. Es dauerte noch ungefähr eine halbe Minute, bis die Vampire vor unserer Tür standen und schellten. Sie hätten die Tür ohne weiteres öffnen können, aber sie waren höflich. Ein gutes Zeichen. Vielleicht hatten sie unsere Fährte gerochen und sich entschieden mal vorbei zu schauen. Die meisten waren begeistert von der Idee eines festen Wohnsitzes, doch stand ihnen dabei ihre Ernährung im Weg. Carlisle ging entspannt zur Tür, doch wir wussten alle das dies nur Tarnung war. Vorsicht war trotzdem geboten, denn manche Vampire waren nicht freundlich gestimmt. Im Türrahmen standen zwei Wesen die unterschiedlicher nicht sein konnten. Rechts und im Vordergrund ein Mädchen. Sie hatte kurze und strubbelige schwarze Haare, feine Gesichtszüge und einem fragilen Körperbau. Gekleidet war sie in die feinsten Stoffe und sie wirkte eher wie eine lebensgroße Puppe. Ihre feinen Lippen waren zu einem breiten Grinsen verformt und ihre Augen strahlten förmlich, sie waren golden. Ihre gesamte Körperhaltung und ihre Mimik, sie waren das Gegenteil von Tot und versteinert. Sie versprühte so viel Leben allein mit ihrer Art, dass sie mir sofort ans Herz wuchs. Sie war recht klein, der Mann welcher links von ihr stand war um einiges größer und nicht nur das zeichnete den Unterschied. Seine Haut war übersät von Bissnarben, seine Art schien zurückhaltend und eher schüchtern. Die Haare waren blond, nicht kurz, nicht lang und seine Augen waren rot. Also hielt er wohl nicht so streng Diät wie seine Begleitung. Das Bild was sich uns darauf bot war durch und durch bizarr. Erst dachte ich, sie würde Carlisle angreifen, denn sie kauerte sich zum Sprung, doch dann viel sie ihm um die Hüfte. „Carlisle, schön dich kennen zu lernen.“ Dann tänzelte sie munter zurück zu Tür, trug zwei Koffer die größer waren als sie selbst zur Treppe, an der ich und Edward standen. „Esme, du bist eine so wundervolle Mutter. Ich danke dir das du mich so selbstlos lieben wirst.“, dann wandte sie sich zu Edward. „Ich nehm dein Zimmer, dass hat den besten Ausblick. Aber das hast du sicher schon in meinen Gedanken gesehen.“, während sie die Koffer galant die Treppen hoch trug drehte sie den Kopf zu Rosalie und Emmett. „Rose wir müssen dringend in den neuen Laden in der Stadt, dort gibt es ein Kleid was deine Figur wundervoll zur Geltung bringen wird und Emmett... die Frisur bekommst du besser hin.“, dann verschwand sie in Edwards Zimmer und begann es auszuräumen. „Unglaublich.“, hörte ich Edward murmeln, dann schrie er ihr hinterher. „Moment mal raus aus meinem Zimmer und die Anlage kommt an den Platz an dem sie stand. Keinen Millimeter weiter weg.“, dann verschwand er ebenfalls in seinem Zimmer um das Mädchen förmlich raus zu schmeißen. Der blonde Mann im Türrahmen war mittlerweile eingetreten. Er hatte die Tür hinter sich geschlossen, stand nun an der Wand und beobachtete uns ganz genau, als könnte er etwas spüren, was wir nicht wahrnahmen. Carlisle war der Erste, der das Wort ergriff. „Warum setzen wir uns nicht Erstmal.“, er lächelte den blonden Unbekannten an und wies mit der Hand auf das Sofa. Aus Edwards Zimmer drang dessen aufgebrachte Stimme „Gib es wieder her du Nervensäge.“ „Sag bitte“, schallte die Sopranstimme des Mädchens. „Wie kann man so klein und doch so nervig sein.“ Der junge Mann hatte sich gesetzt und auch wir anderen nahmen platz und versuchten die verrückte Szenerie in Edwards Zimmer zu ignorieren. Es dauerte eine Weile bis der Fremde das Wort ergriff, seine Stimme war angenehm und beruhigend. „Ich muss mich für Alice entschuldigen, ihre Art kann sehr.... überfordernd sein. Mein Name ist Jasper und ebenso wie ihr war ich überrascht als sie mich fand.“ er machte eine kleine Pause. „Alice ist in der Lage, die Zukunft zu sehen.“, wir starrten uns alle gegenseitig an. Es erschreckte uns nicht all zu arg, nicht so arg wie es gewesen wäre, wenn Edward nicht auch eine Gabe besessen hätte. Jasper erzählte uns, wie er Alice getroffen hatte, wie sie eine Vision von uns hatte und wie sie ihn seit ihrer Begegnung dazu gebracht hatte von Menschen auf Tierblut umzusteigen. und das auch er eine Gabe besaß. Es verging recht viel Zeit, in der wir in den Sesseln saßen und einfach nur seiner Geschichte lauschten. Irgendwer, Alice oder Edward hatte nachgegeben und ab der Hälfte der Geschichte gesellten sich die Beiden zu uns. Von dem Moment an besaßen wir zwei Familienmitglieder mehr. Jasper brauchte mehr Unterstützung als die anderen, denn es viel ihm ausgesprochen schwer sich an seine neue Diät zu gewöhnen. Mit Alice kam sehr viel mehr Leben in unser Haus. Sie war ein kleiner Wirbelwind. Ich hatte selten jemanden gesehen, der seine freien Stunden so leicht füllen konnte. Sie hatte ein Arsenal an Kleidung mitgebracht, doch das gab ihrer Freude am einkaufen keinen abriss. Es gab keinen Tag an dem sie und Rose kein neues Kleid trugen. Auch wir anderen wurden regelmäßig von diesem kleinen aufgeweckten Wesen eingekleidet und ein Nein, kannte sie nicht. Ich wusste nicht wie viel Geld Carlisle hatte, doch Alice verbrauchte ohne Scham in einer Woche das Geld, welches wir sonst in einem Jahr ausgaben. Doch mit den beiden neuen Mitbewohnern wurde auch unsere Wohnung zu klein. Nicht nur, dass Alice Temperament ganze Säle hätte füllen können, es wurde knapp an Räumen. Obwohl wir nun drei Pärchen waren, armer Edward, mussten die Kinder zumindest jeder einen eigenen Raum zum zurückziehen besitzen und Carlisle brauchte ein Arbeitszimmer. Des Weiteren war unsere Garage zu klein. Denn Alice hatte Edward in den ersten beiden Tagen so lange genervt, bis er ihr ein Auto gekauft hatte, das Teuerste und Beste was auf dem Markt war. Carlisle und ich überlegten eine Weile wo es uns als nächstes hinziehen sollte. Es war mir wichtig, dass die Kinder zur Schule gingen. Edward, Rose und Emmett waren je nach Laune mal zur Schule gegangen, mal hatten sie sich als älter ausgegeben und gearbeitet. Es war eine Tatsache, dass unsere Aufenthaltsdauer am längsten währen konnte, wenn wir uns so jung wie möglich ausgaben. Die Kinder sollten in der nächsten Stadt also wieder einmal regelmäßig zur Schule gehen. Nicht das sie es nötig hatten, wir hatten ganze Reihen voll mit Fotoalben verschiedener Jahrgänge in denen sie ihre Abschlüsse gemacht hatten. Rose hatte sich schon darüber beschwert. Die unreifen Jungen nervten sie bis aufs Mark. Emmett hingegen fand Schule amüsant und Edward hatte dazu gar keine Meinung. Alice schien wie erpicht darauf und brabbelte etwas von „vielen neuen Freunden“ und Jasper litt tiefe Qualen. Zwischen so vielen appetitlichen Wesen zu sitzen viel ihm noch schwer. Erst vor ein paar Tagen hatte er einen Ausrutscher. Carlisle und ich übergingen dies einfach. Es war ein Menschenleben, dass war uns bewusst, aber wir hatten uns entschieden ihn in unsere Familie aufzunehmen, also mussten wir ihn auch unterstützen. Er strafte sich selbst genug für diesen Fehler. Er versuchte noch härter als sonst so wie wir zu werden. Ich erlebte es, wie er sich aushungerte und dann an den Blutkonserven roch, welche Carlisle nach dem Vorfall vorsichtshalber für ihn zurück gelegt hatte. Es machte mich fertig. Ich redete ihm gut zu, sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen, doch er ließ nicht locker. Auf unserer Suche nach einer neuen Heimat erinnerte sich Carlisle an ein altes Indianer Reservat, La Push genannt, durch das wir mal gereist waren. Die Stammesoberhäupter waren ein wenig gruselig. Sie waren erklärte Feinde von Vampiren, doch Carlisle hatte mit ihnen eine Art Pakt geschlossen. Wir töteten keine Menschen und sie akzeptierten unsere Anwesenheit. Wir wollten nicht nach Streit suchen, es war auch schon sehr lange her gewesen, doch wir erinnerten uns an einen Ort nicht weit davon mit dem Namen Forks. Es war kein großer Ort. Nur ein paar Einwohner. Doch es schien dort kaum die Sonne, perfekt für uns und jedes Krankenhaus würde Carlisle sofort nehmen. Also hatten wir uns entschieden. Es dauerte keine Woche bis wir ein Haus in Forks fanden. Es lag abgelegen. Mit kleinem See und viel Wald drum herum. Doch das Schönste an dem Haus war die Größe. Jeder konnte ein eigenes Zimmer beziehen und wir hatten ein riesiges Wohnzimmer und eine immense Küche. Eine Terrasse, ein schöner Garten. Es war perfekt. Das perfekteste Haus was wir bis jetzt hatte. Der Sheriff der Stadt war ein netter Mann. Er ließ es sich nicht nehmen uns persönlich Willkommen zu heißen. Charlie Swan, ein Mann mittleren Alters dessen Frau ihn mit seiner Tochter verlassen hatte um in Phoenix zu leben. Auch die restlichen Menschen waren nett. Nach einer Woche kannten wir alle. Sie mochten uns, doch der natürliche Instinkt der Menschen warnte sie davor uns zu Nahe zu kommen. Wir hatten die Kinder an der örtlichen Schule angemeldet. Emmett fand es in Ordnung, Edward ertrug es, für Jasper war es die Hölle, Rosalie fand die Männer zu aufdringlich und Alice liebte es, und weil Alice es liebte, war es für Jasper auch nicht mehr all zu schlimm. Ich fand es gut das sie zu fünft waren. Edward hatte es vor meiner Verwandlung schon einmal allein in einer Schule versucht, doch es fiel ihm schwer. Er hatte keine Kontakte, niemanden zum reden. Es war ein Paradoxon. Jeder Mensch liebte ihn, er war intelligent, gut aussehend und hätte tausende Freunde haben können, aber die Menschen hatten zu viel Respekt und unterbewusste Furcht und Edwards Art war abweisend. Nun waren sie zumindest zu fünft und nicht allein. Carlisle kam mit der Arbeit gut zu Recht. Ab und an besuchte ich ihn, doch sonst kümmerte ich mich ums Haus. Den einzigen Zwischenfall hatten wir kurz nach unserer Ankunft. Die Menschen aus La Push waren von unserer Ankunft wenig begeistert, doch Carlisle konnte sich mit ihnen arrangieren. Sie kannten unser Geheimnis und sie würden es für sich behalten und uns tolerieren, wenn wir uns ebenfalls an den Vertrag hielten. Carlisle legte noch mehr Blut für Jasper zurück, nur zur Sicherheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)