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SAW VIII

von

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Prolog

"Lass mich hier raus!", verhallt der Schrei des Detective Mark Hoffmans in seinem eigenen Keller, "Gordon, du Schwein, ich bring dich um!", kurz schweigt er. Die Einsicht der Nutzlosigkeit seiner Hilferufe überkommt ihn. Keiner kann ihn hören, oder wenn, wird er ihm nicht helfen.

Noch einmal zerrt er an der Eisenkette.

Gib nach!

Sinnlos. Alle Hoffnung verlässt ihn, "Ich bring dich um...!", wimmert er. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass John, 'dieses Schwein', wirklich Vorkehrungen trifft, falls Jill plötzlich stirbt. Das er überhaupt in eine solche Falle, wie damals in die Reverse Bear Trap, geraten sollte... Obwohl er sein Leben schätzt!!!

Unsagbarer Zorn kommt in ihm hoch. Er muss hier raus! Noch einmal legt Hoffman sich auf den Bauch und tastet den Boden -in vollkommener Dunkelheit- nach etwas hartem, oder dünnem, spitzen, irgedwas mit dem er das Schloss knacken, oder zumindest seinen Fuß abtrennen kann.

'Dieser... Lawrence... was er getan hat... wirft dieses Arschloch einfach die Säge weg! Er ist keinen Deut besser als ich! Blos hatten meine Opfer eine CHANCE zu überleben... Die Meisten, jedenfalls... Gordon ist wie Amanda. Dumm, nutzlos und extrem Nervtötend. Wenn ich hier raus komme... Oh, dann wird es ein Massaker geben, Blut wird fließen...... Hab was.'

Seine Finger erhaschen das Bein der Leiche, die zuvor die Fessel am Fuß trug. Gierig umklammern seine Finger den Knochen, reißt ihn zu sich. Staub wirbelt auf. Mit routinierten Bewegungen wird der verweste Körper gefilzt. Nichts. Jedenfalls nichts brauchbares. "Fuck!", flucht er, stößt er den Toten weg. Was nun? Natürlich ist ihm dieses Badezimmer bekannt. Jeder verdammte Winkel davon. Immerhin hat er Monate lang darüber gelebt und wollte genau wissen welche Leichen in seinem Keller liegen.

Hektisch dreht er sich nach links um, setzt sich wieder auf die Knie. Was nun...? Alles erreichbare hat er abgesucht. Außer vielleicht ... die Wanne! Warum kam ihm diese Idee nicht früher?!? Schnell tastet er sich zum Bad, beugt sich mit seinem Oberkörper hinein, greift nach der Spritze, die Amanda hat liegen lassen, als sie Eric Matthews betäubte. Sie liegt relativ mittig.

Etwas... Irgendwas...Nein...

Zumindest lag sie dort. Das einzige, was er berührt, ist das kalte, schmutzige, glitschige Metall. Sonst nichts. Wieder rutscht er zurück auf den Boden, rüttelt noch einmal an der Fessel.

'Shit, was nun?', wie Schuppen fällt es ihm vor die Augen. Seine einzige Chance: Mit bloßen Händen das Fußgelenk brechen...

Schnell zieht er das rechte Jeansbein ein wenig hoch, legt die Mitte des Fußrückens auf das Bein der Leiche, presst seine Hände auf die Verse.

Er atmet tief ein. Dann aus. Ein. Aus. Ein. Aus. Ein.

Dann... stützt er sich mit seinem ganzen Gewicht darauf. Aber kein Knacken ist zu hören. Der Schmerz ist unbeschreiblich. Kurz hält er inne. Um Mark herum verwirbelt die Dunkelheit in einem Strudel. Der Schmerz... Er rutscht wieder gegen die Wand, bleibt keuchend daran gelehnt liegen, "Gordon...-ha-... ich...-ha-... bring...-ha-... dich...-ha- ...um...", er schließt seine Augen. Er kann nicht sterben. Nicht hier... Nicht jetzt... Angelina...

Schlagartig kehrt der Wahnsinn, in dem er Jill Tuck getötet hat, wieder zurück. Er schlägt die Augen wieder auf.

Abermals fixiert er seinen Fuß, drückt darauf. Mit einem ohrenbetäubenden Schrei lässt er der Pein freien Lauf, "AAAAHHHHHHHHHHHH!!!!"

'Der Schmerz...

Der Schmerz...

Der Schmerz...

Der Schmerz...

Er soll aufhö-...

Nein...

Bald ist das Gelenk gebrochen...

Weiter...

Weiter...

Weiter...

Weiter...

Wei-'

>knack<

Er hört auf. Er hat es geschafft!!! Bald ist er frei...

Das Blut pocht laut in seinen Ohren, sodass er außer dem nichts mehr hören kann. Sein Herz rast. Ein Grinsen huscht über seine Lippen. Die Angst ist wie weggeblasen, "Rache ist nah. Mein ist sie und wird am besten kalt serviert..."

Vorsichtig umschließt er das Gelenk mit seiner rechten Hand, will es mit der linken aus der Fessel ziehen, aber bei der kleinsten Bewegung kehrt der schreckliche Schmerz, den er auch damals an seiner Wange und beim Brechen des Fußes empfunden hatte, wieder zurück. Trotz dem zieht er weiter... Doch plötzlich wird ihm schwindelig. Mark fällt vorwärts auf den Bauch. Es fühlt sich so an, als würde der Boden beben. Er verliert das Bewusstsein...

Eine weibliche, sanfte Stimme dringt zu ihm. Die seiner Schwester, Angelina, "Warum bleibst du liegen? Steh auf, kämpfe! Ich dachte du hälst deine Versprechen. Das hat dich zu diesem Monster gemacht, was du jetzt bist, aber willst hier und jetzt sterben? Willst du jetzt einfach so die Flinte ins Korn werfen? Waren diese ganzen Morde nur für deinen Spaß?"

"Nein...", wimmert er. Natürlich ist niemand mit ihm in diesem Raum und seine Schwester ist tot, aber... es scheint so echt... Tränen rinnen seine Wangen hinunter. Sie war seine einzige Familie und nun... sagt sie, er sei ein Monster geworden? Ein Mörder?

"Hör auf es zu verleugnen. Du weißt es doch schon längst: Amanda, Kerry, Perez, Erickson... spätestens, seit du deine eigenen Kollegen getötet hast. Wenn du hier stirbst... wir werden uns nie wieder sehen. Du kommst in den unteren der untersten Höllenkreise. Mach schon, steh auf! Wende dein Leben in etwas sinnvolles! Halte deine Versprechen!"

"J...Natürlich..."

Plötzlich wird es wieder still. Die Stimme, Angelina, ist verschwunden.

Schritte nähern sich seinem Gefängnis. Seine Chance! Er kann hier raus!

Rasch schließt er seine Augen, stellt sich tot, während synchron die Tür aufgeschoben und das Badezimmer mit dem Licht einer Taschenlampe erhellt wird.

Suchend leuchtet das Licht der Taschenlampe den Raum nach dem Neuzugang ab. In der hinteren, linken, Ecke bleibt der Lichtkegel hängen. Dort liegt er, der Mörder von zahlreichen unschuldigen Polizisten, FBI Ermittlern und Jill Tuck, bewusstlos -oder tot- bäuchlings auf dem schmutzigen Fliesenboden. Mark Hoffman. Jigsaws selbsternannter Erbe.

Langsam nähert sich die unbekannte Person ihm. Gordon, oder einer von diesen zwei letzten Opfern kann der Unbekannte nicht sein. Die Schritte sind nicht schwer genug. Auch stimmt die zierliche, etwas kleinere Gestalt nicht mit der der anderen überein. Sein Gesicht ist durch eine Mütze und den Mantel nicht erkennbar.

Er beugt sich zu Mark herab, fühlt seinen Puls und Atem. Letzteres ist eher schwach, "Scheiße.", rasch klettert der Vermummte über ihn, holt einen Schlüssel aus der Hosentasche und öffnet das Schloss der Fessel, dann geht er wieder zu Hoffmans Kopf, packt ihn unter seinen Armen und zieht den leblosen Körper in die Mitte des Raumes. Sofort ergreift er die notwendigen Maßnahmen der ersten Hilfe: Stabile Seitenlage. Danach beleuchtet er ihn noch einmal gründlich. Er hat sich wahrhaftig das Fußgelenk gebrochen! Sorgfältig mustert die Person es... Das muss wirklich schmerzhaft gewesen sein. So sehr, dass er ohnmaächtig wurde. Kurz dreht er sich wieder um, als er plötzlich auf den Rücken geschleudert wird und sich etwas auf ihn setzt. Die Taschenlampe rollt aus seiner Hand, sodass das ganze Szenario von der Seite beleuchtet wird. Große Hände schließen sich um seinen Hals. Er schaut auf. Umklammert panisch die Pranken. Es ist Hoffman! Er hat sich nur bewusstlos gestellt! Das Licht der Lampe lässt ihn nur noch diabolischer erscheinen. Wahnsinn spiegelt sich in seinen Augen wieder. Unheilvoll sind seine Gesichtszüge verzerrt.

Dieser schaut auf die Person hinab. Zum ersten Mal kann er erkennen, wie sie aussieht, denn die Kopfbedeckung ist runter gerutscht. Der Unbekannte ist nicht männlich, sondern weiblich. Sie ist etwa neunzehn Jahre alt, hat kastanienbraunes, durchgestuftes Haar, volle Lippen und strahlende, grau-blaue Augen, die ihn entsetzt anstarren. Er drückt nur noch fester zu, "Noch ein paar letzte Worte?"

"Töte mich...", röchelt sie, "Doch dann wirst du hier niemals raus kommen..."

"Warum sollte ich dir glauben?"

"Warum hätte ich deine Fessel gelöst?"

"Ich bin jetzt frei."

"Doch Gordon hat Vorkehrungen getroffen, falls du, wieder Erwarten, fliehst."

Er lockert seinen Griff, bleibt aber dennoch auf ihr sitzen.

"Ich bin hier um dir zu helfen, Mark. Ich weiß wie wir hier raus kommen..."

"Warum?"

"Sagen wir, es ist etwas persönliches, zwischen Gordon, John und mir."

"John ist tot."

"Ich weiß. Der Strippenzieher sitzt ja auf mir."

Er zögert. 'Woher weiß sie das?'

"Ich weiß alles über dich. Von Seth angefangen, über dein kleines Brieflein an Amanda, bis hin zu deiner 'Rache'."

Unsicher schaut er das Mädchen an.

"Würdest du bitte von mir runter gehen? Du bist ziemlich schwer und wir haben nur wenig zeit.", sie schaut auf ihre Uhr, am rechten Handgelenk. Die Stoppuhr läuft rückwärts, "Wir haben noch etwa vier Minuten. Dann werden wir entdeckt."

Argwöhnisch lässt er von ihr ab. Sofort rappelt sie sich auf, packt seinen rechten Arm, zieht ihn , eher schlecht als recht, hoch und stützt ihn darunter.

Gemeinsam humpeln sie aus dem Raum -danach schließt die junge Frau die Tür-, den Korridor, der zur Falle führt, die Strahm das Leben kostete, entlang und dann, kurz vor der rettenden Treppe, nach links, durch eine kleine Geheimtür. Der ganze Weg zieht sich ein wenig. Diese Tür ist ihm noch nie aufgefallen. Sogar jetzt ist es schwer zu erkennen, wo genau die Umrisse sind.

Flink löst sie die Platte aus ihrer Halterung, hilft dem Ex-Cop hinein, und schließt sie wieder hinter sich. Es ist dunkel.

"Mach genau das, was ich dir sage. Dieser Gang ist eventuell etwas eng für dich. Es gibt viele Abzweigungen. Folge meiner Hand und du wirst hier raus kommen."

Ein lautes Stöhnen seinerseits ist die Antwort.

"Dann kanns ja los gehen."
 

Es dauerte etwa fünf Minuten, bis sie den Ausgang und den bereit gestellten Wagen erreicht haben. Die Frau hilft ihm in das unauffällige schwarze Auto, steigt danach selbst ein. Sie fährt los.

Schweigen.

Nach einer Weile bricht sie es, "War doch offensichtlich, dass Gordon dich im Falle von Jills Tod irgendwo einsperren wird. Dennoch warst du überrascht?"

"Wer bist du? Wohin fährst du?", wechselt Mark das Thema. Irgendwie kommt sie ihm bekannt vor. Zwar nicht vom Aussehen, aber ihre Art. Sogar wie sie spricht...

"Du kannst mich 'Mika' nennen. Wir fahren in ein sicheres Versteck."

"Mika?"

"Von Michaela. Mika."

Argwöhnisch mustert er sie, "Warum?"

"Was?", kurz schaut sie zu ihm. Nachdem sie seine Blicke bemerkt hat wendet sie sich wieder der Straße zu.

"Warum hilfst du? Weißt du nicht, was ich mit den Polizisten oder Jill Tuck gemacht habe?"

"Die Cops -deine Kollegen- hast du kaltblütig ermordet und Jill fand den Tod durch AMANDAs Bear Trap. Allerdings war das kein Spiel mehr, sondern Mord. Sie hatte keine Chance zu entkommen. Glaub mir, ich habe mich vergewissert."

"Ach ja?"

"Ich war da... Ich habe gesehen, wie du alle ermordet hast. Sogar Gibson."

"Dann bleibt die Frage, warum du mich da raus geholt hast."

"Sagen wir es mal so: John war ein guter Menschenkenner. Er wusste, wie er anhand von ein paar kleinen Wörtern, die Leute in seiner Umgebung mannipulieren kann."

"Wie kamst du zu ihm?", alle Fragen Hoffmans wirken ziemlich gezwungen. Vielleicht, wegen des Schmerzes in seinem Fuß, oder auch weil Mika sich alle Informationen aus der Nase ziehen lässt.

"Das müsstest du selbst beantworten können.", noch mal wirft sie einen kurzen Blick auf ihn, "Hör zu, Hoffman. Ich hab dich da raus geholt, weil John meinte, du weißt etwas über meinen wahren Vater. Aber, seien wir mal ehrlich: ich vertraue dir nicht. Du bist ein Mörder. Es gelten für dich keine Regeln. Genau wie damals bei Amanda. Also mache ich dir einen Vorschlag: Du bleibst einige Zeit bei mir, damit ich dich besser kennen lerne, ich gebe dir eine neue Identität, und verarzte sogar deinen Fuß. Im Gegenzug wirst du mir keine 'penetranten' Fragen stellen, wohin ich gehe, was ich mache, wer meine Familie war oder über andere Themen, über die ich nicht reden will. Natürlich ist es dir zu einem bestimmten Punkt der Neugierde erlaubt. Manchmal werde ich -vielleicht- selbst mit einem solchem Thema auf dich zu kommen. Auch wirst du nicht mich, meine Methoden oder Entscheidungen in Frage stellen. Weiterhin kannst du Spiele planen. Ich werde sie dann bauen und ausführen..."

"Und was, wenn ich auf einige Kriterien deines Vorschlags nicht eingehe?", fragt er provozierend.

Kurz schaut Mika in den Rückspiegel, tritt dann, als kein Auto in Sichtweite ist, abrupt auf die Bremse. Beide werden in die Sitze gedrückt. Zornig schaut sie ihn jetzt an, "Ich kann dich auch wieder zurück bringen."

"Ich kann dich auch töten."

"Dann wirst du gefasst. Du kommst hier, aus dieser Stadt nur mit mir raus. Mal ganz davon abzusehen, dass dann alle deine Decknamen durch einen anonymen Hinweis zur Polizei gelangen. Auch die neuen, die ich für dich gemacht habe."

Er schluckt. Das ist pure Erpressung... Aber was bleibt ihm andres übrig? "Okay."

"Fein.", mit einem zuckersüßem Ton in der Stimme fährt sie weiter, "Dann auf eine gute Zusammenarbeit."

Es gongt. Die Schüler der East Senior High School strömen gut gelaunt aus dem Gebäude. Schulaus. Endlich!

So auch Korey Bishop, eine siebzehnjährige, junge Frau mit braunen rückenlangen Haaren, die sie mit einem Haarreif aus dem Gesicht hält. Sie trägt, wie alle Mädchen an dieser Schule, eine Uniform, bestehend aus einem knielangem, schwarzem, Faltenrock mit weißem Saum, schwarzen Kniestrümpfen und einer weißen Bluse, mit Karvatte, auf die das Schulwappen gestickt wurde. Erleichtert hat sie ihre Schultasche geschultert. Sie ist eine der letzten, die den großen, altertümlichen Schulkomplex verlassen. Voller Elan läuft sie die Steinstufen hinunter und schaut sich um. Als sie eine winkende Hand entdeckt, geht sie auf den etwas größeren, blonden Mann zu. Sie nehmen sich freundschaftlich in den Arm.

"Hey, Ryan, wie gehts? Was machen die Spiele?", fragt sie. Nachdem die zwei in den nächstgelegenen Wagen gestiegen sind. Es ist ein silberner Jeep Grand Cherokee.

"Wir sind in der letzten Phase. Dr. Gordon möchte, dass du sie dir noch einmal ansiehst. Das Sprungbrett ist das einzige, was noch nicht fertig ist. Der Mechanismus ist noch nicht ganz ausgereift und wir müssen noch das Wasser mit Salzsäure versetzen.", antwortet Ryan, eines von Jigsaws Opfern, während er den Wagen aus der Parklücke bugsiert.

"Ach ja. Wenn es Probleme gibt, muss die Mechanikerin ran.", lacht Korey, "Aber wehe, Lawrence kommt auf die Idee und macht vor dem finalem Test die HCl rein. Ich muss mich selbst vergewissern, ob sie funktioniert."

"Nein. Brad wollte es vorgestern Abend, nachdem, wir Hoffman beseitigt haben, machen, aber Daniel hat ihn davon abgehalten."

"Ihr habt Hoffman? Also... ist Jill... tot?", ihr Lachen ist ihr im Hals stecken geblieben. Stattdessen klingt ihre Stimme gedrückt. Sie mochte Johns (Ex-)Frau. Sie war so... nett... hilfsbereit... im allgemeinen. Sie war einfach toll.

Traurig nickt er, "Reverse Bear Trap. Sie hatte keine Chance. Er hat alle Polizisten umgebracht."

"Verstehe. Das hatten sie im Radio gemeint. 'Das schlimmste Massaker in der Geschichte der hiesigen Poluzei'."

"Ja... Rey, wo warst du eigentlich letzte und vorletzte Nacht?"

"Was?", verwirrt schaut sie ihn, mit ihren ungewöhnlichen, strahlenden blau-grauen Augen an.

"Wir hatten dich angerufen, aber du warst nicht erreichbar."

"Ich hatte die letzten zwei Abende frei. Wir haben heute Latein und Medizin geschrieben. Und in Mechanik eine kleine Überprüfung. Lawrence meinte, ich könnte mir frei nehmen. Mal ganz davon abzusehen, dass ich nicht jeden Abend kommen kann... Es geht einfach nicht... Obwohl ich gerne würde...."

"Achso... naja... ich glaube, er wird es dir selbst erzählen wollen.", er schaltet das Radio ein, was signalisiert, dass das Gespräch beendet ist.
 

Das alte Hallenbad ist schon seit Jahrzehnten verlassen. Ein perfekter Ort zum spielen eines Spiels à la Jigsaw. Deshalb ist dieses auch seit der Public Execution Trap -oder wie Brad und Ryan sie nennen 'Love Triangle Trap'- von Dr. Lawrence Gordon a.k.a. Jigsaw (no. 3) und seinen Schülern, in Besitz genommen worden.

Dieser wartet auch schon auf den weiblichen Neuankömmling, der soeben in die Sportbeckenhalle eintritt. Gordon kommt auf sie zu, "Hallo Rey. Wie geht es dir? Konntest du dich erholen?"

Sie nickt zustimmend, "Ja.", dann schaut sie sich um. Zehn Meter über ihr hängt ein Sprungbrett. Neben ihnen ist das Schwimmbecken. "Ryan hat gesagt, dass sie noch nicht fertig ist. Soll ich gleich hoch?"

"Wäre hilfreich. Danach muss ich dir noch etwas erzählen.", gibt der Onkologe zurück.

"Okay. Aber du musst mir noch erklären, wie man gebrochene Gelenke verarztet. Morrison hat ne neue Masche. Erst sollen wir an dem Problem verzweifeln, dann erklärt er es uns in der Medi-Stunde.", genervt verollt sie die Augen.

"Natürlich."

Ohne ein weiteres Wort klettert sie die Leiter des Sprungbrettes hinauf, beginnt daran rumzuschrauben. Korey ist ein wahres Naturtalent. Eine wahre Bereicherung für sein Team. Ein wenig stolz beobachtet Lawrence wie sie die metallene Wand an die Rollen des Geländers anschweißt.

Nach einer Weile ruft sie, "Larry, drücke bitte mal den Knopf."

Er geht nach links. Ein großer, roter, metallener Buzzer ist an der Wand angebracht. Soeben will er den Mechanismus betätigen.

"Stopp!!! Das ist jetzt Strom drauf! Du brauchst ein paar Gummiehandschuhe.", mit einem lautem 'Klatsch' landet ein paar Handschuhe vor seinem Krückstock.

Kurz schaut der Doktor zu ihr auf. Sie hat sich über die Streben gebäugt und beobachtet ihn. Gordon wendet sich wieder ab, streift sich das dunkelblaue Gummie über seine Hände, "Kann ich?"

Keine Antwort.

Verwirrt schaut er wieder zu ihr hoch. Er kann sie nicht sehen. Sie ist verschwunden, "Korey?"

Als antwort bekommt er ein lautes 'Platsch' zu hören. Hektisch dreht er sich zum Becken, kann gerade noch erkennen, wie der leblose Körper der siebzehnjährigen von den Wassermassen verschlungen wird. Er humpelt an den Rand, will hineinspringen, ihr helfen, aber jemand rennt an ihm vorbei, springt mit einem Kopfsprung ins Wasser. Der junge Mann packt sie unter den Armen und zerrt sie nach oben, an die rettende Oberfläche, zum Sauerstoff. Er hieft sie aus dem Becken, legt sie auf den Fliesenboden.

Sofort ergreift Gordon die erste Hilfe. Er kontrolliert ihren Atem. Er ist schwach, wie ihr Herzschlag.

"Komm schon, Rey, wach auf.", er rüttelt an ihrer Schulter.

Nichts.

Keine Reaktion.

"Rey!"

Wie aufs Stichwort beginnt sie zu husten. Das älteste Opfer kommt wieder zu sich. Verwirrt schaut sie erst Gordon, dann das Sprungbrett, dann den jungen Mann neben ihr an, "Schon wieder?"

"Jup.", gibt der etwa achtzehnjährige zu. Er hat dunkelblonde, lockige, nasse Haare. Es ist Daniel Matthews.

Ein wenig wackelig versucht sie sich aufzurappeln, vergebens. Mit schmerzendem Bauch sinkt sie wieder zurück, "Autsch."

"Was ist los?", besorgt beugt sich der Arzt über sie.

Sie knöpft ihre Bluse bis zur ersten Rippe auf. Die Haut ist gerrötet und hat sich an den Stellen um die zahlreichen Narben schon ein wenig blau gefärbt, "Anscheinend ein Bauchplatscher der feinsten Art..."

Aufmerksam betrachtet Gordon die Anzeichen für innere Blutungen, "Ich kann nicht sagen, wie schlimm es ist... Aber aus dieser Höhe... Du musst ins Krankenhaus. Hier können wir nicht einmal eine präzise Diagnose stellen."

"Wie lange?"

"Je nachdem. Warum?"

"Ich muss morgen in die Schule. Unser Thema in Psychologie ist Jigsaw. Es soll nicht auffallen, dass ich fehle."

Verständnislos schüttelt Lawrence den Kopf. Sie ist so auf die Schule und Spiele fixiert... Korey würde auch mit einer Kugel im Bauch zum Unterricht erscheinen. Und auch hier. Es war eine langwierige Sache, bis er sie davon überzeugen konnte, sich ein paar Tage freizunehmen. Wegen diesen Anfällen will sie keinen Augenblick eines Test verpassen. Sie war selbst mal vor der Kamera. Alle Narben an ihrem Körper rühren davon her, denn während ihres Tests wurde sie ohnmächtig...

"Komm. So schlimm wird es nicht sein.", mit einem Nicken weißt er Daniel an, zu helfen. Sofort nimmt dieser die Jugendliche auf seine Arme, trägt sie zu Lawrences Auto, setzt sie hinein. Gordon setzt sich, do schnell wie möglich, hinter das Steuer und fährt los.

Es ist schon wieder Abend, als Mika mit ihren Einkäufen wieder zu ihrem Haus zurück kehrt. Es brennt Licht.

'Also ist Hoffman schon wach...'

Er wurde von Gordon etwa einen Tag lang eingesperrt, ohne Wasser, ohne Essen, deshalb konnte er, bei ihr daheim angekommen, erst einmal schlafen, duschen und ein wenig Nahrung zu sich nehmen, obwohl er ihr, in Hinsicht der Zeit, nicht glauben wollte. Dort unten tickt die Uhr wohl anders...

Gut gelaunt öffnet sie die Hintertür, die direkt von der Garage in die Küche führt. Sie stellt die braune Papiertüte auf der Arbeitsplatte ab, schaut sich um, "Hallo. Bin wieder da."

Keine Reaktion.

Also ist er... 'Nicht dein Ernst!'

Wütend geht sie in das angrenzende Wohnzimmer. Auch leer.

Plötzlich ein leises Poltern.

"Hallo?!?"

Sie durchquert das in rot eingerichtete Zimmer, lugt in den Korridor. Ein Schatten!

Leise schleicht sie der schemenhaften Gestalt hinterher, in das Schlafzimmer ihrer Eltern, in dem sie Hoffman zurückgelassen hat. Ihr Herz beginnt zu rasen. Ängstlich spitzelt sie hinein. 'Diese Gestalt... Das ist Mark. Aber... Oh, Fuck!'

Er steht hinter einem Mann mittleren Alters und will ihn töten...

Panisch stürzt sie in den Raum, schubst den Ex-Lieutenant in den begehbaren Kleiderschrank, verschließt diesen. Das alles hat sie ohne nennenswerte Geräuschkulisse geschafft. Der Mann hat nichts bemerkt, "Chris?"

Erschrocken dreht er sich um. Seine dunkelbraunen Augen, die im Kontrast zu seinen rötlichen Haaren stehen, mustern sie sorgfältig, "Hey, Ka."

Ein wenig außer Atem setzt sie sich auf das durchgewühlte Bett. Ihr Herz schlägt immer noch sehr schnell. Sie ist sehr nervös.

"Ich wollte dich besuchen. Das Licht hat gebrannt, deshalb bin ich mit dem Zweitschlüssel reingekommen. Wo warst du? Ich habe gerufen."

"Einkaufen.", antwortet sie, wie aus einer Pistole geschossen, "Meine Vorräte sind, ohne das ich es gemerkt habe, zu neige gegangen... Ich war nur ein paar Minuten weg -und ziemlich in Eile- deshalb habe ich die Lichter nicht aus gemacht."

Verständnisvoll nickt der Detective. Sein Anzug fällt ihr jetzt erst auf. Normalerweise kündigt er sich an, erstens, und zweitens, erscheint er in Zivilkleidung.

"Was ist los?"

"Ich wollte nur reden."

"Es geht wieder um Jigsaw, hab ich recht? Was gibts neues? Warum bist du hier?", fragt Mika ungeduldig. Sie kann die vernichtenden Blicke Hoffmans förmlich spüren. Auch befürchtet sie, Christian könnte etwas sagen, was Mark falsch verstehen könnte.

"Du hast mitbekommen, was passiert ist?", seine Frage. Der Detective setzt sich neben sie.

"Allerdings...", traurig senkt sie ihren Blick, "Irgendeine Spur? Viedoaufnahmen, Haare, DNA?"

"Nichts dergleichen. Er hat alles mitgenommen. Er musste sich im MPD auskennen."

"Vielleicht der, den Gibson zum Schluss gejagt hat?"

"Dieser neue Jigsaw? Der Nachfolger von John Kramer? Möglich wärs. Wir haben das auch schon in Betracht gezogen... Aber... jeder, der den Namen des 'Erben' wissen könnte, ist gestorben... Und beim FBI können sie uns auch keine Auskunft über den Mörder von den kooperierenden Agents, oder deren Verdacht, geben. Wir sind hier in einer Sackgasse..."

"Und warum sagst du mir das?"

"Es geht um das aktuellste Opfer, Bobby Dagen. Du warst, von Anfang an, in seinen Gruppentherapien."

"Ich habe das von ihm gehört, aber ich kann nicht sagen, warum. Mal ganz davon abzusehen, dass ich nie... mitgemacht habe. Ich saß immer nur am Rand... Nur wenige wissen von meinem ... Spiel."

"Wurde er schon einmal getestet? Oder war das nur show?"

"Ich kann es nicht genau sagen... die Narben sind echt... seine Ansicht deckt sich auch mit der der anderen Opfer... Aber... Ich weiß nicht... Ich habe ihm nie so richtig geglaubt..."

"Kennst du noch andere aus der Gruppe?"

"Ein paar. Warum?"

"Könntest du mir ihre Namen nennen?"

"Ich verstehe nicht ganz... Was willst du mit ihnen machen?"

"Ich will sie nur befragen, ob sie denken Mr. Dagen sein ein echtes Opfer gewesen."

"Naja... Dieser merkwürdige Mann mit Krückstock war der erste... Aber frag mich nicht nach seinem Namen...", verneinend schüttelt Mika den Kopf. Natürlich weiß sie, wer dieser humpelnde Typ ist. Sie wollen ihn ja schließlich 'dingfest' machen. Bewusst hat sie die Fährte auf Dr. Lawrence Gordon gesetzt, denn so könnten sie seinen momentanen Aufenthaltsort -ohne Aufsehen zu erregen- herausfinden.

Chris Denbow steht wieder auf, "Pass auf dich auf, Michaela."

"Du auch.", lächelt sie unbeschwert zurück, "Sag mir, wenn ihr eine neue Spur habt. Ich helfe gerne."

"Wegen deinem Dad.", bestätigt er, "Also, bis demnächst, bye.", er verlässt das Haus.

Ein paar Sekunden schaut sie ihm noch hinterher. Er ist wirklich nett. Leichtgläubig, um nicht zu sagen naiv, treu doof aber vom Herzen gut. Bei ihm könnte man wirklich sagen, 'gleich und gleich gesellt sich gern.' Er war ein guter Freund von Gibson. So ähnlich ist auch seine Art.

Ein lautes Räuspern reißt ihre Gedanken wieder zurück in die Realität. Zum Schluss hat sie Hoffman total vergessen. Sie geht zur Tür, öffnet diese vorsichtig, schaut hinein. Auf einen Stock gestützt steht Mark vor ihr. Er ist wütend. Von Wahnsinn ergriffen wirft er sich auf sie, drückt ihre Kehle Stück für Stück zu, "Was sollte das, du Schlampe? Du führst den Cop extra auf meine Spur?!?", brüllt er.

"D... denk a...n uns...ere Ab...mach...ung...", röchelt sie. Ihr wird ein wenig schwindelig.

"Die ist nichtig. Du führst sie zu mir!!! Genau das wolltest du verhindern!"

"Ich habe keinen Namen genannt... Lass mich los... sonst wird Chris wissen, wer mich getötet hat..."

Sauer lässt er von ihr ab, bleibt aber -wie bei ihrem ersten Treffen- auf ihrer Brust sitzen, "Danke.", Mika ist immer noch ruhig.

"Das weiß er doch schon. Gibson und er waren befreundet."

"Nein. Sie haben nie über ihre Fälle gesprochen. Denkst du, ich bin so bescheuert und führe Chris auf 'deine Spur', während ich nicht mal weiß, ob sie miteinander über Jigsaw und Jill gesprochen haben? Ist dir nicht einmal aufgefallen, dass du kein, wirklich KEINEN einzigen, Beweis zurückgelassen hast? Obwohl du nicht einmal darauf geachtet hast?"

Er zögert. Was sie sagt stimmt. Zwar hatte er Handschuhe getragen, aber kein Haarnetz.

"Ich sagte doch, ich habe mich vergewissert, ob Jill eine Chance hatte. Ich war im Department, habe die Videoaufzeichnungen 'mitgehen' lassen und auch den Leichensack, in dem du dich eingeschmuggelt hast, gereinigt.", sie beginnt zu husten, "Bitte geh von mir runter. Seit gestern schmerzt mein Torso."

Genervt kommt er ihrer Bitte nach.

Wortwörtlich erleichtert bleibt sie kurz auf dem Boden liegen. Dann rappelt sie sich auf, hilft ihm auf das Bett. Dabei fällt ihr Blick auf das gebrochene Gelenk, "Ich verarzte es jetzt.", verschwindet im angrenzenden Bad und erscheint wieder ein paar Augenblicke später, mit Gips, Mullbinden und Salbe in einer Plastiktüte. Sofort bringt sie Hoffmans Fuß -unter lautem, schmerzerfülltem Stöhnen seinerseits- in Position und beginnt ihn erst zu reinigen, dann in Gips einzuwickeln.

"Du warst ein Objekt?", fragt er nach einer Weile, um das Thema zu wechseln (und sich nebenbei von seinem Schmerz abzulenken).

"Jup.", ihre Antwort. Eigentlich wollte Mika es ihm nicht sagen, aber er ist schon geladen genug und wer weiß, was er sonst mit ihr anstellen würde.

"Wann?"

"Ich war das fünfte."

"Das war Amanda."

"Nein. Sie war die 'siebte'. Mein Test war auch mit einer anderen Person verbunden."

"Inwiefern?"

Traurig lässt sie von dem Fuß ab, steht auf und beginnt aus dem Fenster zu schauen. Sie antwortet nicht.

"Warum ein Cop?", seine nächste Frage. Diesmal ist der Unterton einer Drohung gleich.

"Er ist ein guter Freund. Von Anfang an berichtete er mir von den Fortschritten. Daher war John immer informiert.", gibt sie nach ausreichendem Überlegen zurück. Aber sie wendet sich ihm nicht zu. In der Reflektion beobachtet sie ihn.

"Er wusste alles durch mich."

"Nein, nein...", lachend schüttelt sie den Kopf. Ihr scheint so, als würde John sie gerade, in diesem Moment, beobachten, "Zahlreiche Ergebnisse hat er von mir. Auch, dass du unter Verdacht stehst."

"Erst seit Strahm."

"Genau das solltest du glauben. Du warst seit langem unter Verdacht. Riggs hat bemerkt, wie du ein Beweisstück von der Classroom Trap unterschlagen hast."

"Bestimmt...", gibt er sarkastisch zurück. Er hat sich hundertprozentig vergewissert, das niemand ihn beobachtet, als er den Ring mitnahm.

"Glaubs mir, oder nicht...", seufzend dreht sie sich wieder Hoffman zu, "Ich habe viele Quellen. Deshalb wird es dir auch wenig bringen, wenn du Chris tötest."

"Eine ganze Abteilung also."

"Früher waren es drei."

"Was ist passiert?"

"DU!!!", wie auf Knopfdruck ist ihre Ruhe verschwunden. Unglaublicher Zorn überkommt sie, "Du hast diese ganzen, guten Menschen umgebracht!!!"

"Keine Beweise.", sie haben ihre Rollen getauscht.

"NEIN!!! SIE WURDEN ALLE UNTERSCHLAGEN!!! Aber hör mir genau zu, Marky, DU wirst keine Spiele mehr spielen! Ich werde sie ausführen."

"Weshalb sollte ich das machen?"

"Weil ich dir helfe Gordon zu treffen! Und weil du deine Privilegien als Cop verloren hast."

"Sicher, dass das kein persönlicher Rachefeldzug ist?"

Geschockt schaut sie ihn an. Mark bringt ein schwarzes Tagebuch zum Vorschein.

"W...wie meinst du das?", plötzlich ist ihre Stimme schrill.

"Korey Bishop. An sie kann ich mich noch erinnern.", ein triumphales Lächeln schmückt seine Lippen, "Sie ist sehr auf die Spiele fixiert. Kann es sein, dass sich dich noch einmal getestet hat?"

Betretenes Schweigen, "Sie führt uns zu Gordon...", dann dreht sich Mika zur Tür, überleg dir ein paar Fallen. Wir fangen morgen mit den Vorbereitungen an...", und sie verlässt den Raum.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Summend betritt Korey den Bademeister Bereich des stillgelegten Hallenbads und läuft den langen, tristen, kargen Korridor aus Beton entlang. Zwar schmerzt ihr Brustkorb, durch den Aufprall vor drei Tagen, doch sie ist wieder so fit, dass sie Lawrence bei den finalen Arbeiten helfen kann. Voller Elan öffnet sie die angrenzende Tür zum Umkleide Bereich der ehemaligen Angestellten, in dem sie am heutigem Abend die Spiele des neuen Testobjekts beobachten werden. Die Monitore sind schon bereitgestellt, aber nicht an die Kameras angeschlossen. Natürlich...

Sie seufzt... War klar...

Ohne zu zögern klettert sie unter den Tisch, verbindet die Kabel miteinander. Nach einer Weile kommt sie wieder unter den Tischen hervor, startet die Bildschirme.

"Nicht verzagen, Korey fragen.", murmelt sie zufrieden. Auf den sieben PC Monitoren erscheinen die gewünschten Aufzeichnungen der angeschlossenen Videokameras.

Mit den Armen auf die graue Arbeitsfläche gestützt beobachtet sie, wie ihre 'Mitschüler' die letzten Tests der verschiedenen Fallen, mit Dummies, durchführen. So gerne würde sie weiter an der 'Diving Board Trap' arbeiten, obwohl sie eigentlich fertig ist, aber Lawrence hat ihr verboten sich weiterhin in 'solche Gefahr' zu begeben... ihrer Anfälle wegen.

Ein wenig neidisch beobachtet, wie Daniel mit jemandem -er befindet sich außerhalb des Bides- eine Chemikalie ausprobiert. Nachdem sich die Gummipuppe innerhalb von ein paar Sekunden aufgelöst hat, lachen sie und geben sich eine high five.

Lächelnd und kopfschüttelnd wendet sie sich dem nächstem Bildschirm zu. Brad und Ryan testen noch einmal ihre Falle. Brad steht auf dem Brett, wird langsam, Stück für Stück weiter richtung Beckenrand gedrückt, während sich Ryan untendrunter erbarmt hat und mit einem Handschuh aus Gummi den Buzzer drückt. Nach etwa einer halben Minute kann Brad wieder die Leiter hinab klettern.

Gerade will sie sich die anderen Fallen anschauen, da reißt eine Durchsage sie aus ihren Gedanken. Lawrences Stimme dringt durch den Lautsprecher, "Kommt sofort in den Überwachungsraum."

Er klang aufgeregt, besorgt, ängstlich und wütend zugleich.

Keine Sekunde später kommt der Doktor in den Raum gehumpelt. Verwirrt schaut er sie an, "Du bist schnell. Mit dir hätte ich hier am wenigstem gerechnet... Du solltest dir doch frei nehmen."

"Nein... nicht jetzt. Bald geht das Spiel los. Da will ich auf keinem Fall den Endspurt verpassen.", gibt sie zurück.

"Das gleiche hast du auch vor fünf Tagen gesagt."

"Dann müsstest du mich verstehen"

Er will antworten, aber just in diesem Moment erscheinen die anderen 'Mitarbeiter'. Brad, Ryan, Daniel und, Korey beginnt zu lächeln, Adam Stanheight, hinter dem die Tür ins Schloss fällt.

Glücklicherweise ist die Gemeinschaftskabine relativ groß, sonst würde es ziemlich eng werden.

Neugierig schauen alle Gordon an.

"Was ist los?", fragt der Sohn von Eric Matthews.

"Habt ihr die Zeitung gelesen?", die Antwort.

"Nein. Noch nicht."

"Hat jemand von euch eine Falle gebaut und ausprobiert, ohne das er es mir gesagt hat?"

Kopfschütteln aller.

"Warum?", Korey ist, wie der Rest, verwirrt.

Als Aufklärung drückt er ihr einen Zeitungsartikel in die Hand.

Sie wirft einen Blick darauf, "Was zum-?", unsicher schaut sie ihn an, "Larry?"

"Les laut vor."

"'Jigsaw hat wieder zugeschlagen!

Dieses Mal traf es eine junge Jura Studentin, die sich seinen unmenschlichen Tests stellen musste, um zu überleben. Zu erst musste sie sich ihre Fingernägel ausreißen lassen, dann ihr Gesicht gegen glühende Stäbe drücken, um schließlich die Zunge abgetrennt zu bekommen. Das alles innerhalb von drei Minuten und ohne einen einzigen Ton von sich zu geben, sonst hätte sich eine Eisenstange durch ihr Becken durch den Körper gebohrt. Sie ist die zweite Testperson in dieser Woche.

Nach dem Tod John Kramers...'", sie verstummt.

"Versteht ihr? Wir haben ein Problem. Ihr müsst jetzt doppelt so vorsichtig sein, wie ihr ohnehin schon wart. Wir haben es hier mit einem Mörder zu tun."

"Er ließ ihr doch eine Chance.", wirft Brad dazwischen.

"Das nennst du eine Chance?", Korey Stimme ist schrill, "Das war unfair. Sie musst sich die Schmerzen selbst zufügen -soweit noch O.k.- ABER wenn sie einen Mucks von sich gegeben hätte, wäre sie aufgespießt worden, wodurch sie nur noch lauter geschrien hätte. Mal ganz davon abzusehen, dass es eigentlich drei Tests waren."

"Beruhig dich, Rey.", freundschaftlich kommt Gordons Hand auf ihrer Schulter zur Ruhe, "Ich würde dich gerne mal alleine sprechen.", mit einer Kopfbewegung weißt er den Rest an, sich zu trollen, was sie nach einigen zögernden Momenten auch machen. Wieder schließt sich die Tür hinter Adam.

Zitternd setzt sich die Jugendliche auf den nächstgelegenen Stuhl.

"Korey, beruhig dich."

"Eine Ahnung, wer das war?"

Er nickt.

Sie versteht sofort, "Wie? Du sagtest, er wurde angekettet! Hat ein anderer Schüler ihm geholfen?"

"Ich weiß es nicht. Also... er hat sich den Fuß abgesägt und ist aus dem Badezimmer geflohen... frag mich aber nicht, woher er die Säge hatte... Ich war mir sicher, ich hätte alle entfernt..."

"Aber wie kam er an euren Wachstellungen vorbei?"

"Da hatte er wohl doch Hilfe. Ich verstehe auch nicht so ganz, WIE er es geschafft hatte, aber er ist weg. Ich war eben nachschauen. Hoffman ist verschwunden. Das einzige, was davon zeugt, dass dort ein Neuzugang war, ist ein blutiger, abgetrennter Fuß, eine blutige Fessel und daneben eine verschmierte Säge. Eine Spur führt aus dem Bad, ein wenig den Gang entlang, aber auf einmal hört sie auf. Jemand half ihm, durch einem uns unbekanntem Geheimgang, aus dem Haus.", jetzt setzt auch er sich, zwar ihr gegenüber.

Mit glasigem Blick beobachtet sie den Boden, "Ich hätte es wissen müssen..."

"Was?"

"Mika.", sie schaut wieder auf, "Michaela Connor. Sie hatte mir 'Rache' geschworen, nachdem ich sie noch einmal getestet hatte. Das erklärt auch mein fehlendes Tagebuch... Sie und er passen gut zueinander.", unruhig steht sie wieder auf, "Ich kann nicht mehr nach Hause. Sie weiß wo ich wohne! Durch mich wird Hoffman an dich ran kommen."

"Das ist nicht der Grund, warum ich mit dir sprechen wollte...", Gordon seufzt, "Ich hatte es erahnt... Bitte setz dich..."

Korey kommt der Bitte nach.

"Der Name des Opfers wurde nicht erwähnt. Aber ich kenne ihn. Und du kennst sie auch..."

"Was?!?"

"Rebecka... Sie heißt Rebecka Thomis."

"Nein.", weinend schüttelt sie ihren Kopf, "Ist Anika auch...?"

"Sie ist in Sicherheit. Es fällt ja nicht auf, wenn sie ein paar Tage in der Schule fehlt... und du als ihre beste Freundin, kannst ja sagen, dass sie krank ist..."

Rey sagt nichts.

"Mika weiß von eurer Freundschaft."

"Allerdings!", zornig springt die Brünette wieder auf, "Von ihr hab ich ja DAS!!!", geladen nimmt sie ihre langen Haare in die Hand, hebt sie ein Stück hoch. Eine lange Narbe erstreckt sich vom Dornfortsatz bis hinter ihr rechtes Ohr.

"Korey, beruhige dich. Denk an dein Herz. Wir werden sie kriegen. Hoffman dazu."

Sie schließt die Augen, atmet tief ein und aus. Jetzt ist sie wieder die Ruhe selbst, "Ich geh meine Sachen holen. Wann gehts denn los?"

"Heute Abend."

"Na dann muss ich mich beeilen...", mit raschem Schritt verlässt sie den Raum.

Unsagbar zornig betritt Mika das Arbeitszimmer ihres Hauses im erstem Stockwerk, knallt die Tür hinter sich zu. Durch das laute Scheppern wird Hoffman aus seinen Planungen und Gedanken gerissen. Er schaut auf, "Wo warst du?"

Als Antwort wirft sie, äußerst geladen, eine Zeitung vor ihn, auf den Schreibtisch.

Mit einem beiläufigem Blick schaut er auf die Schlagzeile, auf der steht 'Jigsaw hat wieder zugeschlagen', dann mustert er wieder seine Mitbewohnerin, obwohl sie sich relativ selten sehen. In Michaelas Gesicht spiegelt sich Agression, Hass und vor allem Angst.

"Na und?", fragt Mark beiläufig.

"NA UND?!?", wiederholt sie schrill, "NA UND!!! DENK AN UNSERE ABMACHUNG!!!"

"Wir wollen doch Gordon. Und da DU dich um nichts kümmerst und immer weg bist musste ich mich darum kümmern."

"ICH kümmer mich um nichts?!? Nur weil du mich nicht bei der Arbeit siehst bedeutet das noch lange nicht, dass ich NICHTS mache!!!"

"Das bezweifel ich.", gibt er völlig gelassen zurück.

"Ach, das bezweifelst du?!? Hast du mit deinem 'brilliantem' Verstand mal daran gedacht, dass Grodon jetzt weiß, das du geflohen bist?"

"Dann nagt noch die Angst an ihm, bevor ich ihn töte. Das ist großartig.", plötzlich verändert sich sein Gesichtsausdruck. Er wirkt diabolisch. Wie an dem Abend, an dem er Jill tötete.

"Ha, wenn du ihn jetzt noch kriegst! Gordon wird sich jetzt auf einen Angriff deinserseits vorbereiten.", sie seufzt, "Das einzige positive ist, dass er denkt, du hast dir deinen Fuß abgesägt..."

"Was? Weshalb?"

"Das habe ich arrangiert, als ich 'nichts' gemacht habe. Ich habe durch einen Freund einen kürzlich amputierten Fuß erhalten, sowie deine alten Blutkonserven. Den Rest kannst du dir ja denken."

Verblüfft schaut er sie an. Damit hätte er am wenigstem gerechnet. In der Zwischenzeit kam ihm der Verdacht, sie arbeitet mit dem Krüppel zusammen, aber jetzt... er muss sich wirklich entschuldigen... irgendwann mal, wenn er seine Rache hat...

"Und den restlichen Tag observiere ich dieses Miststück Korey. Anscheinend weiß sie davon... oder ihr wurde verboten zu helfen..."

"Was ist genau zwischen euch vorgefallen? Ich habe nie mitbekommen, das du jemanden beschimpft hast. Das musste John dir doch auch hoch angerechnet haben.", auf einmal ist er wieder ruhig und analysierend.

Mika dreht ihm den Rücken zu. Sie schluckt, "Mit dem 'zweitem Test' hattest du recht... wir hatten uns mal wegen einem Spiel gestritten... weshalb sie mich in eine weitere Falle steckte... ich entkam und ... sie wurde handgreiflich... sie hatte wohl nicht damit gerechnet, das ich überlebe...", um ihre Aussage zu bestätigen zieht sie ihren schwarzen

Trenchcoat aus. Darunter trägt sie ein, ebenfalls schwarzes, Top. Eine große Narbe erstreckt sich vom linken Schulterblatt bis zum Ellenbogen, "Man könnte sagen sie und Amanda waren sich gar nicht so unähnlich... Sie hatten beide einen Drang zur Gewalt...", sie dreht sich wieder um. Tränen sind in ihren Augen zu sehen, "Sie nutzt ihre Krankheit in vollsten Zügen aus. In dem Moment, in dem wir uns gestritten haben simulierte sie einen Anfall. Sofort wollte ich ihr helfen... aber sie hat sich ein Messer geschnappt und es mir in die Schulter gerammt...", kurz schließt sie ihre Augen, um ihre Fassung wieder zu erlangen. Sie ist wie ausgewechselt, "Deshalb hat man uns nie zur gleichen Zeit an einem Ort gesehen... John wollte keinen Streit... Er wusste, wozu sie fähig ist..."

"Dann kannst du dich doppelt freuen."

"Wieso sollte ich?"

"Es bezieht sich auf die 'Silence Torture Trap'.", er lächelt zufrieden.

"Inwiefern?"

"Der Name des Opfers wurde nicht genannt, stimmts?"

"Allerdings."

"Sie heißt Rebecka Thomis."

Sie schaut ihn ungläubig an. Aber nach und nach formt sich ihr verblüffter Mund zu einem triumphierendem Grinsen, "Du veralberst mich."

"Ernsthaft. Ich wusste natürlich von ihren Freunden, da ich das Tagebuch gelesen habe."

"Doch die Falle war unfair..."

"Gordons doch auch.", erwidert er, kaum hatte sie ausgesprochen.

Schweigend setzt sich Mika auf den zweiten Stuhl. Im Gegensatz zu dem, auf dem Hoffman sitzt, besteht dieser zwar nur aus ein paar selbst zusammengenagelten Brettern, aber dennoch ist er bequem. Immerhin hat ihr Vater diesen Stuhl gebaut...

Schweigen von beiden Seiten.

Sie schließt ihre Augen, genießt die Stille. Nache einer Weile beginnt sie zu lachen.

"Was ist denn jetzt los?", sichtlich ist Hoffman genervt, da er sich einige Momente zuvor wieder seinen Planungen zugewandt hat.

Mika schaut ihn an, "Denkst du John hätte damit gerechnet?"

"Womit?"

"Der ganzen Situation. Das ich dich da raus hole, klar, aber... diese bevorstehende Konfrontation... Was hast du mit Gordon eigentlich vor?"

"Das ist eine Sache zwischen ihm und mir."

"Wird er eine Chance haben zu gewinnen?"

Verwirrt schaut er sie an. Mark versteht nicht ganz. Verlangt Mika von ihm, dass dieser 'son of a bitch' wirklich eine Chance haben wird zu überleben?

"Du hattest auch eine?"

"Und die wäre?", sein Ton ist sarkastisch, "Das Fußgelenk brechen?"

"Er hätte dich auch einfach an eine Falle schnallen können, aus der es kein Entrinnen gibt."

"So wie Jill es getan hat?"

"So in der Art...", sie mustert gründlich seine Narbe, die sich über die ganze rechte Wange zieht, "Du bist halt schwer klein zu kriegen..."

Sein Blick ist allessagend. Sie verstummt augenblicklich.

"Dein Test..."

Sie schaut ihn fragend an.

"Woraus bestand dieser?"

"Ich will nicht darüber sprechen."

"Aber ich.", drohend funkelt er sie an. Seine grau-blauen Augen haben etwas Beängstigendes.

"Okay...", mit einem mulmigen Gefühl gibt sie nach, "I...ich musste gegen jemanden kämpfen..."

"Und weiter...?"

"...ähm... dieser Mann hat mich schon öfters missbraucht... geschlagen... und er war ein Mörder, der wegen einem Fehler der Beweisführung wieder entlassen wurde..."

"Wie hast du gewonnen?"

"Knapp... Ich habe ihn schwer verletzt, aber zwischendrin habe ich mein Bewusstsein verloren... die ganzen Narben an meinem Körper kommen entweder von ihm oder ihr..."

Sie steht wieder auf, "Also, lass Gordon eine Chance. Ich geh wieder Korey beobachten... Byebye.", sie winkt ihm, ein wenig zurückhaltend, zum Abschied, "Wir sehen uns wohl erst morgen." und verschwindet.

Hoffman schaut ihr noch eine Weile nach. Warum kann er sich nicht an ihre Tests erinnern? Hat John dieses Spiel alleine geplant? Wunderlich wäre es nicht, denn nur er weiß, wie viele Dinge er seinen Schülern vorenthalten hat...

Bewusstlos liegt sie da, Kathrin Scorpion, die Chefin eines rießigen Waisenhauses. Sie trägt ein Kostüm, das auch schon bessere Tage erlebt hat. Vielleicht ist es auch einfach nur schmutzig, weil sie auf dem dreckigem Fließenboden liegt. Das selbe gilt auch für ihre kurzen, wasserstoffblond gefärbten Haare.

Langsam kommt sie wieder zu sich, schaut sich panisch um. Sie kennt diesen Ort nicht. Um sie herum sind Absperrungen aufgestellt, wie in den Umkleidekabinen in Schwimmbädern. Ängstlich richtet sie sich auf, hämmert mit geballten Fäusten gegen die Wände, "Lasst mich hier raus!!!"

Nichts.

Weder geben die schweren Holzplatten nach, noch eilt ihr jemand zu Hilfe. Dennoch macht sie weiter. Hoffnung stirbt bekannterweise zuletzt, "Kann mich keiner hören? Hilfe, HILFE! HILFEEE!!!"

Immeroch keine Antwort.

Weinend schlägt sie ein letztes Mal gegen eine der Wände. Mit einem leisem klacken gibt sie nach und schwingt ein kleines Stück weit auf. Für einen Herzschlag lang zögert sie. Dann überwiegt die Neugierde und Angst. Vorsichtig öffnet sie sie vollständig. Vor ihr erstreckt sich eine Reihe von Schließfächern. Eines steht offen. Darin ist eine Art Tablet PC oder ein kleiner LCD Fernseher. Kathrin geht darauf zu, begutachtet dieses. Der Bildschirm ist schwarz. Das Gerät ist ausgeschaltet.

Plötzlich beginnt die Oberfläche zu flimmern. Doch nur ein paar Sekunden. Das Bild klärt sich und der Kopf einer weißen Puppe mit roter Fliege dreht sich zur Kamera, "Hallo Kathrin.

Ich möchte ein Spiel spielen. Wie viele Familien hast du durch deine egoistischen Taten und durch dein Verlangen nach Geld zerstört? Wie viele Neugeborene Säuglinge hast du ihren Eltern entrissen und eben jenen kaltblütig erzählen lassen, sie seien durch plötzlichen Kindstod gestorben?

Heute Abend wird jenes ein Ende haben. Sie werden innerhalb zwei Stunden mehrere Test durchleben, in denen Sie die Falschheit Ihrer Taten am eigenen Leib, und an jenem Ihrer Freunde die Sie unterstützt haben, zu spüren bekommen. Verlieren Sie ein Spiel, so wird Ihrem sogenanntem 'Sohn' ein Teil seines Körpers ausgerissen. Schaffen Sie es nicht ihn innerhalb des Zeitlimits zu erreichen, so wird hochkonzentrierte Salzsäure über ihn geschüttet. Dann wird er Ihnen entrissen, so wie Sie ihn seinen leiblichen Eltern entrissen haben.

Nehmen Sie die Uhr neben diesem Fernseher. Die Zeit läuft.

Leben oder sterben, Sie müssen wählen.", mit einem Mal ist dieses merkwürdige Wesen verschwunden. Stattdessen ist jetzt ein hübscher junger Mann, anfang zwanzig, zu sehen, der rücklings auf eine Art Kreuz geschnallt wurde. Ergriffen von Angst versucht er sich von den eisernen Fesseln zu lösen.

"Tobi!!!", sie beginnt zu weinen. Trauernd sinkt sie auf ihre Knie, "Nein, nein, nein... Bitte nicht... das ist doch nur ein schlechter Traum...", verzweifelt schließt sie ihre Augen und petzt sich in ihren Arm. Danach schlägt sie sie wieder auf. Kathrin ist immernoch an diesem unheimlichem Ort...

'Woher weiß er davon? Nur meine engsten Vertrauten kennen es...'

Nach einer Weile steht sie wieder auf, rückt ihre Brille wieder gerade auf ihre Nase. Ein Fehler. Unglaublicher Schmerz überkommt sie. Ihr wird schwindelig. Wieder fällt sie auf den Boden. Erst nach und nach klärt sich ihre Sicht wieder. Reflexmäßig fasst sie an die schmerzende Stelle und begutachtet ihre Finger. Die Spitzen sind blutig, "Scheiße!!!"

'Dieser Psychopath meint es ernst'

Adrenalin macht sich in ihr breit. Von blindem Zorn ergriffen zieht sie sich an der Kante des Spintes hoch, packt die Armbanduhr und wirft einen Blick darauf. '1.15'

"Was?!?", sie hat eine dreiviertel Stunde ihrer kostbaren Zeit für NICHTS geopfert?

So schnell sie kann verl?sst die Umkleideräume, rennt durch die Duschkabienen. Bis dahin war der Weg eindeutig. Doch jetzt führt eine Treppe nach oben und eine andere nach unten.

Unsicher schaut sie noch einmal zurück. An der Tür, durch die sie soeben gekommen ist, ist ein Rätsel aufgeschrieben. Es ist nicht direkt ein Rätsel, sondern eher... Eine Frage!?!

"Manchmal ist der leichte Weg nicht immer der richtige, aber he, was solls, solange ich reich werde?"

Sie schluckt. Nein...

Eine Erinnerung an längst vergangene Tage kommt in ihr hoch. Damals führte sie mit einem Mann, der seinen Sohn durch einen Junkie verloren hat, ein Gespräch... In diesem ist eben jene Frage gefallen. Der Mann, John hieß er, wenn sie sich recht erinnert, wusste anscheinend von der Art und Weise, woher sie ihre sogenannten 'Waisenkinder' bekommt. Sie hatte ihm auch ein Angebot gemacht... aber zornig hat er abgelehnt...

Unischer schaut sie auf den schmutzigen Boden... er ist ein wenig feucht... und etwas ist auf die Fließen geschrieben 'Doch was, wenn der leichte Weg in die falsche Richtung führt?'

Sie versteht sofort. So schnell wie möglich rennt sie die Treppen hinauf.

Oben angekommen führt der einzige Weg durch eine Tür, die einst zu einem Solarium gehörte.

Vorsichtig öffnet sie diese.

Gleisendes Licht strömt ihr entgegen. Schützend hält sie ihre Hand vors Gesicht. Erst nach und nach gewhnen sich ihre Augen daran. Sie blinzelt. Ihr stockt der Atem.

Vor ihr liegt Edward Masions, der 'Arzt ihres Vertrauens', der sie überhaupt erst auf die Idee brachte, neugeborene Säuglinge ihren Eltern wegzunehmen und sie dann teuer adoptieren zu lassen.

"Ed, Ed, gehts dir gut?", besorgt eilt sie zu ihm. Sein breiter, kleiner Körper ist an einen rießigen, langsam aufheizenden Strahler gefesselt.

Kathrin versucht seine eisernen Fesseln zu lösen... vergebens, "Fuck!"

Unsicher hebt er seinen -im Verhältnis kleinen, schweinsähnlichen- Kopf, "Kat, bist dus?", seine Augen sind vertrocknet.

"Ja, ja, ich bin hier. Ich versuch dir zu helfen."

"Wegen dir sind wir hier!!! Du SCHLAMPE!!! Wegen dir werden wir alle sterben!!!", brüllt er geladen.

Panisch schaut sie sich nach einem Schlüssel um. Nichts. Nur ein weiteres Tablet einer sehr teueren Marke. 'Push' ist mit einem Postezettel an den Rand geschrieben. Ihre Hände zittern. Sie tut wie befohlen.

Wieder erscheint die unheimliche Puppe, "Hallo Kathrin. Der Mann, der vor Ihnen liegt ist der Grund, weshalb Sie von Geld geblendet wurden. Er ist ein Arzt, der den werdenden Eltern sagte, ihr Kind würde die Geburt nicht überleben. Dadurch konnten Sie ihnen ihre Kinder wegnehmen, ohne dass sie es bemerkt haben...

Um ihn zu retten, müssen sie jetzt gut aufpassen. Fertig?", wie aufs Stichwort erscheint das Röntgenbild eines Schädels im Seitenprofil im Bild. An der Stelle, an der das linke Ohr ist, ist etwas metallisches, schlüsselähnliches zu erkennen. Aber dieses Bild verschwindet wieder nach einigen Sekunden. Die Puppe ist zurück, "Ich bin mir sicher, sie werden viele Ähnlichkeiten mit dem berühmten Maler Vincent Van Gogh haben.", es beginnt zu lachen, "Wenn Sie sich aber dagegen entscheiden, dann wird Ihr werter Kollege innerhalb von sechzig Sekunden einem Hähnchen ähneln, das zu lange auf dem Grill war.

Leben oder Sterben, Sie müssen wählen.", abermals flimmert die Oberfläche und die Videoaufziechnung von Tobias erscheint.

Wie aufs Stichwort beginnt die Digitaluhr neben dem Tablet in blauer Schrift von 0:60 im Sekundentakt rückwärts zu zählen.

0:59

0:58

0:57

0:56

0:55

"Du SCHLAMPE JETZT MACH SCHON!!!", schreit ihr bester Freund aus vollstem Leib. Doch sie hört ihn nicht. Alles um sie herum ist ausgeblendet. Das einzige, was sie wahrnimmt ist die aufsteigende Hitze, Angst ihren Sohn nie wieder zu sehen und Verzweiflung.

Langsam geht sie auf einen Spiegel zu, der neben dem Scheinwerfer angebracht worden ist. Kathrin begutachtet ihre Narbe. 'Dieser Psycho hat wirklich...!'

Zitternd greift sie nach dem daneben liegenden Skalpell, führt es hinter ihre Ohrmuschel. Das kalte Metall wirkt wohltuend an ihrer Schnittwunde, doch nicht für lange.

Stück für Stück erhöht sie den Druck.

Plötzlich wird ihr schwindelig. Sie fällt wieder auf die Knie. Keuchend. Weinend. Nach ihrem Gleichgewicht ringend.

"SCHNEID DIR JETZT DAS VERDAMMTE OHR AB!!! ICH VERRECKE HIER!!!", Edward ist hörbar verzweifelt. So laut er kann versucht er seine Mitverschwörerin anzutreiben, doch seine Stimme ist heißer. Nur noch ein Krächzen.

Noch einmal wirft Kathrin einen Blick auf die Uhr. Sie tickt unbarmherzig weiter.

0:33

0:32

Mit letzter Kraft rappelt sie sich auf. Ihr Adrenalinspiegel steigt.

Panisch greift sie nach dem Messer, beginnt das Ohr abzuschneiden.

Schmerzestränen treten in ihre Augen. Kathrin beginnt zu schreien.

'Der Schmerz...

Er soll aufhören...

Bitte, hilf mir jemand...

Es soll aufhören...

Bitte...

Bitte...

...

Nein...

Für Tobi...

Nur noch ein kleines Stück...

Ein wenig...

Weiter...

Weiter...

Weiter...

Ich habs gleich...

Nur noch ein St-'

>Platsch<

Die Ohrmuschel landet auf dem Boden. Gefolgt von einer Blutfontäne und einem kleinem metallischen Gegenstand. Hektisch stürzt sie sich auf den Schlüssel, doch er rutscht immer wieder aus ihren blutverschmierten Händen.

Kathrin schaut noch einmal auf die Uhr.

0:02

0:01

0:00

Das Spiel ist aus. Sie hat verloren. Schnell krabbelt sie auf ihren Knien zu Ed. Leblos liegt er da.

"Es tut mir so leid Eddie. Das wollte ich nicht... Vergib mir...", noch einmal mustert sie ihn. Er ist tot. Vertrocknet. Seine Rückenhaut klebt an dem Scheinwerfer. Sie beginnt zu weinen, "Es tut mir so leid.... So leid...."

Doch plötzlich fällt ihr was anderes ein. Jemand anderes. Tobi!!! Wankend richtet sie sich auf, stürzt zu dem Tablet. Dort liegt ihr Sohn. Schreiend. Ein guillotineähnliches Fallbeil hat sein rechtes Bein vom Torso getrennt. Es glüht noch ein wenig.

"Nein...nein...nein...", noch einmal sinkt sie auf den Boden, "Ich werde alles wieder gut machen... Bitte vergib mir... Ich werde dich da raus holen...", eher schlecht als recht steht sie wieder auf und verlässt den Raum der Tenning-Booth-Trap.

Hass. Zorn. Wut.

So könnte man Mark Hoffmans momentanen Gefühlszustand beschreiben. Hass, dass Mika ohne konkrete Antworten schon wieder einen Nachmittag, Abend und den Anfang dieser Nacht, verschollen blieb, obwohl er auf ihre Mailbox gesprochen hat, dass sie mit einigen Utensilien unverzüglich auftauchen soll. Zorn auf John, wegen dem er überhaupt hier in diesem Schlamassel sitzt, nur weil er 'Vorkehrungen' getroffen hat, falls Jill stirbt. Und Wut auf sich selbst, weil er auf ein kleines, neunzehnjähriges, rachsüchtiges Mädchen angewiesen ist. Mika ist zwar nett und zuverlässig -auf ihre Weise- aber irgendwas stimmt mit ihr nicht... Sie wirkt zu... er kann es nicht sagen... unnatürlich, vielleicht...?

Seufzend sitzt er über den Bauplänen von Gordons Falle. Sie wird diabolisch. Ohne Hoffnung auf Entrinnen. Der Arzt wird sterben. Gewiss. Doch davor wird er leiden. Schmerz wird gar kein Ausdruck sein... Ein schadenfrohes Grinsen huscht über seine Lippen. Kurz geht er nochmal den Ablauf der Falle durch.

Danach steht er auf, nimmt seine Krücken und schleppt sich in die, sich im Erdgeschoss befindende, Küche, um sich noch einen Kaffee aufzubrühen. Die Treppe brauchte ihre Zeit. Doch als er einmal unten angekommen ist, und die Herdplatte eingeschaltet hat, damit sie das im Topf befindliche Wasser auf die richtige Temperatur bringt -Mika hat nur löslichen Kaffee im Angebot-, überwiegt seine natürliche Neugierde die Leichen im Keller einer Person zu finden. Während das Wasser vor sich hin kocht geht er durch den Flur zu der ständig verschlossenen Tür. Offensichtlich ist das Mikas Zimmer. In rostbraunen Lettern hat jemand mit seinen Fingern ihren Namen drangeschrieben. Diese Tür könnte glatt einem Horrorfilm entsprungen sein. Die Farbe war wohl zu dünnflüssig und verlief -wie Blut- die ganze Holzplatte hinab. Auch sind die Buchstaben nicht regelmäßig oder auf gleicher geschrieben, sondern schräg nach unten verlaufend und immer kleiner werdend. Hinter dem 'A' ist eine Hand mit jener Farbe gegen die Platte gedrückt und dann nach unten gezogen worden.

Irritiert schüttelt er den Kopf. So hätte er sie gar nicht eingeschätzt. So... makaber... das passt gar nicht zu ihr... Wie dem auch sei... er kramt aus seiner Hosentasche -sie gehört wohl Mikas Vater- einen Dietrich, knackt damit in Sekundenschnelle das Schloss. Mühelos schwingt die Tür auf. Noch einmal schaut er über die Schulter. Nichts. Weshalb sollte auch plötzlich zum Beispiel ihr Vater oder ihre Mutter hinter ihm stehen. Zwar scheint das Michaelas Elternhaus zu sein, aber ihre Eltern sind seit seinem -mehr oder weniger- fünftägigen Aufenthalt nicht ein einziges Mal aufgetaucht. Es geht ja so weit, dass er in deren Bett schläft.

Interessiert tritt Mark ein. Auf den ersten Blick scheint dies ein gewöhnliches, jugendliches Zimmer zu sein. Aber nur auf den ersten. Links neben der Tür steht ein säuberlich gemachtes Bett und ein Nachttischlein, auf welchem zahlreiche Medikamentendöschen versammelt sind. Schmerzmittel, Blutverdünner, Herztabletten, Schlaftabletten und Kopwehtabletten.

Daneben, etwa zwei Meter davon entfernt, befindet sich ihr Wandschrank, der zur Hälfte von einem Schreibtisch voller Skizzen blockiert wird. Skizzen von unterschiedlichen Fallen, wie sich herausstellt. Doch diese hat er noch nie in seinem Leben gesehen. Die eine, beispielsweise, sieht so aus wie ein tödliches Band, das aktiviert wird, wenn einer der Beteiligten stirbt. Gegenüber ist ein Regal, auf das ein kleiner Fernsehapparat, Laptop -natürlich ausgeschaltet- und eine kleine Billypuppe gestellt wurde. Ein kleines Fenster, auf der freien Wandseite, erhellt das Zimmer. Die weiße Tapete blättert schon ein wenig ab. Ihr Raum ist klein.

Neugierig geht Hoffman zum Schrank. Er wusste doch, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Sie hat Probleme mit Medikamenten. Doch das erklärt aber immer noch nicht, warum sie ständig fehlt und auf nichts und niemanden reagiert... oder warum ihre Eltern noch nicht aufgekreuzt sind...

Vorsichtig öffnet er die Schranktür. Alles normal... scheinbar... Aber er wäre nicht zum Detective Lieutenant befördert worden, wenn er nach dem ersten Blick schon aufhören würde zu suchen. Hoffman schiebt die Kleider weg. Da fällt ihm eine kleine Kiste ins Auge. Mit gierigen Händen nimmt er sie an sich und öffnet sie. Zuerst kommen ihm zahlreiche Zeitungsausschnitte entgegen. Alle handeln von Jigsaw und seinen sogenannten Opfern. Doch darunter liegt ein Foto. Eine hübsche Frau mit lockigen, hüftlangen Haaren und grünen Augen sitzt auf einem Barhocker, mit einem Cocktail in der Hand, neben einem Mann Ende zwanzig, mit dunklem, etwas längerem Haar, vollen, lachenden Lippen und strahlend blauen Augen. Diese Photographie kommt ihm bekannt vor... zu bekannt... Mit zitternden Händen dreht er es um. Auf der Rückseite ist etwas drauf geschrieben: 'Mark Hoffman und ich an Angelina Acombs Geburtstagsfeier.'

Geschockt setzt er sich auf Mikas Bett. Jener Abend kommt ihm wieder in den Sinn. Die zu laute Musik... Angelinas Geschenke... die Drinks... es war eine wundervolle Nacht vor etwa achtzehn Jahren. Das einzige, was ihm entfallen ist, ist der Name dieser hübschen Frau...

Damals saß er -als einziger Mann, abgesehen von Seth Baxter- auf einem Hocker an der Bar und genehmigte sich seinen zweiten Whisky. Nachdem Angelina ihre Gäste empfangen hatte kam sie zu ihm, mit eben jener Frau im Schlepptau.

'Mark', hatte sie gesagt, 'das ist die Freundin, die ich dir unbedingt vorstellen wollte. Sie ist Gerichtsmedizinerin. Ich glaube ihr würdet euch gut verstehen.', mit einem Lächeln war seine einzige Familie, seine heißgeliebte Schwester, dann wieder verschwunden. Mal wieder hatte sie versucht ihn mit jemanden zu verkuppeln. Doch dieses Mal schien es zu funktionieren. Die zwei verstanden sich prächtig.

'Also, du bist beim MPD?', hatte sie begonnen, nachdem sie sich ein Bier bestellt hatte.

'Ja. Seit fast zwei Jahren. Warum?', gab er gut gelaunt -auch ein wenig angeheitert- zurück.

'Weil ich dort auch arbeite. Angi hat doch meinen Beruf genannt.'

'Du wärst mir aufgefallen. Ich habe noch nie eine Gerichtsmedizinern in unserem Leichenschauhaus gesehen.'

'Ich arbeite eher im Hintergrund. Die Cops hier sind sehr sexistisch, deshalb wurde mir geraten, ich solle eher im Hintergrund arbeiten. Bei den Leichen, die die Polizisten sich lieber nicht anschauen. Bei den extra schön verwesten, zugerichteten. Wie zum Beispiel die des Piece-Fall. Ich denke dieser Mörder isst seine Opfer, oder lässt sie von anderen Menschen verspeisen.', sie begann zu lachen, als ihr Blick auf sein verblüfftes Gesicht fiel. So eine Frau hatte er noch nie gesehen. Eine Frau, die sich nicht scheute die Hände schmutzig zu machen. Eine so hübsche Frau, die sogar etwas von Kriminalistik verstand.

'D...du obduzierst die Leichen des Piece-Falls?'

'Klar.'

'I...ich bin einer der Ermittler des Falls.'

'Ich weiß. Angi hat mir viel von dir erzählt. Sie ist immer tüchtig dabei ihren Bruder bei uns schmackhaft zu machen. Sie liebt dich wirklich sehr... und macht sich Sorgen, wenn sie Seth heiratet, was aus dir wird. Warum denkst du, würde sie dir andauernd welche ihrer Freundinnen vorstellen?', sie trank darauf ein paar Schlucke.

So auch er. Ihm wurde plötzlich heiß. Deshalb lockerte er auch die Kravatte seines Anzugs. Er kam gleich nach seiner Schicht in diese Bar. Die Stammbar seiner Schwester -und später hinaus auch seine-.

So ging ihre gemeinsame Unterhaltung weiter. Sie sprachen über ihren Job, Kollegen, Politik, gemeinsame Interessen, Mörder, Familienwünsche -eigentlich wollte er schon immer eine haben- und, natürlich, Angelina. Der Abend war wundervoll. Sie verstanden sich auf Anhieb und... nach der Party gingen sie noch zu ihm nach Hause. Diese Nacht wird er nie in seinem Leben vergessen... voller Leidenschaft...

Doch danach hat er sie nie wieder gesehen. Sie wollte sich melden, aber noch heute würde er auf ihren Anruf warten, wenn er noch an ihr 'interessiert' wäre... Nach zwei Wochen wollte er sie in der Gerichtsmedizin besuchen, aber sie hatte plötzlich gekündigt... Seit dem hatte er keine Frau wie sie mehr gesehen... Doch hatte er drei Monate danach -einenandhalb Monate nach Angelias Hochzeit- andere Sorgen. Sie wurde getötet. Von Seth, seinen Schwager. Rache hat ihn verändert.

Diese hübsche Frau würde ihn heute nicht mehr kennen. Dieser nette Mann von damals existiert schon lange nicht mehr. Er starb mit seiner Schwester.

Etwas niedergeschlagen steht er auf, legt das Kästchen wieder an seinen Platz, und verlässt Mikas Zimmer. Sein Kaffe wartet und -vor allem- Gordons Falle...

Verängstigt und unter großen Schmerzen geht Kathrin weiter. Noch immer kann sie nicht voll und ganz realisieren, was hier vor sich geht. Ed ist gestorben, Tobi hat ein Bein weniger und wird es vielleicht Edward gleichtun. Alles nur wegen ihr. Am liebsten würde sich Kathrin auf den Boden setzen, die Augen verschließen, Ohren zuhalten und auf nichts und niemanden reagieren... aber... das steht außer Frage. Sie muss ihren Sohn retten. Der einzige Mensch, für den sie alles hinwerfen würde... Deshalb muss sie weiter...

Ein wenig desorientiert schaut sie sich um. Sie ist in einem langen, kargen Korridor. Ein stechender Geruch steigt ihr in die Nase... es riecht wie... Chlorwasserstoff...? Verwirrt folgt sie dem Geruch. Er wird stärker, umso näher sie zum Ende des Ganges kommt. Eine große Brandschutztür kündigt das nächste Spiel an.

'Sind Sie bereit der Wahrheit weiterhin ins Auge zu sehen?'

Kurz zögert sie, sucht in ihrem Kopf nach einer anderen Möglichkeit, aber da ist keine. Sie MUSS hier durch, wenn sie Tobi retten will...

Noch einmal schaut die Testperson auf ihre Armbanduhr. Noch etwa eine Stunde...

Sie nimmt einen letzten Atemzug, bevor sie -wenn auch zögerlich- die Tür aufstößt.

Ihr verschlägt es der Atem. Eine Welle von diesem Geruch schwappt über sie. Der ganze, riesige Raum riecht danach. Zitternd schaut sie sich um. Vor ihr erstreckt sich ein Sportbecken, gefüllt mit Wasser. Zu ihrer Rechten ist der Ausgang, allerdings ist dieser verschlossen. Und zu ihrer Linken... ein Sprungbrett?!? Verblüfft schaut sie nach oben. Es ist gut und gerne zehn Meter hoch, rostig und... jemand steht darauf!

"Hallo?", ruft sie verzweifelt.

"Kat?", erwidert eine ihr allzu bekannte männliche Stimme. Es ist Andrew Horting, ihr bester Freund, den sie seit ihrer Kindergartenzeit kennt. Keine Sekunde später beugt sich sein Oberkörper über die Brüstung. Sein schulterlanges, schwarzes Haar ist fettig, sein Anzug zerrissen. Panisch schauen seine dunkelbraunen Augen sie an.

"Ich bin hier, ich werde dir helfen runter zu kommen...", ihr Blick fällt auf die Leiter, "Warum kletterst du nicht da runter?"

"Oh, auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen!", zetert er aggressiv, "Aber leider ist da eine metallene Wand im Weg."

"Oder ins Wasser springen...?"

"Wenn das nur Wasser wäre, du Leuchte!!! Das ist HCl, Salzsäure!!! Die würde mich umbringen!!! Warum sind wir überhaupt hie-?", sein Blick fällt auf ihr linkes Ohr. Er versteht sofort, "Wegen DIR und deiner blöden Idee werden wir alle sterben! Mach was, finde einen Weg mich hier runter zu holen. Lebend bitte!!!"

Hektisch schaut sie sich um. Seine Wut ist verständlich. Eddie hatte damals die Idee, aber sie hat diese dann in einen realen Plan umgewandelt...

Da bemerkt sie einen roten Buzzer, direkt unter dem Turm, und daneben... wieder eines dieser Tablets!!!

"Mach schon!!!", tönt es von oben.

Nichts gutes ahnend drückt sie auf den Bildschirm. Da ist wieder diese Puppe, "Hallo Kathrin.

Über ihnen steht -wie Sie es wohl schon bemerkt haben- Ihr bester Freund, Andrew Horting, der Bestatter des Krankenhauses, aus dem Sie die Kinder bekommen. Er präpariert leere Kindersärge für die Beerdigungen, damit kein Verdacht aufkommt.

Doch nach einer Weile bekam er ein schlechtes Gewissen und wollte aufhören. Sie zwangen Ihn -geblendet von Ihrer Sucht nach Geld- weiter zu machen und drängten ihn somit Stück für Stück weiter zu seinem Abgrund.

Heute können Sie ihn genau davor retten:

In genau sechzig Sekunden wird eine metallene Wand ihn zur Kante des Sprungbretts und ihn dadurch in das Becken mit hochkonzentrierter Salzsäure drücken. Bevor er auch nur versuchen kann dort raus zu schwimmen wird er tot sein.

Der einzige Weg sein Leben zu bewahren besteht darin, den roten Buzzer dreißig Sekunden lang zu drücken. Natürlich wird das mit Schemrzen verbunden sein.

Leben oder sterben, Sie müssen wählen.", wie die Male zuvor verschwindet dieses gruselige Wesen und wieder erscheint Tobi. Seine Blutung hat aufgehört. Aber er leidet. "Tobi...", murmelt sie leise, streicht mit ihrem Finger über das Bild seines Kopfes. Deshalb bemerkt sie nicht, wie der blaue Timer über der Uhr wieder beginnt von 1:00 rückwärts zu zählen.

Langsam beginnt sich die Wand zu bewegen.

"Mach schon!!!", schreit Andy voller Angst.

Mit einem Mal wird sie aus ihren Gedanken gerissen. Begutachtet kurz den großen Knopf.

0:48

0:47

0:46

Mit geschlossenen Augen betätigt sie ihn.

0:01

0:02

Plötzlich fühlt es sich so an, als würde ein harter Gegenstand auf ihren Arm schlagen. Instinktiv reißt sie automatisch ihre rechte Hand weg.

Für zwei Sekunden hat die Wand aufgehört sich zu bewegen, doch jetzt macht sie weiter. Die rote Digitaluhr neben der blauen hat wieder aufgehört zu zählen.

"Es hat geklappt! Mach weiter!!!", ein kleiner Hoffnungsschimmer ist in der Stimme des Bestatters zu hören.

Ängstlich atmet Kathrin ein. Dann wieder aus.

'Für meine Freunde.'

Sie macht weiter. Die Platte hält wieder an.

'Dieser Schmerz...'

Er macht sich in ihrem ganzen Körper breit. Es fühlt sich so an, als würde sie von Arm bis Fuß verprügelt werden.

'Aua...

Nein...

Bitte...'

Mit tränenden Augen schaut sie zu den Uhren auf.

0:30, zeigt die blaue.

0:12, die rote.

'Der Schmerz...

Unmenschlich...

I...ich kann nicht m...ehr...

N...e...i...n...'

Sie lässt wieder davon ab. Ihr ganzer Körper schmerzt. Alles. Sogar ihre Nägel. Natürlich macht die Wand weiter. Doch dieses Mal rückt sie schneller zum Brettrand.

"Mach schon!", er lehnt sich wieder über das Geländer.

Jede Sekunde fühlt sich an, wie eine Stunde.

Kathrin schüttelt den Kopf. Dabei fällt ihr Blick auf ihre rechte Hand. Sie ist verbrannt. Als hätte sie auf eine heiße Herdplatte gefasst. So in etwa fühlen sich auch ihre Füße an. Taub, pochend und vor allem... schmerzend...

Sie will aufhören... doch das kann sie nicht... sie muss weiter machen... für Andy... für Toby...

Vorsichtig legt sie ihre Hand auf das warme Metall.

0:23, tickt die Uhr weiter.

Die andere ist bei 0:18 stehen geblieben.

Wieder drückt sie. Ihr Herz beginnt zu rasen. Der Schmerz ist unbeschreiblich...

'Das ist unmenschlich...

Bitte Gott...

Hilf mir...

Rette mich...

Rette Andy...

Bitte...

Lass diesen Schmerz aufhören...

Es tut so weh...

So weh...

so weh...

Unmenschlich...'

Sie kann nicht mehr. Ein letztes Mal nimmt sie ihre Hand vom Buzzer.

Sie schaut hoch auf die Uhren.

Blau: 0:02

Rot: 0:29

Doch in diesem Moment vergehen diese Sekunden so schnell. Sie konnte nicht noch einmal diesen Strom ertragen. Nicht noch einmal. Nein...

0:00

Sie dreht sich zu ihrem Freund um. Just in diesem Moment fällt ihr bester Freund vom Brett. Sein Schrei ist angsteinflößend. Sie wird ihn nie wieder vergessen können. In die Säure. Sofort färbt sie sich rot. Sein Körper windet sich noch ein paar Sekunden darin, während er sich auflöst, doch dann rührt er sich nicht mehr.

Kathrin wendet ihren Blick ab. Es tut ihr so leid... aber sie konnte nicht. Sie wendet sich wieder dem Tablet zu. Ein weiteres, glühendes Fallbeil trennt seinen linken Arm ab. Er schreit vor Schmerz, mit weit aufgerissenem Mund. Er ist der Ohnmacht nahe... So wie sie...

Sie wendet der Diving-Board-Trap den Rücken zu und verlässt die Sportbeckenhalle durch die Tür, die sich bei Ablauf des Timers entriegelt hat.

Wie in einem Kino haben sich die Schüler des Doktor Gordon -und er selbst- um die Fernsehapparate versammelt und beobachten gebannt die Spiele von Kathrin Scorpion. Zwei von fünf Spielen hat sie bereits verloren.

Der Arzt und Korey allerdings scheinen sich gar nicht auf die live Vorführung konzentrieren zu können. Lawrence schaut ungeduldig auf seine Armbanduhr am linken Handgelenk, während die Jugendliche jeden ihrer Kameraden mustert.

Nach einer Weile bemerkt er ihren Unmut, "Was ist denn los, Rey? Du scheinst so beunruhigt."

"Ist das ein Wunder?", ihre Antwort, "Eine Mörderin hat es auf meine beste Freundin und mich abgesehen. MIT Hoffman im Schlepptau. Ich habe Angst..."

"Brauchst du nicht. Ich werde das schon regeln."

"Angst um dich, Larry!"

"Mir wird nichts passieren.", beruhigend legt er seine Hand auf ihre Schulter, "Ehe Hoffman sich versieht wird er nicht mehr unter uns weihen. Und mach dir um Mika keine Sorgen. Allein wird sie dich in Ruhe lassen."

"Das ist es nicht... Ich habe Angst um dich... Larry... du willst Hoffman umbringen... das hätte John nicht gewollt...", traurig steht sie von ihrem Stuhl auf und verlässt den Überwachungsraum. Sie geht zu einer der Mannschaftsduschen, dreht das Wasser auf und steigt darunter. Manchmal braucht sie einfach eine Abkühlung. Dann ist so etwas genau das Richtige. Egal, ob sie Kleidung trägt. Hauptsache nass und kühl. So bekommt sie immer den Kopf frei. Um Mika macht sie sich keine Sorgen... naja, nicht direkt... denn sie respektierte John... eigentlich jeden... abgesehen von Amanda. Deshalb bekamen die zwei sich auch immer in die Haare.

Ein leichtes Lächeln huscht über ihre Lippen. Wenn John jetzt diese ganze Situation sehen würde... wenn er sie sehen könnte... Er wusste, was Hoffman mit Jill machen wird, falls er der Reverse-Bear-Trap entkommt. Deshalb hat er wohl Mika gesagt, dass sie ihn befreien soll... bloß mit welchen Mitteln? Wie konnte er sie überzeugen?

Nachdenklich dreht sie den Wasserhahn wieder zu. Sie ist klatschnass. Sie will gerade den Duschbereich wieder verlassen, als ihr plötzlich schwindelig wird. Ihre Umgebung verliert an Schärfe, bis sie sich in unendliches Schwarz auflöst...

Bewusstlos bricht sie zusammen...
 

Wieder im Überwachungsraum.

Mittlerweile haben die restlichen Mitarbeiter von Koreys Abwesenheit Notiz genommen. Besorgt lugen alle immer wieder zur Tür. Nichts. Vor zehn Minuten ist sie verschwunden und immer noch nicht zurück gekehrt...

"Soll ich sie suchen gehen?", fragt Daniel nach einer Weile, während er vom Klappstuhl aufsteht.

Doch in diesem Moment steht die Vermisste wieder in der Tür. Nass. Ein wenig durch den Wind. Als wäre sie nicht weggegangen, setzt sie sich wieder auf ihren Stuhl. Sie spürt die fragenden Blicke, doch reagiert sie darauf nicht. Stur beobachtet sie, wie Kathrin durch die Gänge irrt. Besser gesagt, es sieht so aus, als würde sie sie auf den Monitoren verfolgen. In Wirklichkeit ist sie verängstigt. Ihre Anfälle häufen sich. Das war jetzt der dritte in den letzten fünf Tagen. Sie weiß nicht, wie lange sie das noch so durchziehen kann. Vor allem hat sie sich ihre Arbeitshand -die linke- am vorigen Abend ein wenig geprellt. Vielleicht sogar verstaucht. Doch sie kann sich die Hand nicht schienen lassen. Dann dürfte sie -von Gordon aus- gar nicht mehr mitspielen...

Eine zuknallende Tür reißt sie wieder aus ihren Gedanken. Verwundert schaut sie sich um, wer fehlt. Es ist Lawrence.

Noch immer lassen die Mitschüler sie nicht aus ihren Augen. Etwas peinlich berührt räuspert sie sich. Wenn sich schon nicht dem Spiel folgen wollen, können sie ihr auch einige unklare Fragen beantworten.

Sie schaut sie an, einen nach dem anderen. Von Daniel angefangen, der neben ihr sitzt, über die Kumpel Brad und Ryan, bis zu Adam. Auf diesem kommt ihr Blick zu ruhen, "Sagt mal... warum macht ihr hier überhaupt mit? Was waren eure Motive?", schon lange beschäftigt sie dieses Thema, doch hatten sie nie die Zeit darüber zu sprechen.

Keine Antwort.

"Dan... warum? Dein Vater starb durch ein Spiel..."

Erst zögert er ein wenig, "Naja... John hat mir damals, als ich von meiner Mum ausgezogen bin -ich konnte es bei ihr nicht mehr aushalten- ein Angebot gemacht. Er meinte, er könne mir den Grund offenbaren, warum ich durch diese Hölle geschickt wurde... warum mein Dad verloren hat... Und... um ehrlich zu sein... Ich habe damals diesen Xavier ja umgebracht..."

"Ich weiß."

"Und... er hat das Leben der anderen nicht geschätzt... mir hat es irgendwie... gefallen kann man das nicht nennen... aber... es hat mir gefallen... Ich begann, vier Wochen vor Johns Tod, bei euch mitzumachen...", ein Strahlen ist in seinen Augen. Ein solches sieht man nur, wenn man wirklich das Leben schätzt.

Sie nickt verständnisvoll, schaut dann zu den zwei Neuzugängen.

"Dr. Gordon hatte uns die Wahrheit gezeigt.’Bruder vor Luder.'", antwortet Ryan. Brad nickt zustimmend.

Alle schauen fragend zu Adam.

Korey legt den Kopf zur Seite, wie es Hunde manchmal machen, "Du warst mir das größte Rätsel. Wie kamst du aus dem Badezimmer? Amanda meinte, sie habe dich umgebracht. Wie konntest du das überleben?"

Der Fotograph lächelt, "Sie hatte mir eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und wollte mich ersticken... fast hätte sie es geschafft... aber nur fast. Kurz bevor ich erstickt wäre hielt sie mich für tot und ließ von mir ab. Nur Augenblicke danach kam John und machte mir das Angebot, ich könne die Stalkerfotos schießen. Er bräuchte noch einen Mann dafür. Ich hatte die Wahl: Einwilligen oder sterben. Und ich habe mein Leben zu schätzen gelernt, also... ja... so kam ich dazu..."

"A...aber deine Leiche...?", fragt Daniel irritiert.

"Aufgefallen, dass Detective Tapps Leiche nie aufgetaucht ist?"

Zustimmendes Nicken.

"Er wurde durch einen Bauchschuss getötet. Diese Leiche im Badezimmer hat an der falschen Stelle ein Einschussloch. Larry hatte mich an der Schulter getroffen. Mal davon abzusehen, dass auch am falschen Bein die Fessel ist...", dann wandert sein Blick zu Korey. Genau wie die der anderen.

"Und du?", Brad hebt eine Augenbraue.

Beschämt schaut sie gen Boden, "I...ich musste meinen tyrannischen Vater töten. Er hatte mich schwer verletzt, weil ich während des Kampfes wieder einen Anfall bekommen habe. Ich lag dort auf dem Fabrikboden, stark blutend, an einer Vene verletzt. John hat mich gefunden und verarztet. Danach stellte er mir die Wahl: Weiter mein wertloses Leben leben, ohne Hoffnung, dass jemand meine Botschaft versteht oder... auf einen anderen Weg den Leuten den Wert des Lebens beizubringen..."

Schweigen.

"Damit sind auch unsere letzten 'Geheimnisse' gelüftet.", grinst Daniel.

Glühende Tränen und Selbstvorwürfe erschweren den Weg Kathrins. Ihr Sohn wird als Krüppel leben... Wegen ihr!!! WENN er überhaupt diese Nacht überleben wird. Genau dieser Gedanke kommt ihr jetzt auch in den Sinn. Doch nach einer Weile schüttelt sie verneinend den Kopf.

'Ich werd es packen! Ich werd Tobi da raus holen! Ich werd die anderen Spiele gewinnen!'

Doch sie glaubt nicht wirklich an ihre Gedanken. Weinend lehnt sie sich gegen die Wand und rutscht diese herunter.

'Woher wusste dieser Mann von meinen Waisen?'

Wie immer, wenn sie ratlos ist, steckt sie ihre Hände in die Rocktasche. Dort fühlt sie etwas hartes. Verwirrt zieht sie es raus. Es ist ein kleines Fotoalbum. Sie schlägt es auf - ihr stockt der Atem. Alle Kinder, die sie je vermittelt hat, deren Adoptiv- UND deren leibliche Eltern sind darin abgebildet. Auf der Rückseite wurde in roter Schrift 'Die Drogeneltern haben wohl nicht mehr gereicht.' geschrieben. Ein kleines Foto rutscht auf den Boden. Es zeigt eine überglückliche blonde Frau -die Kathrin nur allzu gut kennt- Jill Tuck, neben einem freudig dreinschauenden Mann mit weißblonden Haaren, der seinen linken Arm um sie gelegt hat. Im Hintergrund steht an eine Wand geschrieben 'Cherish your life'.

'Das ist Jills Ex-Mann!!!', kommt ihr in den Sinn, "Jener, der irgendwie von meinen Methoden wusste... John Kramer... Oh Gott’, erst jetzt realisiert sie, was hier wirklich passiert. Jigsaw!!! Er hat es einem Erben gesagt, dass dieser sie 'testen' soll. Weinend schließt sie die Augen. Damals, zu ihrer Anfangszeit, ging sie regelmäßig in diese Klinik. Sie war sogar eine gute Freundin von Jill. Das war immer der Vorwand ihres Besuches. Aber ihr eigentliches Ziel... von dem wusste Jill nichts. Kathrin hat immer nach Junkies Ausschau gehalten, die schwanger waren, oder die alles für ein wenig Droge tun würden. Wenn sie welche gefunden hatte, brachte sie sie mit Arglist und Intrigen dazu sich schwängern zu lassen, oder das ungeborene Kind zu 'verkaufen'. Dutzende Kinder hatte sie dadurch schon erlangt, aber John kam ihr auf die Schliche. Damals, als sie Jill im Krankenhaus besuchte und John dieses Angebot machte sprach er sie direkt darauf an, "Sie wissen, dass das Unrecht ist? Sie nehmen Eltern ihre Kinder weg um diese teuer zu verkaufen! Denken Sie auch an die leiblichen Eltern? Wie diese sich fühlen?"

"Klar. Die meisten wollen diese Kinder nicht einmal. Sie sind Unfälle, von denen sie sich sowieso trennen wollen. Warum soll ich dann nicht ein lukratives Geschäft daraus machen?"

"Doch kaufen diese Menschen ihre Kinder nur, weil sie in Not sind. Sie bieten ihnen an, in einer DROGENKLINIK , ihnen Heroin oder Koks zu geben, wenn Sie dieses Kind bekommen. Das ist menschenunwürdig..."

"Aber das ist der leichte Weg zum reich werden.", gab sie dann zurück.

"Doch der falsche.", John schien gelassen zu sein -äußerlich-, aber innerlich kochte er wohl vor Wut.

"Manchmal ist der leichte Weg nicht immer der richtige, aber he, was solls, solange ich reich werde?", der Satz, der an der Tür stand.

"Ich weiß, dass Sie auch andere Kinder, von normalen Paaren, verkaufen!"

"Beweisen Sie es, John. Ich hatte es nur gut gemeint, als ich Ihnen ein Kind anbot... aber fein, wenn sie ohne Nachwuchs sterben wollen... Mir solls recht sein... Ist ja nicht mein Problem..."

Wütend ging er dann wieder in das Krankenzimmer seiner Frau.

Betroffen schüttelt Kathrin jetzt, Jahre später, den Kopf. John wurde das Kind genommen, so wie ihres jetzt... Er hat dies -wohl schon von Anfang an- geplant. Sogar jetzt, nach seinem Tod... und dem seiner Frau. Sie kann ihn verstehen, warum er so reagiert hatte. Kaum hatte er Gideon verloren, kam sie mit dem Angebot Jill ein Kuckukskind unterzuschieben. So wie sie es bei sich selbst tat, nachdem ihr Mann und ihr Kind von einem wahnsinnigem Mann getötet wurden... Sein Gesicht wird sie nie wieder vergessen können: Dunkle Augen, dunkle, kurze Haare, einen diabolischen Gesichtsausdruck in seinem Gesicht, als er vor ihren Augen ihre Liebsten tötete. Diese Lücke, die dadurch entstanden war, war unerträglich. So müssen sich wohl auch die Eltern fühlen, die ihre neugeborenen Kinder für tot glauben...

Wenn sie hier raus kommt... dann wird sie alles regeln. Sie wird aufhören. Gewiss. Sie wird mit ehrlicher Arbeit anfangen... Und vor allem in eine Gruppentherapie gehen... vielleicht wird sie dort Hilfe finden...

Sie beginnt wieder zu weinen. Sie macht genau das Gegenteil von Jills Klinikmotto. Sie schätzt zwar ihr Leben, aber nicht das der anderen... Sie verachtet es, so gesehen... Aber... jetzt nicht mehr... Johns Idee war gar nicht so schlecht...

Doch jetzt muss sie weiter, Tobi retten... Alles wieder gut machen...

Stöhnend steht sie wieder auf. Ihr ist schwindelig. Durch den hohen Blutverlust... und die verbrannte Hand und den Fuß... Dennoch taumelt sie weiter. Einen gefliesten Korridor entlang. Er scheint immer länger zu werden. Doch egal, sie muss die weiterführende Tür erreichen...

Um Tobiases Willen.

Um ihrer Freunde Willen.

Und auch um ihre Willen.

Mit einem lautem Knall fällt die Tür wieder ins Schloss. Erschrocken schauen sich Daniel, Brad, Ryan, Adam und auch Korey um. Es ist Gordon, der -ein wenig geladen oder nervös- wieder zu seinem Platz humpelt.

"Larry, was ist los?", fragt letztere ein wenig eingeschüchtert. Seine Hände sind blutverschmiert.

Erst einmal keine Reaktion. Nach etwa einer halben Minute reagiert er, "Tobias' Gliedmaßen haben nicht aufgehört zu bluten. Die Fallbeile glühen nicht genug. Sie verbrennen nicht die Arterie, damit er kein Blut mehr verliert. Er wäre in der nächsten halben Stunde verblutet, wenn ich die Arterien nicht abgeklemmt hätte."

"Wie das?", sie ist sichtlich verwirrt.

"Wir haben nicht beachtet, dass zwischen der Verankerung an der Decke und dem 'Ziel' fünf Meter liegen. Sie kühlen in dieser Zeit wieder ab.", erklärt er.

"Oh... Dann klemm ich ab diesem Spiel die Adern ab."

"Du?", seine Frage. Der Ton klingt überrascht und gleichzeitig sarkastisch.

"Ja, ich. Larry, wenn Tobias noch bei Bewusstsein ist und dich -auch wenn du die Schweinsmaske trägst- sieht, UND die Spiele seiner Mutter überlebt, wird er der Polizei sagen, dass ein Mann mit Schweinsmaske und Krückstock ihn 'gerettet' hat.", gibt sie zurück, "Deine Behinderung ist sehr markant. Deshalb werde ich das übernehmen. Ich habe keine physischen Anzeichen von Leiden. Zumindest nicht in meiner Jigsaw-Kleidung. Mein schwarzer Wollstoffmantel verdeckt die Narben..."

"Aber nicht deine Synkopen. Was, wenn du plötzlich ohnmächtig wirst? Dies ist auch ein sehr markantes Zeichen deinerseits.", ein Ausdruck in seinen Augen zeigt, dass er etwas weiß, was Korey verbergen will.

"Wie meinst du das?", ihr Herz beginnt zu rasen. Ihr wird wieder schwindelig, doch sie lässt sich nichts anmerken. Angst macht sich in ihr breit. Angst, Gordon ahnt etwas von der Häufung ihrer sogenannten Anfälle.

"Du warst doch eben in den Mannschaftsduschen, oder?"

"Warum wäre ich dann so nass?"

"Dann erklär mir bitte mal, woher der blutige Boden herrührt."

"Was?", sie ist irritiert, "Welcher blutige Boden. Da war keiner."

"Da war sehr wohl einer. Kurz vor der Tür. Etwas ist auf ein paar Fliesen gefallen, sie sind zersprungen und um die Scherben herum ist eine riesige Blutlache. Doch als ich heute Morgen auch in den Duschen meine Hände und Prothese gesäubert hatte, war da nichts dergleichen. Der Boden war vollkommen intakt."

"Dann hatte vielleicht irgendwer einen Eimer mit Schweineblut oder so etwas fallen lassen.", Korey Umgebung wird wieder unscharf, verschwimmt in einem Strudel. Im Wechsel wird ihr heiß und kalt.

"Ja... bloß ist Schweineblut nicht so dünnflüssig.", Lawrence mustert sie mit seinen marineblauen Augen argwöhnisch. Er ahnt etwas.

"Wie meinst du das?"

"Ich habe noch kein Schwein erlebt, das so dünnflüssiges Blut hat. Und die einzige Person, die ich kenne, die Blutverdünner auf Anraten ihres Arztes nehmen muss, bist du. Vergiss nicht. ICH bin dein Arzt."

Beschämt wendet sie ihren Blick ab.

"Sie häufen sich, stimmts?"

Ein zögerliches nicken.

"Warum hast du nichts gesagt?"

"W... weil ich Angst hatte, dass ich nicht mehr bei euch mitmachen darf. Larry, diese Spiele sind die einzigen Methoden, wie ich der Welt zeigen kann, wie schön das Leben ist. Keiner nimmt meine Ansicht in der Schule ernst. Sie denken, ich leide noch unter meinem Spiel. Und... außer dem... ich bin besorgt um dich..."

"Wie meinst du das? Beziehst du das wieder auf Hoffman?"

"Ja... John wusste, dass du Hoffman ohne richtige 'Chance' im Badezimmer zurücklassen wirst, falls Jill stirbt. Deshalb hatte er Mika angewiesen, ihn zu retten. Wie denkst du, hätte er sonst entkommen können? Mit einem abgesägtem Fuß! Woher die Säge? Sie muss sie mitgebracht haben!"

"Warum bist du dir so sicher, dass John sie darum gebeten hat? Was wäre sein Argument gewesen?"

"Vielleicht sagte John, Hoffman wüsste etwas über ihre Eltern. Sie ist ein uneheliches Kind. Es könnte doch sein, dass er etwas über ihre Mutter weiß..."

"Sie würde auf so etwas nicht anspringen. Korey, wenn du nicht dabei warst, hatte ich mit ihr zusammengearbeitet. Sie schien nicht an ihrer Familie zu hängen. Im allgemeinen schien sie sogar gefasster als du. John hielt ziemlich große Stücke auf sie. Zwar war sie manchmal etwas... ungehalten, aber sie machte immer gewissenhaft ihre Arbeit. Egal, was geschah."

Zornig springt sie auf, "Mika ist ein kleines Miststück! Sie weiß, bei wem sie sich wie zu geben hat! Deshalb scheint sie so zu sein, wofür du sie hälst! Doch sie ist anders! Ich weiß es am besten! Sie observiert seit Tagen meine Wohnung, damit ich sie zu dir führe! Sie ist genauso wie Hoffman! Genau deshalb habe ich Angst. Du und er... ihr plant beide Spiele für den anderen! Wenn du nicht augenblicklich aufhörst ein unfaires Speil zu planen, werdet ihr BEIDE sterben!"

"Ich werde nicht sterben.", gibt Gordon gelassen zurück, "Ich weiß wo Hoffman ist. Er allerdings kennt meinen Aufenthaltsort nicht. Korey, ich sehe nur ein Problem darin, dass -wenn Kathrin diese Spiele gewinnt- sie die Polizei hierher führen wird. Dann stellen sie das ganze Schwimmbad auf den Kopf. Deshalb werden sie auch eine Blutspur von dir finden, wenn du nicht augenblicklich aufhörst. Die im Bad habe ich schon mit Säure entfernt, aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie etwas von dir finden."

"Ich werde so lange weiter machen, bis ich entweder sterbe, oder gefasst werde. Ich höre nicht auf. Und die Polizei wird mich nicht verdächtigen, weil ich ein 'armes, hilfloses, kleines, psychisch labiles Opfer' bin."

"Mika hat Kontakte bei der Polizei. Sie kann sie zu dir führen."

"Mit welchem Vorwand? Dann muss auch sie eingestehen bei John mitgemacht zu haben."

Stille. Der Arzt gibt keine Antwort.

"Bitte... Larry... ich flehe dich an... Hör auf... Wir werden einen anderen Weg finden... Dieser hier ist keine Lösung... Ihr beide werdet euch gegenseitig umbringen... So bist du doch gar nicht...", Tränen rinnen Korey Wangen hinunter. Sie ist wirklich besorgt um ihren 'Vaterersatz' oder 'Meister', "Du bist KEIN Mörder. Noch nicht einmal, wenn das Leben deiner Familie auf dem Spiel steht. Du konntest Adam nicht erschießen. Du schätzt doch das Leben eines jeden."

"Diese Situation ist anders.", gibt er geladen zurück. Sowohl er, als auch sie haben vergessen, dass die anderen Schüler auch noch im Raum sind. Keiner von jenen wagt es auch nur sich zu bewegen.

"Also ist deine Familie dir nicht so viel wert, wie dein eigenes Leben?!?", beginnt Korey zu schreien. Sie ist völlig außer sich, "Dann wundert michs auch nicht, warum Alison dich mit Diana verlassen hat!!! Wenn du MEHR auf DEINE EIGENE Haut Acht gibst, als auf die von deiner Frau und Kind!!! Du hast es nicht geschafft Adam umzubringen, was Johns Voraussetzung war, aber willst jetzt Hoffman töten?!?", kurz schließt sie ihre Augen. Ihr Kajalstift verschmiert durch die Zornestränen. Sie atmet tief ein. Dann wieder aus, "John hat sich in dir getäuscht..."

"Woher willst du wissen, wie sich sowas anfühlt? Wenn deine Liebsten in Gefahr sind, du sie einfach nicht retten kannst, aber als du wieder nach Hause kommst mit einem anderen Partner zusammen lebst? Der dich, nach alledem, was du für ihn gemacht hat, dann einfach verlässt? Diese Gefühle kennst du nicht. Du kennst nicht einmal das Wort Liebe. Du musstest deinen Vater umbringen und hast auch jetzt keinen Freund. John wusste, dass es so weit kommen wird. Er hätte wohl gewollt, dass du mir hilfst."

"Das ICH DIR helfe? Das ICH auch ein MÖRDER werde?", verneinend schüttelt sie den Kopf, "Tut mir Leid. Ich kann dir nicht helfen. John verachtete Mörder. Und John war mein einziger Meister.", ohne ein weiteres Wort verlässt sie den Raum, gefolgt von einer knallenden Tür.

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hat Kathrin die weiterführende Tür erreicht. Ihr läuft die Zeit davon... sie hat noch etwa fünfunddreißig Minuten Zeit, um ihren Sohn zu retten und nur dieser 'Psycho Jigsaw' weiß, wie viele Spiele sie noch bestehen muss. Naja... mehr oder minder bestehen... gewonnen hat sie eigentlich noch gar keines. Mit ihrer zitternden linken Hand drückt sie gegen das kalte Metall. Es beruhigt sie... irgendwie. Mit einem letzten, Hoffnungsschöpfenden Atemzug stößt sie sie auf. Zu ihrer linken erstreckt sich ein schwarzes Loch, das in einer Röhre anscheinend nach oben führt. Es ist wohl eine Rutsche.

Auf der rechten Seite ist ein dampfender Heizkörper.

In der Mitte führt eine Treppe nach oben. Davor steht wieder ein Tisch mit Tablet. Doch dieses Mal geht sie nicht sofort darauf zu. Erst will sie wissen, um wen es sich dieses Mal handelt, "Hallo?!?", ihre Stimme bebt genau so, wie der Rest ihres Körpers. Keine Antwort.

Vorerst.

"Ja? Kat? Bist dus?", gibt eine weinerliche, weibliche zurück. Sofort ordnet Kathrin diese zu Susan Morrigs zu.

"Ja, ich bins!!!"

"Gott sei Dank, dass du hier bist! Hol mich bitte hier raus!"

"Weißt du, wie du hier her gebracht wurdest?", ihr schwant böses. Wenn sich ihre Pechsträhne fortsetzt, dann werden dies die letzten netten Worte sein, die sie miteinander wechseln.

"Nein. Und du?"

"Auch nicht... Bist du dir im Klaren, wo wir hier sind?"

"In einem dunklem, nassem Loch, das bergab geht. Wie in einer Rutsche in einem Wasserpark oder Schwimmbad."

"Das ist eine Jigsaw Falle, Sue..."

"WAS?!?", ihr erschrockenes Echo hallt in der Röhre einige Male wider.

"Hast du wirklich keine Ahnung, wie du hier her gekommen bist???... Oder was das letzte war, was du gesehen hast?", vielleicht kann Kathrin, wenn sie hier raus kommt -FALLS sie hier raus kommt- ja den Täter identifizieren.

"Bevor ich ohnmächtig wurde kann ich mich daran erinnern, dass ich Corbett ins Bett gebracht habe und dann in mein Zimmer gegangen bin..."

Kat lächelt traurig. Sie kennt die kleine Corbett. Ihre Mutter und ihr Vater starben durch John Kramer. Sue ist die Halbschwester von Lynn Denlon. Damals wollte sie sie davon abbringen weiterhin Babys zu entführen, aber sie -Kathrin- wollte sich nicht davon abbringen lassen. Sue wusste, dass sie -früher oder später- getestet werden würde, doch nach ein paar Monaten hatte sie einfach aufgehört mit diesem Gedanken zu spielen.

"Das war alles?"

"Ja... NEIN!!! Ich bin an meinen Laptop gegangen und habe plötzlich so ein Poltern gehört. Neugierig bin ich dann in mein Bad gegangen, aber da war nichts. Verwirrt ging ich wieder zurück, da haben mich zwei Hände von hinten gepackt und eine Person mit Schweinsmaske rammte mir eine Spritze mit irgendeinem Narkotikum in den Hals. Von Panik ergriffen stieß ich die Person hinter mir weg, sie fiel auf den Boden. Doch ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten und bin auf mein Bett gefallen. Das letzte, woran ich mich noch erinnern kann, ist wie dieses Wesen mit der Spritze panisch zu dem anderen rennt und es versucht wach zu schütteln und ihre beiden Masken abzog. Er war blond, sie brünett. Aber mehr kann ich nicht sagen, weil danach alles schwarz wurde... Kat, Hilf mir hier raus!!! Ich kann Corb nicht alleine lassen! Nach alldem, was mit ihren Eltern passiert ist... Bitte! HILF MIR!!!!", hörbar kommt auch die Verzweiflung in Susan hoch. Auch sie w¨¹rde ein Kind zur¨¹ck lassen. Genau wie Kat, falls sie die Spiele nicht überleben würde... Bloß der Unterschied besteht darin, dass Corbett einige Jahre jünger als Tobias ist und schon ihre Eltern auf diese Weise verloren hat.

"Ich werde dich da raus holen, Sue. Ich verspreche es.", wieder beginnt die Blondine zu weinen. Nicht aus Trauer, sondern eher aus Angst, sie könne ihre beste Freundin nicht befreien, Verzweiflung.

"Bitte... Ich flehe dich an...", sie hatte das Schluchzen wohl nicht bemerkt.

Mit einem zögerlichen Nicken geht Kat auf den Tisch zu, dr¨¹ckt -wie in den Spielen davor- auf den Bildschirm. Doch er bleibt schwarz. "Was zum-?!?"

Doch als Antwort kommt die Puppe durch eine kleine Rutsche, die am Treppengeländer befestigt ist und die Brillenträgerin soeben erst bemerkt hat, runtergerutscht. Auf dem Absatz von der ersten Stufe bleibt dieses Wesen sitzen. Es musste wohl eine Ewigkeit gedauert haben, bis sie in dieser Haltung an der gew¨¹nschten Stelle blieb. Mit einem schadenfrohen Grinsen schaut sie zu ihr hinauf, "Hallo Kathrin,

Ihre beste Freundin Susan Morrigs sitzt im dritten Stockwerk in einer Rutsche des Todes. Sie versuchte Sie nach dem Tod ihrer Halbschwester davon abzubringen ihre illegalen Taten fortzuführen, da sie befürchtete sie würde auch ein Testobjekt werden. Doch Sie hörten nicht auf sie. Dadurch führten Sie sie immer weiter hinunter in ihren inneren Zwist zwischen Recht und Unrecht. Vor Lynns Tod machte es ihr nichts aus, die Neugeborenen aus der Klinik zu entführen, wenn nur genügend Geld für sie raus sprang, aber seit Corbett entwickelte so etwas wie Muttergefühle. Ganz zu Ihrem Ärger.

Heute liegt es an Ihnen sie aus diesem Dilemma heraus zu holen: Sie haben 60 Sekunden Zeit um den Schlüssel, der hinter dem Heizkörper befestigt worden ist, zu nehmen und ihn in den Kontrollschalter am Eingang der Rutsche zu stecken. Aber die Eroberung des Schlüssels hat auch ihren Preis...

Innerhalb dieses Limits wird Ihre Freundin immer weiter gen Ende der Rutsche gedrückt. Dort warten spitze Metallröhren darauf sie aufzuspießen.", als Verstärkung dieser Aussage fließt Blut die Rutsche der Puppe herab, "Leben oder sterben... Sie müssen wählen."

Mit einem Mal beginnt eine mechanische Stimme, die wohl auch aus der Puppe kommt, rückwärts zu zählen,

"60,

59,

58,

57..."

Hektisch stolpert Kathrin zu der Heizung, späht durch eine handbreite Lücke. Dort hängt er. Susans Rettung. Zielstrebig steckt sie ihren linken Arm hindurch. Zwischen den dampfenden Röhren und ihrer Gliedmaße sind nur wenige Millimeter Platz. Sie schließt die Hand.

'Soweit so gut...'

Und zieht daran. Doch sie kann ihn nicht von der Angelschnur lösen.

"Scheiße!!!"

Noch einmal zieht sie, berührt dabei mit ihrem Oberarm den heißen Gegenstand und verbrennt sich diesen an der Stelle. Immer noch nichts.

Aggression und Hass machen sich in ihr breit. Von Zorn gepackt drückt sie ihre rechte Hand gegen das Metall. Der Schmerz ist unbeschreiblich. Doch das ist ihr egal. Mit einem kräftigen Ruck zerrt sie an den rettenden Gegenstand. Er löst sich. Doch just in diesem Moment bohren sich unzählige Spritzen in ihren Arm. Reflexmäßig -und auch aus Schreck- lässt sie den Schlüssel fallen.

Schnell geht sie auf die Knie, tastet danach. Berührt immer wieder das Metall. Doch sie findet ihn nicht. Abermals späht sie durch den Spalt. Er ist an die Wand gerutscht. Ohne sich weiterhin zu verbrennen kann sie ihn nicht erreichen.

"41,

40,

39,

38..."

Zielstrebig steckt ihren Arm, soweit es ihr möglich ist, rein. Es fehlt aber immer noch ein kleines Stück. Vorbereitend auf den Schmerz, der jetzt kommen wird, kneift sie ihre Augen zusammen. Sie presst ihre linke Wange gegen das Metall. Brandblasen bilden sich. Doch sie macht weiter.

"30"

Genau in diesem Augenblick kann sie ihre Hand um den Schlüssel schließen und herausziehen. Erleichtert wankt Kathrin zur Treppe. Da lässt ein angsterfüllter Schrei sie inne halten. Es ist Susan.

"Sue, was ist passiert?!?"

"I...ich bin... ein wenig--iiiii" Synchron zu ihren Rufen ertönt ein mechanisches Donnern, "Die Rutsche runter gerutscht.... Kat, beeil di--iiiii!!!"

"25", verkündet die Puppe weiter.

Schon völlig außer Atem rennt Kat die Treppe hinauf. Gefolgt von Schreien im Sekundentakt, einem lautem Dröhnen und der Zeitansage der Puppe.

'So viele Stufen...'

Hoffnungsvoll schaut sie auf das Schild, das verkündet, wie viele Stockwerke sie noch erklimmen muss, '3.5'

"Fuck!!!", japst sie.

"20"

Doch sie bleibt nicht stehen. Alles zieht sich. Die Treppe ist so lang. Doch sie gibt nicht auf.

Sie rennt weiter. Sie ist völlig außer Atem. Ihr ist schlecht. Und dennoch. 'Für Susan.'

Sie hält kurz inne. Vor ihr steht er. Der Kontrollschalter. Von Siegessicherheit beflügelt rennt sie darauf zu.

"5"

Und will gerade den Schlüssel rein stecken, als sie stolpert und hinfällt. Das Stück Metall rutscht aus ihrer Hand, "Verdammt!!!"

Ihr Glück ist verschwunden. Panik hat wieder den Platz angenommen. Sie tastet nach der Rettung...

Und sie kann ihn noch erhaschen. Mit einer immensen Kraft rammt sie ihn in das Loch und dreht ihn um. Zeitgleich nennt die Puppe das Ende des Spiels, "0"

Stille.

Schwer atmend sinkt sie auf den Boden. Bleibt liegen. Sie kommt langsam wieder zur Ruhe. Nach einer Weile beginnt sie zu rufen, "Sue? Lebst du noch?!?"

Keine Antwort.

Kathrin beginnt zu weinen. Wieder hat sie es nicht geschafft jemanden, der ihr nahe steht, zu retten, "Nein. Nein. Bitte nicht..."

Sie ist verzweifelt. Alle werden sterben. Auch Tobi.

"Kat? Hast dus geschafft?", tönt es plötzlich von unten.

Ein tonnenschwerer Stein fällt ihr vom Herzen. Sie lebt.

"Nein. Wir leben beide noch!!!"

"Da ist ein Weg nach draußen! Eine Klappe!", auch Susan ist erleichtert. Man kann es deutlich hören, "Das war ganz schön knapp... Ich konnte diese Metallstreben schon sehen... Ich geh da raus. Komm gesund wieder...", mit ein paar kratzenden Geräuschen verlässt die erste Überlebende des heutigen Abends, diese Hölle.

Ein wenig neidisch hält Kathrin inne. Doch nach einigen Augenblicken steht sie aber, schweren Herzens, auf. Geht durch die Tür neben dem Rutscheneingang. Verlässt die Chute of Death.

Noch ein wenig rätselnd, was es mit diesem Foto auf sich hat und sinnend nach dem Namen jener Frau hat sich Mark Hoffman über den Plan von Dr. Lawrence Gordons Falle und deren Einzelteile gebeugt. In Gedanken nimmt er zwei Eisenplättchen in die Hand und schraubt diese zusammen. Die benötigten Teile hat er aus Mikas Zimmer mitgehen lassen, nachdem er ein zweites Mal eingetreten ist. Insgesamt waren es Schrauben, Muttern, diverse metallische Bauteile, ihr Laptop und -nach längerem Überlegen- das Foto. Wenn er sie das nächste Mal trifft, wird er sie damit konfrontieren. Dieses Mal wird sie sich nicht durch Lügen herauswinden können. UND sie wird ihm sagen, wer alles belastende Beweise gegen ihn besitzt, die John wohl vor seinem Tod, wie Süßigkeiten, verteilt hat. Sie gehört auf jeden Fall dazu. Dann vielleicht auch Korey, Gordon...

Genervt schüttelt er den Kopf. Er weiß absolut GAR NICHTS von Gordon, oder seinen Schülern. Weder, wie viele es sind, noch WER dazu gehört.

Um sich abzulenken klappt er ihren Computer auf, startet ihn. Das Logo des Metropolitan Police Departments erscheint. Gefolgt von einem Benutzerfenster. Er klickt darauf, in der Hoffnung, es ist nicht passwortgeschützt. Er hat Glück. Sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dass er sich Zutritt zu ihrem Zimmer verschaffen kann oder wird. So naiv hätte er sie gar nicht eingeschätzt...

Mit prüfenden Blicken sucht er auf dem Desktop nach einem interessanten Ordner. Theoretisch könnte dies der PC von seinem ehemaligem Arbeitsplatz sein können. So unpersönlich und neutral... Ein paar Schreibprogramme, Ordner mit Aufschriften wie 'Jigsaw Fall' oder 'Cops' und... -Ein Lächeln huscht über seine Lippen-... 'Eigene Dateien'. Er klickt darauf.

"Fuck!"

'Please enter the password.'

Er verrollt seine hellblauen Augen. Doch etwas anderes erregt in diesem Moment seine Aufmerksamkeit. Sie hatte ihren Computer nicht herunter gefahren, sondern nur in den Stand Bye Modus versetzt. Das heißt, dass die Datei, die sie geöffnet hatte -und vergaß zu schließen- er durch die Taskleiste einsehen kann.

'Wenn schon nicht ihre persönlichen Dateien, dann zumindest das was sie sich zuletzt angesehen hatte.'

Es ist eine Mail. Mark maximiert den Bildschirm. Doch, was diese Nachricht preis gibt, macht -für ihn- keinen Sinn.

"... Der Test hatte ergeben, dass jene Vergleichsprobe zu 99,9999% NICHT genetisch mit Ihnen verwandt ist.", liest er leise vor sich hin. Er nippt an seiner heißen Tasse Kaffee, "... Die andere Vergleic-", er hält inne. Ein metallisches Klicken hatte seine ungeteilte Aufmerksamkeit bekommen.

"Keine Bewegung. Hände hinter dem Kopf verschränken und aufstehen.", befiehlt eine männliche, bestimmende Stimme. Der Ton kommt dem eines Polizisten nahe.

Langsam dreht er sich mit dem Bürostuhl um. Vor ihm steht Christian Denbow, mit erhobener Waffe.

"Mein Fußgelenk ist gebrochen. Ich kann nicht ohne meine Hände aufstehen.", antwortet Hoffman gelassen, nachdem er den verwirrten Blick bemerkt hat.

"D... Detective-Lieutenant Hoffman? W...was machen Sie hier? Es hieß, Sie seien gestorben...", verwirrt lässt der dienstjüngere Gesetzeshüter die Waffe sinken.

"Zeugenschutzprogramm. Wie sie vielleicht wissen ist Mika ein Opfer Jigsaws gewesen. Sie befürchtet, sie könnte noch einmal 'getestet' werden."

"Warum steht dies in keinem Bericht?"

"Haben Sie schon einmal von Undercover gehört? Sie befürchtet ein Cop könnte Jigsaw sein."

"P... plausibel.", unsicher schaut sich Chris um, "Aber warum ist sie nicht da, aber ihr Zimmer unverschlossen?"

"Sie brauchte noch eine Salbe für ihre Narben. Aber sie wollte nicht, dass ich mit komme. 'Privat'."

"Klar...", der Blick des rothaarigen bleibt am Schreibtisch hängen. Die verstreuten Metallteile, die Skizze, Mikas Laptop... das alles kommt ihm irgendwie unstimmig vor... Entschlossen hebt er wieder die Waffe, "Eine nette Geschichte. Bloß... benutzt Mika keine Salben für ihre Narben. Außerdem ist das IHR PC. Niemand darf ihn benutzen und noch etwas", er geht einen Schritt auf Hoffman zu. Chris bebt vor Angst, 'Vielleicht wurde sie von ihm-', mit einem Nicken weist er auf die Zeichnungen, "diese Zeichnungen würde ich mir gerne näher ansehen, Jigsaw."

Hoffman grinst ein wenig, 'Diesem Jungspund hätte ich solche Schlüsse nicht zugetraut. Leider ist er schlauer, als es gut für ihn ist. Er muss sterben.'

"Mark Hoffman, hiermit verhafte ich Sie wegen Nötigung zum Mord, Mord, versuchtem Mord, Besitz und Benutzung von Betäubungsmitteln und Entführung. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was Sie sagen kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.", autoritär zerrt Christian den Mörder am Kragen seines Hemdes auf die Beine, mit der Waffe im Anschlag.

Der Ex-Detective gibt ein Stöhnen von sich. Die Belastung seines Fußgelenkes fühlt sich so an, als würden tausend glühende Kohlen in diese Stelle strömen. Scheinbar dem Schmerz nicht mehr stand haltend sinkt er auf den Boden.

"Mach keinen Scheiß, Hoffman. Sonst bin ich gezwungen dich zu erschießen.", wütend versucht der Mittdreißiger ihn wieder auf die Beine zu bringen. Deshalb gibt er sich eine kleine Blöße in seiner Deckung. Diese nutzt Hoffman sofort aus. Mit Wucht schlägt er ihm die Waffe aus der Hand und rammt die Schere, die unter dem Schreibtisch gelegen hatte, in dessen Schienbein. Mit einem Schmerzensschrei stützt sich Chris erst auf dem Tisch ab, wirft die Tasse um, und fällt auf den Boden. Direkt neben seinen Gegner, der gerade im Begriff ist, zur Pistole zu robben. Doch so leicht gibt Chris nicht auf. Mit der Krücke, die neben ihm liegt, schlägt er auf Marks gebrochenes Fußgelenk.

Wieder stöhnt Hoffman. Doch sein Ziel ist nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Strebend streckt er seine rechte Hand danach aus. 'Ein kleines Stück. Ein winzig kleines...'

Aber plötzlich wirft sich etwas -oder jemand- auf ihn, schleudert ihn auf den Rücken. Auf Marks Brust sitzt Denbow, der seine Hände um seine Kehle schließt und zu drückt.

Hoffman bleibt die Luft weg. Wild -und mit aller Kraft- zappelt er. Versucht sich zu befreien. Vergebens. Langsam macht sich Dunkelheit in ihm breit. Die kalte Hand des Todes greift schon förmlich nach ihm. Kraftlos lässt er seine Hände nach hinten auf den Boden sinken, 'Das wars jetzt...', da bemerkt er etwas kaltes, metallisches. Mit dem letzten Bisschen Kraft, das er mobilisieren konnte, packt er die Pistole, richtet diese auf Christian Denbwos entsetztes Gesicht und drückt ab.

Sämtliches Leben aus Christian Denbows Augen wich in jenem Moment, in dem eine Kugel seiner eigenen Dienstwaffe sich durch sein Hirn bohrte und die Schädeldecke seines Hinterkopfes explodieren ließ. Leblos sackt er über Mark Hoffman -sein großes Vorbild und sein Mörder- zusammen. Blut und Hirnmasse tropfen auf jenen hinab, der die Leiche angewidert von sich weg stößt. Immer noch mit diesem verängstigten, starren Blick bleibt Chris auf dem Rücken liegen.

Verachtung lässt sich aus Hoffmans Körperhaltung schließen. Doch diese ändert sich in Schadenfreude. Schon lange konnte er keinen mehr umbringen. Er setzt sich wieder auf den Bürostuhl und schaut sich um. Dieser Raum hat vieles seiner Farblosigkeit verloren. Jetzt schillert er in den verschiedensten Rot- und Rosatönen. 'Sie wird überrascht sein.', denkt er zufrieden, 'Dann hat dieses Büro eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Zimmertür.'

Doch ein anderer Gedanke kommt ihm in dem Moment, in dem sein Blick auf die immer größer werdende Blut- und Hirnlache fällt. 'Der Nussparkettboden muss erneuert werden... Aber warum kam er überhaupt hier her? Wollten sie sich treffen? Das würde erklären, warum er wohl dachte, ich hätte sie umgebracht. Mika ist mir eine gewaltige Erklärung schuldig... Da fällt mir ein....', er dreht sich wieder zu dem Laptop.

'Fuck!'

Als Chris zu Boden gegangen ist hatte er seine Tasse Kaffee umgestoßen, deren Inhalt sich über den Laptop goss. Er ist unbrauchbar. Wasserschaden. Voller Aggressionen packt er das Gerät und schleudert dieses der Leiche über. Ein lautes >Knack< bietet ihm Genugtuung. Er hatte dem Toten entweder das Genick, oder den übrigen Schädel gebrochen.

Wieder die Ruhe selbst widmet er sich wieder seiner Falle. So gerne hätte er diese an Chris ausprobiert anstatt ihn gleich zu erschießen... Der Prototyp ist ja schon fertig. Es fehlen nur noch ein paar kleine Details und die Filmaufnahme von Billy. Bei letzterem ist er sich nicht einmal so sicher, ob er sie überhaupt machen will...

Gerade ist er dabei sich eine passende Nachricht für Gordon einfallen zu lassen, das klingelt ein Handy. Es ist nicht seins. Vorsichtig geht er auf die Knie und zieht das Mobiltelefon aus der Blazertasche des Toten. Es ist ein kleines, silbernes Klapphandy. Auf dem Frontdisplay steht 'Einkommender Anruf: Michaela'.

'Mika also.', denkt er, 'Bestimmt will sie wissen, was aus mir geworden ist...'

Ohne etwas zu sagen nimmt er ab.

"Chris, was machst du in meinem Haus?!?", tönt die Stimme der jungen Frau hysterisch und wütend zugleich aus dem Lautsprecher.

Hoffman antwortet nicht.

"Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht möchte, dass du einfach mal rein gehst!!! Ich bin immerhin nicht deine Tochter und MEIN Haus ist fremd für dich!!! Wenn du das noch EIN EINZIGES Mal machst, dann zeig ich dich an wegen Einbruch!!! Raus da!!!"

Für einen Moment ist Stille.

Doch aggressiver fährt sie fort, "BIST DU TAUB?!? MACH, DASS DU AUS MEINEM HAUS RAUS KOMMST!!!"

"Sonst was?", Mark konnte sich kein Kommentar mehr verkneifen. Er kann förmlich sehen, wie seine kleine Freundin eine Weile entsetzt auf ihr Mobiltelefon schaut.

Nach einer Weile hat sie ihre Stimme wieder gefunden, "Also ist Chris..."

"Er ruht sich auf dem Nussparkettboden deines Büros aus. Bloß befürchte ich, wird er nicht mehr so schnell aufwachen..."

Wieder sagt sie nichts. Aber er kann ein leises Schluchzen von der anderen Seite des Gespräches hören. Er weiß genau, dass Mika jetzt ihr schwarzes Schiebehandy einer asiatischen Firma von ihrer starken, linken Hand, in ihre schwächere, rechte nehmen und aufgebracht in ihrem Auto auf den Airbag oder die Hupe schlagen wird. Danach wird sie wohl ihren linken Zeigefinger nehmen und damit eine Strähne ihres dunkelbraunen Haares mit kreisförmigen Bewegungen um ihn wickeln wird. Oder sie nimmt ein Blatt Papier und beginnt wieder zu malen. Für eine Linkshänderin ist erstaunlich gut darin...

"Was hast du gemacht...?", ihre Stimme ist leise. Schon fast wie ein Hauchen.

"Das kannst du dir doch denken.", seine Antwort, "Das Selbe wird auch mit dir passieren, wenn du mir nicht unverzüglich erklärst, warum dein Freund hier aufgetaucht ist und warum du auf KEINEN meiner Anrufe geantwortet hast!"

Noch einmal ein Schluchzen. Dafür klingt aber ihre Stimme danach sehr standhaft, "Frag doch ihn! Ich habe den ganzen Tag Korey beschattet und, es tut mir so leid, er wäre aufgefallen, wenn jemand andauernd telefoniert! Hoffman ich habe besseres zu tun als deinen Babysitter zu spielen!!!"

"Sicher, dass du sie überhaupt beschattest?", sein Ton wird herausfordernd.

"WAS?!? Hoffman, bist du noch ganz bei Trost?!? Ich oberviere schon den GANZEN Tag dieses kleine Miststück. Ich habe weder etwas gegessen, noch habe ich die letzten paar Nächte kaum geschlafen!!! Und was Chris anging. Er ist ein guter Freund! Er hat sich einfach Sorgen um mich gemacht!!! Es tut mir sehr leid, dass du nicht weißt, was Freundschaft bedeutet oder was ein Freund IST!!! Du hast ihn einfach umgebracht!!! Ich wollte ihn noch aus dem Haus werfen, bavor er dich sieht! John hatte Recht!!! Du bist ein Mörder!!!"

"Und du bist meine Komplizin.", stellt er seelenruhig fest.

"Niemals!!! Ich wusste nicht, dass Chris kommt. Und ich habe dich versucht abzuhalten Dr. Gordon zu töten!"

"Du hast mir geholfen zu entkommen."

"WEIL ER DICH SONST UMGEBRACHT HÄTTE!!! Töten ist etwas Menschenunwürdiges!!! Etwas Abscheuliches!!! John ist der einzige, dem ich gehorche!!! Ich bringe niemanden um!!!", sie beginnt zu schreien.

"Und dennoch. Du weißt, wen ich töten will. Und du wirst mir gefälligst helfen."

"Sonst was?!?", Mikas Stimme wird herausfordernd.

"Sonst wirst du deinem Freund folgen."

"Das glaub ich kaum! Wenn du mich tötest, wirst du festgenommen. Chris war nicht der einzige Cop. Ich habe, wie gesagt, noch zwei ganze Abteilungen."

"Ich würde es darauf anlegen.", er macht es ihrem Ton gleich. Auf der einen Seite sind sich Hoffman und Mika sehr ähnlich. Aber auf der anderen gar nicht. Sie sind wie zwei gleichgepolte Magnete.

"Dann tu das. Du bist ein Mörder.", sie ist wieder ganz ruhig, "Mörder sind abscheulich. Ich werde Korey zwar weiterhin verfolgen, aber nicht wegen dir. Wir zwei haben auch noch eine Rechnung offen.", ohne ein weiteres Wort legt sie auf.

Noch einige Sekunden horcht Mark am Handy, obwohl er weiß, dass niemand an der anderen Leitung ist. Er kann nur immer wieder denken: 'Woher kenne ich sie...?'

Beflügelt von Glück, durch die Rettung Susans, geht Kathrin weiter. Sie hatte es geschafft jemanden zu retten! Diese Spiele sind gar nicht ungewinnbar!!!

Beschwingt stößt sie eine weiterführende Tür auf. Sofort steigt ihr der markante Chlorgeruch, der ihr schon seit ihrem Erwachen aufgefallen ist, in die Nase. Sie findet sich in einer großen Schwimmbeckenhalle wieder. Jenes erstreckt sich ein paar Meter vor ihr. Es hat die Form eines gleichschenkligen Dreiecks, dass an der Spitze -die zu ihr gewandt ist- seicht und dann immer tiefer wird.

Das schimmernde Wasser scheint einem Spiegel gleichzukommen, abgesehen von ein paar kleinen, auslaufenden Wellen, die ihren Ursprung irgendwo im tieferen Bereich des Beckens zu haben scheinen.

Mit zusammengekniffenen Augen versucht sie die Quelle auszumachen. Ein Kopf ragt aus dem Wasser. Die blonden, stacheligen Haare, das schmale Gesicht... sie erkennt ihn sofort, "Jayden?"

Das Haupt bewegt sich schwach, "Kat?", seine sonst so weiche, fürsorgliche Stimme ist erfüllt von Angst.

"Ja! Ich bins! Ich werde dir helfen hier raus zu kommen! Bleib ganz ruhig! Ich konnte auch Sue retten...!", Andrews und Edwards Spiele übergeht sie einfach. Sie will Jayden Johnson nicht noch mehr zu beunruhigen, als er ohnehin schon ist.

"Wir sind in einer Jigsaw-Falle!!!", fängt er an zu schreien.

"Wie kommst du denn darauf?", ihr Herz macht einen kleinen, kurzen Aussetzer. Er ahnt wohl, was auf ihn zukommen wird. Vor allem, weil er panische Angst vor Wasser oder dem Ertrinken hat. Seine Tochter starb vor sieben Jahren auf diese Weise. Dadurch ging seine Ehe in die Brüche und seine heile Welt zersprang in tausende von Stücken.

Sie trafen sich vor vier Jahren in einer Art Selbsthilfegruppe. Seit dem sind sie die besten Freunde.

Auch kam ihr -wie es der Zufall wollte- sein Job sehr gelegen. Er ist ein Beamter, der auf Papiere und Geburtsurkunden spezialisiert ist. So konnten die Neugeborenen eine neue Identität bekommen... Obwohl Kathrin sich nicht sicher ist, ob er nicht nur wegen ihr mitmacht... Immer wenn sie einen Vorschlag macht, gibt er ihr recht. Egal wie bescheuert ihre Idee ist. Er ist total in sie verliebt...

"Wie?!? Susan hatte doch oft genug den Teufel an die Wand gemalt!!! Wir haben nicht auf sie gehört!!! Das haben wir jetzt davon!!!", unheilvoll hallt das Echo seiner Stimme wider.

"Ich hol dich da raus! Ich versprechs!!!", Tränen treten wieder in ihre Augen. Er hat recht...

Durch den Wasserschleier hindurch sucht sie nach dem nächstem Tablet. Neben einem Kontrollpult, auf der rechten Seite des Beckens steht es. Zielstrebig geht sie darauf zu, drückt auf den Bildschirm. Die Puppe erscheint wieder im Bild, "Hallo Kathrin,

unter Ihnen steht ihr heimlicher Verehrer. Jayden Johnson, der nicht die Geburtsurkunden wegen des Geldes, sondern -wie Sie schon längst wissen- wegen IHNEN fälschte. Geblendet von Habsucht und Geld nutzten Sie ihn nur aus, ohne seine Liebe zu erwidern. Dadurch ertränkten Sie ihn immer weiter in Selbstzweifel und Selbstmitleid. Sowohl durch Ihre egoistische Art, als auch durch Gewissensbisse und dem Verlust seiner Familie zersprang seine 'heile Welt' zu einem Scherbenmeer. Man sollte nicht im Glashaus sitzen und mit Steinen werfen...", die Puppe lacht kurz, "Heute liegt es an Ihnen ihn wieder dort rauszuholen oder ihn ertrinken zu lassen: Sie haben sechzig Sekunden Zeit um in dem Meer aus Glassplittern die Fernbedienung zu finden, die den Mechanismus des Wellenbads abstellt. Schaffen Sie es nicht, so wird er durch die simulierten Meerwellen ertrinken.

Leben oder sterben... Sie müssen wählen.", der Bildschirm schaltet sich wieder ab. Unsicher schaut sich Kathrin nach einer Uhr oder dem sogenannten 'Scherbenmeer' um. Die Digitaluhr erscheint just in diesem auf dem Tablet, doch sie bleibt bei 01:00 stehen.

Stille.

Sie hört nur das angsterfüllte Pochen ihres eigenen Herzens...

Plötzlich erfüllt ein lautes Dröhnen die Luft. Der Boden beginnt zu vibrieren. Zwei Meter zu ihrer Rechten beginnt er sich zu bewegen. Eine vier Meter breite Platte, auf die die Fliesen geklebt wurden schiebt sich nach hinten. Das dabei entstehende Loch ist mindestens zwei Meter tief. Nervös schaut sie sich noch einmal in diesem Abschnitt um. Die weißen Wände, das Mädchen mit Schweinmaske, dass in einer Niesche steht, eine weiterführende Tür... Irritiert schaut sie noch einmal zur Niesche, in der sie glaubte eine weibliche, jugendliche Gestalt mit schwarzem Wollstoffmantel gesehen zu haben, aber natürlich ist dort niemand. Nur Schatten. Sie war wohl nur eine Einbildung...

Unsicher schaut sie noch einmal auf die Digitaluhr. Obwohl die Platte noch nicht zur Ruhe gekommen ist hatte diese schon begonnen rückwärts zu zählen:

00:58

00:57

00:56

Panisch dreht sie sich wieder dem Loch zu. Sie atmet tief ein. Dann wieder aus. Ein. Aus. Ein. Gerade will sie in die Scherben springen, da beginnt ihr Verehrer zu schreien. Der Schrei ist angsterfüllt, panisch... markerschütternd...

Sie hält inne, dreht sich zum Becken. Langsam beginnt sich der Wasserspiegel zu heben und zu senken.

"Mach schon!!! Hol mich hier raus!!!"

Zustimmend nickt sie. Sie schließt ihre Augen. Und macht einen Schritt nach vorne. Ihr Magen fühlt sich an, als würde er zu ihrem Herzem steigen, als sie keinen Boden unter ihrem rechten Fuß spürt und in die Grube fällt. Mit rasendem Herz fällt sie auf ihre Knie. Ihre Schienbeine sind jetzt schon aufgeschlitzt. Das Glas beginnt sich rot zu färben. Desorientiert schaut sie sich nach der Fernbedienung um. Nichts. Sie muss graben.

Wie Schaufeln gräbt sie ihre Hände in das Glas, reißt auch dort ihre Hand auf, und schiebt die Scherben weg. Immer noch nichts.

Sie macht weiter. Die Gluckernden Geräusche Jaydens erschweren ihr die Suche nur noch. Immer wieder muss sie daran denken, was passiert, falls sie es nicht schafft ihn zu retten. Dennoch beruhigt das Wellenrauschen ein wenig. Sie sucht weiter. Sie wird nicht aufgeben.

'Bitte.

Bitte.

Gott, hilf mir...

Ich muss ihn retten....

Bitte...

bitte...

Ich flehe dich an...'

"Kaaaattttt!!!! Mach schon.", jäh wird sein Hilferuf durch eine Welle gestoppt.

Noch schneller macht sie weiter. Sie hat ihr Zeitgefühl verloren. Sie muss es schaffen... Sie MUSS es einfach schaffen...

Sie muss...

Plötzlich umklammern ihre aufgeschlitzten Hände etwas hartes, kastenförmiges. Die Fernbedienung!!!

Sie reißt sie an sich und drückt den Knopf. Das Rauschen wird leiser. Stille. Gar nichts. Kein einziges Geraüsch... Sie beginnt zu schluchzen. Sie hat es nicht geschafft. Verzweifelt dreht sie sich um und klettert aus der Grube. Es ist anstrengend, aber nach einer kurzen Weile hat sie es geschafft. Erschöpft und erniedrigt bleibt sie auf dem Boden liegen. In Sekundenschnelle bildet sich eine Blutlache um ihre Beine und Arme. Auch aus ihrem Ohr tropft immernoch das Blut. "Nein, nein, nein. Bitte nicht." Sie wagt es nicht einmal sich den Leichnam anzusehen. Traurig schaut sie auf das Tablet. 'Wie erwartet. 00:01...'

Kurz blinzelt sie, 'Was?'

Sie hatte es geschafft? Rasch steht sie auf und schaut zu Jayden. Er erwidert seinen Blick und beginnt zu lachen. Sie auch. Doch nur kurz, "Jay, bald wird Hilfe kommen! Halte so lange noch durch... Ich muss weiter....", schweren Herzens verlässt sie ihn durch die Tür in der Näher der Grube. Während sie die 'Beach Waves' verließ, machte sich das Gefühl in ihr breit, Jayden Johnson nie wieder zu sehen...

Ein erleichtertes Seufzen ging durch die Reihen der Schüler, als Kathrin es schaffte ihren 'heimlichen Verehrer' -Jayden Johnson- zu retten. Sowohl er, als auch Susan hatten -mal ganz von Tobias abzusehen- laut jedem am meisten das Leben verdient. Sue wollte aufhören und Jayden tat all dies nur der Liebe wegen. Davon können Brad und Ryan ja auch ein Lied singen, wie blöd und dumm die rosarote Brille der Liebe macht. Vor allem, wenn diese nur einseitig ist...

Ein wenig unsicher schaut Daniel Matthews über seine linke Schulter. Er macht sich Sorgen um Korey. Als er und sie Susan betäubten bekam sie einen Schlag auf den Kopf und wurde wieder bewusstlos. Er ist strickt dagegen, dass sie weiterhin Auto fährt... Naja... So lange sie bei Gordon noch mitmachen darf, wird sie sowieso immer von der Schule abgeholt...

"Alles in Ordnung?"

Daniel zuckt kurz zusammen. Seit Koreys und Gordons Streit ist kein einziges Wort mehr gefallen. Sie hat recht. John hätte das nicht gewollt... und das wussten die 'alten Hasen'. Er blickt zu der fragenden Person: Adam Stanheight. Soweit Daniel weiß wurden Adam und Dr. Gordon vor ein paar Jahren gemeinsam in jenem Badezimmer eingeschlossen, in dem sie Hoffman zurück ließen... und... in dem er Xavier Chavez tötete um zu überleben...

"Dan, ist alles in Ordnung?", Adams Stimme ist ein wenig gedrückt. Auch wirkt sie wie ein Flüstern... Nein, sie IST ein Flüstern. Der Fotograph will anscheinend nicht, dass jeder ihm zuhört.

"J... ja.", die kurze Antwort des Matthews.

"Auf wessen Seite stehst du? Ich weiß, dass Korey und du befreundet seid... aber gibst du ihr recht? In allen Punkten? Machst du bei ihrem Plan mit?"

Für einen Herzschlag zögert Daniel. Doch dafür klingt seine Stimme nur noch ernster, "Ich werde helfen. Und du?"

Ein kaum merkbares Nicken von Adam. Danach schaut er auf seine Armbanduhr, "Sie hat nicht mehr viel Zeit... Wie denkst du, wird sich Kathrin im letzten Test entscheiden?"

"Ich weiß es nicht. Keine Ahnung."

"Wie hätte dein Vater gehande-", abrupt stoppt er, als ihm wieder bewusst wurde, WER Daniels Vater war.

Dieser senkt ein wenig seinen Blick, "Er hatte auch versucht mich zu retten. Aber ich weiß nicht, ob er so weit gegangen wäre... Naja... Zum Schluss starb er ja wegen mir..."

"Nein. Er starb -wenn überhaupt- FÜR dich. Nicht wegen dir. Er war ja zu blöd, sich nicht an die Regeln zu halten... Sein Pech...", mit einem freundschaftlichem Schulterklopfer muntert er den zweitjüngsten dieser Truppe auf.

Gerade beginnt Daniel zu grinsen, als plötzlich mit einem lautem Knall die Tür ins Schloss fällt.

Erschrocken sehen sich alle um. Abgesehen von Gordon.

Mitten im Raum steht Korey. Ihre Hände sind blutverschmiert, ihr Haar klebt an ihrem Kopf -durch ihre Dusche- und sie bebt förmlich vor Wut. Ein wenig Blut rinnt ihren rechten Mundwinkel hinab.

"Rey, was ist los?", fragt Daniel irritiert. So zornig hatte er sie selten erlebt. Gleichzeitig wirkt sie niedergeschlagen, denn jedes Mal, wenn sie mit einer traurigen Situation nicht klar kommt, beißt sie sich auf die Zunge oder auf die Wange. Das letzte Mal, als sie SO war, sah sie Johns Leiche.

"Was los ist?", ihre Stimme ist hysterisch und gleichzeitig gefasst. So klingt sie immer, wenn etwas ganz gewaltig nicht nach Plan verläuft, "Das ist los!", mit Zorn streift sie ihre Handschuhe ab und wirft sie auf den Boden.

Jetzt dreht auch Dr. Gordon sich zu ihr um. Seine marineblauen Augen mustern erst das Latexknäul, dann wandert sein Blick von ihren Füßen, bis hin zu ihrem Kopf.

"Ich hoffe Kathrin ist in den nächsten zwanzig Minuten bei ihrem Sohn. Larry, mit UNSEREN Mitteln können wir seine Adern nicht abklemmen! Er wird verbluten! Die Wunden sind wieder aufgebrochen. Ich habe versucht sie noch einmal zu verarzten... aber ich weiß nicht, wie lange diese Erste-Hilfe hält."

"Sie ist gleich bei ihm. Dann wird sich zeigen, ob deine Hilfe nützlich war.", gibt er mit einem leicht sarkastischem Ton im zweitem Satz zurück.

"Und dann? Wenn er überlebt? Dann müssen wir sofort Hilfe holen!"

"Susan hatte es geschafft und ist durch die Klappe geklettert. Eine Stunde nach der Dead Line wird sie befreit und sie findet ein Handy, mit dem sie Hilfe rufen kann."

"Bis dahin wird Tobias aber tot sein.", Zornestränen treten in Koreys Augen.

"Das werden wir dann sehen."

Sie sagt darauf nichts mehr. Immerhin ist er der 'nächste Erbe', nicht sie . Außer dem ist es sinnlos mit ihm zu diskutieren. Das war ja vorhin wegen Hoffman genau das Selbe. Traurig setzt sie sich auf den Stuhl zu Daniels Linken.

Schweigend -und stur- beobachtet sie die Monitore.

Ihr Blick fällt wieder auf Tobi.

Sie fühlt Mitleid für ihn. Ihr tut es leid, dass er diese Nacht vielleicht nicht überleben wird... wegen menschlichen Versagens... Solch eine Situation hätte es bei John nicht gegeben. NIE!!! Sehnsüchtig wünscht sie sich in diese Zeit zurück. Damals war alles so 'einfach'. Kein Mörder, der den Meister umbringen wollte. Kein Imitieren einer Person in seinen Tests, die man nicht ist. Und VOR ALLEM, KEINE Fehler...

"Was hast du bei den Beach Waves gemacht?", unterbricht Lawrence die Stille. Er hat sich seit seinem Test so verändert. Ein wenig kann Korey schon verstehen, warum seine Frau ihn verlassen hat... Es war damals Korey, die ihn betäubte und in das Badezimmer brachte. Nicht -wie er immer noch meint- Amanda. Sie war für Adam zuständig. John richtete das Bad und Mika vergiftete Zap. Und Hoffman warnte immer vor neuen Ermittlern, die unbequem werden könnten, wie zu dieser Zeit David Tapp. Jeder hatte seine Aufgabe. Da sich auch Amanda, Mika und sie nicht in die Quere kamen, war der damalige Abend, trotz gemeinsamen Arbeitens sehr friedlich verlaufen...

"Was?", völlig aus ihren Gedanken gerissen schaut sie ihn mit ihren strahlenden, blauen Augen an. Dunkle Haare und solch eine Augenfarbe ist sehr selten.

"Was du bei den Beach Waves gemacht hast. Ich habe dich gesehen."

"Ich habe die Grube geöffnet. Da du heute Abend unbedingt die Tests starten lassen wolltest, konnte ich kein Sender mehr installieren, mit dem die Grube von hier aus geöffnet werden konnte. Deshalb habe ich das Spiel vor Ort mit einer Fernbedienung, die leider nur fünf Meter Reichweite hat, beginnen lassen."

"Wenn sie dich erkannt hat?", sein Ton wird drohend.

"Hat sie nicht. Und wenn, dann komm ICH vielleicht ins Gefängnis, aber DU nicht. Ich werde schon niemanden verraten. Keine Angst. Es ist ja schließlich meine Sache. Nicht deine."

Der Arzt schüttelt verständnislos den Kopf, nachdem er -mit Hilfe seines Stocks- aufsteht.

"Wo gehst du hin?", sie ist verwirrt.

Doch er antwortet nicht. Er geht einfach weiter zur Tür.

"Larry!"

Auf der Klinke kommt seine Hand kurz zum ruhen, "Das kannst du dir wohl denken. Heute Abend wird nicht nur ein Spiel beendet sein...", mit diesen Worten verlässt er den Raum.

Kopfschüttelnd wendet sie sich jetzt an die anderen Mitschüler, "Was sagt ihr?"

Immer noch von dem Gefühl verfolgt Jay und Sue nie wieder zu sehen will sich Kathrin ihrem letztem Test stellen.

Sie steht vor der scheinbar letzten Tür, die zu einer Falle gehört, denn mit blutroter Farbe wurde 'Der finale Test' darauf geschrieben. Vielleicht war es dieses Mädchen -besser gesagt Frau-, die Kathrin sich eingebildet zu haben glaubte. Sie kann nicht sagen warum, aber sie ist sich hundertprozentig sicher, dass diese Schrift von einem weiblichen Wesen stammt.

Mit einer zitternden und blutenden linken Hand drückt sie die Klinke hinunter. Dieser Bereich war damals wohl nur für das Personal gedacht, denn von den ehemals sterilen, weißen Fliesen, beispielsweise fehlt jede Spur. Mal ganz von dem Schild abzusehen, das an der Wand zu ihrer Rechten hängt und den Weg durch die Tür, durch die sie gehen muss als 'Lagerhalle' ausschildert.

Noch ein letztzes Mal schaut sie auf ihre Uhr. 00:09.30 Uhr.

Sie schluckt. Sie atmet tief ein. Dann, mit dem letztem Fünkchen Mut, das sie noch mobilisieren kann, stößt sie die Tür auf.

Der Raum, der sie vor ihr erstreckt, wirkt furchteinflösend groß. Die Decke ist über vier Meter hoch. Die Fallbeile sind in etwa der Mitte befestigt. Genau darunter liegt Tobias. An dieses Kreuz gefesselt. Sein rechtes Bein und linker Arm wurden von den Fallbeilen abgetrennt. An den Stellen, an denen seine Gliedmaßen mit dem Körper verbunden waren, sind weiße Verbände gewickelt, durch die das schimmernde Rot seines Blutes und Fleisches sickert.

"Tobi???"

Sein Kopf bewegt sich schwach.

Erleichtert geht sie auf ihn zu. Doch nach wenigen Schritten kommt sie wieder zum stehen.

Ein Fernseher, der rechts neben dem Kreuz steht, schaltet sich ein: Ein von Krebs gezeichneter Mann, Anfang fünfzig, mit weißblonden Haaren und strahlend blauen Augen erscheint an Stelle der Puppe. Er trägt einen roten Pullover mit unter einem schwarzem Mantel mit -ebenso rotem- Futter. John Kramer sitzt im Rollstuhl, während er seine linke Hand von der Kamera zurück zieht. Kurz schweigt er.

Doch dann spricht er mit seiner beruhigenden Stimme, "Hallo Kathrin.

Am heutigen Abend sind Sie durch mehrere Tests gegangen und haben einige Menschen, mit denen Sie 'befreundet' waren ihrem Schicksal überlassen, andere haben Sie gerettet...

Vor Ihnen liegt Ihr Sohn. Der Grundstein für Ihr Geschäft. Sie sehen ihn als Trophäe oder sogar als Ersatz für Ihre kleine Tochter Jenny, die vor einundzwanzig Jahren den Tod fand.

Mit Tobiases Raub von seinen Eltern vor etwa zwanzig Jahren verloren Sie jegliches Gewissen.

Im Laufe der Jahre legten Sie sich immer mehr Mitverschworene zu, die in Tobias' Kindheit wie Pfeiler -oder in diesem Falle Nägel- für die Lügen waren. Sie erzählten ihm, beispielsweise, von seinem Vater, den Sie in Wahrheit NIEMALS kennengelernt haben, oder von seiner Geburt, die Sie natürlich auch nie miterlebten.

Sie verlockten unschuldige Menschen mit Geld und Macht Ihre Machenschaften zu unterstützen, ohne Rücksicht auf deren Gefühle und psychischen Zustände. Wie Susan Morrigs, die die Halbschwester von Lynn Denlon war, die in einem meiner Spiele den Tod fand. Sie achteten nicht auf sie oder ihre Warnungen..."

Wieder stoppt er kurz. Lässt diese Sätze erst einmal wirken.

"In diesem letztem Test können Sie beweisen, wie sehr Sie ihren Sohn lieben. Jetzt können Sie zeigen, dass er keine Trophäe, sondern Ihr eigen 'Fleisch und Blut' ist. Blut muss nicht unbedingt dicker als Wasser sein...

In Ihren letzten verbleibenden Minuten müssen Sie Ihrem sogenannten 'Sohn' das ultimative Opfer bringen.

Sein Leben hängt an Ihnen.

War er nichts weiter als ein persönlicher Lückenfüller? So müssen Sie sich noch einige Augenblicke gedulden und Sie können nach Ablauf der Dead Line nach Hause gehen. Allerdings ohne ihn. Er wird seine Letzte -und wichtigste- Gliedmaße verlieren: Den Kopf.

Ist er aber doch Ihr Sohn geworden, so können Sie sich von ihm berabschieden und das Messer auf dem Fernsehgerät benutzen. Sie wissen, was dann gemacht werden muss. Nur so kann er -durch Ihr Blut- gerettet werden.

Leben oder Sterben... Sie müssen wählen."

John beugt sich wieder nach vorne und schaltet die Kamera wieder ab.

Der Bildschirm ist schwarz.

Vorerst.

In blauen Ziffern wird ihre verbliebene Zeit angekündigt: 00:05.43

Geschockt tritt Kathrin zu dem Fernseher und nimmt das Messer in ihre linke Hand. Kurz mustert sie es. Beobachtet die Reflektion ihres Spiegelbildes in der Klinge. In ihrem Blick zeigt sich, dass ihre ganze, heile Welt zusammengebrochen ist. Genau wie die von Jayden damals.

Schon damals, nach Jennys Tod, wollte sie sich das Leben nehmen. Doch es war Edward, der sie durch das 'schenken' eines einjährigen Sohnes davon abhielt. Tobias gab ihrem Leben neuen Sinn. Doch dadurch wurde sie zu eben jenem Monster, dass anderen Personen einfach die Kinder entreißen lässt, wie damals Jenny ihr. Auch sie ist nicht besser als deren Mörder....

Traurig geht sie zu ihrem Adoptivsohn und streicht mit ihrer rechten Hand durch sein blondes, lockiges Haar. Seine himmelblauen Augen, mit grauen diamantförmigen Sprenkeln schauen zu ihr auf.

"Es tut mir so leid...", wieder weint sie, "So leid... Alles. Auch, dass ich dich deiner wahren Familie geraubt habe..."

"Ich wusste es schon längst...", gibt er zurück.

"Warum hast du mir nie etwas gesagt?", Kathrin ist erstaunt und verwirrt zugleich.

"Ich wollte diese Illusion einer 'perfekten Familie' nicht zerstören...", mit Mühe kann er sich ein Lächeln abringen.

Kathrin schaut noch einmal auf die Uhr.

00:03.59

Sie gibt ihrem Sohn einen letzten Kuss auf die Stirn. Mit einem "Ich hab dich Lieb." geht sie wieder hinter das Kopfteil der Kreuzes.

Entschlossen drückt sie das Messer -wie sie im Sanitätskurs von Ed damals gelernt hatte- mit der Ader die Innenseite ihres Unterarmes entlang. Sofort strömt das Blut aus der Wunde.

Um den Verlust zu beschleunigen macht sie Kniebeugen.

"Eins.

Zwei, ha.

Drei.

Vier, ha.

F...fünf.

S...echs...

S...i...eb...en.

A...c...h...t..."

Nach der achten wird ihr schwindelig. Sie fällt erst auf die Knie, dann auf den Bauch. Sie spürt, wie der warme, rote Lebenssaft ihren Körper verlässt. Die Tränen versiegen. Alle Angst ist verschwunden. Kälte überkommt sie. Sie will nur noch schlafen...

Ein letztes Mal schaut Kathrin auf die Uhr.

00:00.03

Dunkelheit umfängt sie ganz. Bereuen tut sie es nicht... Friedlich schläft sie ein...

Damit hätte er nie gerechnet! Dr. Lawrence Gordon hätte seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass sich Kathrin Scorpion GEGEN ihren Sohn entscheidet... und nicht FÜR ihn. Obwohl sie wusste, dass Tobias nie wieder laufen oder vernünftig arbeiten kann gab sie ihr Leben für seines. Korey war die einzige, die fest davon überzeugt war, dass diese Testreihe so enden wird. Obwohl sie ihren Adoptivvater töten musste glaubt sie immer noch an das gute in 'nicht-leiblichen' Eltern. Er schlug sie, brachte ihre Mutter um -alles ähnelt auch Mikas Vergangenheit- blos mit dem Unterschied, dass Mika begonnen hatte Familie zu hassen. Als uneheliches Kind kommt man in dieser Welt nicht weit...

Er seufzt und humpelt ein Stück den langen, kargen Korridor entlang, der zum Lieferantenausgang führt. Seine Schüler hatten unverzüglich nach Kathrins Tod damit begonnen 'aufzuräumen'. So nannten sie es immer, wenn sie ihr Monitorequipment abbauten und alle eventuellen oder potentiellen Spuren beseitigten.

Neben der ersten Tür zu seiner Rechten bleibt er stehen und öffnet sie. Daniel steht darin -mit Eimer und Wischmopp bewaffnet- und säubert das 'Badezimmer' in dem Korey vor etwa einer Stunde ihr Bewusstsein verloren hatte.

Kurz schaut der Matthews auf, um dann -durch ein Nicken- angewiesen zu werden, weiter zu putzen.

"Passen Sie auf sich auf, Doktor.", hallt es Gordon noch aus der Dusche hinterher, als dieser sich weiter auf den Weg machte alle kurz zu überprüfen und dann -endlich- seiner -und ihrer Aller Bedrohung- aus dem Weg zu räumen. Er fand damals den Plan dieser kleinen -aber effektiven- Falle, als John von ihnen gegangen war. Korey stand paralysiert und weinend neben ihrem sogenannten "wahren und einzigen Meister", während Lawrence einen Umschlag - mit seinem Namen darauf- in einer Schublade fand. Sie wusste damals, dass FBI Special Agent Peter Strahm nicht auf Johns Warnung reagieren würde und wollte -um den Ausgang von Jeffs Spiel wirklich realisieren zu können- John mit eigenen Augen sehen. Damals schon behauptete sie, dass hinter Amandas Schuss auf Lynn Denlon mehr steckte. Im Schockzustand sagte sie immer und immer wieder, dass Hoffman seine Finger mit im Spiel gehabt habe, aber keiner wollte ihr glauben. Nicht einmal ihr bester Freund Daniel. Zu unrecht, wie sich herausstellte. Korey besaß die Gabe -genau wie John- das Handeln der Menschen 'vorauszusehen'. Und Amanda hätte -laut ihr- niemals so etwas gemacht...

In Erinnerungen schwelgend passiert Lawrence auch den Zugang zur Diving-Board-Trap, von der Korey -durch eine ihrer Synkopen- fiel.

Brad ist gerade dabei die kleine SD-Karte, auf der die Aufzeichnung Billys gespeichert ist, an sich zu nehmen.

"Wie viele sind es noch?", fragt Gordon, während er kurz auf seine Armbanduhr am rechten Handgelenk schaut. Alison schenkte sie ihm zu ihrem fünften Hochzeitstag... "Wir haben noch dreißig Minuten..."

"Ryan holt, abgesehen vom Tape, alle restlichen Aufzeichnungen. Ich habe die hier-", er öffnet seine rechte Hand und zeigt Gordon die Karte, "-dann die von der Tenning-Booth und die 'Einleitung'."

"Sehr gut. Dann seid ihr gleich fertig?"

"Jo."

Mit einem weiteren verständnisvollen Nicken verlässt Lawrence Andrew Hortings Falle.

Auch Brad ruft ihm etwas hinterher, bloß kann er es nicht verstehen.

Er läuft weiter. Zu Tobias' Cross-Trap. Adam sollte Kathrin die Uhr wieder abnehmen...

Damals hatte er nicht schlecht gestaunt, als Adam kurz nach der Augenoperation Michaels vor ihm stand. Zuvor hatte er Adam versprochen Hilfe zu holen, aber bevor er dies machen konnte verkündete Amanda, dass er tot sei.

'Zu hoher Blutverlust.', hatte sie gesagt.

Ihr Gesicht war dafür umso göttlicher, als jener von den Toten auferstanden zu sein schien. Sie riss ihre braunen Augen weit auf und ihre Kinnlade klappte hinunter. Sie sah aus, als ob ein Geist -oder Zombie- vor ihr stehen würde. Genau so geschockt und paralysiert.

'A... aber... i.... ch h...abe d... d... dich ge... tö...te...t', hauchte sie panisch

'Nein.', dafür lachte der Fotograph umso mehr, 'Rock Star, ich hatte mich tot gestellt.'

Jeder hatte Adam damals so angeschaut. Abgesehen von John -natürlich- und Mika, die ihn aus dem Keller brachten.

Verwirrt kommt Gordon etwas anderes in den Sinn. 'Mika HATTE einen Schlüssel für die Fesseln!'

Das hatte sie ganz stolz verkündet, nachdem sie ihn aus dem Schockzustand befreit hatte. Etwas provokant hielt sie dann einen der rettenden Schlüssel vor seine Nase.

'Warum hätte Hoffman sich dann den Fuß absägen müssen???'

Immer noch grübelnd will er kurz nach seinem besten Freund schauen, als eben jener aus der verborgenen Tür der Cross-Trapp tritt. Die Uhr schmückt sein Handgelenk. Wundersamer Weise ist diese kein Bisschen mit Blut verschmiert.

"Hey, Larry.", musternd schaut er seinen ehemaligen Mitspieler an, "Ist es so weit?"

Gordon nickt, "Ich habe seine Falle in meinem Kofferraum..."

"Er hat keine Chance, stimmts?", Adam scheint ein wenig gedrückt zu wirken. Er ist ein wirklich schlechter Schauspieler und Lügner. Man sieht es ihm auf dreihundert Meter Entfernung an.

'Vielleicht weiß er etwas über Hoffm-', innerlich schüttelt er den Kopf. Im Gegenzug nickt er noch einmal, "John gab mir die Bauskizze. Ich habe sie nur ein wenig verändert."

"Viel Glück...", mit einem letztem freundschaftlichen Schulterklopfer geht der, der für die Stalkerfotos zuständig ist, den Gang entlang, aus dem Lawrence kam.

Er geht weiter.

In seinem Innersten nagt das Gefühl etwas vergessen zu haben.

'Ich hab die Falle.

Ich kenne Hoffmans Aufenthaltsort.

Gott sei Dank kennt er meinen nicht.

UND Mika wird mir nicht in den Rücken fallen.

Sie weiß, wer der "wahre Erbe" ist. Und das ist NICHT Hoffman.

Und -ganz entgegen von Koreys Ansichten- verachtet Michaela Connor das Morden...

Sie ist nicht so wie Hoffman. Aber sie steht ihm im Thema Gewalt auch in nichts nach...'

In Gedanken der folgenden Werdegang dieses Abends durchgehend verlässt der Doktor endgültig das Schwimmbad.

Frische Luft strömt ihm entgegen. Nach einem ganzen Abend in nach Chlor und Chlorwasserstoff riechenden Räumen scheint sie noch frischer zu sein.

Jedes Mal, wenn er seine Schicht im Krankenhaus beendet und statt in seine dort integrierte Wohnung zu seinen Schülern geht, fühlt er sich genau so, wie jetzt... Befreit... Erleichtert.... In gewisser Weise... Frei...

Zielstrebig humpelt er auf seinen dunklen Wagen zu.

"Larry, ich flehe dich an... tus nicht...!"

Er stoppt, als er gerade die Tür öffnen wollte um einzusteigen. Er wendet sich der Stimme zu. Sie gehört zu Korey.

Sie hat ihren Wollstoffmantel geöffnet, sodass durch diesen Spalt ihre Schuluniform scheint. Wegen Mika konnte sie nicht mehr nach Hause und sich umziehen. Ihre langen Haare hält sie durch einen schwarzen Haarreif zurück. Das hindert ihr dunkles Haar aber nicht daran von dem leichten Westwind in ihr Gesicht geweht zu werden. Mit ihrer starken linken Hand hält sie die Strähnen zurück, die ihre Augen -oder Mund- beeinträchtigen würden.

"Korey, ich habe dir bereits gesagt, was ich machen werde. Und DU kannst mich nicht aufhalten. Nach dem heutigen Abend werden wir nicht mehr mit der ständigen Angst leben müssen, dass Hoffman uns verrät oder tötet. Wir können IHM dann alles in die Schuhe schieben."

"Ja, aber... Larry... Du wirst zu einem Mörder... bitte... tu das nicht... Ich flehe dich an... Mörder sind genau die Personen, die wir hier testen!", ihre Stimme wird schrill. Sie beginnt mit ihrem rechten Zeigefinger Haare mit einer kreisförmigen Bewegung darum zu wickeln. Das macht sie immer, wenn sie nervös ist.

"Man muss manchmal Opfer bringen...", entschlossen schaut er in ihre blau-grauen Augen.

"Tu das nicht.", haucht sie kaum hörbar, "Ich will dich nicht testen...", eine kleine Träne kullert ihre Wange hinab, "Du bist mein Freund. Mein Vaterersatz. Mein Vorbild... Ich will das nicht... Bitte..."

"Korey, du kannst mich nicht von diesem Entschluss abbringen. Es ist zu unser aller Besten. Du musst mich verstehen."

"Nein!!!", ihre Stimmung hat sich geändert. Sie ist unglaublich wütend. Sie beginnt zu schreien, "NEIN!!! Ich versteh das nicht, weil du genau so ein Mörder bist wie Hoffman!!!", zornig dreht sie ihm den Rücken zu und stapft wieder zurück Richtung Schwimmbad.

Verständnislos schüttelt Gordon den Kopf. 'Sie ist so stur, dass sie meine Absichten gar nicht versteht... Hoffmans Tod ist zum Wohle aller. Sie wurde zu sehr von Johns Idealen geblendet...'

Er dreht sich wieder zu seinem Vehikel, legt die Hand auf den Türgriff.

Kurz hält er inne und seufzt, "Bin ich wirklich so wie er...?", sein Blick fällt auf die Heckscheibe. Er hatte sich an jenem Tag, an dem er seinen Fuß verlor verändert. Sowohl physisch, als auch psychisch:

Seine Einstellung dem Leben gegenüber ist tiefgründiger geworden. Er konnte nicht mehr im Angel of Mercy Hospital arbeiten wegen seinem Ruf. Deshalb bat er um eine 'Versetzung'...

Sein Blick schweift über die Reflektion. Der Parkplatz liegt friedlich im Mondschein. Vier Autos parken hier...

'Moment...'. er blinzelt, schaut genau auf die Spiegelung, 'Das sind fünf...'

Plötzlich huscht ein Schatten über das Bild. Erschrocken dreht sich der Arzt um...

Nichts... der ruhige Parkplatz... mehr nicht...

Erleichtert will Lawrence -endlich- einsteigen, als auf einmal ein Mann in Schweinsmaske und dunkler Jacke vor ihm steht. Mit routinierten Bewegungen packt diese Person ihn an der Schulter und bohrt eine Spritze in seinen Hals.

Gordon kann spüren, wie das Narkotikum seinen Herzschlag verlangsamt. Müdigkeit überkommt ihn. Seine Beine geben nach. Gordon schaut -mit verschwommener Sicht- auf Pighead, "Hoffma-"

Alles wird schwarz.

Der Doktor verliert das Bewusstsein...

Ein Gefühl überkommt Mark Hoffman, von dem er glaubte es längst verloren zu haben: Genugtuung.

Nicht diese Art, die man fühlt, wenn man befördert wird oder heiratet... nein... Jenes intensive, befreiende und beglückende Gefühl verspürt man nur, wenn man verhasste Personen 'aus dem Weg räumt'.

Er empfand es erst vor sechs Tagen das letzte Mal, doch bei ihm bleibt diese Emotion nicht lange bestehen:

Nachdem er Jill Tuck getötet hatte, wurde er von Gordon eingesperrt.

Nachdem er sich den lästigen FBI Agents -Perez und Erickson- entledigt hatte, kam Jill mit der Reverse Bear Trap.

Nach Strahms Verwandlung zu einem Sandwich wurde ihm offenbart, dass Perez noch lebte.

An dem Tag von Amanda Youngs Ermordung -zu diesem Zeitpunkt war die Genugtuung besonders intensiv-, überlebte Strahm The Box.

Doch keine dieser Taten konnte in ihrer Empfindung von der Ermordung Seth Baxters übertroffen werden... auch wenn er ein paar Tage später sich John anschließen musste.

Zufrieden setzt er sich auf Mikas Bürostuhl.

Mit scheinbar ruhigen Augen schweift sein Blick über den Laptop, Christian Denbows toten Körper und bleibt an der bewusstlosen Gestalt Lawrence Gordons hängen. Bäuchlings liegt der Doktor -alle Viere von sich gestreckt- auf dem Boden, neben dem Cop. Langsam hebt und senkt sich Lawrences Oberkörper.

Hoffman kommt nicht um Selbstbewunderung hinweg: Trotz seines gebrochenen Fußgelenks hatter er es geschafft den Doktor zu betäuben UND -zwar eher schlecht, als recht- ihn in den ersten Stock zu schleppen. Genugtuung blendet alle anderen physischen Leiden aus...

"Jigsaws neuer Erbe... Das ich nicht lache.", seine Stimme trieft förmlich vor Verachtung und Hass.

Er nimmt seine Krücke und sticht fest mit deren Spitze zwischen Gordons rechtes Schlüsselbein und Schulterblatt. Er weiß nicht warum er das tat. Vielleicht, weil Gordon ihm so viel Mühe bereitet hatte?

Schadenfroh steht er auf und nimmt das Grundgerüst der Falle in die Hand. Es ist eine zweispurige Leiste, die um den Hals und die Hüfte des Opfers geschnallt werden soll. Genau das macht er auch.

'Gordons Spiel wird in diesem Zimmer stattfinden.', ein angenehmer Schauer verstärkt seine Freude nur noch, 'Mika wird nicht schlecht schauen, wenn sie zur finalen Phase des Spiels auftaucht. Ich freue mich auf ihren Gesichtsausdruck, wenn sich seine Gedärme über den renovierungsbedürftigen Boden verteilen. Gordon wird Schmerzen erleiden... Er wird Stück für Stück von innen heraus auseinander gerissen werden...'

Er setzt sich wieder und schließt die Augen, "Mein ist die Rache..."

"Was zum-?", fragt plötzlich eine erschrockene weibliche Stimme. Mikas Stimme.

Er schlägt seine Augen auf, 'Sie ist früher als erwartet.' Doch eigentlich ist es ihm egal.

Sie steht -ungläubig- in ihrer Tür. Ihr Blick schweift von Chris über Gordon und bleibt scheinbar an ihm hängen, "Was hast du getan?", ihre Frage ist ein Hauchen, doch sie klingt wieder gefasst.

"Mein Ziel verfolgt."

"WAS HAST DU GETAN?!?", jetzt beginnt sie zu brüllen. Es ist bemerkenswert, wie schnell sich ihre Emotionen ändern. In der einen Sekunde ist sie noch ruhig und berechnend und in der anderen könnte sie jemanden umbringen.

"Das, was ich von Anfang an geplant habe."

"Chris umbringen?!? Oder meinst du in mein Zimmer einbrechen?!? Ich hätte dich da unten zurück lassen sollen!!! Du bist ein Mörder!!!"

"Und du eine kleine Lügnerin.", seine gelassene Antwort.

Er wirft ihr das Foto aus ihrem Zimmer vor die Füße. In Chris' Hirnmasse, "Wer ist das?", fragt er mit einem leicht bedrohlichen Unterton.

Ihre blau-grauen Augen huschen über das Bild. Sie scheint zu wissen, worauf dies hinaus läuft, "Ich glaube du hast wirklich mal besser ausgesehen, als jetzt."

"WER IST DIESE FRAU?!?", wieder haben sie die Rollen getauscht.

"Das würdest du gerne wissen, hm? Aber ich sags dir nicht. Und weißt du warum? Weils dich nen feuchten Dreck angeht.", sie grinst mit ihren vollen Lippen triumphierend.

"Mika, WO IST DEINE MUTTER?!?", drohend steht er auf.

"Mach so weiter und du wirsts ihr gleichtun. Oh, Sorry, ich vergaß. DU kommst ja in die Hölle. Meine Mum ist im Himmel."

Ungläubig mustert er sie. 'Seit wann ist sie so gläubig?' Diese hübsche Frau ist tot. Deshalb konnte er in deren Schlafzimmer nächtigen! "Jetzt verstehe ich, warum du getestet wurdest.", auch er beginnt zu lächeln. Es ist boshaft, "DU hast sie getötet. Den Namen ihres Mörders schrieb sie an die nächste Zimmertür. Du kleines verlogenes Stück...", doch jetzt fällt sein Blick wieder auf das Foto.

"ICH habe meine Mum geliebt!!! Ihr Ehemann tötete sie! Mit meinen eigenen Augen sah ich, wie er ihren Körper aufschlitzte. Wie sich das Blut auf den Boden verteilte. Wie sie sich ein letztes Mal aufrappelte und meinen Namen an meine Zimmertür schrieb. Kaum hatte sie das 'A' geschrieben starb sie! Ihr Mann hatte dann... er hatte begonnen sie... aufzuessen... Er war der Piece-Killer! Er brachte auch -damals in seiner Jugend- den Mann und das Kind dieser Kathrin Scorpion um...", sie beginnt zu schluchzen.

"Wer war dein Vater?", zwar hatte er ihre Geschichte gehört, aber sie klang für ihn nach einer hollywoodreifen Lüge.

"Was?"

"Du sagtest, ich wüsste etwas über deinen leiblichen Vater."

"John sagte das.", dann fällt ihr Blick noch ein Mal auf das Foto. Sie versteht sofort, worauf er hinaus will, "Mark, wann war diese Party?"

Irritiert schaut er sie an, "Vor etwa achtzehn Jahren."

"Wie alt bin ich?", zwar hatte sie ihm ihr Alter nie genannt, aber er würde sie schon richtig einschätzen.

"Neunzeh-", eine gewisse Erleichterung überkommt ihn. So kann er sie -ohne jegliche Gewissensbisse- töten, "Somit hast du deinen letzten Schutz verspielt."

"Und du auch deinen...", sie bringt ein Handy zum Vorschein. Ihr Handy. Jenes der japanischen Marke ist aufgeschoben und eine Ziffer eingegeben worden. Die zwei. Ihr Daumen ruht auf der 'Gespräch annehmen' -Taste.

"Unsere Abmachung ist nichtig.", verkündet Mika. Ihre Hand zittert.

"Allerdings...", Marks Ton wird wieder bedrohlich.

Wie aufs Stichwort macht sie auf den Absatz kehrt. In diesem Moment nimmt er eine seiner Krücken, die sie ihm damals schenkte, und 'spießt' diese zwischen ihre Füße, gerade, als sie fliehen wollte.

Sie stolpert. Das Mobiltelefon rutscht aus ihrer Hand. Ihr Kopf schlägt gegen den Türrahmen und sie fällt auf den Boden. Benommen versucht sie aufzustehen. Vergeblich. Sie hatte sich vor einigen Tagen an ihrer linken Hand verletzt. Deshalb kann sie nicht aufstehen. Sie rutscht wieder auf den Boden.

Siegessicher humpelt Hoffman auf sie zu. Er packt sie im Genick und zerrt sie wieder auf die Beine. Mit Wucht schlägt er -noch einmal- ihren Kopf gegen den Rahmen. Ihr schmerzerfülltes Stöhnen klingt wohltuend in seinen Ohren.

Sie sinkt wieder auf den Boden. Bewusstlos bleibt sie liegen. Sein Blick fällt auf das Handy. Es wählt. Sofort lässt er von ihr ab und schaltet das Gerät ab, "Du wirst niemanden um Hilfe bitten können..."

Nachdenklich geht er wieder zu Gordon und entfernt jenem die Grundbestandteile der Falle, aus der es kein Entrinnen gibt.

Noch einmal begutachtet er die Schiene. Die Klingen, die er installieren wird, werden sich durch ihren Körper bahnen und sie dann auseinander reißen. Hätte sie nicht so aggressiv reagiert, hätte sie diesen Abend vielleicht überlebt.

Er befestige -in mörderischer Laune- die Schiene an ihrem Hals. Er stellt sich vor, wie Mika sich vor Schmerz winden wird, wenn die Klingen durch ihren Körper schneiden, wie durch Butter. Innerlich kann er ihren ängstlichen, verzweifelten Schrei nach Hilfe hören.

Doch er wird ihr nicht helfen.

Niemand wird ihr helfen...

Aber auf der anderen Seite steht er auch unter Zeitdruck. Er kann nicht genau sagen, wann sie aufwachen würde. Mark weiß nämlich nicht, wie stark sie das erste Mal gegen den Rahmen geknallt ist...

Und er findet auch, dass der vollständige Schmerzpegel ihr nicht gerecht sei. Gordon hatte immerhin -durch sie- geglaubt, dass er sich den Fuß abgesägt hat...

Sein unmenschlicher Blick schweift noch einmal an ihrem Körper entlang. Blut rinnt aus ihrem rechten Mundwinkel. Ihr franseliges Pony ist von der Körperflüssigkeit verklebt. Langsam hebt und senkt sich ihr Brustkorb. Ihre Beine sind angewinkelt, sodass ihr schwarzer, kurzer Trenchcoat ein wenig nach unten gerutscht ist. Sie trägt einen schwarzen Faltenrock mit weißen Saum und schwarze, kniehohe Lederstiefel, die an dem Einsetzer des Reisverschlusses rot sind. Ihr Kopf ist auf Christian Denbows Schienbeinen gebettet und zu ihm -Mark Hoffman- gewandt.

Er schüttelt den Kopf und dreht sich zum Schreibtisch.

Die Klingen liegen darauf.

Groß und scharf.

In seinem Spiegelbild zeigt sich Freude und Mordlüsternheit.

Wieder dreht sich Mark zur Bewusstlosen und will zu ihr humpeln... doch sie liegt nicht mehr an dem Platz, an dem er sie zurückgelassen hatte...
 

Panisch kriecht Mika zur Treppe. Sie muss hier raus, sonst wird er sie umbringen...

Als sie seine zornigen Schritte hört, steht wankend sie auf. Ihr ist schwindelig.

Bald hat sie die Treppe erreicht...

Ein kleines Stück...

Ein klitzekleines....

Die erste Stufe ist zum Greifen nahe...

Da packt sie eine Hand an dem Grundbestandteil der Falle, die er ihr angelegt hatte.

Ängstlich dreht sie sich um und schaut genau in die mordversessenen Augen Mark Hoffmans. Ihr Herz macht einen Aussetzer...
 

Mit seiner rechten Hand packt der Ex-Cop sein Opfer an der Kehle. Ihr Gesichtsausdruck ist allessagend. Sie hat angst. Würde er auch haben... Doch sie war sehr hilfreich für ihn. Sie könnte ihm weiterhin helfen... Deshalb beschließt er ihr noch eine letzte, leben rettende, Chance zu geben, "Ich verschone dich, wenn du stillschweigst und mir assistierst."

Zornig, Vernichtung wünschend, schaut sie mit ihren ungewöhnlichen Augen in Marks, "Ich sterbe lieber, Mörder."

"Das können wir arrangieren.", er schaut sie ein letztes Mal an, bevor er ihrem Leben den Gar aus macht. Obwohl sie weiß, dass er seine Drohung wahr machen wird, hält sie an ihren Prinzipien fest. Sie ist entschlossen.

"Noch ein paar letzte Worte?", von seiner geheimen Bewunderung lässt er sich nichts anmerken.

"Ich bereue nur, dass ich dir geholfen habe...", mit dem Ende von Michaela Connors Satz stößt er sie die Treppe hinab. Sie überschlägt sich einige Male, rollt sie hinab.

Regungslos bleibt sie auf dem Laminat vor der Eingangstür liegen.

Die Augen weit aufgerissen.

Ihr Körper etwas verrenkt.

Ihr Brustkorb bewegt sich nicht mehr...

Die letzte Träne ihres Lebens rinnt ihre Wange hinunter.

Ein wenig tut es ihm leid sie getötet zu haben... doch er hatte keine Wahl... Sie hätte ihn solange bekämpft, bis einer von ihnen gestorben wäre...

Ein letztes Mal schaut er in ihre Augen. Sie haben etwas vertrautes, ’Hätte sie nur anders reagiert…’

Dann mit einem lauten und genervten Seufzer dreht er sich um. Gordon wartet…

Doch plötzlich, mit seinem Umdrehen steht ein Pighead vor ihm. Mit einer Spritze bewaffnet. Reflexmäßig versucht Hoffman diese Person bewusstlos zu schlagen, doch eine andere hält seine Arme von hinten –mit einem allzu bekanntem Polizeigriff- fest, "Korey, du Schlampe."

Als Antwort auf diesen Satz bohrt es die Spritze in seinen Hals.

Hoffman fühlt, wie sich dieses Mittel in seinem Körper verbreitet. Seine Gliedmaßen sind wie gelähmt. Angst überkommt ihn. Angst etwas übersehen zu haben… Angst zu sterben…

Er sinkt auf seine Knie. Nicht mehr fähig sein Gewicht zu tragen. Dann auf den Bauch. Ein dunkler Schatten legt sich über ihn… Alles verliert sich an Intensität… Die Genugtuung ist wieder verschwunden… Mark Hoffman verliert das Bewusstsein…

Das Licht flackert.

Der Raum hat schon schönere Tage erlebt.

Die Tapeten sind abgeblättert. Graue, moosige Betonwände werden an jenen Stellen freigelegt.

Das Mobiliar ist an die Wände gestellt worden und ebenso der Natur zum Opfer gefallen, wie die Wände.

Der einst prunkvolle Parkettboden hatte begonnen sich -durch die Feuchtigkeit- zu wölben. Risse haben sich gebildet. An einigen Stellen ist er auseinander gerissen.

In der Mitte jenes unheilvollen Raumes kommt Mark Hoffman ganz langsam wieder zu sich. Mit einem schmerzendem Genick hebt er seinen Kopf, der auf seiner Brust gebettet war. Er sitzt.

Kurz schaut er sich um.

Er kennt diesen Ort nicht...

Plötzlich fällt ihm alles wieder ein. Auch wie -oder durch wen- er hierhergekommen ist: Korey. Sie hatte ihn, nachdem er Mika getötet hat, betäubt und ihn in Gordons geplante Falle gesteckt. Er wusste, er hatte etwas übersehen!!!

Vor Zorn ergriffen steht er auf. Besser gesagt er versucht es. Seine Hände wurden an die Lehnen und seine Beine an die des Stuhls gefesselt. Er rüttelt an den Polizeihandschellen, doch sie lösen sich nicht. Natürlich. Er soll ja hier sterben.

"Gordon du Schwein!!!", er weiß, dass der Arzt all dies für ihn geplant hatte. Vielleicht hat dieser ja auch schon längst das Bewusstsein zurück erlangt und beobachtet belustigt durch eine Kamera, wie er panisch versucht aus einer Falle zu entkommen, aus der es kein Entrinnen gibt, "Ich bring dich um!!!", diese Drohungen sind nutzlos. Das ist Mark schon bewusst, aber somit kann er seine austeigende Panik unterdrücken.

"Das will ich sehen...", antwortet eine männliche, vertraute Stimme hinter ihm. Sie ist nahe... Zu nahe...!

Erschrocken dreht er sich mit seinem Oberkörper nach links um.

Am Stuhl hinter seinem ist jemand gefesselt. Nur langsam kann Hoffman erkennen, wer dieser Mann ist, der genau so über seine Schulter schaut wie er.

Der andere Gefangene hat blonde Haare und marineblaue Augen.

"Gordon? Was für ein krankes Spiel spielst du hier?", presst der mehrfache Mörder zwischen seinen Zähnen hindurch.

"Das wollte ich dich gerade fragen...", antwortet er. Die Stimme Lawrences ist ruhig. So ruhig wie damals, als Hoffman gebannt -über seinen Computer im MPD- sein Spiel mit Adam beobachtete und die beiden gerade aufgewacht sind.

Noch einmal zerrt Hoffman an der Schellen, "Wessen krankes Spiel ist das dann?"

Als Antwort schiebt sich just in diesem Moment eine Rolltür zu seiner Linken auf.

Helles, gleisendes Licht strömt ihnen entgegen.

Eine Silhouette tritt ein. Sie scheint einen knielangen Mantel zu tragen. Hoffman kann nicht erkennen, wer es ist.

Durch die Helligkeit geblendet petzt er die Augen zusammen. Er kann nur sehen, wie jene die Tür wieder zuschiebt und den Raum somit wieder in Zwielicht taucht.

Er kann diese Person nicht identifizieren. Seine Augen müssen sich erst wider an das Halbdunkel gewöhnen, aber als dieser Jemand eintrat hätte er im ersten Moment schwören können, Mika sei es...

Aber das ist unmöglich... ER hatte sie immerhin getötet!!!

"Ihr seid wach? Gut..."

Und dennoch... diese weibliche, gefasste, sanfte aber traurige Stimme kommt ihm äußerst bekannt vor.

Gordon wohl auch, "Korey? Verdammt, was soll das?!? Wir haben Hoffman!!! Jetzt mich los!!!"

Sie kommt einen Schritt näher.

Mit einer routinierten Bewegung zieht sie die Schweinsmaske ab.

Und tatsächlich... Korey Bishop steht vor ihnen.

Ihr etwas geöffneter, schwarzer Wollstoffmantel gibt ihren schwarzen Faltenrock mit weißem Saum, ihre weiße Bluse mit Krawatte und das Emblem ihrer Schule darunter Preis. Sie trägt schwarze, kniehohe, Motorradstiefel und ihre rückenlangen, dunklen Haare werden durch einen blutroten Haarreif zurück gehalten. Ihr Pony ist etwas ein wenig -mit einer Flüssigkeit- verklebt.

In ihrem hübschen, puppenähnlichen Gesicht spiegelt sich Trauer und zugleich Zorn. Ihre strahlenden, blau-grauen Augen mustern die Testpersonen aufmerksam. Ein kleiner Blutfleck am rechten Winkel ihrer vollen Lippen zerstört das freidliche in ihrem Antlitz und lässt sie wie eine Leiche wirken. Oder wie die weibliche Version von Billy.

"Du Schlampe!!!", noch mehr Hass macht sich in Mark breit. In solch einem Zustand hatte er schon öfter Menschen getötet, "Mach mich los!!!"

"Oder was?", herausfordernd stemmt sie ihre Hände in die Hüften, wobei ihm auffällt, dass sie vorsichtiger mit ihrer linken agiert, als mit ihrer rechten.

"Rey, mach mich los!", jetzt klingt auch der Arzt ängstlich.

Sie allerdings schüttelt nur den Kopf, "Tut mir unendlich leid, Larry, aber ich habe dich gewarnt...", sie schaut zu Hoffman, "und du wurdest auch gebeten aufzuhören, Marky."

Das letzte Wort lässt ihn erschauern. Diese Betonung... diese Aussprache... diese Verachtung in der Stimme, als sie diese provozierende Verniedlichung seines Namens sagte... sie klingt genau so wie, "Mika???"

Sie grinst.

Seine Augen weiten sich, "Verdammt, was läuft hier?!?!" Angst macht sich in ihm breit. Angst und Schock.

Kurz schließt sie ihre Augen und nimmt ihre Haare -am Ansatz- in die Hände. Sie beginnt an ihnen zu ziehen, während sie ihre Lieder wieder aufschlägt. Die braunen Haare rutschen durch die Innenflächen. Doch plötzlich, etwa an der Stelle, an der ihre Frisur ihre Schultern berührt, fallen die die langen Strähnen auf den Boden. Zum Schluss nimmt sie noch den Kopfschmuck ab.

Mika steht vor ihnen. Sie wirkt zwar etwas jünger, aber sie ist es.

Alles scheint sich in diesem Moment, in dem die Extentions den Boden berühren, einen Sinn zu ergeben:

Als sie das erste Mal die Werkstatt -das war diese Schaufensterpuppenfabirk- von John betrat, erkannte sie Hoffman sofort. Verwirrt ging sie, einige Monate später, zu ihrem Meister, der schon eine Ahnung hatte, wie sich alles nach seinem Tod abspielen wird, 'Ich werde Gordon beten sich um Hoffman zu kümmern, falls dieser Jill tötet. Lawrence wird ihn in dem gewissem Badezimmer zurücklassen... Würdest du nichts unternehmen, wäre dies Mord....

Ich möchte, dass du Mark befreist. Er weiß etwas über deinen Vater.'

'A...aber was wird Larry dazu sagen? Er wird Panik kriegen und versuchen Hoffman zu töten...!', sie wusste nicht, wie sie auf diese Zukunftsmusik reagieren soll. In jenem Moment dachte sich, dass John nicht beachtet zu haben schien, dass Lawrence nur wegen des Stockholm-Syndroms zurück kam und die wahren Ansichten Jigsaws nicht vollständig versteht.

'Du wirst auf beide aufpassen. Versuche sie davon abzuhalten, sich gegenseitig zu töten.'

'Wie? Wenn ich Hoffman helfe, wird Larry nicht mehr mit mir reden wollen... Und teilen kann ich mich ja auch nicht...'

'Warum?'

Zu jenem Zeitpunkt entstand Korey Bishop.

Das verwirrende Geflecht fängt an sich zu lösen:

Die gleichen Augen- und Haarfarbe, die gleichen, vollen Lippen, die Größe. Beide waren Linkshänder. Beide hatten ähnliche Tests. Beide hatten schreckliche Adoptivväter. Aber niemand hatte beide im selben Moment im gleichen Raum gesehen...

Die Verletzungen stimmen überein und das gegenseitige Beschuldigen, die andere sei ein Mörder und könnte -von der Skrupellosigkeit und Brutalität gesehen- mit Amanda verwandt sein.

So konnte sich auch Mika ganz einfach 'Koreys' Tagebuch zulegen...

Deshalb war sie auch so selten bei Hoffman. Sie war, während sie behauptete Korey zu überwachen -und auch nicht erreichbar war- in der Schule oder bei Gordon. Bei letzterem lernte sie sogar, wie sie Hoffmans Fußgelenk schienen konnte. Und an ihrem freien Tag befreite sie Hoffman und zerstörte die Beweise im MPD...

Beiden bleibt die Sprache weg. Sie starren die junge Frau einfach nur an.

Triumphierend holt sie ein Foto aus der Rocktasche und betrachtet es kurz, "Weißt du Mark... Hätte ich nicht diese Synkopen, hättest du mich wirklich getötet. Früh habe ich dadurch gelernt, wie man am besten fällt, ohne sich ernsthaft zu verletzen.", sie schaut auf, "Weißt du, wer auch Synkopen hatte? Meine Mum."

Sie wirft Hoffman dasselbe Bild vor die Füße, wie er ihr vor einigen Stunden.

"Ihr Name war zu jenem Zeitpunkt Korey Connor. Später hinaus heiratete sie einen Mann namens Jack Bishop... Was Make up und eine erwachsenere Frisur für einen Altersunterschied machen können..."

Er versteht, was sie meint... Sie ist wirklich... seine Tochter?!? Diese zweite Probe, die sie einschickte war von IHM?!?

Korey Connor... warum ist ihm dieser Name nicht schon früher eingefallen?!?

Zu jenem Zeitpunkt, an dem John ihr Leben durch einen Test veränderte, änderte sie auch ihren Namen. Sie wollte nicht mehr die Sklavin dieses Kannibalen sein! Sie wollte ein freies Leben führen! Deshalb nahm sie -schon im Krankenhaus- den Mädchennamen ihrer Mutter an...

Als der vorausgesagte Tag von Jills Ermordung kam und sien Hoffman befreite, wusste sie gleich, dass er sie nicht erkennen würde. Geschminkt und mit kurzen Haaren wurde sie IMMER älter geschätzt.

Nur wenige wussten von ihrem wahren Vater: John, Chris und Anika. Doch alle drei sagten niemals ein Wort zu Mark. Chris beneidete jenem sogar... So gerne wäre ER Mikas Vater gewesen...

"Wie gesagt: Ich habe euch gewarnt.

Ihr werdet merken, dass ihr den für den anderen gebauten, Test trägt. Ihr werdet euch gegenseitig retten müssen, ansonsten werdet ihr hier gemeinsam sterben. Ich nenne diese Falle 'Bondom-Trap'..."

"Du wirst damit nicht davon kommen!", Gordon hat seine Stimme wieder gefunden, "Meine Schüler werden-"

"Welche Schüler? Meinst du diese hier?", sie holt ihr japanisches Mobiltelefon aus der Jackentasche, gibt eine einzelne Ziffer ein und nimmt das Gespräch an.

Keine Sekunde später öffnet sich die Rolltür und vier männliche Gestalten -in Schweinsmasken- stehen im rettenden Gang.

"Sie haben erkannt, dass sich das, was du versuchst den Testpersonen zu vermitteln nicht mit deinen eigenen Taten deckt.", ein letztes Mal muster sie die Zwei, "Es tut mir so leid, Larry... Dad...", Michaela Connor dreht sich zur Tür und geht darauf zu.

Die verzweifelten Schreie Mark Hoffmans und Lawrence Gordons folgen ihr.

Als sie den Raum verlässt, macht sie auf dem Absatz kehrt und wendet sich den Zwei ein letztes Mal zu, während sie das Licht ausschaltet.

Ihre Hand ruht auf dem Griff der Tür.

Todesangst überkommt Hoffman. Von der eigenen Tochter getestet!!! Er schreit aus vollstem Leib.

Doch Mika antwortet nur, "Lasst das Spiel beginnen.", und schiebt mit Schwung die Tür zu.

Wieder ist es dunkel.



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  Zorroline
2013-01-07T07:58:58+00:00 07.01.2013 08:58
Alter, wieso noch keine Kommentare??
Hab zwar erst den Prolog gelesen, aber bin jetzt schon begeistert xD
Ich krieg einfach nicht genug von Hoffman xDD Bin selbst auch am Schreiben und hab Saw VIII fertig, aber weil das so ist und ich nicht genug kriegen kann, muss ich eben so n bisschen mir die Zeit vertreiben xDD
*laber* xD
Ich wusel mal zum nächsten Kapitel :3


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